Stadtportrait Osijek
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Transcript of Stadtportrait Osijek
Traumtouren von den Bergen bis ans Meer
Inselhüpfen Cres • Krk • losinj • pagslawonIen IsTrIendalMaTIen
MIT KroaTIsCh-
reIsespraChführer
AlpentourerAug. | Sept. | OKT. 3/20094. Jahrgang | No. 8 | ISSN 1611-4183 | 1 53 63EUR 5.00 CHF 8.80 IT EUR 6.00
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Staunend höre ich den Ausfüh-rungen von Mislav zu, wäh-rend ich den 90 Meter hohen
Backsteinbau, vor dem ich gerade stehe, betrachte: Diese Kirche wur-de innerhalb von nur vier Jahren er-baut und wird Kathedrale genannt, obwohl der Bischofssitz Slawoniens
war eben ehrgeizig, plante gewis-senhaft und realisierte schließlich sein Vorhaben. Wahrscheinlich ent-spricht das unserer Mentalität.“ Dies ist so ein ganz anderes Bild als das, was Mitteleuropäer gemeinhin über Regionen in Süden, geschweige denn Südosten Europas im Kopf haben.
Machthaber hinterließen Spuren
„Um dies zu verstehen, ist ein Ex-kurs in die Geschichte notwendig“, überzeugt mich Mislav. Bedeutend war Osijek aufgrund seiner Lage be-reits im Mittelalter. Dies führte dazu, dass immer wieder mal je-mand auf die Idee kam, das slawi-sche Gebiet zu okkupieren. Sowohl Türken als auch Österreicher und Ungarn fühlten sich zu gewissen Zeiten als Machthaber und hinter-ließen dementsprechend ihre Spu-ren. Einige Gebäudeteile der UN-ESCO-geschützten Altstadt (Tvrđa) können auf das zwölfte Jahrhundert datiert werden.
Der eigentliche wirtschaftliche Aufschwung Osijeks begann im 17. Jahrhundert: Ober- und Unterstadt (Gornji und Donji grad) wurden ge-gründet, ein Jahrhundert später folgte – vor allem durch den Zuzug von Deutschen – die Neustadt (Novi grad). „Hier ging es immer so wech-selvoll zu, dass die Osijeker in den Friedenszeiten alles dafür taten, dass es aufwärts geht“, so Mislav.
Uns zieht es zunächst von der in Gronji grad befindlichen Kathedrale in Richtung Drava. Die Uferprome-nade steht vergleichbaren an den Küsten in nichts nach. Allerdings kann man hier entspannt flanieren, ohne mit lästigen Souvenirverkäu-fern diskutieren zu müssen.
Als ich Mislav von meiner Er-kenntnis berichte, lächelt er. „Ja, das ist einer der Vorteile in einer Stadt leben zu können, in der sich nicht fortwährend Touristenströme tum-meln.“ Dafür kann man hier nicht
im rund 40 Kilometer entfernten Đakovo ist? Wieso?
Letzteres kann er mir schnell er-klären: Der deutschstämmige Bi-schof Josip Juray Strossmayer, einer der einflussreichsten Theologen, aber auch Politiker im Kroatien des 19. Jahrhunderts, wollte seiner Ge-burtsstadt mit dieser Kirche ein Ge-schenk machen. Er war fasziniert von der zu jenen Zeiten modernen neugotischen Architektur und ent-schied, einen Teil seines Vermögens in den Bau der Pfarrkirche St. Peter und Paul zu investieren.
So weit so gut. Doch bei der Erklä-rung des Experten, warum die Bau-phase lediglich die Jahre von 1894 und 1898 in Anspruch nahm, bin ich vorübergehend sprachlos. „Er
Slawoniens HauptstadtTrotz wechselvoller Geschichte gelingt es Osijek, eine wunderbar positive
Atmosphäre zu erschaffen. Dies scheint nicht nur der Jugend, sondern
der besonnenen Mentalität der Bewohner insgesamt zu verdanken sein.
Optisch glatt als Kathedrale durchge-hend, ist St. Peter und Paul (o.l) nur Pfarrkirche. Wie das Hotel Waldinger (rechts) befindet es sich in Gornji grad. Im UNESCO-ge-schützten Tvrđa fin-det jeden 1. Samstag im Monat ein Mittel-alterfest statt (o.r.). Fo
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schwimmen“, entgegne ich. „Doch natürlich! Wir haben doch sogar eine eigene Copacabana hier.“ Auf Nachfrage verrät er, dass es sich da-bei um das örtliche, „Kopika“ ge-nannte Freibad handelt.
Nur wenige Meter weiter stoppe ich meinen Begleiter erneut. Die Skulptur zu meiner Rechten faszi-niert betrachtend frage ich, warum in Osijek ein Picasso-Denkmal er-richtet ist. Die frappierend einfache Antwort: „Warum nicht? Er ist doch berühmt, oder nicht?“
Am Kardinal Šeper Park biegen wir rechts ein und wandern auf der Prachtmeile Europska Avenija, die einige architektonische Juwelen zu bieten hat, weiter in Richtung Tvrđa. Mein Begleiter kommt erneut auf die „wechselvolle Geschichte“ zu sprechen. Die letzte sei mit dem Zerfall des Vielvölkerstaates Jugo-slawien schließlich alles andere als eine weit entfernte Geschichtsnotiz.
Das blutende Haus
Gerade Osijek war von dem Büger-kriegstreiben stark betroffen. Im Stadtbild zu erkennen ist dies mitt-lerweile nur noch an der städtischen Kunstgalerie, vor dem wir nun ste-hen. Sie wird von den Einheimi- schen als „das blu- t e n d e H a u s “ bezeich-
net. Um an die Greueltaten zu erin-nern, wurde ein Teil der Fassade mit rot lackierten Ziegeln saniert. Damit entstand ein denkwürdiger Kontrast in dem ansonsten ockerfarbenen Ensemble. Unverkennbar, es blutet!
Es bleibt zu Hoffen, dass dieses Mahnmal diesmal eine längere Wir-kung hat, denke ich nur wenige Schritte weiter. Am Park Kralja To-mislava verlassen wir die Europska Avenija und biegen in die Tvrđa ein. Hier befindet sich mit dem umiroćni vojnik (gefallener Soldat) ein wei-teres Mahnmal – es stammt aus dem 19. Jahrhundert und hat seine Wirkung offensichtlich verfehlt.
„Nun reicht es aber auch mit die-sem Thema“, verspricht mir Mislav und wir biegen kurz darauf in die Straße Kuhačeva ein – und befinden uns damit mitten auf Osijeks abend-licher Partymeile. Wir gönnen uns das erste Bier des Tages. Natürlich Osiječko. Die örtliche Brauerei wur-de 1697 gegründet und ist damit die älteste Kroatiens. Als eine der weni-gen Biermarken des Landes wurde es bisher noch nicht von großen in-ternationalen Konzernen geschluckt und ist damit natürlich das „beste Bier der Welt“, wie mir sowohl Mis-lav als auch der Kellner versichern.
Bei dem einen will ich belassen, schließlich ist heute Freitag und da-mit will auch der Abend, der hier sehr lang werden kann, genossen werden. Bereits am Donnerstag ist übrigens der offizielle Startschuss für die privaten Alltags-Feierlich-keiten. Kein Wunder: Osijek ist
Universitätsstadt, die Bevöl-kerung dementspre-
chend jung. Dies trägt zur positiven At-
mosphäre in der Stadt bei. Dies wird mir am Abend
auch Damir Macanić, der Direk-tor des Tourismusverbandes bestä-tigen: „Die Stadt ist perfekt, um
Kinder hier aufwachsen zu lassen. Natürlich ist Osijek keine Metropo-le wie Zagreb und liegt nicht am Meer. Doch es gibt zahlreiche Parks und in der Umgebung so viel Natur, das man dies auch gar nicht ver-misst. Und wer unbedingt mal wo-anders hin möchte, ist über die Au-tobahn heutzutage schließlich schnell dort.“
Doch der Abend wird noch eine Eigenart der Osijeker verdeutlichen: Sie halten sich an Regeln. Es kommt gar nicht in Frage, eine rote Fußgän-gerampel zu überqueren. Selbst wenn weit und breit kein Auto zu se-hen ist. „Der Straßenverkehr hier ist wunderbar“, wird mir noch in der-selben Nacht bestätigt werden. „Wir sind ruhig und besonnen, stehen als Fußgänger immer an roten Ampeln und halten als Autofahrer grund-sätzlich an Zebra-Streifen“. Also noch ein Vorurteil über südeuropä-ische Städte, von dem ich mich ver-abschieden muss. Snežana Šimičić
Osijeks wechsel-volle Geschichte ist an der Architektur nachzulesen: glän-zender Barock aus k.u.k.-Zeiten, aber auch die Greuel des Bürgerkriegs (von oben). Osijeks humo-riger Bezug zum Künstler Pablo Picas-so (links) lautet: „Er war berühmt.“