33 Altmühltal meets Silicon - T-Systems · das sind nur einige Namen von Start-ups aus...

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ZALANDO, KREDITECH, TEAMVIEWER, TRIVAGO ODER DAILYDEAL – das sind nur einige Namen von Start-ups aus Deutschland, die sich er-folgreich etabliert haben oder für hohe Summen an US-Firmen verkauft wurden. Sie haben es geschafft, sind in der digitalen Wirtschaft so etwas wie heimliche Helden made in Germany. Doch das reiche nicht, um im globalen Wettbewerb zu bestehen, warnen Beobachter. Deswegen arbei-ten zwischen Flensburg und dem Bodensee zahlreiche Netzwerke und Initiativen unter Hochdruck daran, dass die nächste bahnbrechende digitale Geschäftsidee aus dem Land der Dichter und Denker kommt.

Christian Pott steht an seinem neuen Bürotresen. Der Gründer des Berliner Start-ups Websitebutler trägt Jeans und Turnschuhe. Wenn er und die drei weiteren Gründer von Websitebutler, Philipp Gohlke, Hendrik Köhler und Malte Sieb, einmal nicht bis spät in die Nacht arbei-ten, können sie in den neuen Geschäftsräumen am Alexanderplatz im Lounge-Sessel Cappuccino trinken oder einfach mit Kollegen in der Küche Pasta essen. 560 Quadratmeter hat das Quartett des 2013 ge-gründeten Start-ups auf einem Stockwerk zur Verfügung.

Platz genug für ihr junges Business, das gerade den deutschen Markt für Websiteentwicklung kräftig aufmischt. Ihr selbstlernendes Sys-tem James arbeitet dank künstlicher Intelligenz praktisch autonom und fehlerfrei. Der Kunde schreibt in einen Onlinefragebogen, welche Ziele er mit seiner Website erreichen möchte, oder ruft einfach an. Danach liefert er Fotos und Texte. Das System baut daraus eine Website. Dabei setzen die Berliner auf persönlichen Service. „Unsere Kunden haben wenig Zeit. Deshalb ist unser Ziel, ihnen alle Aufgaben rund um die Web-site abzunehmen“, erklärt Pott. Die über 1000 Websitebutler-Kunden, darunter Stroba Bau, Barber’s Berlin und Weilands Wellfood, erhalten so ohne viel Aufwand und zu niedrigen Preisen eine individuelle Website, die permanent von Profi s betreut wird. In Berlin hat Websitebutler auch Platz für Expansion, aus den 40 Mitarbeitern sollen bald noch mehr wer-den. Silicon Valley, München, Hamburg? Für Pott und seine drei Mitgrün-der kein Thema: „Berlin ist für uns perfekt, um Kontakte, Investoren, Mitarbeiter und natürlich auch neue Kunden zu fi nden.“

START-UP-METROPOLE BERLINAls Nährboden für Start-ups liegt derzeit Berlin vorn. Während München in den 1990er-Jahren die größere Attraktivität besaß, ist Berlin heute mit 600 Neugründungen in den vergangenen zwei Jahren laut Industrie-

DEUTSCHL AND HOLT MIT SEINER LOK ALEN

START- UP- DYNAMIK AUF IM RENNEN

UM DIE DIGITALE POLEPOSITION.

<Text> Anja Steinbuch

Von Zürich an die Spree:

GetYourGuide-Gründer

Johannes Reck (l.) und seine

Mitgründer Tobias Rein,

Martin Sieber und Tao Tao (v. l.)

starteten bescheiden und

laufen in Berlin zur

Höchstform auf.

Designen und pfl egen Websites mit ihrer

Spezialsoftware James: Philipp Gohlke, Malte

Sieb, Christian Pott und Hendrik Köhler (v.l.)

Viel Platz für digitale Kreativität: Im legendären

Café St. Oberholz in Berlin-Mitte werden Ideen

zum Erfolg geführt. SoundCloud, Betahaus und

sogar Zalando gehören dazu.

und Handelskammer eindeutig Spitzenreiter. In München waren es etwa 300 im selben Zeitraum. Die Quantität ist allerdings eher zweitrangig. Er-folgsentscheidend sind die Entwicklungschancen für die Unternehmer, die Kosten für Personal und Ausstattung und vor allem die Möglichkeit, Finanzierungsquellen zu erschließen. Alles Faktoren, die derzeit für Berlin sprechen.

100 Millionen Euro Risikokapital von namhaften Investoren wie KKR, Spark Capital und Nokia Growth Partners sammelte Unternehmer Johannes Reck für seine Idee ein, über eine App nicht nur Flug und Hotel zu buchen, sondern auch Stadtführungen und Theatertickets. Das Start-up GetYourGuide startete 2008 als Studenteninitiative mit 15 Mit-arbeitern in Zürich. Das Unternehmen wuchs schnell und beschäftigt inzwischen über 200 Mitarbeiter an den Standorten Berlin, Zürich, Rom und Las Vegas.

Geld von EOS, dem Weltmarktführer bei industriellen 3D-Druckern im Laser-Sinter-Verfahren, konnte das Start-up 3yourMind einwerben, eine Ausgründung der TU Berlin. Die Geschäftsidee der 3D-Druck-Ex-perten richtet sich an Konzerne und Mittelständler, die schnell und güns-tig Modelle und Kleinteile per 3D-Druck produzieren wollen. Siemens

Altmühltal meets Silicon Valley.

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Digitalisierung – Wer, was, wann, wo

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Digitalisierung – Wer, was, wann, wo

Gründerszene

„WIR BRAUCHEN EINE KULTUR DES

WAGNISKAPITALS IN DEUTSCHLAND.“

Christoph Keese, Executive Vice President Axel Springer SE

„DIE GRÜNDUNG EINES

START-UPS IST EINFACH, ABER

DIE ANSCHLUSSFINANZIERUNG

STELLT IN DEUTSCHLAND EIN

PROBLEM DAR.“

Iris Bröse, BITKOM

nenbau, der Kooperationen mit Start-ups sucht oder bereits praktiziert. Davon profi tiert die deutsche Szene. Zwei Drittel von Europas größten Konzernen haben direkt in Tech-Firmen investiert. Ein Drittel hat seit 2015 ein Start-up aufgekauft. Beispiele sind Allianz, Audi, BMW, Daimler, Munich Re und ProSiebenSat.1. Das sorgt für Tempo.

KULTUR DES WAGNISKAPITALS„Wir brauchen eine Kultur des Wagniskapitals in Deutschland“, fordert Christoph Keese, Executive Vice President von Axel Springer SE. Noch ist das fi nanzielle Ungleichgewicht frappierend: Rund 2,5 Millionen Men-schen leben im Silicon Valley, in dem 20 000 Start-up-Unternehmen be-heimatet sind, die 60 Milliarden Dollar Wagniskapital zur Verfügung haben. Auf Platz zwei folgt Tel Aviv mit etwa 4000 Start-ups bei knapp 450 000 Einwohnern und 3,6 Milliarden Dollar Venturecapital. Berlin zählt mit 3,5 Millionen Einwohnern nur rund 2000 Start-ups, die auf 700 Millio-nen Dollar Wagniskapital zählen können – das sind immerhin 30 Prozent aller Start-up-Unternehmen in Deutschland.

Aber: „Deutschland holt auf“, ist Iris Bröse überzeugt. Die Start-up-Expertin beim Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommuni-kation und neue Medien (BITKOM) erklärt: „In unserem aktuellen Start-up-Report hat rund die Hälfte der befragten Jungunternehmer bestätigt, dass sie wieder in Deutschland gründen würden. Nur 30 Prozent erwar-ten in den USA bessere Wachstumschancen.“

Schwierigkeiten made in Germany sieht Bröse in der zweiten Finan-zierungsphase: „Der Start ist auch bei uns relativ einfach. Aber die um-fangreichere Anschlussfinanzierung stellt in Deutschland weiter ein

Problem dar.“ Die steuerlichen Rahmenbedingungen seien gerade für internationale Investoren immer noch nicht attraktiv genug. Aber auch Bürokratie und Regulierungen seien hinderlich. Ein Beispiel: Das deut-sche Start-up fl inc aus Darmstadt, das wie eine virtuelle Mitfahrzentrale Fahrer und Mitfahrer per App in ganz Deutschland zusammenbringt, kämpft mit dem deutschen Personen beförderungsgesetz. Demzufolge müsste der fl inc-Fahrer, sobald er regelmäßig Fahrgäste mitnimmt, einen Beförderungsschein besitzen. Vorteile sieht Bröse andererseits im deut-schen Datenschutz. „Hier wird Deutschland international gelobt und als Vorreiter gesehen“.

DIGITALE HUBS ENTSTEHENAuch die US-Start-up-Szene ist nicht so monolithisch, wie es aus der Entfernung scheint. Neben dem Silicon Valley gibt es aktive Szenen etwa in Washington, Chicago und Boston. In Deutschland wird ebenfalls daran gearbeitet, lokale Zentren zu schaffen. Unter der Schirmherr-schaft des ehemaligen Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel hat der BITKOM fünf sogenannte digitale Hubs, Cluster der digitalen Wert-schöpfung, initiiert: In Frankfurt wird die Digitalisierung der Finanz-branche vorangetrieben. In Dortmund steht die Logistikbranche im Zentrum in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut IML und dem Bun-desforschungsministerium. In Hamburg ist ebenfalls ein Logistik-Hub beheimatet, hier steht die maritime Wirtschaft Pate mit Unterstützung der Hafenwirtschaft.

3D-Druck für alle: 3yourMind-Gründer Aleksander Ciszek (l.) und Produktmanager Felix Bauer haben dank „German Accelerator“ ein Büro in San Francisco.

Anteil der Start-ups, die von

Frauen gegründet werden:

7,1 %ÖSTERREICH

13,9 %DEUTSCHLAND

33 %GROSSBRITANNIEN

So wie hier an der TU München entstehen bundes-

weit Orte für digitale Hubs. Digital oder analog

tre� en sich an diesen lokalen Scharnieren die Player

der digitalen Wertschöpfung.

nutzt ihre Dienste bereits, auch Architekten gehören zur Kundschaft, um Gebäudemodelle schneller herzustellen. „German Accelerator“, ein För-derprogramm der Bundesregierung, schickte die Macher jetzt in die USA, um ihrer Technik „den letzten Schliff“ zu verpassen. Inzwischen eröffnete das Start-up einen Standort in San Francisco, um zahlreiche neue Unternehmen aus innovativen Geschäftsfeldern auf die Software-lösungen von 3yourMind aufmerksam zu machen.

MEHR WAGNISKAPITAL, WENIGER VORSCHRIFTENViele aus der deutschen Start-up-Gemeinde schauen sehnsüchtigen Blicks über den Großen Teich ins Silicon Valley. Sie beneiden ihre kali-fornischen Kollegen um die Geschwindigkeit, mit der dort Wachstum möglich ist. Entrepreneure können innerhalb von Minuten eine Firma gründen, und auch die Beschaffung von Wachstumskapital dauert nur den Bruchteil der Zeit, die in Deutschland dafür benötigt wird. Mehr Wag-niskapital, mehr Kredite, weniger Vorschriften und vor allem mehr Tempo werden hierzulande einstimmig gefordert. Und es passiert etwas: Europa holt auf – davon ist auch Christian Leybold vom Risikokapitalgeber E.ventures überzeugt. Während Internetunternehmen früher auf regio-nale Märkte angewiesen gewesen seien, könnten sie heute schnell welt-weit expandieren – etwa wenn sie Apps für Smartphones anbieten.

Zugleich können sie günstig Dienste aus aller Welt nutzen. Und es gibt weitere Gründe: Immer mehr Geld fl ießt jetzt in die andere Richtung – aus den USA nach Europa. VC-Fonds eröffnen Dependancen in London, Paris und Berlin. Laut Studien kamen so 2016 rund 88 Milliarden Dollar in das europäische Deep-Tech-Segment – in dem Ideen für künstliche Intel-ligenz, das Internet der Dinge und Maschinelles Lernen entwickelt wer-den. Für diese technisch anspruchsvollen Bereiche gibt es in Deutschland beste Ausbildungsmöglichkeiten und deshalb gute Voraussetzungen.

Auch setzen immer mehr klassische Industrieunternehmen auf digi-tale Forschung. In Deutschland ist das vor allem der Auto- und Maschi-

Quelle: The Global Startup Ecosystem Report 2015

Quelle: www.bilanz.de

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In München geht es um die Zukunft der Mobilität. Dort sind BMW mit Unternehmerin Susanne Klatten maßgeblich beteiligt sowie der Inku-bator „UnternehmerTUM“, fl ankiert vom bayerischen Wirtschaftsminis-terium, dem Bundesverkehrsministerium und der Stadt. In Kombination mit einer Teststrecke für selbstfahrende Autos auf der Autobahn A9 zwi-schen München und Nürnberg sowie großen Automobilherstellern in Ingolstadt und München sind das beste Voraussetzungen für ein Silicon Valley der Mobilität im Altmühltal.

In Berlin schließlich sind das Internet of Things und die Digitalisie-rung des Finanzwesens Hauptthemen des regionalen Hubs. Mit Stand-ortkampagnen sollen weltweit Start-ups auf die Chancen in Deutschland aufmerksam werden. „Die Hubs bilden ein offenes digitales Ökosystem, in dem rund um die Leitindustrien Konzerne, Mittelständler und Start-ups zusammen mit Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Kapital-gebern die digitale Transformation gestalten“, so Iris Bröse.

UND DIE MITTELSTÄNDLER?Auch das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, mittelständische Familien-unternehmen, forciert die Kooperation mit den „jungen digitalen Wilden“: Unter dem Namen La Famiglia haben sich Mitglieder deutscher Familien-unternehmen zu einem Wagniskapital-Fonds zusammengetan. Mit von der Partie sind Namen wie Siemens, Miele, Braun und die österreichische Familie Swarovski. Zum Netzwerk gehören neben den Geldgebern auch erfolgreiche deutsche Gründer wie Sebastian Pollok (Amorelie) und Sven Rittau (Zooplus). Fondsmanager Robert Lacher: „Wir möchten über Ge-nerationen erfolgreiche Unternehmen mit den schlauesten Gründern und besten Ideen zusammenbringen.“

Gefl ossen ist der Geldsegen bisher in sieben Unternehmen. Darun-ter sind das Versicherungs-Start-up Coya und der digitale Speditions-dienstleister FreightHub. Ein weiteres Ziel dieser Initiative der Old Economy: Bahnbrechende Ideen sollen unabhängig von den großen industriellen Geldgebern wachsen. Wissen und Kontakte aus der „Fa-milie“ sollen diese Ideen weiterbringen. Gleichzeitig hoffen die Inves-toren auf einen frühen Zugang zu neuen Technologien und digitalen Entwicklungen.

<Kontakt> [email protected]

<Link> www.t-systems.de/telekom/dt-strategic-investments

Die Chance, bei

der Venturecapital-

Verteilung dabei

zu sein, ist in den

Feldern Kommu ni-

kationstechnologie

und Life Siences

am größten.

Querdenker bevorzugt: Die

Mitarbeiter von GetYourGuide

suchen weltweit die besten

Stadtführer und Veranstal-

tungen für ihre Kunden.

Dafür gab es eine großzügige

Finanzspritze.

Die Deutsche Telekominvestiert in Start-ups

Mit der Tochter Deutsche Telekom Strategic

Investments (DTSI) hat die Telekom eine

Geschäftseinheit ins Leben gerufen, um

Investitionen in Technologie-, Medien-

und Telekommunikationsunternehmen zu

bündeln und zu beschleunigen. DTSI ist die

Weiterentwicklung von T-Venture, der strategi-

schen Venturecapital-Gruppe. Mit einem

Volumen von über 750 Millionen Euro ist die

1997 gegründete T-Venture einer der größten

Corporate-Venture-Capital-Fonds in der

Technologie-Industrie. Sie hat 200 Investitio-

nen getätigt und 90 Unternehmen im Portfolio.

Ein Beispiel ist das Start-up Kinexon aus

München. Die Bayern verbessern industrielle

Prozesse durch zentimetergenaue 3D-Lokalisie-

rung und Bewegungserfassung von Objekten

und Personen in der digitalen Fabrik – Koope-

ration mit der Telekom nicht ausgeschlossen.

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KONSUMGÜTER/ HANDEL

LIFESCIENCES

FINANZDIENST-LEISTUNGEN

23 % 9 %4%

VERBRAUCHER-DIENST-

LEISTUNGEN

ENERGIE/UMWELT

KOMMUNIKATIONS-TECHNOLOGIE

ÜBRIGE7 %

23 %

19 %

11 %

4 %

INVESTITIONEN

VON DEUTSCHEN BETEILIGUNGSUNTERNEHMEN

2015

COMPUTER-/ UNTERH.-ELEKTRONIK

Quelle: Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften

837 MIO. €