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and die-back sites of Lake Ferto/Neusiedker See. - In: Garab, Gy. (ed.) Photosynthesis: Mechanims and effects. VOL. V. Kluwer Academic Publishers, Dordrecht-Boston-London pp: 4077-4080. Markus 1. (1999): A Ferto tavi nadasok felmerese es minositese. - Kutatisi jelentes, Sopron, kezirat. Meszaros 1., Veres Sz., Dinka M. & Lakaros Gy. (2003): Variations in leaf pigment contenet and photosynthetic activity of Phragmites austl'alis in healthy and die-back reed satnds ofLake Ferto/Neusiedlersee. - Hydrobiologia, 506-509: 681-686. Ostendorp W. (1989): "Die-Back" of reeds in Europe - A cr icical rev iew lircrarure. - Aquari ' ß()tany . 5: 5-26 . Raghi-Atri F. & Bornkamm R. (1979): Wachstum und ,he.mische Zu :unme.nscrzwlg von Schilf (P/lragmit/!S II lIstrtl- lis) in Abhängigkeit von der Gewässereutrophierung. - M h. H ydrobio l. 8 / 2: 192- 128. Rath B. (1990): Zur Zönologie und Zonierung der Mak I' phyten-Bc rände im ungarischen Teil Neusied ler Sees (1987/88). - BFB-Bericht. 74: 53-76. Shierup H. H. (1978): Biomass and primary production in a Phragmites communis Trin. swamp in North Jutland, Denmark. - Int. Ver. Theor. Angew. Limnol. Verh. 20: 94-99. Sieghardt H., Hammer L. & Teuschl G. (1984): Das S hil frohr (Phl'flgmites fluSN'IIlis (Cav.) Trin. es Steudel) - Wachs- tum und Produktion in verschiedenen Zonen des Schilfgürtds. m Neusied ter See. - BFB-Bericht 51: 37-47. Szab6 E. (2001): Az intersticialis viz fizikai es kemiai tulajdonsagai a Fertö u ida ab an. (Phisico-chemical characteris- tics of the interstitial water at Lake-Ferto.) - Hidrol. Közl. 8115-6: 468-470. Szab6 E. (2003): The use of the tetrazolium reduction test far the detection of the terminal electron transport system (ETS) activity in decomposing reed (Phl'agmites austraLis /Cav./ T rin. ex Steud.) rhiwme. - Ann. Limnol. Im. J. Lim. 39 (1): 63-70. Szab6 E. & Dinka M. (2002): A felszini es az intersticiilis viz fizikai es kemiai tulajdonsagainak evszakos viltozasa. (Seasonal changes in the phisico-chemical characteristics of the interstitial water) - Hidrol. Közl. 82/I-XII: 119-122. Szab6 E., Dinka M. & Nemedi L. (2003): A dekomponal6d6 nad-riz6ma kemiai összetetelenek es mikrobiilis ak- tivitisanak valtozasa egy sekely t6ban. (Changes in the chemical composition and microbiological activity of the decomposing reed rhizome) - Hidrol. Köz!. 83: 143-146. T6th L. & Szab6 E. (1961): Botanikai környezettani vizsgilatok a Ferto t6 nadasaiban. - Hidrol. Tajekoztat6 pp: 129-138. Varga 1. (1997): A fertoi avas nad-felhalmoz6dasok makroinvertebrata együttesei. (Macroinvertebrate community of the old shoots at Lake Ferto) - Diplomamunka, ELTE-TTK Budapest, pp: 1-47. Varga 1. (1998): Comparison of phytal- and förna-bound macroinvertebrate communities at Lake Ferto, Hungary- Opusc. Zoo!., Budapest, 31: 131-141. Varga 1. (2001): Macroinvertebrates in reed litter. - Int. Rev. ges Hydrobiol. VII: Decomposition of organic matter in standingwater, 86 (4-5): 573-583. Varga 1. & BerczikA. (2001): Macroinvertebrnn: oommunicl in rcedlirrer. - Verh. Intemat V ereio. Li nll1ol. 27: 3566-3569. Varga 1. (2003): Structure and changes or macrou'lvcnebrate community co lo nL.üllg dccorn posin g rhizome litter of common reed at Lake Ferto/Neusiedler $ce (l--i ungary) - Hydrobjologia 506-50 l : 413-420. Varga 1. (2005): Boml6 nadmaradvanyokhoz kötodo maluos7.kopikus ge ri n rueo egyi.\ttcsck ;\ Ferton. - Doktori (PhD) ertekezes. pp: 1-117. Lebensraum Schilfgürtel Der Neusiedler See liegt in einer rund 320 km z großen, flachen Senke, die zur Hälfte, also zu ca. 178 km 2 , von seinem Schilfgürtel eingenommen wird. Es ist der größte geschlossene Schilfbestand Mitteleuropas, und aus ge- dehntere Schilfflächen bedecken nur noch das Donaudelta. Der Schilfgürtel ist in seiner heutigen Ausdehnung Ergebnis einer relativ jungen Entwicklung. Wie alte Karten be- l egl1n, war ein schm:tler zwa r immer vorhanden, doch begann die Schilffläche nach der letzten großen Tro- ckenpc riode, erwa ab 1935, den See mehr wld mehr ein "lue.ogcn, und in den späten 1960er-Jahren erreichte deren Aus- dehnung ungeflihr das heutige Ausmaß. Die weirereAusb rci ruug des Schilfes wurde vor allem durch die Anhebung des Seespiegels Mirre der l%Oer-Jahrc und durch dessen Regul ienUlg mi ttels des Einserkanals weitgehend unterbunden. Das Schilf wächst nicht einheitlich rund um den ee. Die breitesten Abschnitte liegen im Windschatten von Leithagebirge und Ruster Hügelzug am Nordwest- und am Westufer. Bei Donnerskirchen erreicht der Schilfgürtel mit 5,8 km seine breiteste Stelle. Der in Ungarn gelegene Südteil des Sees ist fast schon zugewachsen. Dagegen lassen am Ostufer der durch vorherrschende Nordwestwinde verursachte Wellenschlag und die sporadischen win- terlichen Eisstöße keinen auch nur annähernd so breiten Röhrichtsaum wie am Westufer zu. Podersdorf am See 98 ist die einzige Gemeinde des Gebietes, die direkt am See, unmittelbar an einem etwa 3,5 km langen vollkommen schilffreien Uferabschnitt liegt. Die landseitige Ausbreitung der Schilfbestände hing und hängt auch heute noch sehr stark von der Nutzung der Flächen ab. Über lange Zeiträume wurden die Uferzonen des Sees beweidet, zusätzlich wurde das grüne Schilf geschnitten und als Einstreu in den Ställen genutzt. Im Randbereich des Schilfgürtels gab es auch noch ausgedehnte Mähwiesen. Mit dem Rückgang der Viehbestände entfiel dieser Nutzungsdruck, was dazu führte, dass gegen Ende des 20. Jahrhunderts ehemalige Seerandwiesen bzw. -weiden großflächig von Schilf über- wachsen waren. Die seit der Gründung des Nationalparks zunehmend als Management-Instrument eingesetzte Beweidung der Seerandwiesen - ergänzt durch private Pferdekoppeln - konnte diese Entwicklung in den letzten Jahren vor allem am Ostufer wieder zu einem guten Teil umkehren (siehe dazu S. 256 und 262). So sorgen heute wieder Rinder, Wasserbüffel, Warmblutpferde, Przewalskipferde und Weiße Esel an verschiedenen Abschnitten der Uferzone des Neusiedler Sees dafür, dass sich das Schilf nicht weiter landseitig ausdehnen kann. Bezüglich der Ausdehnung des Schilfbestands insgesamt muss auch bedacht werden, dass in früheren Jahrhun- derten Schilf als Baumaterial (insbesondere für Schilfdächer!) viel intensiver genutzt wurde als heutzutage. Mit dem Ersatz des Schilfs durch moderne Baumaterialien lockerte sich auch diesbezüglich der Nutzungsdruck. Zur Biologie und Ökologie des Schilfs (Phragmites australis) und des Schilfgürtels Aus vegetationsökologischer Sicht ist die außerordentliche Armut an Höheren Pflanzen innerhalb des Schilfgürtels bemerkenswert. Seewärts der von Großseggen, gelegentlich auch von Rohrkolben (Typha angustifolia) und Schneide- ried (Cladium mal'iscus), bei Salzeinfluss auch von Salzröhricht (Strand-Knollenbinse, Bolboschoenus mal'itimus und Grau-[= Salz-J Teichbinse, Schoenoplectus tabemaemontani) durchsetzten schmalen Übergangszone zu terrestrischen Vegetationseinheiten wächst Schilf praktisch in Monokultur. Lediglich die kleine, submers lebende Dreifurchen- Wasserlinse (Lemna trisulca) und der ebenfalls submers lebende carnivore Wasserschlauch (Utricularia vulgal'is), der nur seine hübschen gelben Blüten aus dem Wasser streckt, finden im Stillwasser des "Schilfwaldes" gute Lebensbe- dingungen, insbesondere wo dieser etwas aufgelockert ist. Größere natürliche oder anthropogene Lücken im Schilf- bestand wachsen nur langsam mit einer charakteristischen Abfolge verschiedener Pflanzen zu. Vorerst siedelt sich nur der eben etwähnte Wasserschlauch an, später können sich Laichkrautbestände (Potamogeton pectinatus) ausbreiten, selten treten auch das Rau-Hornblatt (Ceratophyltum demersum), das Ähren-Tausendblatt (MYl'iophyllum spicatum) sowie das Groß-Nixenkraut (Najas marina) hinzu, alles submerse Höhere Pflanzen (Makrophyten), die aus der offe- nen Seefläche einwandern. Bald treibt auch der Rohrkolben seine kräftigen Ausleger und bildet Saumgesellschaften an "Rohrlacken" und offenen Kanälen und kann diese vollständig zuwachsen. Erst sehr viel später nimmt das Schilf als Endglied dieser Sukzession wieder seine dominierende Position ein. Die Vermehrung des Schilfs erfolgt rein vegetativ über Ausläufer seiner kräftigen Rhizome, die morphologisch horizontal wachsende, unterirdische Sprosse sind. Dies führt zur Ausbildung zahlreicher Klone, also zu ausge- dehnten, aus je völlig erbgleichen Individuen bestehenden Beständen, die sich voneinander phänologisch (in Entwicklungsgeschwindigkeit und Blütezeit) durchaus unterscheiden, was einer der Gründe für die Heterogenität des Schilfbestandes insgesamt ist. Aggressives klonales Wachstum, wie auch von anderen erfolgreichen Gräsern, etwa den asiatischen Bambus-Arten bekannt, ist auch einer der Hauptgründe für die hohe Konkurrenzkraft des Schilfs, das zudem an das Leben im und am Wasser morphologisch gut angepasst ist: Die tief im sauerstoffarmen Schlamm eingebetteten Rhizome und Wurzeln gewinnen die für Wachstum und Nährstoffaufnahme benötigte Energie aus Atmungsprozessen. Über die hohlen Stängel gelangt der dazu notwendige Sauerstoff in die ebenfalls mit großen Luftkammern ausgestatteten Rhizome. Derartige lufterfüllte Gewebe kommen auch bei vielen anderen Wasser- und Sumpfpflanzen vor und werden als Aerenchyme ("Luftgewebe") bezeichnet. In der Hauptzone wächst das Schilf halbsubmers, d. h. die basalen Knoten des Halmes sind in der Regel vom Wasser bedeckt und senden zahlreiche Wurzeln in Wasser und Schlamm, mit denen sie sehr viel effizienter als über die tief im Schlamm verborgenen rhizombürtigen Wurzeln Nährstoffe aufnehmen können. Diese gute Ver- sorgung ist eine wichtige Voraussetzung für die hohe Produktivität des Neusiedler-See-Schilfs. Ein weiterer Grund für die enorme Wuchsleistung des Schilfs ist der Umstand, dass die Blätter ungehindert CO z als photosyntheti- schen Grund-Rohstoff aufnehmen können. Diesbezüglich befindet sich Schilf in einer Ausnahmesituation, weil es seine Spaltöffnungen, über die der Gasaustausch (also COrAufnahme bzw. Wasserdampf- und OrAbgabe) geregelt wird, den ganzen Tag über offen halten kann, da die Gefahr des "Verdurstens" nicht besteht. Die stets 99

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and die-back sites of Lake Ferto/Neusiedker See. - In: Garab, Gy. (ed.) Photosynthesis: Mechanims and effects. VOL. V. Kluwer Academic Publishers, Dordrecht-Boston-London pp: 4077-4080.

Markus 1. (1999): A Ferto tavi nadasok felmerese es minositese. - Kutatisi jelentes, Sopron, kezirat. Meszaros 1., Veres Sz., Dinka M. & Lakaros Gy. (2003): Variations in leaf pigment contenet and photosynthetic

activity of Phragmites austl'alis in healthy and die-back reed satnds ofLake Ferto/Neusiedlersee. - Hydrobiologia,

506-509: 681-686. Ostendorp W. (1989): "Die-Back" of reeds in Europe - A cricical review lircrarure. - Aquari ' ß()tany . 5: 5-26. Raghi-Atri F. & Bornkamm R. (1979): Wachstum und ,he.mische Zu :unme.nscrzwlg von Schilf (P/lragmit/!S II lIstrtl­

lis) in Abhängigkeit von der Gewässereutrophierung. - M h. H ydrobiol. 8 /2: 192- 128. Rath B. (1990): Zur Zönologie und Zonierung der MakI' phyten-Bc rände im ungarischen Teil d~ Neusied ler Sees

(1987/88). - BFB-Bericht. 74: 53-76. Shierup H. H. (1978): Biomass and primary production in a Phragmites communis Trin. swamp in North Jutland,

Denmark. - Int. Ver. Theor. Angew. Limnol. Verh. 20: 94-99. Sieghardt H., Hammer L. & Teuschl G. (1984): Das S hil frohr (Phl'flgmites fluSN'IIlis (Cav.) Trin. es Steudel) - Wachs­

tum und Produktion in verschiedenen Zonen des Schilfgürtds. m Neusiedter See. - BFB-Bericht 51: 37-47. Szab6 E. (2001): Az intersticialis viz fizikai es kemiai tulajdonsagai a Fertö uida aban. (Phisico-chemical characteris­

tics of the interstitial water at Lake-Ferto.) - Hidrol. Közl. 8115-6: 468-470. Szab6 E. (2003): The use of the tetrazolium reduction test far the detection of the terminal electron transport system (ETS) activity

in decomposing reed (Phl'agmites austraLis /Cav./ T rin. ex Steud.) rhiwme. - Ann. Limnol. Im. J. Lim. 39 (1): 63-70. Szab6 E. & Dinka M. (2002): A felszini es az intersticiilis viz fizikai es kemiai tulajdonsagainak evszakos viltozasa. (Seasonal

changes in the phisico-chemical characteristics of the interstitial water) - Hidrol. Közl. 82/I-XII: 119-122. Szab6 E., Dinka M. & Nemedi L. (2003): A dekomponal6d6 nad-riz6ma kemiai összetetelenek es mikrobiilis ak­

tivitisanak valtozasa egy sekely t6ban. (Changes in the chemical composition and microbiological activity of the

decomposing reed rhizome) - Hidrol. Köz!. 83: 143-146. T6th L. & Szab6 E. (1961): Botanikai környezettani vizsgilatok a Ferto t6 nadasaiban. - Hidrol. Tajekoztat6 pp: 129-138. Varga 1. (1997): A fertoi avas nad-felhalmoz6dasok makroinvertebrata együttesei. (Macroinvertebrate community of

the old shoots at Lake Ferto) - Diplomamunka, ELTE-TTK Budapest, pp: 1-47. Varga 1. (1998): Comparison of phytal- and förna-bound macroinvertebrate communities at Lake Ferto, Hungary-

Opusc. Zoo!., Budapest, 31: 131-141. Varga 1. (2001): Macroinvertebrates in reed litter. - Int. Rev. ges Hydrobiol. VII: Decomposition of organic matter

in standingwater, 86 (4-5): 573-583. Varga 1. & BerczikA. (2001): Macroinvertebrnn: oommunicl in rcedlirrer. - Verh. Intemat Vereio. Linll1ol. 27: 3566-3569. Varga 1. (2003): Structure and changes or macrou'lvcnebrate community colonL.üllg dccornposin g rhizome litter of

common reed at Lake Ferto/Neusiedler $ce (l--iungary) - Hydrobjologia 506-50 l: 413-420.

Varga 1. (2005): Boml6 nadmaradvanyokhoz kötodo maluos7.kopikus geri n rueo egyi.\ttcsck ;\ Ferton. - Doktori

(PhD) ertekezes. pp: 1-117.

Lebensraum Schilfgürtel

Der Neusiedler See liegt in einer rund 320 kmz großen, flachen Senke, die zur Hälfte, also zu ca. 178 km2

, von seinem Schilfgürtel eingenommen wird. Es ist der größte geschlossene Schilfbestand Mitteleuropas, und aus ge­

dehntere Schilfflächen bedecken nur noch das Donaudelta. Der Schilfgürtel ist in seiner heutigen Ausdehnung Ergebnis einer relativ jungen Entwicklung. Wie alte Karten be­

legl1n, war ein schm:tler Schi!f.~aum zwa r immer vorhanden, doch begann die Schilffläche nach der letzten großen Tro­ckenpcriode, erwa ab 1935, den See mehr wld mehr ein"lue.ogcn, und in den späten 1960er-Jahren erreichte deren Aus­dehnung ungeflihr das heutige Ausmaß. Die weirereAusbrci ruug des Schilfes wurde vor allem durch die Anhebung des Seespiegels Mirre der l%Oer-Jahrc und durch dessen Regul ienUlg mittels des Einserkanals weitgehend unterbunden.

Das Schilf wächst nicht einheitlich rund um den ee. Die breitesten Abschnitte liegen im Windschatten von Leithagebirge und Ruster Hügelzug am Nordwest- und am Westufer. Bei Donnerskirchen erreicht der Schilfgürtel mit 5,8 km seine breiteste Stelle. Der in Ungarn gelegene Südteil des Sees ist fast schon zugewachsen. Dagegen lassen am Ostufer der durch vorherrschende Nordwestwinde verursachte Wellenschlag und die sporadischen win­terlichen Eisstöße keinen auch nur annähernd so breiten Röhrichtsaum wie am Westufer zu. Podersdorf am See

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ist die einzige Gemeinde des Gebietes, die direkt am See, unmittelbar an einem etwa 3,5 km langen vollkommen schilffreien Uferabschnitt liegt.

Die landseitige Ausbreitung der Schilfbestände hing und hängt auch heute noch sehr stark von der Nutzung der seenah~n Flächen ab. Über lange Zeiträume wurden die Uferzonen des Sees beweidet, zusätzlich wurde das grüne Schilf geschnitten und als Einstreu in den Ställen genutzt. Im Randbereich des Schilfgürtels gab es auch noch ausgedehnte Mähwiesen. Mit dem Rückgang der Viehbestände entfiel dieser Nutzungsdruck, was dazu führte, dass gegen Ende des 20. Jahrhunderts ehemalige Seerandwiesen bzw. -weiden großflächig von Schilf über­wachsen waren. Die seit der Gründung des Nationalparks zunehmend als Management-Instrument eingesetzte Beweidung der Seerandwiesen - ergänzt durch private Pferdekoppeln - konnte diese Entwicklung in den letzten Jahren vor allem am Ostufer wieder zu einem guten Teil umkehren (siehe dazu S. 256 und 262). So sorgen heute wieder Rinder, Wasserbüffel, Warmblutpferde, Przewalskipferde und Weiße Esel an verschiedenen Abschnitten der Uferzone des Neusiedler Sees dafür, dass sich das Schilf nicht weiter landseitig ausdehnen kann.

Bezüglich der Ausdehnung des Schilfbestands insgesamt muss auch bedacht werden, dass in früheren Jahrhun­derten Schilf als Baumaterial (insbesondere für Schilfdächer!) viel intensiver genutzt wurde als heutzutage. Mit dem Ersatz des Schilfs durch moderne Baumaterialien lockerte sich auch diesbezüglich der Nutzungsdruck.

Zur Biologie und Ökologie des Schilfs (Phragmites australis) und des Schilfgürtels

Aus vegetationsökologischer Sicht ist die außerordentliche Armut an Höheren Pflanzen innerhalb des Schilfgürtels bemerkenswert. Seewärts der von Großseggen, gelegentlich auch von Rohrkolben (Typha angustifolia) und Schneide­ried (Cladium mal'iscus), bei Salzeinfluss auch von Salzröhricht (Strand-Knollenbinse, Bolboschoenus mal'itimus und Grau-[= Salz-J Teichbinse, Schoenoplectus tabemaemontani) durchsetzten schmalen Übergangszone zu terrestrischen Vegetationseinheiten wächst Schilf praktisch in Monokultur. Lediglich die kleine, submers lebende Dreifurchen­Wasserlinse (Lemna trisulca) und der ebenfalls submers lebende carnivore Wasserschlauch (Utricularia vulgal'is), der nur seine hübschen gelben Blüten aus dem Wasser streckt, finden im Stillwasser des "Schilfwaldes" gute Lebensbe­dingungen, insbesondere wo dieser etwas aufgelockert ist. Größere natürliche oder anthropogene Lücken im Schilf­bestand wachsen nur langsam mit einer charakteristischen Abfolge verschiedener Pflanzen zu. Vorerst siedelt sich nur der eben etwähnte Wasserschlauch an, später können sich Laichkrautbestände (Potamogeton pectinatus) ausbreiten, selten treten auch das Rau-Hornblatt (Ceratophyltum demersum), das Ähren-Tausendblatt (MYl'iophyllum spicatum) sowie das Groß-Nixenkraut (Najas marina) hinzu, alles submerse Höhere Pflanzen (Makrophyten), die aus der offe­nen Seefläche einwandern. Bald treibt auch der Rohrkolben seine kräftigen Ausleger und bildet Saumgesellschaften an "Rohrlacken" und offenen Kanälen und kann diese vollständig zuwachsen. Erst sehr viel später nimmt das Schilf als Endglied dieser Sukzession wieder seine dominierende Position ein.

Die Vermehrung des Schilfs erfolgt rein vegetativ über Ausläufer seiner kräftigen Rhizome, die morphologisch horizontal wachsende, unterirdische Sprosse sind. Dies führt zur Ausbildung zahlreicher Klone, also zu ausge­dehnten, aus je völlig erbgleichen Individuen bestehenden Beständen, die sich voneinander phänologisch (in Entwicklungsgeschwindigkeit und Blütezeit) durchaus unterscheiden, was einer der Gründe für die Heterogenität des Schilfbestandes insgesamt ist. Aggressives klonales Wachstum, wie auch von anderen erfolgreichen Gräsern, etwa den asiatischen Bambus-Arten bekannt, ist auch einer der Hauptgründe für die hohe Konkurrenzkraft des Schilfs, das zudem an das Leben im und am Wasser morphologisch gut angepasst ist: Die tief im sauerstoffarmen Schlamm eingebetteten Rhizome und Wurzeln gewinnen die für Wachstum und Nährstoffaufnahme benötigte Energie aus Atmungsprozessen. Über die hohlen Stängel gelangt der dazu notwendige Sauerstoff in die ebenfalls mit großen Luftkammern ausgestatteten Rhizome. Derartige lufterfüllte Gewebe kommen auch bei vielen anderen Wasser- und Sumpfpflanzen vor und werden als Aerenchyme ("Luftgewebe") bezeichnet.

In der Hauptzone wächst das Schilf halbsubmers, d. h. die basalen Knoten des Halmes sind in der Regel vom Wasser bedeckt und senden zahlreiche Wurzeln in Wasser und Schlamm, mit denen sie sehr viel effizienter als über die tief im Schlamm verborgenen rhizombürtigen Wurzeln Nährstoffe aufnehmen können. Diese gute Ver­sorgung ist eine wichtige Voraussetzung für die hohe Produktivität des Neusiedler-See-Schilfs. Ein weiterer Grund für die enorme Wuchsleistung des Schilfs ist der Umstand, dass die Blätter ungehindert COz als photosyntheti­schen Grund-Rohstoff aufnehmen können. Diesbezüglich befindet sich Schilf in einer Ausnahmesituation, weil es seine Spaltöffnungen, über die der Gasaustausch (also COrAufnahme bzw. Wasserdampf- und OrAbgabe) geregelt wird, den ganzen Tag über offen halten kann, da die Gefahr des "Verdurstens" nicht besteht. Die stets

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optimale Wasserversorgung gestattet es dem Bestand, mit bestechender Gleichmäßigkeit zwischen April und Ok­tober Photosynthese zu betreiben, was sonst keiner einzigen Landpflanze möglich ist!

Langjährige Messungen und statistische Berechnungen haben ergeben, dass die jährliche Verdunstung (Evapora­tion) der freien Wasserfläche ca. 900 Literlm2, die der Wasseroberfläche im Schilfgürtel (beschattet und mit perma­nent höherer relativer Luftfeuchte!) hingegen nur ca. 250 Liter1m2 beträgt. Dagegen beträgt die jährliche Wasserab­gabe des Schilfs selbst ca. 1000 Literlm2. Damit ist die gesamte Verdunstungsleistung des Schilfgürtels, die sich aus pflanzlicher Transpiration und physikalischer Evaporation zusammensetzt und als Evapotranspiration bezeichnet wird, um ca. 30 % höher als die Verdunstung der freien Wasserfläche. So günstig dieser Umstand für das Mikroklima der gesamten Region, vornehmlich während der trocken-heißen Sommermonate ist, so stellt die starke Wasserabgabe des Schilfgürtels doch eine nicht unerhebliche Belastung für die Wasserbilanz des Seebeckens insgesamt dar und sollte deshalb bei allen Management-Maßnahmen zum Wasserhaushalt des Neusiedler Sees ins Kalkül gezogen werden.

Aus Bestandeserhebungen an verschiedenen Stellen des Schilfgürtels konnte errechnet werden, dass pro Hektar Bestand bis zu 120 Tonnen trockener Schilfbiomasse vorhanden sind, wovon jedes Jahr 30 Tonnen neu gebildet werden, eine ebenso große Masse aber auch jährlich abstirbt, da ja die stehende Biomasse, der "standing crop", Jahr für Jahr gleich bleibt.

Diese hohe Menge an jährlichem Bestandesabfall ist Ausgangspunkt und "Treibstoff' für Konsumenten-Nah­rungsketten, die viele Tierarten, insbesondere Wirbellose, aber auch Jugendstadien von verschiedenen Fischarten umfassen und zu komplexen Nahrungsnerzen verbunden sind, deren Endglieder - die Wasservögel - sichtbare Zeichen dieses stoffiichen Reichtums sind. Die enorme Menge an biologisch umgesetztem und verrottendem Be­standesabfall ist auch verantwortlich für die auf Huminsäuren zurückgehende Braunfärbung des Wassers sowie für die regelmäßigen Sauerstoffsättigungsdefizite in Schlamm und Wasser des Schilfgürtels, besonders im Sommer.

Die hohe Wuchskraft des Schilfs ist schließlich auch verantwortlich dafür, dass der Schilfgürtel insgesamt als riesiger Filter, gleichsam als "Nährstofffalle" fungiert. Neben den aus den Bestandesabfallen freigesetzten Nährstoffen werden auch alle in das Gesamtsystem des Seebeckens zusätzlich eingebrachten anthropogenen Nährstoffe, v. a. Phosphor und Stickstoff, aufgenommen und in die Schilfbiomasse eingebaut. Gleichzeitig wirkt das System Schilf gürtel auch als Sedimentfalle, da sich in der strömungs- und turbulenzfreien Stillwasserzone innerhalb des "Schilfdschungels" die ebenfalls mit Nährstoffen beladenen Sedimentpattikel absetzen. Schonender Schilfschnirt hilft, zumindest einen Teil dieser Nährstoffe wieder zu entfernen und trägt daher dazu bei, den "Filter Schilfgüttel" in einem langfristigen Nährstoffgleichgewicht zu halten.

Freifläche des Sees und Schilfgürtel sind letztlich zwei unterschiedliche Teilökosysteme im Neusiedler-See­Becken mit sehr unterschiedlichen abiotischen und biotischen Rahmenbedingungen, Lebensgemeinschaften und Funktionen, die sich ergänzen und in vielfachen Wechselwirkungen miteinander stehen. An der scharfen Grenze zwischen dem milchig-trüb getönten, schwebstoffreichen Wasser des freien Sees und dem klaren, bräunlichen Wasser des Schilfgürtels kann dieser Unterschied auch direkt beobachtet werden, besonders dann, wenn stärkerer Wind diese Grenze in die eine oder andere Richtung verschiebt.

Die Struktur des Schilfgürtels

Auch wenn der Schilfgürtel auf den ersten Blick auf Grund der enormen Dominanz einer einzigen Pflanzenart monoton und einförmig wirken mag, so zeigt eine genauere Betrachtung, dass es sich hier in Wirldichkeit um ein hochkomplexes Mosaik aus unterschiedlich strukturierten Beständen handelt, die von zahlreichen Kanälen durchzogen und gelegentlich durch unterschiedlich große offene Wasserstellen unterbrochen werden. Für die Aus­bildung dieser unterschiedlich strukturierten Röhrichtbereiche ist die Schilfernte der bedeutendste Einflussfaktor. Die Ernte erfolgt im Winter, die trockenen Schilfhalme werden mit speziellen Mähgeräten gewonnen, gebündelt und an mehreren Schilfdepots rund um den See gelagert, bis sie zu Schilfmatten, als Bau- und Dämmmaterial, für Dächer und viele andere auch im Ausland geschätzte Produkte weiter verarbeitet werden. Lediglich der als Natur­zone des Nationalparks ausgewiesene Südteil des Sees ist vollkommen von der Nutzung ausgenommen.

Nach dem Schnitt setzt eine Sukzession von Schilfbeständen unterschiedlicher Dichte, Wuchshöhe und Struktur ein, die nach ca. 4-7 Jahren ihr Maximum erreicht. Ältere Bestände werden wieder etwas lückiger und erreichen nicht mehr die Maximalhöhe von durchschnittlich 3,2 Metern. Dazu tragen externe Störungen zur Strukturvielfalt bei: durch Schneedruck und Wind umgeknickte Halme bilden an mehreren Stellen dichte und dicke horizontale Lager wenige Dezimeter über dem Wasserspiegel, die so genannte Knickschicht. Diese Knickschicht als horizontales Strukturelement ist für eine Reihe von Röhricht bewohnenden Tierarten eine wichtige Habitatrequisite.

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Abb. 55: Schilfgürtel zwischen Hölle und Podersdorf; man erkennt, dass das "Schilfmeer" nicht homogen ist, sondern immer wieder von OffenstelIen unterschiedlichster Größe unter-

Was den Schilfgürtel als Lebensraum v. a. für Vö­gel betrifft, gibt es aber keinen "idealen" Strukturtyp. Vielmehr ist für den faunistischen Artenreichtum des Schilfgürtels ein Mosaik unterschiedlicher Altersklassen entscheidend. Wie oben kurz ausgeführt, sind vor allem ältere Schilfbestände reich an offenen Stellen, den Rohr­lacken oder so genannten Blänken. Daneben durchzieht ein dichtes Netz aus Kanälen den Schilf gürtel. Diese Kanäle sind entweder bewusst angelegt worden (z. B. für die Fischerei) oder einfach aus den Fahrspuren der Schilferntemaschinen entstanden. Zu tiefer winterlicher Schilfschnitt kann darüber hinaus dazu führen, dass bei hohem Frühjahrswasserstand Wasser in die Rhizome der Schilfpflanzen eindringt und diese zum Absterben bringt. Auf diese Weise können ebenfalls großflächig zumindest für einige Jahre offene Stellen im Schilfgürtel entstehen. Ebensolche Auswirkungen können die gelegentlich auf­tretenden winterlichen Schilfbrände haben. brochen wird, die für die Aufrechterhaltung der

Stoffkreisläufe und der Biodiversität im Schilfgürtel von großer Bedeutung sind. (Foto: R. Albert)

Kanäle sind auch wichtig für den Wasser- und Nähr­stoff austausch innerhalb des Schilfgürtels, also quasi für die "Belüftung" des Röhrichts. Die Versorgung mit sau­

erstoffreicherem Wasser und der Austausch von Nährstoffen sind mitverantwortlich für den kräftigen Wuchs der Schilfpflanzen an Bestandsrändern. Wird das Wasser in geschlossenen Altschilfbeständen nicht regelmäßig entspre­chend durchmischt, werden die nachwachsenden Schilfhalme im Lauf der Jahre niedriger, dünner und brüchiger. Die Folge sind großflächig umgebrochene Altschilffiächen mit nur schütterem Nachschub an Jungschilf. Abster­bende Pflanzenteile häufen sich an, die beim Abbau entstehenden Nährstoffe werden mangels ausreichender Was­serzirkularion nicht oder nur unzureichend abtransportiert. Solche überalterten Bestände sind auch aus zoologischer Sicht auf Grund ihrer Artenarmut und deutlich reduzierten Individuendichte wenig attraktiv. Einhergehend mit dieser Deposition alten Pflanzenmaterials kommt es in solchen Bereichen zu verstärkter Verlandung. Altschilfbe­stände mit starker Verlandungstendenz finden wir abschnittsweise am Westufer des Sees, aber auch im Bereich der Nationalpark-Naturzone im Südostteil des Sees. Eine besondere Herausforderung für ein künftiges Management des Schilf gürtels wird es daher unter anderem sein, derartigen Verlandungstendenzen wirkungsvoll entgegen zu wirken.

Ein Blick auf die Tierwelt

Für den europäischen Naturschutz besonders bedeutend sind die riesigen Schilfflächen, vor allem am See selbst, die international bedeutende Bestände von Reihern, Graugänsen, Enten, Rallen und verschiedenen Singvögeln (Rohrsänger, Acrocephalus spec.; Barrmeise, Panurus biarmicus; Rohrammer, Emberiza schoeniclus) beherbergen.

Die große Ausdehnung des Schilfgürtels und der Reichtum an unterschiedlichen Teillebensräumen sind der Grund dafür, dass wir hier europaweit bedeutende Bestände von einer ganzen Reihe Röhricht bewohnender Vo­gelarren antreffen. Berühmt und quasi zoologisches Aushängeschild sind die Kolonien der Reiher und des Löfflers (Platalea leucorodia). Der zahlenmäßig häufigste dieser Schreitvögel ist der Silberreiher (Casmerodius albus), er brütet in mehreren Kolonien in verschiedenen Teilen des Schilfgürtels. Die größte davon liegt auf der großen Schilfinsel im Südteil des Sees, in der Naturzone des Nationalparks. Hier ist zurzeit auch die einzige Kolonie des Löf!.lers angesiedelt. Der Neusiedler See ist der einzige regelmäßig genutzte Brutplatz dieser prächtigen Vogelarten in Osterreich. Aber auch andere Arten wie Rohrdommel (Botauris stellaris), Purpurreiher (Ardea purpurea) und Seidenreiher (Egretta garzetta) brüten in Österreich ganz oder fast ausschließlich am Neusiedler See. Mindestens ebenso bedeutend sind aber die zum Teil in mehrere Tausend gehenden Bestandszahlen der kleinen Röhrichtvögel wie Kleines Sumpfhuhn (Porzana parva), Rohrsänger und Bat"tmeise. Für diese Arten beherbergt der Schilf gürtel die größten Einzelbestände Mitteleuropas und stellt somit praktisch eine überregionale Populationsreserve dar.

Für die größeren und somit schwereren Halmkletterer unter den Röhricht bewohnenden Schilfvögeln sind die Bestände entlang der Grenzlinien zu offenem Wasser mit sehr hohen und dicken Halmen besonders attraktiv

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Page 3: (Phragmites australis) J.burgenlandflora.at/wp-content/uploads/Albert_Ranner_2013... · 2015-01-03 · Wasserlinse (Lemna trisulca) und der ebenfalls submers lebende carnivore Wasserschlauch

und werden bevorzugt besiedelt. Dazu zählen z. B. der kleinste heimische Reiher, die Zwergdommel (Ixoblychus minutus), und der größte heimische Rohrsänger, der Drosselrohrsänger (Acrocephalus arundinaceus). Ihre Reviere sind sehr oft an den Randbereichen von Schilf zu offenen Wasserflächen zu finden, also am seeseitigen Schilfrand oder entlang von Kanälen.

Unter den Vögeln findet im Herbst und Frühling ein richtiggehender "Schichtwechsel" statt. Während im Frühjahr und Sommer etwa mehrere Arten von Rohrsängern (Acrocephalus spec.), der Rohrschwirl (Locustella luscinoides) und die Beutelmeise (Remiz pendulinus) das hohe Insektenangebot nutzen, sind es im Winter andere Arten, wie Zaunkönig (Troglodytes troglodytes), Blaumeise (Parus caeruleus) oder sogar der Kleinspecht (Dendroco­pos minor), die die Schilfhalme nach F ressbarem absuchen. Einige Arten sind ganzjährig anzutreffen, wie Bartmeise (Panurus biarmicus) und Rohrammer (Emberiza schoeniclus), sie nutzen im Winter dann aber vermehrt Schilfsa­men und die Samen anderer krautiger Pflanzen, besonders in den Randbereichen bzw. entlang von Dämmen.

Kennzeichnend für den Schilfgürtel ist weiters auch eine hohe Dichte an wirbellosen Tieren. Neben der großen Zahl an aquatischen und semiaquatischen Wirbellosen wie Schnecken, Kleinkrebsen und wasserlebenden Insek­ten bzw. deren Larven wird auch das Schilf oberhalb der Wasserlinie von einer ganzen Reihe von spezialisierten Arten bewohnt. Das Spektrum reicht von stellenweise in Massen auftretenden Blattläusen bis hin zu mehreren Schmetterlingsarten (v. a. aus der Familie der Eulen, Noctuidae), deren Larven in den Schilfhalmen minieren oder auch außen fressen und die als Puppe in den Schilfhalmen den Winter überdauern. Für Insektenfresser bietet der Schilf gürtel daher nicht nur im Sommer sondern auch im Winter ein attraktives Nahrungsangebot.

Die Erhaltung dieses Schilfgürtels von europaweiter Bedeutung ist daher eine zentrale Aufgabe des Naturschut­zes im Neusiedler-See-Gebiet. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn wie oben dargestellt, ein reichhaltiges und abwechslungsreiches Mosaik unterschiedlich strukrurierter Bestände erhalten werden kann. Dazu wird es erforderlich sein, dass Naturschutz und Schilfwirtschaft gemeinsam Entwicklungsziele formulieren und ein best­möglicher Interessensausgleich erzielt werden kann, von dem beide Seiten profitieren. Nur so kann längerfristig die internationale Bedeutung dieses einmaligen Feuchtlebensraumes gewahrt bleiben.

Literatur:

Dick G., Dvorak M., Grüll A., Kohler B. & Rauer G. (1994): Vogelparadies mit Zukunft? Ramsar-Gebiet Neu­siedler See - Seewinkel. - Umweltbundesamt Wien. 356 pp.

Dvorak M., Nemeth E., Tebbich S., Rössler M. & Busse K. (1997): Verbreitung, Bestand und Habitatwahl schilfbewohnender Vogelarten in der Naturzone des Nationalparks Neusiedler See - Seewinkel. - Biolog. For­schungsinst. Burgenland-Bericht 86: 1-69.

Löffler H. (1982): Der Seewinkel- Die fast verlorene Landschaft. - St. Pölten & Wien: Niederösterreichisches Pressehaus. 160 pp.

Sieghardt H. (1987): Der Neusiedler See und sein Schilfgürtel- Naturnaher Lebensraum und Wirtschaftsfaktor im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie. - Geowissenschaften in unserer Zeit 5 (6): 187-192.

Weisser P. (1970): Die Vegetationsverhältnisse des Neusiedlersees - pflanzensoziologische und ökologische Studi­en. - Wiss. Arb. Burgenland, Heft 45 (Natutwissenschaften, Heft 29).83 pp.

Die Pflanzenwelt der Neusiedler-See-Region, des Hansag (Waasen) und des Rabnitz-Gebiets

Neusiedler-See-Hügelkette (Ruster Höhenzug)

Östlich des Wulka- und Soproner-Beckens, an der westlichen Seite des Neusiedler Sees, zieht sich der Ruster Höhenzug hin, der im Westen durch das schmale Kohidai-Becken begrenzt wird. Seine Nord-Süd-Ausdehnung beträgt 17 km, die größte Breite ist 6,5 km, das gesamte Gebiet ist 65 km2 groß. Die südliche, 9 km lange Hälfte, gehört zu Ungarn, der nördliche Teil zu Österreich, zum Bundesland Burgenland.

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Es handelt sich um ein niedriges Hügelland, welches in der Höhe von Fertorakos vom engen west-östlichen Tal des Krebsbaches entzweigeschnitten wird. Bedeutendere Erhebungen sind der Finkenkogel (262 m), der Gaisberg (208 m), der Hausberg (283 m), auf der anderen Seite der Grenze der Kogl bei St. Margarethen (224 m) und der Goldb~rg (224 m). Seine Bodenreliefformen sind sanft, besonders der südliche Teil (Szarhalmer Wald) hat den Charakter eines flachen Plateaus, der einzige steile Abbruch ist oberhalb des Krebsbaches zu finden. Geo­logisch zeigt das Gebiet ein sehr abwechslungsreiches Bild, den inselartig (z. B. Hausberg, BalD auftauchenden Kristallschiefer-Untergrund überdecken viel jüngere Ablagerungen. Von den verschiedenen Stufen des Miozäns nimmt der Badener Leithakalkstein im zentralen Höhenzug eine große Fläche ein, darüber findet man vielerorts sarmatische Ablagerungen (Kalkstein, Kalksand, Sandstein). Holozäne Ablagerungen füllen das Kohidai-Becken aus, wo auch die Vertorfung typisch war, aber mit der Senkung des Grundwasserniveaus ist der Torf fast gänzlich verschwunden. Klimatisch befindet sich der Kern des Höhenzuges in der Region der Eichen-Hainbuchen-Wälder, am östlichen und nördlichen Rand werden diese von geschlossenen Eichenwäldern abgelöst.

Dass die Flora des am Zusammentreffen der Alpen und der inneren Gebiete des Karpaten-Beckens liegenden Ruster Höhenzuges einen Übergang zwischen dem Alpicum und dem Pannonicum zeigt, wird schon auf den Kar­ten der frühen geobotanischen Arbeiten dargestellt. Gayer (1925) gibt dem auch die Hügelgebiete der Voralpen einschließenden Florengebiet den Namen Praenoricum. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde klar, dass auch dieser Übergangsflorenbezirk nicht als eine Einheit betrachtet werden kann, besonders die Flora des Ruster Höhenzuges und des Leithagebirges zeigen wesentliche Abweichungen von der Auffassung von Gayer. Der diese Gebiete abdeckende Florendistrikt Laitaicum wird von Csapody (1955) definiert: "Im Gebiet östlich von Sopron (Szarhalom, Fertorikos, Wiener Hügel) wechseln sich aus Flaum-Eichen und Zerr-Eichen bestehende trockenere Wälder mit sonnigen Steppenwiesen ab." Die ausführliche Beschreibung des Gebietes kommt schließlich von Karpati (1956), der den Distrikt als Verbindung der Alpen und Karpaten in pflanzengeographischem Sinne in­terpretiert hat, welches von den übrigen Teilen des Voralpenlandes durch seinen stark pannonischen Charakter abweicht. Die Charakterarten des Laitaicums sind z. B. die Herzblättrige Kugelblume (Globularia cordifolia), das Ochsenauge (Buphthalmum salicifolium), der Graue Löwenzahn (Leontodon incanus), der Felsen-Kreuzdorn (Rhamnus saxatilis), die Weiche Silberscharte Uurinea mollis), die Rundköpfige Teufelskralle (Phyteuma orbicu­lare) und das Bunte Reitgras (Calamagrostis varia). Man muss hinzufügen, dass diese Arten an Vorkommen von Kalkgestein gebunden sind, sie erscheinen inselartig - grundsätzlich wird das Bild der Gegend von geschlossenen Wäldern bestimmt.

Von den Pflanzengesellschaften nehmen die Rasen eine relativ kleine Fläche ein, aber aus dem Aspekt der Geo­botanik und des Naturschutzes sind sie sehr wichtig. Die Moore des Kohidai-Beckens sind bis heute fast völlig zugrundegegangen (ihr mehr oder weniger heil gebliebener Überrest ist die Mootwiese der Kleinen Teichmühle - Kist6malom). Sie sind aufkalkreichen, nassen Stellen entstandene Flachmoor-Gesellschaften, ihre hiesigen Cha­rakterarten sind: Sumpf-Läusekraut (Pedicularis palustris), Gemeines Fettkraut (Pinguicula vulgaris), Stumpfblüti­ge Binse Uuncus subnodulosus), Sumpf-Ständelwurz (Epipactis palustris), Schwarzes Kopfried (Schoenus nigricans), Torf-Segge (Ca rex davalliana) und Moor-Blaugras (Sesleria caerulea). Für ihre Assoziationen ist charakteristisch, dass jeweils eine Art dominant ist, aber diese sonst bezüglich der Standortsverhältnisse einander sehr nahe stehen, oft erscheinen sie mosaikartig. In den letzten Jahrzehnten ist ein Zerfall der Gesellschaften zu beobachten, ihre Umwandlung geht in die Richtung der Hochstaudenfluren und Grauweidengebüsche, an den offenen Flecken entstehen die Dominanzrypen Pfeifengras (Molinia coerulea) und Stumpfblütige Simse Uuncus subnodulosus). Auf den Torfstichen der Mootwiese bei Sopronkohida wuchs ein homogener Bestand von Schneid ried (Cladium ma­

riscus), wo - obwohl die anthropogene Herkunft des Fundortes offensichtlich ist - die Pflanzen der einst umfang­reichen Mootwiesen Zuflucht finden (z. B. Mehl-Primel- Primula forinosa, Späte Gelb-Segge - Carex viridula), die wegen der bedeutenden Senkung des Grundwasserniveaus sonst bestimmt verschwunden wären. Den anderen herausragenden Wert des Höhenzuges stellen die Trockenrasen dar, von welchen folgende wichtigeren Typen bekannt sind:

- Pioniervegetation der offenen Leithakalk-Fluren. Man kann einen stabilisierten Typ (mit Gewöhnlichem Nadelröschen - Fumana procumbens, Grauem Sonnenröschen - Helianthemum canum, Berg-Gamander­Teucrium montanum) und einen ganz initialen Typ (mit Weidenblättrigem Ochsenauge - Buphthalmum salicifolium, Steinbrech-Felsennelke - Petrorhagia saxifraga, Rosmarin-Weidenröschen - Chamaenerion dodonaei, daneben viele Ephemere) unterscheiden.

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