Kleinwaffen - BICC Bonn International Center for Conversion · 3 2 Wolf-Christian Paes Bonn...

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3 2 Wolf-Christian Paes Bonn International Center for Conversion (BICC) Kleinwaffen Eine Bedrohung für die „dritte Welt“ Impressum Herausgeber: Bischöfliches Hilfswerk Misereor e.V. Mozartstr. 9, 52064 Aachen, Tel.: 0241/442-0 Redaktion: Dr. Volker Kasch e-Mail: [email protected] Gestaltung: Jürgen Platt, Frankfurt/Main Druck: xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx © 2002 Aachen, Misereor Medienproduktion und Vertriebsgesellschaft mbH Fotos Titelseite: epd Der Autor Wolf-Christian Paes M.A., Mag. Rer. Publ., Jahrgang 1973, Studium der Politikwissenschaft und Internationalen Beziehungen, Universität Bonn und Stellenbosch (Südafrika), sowie Verwaltungswissenschaften in Speyer. Projektleiter am Internationalen Konversionszentrum Bonn (BICC) zu den Themengebieten Kleinwaffen, Demobilisierung und Kriegsökonomie.

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Wolf-Christian PaesBonn International Center for Conversion (BICC)

KleinwaffenEine Bedrohung für die „dritte Welt“

Impressum

Herausgeber: Bischöfliches Hilfswerk Misereor e.V.Mozartstr. 9, 52064 Aachen, Tel.: 0241/442-0

Redaktion: Dr. Volker Kasche-Mail: [email protected]

Gestaltung: Jürgen Platt, Frankfurt/Main

Druck: xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx

© 2002 Aachen, Misereor Medienproduktion und Vertriebsgesellschaft mbH

Fotos Titelseite: epd

Der AutorWolf-Christian PaesM.A., Mag. Rer. Publ., Jahrgang 1973, Studium der Politikwissenschaft undInternationalen Beziehungen, Universität Bonn und Stellenbosch (Südafrika),sowie Verwaltungswissenschaften in Speyer.Projektleiter am Internationalen Konversionszentrum Bonn (BICC) zu denThemengebieten Kleinwaffen, Demobilisierung und Kriegsökonomie.

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VorwortInhalt

Vorwort 5

Teil I

1. Kleine Waffen - tödliche Wirkungen! 62. Kleinwaffen - Die unbekannten Massenvernichtungswaffen 83. Was sind Kleinwaffen? 94. Kleinwaffenproduktion - Woher stammen die Waffen? 135. Der weltweite Handel mit Kleinwaffen 176. Gewaltökonomien - die Basis des Waffenhandels 20

Teil II

7. Länderberichte 24

7.1. Uganda 247.2. Liberia 267.3. Sri Lanka 287.4. Kolumbien 30

Teil III

8. Politische Initiativen zur Begrenzung des Kleinwaffenproblems 339. Ergebnisse und Defizite der UN-Kleinwaffenkonferenz 2001 3510. Praktische Abrüstungsinitiativen 3611. Politische Forderungen zur Begrenzung des Handels

und des Missbrauchs von Kleinwaffen 40

Literaturliste 45

Im Hirtenwort der deutschen Bischöfe„Gerechter Friede” wird ein Leitbild desgerechten Friedens formuliert, das “aufeiner letzten Endes ganz einfachen Ein-sicht (beruht): Eine Welt, in der den mei-sten Menschen vorenthalten wird, was einmenschenwürdiges Leben ausmacht, istnicht zukunftsfähig. Sie steckt auch dannvoller Gewalt, wenn es keinen Krieg gibt.Verhältnisse fortdauernder schwerer Un-gerechtigkeit sind in sich gewaltgeladenund gewaltträchtig. Daraus folgt positiv :‚Gerechtigkeit schafft Frieden’. An diesemLeitbild orientiert sich auch die Arbeit vonMisereor.

Gleichzeitig zeigen die Erfahrungen aberauch, dass direkte und manifeste Gewaltin zahlreichen Kriegen und Konflikten einbeklagenswerter Bestandteil der Lebens-realität vieler Länder des Südens ist, z.B.in Kolumbien, im Sudan, in der Region derGroßen Seen in Afrika, in Sri Lanka, in denPhilippinen etc. Oft werden diese Ausein-andersetzungen von der Weltöffentlichkeitnur wenig wahrgenommen und beachtet.Die Opferzahlen gehen in die Millionen.Auch nach der Beendigung gewaltsamerAuseinandersetzungen töten oder verletzennicht geräumte Landminen zahlreicheMenschen. Schließlich machen Kriege undGewalt auch viele zuvor geleistete Anstren-gungen der Entwicklungszusammenarbeitzunichte

Nach Angaben des Internationalen RotenKreuzes werden über drei Viertel der inkriegerischen und gewalttätigen Ausein-andersetzungen zu Schaden gekommenenZivilisten durch Kleinwaffen und Land-minen getötet oder verletzt. Während seit

einigen Jahren recht erfolgreich von zahl-reichen Nichtregierungsorganisationeneine internationale Kampagne zum Verbotvon Antipersonen- und jetzt auch von Anti-fahrzeugminen durchgeführt wird, an dersich MISEREOR aktiv beteiligt, hat dieKleinwaffenthematik bisher keine ver-gleichbare internationale politische Auf-merksamkeit erhalten.

Die im Juli in New York durchgeführte UN-Konferenz zur Kleinwaffenproblematik hatleider keine sichtbaren Fortschritte hin-sichtlich internationaler Vereinbarungenzur Eindämmung des illegalen Handelsund des Missbrauchs von Kleinwaffen ge-bracht. Angesichts der Tatsache, dass ge-rade die Kleinwaffen lokale Konflikte mitihren hohen Opferzahlen führbar machenund diese auch von Kindersoldaten hand-habbar sind, sieht MISEREOR eine drin-gende politische Aufgabe darin, auf inter-nationale Regelungen zur Eindämmungdes Ge- und des Missbrauchs von Klein-waffen zu drängen.

Diese Broschüre soll zum einen über dieKleinwaffenproblematik und ihre Auswir-kungen anhand von vier Länderbeispieleninformieren und zum anderen Bereiche undZiele für politische Lobbyarbeit auf na-tionaler und internationaler Ebene aufzei-gen. Dabei beziehen wir uns auch auf dieAusführungen der Fachgruppe Rüstungs-exporte der Gemeinsamen Konferenz Kir-che und Entwicklung (GKKE) in ihremRüstungsexportbericht 2001.

Prof. Dr. Josef SayerHauptgeschäftsführerAachen, April 2002

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1. Kleine Waffen - tödliche Wirkungen!

Entwicklungszusammenarbeit dient derBekämpfung von Armut und sozialer Un-gleichheit. Sie möchte Entwicklungs-chancen für benachteiligte soziale Grup-pen schaffen und weltweit zur Durchset-zung von Demokratie und Menschenrech-ten beitragen. Bewaffnete Konflikte sinddabei der schlimmste Feind jeder Entwick-lung. Sie fordern nicht nur zahlreiche Men-schenleben und machen Menschen zu In-validen, sie zerstören auch die wirtschaft-liche und soziale Infrastruktur eines Lan-des und machen zudem viele Leistungender Entwicklungszusammenarbeit zunich-te. Schließlich traumatisieren sie die Op-fer. Entwicklungspolitik ist Friedenspoli-tik – dieses Wort von Willy Brandt besitztangesichts zahlreicher gewaltsam ausgetra-gener Konflikte gerade heute nach denEreignissen des 11. September 2001 be-sondere Aktualität.

Entwicklungszusammenarbeit will im Sin-ne der Prävention einen Beitrag leisten,Konflikte zu entschärfen, bevor sie gewalt-sam ausgetragen werden oder sich gar zuKriegen ausweiten, und zielt nach der fried-lichen Beendigung eines bewaffneten Kon-fliktes darauf ab, ein Wiederaufflammender Gewalt zu verhindern. Unsicherheitund Gewalt beinträchtigen die Lebenschan-cen von Millionen Menschen in den Län-dern des Südens und verhindern eine nach-haltige Entwicklung.

Die Erfahrungen zeigen, dass gerade dieunkontrollierte Verbreitung von Klein-waffen eine entscheidende Ursache vonGewalt darstellt. Ihre leichte Verfügbarkeiterlaubt es sowohl bewaffneten Gruppen alsauch repressiven Regierungen, die Bevöl-

Bewusstsein vorhanden ist. Ähnliches giltauch für die seit Jahrzehnten andauerndenBürgerkriege in West- und Ostafrika so-wie für den Konflikt in Kolumbien.

Der vorliegende Text möchte dazu beitra-gen, das Bewusstsein der deutschen Öf-fentlichkeit für die „vergessenen Kriege”in den Ländern des Südens zu schärfen,und dabei insbesondere den Zusammen-hang zwischen der Verbreitung von Klein-

kerung zu berauben beziehungsweise po-litischen Protest zu unterdrücken. In au-toritären Systemen sind sie Symbol undWerkzeug des Machterhalts und in Bür-gerkriegen entscheidende Instrumente derMachtsicherung sowie von Plünderungund Bereicherung. Die Verletzung vonMenschenrechten durch Waffengewalt hatin dem Jahrzehnt nach Beendigung des„Kalten Krieges” nicht abgenommen. Ent-gegen den frühen Hoffnungen auf eine„Friedensdividende” ist die Welt mit demEnde der Ost-West-Konfrontation keines-wegs friedlicher geworden. Jedoch hat sichder Charakter der Konflikte und ihre Aus-tragung wesentlich verändert.

An die Stelle der ideologischen Auseinan-dersetzung zwischen Kapitalismus undKommunismus, die auch regionale Kon-flikte in der zweiten Hälfte des 20. Jahr-hunderts überlagerte, sind inzwischen in-nerstaatliche Konflikte zwischen politi-schen, religiösen oder ethnischen Gruppengetreten. Die 38 für das Jahr 2001 erfasstenbewaffneten Konflikte sind überwiegendinnerstaatliche „Bürgerkriege”, die in ih-rer großen Mehrzahl in Afrika und in Asienstattfanden. Obwohl sich das Medien-interesse in der Vergangenheit häufig aufKriege in den Randgebieten Europas –etwa auf dem Balkan oder in Tschetsche-nien – konzentrierte, leiden auch und ge-rade in den Ländern des Südens Millionenvon Menschen unter Gewalt und Verfol-gung. Es gehört zu den Merkmalen unse-rer Medienlandschaft, dass etwa der seitfünf Jahren anhaltende Bürgerkrieg in derDemokratischen Republik Kongo (ehemalsZaire), der mehrere Millionen Menschen-leben gekostet hat, kaum im öffentlichen

waffen und dem Ausbruch von Konfliktenuntersuchen (Teil I). Dabei dienen dieKurzdarstellungen der Konflikte in Kolum-bien, Liberia, Sri Lanka und Uganda mitihren spezifischen Ausprägungen zur Illu-stration der Problematik der Verfügbarkeitund des Missbrauchs von Kleinwaffen (TeilII). In Teil III werden Ansatzmöglichkeitenfür die politische Lobbyarbeit zur Eindäm-mung und Kontrolle von Kleinwaffen vor-gestellt.

Teil I

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Bei der Diskussion über die gewaltsameKonfliktaustragung in den Ländern desSüdens ist in den vergangenen Jahren dasKleinwaffenproblem immer stärker in denVordergrund getreten. So stellt etwa derGeneralsekretär der Vereinten Nationen,Kofi Annan, im „Millennium Report” zurJahrtausendwende fest:

„Die Verbreitung von Kleinwaffen ist nichtnur ein Sicherheits-, sondern auch ein Men-schenrechts- und Entwicklungsproblem.Die Verbreitung von Kleinwaffen trägt zurFortsetzung und Verschärfung von bewaff-neten Konflikten bei. Sie gefährdet Blau-helmsoldaten und Nothelfer. Sie untermi-niert die Achtung des Völkerrechtes. Siebedroht demokratisch gewählte Regierun-gen und stärkt Terroristen ebenso, wie dieOrganisierte Kriminalität.”

Tatsächlich gehört die unkontrollierte Ver-breitung von Kleinwaffen zu den wichtig-sten Herausforderungen für die internatio-nale Politik zu Beginn des 21. Jahrhun-derts. Gleichzeitig handelt es sich um einin der Vergangenheit stark vernachlässig-tes Problem der Rüstungskontrolle. DerZusammenhang von Entwicklung und Rü-stungskontrolle wird auch von der Bun-desregierung betont, die sich in ihrementwicklungspolitischen Programm nichtnur für eine Halbierung der Armut bis zumJahr 2015, sondern auch für eine deutli-che Reduzierung der Rüstungsexporte aus-spricht. Im „Aktionsprogramm 2015Armutsbekämpfung – eine globale Aufga-be. Der Beitrag der Bundesregierung zurweltweiten Halbierung extremer Armut”wird dazu ausgeführt:

Die Definition von kleinen und leichtenWaffen umfasst Schusswaffen, die von ei-ner bzw. maximal zwei Personen transpor-tiert und eingesetzt werden können. Im ein-zelnen handelt es sich nach der Definitionder Vereinten Nationen um die folgendenWaffenkategorien:

� Kleine Waffen:Revolver und Selbstladepistolen, Ka-rabiner und Gewehre, Sturmgewehre,Maschinenpistolen und leichte Maschi-nengewehre.

� Leichte Waffen:Schwere Maschinengewehre, Grana-tenwerfer, tragbare Panzer- und Luft-abwehrwaffen, rückstoßfreie Gewehre,tragbare Raketenwerfer und Mörser biszu einem Kaliber von 100mm.

Kleinwaffen sind ideal für nichtstaatlicheKonflikte und sind die bevorzugte Waffesowohl von Kriminellen als auch von poli-tisch motivierten Gruppen. Auch wenn siein der Vergangenheit im Hintergrund stan-den, da sie im Gegensatz etwa zu atoma-ren, biologischen und chemischen („ABC”)Waffen nicht das Potenzial haben, Tau-sende von Menschen in wenigen Minutenumzubringen, so sind Kleinwaffen trotz-dem die „Massenvernichtungswaffen desKleinen Mannes”. Die in Genf herausge-gebene Studie Small Arms Survey schätzt,dass Jahr für Jahr mindestens eine halbeMillion Menschen durch Kleinwaffen zuTode kommen. Die Zahl der Verletzten undder mittelbar zu Schaden gekommenenMenschen (etwa Waisenkinder) dürftenoch um ein Vielfaches höher liegen. Etwa90 Prozent aller Kriegsopfer gehen auf das

Konflikte sind integraler Bestandteil gesell-schaftlicher Prozesse. Friedlich ausgetra-gen können sie auch sozialen Wandel vor-antreiben. Werden sie jedoch gewaltsam,bedrohen sie die Sicherheit und das Wohl-ergehen von Menschen. Sie zerstörenEntwicklungserfolge und schaffen neueArmut. Krisenprävention und friedlicheKonfliktbeilegung zu fördern, ist deshalbzur Armutsbekämpfung unerlässlich.Gleichzeitig leistet Armutsbekämpfungwichtige Beiträge zur Krisenpräventionund –bewältigung. Die Bundesregierungsetzt sich deshalb auch im Hinblick auf dieArmutsbekämpfung national und interna-tional für einen Ausbau des Instrumentari-ums der Krisenprävention ein. Sie wird ins-besondere (...) sich für eine Reduzierungder Rüstungsausgaben und für Regelun-gen des internationalen Waffenhandels, ins-besondere der Verbreitung von Klein-waffen, einsetzen und Partnerländer aufdiesen Gebieten unterstützen.

Konto von Kleinwaffen, dazu kommennoch Hunderttausende, die alljährlich Op-fer von Verbrechen oder von staatlicherVerfolgung unter Einsatz von Kleinwaffenwerden. Das Kinderhilfswerk der Verein-ten Nationen, UNICEF, geht davon aus,dass 80 Prozent aller durch Kleinwaffen zuSchaden gekommenen Personen Frauenoder Kinder sind.

Auch das Internationale Komitee des Ro-ten Kreuzes verweist auf die verheerendeWirkung von Kleinwaffen auf die Zivilbe-völkerung. Während etwa zehn Prozent derzivilen Opfer auf Landminen und “nur” fünfProzent auf Großwaffensysteme entfallen,sind Kleinwaffen für den Großteil der To-ten und Verletzten verantwortlich. Keineandere Waffenart, weder Panzer, Geschüt-ze noch Flugzeuge und sicher nicht die zu-vor genannten ABC-Waffen, die insbeson-dere durch ihre apokalyptische Wirkung dieÖffentlichkeit beschäftigen, bringt es welt-weit auf eine ähnlich schreckliche Bilanz.

Tabelle 1:Tote und verletzte Zivilistenbezogen auf Waffentypen:

Schätzungen für 41 Konfliktgebieteder neunziger Jahre

2. Kleinwaffen - Die unbekannten Massenvernichtungswaffen 3. Was sind Kleinwaffen?

Waffentypen Prozentualer Anteil

Gewehre 63Artillerie, Mörser 10Handfeuerwaffen(Pistolen, Revolver) 10Landminen 10Großwaffensysteme(Panzer, Flugzeuge etc.) 5Handgranaten 2Quelle: Internationales Komitee des Roten Kreuzes, 1998

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Kleinwaffen sind in besonderer Weise ge-eignet für bewaffnete Konflikte in den Län-dern des Südens oder auch in Osteuropa,die selten von regulären Armeen nach denRegeln des Völkerrechtes entlang klar de-finierter Frontlinien ausgetragen werden.In aller Regel handelt es sich heute um klei-ne bewaffnete Gruppen ohne Zugang zuTransportmitteln und ohne ausgefeilteLogistik, die zu ihrer Versorgung auf dieAusbeutung der von ihnen kontrolliertenGebiete angewiesen sind.

In vielen Bürgerkriegen in Afrika und zueinem geringeren Maße in Lateinamerikaund Asien gibt es kaum noch eine zentra-le Kontrolle und Koordination von Kampf-handlungen. Die Grenzen zwischen Regie-rungstruppen, Paramilitärs, Guerillerosund gemeinen Banditen verschwimmen zu-nehmend. Hier wird Waffenbesitz zu einerFrage des Überlebens, die Kalaschnikowwird zum Produktionsmittel der privati-sierten Kriegsführung. Die Bedeutung desBegriffes „Bürgerkrieg” hat sich seit dem

Kalaschnikow Sturmgewehr” das „gefähr-lichste Waffensystem der heutigen Epo-che”. Tatsächlich genügt schon ein wenigTraining, um mit Kleinwaffen umzugehen,und es gibt eine Reihe von Fällen, in de-nen selbst zehnjährige Kinder an Sturm-gewehren geschult und später als „Kinder-soldaten” missbraucht wurden. Die Wir-kung von automatischen Waffen ist dabeiausgesprochen einschüchternd und verhee-rend: es ist durchaus möglich, die Bevöl-kerung eines ganzen Dorfes durch eineGruppe von mit Kleinwaffen ausgerüste-ten Kämpfern auszulöschen.

Kleinwaffen haben eine Reihe von Eigen-schaften, die sie zur ersten Wahl für be-waffnete Gruppen weltweit machen:

� Kleinwaffen sind in den meisten Regio-nen der Welt leicht verfügbar. Schät-zungen gehen davon aus, dass es mehrals 550 Millionen Kleinwaffen weltweitgibt, davon etwa 125 Millionen Sturm-gewehre. Von dieser Zahl sind unge-fähr 226 Millionen Waffen (41 Prozent)im Besitz von Streitkräften und ca. 305Millionen Waffen (56 Prozent) im le-galen Besitz von Privatleuten. Die gro-ße Mehrzahl der Waffen in privaterHand befindet sich in den USA, die einausgesprochen freizügiges Waffenrechtals Bürgerrecht verstehen. Nur ein re-lativ kleiner Teil der weltweiten Waf-fen ist Eigentum von bewaffnetenGruppen oder Kriminellen, doch diehohe Gesamtzahl führt dazu, dass esihnen nicht an Nachschub mangelt. Soist eine Reihe von Fällen etwa aus Ju-goslawien oder Tschetschenien be-kannt, bei denen Regierungssoldaten

Ende des Kalten Krieges stark gewandelt.Stand er zuvor für einen im Regelfall poli-tisch motivierten Konflikt zwischen orga-nisierten Parteien, so zeichnen sich „mo-derne” Bürgerkriege häufig durch die Ab-wesenheit von klaren politisch-ideologi-schen Gegensätzen, sowie durch eine Ver-mischung von machtpolitischen und wirt-schaftlichen Interessen („Raubökono-mien”) aus.

Diese neue Form der Kriegsführung bleibtnicht ohne Einfluss auf die verwendetenWaffensysteme. Komplexe Waffensystemewie etwa Panzer, Artillerie oder Luftfahr-zeuge sind unter diesen Bedingungen we-der zu bezahlen noch ohne qualifiziertesPersonal sowie Zugang zu Ersatzteilen undTreibstoff einzusetzen. Kleinwaffen hinge-gen, wie etwa das populäre SturmgewehrKalaschnikow (AK-47), sind auch unterprimitiven Einsatzbedingungen wirkungs-voll nutzbar. Der amerikanische Wissen-schaftler Michael Klare nannte den ”männ-lichen Jugendlichen, ausgestattet mit einem

ihre Waffen an Rebellengruppen ver-kauft haben. Auch Waffen aus Privat-besitz tauchen immer wieder in denArsenalen von Terroristen und Krimi-nellen auf.

� Kleinwaffen sind günstig zu erwerbenund damit auch für „ärmere” Rebellen-bewegungen erschwinglich. Die Ko-sten für ein Sturmgewehr vom Typ AK-47 Kalaschnikow variieren dabei jenach Region und Angebotssituationsehr stark. In Äthiopien kostete eineKalaschnikow im Mai 1999 etwa denGegenwert von 50 DM, in Uganda ent-sprach der Waffenwert dem Marktpreiseiner Ziege. Am Beispiel des Kosovoslässt sich die Verbindung zwischenAngebot und Marktpreis besonders gutillustrieren. Nachdem im März 1997 imbenachbarten Albanien die Waffenlagervon Armee und Polizei von der wüten-den Bevölkerung geplündert wurden,sank der Marktpreis für ein Sturm-gewehr im Kosovo auf 15 DM, umspäter wieder auf 250 DM anzusteigen.

� Kleinwaffen sind stabil und leicht zupflegen. Es geschieht durchaus häufig,dass in Konfliktregionen Waffen ausvergangenen Kriegen auftauchen. Sosind etwa chinesische und russischeAK-47 sowie amerikanische M16Sturmgewehre aus der Zeit des Viet-namkrieges immer noch in Südostasi-en im Umlauf, während in den Balkan-kriegen Infanteriegewehre aus demzweiten Weltkrieg eingesetzt wurden.

� Kleinwaffen sind leicht und können re-lativ einfach transportiert werden. Die-

Die internationalen Hilfswerke betonenimmer wieder die verheerende Wirkungvon Kleinwaffen auf Kinder und Jugendli-che in bewaffneten Konflikten. Dabei sindKinder überdurchschnittlich häufig Opfervon Kleinwaffen. Gleichzeitig tauchen Kin-der und Jugendliche aber auch selbst als„Täter” in bewaffneten Konflikten auf.Schätzungen gehen weltweit von 300.000Kindern aus, die in mehr als 30 Ländernfreiwillig oder unter Zwang in bewaffne-ten Oppositionsgruppen kämpfen. Weite-re Hunderttausende sind Mitglied von

Regierungsarmeen oder paramilitärischenGruppen. So rekrutiert etwa die LordsResistance Army im Norden Ugandas mehrals 90 Prozent ihrer Kämpfer aus gekid-nappten Zivilisten, die häufig noch Kindersind, und auch in Liberia und Sri Lankaspielten Jugendliche – häufig unter demEinfluss von Rauschgift – eine Rolle in denblutigen Bürgerkriegen. Kleinwaffen spie-len hier eine bedeutende Rolle – im Ge-gensatz zu schweren Waffensystemen kannihr effektiver Gebrauch leicht auch vonKindern erlernt werden.

Kindersoldaten – Opfer und Täter zugleich

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ser Aspekt ist insbesondere für dieGruppen von großer Bedeutung, dieabseits von Straßen und ohne Trans-portmittel operieren. Gleichzeitig er-laubt das relativ geringe Gewicht vonKleinwaffen den Schmuggel über na-tionale Grenzen. Während es relativschwierig ist, den Export von Panzernoder Artilleriesystemen geheim zu hal-ten, gelangen Kleinwaffen, häufig de-klariert als Maschinenteile, auf ver-schlungenen Wegen von den Produzen-ten in die Konfliktzonen.

Diese Kombination besonderer Eigen-schaften macht Kleinwaffen zur bevorzug-ten Waffe von bewaffneten Gruppen welt-weit und gleichzeitig zu einer ernstenHerausforderung für die internationalePolitik.

Woher stammen die weltweit verfügbaren550 Millionen Kleinwaffen? Und wie ge-langen sie vom Produzenten zum Empfän-ger? Diese Fragen sind von großer Bedeu-tung für das Verständnis des Kleinwaffen-problems. Die Produktion von und derHandel mit Kleinwaffen sind nur ein rechtkleiner Bestandteil des internationalenRüstungsgeschäfts. Legale Exporte vonKleinwaffen und Munition machen nuretwa 13 Prozent des Welthandels mit kon-ventionellen Rüstungsgütern aus und dürf-ten ein Finanzvolumen von etwa drei Mil-liarden US Dollar haben. Dazu kommt derHandel mit Maschinengewehren, Flug- undPanzerabwehrwaffen und mit leichter Ar-tillerie sowie der illegale Handel mit Klein-waffen, so dass das Gesamtvolumen desweltweiten Handels mit kleinen und leich-ten Waffen bei etwa sechs Milliarden USDollar liegen dürfte. Auch wenn diese Zah-len im wesentlichen auf Schätzungen be-ruhen, kann man doch feststellen, dass derHandel mit Kleinwaffen weltwirtschaftlichgesehen keine hohe Bedeutung hat.

Kleine und leichte Waffen sowie die dazu-gehörige Munition werden nach Auskunftvon Small Arms Survey in mehr als sechs-hundert Unternehmen in mindestens 95Staaten hergestellt. Dabei werden die po-pulärsten Waffen häufig in verschiedenenStaaten entweder in Lizenz oder als Raub-kopie produziert. So wird etwa das AK-47 Kalaschnikow in mindestens 19 Staa-ten, unter anderem in China, Bulgarien,Ägypten und im Irak, jedoch nicht mehrim Ursprungsland Russland gefertigt. Das-selbe gilt auch für das bekannte deutscheSturmgewehr G3 der Firma Heckler &Koch, das in 18 Staaten, darunter die Tür-

kei, Pakistan und Burma, gebaut wurdebzw. wird.

Die weltweite Gesamtproduktion vonKleinwaffen wird für das Jahr 2000 auf 4,3Millionen Stück geschätzt. Davon entfie-len mindestens drei Millionen auf die Ver-einigten Staaten und etwa 800.000 Klein-waffen auf Produzenten aus Europa undden Nachfolgestaaten der Sowjetunion.Für den Zeitraum 1980 bis 1998 wird eineZahl von 78 Millionen in den VereinigtenStaaten produzierter Kleinwaffen und vonmindestens 40 Millionen Kleinwaffen inEuropa und den Staaten des ehemaligenWarschauer Paktes genannt.

Zu den großen Kleinwaffenexporteurengehören heute die Vereinigten Staaten vonAmerika, die Russische Föderation und dieVolksrepublik China. Danach kommt eineReihe von mittelgroßen, zumeist europäi-schen Produzenten, darunter Belgien,Deutschland, Israel und Italien, sowie ei-nige kleinere Produzenten aus Entwick-lungs- und Schwellenländern wie etwaMexiko und Indonesien.

Trotz der auf den ersten Blick beeindruk-kenden Produktionszahlen ist zumindestfür die Industriestaaten die Herstellung vonKleinwaffen kein ausgesprochen profita-bles Geschäft. Seit dem Ende des KaltenKrieges ist die Beschäftigung in der Rü-stungsindustrie weltweit um mehr als dieHälfte zurückgegangen und lag 1998 nurnoch bei etwa acht Millionen Menschen,verglichen mit 17,8 Millionen Arbeitneh-mern im Jahre 1987. Diese Reduzierungist eine Folge der verringerten weltweitenRüstungsausgaben, die seit den achtziger

4 Kleinwaffenproduktion - Woher stammen die Waffen?

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Jahren um etwa ein Drittel gesunken sind.Die Abnahme der militärischen Nachfragenach Kleinwaffen aus den Industriestaatentrifft die Kleinwaffenproduzenten beson-ders stark, da ausreichende Infanterie-waffenbestände existieren und es im Ge-gensatz etwa zum militärischen Flugzeug-bau keine Technologieschübe gibt, die eineNachrüstung zwingend erforderlich ma-chen würden. Lediglich in den StaatenMittel- und Osteuropas gibt es Bestrebun-gen, die Bewaffnung der Infanterie an denNATO-Standard anzupassen.

Bei den meisten Kleinwaffen, die heute inden Spannungsgebieten zirkulieren, han-delt es sich jedoch nicht um neue Waffen,sondern um Altbestände, die auf verschie-denen Wegen in die Kampfgebiete gelangtsind. Neben der zum Teil beträchtlichenlokalen Produktion stammen sie zum Bei-spiel aus der Militärhilfe zu Zeiten desKalten Krieges oder auch aus Beständen,die nach dem Ende des Kalten Kriegesüberflüssig wurden und, wie etwa im Fallder von der Bundeswehr übernommenenWaffen der Nationalen Volksarmee derDDR, die an Bündnispartner verkauft oderauch verschenkt wurden.

Bezeichnung Hersteller Lizenzproduktion Anzahl Verbreitung

Handfeuerwaffen

FN 9mm Browning FN Herstal Argentinien,(Belgien) Bulgarien u.a. > 1,3 Mio. 64 Staaten

Glock 9mm Serie Glock(Österreich) > 1 Mio. > 50 Staaten

Beretta 9mm Serie Beretta (Italien) Brasilien,Ägypten,Frankreich ? > 15 Staaten

Makarov 9mm Izmash(RussischeFöderation) Bulgarien, China 29 Mio. 14 Staaten

Sturmgewehre

Kalaschnikow AK Izmash(RussischeFöderation) 19 Staaten 70-100 Mio. > 80 Staaten

M-16 Serie Colt (USA) Kanada, Philippinen u.a. > 7 Mio. 67 Staaten

G3 Heckler & Koch(Deutschland) 18 Staaten > 7 Mio. > 64 Staaten

FN-FAL FN Herstal(Belgien) 15 Staaten 5-7 Mio. 94 Staaten

Maschinenpistolen

UZI IMI (Israel) 5 Staaten 1-10 Mio. > 50 Staaten

MP5 Heckler & Koch(Deutschland) 7 Staaten ? < 50 Staaten

Maschinengewehre

7.62 MAG FN Herstal(Belgien) 8 Staaten 150 – 200.000 > 90 Staaten

7.62 MG 1/2/3 Rheinmetall(Deutschland) 7 Staaten ? 13 Staaten

7.62 RPK Staatl. Fabriken(RussischeFöderation) 3 Staaten ? > 30 Staaten

Quelle: Small Arms Survey 2001

Deutschlands Rolle alsKleinwaffenexporteur

Der Export von Kleinwaffen spielt nur einesehr kleine Rolle innerhalb der deutschenRüstungsexporte, die sich auf Hightech-Waffensystemen wie etwa Fregatten undU-Boote konzentrieren. Trotzdem hat auchdie Bundesrepublik (ebenso wie die ehe-malige DDR) zum Kleinwaffenproblembeigetragen. Der international wichtigsteKleinwaffenhersteller ist die ehemals deut-sche Firma Heckler & Koch, die seit 1991zum britischen Rüstungs- und Techno-logiekonzern BAE Systems gehört.Heckler & Koch stellte in der Vergangen-heit das Sturmgewehr G3 her, das als Fol-ge von Exporten und einer großzügigenLizenzvergabe während des Kalten Krie-ges heute in mehr als 64 Staaten der Weltverbreitet ist. Heute produziert die Firmaunter anderem das Nachfolgemodell G36,das von der Bundeswehr als Standard-infanteriewaffe eingeführt werden soll.Neben Heckler & Koch fertigt die FirmaRheinmetall DeTec Infanteriewaffen undhält eine Reihe von Beteiligungen an Klein-waffenproduzenten im europäischen Aus-land. Die Gesamtzahl von Kleinwaffen ausdeutscher Produktion dürfte bei mehr alssieben Millionen weltweit liegen. Seit An-fang der neunziger Jahre hat die Bundes-republik ihre Rüstungsexportrichtliniendeutlich verschärft: Kleinwaffenexporte inSpannungsgebiete sind verboten. Trotz-dem geht die Lizenzproduktion deutscherWaffen in verschiedenen Entwicklungslän-dern weiter und trägt damit zur Verbrei-tung deutscher Waffentechnik auch inKrisenregionen bei.

Tabelle 2 – Verbreitete Kleinwaffentypen

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Die Mehrzahl der in den Entwicklungslän-dern zirkulierenden Waffen stammt aus derZeit des Kalten Krieges. Vor dem Hinter-grund des ideologischen Wettstreites zwi-schen den Systemen bemühten sich beideSeiten, sowohl Regierungen als auchRebellenbewegungen in den Ländern desSüdens aufzurüsten. So versorgten dieUSA allein im Zeitraum zwischen 1950 und1975 ihre militärischen Bündnispartner mitüber zwei Millionen Gewehren. Neben der„offiziellen” Rüstungshilfe für befreunde-te Regierungen wurden Waffen auch in be-trächtlichen Größenordnungen an Guerilla-organisationen gegeben, u.a. an die nica-raguanischen Contras und die afghanischenMujahedin.

Ähnliche Entwicklungen gab es auch imEinflussbereich des ehemaligen Warschau-er Paktes, wo das russische Schnellfeuer-gewehr vom Typ Kalaschnikow im Zeital-ter der anti-kolonialen Befreiungskriegeseinen Siegeszug antrat. Noch heute„schmückt” eine Kalaschnikow die FahneMosambiks und die Staatswappen vonsechs weiteren Staaten. Auch die Vergabevon Produktionslizenzen folgte in allerRegel politischen Kriterien. Daher werdenWaffen der Marke Heckler & Koch zumBeispiel in den NATO-Staaten Griechen-land und Türkei, aber auch in Mexiko,Pakistan und Saudi-Arabien produziert.

Nach dem Ende des Kalten Krieges ver-änderte sich die geostrategische Situationgrundlegend, und die Großmächte zogensich weitgehend aus der militärischen Un-terstützung für Kriegsparteien in den Län-dern des Südens zurück. Dies führte in ei-nigen Fällen, etwa in Mittelamerika, in

Kambodscha, aber auch in Mosambik, zueinem Abflauen und schließlich zur fried-lichen Beendigung der Konflikte. DieseEntwicklung trug wesentlich dazu bei, dassder internationale Waffenhandel zuneh-mend privatisiert wurde: waren es in derVergangenheit in erster Linie staatlicheInstitutionen, die Waffen an Regierungenoder Widerstandsbewegungen lieferten, sowuchs nun die Bedeutung privater Waffen-händler. Während des Kalten Krieges gabes diese Gruppe bereits auch schon, abersie tätigten den Großteil ihrer Transaktio-nen nicht selbständig, sondern im Auftragvon Regierungen und deren Geheimdien-sten, die nicht direkt mit dem „schmutzi-gen Geschäft” des Waffenhandels in Ver-bindung gebracht werden wollten. Nachdem Ende der Ost-West-Konfrontationblieben viele Zwischenhändler ihrer Pro-fession treu und nutzten ihre bestehendenBeziehungen zu Produzenten, Geheim-diensten und Transportgesellschaften, umihre Geschäfte nun auf eigene Rechnungabzuwickeln.

Die Rolle und Bedeutung dieser Zwischen-händler, die ihre Büros häufig in den Indu-striestaaten und ihre Konten in „Steueroa-sen” unterhalten, kann gar nicht hoch ge-nug bewertet werden. Sie nutzen ihre viel-fältigen Kontakte, um sensible Geschäftemöglich zu machen. Paradoxerweise funk-tionieren ihre Geschäfte am besten in Kon-flikten, bei denen ein Waffenembargo ge-gen eine oder mehrere Kriegsparteien ver-hängt wurde. Sobald sich eine Regierungoder Befreiungsbewegung nicht mehr selb-ständig auf dem internationalen Waffen-markt eindecken kann, benötigt sie die Un-terstützung eines Waffenhändlers, der ge-

Albaniens Kleinwaffenkatastrophe

Während die meisten Kleinwaffen mit Wis-sen und Billigung von Regierungen aufden Markt gelangen, gibt es auch Fälle, woder Zerfall jeglicher staatlicher Ordnungzur Anarchie und zur Bewaffnung der Be-völkerung führte. Im März 1997 kam es inAlbanien zu landesweiten Demonstratio-nen, nachdem das Finanzsystem des Lan-des zusammengebrochen und Hunderttau-sende von Menschen ihre Ersparnisse ver-loren hatten. Dabei wurden Kasernen undPolizeistationen geplündert. Binnen weni-ger Tage verschwanden mehr als 650.000Kleinwaffen, 3.500.000 Handgranaten,

eine Million Landminen und riesige Men-gen von Munition. Auch wenn es der Re-gierung mit internationaler Unterstützunggelang, die öffentliche Ordnung wiederherzustellen, vermochten die Behörden inden vergangenen vier Jahren, nur etwa einFünftel der entwendeten Waffen zu be-schlagnahmen. Der Großteil der Waffenbleibt verschwunden, und es wird davonausgegangen, dass viele Waffen ihren Wegin das benachbarte Kosovo und nach Ma-zedonien sowie zur organisierten Krimi-nalität in Westeuropa gefunden haben.

5 Der weltweite Handel mit Kleinwaffen

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eignete Waffen auf dem „grauen” Marktidentifiziert, die Verhandlungen mit demVerkäufer führt und möglicherweise ge-fälschte Endverbrauchernachweise be-sorgt, sich um den Transport der Ware indie Krisenregion und schließlich um dieAbwicklung der Bezahlung kümmert. EineReihe von Faktoren begünstigt dieses Ge-schäft:

� Seit dem Ende des Kalten Krieges sindMillionen von Waffen auf beiden Sei-ten überflüssig geworden. Während dieRegierungen Westeuropas nur in Aus-nahmefällen Waffen an private Händ-ler verkauft haben, lag die Hemm-schwelle in den Transformationsländernin Mittel- und Osteuropa deutlich nied-riger. Folgerichtig kamen in den neun-ziger Jahren sehr viele gebrauchteKleinwaffen aus Staaten wie Russland,der Ukraine, Moldawien, Bulgarienund Rumänien auf den Markt. Die Er-weiterung der NATO nach Ostenführte dabei zu einem weiteren Ver-kaufsdruck, da sich die neuen Mit-gliedsstaaten um eine Anpassung ihrerWaffensysteme an die NATO-Stan-dards bemühen.

� Das nachlassende Interesse der Groß-mächte an Konflikten in den Entwick-lungsländern war mit einem Abbau dermilitärischen und nachrichtendienstli-chen Präsenz in diesen Regionen ver-bunden. Dadurch ist es kaum nochmöglich, Waffenembargos internationaleffektiv zu überwachen, zumal die di-rekten Nachbarstaaten häufig weder dienotwendigen Ressourcen noch denpolitischen Willen haben, Sanktionen

Auch die lückenhafte Luftraumüber-wachung in weiten Teilen Afrikas undAsiens ermöglicht es den Transportflug-zeugen der Waffenhändler, „ungeplante”Zwischenstopps in den Konfliktregioneneinzulegen. So ist es etwa möglich, einenFlugplan für die Strecke Südafrika – Sam-bia abzugeben und eine Zwischenlandung

gegen die Konfliktparteien durchzuset-zen.

� Die Deregulierung und Privatisierungder zivilen Luftfahrt ermöglicht es auchPrivatleuten, ein Transportflugzeug mitCrew zu chartern und zum Transportvon Waffen und Munition zu verwen-den. Häufig stammen Flugzeuge undPiloten ebenso wie die transportiertenWaffen aus den Staaten des ehemali-gen Warschauer Paktes, wo der wirt-schaftliche Zusammenbruch in denneunziger Jahren viele Piloten arbeits-los gemacht hat.

� Moderne Kommunikationstechnologi-en und die Globalisierung der Weltwirt-schaft begünstigen den Waffenhandelebenso wie andere Wirtschaftsbereiche.Heute ist es für Waffenhändler, aberauch für Rebellenführer in der afrika-nischen Savanne möglich, große Geld-beträge und Warenlieferungen perSatellitentelefon weltweit zu dirigieren.

Waffenhändler nutzen die Lücken in dernationalen und internationalen Gesetzge-bung geschickt aus. So sind in zahlreichenStaaten, und nur die Europäische Unionbildet hier seit wenigen Jahre eine Ausnah-me, Waffengeschäfte nicht illegal, wenn dieWaffen das eigene Staatsgebiet nicht be-rühren. Das bedeutet in der Praxis, dass esvöllig legal sein kann, ein Geschäft zwi-schen einer bulgarischen Rüstungsfirmaund einer kongolesischen Rebellen-bewegung zu vermitteln und den Transportder Waffen zu organisieren, so lange dieWaffen nicht über das Heimatland desWaffenhändlers transportiert werden.

im Süden Angolas zur Versorgung derUNITA Rebellen einzulegen, ohne dassdies den Behörden bekannt wird, da esweder eine Radarüberwachung des ango-lanischen Luftraumes noch einen regelmä-ßigen Datenaustausch zwischen den Luft-fahrtbehörden der beteiligten Länder gibt.

Die Geschichte und die Geschäftspraktikendes Victor Bout (auch Butt) steht beispiel-haft für einen erfolgreichen Waffenhändlerauf dem afrikanischen Kontinent. VictorBout ist ukrainischer Staatsbürger undehemaliger Agent des sowjetischen Ge-heimdienstes KGB. Nach dem Zerfall derSowjetunion nutzte er seine guten Kon-takte zu osteuropäischen Rüstungsunter-nehmen, um ein blühendes Netzwerk vonTransportunternehmen in Osteuropa, aberauch in Afrika aufzubauen, zu dem die bei-den Frachtfluggesellschaften Air Cess undAir Pass gehören. Die Zentrale von BoutsUnternehmen und auch sein Wohnsitz be-finden sich in Sharjah in den VereinigtenArabischen Emiraten, einer Stadt, die alsDrehscheibe für den Warenaustausch zwi-schen Osteuropa, dem Nahen Osten unddem afrikanischen Kontinent gilt. DenGroßteil seines Umsatzes macht der„Transportunternehmer” Bout in Afrika,wo der Name seines Unternehmens etwaim Zusammenhang mit Waffenlieferungenan die angolanische UNITA genannt wur-de. Bis Mitte der neunziger Jahre nutzteBout dabei die vielen kleinen Flughäfen inSüdafrika, um Versorgungsflüge nach An-gola durchzuführen. Nachdem die südafri-kanische Regierung sich um eine bessere

Kontrolle des eigenen Luftraumes bemüh-te, wich er in das benachbarte KönigreichSwasiland aus, wo er zeitweise bis zu vier-zig Flugzeuge registrierte. Ähnlich wie inder Schifffahrt gibt es auch in der Luft-fahrt ”flags of convenience”, d.h. Staaten,deren Luftfahrtbehörden für lasche Kon-trollen bekannt sind. Dabei operieren dieMaschinen in ganz Afrika und darüber hin-aus. Bei einem typischen Geschäft werdendie Waffen zuerst in einen Transitstaat ge-bracht, dessen Regierung dem Produzen-ten ein „Endnutzerzertifikat” ausstellt, undvon dort mit kleineren Flugzeugen bis indie Konfliktzonen gebracht. Im Falle derUNITA etwa werden die Staaten BurkinaFaso und Togo, aber auch Zaire als Transit-staaten genannt. Die Bezahlung erfolgtdann entweder über Konten in Ländern,deren Banken für ihre Verschwiegenheitbekannt sind, oder, etwa im Falle derUNITA, auch direkt in Form von Edelstei-nen. Dabei machen Waffenhändler wieBout unter Umständen sogar Geschäfte mitbeiden Seiten eines Konflikte. Währendeine seiner Tochtergesellschaften dieUNITA belieferte, transportierte eine an-dere Gesellschaft Waffen für die angolani-sche Regierung.

Victor Bout – Ein afrikanischer Waffenhändler

2120

Die Finanzierung von Waffen- undMunitionslieferungen erfolgt in vielen Fäl-len durch die Ausplünderung von Ressour-cen, die in der Konfliktregion auch unterKriegsbedingungen abgebaut werden kön-nen. Während die meisten Regierungenund Befreiungsbewegungen sich währenddes Kalten Krieges der Unterstützungdurch die eine oder andere Seite sicher seinkonnten, müssen sich Rebellenbewegungenheute selbst um die Finanzierung ihrerFeldzüge kümmern. Dabei dient die Nut-zung von Ressourcen nicht nur der Fort-führung des Konfliktes, sondern ist in Ein-zelfällen sogar das wesentliche Kriegsziel.Ging die Friedensforschung in der Vergan-genheit davon aus, dass der Mangel an ei-ner Ressource – etwa Wasser, Land oderNahrungsmittel – eine entscheidendeKriegsursache sei, so zeigen jüngere For-schungen, dass auch der Überfluss an Res-sourcen eine Kriegsursache sein kann. Sowird der Rohstoffreichtum eines Landeswie etwa Angola oder der DemokratischenRepublik Kongo zum Fluch, da er konkur-rierenden ”Kriegsunternehmern” Anreizefür eine Fortführung des Konfliktes bie-tet.

Ein Beispiel für diesen Mechanismus bie-tet der Vergleich der Konfliktverläufe inAngola und Mosambik. Beide Staaten ge-rieten kurz nach Erlangung ihrer Unabhän-gigkeit in einen Bürgerkrieg zwischen densozialistisch-orientierten, vom Ostblockunterstützten Regierungen und einer„westlich” orientierten Rebellenbewegung,die von Apartheid-Südafrika und den Ver-einigten Staaten gefördert wurde. Währendder Bürgerkrieg in Mosambik unter Ver-mittlung der Vereinten Nationen sowie

4. Externe Unterstützung durch direkteGeldtransfers aus der Diaspora oderdurch ausländische Regierungen;

5. Abzweigen von humanitärer Hilfe.

Die internationale Aufmerksamkeit hat sichin den letzten Jahre insbesondere auf denAnbau von Drogen durch Konfliktparteien(siehe hierzu den Text zu Kolumbien) so-wie auf den Handel mit Diamanten ausWest- und Zentralafrika (siehe hierzu denText zu Liberia) konzentriert. Im Falle der„Blutdiamanten” ist es einer internationa-len Kampagne von Nichtregierungsorga-nisationen immerhin gelungen, die euro-päische Öffentlichkeit für dieses Thema zuinteressieren. Damit wurde ein wichtigerDurchbruch erzielt, der nicht ohne Wir-kung auf die großen Unternehmen derBranche blieb. Da neben der Produktionvon Industriediamanten der Absatz vonSchmuckdiamanten an Privatleute einewichtige wirtschaftliche Rolle spielt, sinddie beteiligten Firmen auf ein positivesImage in der Öffentlichkeit bedacht. Aberauch andere Rohstoffe tragen zur Kriegs-finanzierung bei, angefangen vom Kaffee-anbau wie etwa in der DemokratischenRepublik Kongo bis hin zum Abbau vonColtan, einem Mineral, das bei der Her-stellung von Mobiltelefonen Verwendungfindet.

Entscheidend ist, dass ein Rohstoff auchunter Kriegsbedingungen gefördert werdenkann und für seine Gewinnung weder be-sondere Fachkenntnisse noch hohe Kapi-talinvestitionen erforderlich sind. In Fäl-len, bei denen die Risiken einer Investitiondurch die potenziellen Gewinne aufgewo-

kirchlicher Institutionen Anfang der neun-ziger Jahre ein Ende fand, scheiterten ähn-liche Friedensprozesse in Angola an derkompromisslosen Haltung der Konflikt-parteien. Ein wichtiger Grund für die an-dauernde Konfliktbereitschaft beider Sei-ten dürfte in der Tatsache liegen, dass so-wohl die angolanische MPLA-Regierungals auch die gegnerische UNITA über be-deutende Rohstoffvorkommen verfügt, dieeine Fortsetzung des Bürgerkrieges unab-hängig von staatlicher Unterstützung ausdem Ausland erlauben. Während die Re-gierung von den sprudelnden Erdölvor-kommen profitiert, die fernab vom Kampf-geschehen auf Bohrplattformen im Süd-atlantik ausgebeutet werden können, kon-trollierte die UNITA seit Jahren die mei-sten Diamantenfelder des Landes. Mit denEinnahmen aus dem Rohstoffexport ist esbeiden Seiten bisher gelungen, den Nach-schub mit Waffen und Munition, im Falleder UNITA sogar trotz eines Embargos derVereinten Nationen, zu sichern und ihreStreitkräfte weiter aufzurüsten.

Es lassen sich fünf Haupteinnahmequellenfür Kriegsparteien in Entwicklungsländernidentifizieren:

1. Der Transfer von Werten aus Plünde-rung, Raub und Geiselnahme sowiedie Kontrolle von Märkten;

2. Der Anbau sowie die Verarbeitungund der Handel mit illegalen Rausch-mitteln;

3. Kriegssteuern bzw. Schutzgeld-erpressung;

6. Raub- und Gewaltökonomien - die Basis des Waffenhandels

Unter dieser Überschrift berichtet dieFrankfurter Rundschau im Januar 2001über ein Unglück in einer Coltangrube imKongo. U.a. wird dort ausgeführt : „Coltangilt als einer der begehrtesten Rohstoffeder Welt. Die Kurzform steht für Columbit-Tantalit, das wegen seiner Hitze- und Säu-rebeständigkeit in den Mikroprozessorenvon Handys und Computern verwendetwird. Nicht wegen der gefährlichen Ar-beitsbedingungen, sondern aus anderenGründen sorgt der Coltan-Abbau im Kon-go seit Jahren für Proteste. Die Förderungvon und der Handel mit Coltan finanziereden Bürgerkrieg im Kongo, sagen Orga-nisationen wie der belgische Friedens-informationsdienst. Er sprach sich kürzlichfür ein Embargo gegen Coltan aus Kongoaus. Der UN-Sicherheitsrat, der darüberim Dezember abstimmen wollte, hat dieseEntscheidung um ein halbes Jahr verscho-ben. J. Cuvelier vom Friedensinformations-dienst sagte, dass europäische Firmen di-rekt mit den Rebellen oder deren Schutz-macht Ruanda über den Coltan-Export ver-handeln. Seiner Ansicht nach müsstenWeltfirmen wie Alcatel, Nokia oder Sie-mens sicherstellen, dass Coltan aus demOsten Kongos nicht in ihren Handys ver-wendet werde.”

Rohstoff für Handyproduktionkommt aus dem Rebellengebiet

gen werden, kommt es, etwa im Ölge-schäft, häufig zur Bildung von JointVentures mit internationalen Unternehmen.Geschäfts- und militärische Interessen ver-binden sich dabei auf allen Ebenen. Nebendem international organisierten Handel mit

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Kleinwaffen besteht auch ein aktiver Klein-handel mit Waffen und Munition. Demo-bilisierte Soldaten nutzen ihre Waffen ent-weder, um sich als Banditen durchzuschla-gen, oder sie veräußern sie an Zwischen-händler, die sie wiederum an die organi-sierte Kriminalität und an bewaffnete Grup-pen in Nachbarländern weiterverkaufen. Sostammt ein Großteil der auf dem südafri-kanischen Schwarzmarkt gehandeltenSchnellfeuerwaffen aus ehemaligen Militär-beständen aus Mosambik, die nach demEnde des dortigen Bürgerkrieges privati-siert wurden. Sinkt der Marktpreis in ei-ner Region, so verlagert sich der Handelin Nachbarregionen. Diese Gemengelageaus vielschichtigen, teils illegalen Finan-zierungsquellen und ebenfalls schwerdurchschaubaren Marktstrukturen machteine Kontrolle des Kleinwaffenhandels unddie Abrüstung dieses tödlichen Geschäfts-feldes äußerst schwierig. Waffen sind einweltweit vagabundierendes Handelsgut,das unkontrolliert von einem Markt zumnächsten strömt. Dieser Handel kennt we-der Landesgrenzen noch Statistiken.

Tabelle 3 – Ressourcenkonflikte im Jahr 2001 (Auswahl)

Betroffener Staat Konfliktparteien Konfliktgegenstand Beginn EinstufungHIIK

Angola Regierung vs. Nationale Macht,UNITA-Rebellen Ressourcen (Öl, Diamanten) 1992 Krieg

DR Kongo Regierung vs. RCD, Nationale Macht,MLC u.a., auslän- Ressourcen (Diamanten,dische Mächte Coltan, Agrarprodukte) 1998 Krieg

Liberia Regierung vs. Nationale Macht,LURD-Rebellen Ressourcen (Diamanten) 1997 Krieg

Sierra Leone Regierung vs.RUF-Rebellen, Nationale Macht,UN, UK Ressourcen (Diamanten) 1991 Ernste Krise

Sudan Regierung vs.SPLA-Rebellen u.a. Sezession, Ressourcen (Öl),

religiöse Vorherrschaft 1989 Krieg

Kolumbien Regierung vs. Ideologie, RessourcenELN, FARC u.a., (Drogen) 1961 KriegUSA

Indonesien (Aceh) Regierung vs.GAM-Rebellen Sezession, Ressourcen (Öl) 1953 Ernste Krise

Indonesien Regierung vs. OPM Sezession, Ressourcen(Irian Jaya / (Kupfer / Gold) 1963 KriseWest-Papua)

Indonesien (Borneo/ Regierung,Kalimatan) verschiedene ethnische Konflikte

ethnische Gruppen Ressourcen (Land), 1998 Krise

Sri Lanka Regierung vs. Sezession, Kontrolle derLTTE-Rebellen tamilischen Diaspora 1948 Krieg

Irak (Irakisch- Regierung vs.Kurdistan) kurdische Gruppen Autonomie, Ressourcen

(Wasser) 1991 Krise

Die Darstellung beruht auf dem „Konfliktbarometer 2001” des Heidelberger Instituts fürKonfliktforschung (www.hiik.de). Sie wurde vom Verfasser bearbeitet.

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7.1 Uganda:

Washingtons Lieblingsschüler inSchwierigkeitenDer seit Jahrzehnten andauernde Konfliktin Uganda steht beispielhaft für die kom-plexe Mischung aus ethnischen, ideolo-gisch-politischen und wirtschaftlichenMotiven, die für die „neue Generation” vonBürgerkriegen charakteristisch ist. Durchdie Einbeziehung der Nachbarländer, dieals Nachschubbasen für die Guerillatrup-pen dienen, entsteht eine gefährliche Si-tuation, die sich in einem regionalen Kon-flikt entladen könnte. Gleichzeitig bildetedie weitverbreitete Praxis der (Zwangs-)Rekrutierung von Minderjährigen ein trau-riges Beispiel für den weitverbreiteten Ein-satz von Kindersoldaten.

Der ostafrikanische Staat Uganda erlebteseit seiner Unabhängigkeit von Großbri-tannien eine Reihe von blutigen Auseinan-dersetzungen, u.a. forderte die diktatori-sche Herrschaft Idi Amins (1971-1979)über 300.000 Opfer und weitere 100.000der Bürgerkrieg und die Gewaltherrschaftseines Nachfolgers Milton Obote (1980-1985). Erst der Sieg der National Resis-tance Army (NRA) unter der Führung desjetzigen Präsidenten Yoweri Museveniführte zur Befriedung des Landes.

In den achtziger und neunziger Jahren desvergangenen Jahrhunderts gelang der Re-gierung eine weitgehende Modernisierungvon Staat und Wirtschaft. Gemeinsam mitden Präsidenten des Nachbarstaates Ru-anda und der demokratischen FührungSüdafrikas gehörte Musevini zu denHoffnungsträgern des “Westens” in Afri-

Spirit Movement Movement hervorgegan-gen war, verfügt über etwa 2.000 bewaff-nete Rebellen und führt einen brutalen Gue-rillakrieg gegen die Regierung. Zur Rekru-tierung setzte die Bewegung auf die Ent-führung von Kindern, wobei die Jungen undMädchen als Träger und später auch alsKämpfer eingesetzt und die Mädchen au-ßerdem von den Kommandanten sexuellmissbraucht werden. Bis zu 80 Prozent derLRA besteht aus Kindersoldaten. Von derHälfte der mehr als 10.000 Kinder, die vonder LRA seit 1994 entführt wurden, fehltjede Spur.

Die LRA, wie auch die zeitweise mit ihrverbündete Western Nile Bank Front(WNBF), wurden in der Vergangenheit vonder sudanesischen Regierung mit Waffen undMunition unterstützt. Dabei handelte es sichum eine offenkundige Vergel-tungsaktion fürdie Unterstützung Musevinis durch opposi-tionelle Gruppen im Süden des Sudan. Auchim Süden des Landes befinden sich bewaff-nete Bewegungen wie etwa die AlliedDemocratic Forces (ADF), die sich aufmuslimische Gruppen und die Resteälterer Guerillagruppen stützen. Sie werfenMusevini vor, ein „Tutsi-Imperium” im Be-reich der Großen Seen errichten zu wollenund werden von Hilfsorganisationen für ver-schiedene Massaker an der Zivilbevölkerungund für die Verschleppung von Kindern ver-antwortlich gemacht. Aber auch den Regier-ungsstreitkräften werden von Amnesty In-ternational Menschenrechtsverletzungen inUganda und in der benachbarten Demokra-tischen Republik Kongo vorgeworfen.

Auch außerhalb von militärischen Ausein-andersetzungen hat die leichte Verfügbar-

ka und erfreute sich einer verstärkten Ent-wicklungshilfe durch amerikanische undeuropäische Geber.

In den vergangenen Jahren hat sich dieseSituation wiederum erheblich verschlech-tert. Eine Reihe von bewaffneten Konflik-ten ist erneut ausgebrochen, bzw. wiederaufgeflammt. Eine Konfliktursache liegtin der Vielzahl der ethnischen Bevölke-rungsgruppen des Landes. Jede Regie-rungsbildung muss immer auch die Inter-essen der einzelnen Bevölkerungsgruppenbeachten. Zwar bemüht sich Museveni umeine breit angelegte Koalition, aber trotz-dem spielt die Nord-Süd-Spaltung desLandes weiterhin eine wichtige Rolle. DieVorherrschaft ethnischer Gruppen aus demNorden des Landes endete erst 1986 mitdem Sieg von Musevinis NRA. Diese Ver-schiebung im ethnischen Machtgefügeführt dazu, dass einige Gruppen aus demNorden des Landes der Regierung vorwer-fen, sie würde Investitionen primär in denSüden des Landes lenken und wichtige Po-sitionen mit Vertretern aus Musevinis Hei-matprovinz besetzen. Auch würde derNorden unter den von der Weltbank emp-fohlenen Strukturanpassungsmassnahmenstärker leiden als der Süden des Landes.

Vor diesem Hintergrund verwundert eswenig, dass die stärkste militärische Be-drohung von der Lord´s Resistance Army(LRA) ausgeht, einer fundamentalistischenBewegung unter der Führung von JosephKony, die sich auf die ethnische Gruppeder Acholi im Norden des Landes stütztund angeblich eine religiös ausgerichteteRegierung etablieren will. Die LRA, die1989 aus einer älteren Gruppe, dem Holy

keit von Kleinwaffen in manchen Teilen desLandes schwere Opfer gefordert. ImLänderdreieck Sudan / Uganda / Kenia hatdas Überangebot zu einem Preisverfallfür automatische Waffen geführt. EinKalaschnikow-Sturmgewehr kostet hiernur noch 150,000 ugandische Schillinge(US$ 100), eine Pistole 50,000 Schillinge(US$ 34) und eine Patrone nur 200 Schil-linge (US$ 0.1). Nach Auskunft der briti-schen Hilfsorganisation Oxfam stammt dieMehrzahl dieser Waffen aus Europa. Siekamen in der Vergangenheit primär überden Sudan nach Ostafrika und werden inkleinen Mengen gehandelt. Andere Waf-fen wurden im Kampf von Regierungs-soldaten erbeutet oder wurden direkt vonder Regierung geliefert, die versuchte, ört-liche Selbstverteidigungskräfte zu etablie-ren. Traditionelle Auseinandersetzungenetwa zwischen Farmern und Nomadenwurden durch die leichte Verfügbarkeit vonKleinwaffen „militarisiert”. So terrorisier-ten Gruppen von Karamojong Nomadenin den vergangenen Jahren das Grenzge-biet zwischen Uganda und dem NordenKenias. Nach Auskunft des Small ArmsSurvey sollen sie über ein Arsenal von über100,000 Kleinwaffen verfügen. Diese Vieh-diebstähle gingen in den vergangenen Jah-ren mit Vergewaltigung und Mord einherund führten zu einer neuen Fluchtwelle dersesshaften Bevölkerung, die bereits unterdem Konflikt zwischen LRA und Regie-rungstruppen leidet, und zerstörte dieGesundheits- und Bildungsinfrastruktur.

Die ugandische Regierung bemüht sich umdie Einsammlung von Waffen im Nordendes Landes, gleichzeitig ist sie jedoch selbstim Nachbarland Kongo in einem Konflikt

7. LänderbeispieleTeil II

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mit der Regierung in Kinshasa verstrickt.Bereits seit 1998 sind über 15,000 ugan-dische Soldaten im Osten des Landes sta-tioniert. Die Bedrohung richtete sich zu-erst gegen Kinshasa und seit dem Jahr 2000auch gegen den ehemaligen VerbündetenRuanda. Der Bericht einer Expertengrup-pe der Vereinten Nationen wirft der ugan-dischen Regierung vor, sich durch die Aus-beutung von Bodenschätzen im Kongo zubereichern, was von der ugandischen Re-gierung vehement zurückgewiesen wird.Es steht jedoch außer Frage, dass sich Prä-sident Musevini im östlichen Nachbarlanddurch die Unterstützung von kongolesi-schen Rebellengruppen mit Waffen undMunition genau derselben Strategie be-dient, unter deren Anwendung durch denSudan seine eigene Bevölkerung im Nor-den Ugandas leidet.

7.2. Liberia:

Zwischen internationalerIntervention und StaatszerfallDer westafrikanische Staat Liberia bietetein besonders trauriges Beispiel für das Zu-sammenwirken von so unterschiedlichenFaktoren wie Rohstoffreichtum, Staats-zerfall und unkontrollierter Verbreitungvon Kleinwaffen. Der Zusammenbruch destraditionellen oligarchischen Staates alsFolge von sozialen Konflikten schuf inVerbindung mit dem Reichtum des Lan-des an Bodenschätzen eine Gesellschaft,in welcher sozialer Aufstieg nur als „War-lord” möglich war.

Der kleine westafrikanische Staat besitzteine ungewöhnliche Geschichte. Der “mo-derne” Staat Liberia wurde 1847 von Afro-

Möglichkeiten lag darin, der liberianischenArmee beizutreten, und es war auch einMilitärputsch, der am 12. April 1980 diehundertzwanzigjährige Vorherrschaft der„Amerikanischen” Liberianer brach. Unterder Regentschaft des ehemaligen Unterof-fiziers Samuel K. Doe versank das Landin einen Bürgerkrieg, der bis zur Mitte derneunziger Jahre dauerte. Die RegierungDoe setzte auf die ethnische Gruppe derKrahn, aus der die meisten Putschistenstammten, und führte einen Vernichtungs-feldzug gegen die rivalisierenden Bevöl-kerungsgruppen der Mano und der Gio.Diese Politik, die im übrigen unter denAugen der amerikanischen Regierung, dieLiberia als Operations- und Nachschub-basis in Afrika nutzte, stattfand, führte zumAusbruch eines offenen Bürgerkrieges zwi-schen der Regierung und der Rebellen-bewegung National Patriotic Front (NPFL)unter Charles Taylor.

Dieser Konflikt degenerierte innerhalb vonMonaten zum Status von bewaffneter An-archie. Die verfeindeten Gruppen spalte-ten sich wiederholt und bildeten neueGruppierungen, die weniger von politi-schen Motiven denn durch persönlicheLoyalität zu einem „Warlord” geprägt wa-ren. Auch die Regierungsarmee gehörtenach Does gewaltsamem Tod zu einer vonvielen bewaffneten Gruppen. Der liberia-nische Staat hatte praktisch aufgehört zuexistieren. Ausschlaggebend für denschnellen Zerfall der Regierung waren fol-gende Faktoren. Einerseits hatte der kor-rupte Staat der „Amerikanischen” Liberia-ner nur wenige Anhänger außerhalb der re-gierenden Oligarchie. Auch trug die Tat-sache, dass er seine Hauptfunktion der

amerikanern gegründet, die auf der Su-che nach ihren afrikanischen Wurzeln ei-nen Staat nach amerikanischem Vorbildschufen. Die liberianische Republik mit derHauptstadt Monrovia war zumindest aufdem Papier ein demokratisch verfassterStaat, der seine Unabhängigkeit ein Jahr-hundert lang gegen Expansionsbestre-bungen der französischen und britischenKolonialherren in der Region verteidigenkonnte.

Während das erste Jahrhundert der „offi-ziellen” liberianischen Geschichte wirt-schaftlich schwierig war, entdeckte 1926die Firestone Rubber Company das Landals Produktionsstätte für Kautschuk undwurde bald zur dominierenden ökonomi-schen Kraft im Lande. Der zweite Welt-krieg trug wesentlich zum Wirtschafts-boom bei. Liberia, das sich weiterhin gu-ter Beziehungen zu den USA erfreute,wurde zu einem wichtigen Bündnispartnerund die amerikanische Regierung investier-te massiv in die Infrastruktur des kleinenLandes. Der Wirtschaftsboom hielt dabeibis in die siebziger Jahre an und wurdedurch Auslandsinvestitionen im Rohstoff-bereich und durch die Protektion der Ver-einigten Staaten verstärkt.

Trotz des wirtschaftlichen Wachstums bliebdie politische Macht in den Händen einerkleinen Gruppe von Angehörigen der po-litischen Elite, deren familiäre Wurzeln biszu den amerikanischen Siedlern im 19.Jahrhundert reichten. Sie verteilten Postenund wirtschaftlichen Einfluss, während fürdie Mehrzahl der Liberianer im „Hinter-land” kaum Möglichkeiten zum sozialenAufstieg bestanden. Eine der wenigen

Bereicherung seiner Eliten und der damitverbundenen Klientelsysteme nicht mehrerfüllen konnte, mit zum Staatszerfall bei.Andererseits bot die „Raubökonomie” desBürgerkrieges, die sich auf Raub, Schutz-gelderpressung und die Ausbeutung der na-türlichen Ressourcen konzentrierte, Auf-stiegschancen für junge Männer aus denunteren sozialen Schichten, die vorher kei-ne Perspektive hatten. Die leichte Verfüg-barkeit von Kleinwaffen beförderte diesenProzess. Während die meisten Waffen derRegierungsstreitkräfte aus den USA undIsrael kamen, brachte Taylors NPFL dasrussische Sturmgewehr AK-47 nach Libe-ria. War privater Schusswaffenbesitz vor1980 relativ selten, so bewaffnete die Re-gierung Doe erstmals Anhänger seiner ei-genen ethnischen Gruppe. Im Gegenzugbesorgten sich auch die anderen ethnischenGruppen Waffen zum „Selbstschutz” bzw.um gegen die Regierung vorzugehen.

Der Bürgerkrieg endete erst Mitte derneunziger Jahre nach mehreren vergebli-chen Vermittlungsbemühungen der Wirt-schaftgemeinschaft WestafrikanischerStaaten (ECOWAS), die von 1990 bis 1998eine eigene „Friedenstruppe” (ECOMOG)in Liberia einsetzte. Obwohl ECOMOG inder Anfangsphase selbst Konfliktpartei warund darunter litt, dass Nigeria als wichtig-ste ECOWAS-Nation die Kooperation mitTaylor ablehnte, während andereECOWAS-Nationen ihn unterstützten,gelang es den westafrikanischen Soldatendoch, die meisten Rebellen zu entwaffnen.Die Entwaffnung der Rebellenbewegungenfand in zwei Phasen von März bis August1994 statt und nach einer erzwungenenPause durch neue Kämpfe von November

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1996 bis Februar 1997. Beide Programmewurden von ECOMOG und der UN-Mis-sion UNOMIL durchgeführt und verban-den Entwaffnung mit Demobilisierung.Während 1994 nur etwa 2,000 Waffen und230,400 Schuss Munition eingesammeltwurden, war die zweite Entwaffnungs-phase erfolgreicher. Insgesamt wurdenetwa 9.500 Waffen und mehr als 1.2 Mil-lionen Schuss Munition wurden eingesam-melt. 21.315 Kämpfer, darunter 4.253Kindersoldaten, wurden demobilisiert. Sieerhielten Lebensmittel, medizinische Be-treuung und Ausbildungshilfen.

Auch wenn im Rahmen der Aktion nuretwa 60 Prozent der ehemaligen Kämpfererfasst wurden, so besteht doch kein Zwei-fel, dass die Aktion wesentlich zur Konso-lidierung des Friedens in Liberia beigetra-gen hat. Heute ist das Land immer noch ineinem schwierigen Wiederaufbauprozess,der durch die Unterstützung von Rebellen-bewegungen im benachbarten Sierra Leonedurch die Regierung nicht gerade geför-dert wird. Aber immerhin ist das Klima vonAnarchie und Gewalt einer vorsichtig-op-timistischen Aufbruchsstimmung gewi-chen.

7.3 Sri Lanka:

Bürgerkrieg im ParadiesDer Konflikt in Sri Lanka, dem Inselstaatan der Südspitze des indischen Kontinents,steht beispielhaft für die Konfrontationzweier ethnischer Gruppen, dessen Wur-zeln im Konflikt zwischen den überwie-gend buddhistischen Singhalesen, die etwa74 Prozent der Bevölkerung stellen, undder Minderheit der hinduistischen Tamilen

liert die Bewegung große Gebiete, die imwesentlichen von Tamilen bewohnt wer-den, und plant hier die Errichtung eineseigenständigen tamilischen Staates. ImFrühjahr 2000 kam es zu den schwerstenGefechten seit Jahren, als die LTTE ver-suchte, den strategisch bedeutenden Ele-fanten-Pass, der den Norden des Landesmit dem Rest der Insel verbindet, zu er-obern. In dieser Schlacht gelang es denRebellen, eine deutlich überlegeneRegierungsstreitmacht zu besiegen. DieEinnahme der Stadt Jaffna wurde nur mitMühe durch die überlegene Feuerkraft derRegierungsluftwaffe verhindert.

Die Regierungsstreitkräfte waren in derVergangenheit trotz ihrer weitgehendenpolitischen Isolierung in der Lage, sichmit gebrauchtem Kriegsgerät aus China,Israel, Nord Korea, Pakistan, Südafrikaund der Tschechischen Republik einzu-decken. Dagegen sind die Rebellen ge-zwungen, sich auf dem Schwarzmarkt mitWaffen zu versorgen. Die LTTE verfügtnur über eine sehr kleine Anzahl vonschwereren Waffensystemen (Geschützeund Granatwerfer), die sie von denRegierungsstreitkräften erbeuteten. DerGroßteil ihrer Kämpfer ist mit Klein-waffen ausgerüstet, die von der LTTE miteiner eigenen Frachterflotte nach Sri Lan-ka geschmuggelt worden sind.

Bei der Beschaffung der nötigen Geld-mittel für den Waffennachschub spielt dietamilische Diaspora in Europa eine ent-scheidende Rolle. Die Bewegung unter-hält einen internationalen Flügel mit Bü-ros in London und Paris, der einerseitsfür politische Unterstützung für den “Be-

(18 Prozent der Bevölkerung) liegen. EinCharakteristikum des Konfliktverlaufs istinsbesondere die Rolle der tamilischenDiaspora, die eine wichtige Rolle bei derFinanzierung des Guerillakrieges und desNachschubs mit Waffen und Munitionspielt.

In Sri Lanka fordern radikale Tamilen-gruppen die Errichtung eines autonomenStaatsgebiets im Norden und Osten derInsel. Die wichtigste bewaffnete Gruppesind die Liberation Tigers of Tamil Eelam(LTTE), die aus der politischen Oppositi-on der siebziger Jahre hervorgegangen sindund seit 1983 bewaffnet für ihre Zielekämpfen.

Die LTTE verfügt über eine Streitmachtbestehend aus etwa 7.000 - 10.000 Kämp-fern, die sich sowohl aus der verarmtenLandbevölkerung als auch aus dem urba-nen Proletariat rekrutiert. Innerhalb dertamilischen Bevölkerung ist der Rückhaltder Bewegung in den letzten Jahren ge-wachsen. Dabei ist es aber unklar, ob die-se Unterstützung tatsächlich den radika-len politischen Zielen der Bewegung giltoder ob sie eher ein Solidarisierungseffektals Folge der Repressionen durch die Re-gierung darstellt.

In den vergangenen Jahren ist es der LTTEgelungen, ihre Streitkräfte von einerTerrororganisation zu einer konventionel-len Streitkraft auszubauen. Diese ist durch-aus in der Lage, ausgedehnte Gefechte mitden Regierungsstreitkräften zu führen, u.a.bei der seit mehreren Jahren anhaltendenBelagerung der Stadt Jaffna durch LTTE-Einheiten. Im Norden des Landes kontrol-

freiungskampf” der LTTE und anderer-seits bei Exiltamilen um „Spenden” wirbt.Die Einnahmequellen reichen dabei vonfreiwilligen Spenden, über die Erpressungvon Schutzgeldern bis hin zu Verstrickun-gen mit der organisierten Kriminalität. Da-neben sorgen auch legale Geschäfte undWohltätigkeitsorganisationen, die derLTTE nahe stehen, für einen steten Finanz-strom. Dabei dienen die asiatischen Finanz-metropolen Singapur und Hongkong alsDrehscheiben für den Transfer von Gel-dern aus dunklen Geschäften und aus derDiaspora. Während der Großteil derLTTE-Waffen bis zum Ende der achtzigerJahre aus indischen Regierungsbeständenstammten, verfügt die Organisation nunüber ein ausgefeiltes Nachschubnetz, dasRegierungen ebenso umfasst wie Rebellen-bewegungen und private Waffenhändler.Eine wichtige Rolle in diesem Geschäftspielt Bangladesch, das als Transitland fürWaffenhändler aus dem gesamten asiati-schen Raum von Bedeutung ist. So be-schaffte die LTTE in zumindest einem FallWaffen aus der Ukraine mit Hilfe eines„Endnutzerzertifikates”, das die Unter-schrift des bangladeschischen Verteidi-gungsministers trug. Auch hohe Offizierein Thailand werden von der Regierung SriLankas beschuldigt, Waffenlieferungenüber thailändische Gebiete zu tolerieren.Das Land dient als Transit für kambo-dschanische Waffen, die an der kaum kon-trollierbaren Küste des Indischen Ozeansauf Schiffen der LTTE nach Sri Lanka ver-laden werden. Selbst aus der Türkei wer-den Waffen an die Rebellen geliefert – soetwa im Jahre 1999, als elf Stinger-Rake-ten von der kurdischen PKK an die LTTEweiterverkauft wurden.

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Im Sommer 2001 scheint die LTTE sichwieder auf terroristische Methoden zu ver-legen. Nach einer Reihe von Bombenan-schlägen in der Hauptstadt Colombo in denvergangenen Jahren griff am 24. Juli einekleine Gruppe von Rebellen den interna-tionalen Flughafen der Stadt und den an-grenzenden Luftwaffenstützpunkt an. Be-vor die Rebellen von den Sicherheitskräf-ten vernichtet wurden, gelang es ihnen,acht Militärflugzeuge und die Hälfte derzivilen Flugzeugflotte der staatlichen Flug-gesellschaft Air Lanka zu zerstören. DerSchaden wird auf mehr als 350 MillionenUS$ geschätzt.

Schwerer wiegt der Schaden für Sri LankasTourismusindustrie, die zu den wichtigstenWirtschaftszweigen des Landes gehört.Auch wenn nach dem Selbstmordanschlagauf den Flughafen sich die Chancen fürein Friedensabkommen zwischen denLTTE und der Regierung erheblich ver-schlechtert haben, scheinen die Vermitt-lungsbemühungen der norwegischen Re-gierung erste Erfolge zu zeigen.

7.4 Kolumbien:

Ein Konflikt um Macht undDrogengelderDer „Bürgerkrieg” in Kolumbien, dessenWurzeln bis in die sechziger Jahre zurückreichen, steht hier als Beispiel für die Trans-formation eines sozialen Konfliktes aus denZeiten des Kalten Krieges zu einer „Raub-ökonomie”, deren Kontrahenten sowohl anpolitischer Macht als auch an der Kon-trolle der Drogenproduktion und derSchmuggelwege nach Nordamerika inter-essiert sind.

Zu Beginn der siebziger Jahre begann der„Kokainboom”, und Kolumbien entwickel-te sich nach dem Ausfall von Bolivien alszentrales Kokaproduzentenland schnellzum wichtigsten Rauschgiftlieferanten fürden nordamerikanischen Markt. Trotz bei-derseitigen Misstrauens ergab sich relativschnell eine fatale Arbeitsteilung zwischender organisierten Rauschgiftkriminalitätund den Rebellengruppen. Dabei erhebendie Rebellen in den von ihnen kontrollier-ten „befreiten” Gebieten Steuern auf denDrogenanbau und Handel, während dieKartelle Anbaugebiete und Landepisten au-ßerhalb der Kontrolle von Polizei und Mi-litär in ihren Händen halten. Durch die Ver-bindung mit dem internationalen Verbre-chen verschafften sich die Rebellen auchZugang zu Devisen und zum internationa-len Waffenhandel. Beobachter gehen davonaus, dass die FARC über die Hälfte ihrerEinnahmen aus dem Drogengeschäft erhält,ein weiteres Drittel stammt aus anderenkriminellen Aktivitäten, etwa Entführun-gen, Schutzgelderpressung und Banküber-fällen. Diese reichlich sprudelnden Ein-kommensquellen haben es der FARC undder ELN ermöglicht, auch das Ende desKalten Krieges (und damit der internatio-nalen Unterstützung) zu überstehen.

Der Waffennachschub für die Rebellen-gruppen kommt über die langen und schwerkontrollierbaren Grenzen zu Panama, Peruund Ecuador. Bereits seit dem Ende derBürgerkriege in Mittelamerika verzeichnendie Behörden einen anhaltenden Strom vonWaffen aus Nicaragua, El Salvador undGuatemala, die nach Kolumbien geschmug-gelt werden. Dieses Beispiel zeigt deutlich,wie die regionalen Waffenmärkte auf Nach-

Kolumbien ist ein reiches Land, das übergroße Bodenschätze verfügt, u.a. Erdöl,die der Wirtschaft des Landes einen Wirt-schaftsboom und sprudelnde Devisenein-nahmen verschafft haben. Das politischeSystem des Landes ist relativ stabil und derLebensstandard der Bevölkerung liegtdeutlich über dem Durchschnitt der Ent-wicklungsländer. Trotzdem gilt das Landals äußerst gefährlich. Mit über 3.000 Ent-führungen pro Jahr erreicht Kolumbien ei-nen traurigen Weltrekord, und bewaffneteGewalt gehört zum täglichen Leben vielerMenschen. Im Ausland verbindet sich dasImage des Landes mit den Bildern einesjahrzehntelangen, blutigen Bürgerkrieges.

Die Ursprünge dieses Konfliktes lassen sichbis in die sechziger Jahre des vergangenenJahrhunderts zurückverfolgen. Sie liegenim Widerstand der bäuerlichen Bevölke-rung gegen die Ambitionen der Groß-grundbesitzer, ihre Kaffeeplantagen undRinderweiden auf Kosten der Kleinbauernzu vergrößern. Dieser soziale Konfliktwurde zunehmend politisiert und führte zurGründung verschiedener politisch linksorientierter Gruppen, die zeitweise von derkommunistischen Regierung im Wege des„Revolutionsexports” mit Waffen und Aus-bildung unterstützt wurden. Während dersiebziger Jahre führte die kolumbianischeRegierung einen intensiven Feldzug gegendie Rebellengruppen, ohne diese jedochvollständig besiegen zu können. Die bei-den wichtigsten Rebellengruppen – die Re-volutionären Streitkräfte (Fuerzas Arma-das Revolucionarios de Colombia – FARC)und das Nationale Befreiungsheer (Ejércitode Liberación National – ELN) setzten ih-ren Kampf fort.

frageverschiebungen reagieren, ohne dassein Import von ”neuen” Waffen notwen-dig wäre. Aber auch aus entfernteren Re-gionen kommen Waffen auf den kolumbia-nischen Markt. So wurde im August 2000der Schmuggel von mindestens 10.000Kalaschnikow-Sturmgewehren aus Jorda-nien an die FARC bekannt. Bei dem Ge-schäft trat die peruanische Regierung alsKäufer von 50.000 Sturmgewehren ausDDR-Produktion in Amman auf und ver-einbarte einen Kaufpreis von 95 US$ proStück. Die Waffen wurden dann nach Vor-lage der peruanischen Endnutzerzertifikatevon einem ukrainischen Transportflugzeugüber die Kanaren, Mauretanien und Gre-nada nach Südamerika geflogen und überkolumbianischem Gebiet abgeworfen, be-vor das Flugzeug seinen Zielflughafen inPeru erreichte. Auf dem Rückflug sollenbis zu 40 Tonnen Kokain nach Jordanientransportiert worden sein. Diese Affäreführte zu Haftbefehlen gegen den perua-nischen Geheimdienstchef VladimiroMontesinos, der als Hintermann der Affä-re gilt, und mittelbar zum Rücktritt desperuanischen Präsidenten Alberto Fujimoriim November 2000.

Auch die anderen nichtstaatlichen Kräftein Kolumbien profitieren von dem reichli-chen Angebot auf dem kolumbianischenSchwarzmarkt. Neben dem organisiertenVerbrechen zählen insbesondere die para-militärischen Gruppen zu den Empfängern.Ursprünglich von Staat und Großgrund-besitzern zur Verteidigung ihrer InteressenMitte der sechziger Jahre ins Leben geru-fen, profitierten die paramilitärischenGruppen von ihren engen Verbindungen zuPolizei und Armeekreisen. Häufig führten

3332

sie in der Vergangenheit „schmutzige Ope-rationen” für örtliche Kommandantendurch, und auch ihre Mitgliedschaft be-stand teilweise aus Angehörigen der Si-cherheitskräfte. In den vergangenen Jah-ren haben sie zwar die offizielle Unterstüt-zung der Regierung verloren, operierenjedoch weiterhin als politischer und mili-tärischer Faktor in weiten Landesteilen.Laut eigenen Angaben ihrer Führung finan-zieren sie sich wesentlich aus Drogen-geschäften. Ebenso wie die Regierungs-streitkräfte und die Rebellen werden dieparamilitärischen Gruppen für die weit

Auch wenn die Verbreitung von Klein-waffen nicht die gleiche Betroffenheit inder Bevölkerung auslöst wie die Aufrü-stung mit Massenvernichtungswaffen, hatdoch das Interesse an dieser Frage insbe-sondere bei den entwicklungspolitischenNichtregierungsorganisationen deutlichzugenommen. Ähnlich wie bei der Kam-pagne für das Verbot von Landminen, dieim Dezember 1997 zur Unterzeichnung derAntipersonenminen-Konvention durch 122Staaten in Ottawa führte, gehen auch beider Bekämpfung der Kleinwaffenpro-liferation entscheidende Impulse von derZivilgesellschaft aus. Während auf inter-nationaler Ebene ein breites Bündnis vonNichtregierungsorganisationen die Kampa-gne gegen Kleinwaffen organisiert, spieltin der Bundesrepublik bisher das deutscheUNICEF-Komitee eine wichtige Rolle beider Sensibilisierung der Öffentlichkeit.

Von Regierungsseite wurde dieses Themaerst in den vergangenen Jahren aufgegrif-fen, wobei die Initiative häufig von Ent-wicklungsländern ausging. So verabschie-dete die Organisation Amerikanischer Staa-ten (OAS) bereits 1997 eine Konventiongegen den illegalen Kleinwaffenhandel,deren Umsetzung jedoch lückenhaft geblie-ben ist. Die Wirtschaftsgemeinschaft west-afrikanischer Staaten (ECOWAS) erließ imOktober 1998 sogar ein “Moratorium”über den Im- und Export sowie die Pro-duktion von Kleinwaffen. Die Bundesre-gierung spielt dabei sowohl innerhalb derVereinten Nationen als auch im Rahmender Europäischen Union eine positive Rolleals „Motor” für Exportbeschränkungen.Nachdem Deutschland noch in denneunziger Jahren große Mengen von Klein-

überwiegende Anzahl von Massakern,Morden, Vergewaltigungen und anderenMenschenrechtsverletzungen verantwort-lich gemacht.

Die Wurzeln des Bürgerkrieges liegen vorallem in der ungleichen Landverteilung. Esdaher wäre eine Vereinfachung, den Kon-flikt nur auf den Kampf zwischen denDrogenkartellen zurückzuführen. Trotz-dem besteht kein Zweifel daran, dass dernatürliche Reichtum des Landes und dieRolle als Drogenanbaugebiet zur Verschär-fung des Krieges beigetragen haben.

waffen aus Beständen der NationalenVolksarmee der DDR an Bündnispartner,u.a. auch an die Türkei, geliefert hatte,verfolgt die Bundesregierung nun eine re-striktive Exportpolitik. Dabei spielt nebenaußen- und entwicklungspolitischen Erwä-gungen sicherlich auch die Tatsache eineRolle, dass der Export von Kleinwaffen nureinen sehr geringen Anteil an der deutschenAusfuhr von Rüstungsgütern hat und da-her mögliche wirtschaftliche Einbußenrecht gering sind.

Die Mitgliedsstaaten der EuropäischenUnion haben sich in einer „GemeinsamenAktion” verpflichtet, den Kleinwaffen-handel zu begrenzen, und einen Verhaltens-kodex verabschiedet, der zukünftigeWaffenexporte regulieren und nationaleExportrichtlinien vereinheitlichen soll.Hiermit soll verhindert werden, dass eu-ropäische Rüstungsunternehmen im Kampfum Marktanteile mit ihrer Produktion undihrem Export in andere Mitgliedsstaatenausweichen. In Zukunft sollen Waffen-exporte auf staatliche Abnehmer be-schränkt sein und eine Reihe weiterer Kri-terien erfüllen:

� Waffenexporte sollen die Menschen-rechtssituation und die innere Stabili-tät der Empfängerländer in Betrachtziehen. Hiermit soll die Unterstützungrepressiver Regime sowie die Anfach-ung interner Konflikte verhindert wer-den.

� Bei Waffenexporten sollen neben derSituation des Empfängerlandes auchmögliche Auswirkungen auf Nachbar-staaten geprüft werden. Hiermit soll

8 Politische Initiativen zur Begrenzung des KleinwaffenproblemsTeil III

3534

einer Eskalation regionaler Konfliktevorgebeugt werden.

� Weiterhin soll die Einhaltung der Re-gelungen des Völkerrechts durch dasEmpfängerland und die Bekämpfungdes internationalen Terrorismus einKriterium für Waffenexporte werden.

� Das Risiko unerwünschter Weiterver-käufe soll ebenfalls einbezogen werden,um die gängige Praxis von „Reexpor-ten” durch Transitstaaten einzuschrän-ken.

Mit diesem Verhaltenskodex hat die Eu-ropäische Union als wichtiger Exporteurvon Rüstungsgütern eine relativ restrikti-ve Exportrichtlinie erlassen, die sich posi-tiv von den gesetzlichen Regelungen inNordamerika, aber auch in Osteuropa undAsien abhebt. Dort orientieren sich dieExportentscheidungen vorwiegend ankommerziellen und außenpolitischen Kri-terien, nicht jedoch an den Menschenrech-ten.

Eine Reihe europäischer Regierungen for-dert, unterstützt von Gruppen aus derZivilgesellschaft, ein striktes globales Ver-bot von Rüstungsexporten in Spannungs-gebiete und den generellen Ausschluss vonWaffenlieferungen an nichtstaatliche Grup-pen. Allerdings sollte nicht verschwiegenwerden, dass eine derart strikte Export-politik in der Praxis zu schwierigen mora-lischen Entscheidungen führen kann. Sosah sich etwa die britische Regierung imJuni 2000 gezwungen, fünf MillionenSchuss Infanteriemunition an die Regie-rung von Sierra Leone zu verschenken, um

Die Frage nach der Lieferung von Klein-waffen an nichtstaatliche Gruppen spielteauch auf der UN-Kleinwaffenkonferenzvom 6. bis zum 20. Juli 2001 in New Yorkeine wichtige Rolle. Diese Konferenz warder erste Versuch eine internationale Re-gelung für die Eindämmung des illegalenKleinwaffenhandels auf der Ebene der Ver-einten Nationen zu finden. Während sichdie Teilnehmerstaaten darauf verständig-ten, Waffeneinsammlungs- und Demo-bilisierungsprogramme verstärkt zu unter-stützen und die eigenen Bestände an Klein-waffen zu vernichten, gab es in einer Rei-he von anderen Fragen keine Einigung. Sokonnten sich die europäischen und afrika-nischen Staaten weder bei der Frage nacheinem internationalen Vertrag zur Eindäm-mung des Waffenhandels noch bei der For-derung nach mehr Transparenz durchset-zen. Auch die Einführung eines Menschen-rechtskriteriums für Waffenexporte schei-terte am Widerstand der Vereinigten Staa-

eine Niederlage der in der HauptstadtFreetown eingeschlossenen Regierungs-streitkräfte (und das damit verbundeneMassaker an der Zivilbevölkerung durchdie Rebellen) zu verhindern. Auch eine ka-tegorische Ablehnung von Rüstungs-exporten an nichtstaatliche Gruppen kannim Einzelfall problematisch sein. Denn derUnterschied zwischen einem “Terroristen”und einem „Freiheitskämpfer” liegt häufigin der Wahrnehmung des Betrachters. Einekonsequente Umsetzung dieser Forderungkönnte auch „legitimen” Freiheitsbewe-gungen schaden, die sich gegen repressiveRegime zur Wehr setzen. Ein Waffen-embargo gegen alle Konfliktparteien, sowünschenswert es auf den ersten Blickauch erscheinen mag, stellt dabei in derPraxis häufig einen Vorteil für jene Seitedar, die über die Machtmittel des Staatesverfügt.

ten und einer Reihe von Regierungen ausdem Nahen Osten. Der private Waffenbe-sitz von Zivilisten schließlich wurde voll-ständig aufgrund des starken politischenDrucks der Lobby der amerikanischenWaffenbesitzer ausgeklammert. Eine Nach-folgekonferenz im Jahr 2006 soll sich dannmit den offen gebliebenen Fragen beschäf-tigen. Fraglich bleibt jedoch, ob eine sol-che Konferenz einen größeren Erfolg ha-ben kann, wenn es nicht zuvor zu einemtiefgreifenden Bewusstseinswandel in Tei-len der Weltgemeinschaft kommt.

Trotz dieser Rückschläge in den Verhand-lungen kann es immerhin als Erfolg be-zeichnet werden, dass in New York dasKleinwaffenproblem erstmals auf politischhochrangiger Ebene diskutiert wurde unddas öffentliche Interesse an dem Thema inder jüngeren Vergangenheit deutlich zuge-nommen hat.

9 Ergebnisse und Defizite der UN-Kleinwaffenkonferenz 2001

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Neben der politischen Bekämpfung desProblems existieren eine ganze Reihe vonAnsatzpunkten für eine praktische Be-kämpfung der Verbreitung von Klein-waffen. Häufig werden diese Maßnahmenauch im Rahmen der Entwicklungs-zusammenarbeit durchgeführt und stehenim Mittelpunkt von Initiativen zur Stabili-sierung von Friedensprozessen. Währendein Konflikt noch andauert, gibt es kaumEinflussmöglichkeiten für zivile Abrü-stungsmaßnahmen. Doch sowohl in denPhasen vor dem Ausbruch eines bewaff-neten Konfliktes als auch nach seinerBeendigung kann die Entwicklungs-zusammenarbeit einen bedeutenden Bei-trag zur Deeskalation leisten.

Dabei kann zwischen Projektansätzen un-terschieden werden, die sich direkt mit derEinsammlung und Vernichtung von Klein-waffen beschäftigen, und Aktivitäten, diesich flankierend mit jenen Problemen be-schäftigen, die zur Eskalation von Konflik-ten beitragen. Waffeneinsammlungspro-gramme sind ein relativ neues Instrumentder Entwicklungszusammenarbeit. DieEntwaffnung eines unterlegenen Gegnersgehört seit jeher zum Standardrepertoireder Kriegsführung, aber erst seit denneunziger Jahren greifen auch „Friedens-truppen” und zivile Helfer auf dieses In-strument zur Konsolidierung von Friedens-prozessen zurück. Grundsätzlich lassensich drei unterschiedliche Modelle fürWaffeneinsammlungsprogramme unter-scheiden:

� Die „klassische” Variante:Hier wird eine Kriegspartei durch ei-nen neutralen Dritten, etwa eine inter-

verkauft werden. Auch kann der plötz-liche Nachfrageboom durch ein solchesProjekt dazu führen, dass Waffen ausanderen Regionen in die Projektregionfließen und damit die Ressourcen desProjekts ausgeschöpft werden, ohnedas örtliche Demobilisierungsziel zu er-reichen. Grundsätzlich scheinen sichWaffenrückkaufprogramme eher fürpolizeiliche Maßnahmen zu eignen; di-rekt nach dem Ende eines Konfliktesist ihre Wirksamkeit begrenzt.

� Waffen im Tausch für Entwicklungs-programme:Programme dieser Art setzen auf kol-lektive soziale Kontrollmechanismen,statt auf individuelle Belohnung undfunktionieren etwa innerhalb einerDorfgemeinschaft. So wird etwa derBau von Schulen, Gesundheitsein-richtungen oder Straßen an die Ein-sammlung einer bestimmten Anzahlvon Waffen geknüpft. Gleichzeitig wirdin die öffentliche Sicherheit investiert,um das subjektive Sicherheitsgefühl derBevölkerung zu stärken und damitAnreize für die Entwaffnung zu bieten.Ein Beispiel für ein Programm dieserArt ist das Pilotprogramm von UNDPin der albanischen ProvinzstadtGramsh.

Von grundsätzlicher Bedeutung für denErfolg dieser Programme ist ein erfolgrei-cher Friedensprozess. Wo eine oder meh-rere Konfliktparteien mit dem Ergebnis vonFriedensverhandlungen nicht zufrieden istoder den internationalen Vermittlern nichtzutraut, sie bei einer erneuten Eskalationzu schützen, sind Waffeneinsammlungs-

nationale Friedenstruppe, entwaffnet.Ein Beispiel aus dem September 2001ist der Einsatz der multinationalen TaskForce Harvest zur Entwaffnung der al-banischen Rebellen in der ehemaligenjugoslawischen Teilrepublik Mazedo-nien. Der Nachteil dieser Methode be-steht darin, dass die zu entwaffnendePartei außer dem – möglicherweisevagen – Versprechen auf eine bessereZukunft keinen Gegenwert für ihreWaffen erhält. So werden vielfach Waf-fen zurückbehalten, um bei einer erneu-ten Eskalation des Konfliktes nichtschutzlos zu sein. Auch bevorzugen eseinzelne Kämpfer häufig, ihre Waffenan Dritte zu verkaufen statt abzugeben.

� Rückkaufprogramme:Diese Programme bieten einen be-stimmten Geldbetrag oder auch Nah-rungsmittel, Werkzeuge oder Wieder-eingliederungshilfen im Tausch für eineWaffe. Waffenrückkaufprogrammewurden zuerst in amerikanischen Groß-städten von der Polizei eingesetzt, umdie Anzahl der illegalen Waffen auf demMarkt zu verringern. Normalerweisebleibt der Besitzer der Waffe anonymund hat so die Gelegenheit, sich vonseiner Waffe zu trennen, ohne eineStrafverfolgung wegen illegalen Waf-fenbesitzes fürchten zu müssen. DerNachteil dieser Methode, die auch vonden Vereinten Nationen bei Friedens-einsätzen angewandt wurde, liegt dar-in, dass häufig nur alte oder funktions-unfähige Waffen abgegeben werden,während die besseren Waffen in Krisen-regionen zurückbehalten oder für einenhöheren Preis auf dem Schwarzmarkt

programme reine Augenwischerei. So exi-stieren trotz der Bemühungen von KFORund Vereinten Nationen im Kosovo wei-terhin substantielle Waffenbestände, dasowohl Serben als auch Albaner mit demmomentanen Status Quo unzufrieden sindund für den Fall des Abzuges der interna-tionalen Gemeinschaft mit neuen Konflik-ten rechnen.

Auch gab es in der Vergangenheit Konflik-te, bei denen die internationale Friedens-truppe nicht als unparteiisch angesehenwurde oder die örtliche Bevölkerung dieAufrechterhaltung von Sicherheit und Ord-nung durch sie nicht für gewährleistet hielt.So galt die westafrikanische „Friedens-truppe” ECOMOG während des liberiani-schen Bürgerkrieges weniger als neutralerDritter, denn selbst als kriegsführende Par-tei, und die KFOR hatte zumindest zu Be-ginn ihrer Mission nicht das Vertrauen derKosovo-Serben.

Neben den Aktivitäten der internationalenOrganisationen bestehen zahlreiche lokaleAbrüstungsinitiativen von Gruppen derZivilgesellschaft, die mit geringen Mittelnzum Teil erstaunliche Erfolge bei der Auf-klärungsarbeit, aber auch bei der Einsamm-lung von Kleinwaffen verbuchen können.Ein Beispiel hierfür ist die lokale „Goodsfor Guns” Kampagne in El Salvador, dievon einem Bündnis aus Kirchenvertreternund Geschäftsleuten getragen wird.

Über die Einsammlung und Vernichtungvon Kleinwaffen hinaus gibt es eine Reihevon flankierenden Aktionsfeldern für dieEntwicklungszusammenarbeit auf demGebiet der Konfliktprävention.

10. Praktische Abrüstungsinitiativen -eine Aufgabe auch für die Entwicklungszusammenarbeit

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� Demobilisierung und Reintegrationvon ehemaligen Kämpfern:Projekte zur Demobilisierung könnendazu beitragen, gesellschaftlicheKonfliktpotentiale, die durch die Rück-kehr von Kämpfern entstehen, zu be-grenzen. Ohne ein umfassendes Hilfs-angebot, das neben materieller Hilfeauch Ausbildungs- und psychologischeAngebote umfassen sollte, besteht dasRisiko, dass ehemalige Kämpfer ohneZukunftsperspektive sich wiederbewaffneten Gruppen anschließen.Waffeneinsammlungsprogramme ohneDemobilisierungskomponente sind da-her fragwürdig.

� Aufklärung und Bekämpfung von„Gewaltkulturen”:In vielen Gesellschaften, etwa in Afri-ka, aber auch zum Beispiel auf demBalkan, hat Waffenbesitz eine wichti-ge soziale Funktion. Hier kann eine ge-zielte Aufklärungsstrategie ansetzen,die über die Gefahren von Waffenbe-sitz aufklärt und für gewaltfreie Kon-fliktlösungsstrategien wirbt. Der Zivil-gesellschaft kommt dabei eine wichti-ge Rolle zu.

� Demokratisierung von Polizei und Mi-litär (Reform des Sicherheitssektors):Eine Grundbedingung für die erfolg-reiche Durchführung von Waffenein-sammlungsprojekten besteht darin,dass die Bürger Vertrauen in die Fä-higkeit und den Willen der Ordnungs-kräfte haben, ihre Sicherheit zu garan-tieren. Hier können Projekte zur Re-form des Sicherheitssektors eine wich-tige Rolle spielen. Das Ziel besteht dar-

So ist Thomas Gebauer, dem Geschäfts-führer von Medico International und Mit-initiator der mit dem Friedensnobelpreisausgezeichneten Landminenkampagne, zu-zustimmen, wenn er feststellt, dass letzt-lich nicht „vagabundierende Kalaschni-kows das Problem sind, sondern die so-zialen Verhältnisse”. Die Konfliktursachenhaben zumeist tiefere wirtschaftliche, reli-giöse und politische Wurzeln, und die leich-te Verfügbarkeit von modernen Schuss-waffen führt lediglich dazu, dass Konflik-te, die noch vor einem halben Jahrhundertnur einige Verletzte gefordert hätten, jetztHunderten das Leben kosten. Eine nach-haltige Friedenskonsolidierung muss aufein Bündel von Maßnahmen zurückgrei-fen, das die „technische” Entwaffnungebenso umfasst wie die Bekämpfung derKonfliktursachen.

Außerhalb des engeren Bereiches derEntwicklungszusammenarbeit gibt es eineReihe von politischen Forderungen zurKontrolle des Kleinwaffenproblems. Ne-ben der raschen Umsetzung der magerenBeschlüsse der New Yorker Kleinwaffen-konferenz liegt es nun an den europäischenRegierungen, selbst aktiv zu werden. Sowird zur Zeit die Kontrolle von Munitionweitgehend aus der Diskussion ausgeklam-mert, obwohl sich hier ein Ansatzpunkt füreine effektivere Rüstungskontrolle findenlassen könnte. Auch gilt es, die Ausbrei-tung von „Gewaltökonomien” zu stoppen,indem Wirtschaftssanktionen ernster ge-nommen und gezielter eingesetzt werden.Auch sollte die Unterstützung von bewaff-neten Gruppen durch die Diaspora etwaim Falle des Kosovo Konfliktes oder in SriLanka stärkere Aufmerksamkeit finden.

in, für eine größere Transparenz in denSicherheitskräften zu sorgen, die Be-achtung von Menschenrechten und diezivile Kontrolle von Polizei und Mili-tär sicherzustellen.

Auch wenn das öffentliche Interesse aneiner praktischen Bekämpfung des Klein-waffenproblems gestiegen ist, ist die un-kontrollierte Verbreitung von Kleinwaffenan sich nicht der Grund für die Vielzahlvon Konflikten. Die Nachfrage nach Klein-waffen ist letztlich nur ein Symptom.

Auch wenn das Thema Kleinwaffen-kontrolle im Vergleich zur Landminen-problematik komplexer ist, da sich die po-litischen Forderungen nicht auf ein schlich-tes Produktions- und Exportverbot bezie-hen können, ist es notwendig, öffentlichenDruck auf die Regierungen auszuüben,möglichst umfassende Massnahmen zurEindämmung des Missbrauch von Klein-waffen und des illegalen Handels durch-zuführen.

Eine Grundvoraussetzung für eine erfolg-reiche Abrüstungspolitik in den Entwick-lungsländern besteht darin, die Nachfrage-mechanismen besser zu verstehen. Diedeutsche Entwicklungszusammenarbeitleistet hier einen Beitrag mit dem SmallArms in the Horn of Africa (SALIGAD)Projekt, das vom Bonner Konversions-zentrum (BICC) mit Unterstützung derGTZ und von Brot für die Welt durchge-führt wird. Das Projekt, das von Nairobiaus die Region Nordostafrika betreut, bie-tet ein regionales Diskussionsforum fürRegierungen und Nichtregierungsorga-nisationen zur Kleinwaffenkontrolle unduntersucht die sozialen und ökonomischenDimensionen des Kleinwaffenbesitzes.Forschungsarbeiten haben unter anderengezeigt, wie sich die Einführung von mo-dernen Schnellfeuerwaffen auf die tradi-tionelle Praxis des Viehdiebstahls ausge-wirkt hat und welche Rolle Waffenbesitzfür die soziale Stellung von Männern intraditionellen Gesellschaften hat.

Waffenbesitz verstehen –das SALIGAD Projekt

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Die Gemeinsame Konferenz Kirche undEntwicklung (GKKE) hat in einem Kapi-tel ihres Rüstungsexportberichts 20011 dieKleinwaffenproblematik dargestellt undpolitische Forderungen entwickelt, die wirim Folgenden in Auszügen darstellen:

Die internationalen Aktivitäten, den illega-len Handel mit Kleinwaffen einzudämmen,wenn nicht zu unterbinden, haben in gro-ben Zügen die Landminen-Konventionzum Vorbild, die im Jahr 1997 geschlos-sen worden war. Deren Erfolg hatte sichjedoch in Verhandlungen eingestellt, dieaußerhalb des UN-Rahmens geführt wor-den waren. Allerdings stellt sich dieKleinwaffenproblematik komplizierter alsdas Landminen-Problem dar. Zwar warenauch hier Fragen des Völkerrechts, derEntwicklungspolitik und der Rüstungs-exportpolitik miteinander verbunden, zu-gleich ging es aber auch um den wie auchimmer umstrittenen legitimen Nutzen vonKleinwaffen für Militär und Polizei. Auchwar von vornherein klar, dass nicht einVerbot von Kleinwaffen auf der Tagesord-nung stand, sondern nur das Bemühen umeine effizientere Kontrolle. Das anvisierteAktionsprogramm zielt allein auf den ille-galen Gebrauch militärgenutzter Waffenund lässt eine verschärfte Kontrolle vonWaffen in Privatbesitz außer Acht. Dadurchsoll verhindert werden, die internen Sicher-heitsbelange von Staaten, die ja die Ver-handlungen führen, zu thematisieren - eineverhängnisvolle Engführung, ist doch be-kannt, dass die Mehrzahl der illegal gehan-delten Kleinwaffen einmal ihr „Leben“ alslegale Waffen begonnen hat.

(2) Das für Westafrika gültige Moratori-um, Kleinwaffen herzustellen oder zuimportieren, ist um drei weitere Jahreverlängert worden. Außerdem gibt eseine Reihe von regional wirksamenKontrollregimen:- Die Organisation AmerikanischerStaaten (OAS) hat sich bereits 1998auf eine Konvention gegen die illegaleHerstellung von und den illegalen Han-del mit Schusswaffen, Munition und an-deren Explosivkörpern verständigt, ge-meinsame Lizensierungsverfahren fest-gelegt und die Markierung der Waffenbei ihrer Produktion vorgeschrieben.- Die Südafrikanische Entwicklungsge-meinschaft (SADEC) organisiert eineregionale Zusammenarbeit, um über-schüssige Waffen zu zerstören, den pri-vaten Waffenbesitz strenger zu überwa-chen und den Waffenhandel zu kontrol-lieren. - Im Jahr 2000 sind mit der „NairobiDeclaration on the Problem of the Pro-liferation of Illicit Small Arms and LightWeapons in the Great Lake Region andthe Horn of Africa“ Schritte verabre-det worden, den Ursachen für die hoheNachfrage nach Waffen dieser Art zubegegnen.

(3) Die deutsche Seite wirbt für ihr Pro-gramm mit den Erfahrungen, die dieBundeswehr mit der Verschrottungüberzähliger Waffen aus eigenen Be-ständen und mit Entwaffnungspro-grammen auf dem Balkan, insbeson-dere im Kosovo gemacht hatte. DasBundesverteidigungsministerium hatbis zum Ende des Jahres 2000 über einehalbe Million Maschinenpistolen und

11. Politische Forderungen zur Begrenzung des Handels und desMissbrauchs von Kleinwaffen

Die auf UN-Ebene mit einem Aktionspro-gramm zu erreichenden Ergebnisse habennicht den Charakter von rechtlich binden-den Regelungen. Eine solche Lösung hatjedoch den Vorteil, dass sie sofort umge-setzt werden kann und in ihrer Realisierungnicht davon abhängig ist, dass alle willigenStaaten einen bisweilen langwierigen Rati-fizierungsprozess zum Abschluss bringen.

Die deutsche Regierung hat in den vorbe-reitenden Verhandlungen zunächst inner-halb der EU-Mitgliedsstaaten und dann imOSZE-Rahmen übereinstimmende Positio-nen angestrebt. Dies hatte zur Folge, dassdie EU-Staaten ihrerseits koalitionsfähigmit anderen Staaten und Staatengruppen(OSZE, ohne USA - Afrika, ohne Libyen,Algerien und Ägypten - Lateinamerika -vier asiatische Staaten - Australien) waren,denen ebenfalls an einem restriktiven Kursgelegen war.

(1) Insgesamt zeigte sich jedoch, dassselbst die am meisten geschädigtenStaaten nur in dem Maße auf Abhilfedrangen, in dem sie mit zusätzlicher fi-nanzieller Entwicklungshilfe rechnenkonnten (afrikanische Staaten) oderhier einen Hebel sahen, die Lieferungan die organisierte Kriminalität in ihrerRegion zu unterbinden (Lateiname-rika). Ein tatsächliches Interesse an Ab-rüstung und Konfliktprävention war nurbei den Staaten vorhanden, die bereitsfinanziell unterstützt werden oder Teilvon Demobilisierungs- und Konver-sionsprogrammen sind (Mali, Kambod-scha).

Gewehre aus deutschen Beständen ver-schrottet. Für die kommenden Jahre istgeplant, weitere Bestände an überzäh-ligen Kleinwaffen - ca. 50.000 Maschi-nenpistolen und 400.000 Sturmgeweh-re - zu vernichten. Diese Maßnahmenund Absichten lassen sich so interpre-tieren, dass man deutscherseits aus dennegativen Erfahrungen mit der Demo-bilisierung der Nationalen Volksarmeeder DDR Anfang der neunziger Jahregelernt hat, als viele Waffen in unbe-fugte Hände geraten sind und an aktu-ellen Kriegsschauplätzen der Welt wie-der auftauchten.

Gleichzeitig sieht sich Deutschland immerwieder mit dem Problem konfrontiert, dasG-3 Gewehre, die inzwischen in vielenLändern mit und ohne Lizenz gefertigtwerden, darstellen: Droht eine ähnlicheGefahr, wenn die Hersteller des modernenSturmgewehrs vom Typ G 36, mit dem dieBundeswehr zum Teil schon ausgerüstetist, versuchen werden, den Verkauf diesermodernen Waffen über die deutschen Gren-zen hinaus zu forcieren ?

Angesichts der umrissenen Problemlagetauchten schon im Vorfeld der UN-Kon-ferenz eine Reihe von Fragen auf:

➤ Ist es möglich, sich darauf zu verstän-digen, alle gelieferten Waffen so zukennzeichnen, dass die Markierungendie Lebensdauer der Waffe lang haltenund damit eine eindeutige Identifizie-rung der Lieferanten möglich ist ?

➤ Welche Möglichkeiten bestehen, dieHandelswege zu kontrollieren, indem

1 Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), Rüstungsexportbericht 2001 der GKKE, vorgelegt von derGKKE-Fachgruppe Rüstungsexporte, GKKE-Schriftenreihe 28, Bonn/Berlin 2001

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die Vermarktung überwacht und Wer-bung wie Messen eingeschränkt wer-den ?

➤ Wird in das Aktionsprogramm auch dieMunition einbezogen ?

➤ Erweist sich die im Verhandlungsprofildeutliche Begrenzung auf militärge-nutzte Waffen als sinnvoll angesichtsder Tatsache, dass in der Praxis dieUnterscheidung zwischen diesen undanderweitig genutzten Waffen irrele-vant ist ?

(1) Das bei der UN-Kleinwaffenkonferenzim Juli des Jahres 2001 erzielte Ergeb-nis ist letztlich auch noch hinter denohnehin reduzierten Erwartungenzurückgeblieben. Vor allem am Druckder US-Delegation hat es gelegen, dassdas verabschiedete Programm keinenVerweis mehr auf den unzulässigen pri-vaten Besitz von militärisch nutzbarenKleinwaffen enthält und darauf verzich-tet, den Verkauf von Waffen an nicht-staatliche Empfänger („non-stateactors“) zu verbieten. Die US-Positi-on stützte sich auf das Argument, dassman keinem Programm zustimmenkönne, das das durch die Verfassunggesicherte Recht eines jeden amerika-nische Bürgers verletze oder beschrän-ke, Waffen zu tragen und mit Mittelnaller Art, darunter auch Waffen, ille-gitime Herrscher zu beseitigen. Die ri-gide US-amerikanische Haltung über-deckte ähnlich gerichtete Widerständevon Russland, China und osteuropäi-schen sowie arabischen Staaten.

Nachfrage nach solchen Waffen wirk-sam einzudämmen.

(2) In der politisch-gesellschaftlichen Rea-lität vieler Entwicklungsländer, derenSicherheit und Wohlergehen durchlanganhaltende interne bewaffneteKonflikte erschüttert werden, mangeltes an einem funktionsfähigen Gewalt-monopol und an einer dieses stützen-den Rechtsstaatlichkeit. Beides ist aberVoraussetzung dafür, die Verbreitungvon Kleinwaffen zu bändigen, Demo-bilisierungs- und Entwaffnungspro-gramme einzuleiten, der Käuflichkeitvon Sicherheit entgegenzuwirken undumfassende „menschliche Sicherheit“herzustellen. Das bisherige Beharrenauf der Unterscheidung zwischen mili-tärisch relevanten und privat genutztenKleinwaffen ist eher dazu geeignet, vor-handene Gewaltverhältnisse festzu-schreiben und das Kriegstreiben wei-ter zu nähren.

(3) Eine Konzentration allein auf die Waf-fen verdrängt die Kontrolle von Fak-toren, die deren Wirksamkeit erst er-möglichen, vor allem im Blick auf dieMunition: So kann eine Waffe überdreißig Jahre und länger gebrauchtwerden, aber die Munition wird jedesMal neu verschossen und muss fortlau-fend nachgeliefert werden. Insofernsollten sowohl Anlagen zu deren Her-stellung als auch Wege zu deren An-lieferung mit in Kontrollregime einbe-zogen werden. In diesem Zusam-menhang verdient auch die Vergabevon Lizenzen, deren Laufzeiten undÜberprüfung Aufmerksamkeit, wenn

verhindert werden soll, dass irgend-wann Soldaten oder Staatsbürger mitWaffen beschossen werden, die ausderen Heimatland stammen.

(4) Der erlaubte wie verbotene Handel mitWaffen stützt sich auf ein weitgefächer-tes Netz von Zulieferern, Vermittlernund Finanzmaklern sowie der elektro-nischen Kommunikationsmöglich-keiten. Die Enden der Fäden eines sol-ches Netzes finden sich oft genug inIndustriestaaten, wo Werbung, Publi-zistik und Messen für einen legalen An-strich auch unerlaubter Geschäfte sor-gen, abgesehen von den Gelegenheitender Geldwäsche. Hier wären Strafver-folgung, Zollbehörden und Gerichte zuentsprechendem Handeln aufgerufenund mit Mitteln auszustatten, vorhan-denen Gesetzen Nachdruck zu verlei-hen oder bestehende Eingriffsmöglich-keiten zu nutzen.

(5) Abgesehen von diesen Vorschlägen, dieauf eine grundsätzliche Umorientierungder Export- und Handelspraxis zielen,sind von Fachleuten und Nicht-Regie-rungsorganisationen weitere Ideen insSpiel gebracht worden:

- Um dem verbreiteten Missbrauch vonEmpfängerzertifikaten entgegenzuwir-ken, wird angeregt, die Lieferanten fürdie Abwicklung eines ordnungsgemä-ßen Transfers verantwortlich zu ma-chen. Die Hinterlegung eines „Trans-aktionsdepots“ in Höhe des transferier-ten Geschäftsvolumens würde zumin-dest davor schützen, dass ausgeführteWaffen bereits auf dem Weg zu demgenannten Empfänger abhanden kom-

(2) Das verabschiedete, aber nicht recht-lich bindende Aktionsprogramm ver-pflichtet die Staaten, die Ausfuhr derWaffen zu überwachen, den Waffenher-stellern Regeln für die Verbreitung zusetzen und Daten über die Exporte zusammeln. Zudem werden die Staatenaufgerufen, für eine eindeutige Kenn-zeichnung der Waffen zu sorgen, um ih-ren Ursprung identifizieren zu können.Außerdem sind die mitwirkenden Staa-ten aufgefordert, überschüssige eigeneWaffen zu vernichten und deren uner-laubte Produktion und Vermarktungunter Strafe zu stellen. Spätestens imJahr 2006 soll eine Folgekonferenz ab-gehalten werden, um die Wirksamkeitder getroffenen Verabredungen zuüberprüfen.

Angesichts des - gemessen am Wissenüber die verhängnisvollen Folgen der„Kleinwaffenplage“ - bescheidenen Er-gebnisses der UN-Kleinwaffen-Konfe-renz bleiben folgende Probleme auf derAgenda:

(1) Im Blick auf ein wirksames Vorgehengegen die ungesteuerte Verbreitung undNutzung von Kleinwaffen sind Bemü-hungen geboten, die darin verwickelteinternational operierende Kriminalitätkonsequent zu bekämpfen - siehe diejüngst aufgedeckten Verbindungen zwi-schen der nordirischen IRA, der baski-schen ETA und der kolumbianischenFARC. Der rüstungskontrollpolitischeAnsatz muß mit entwicklungspoli-tischen Aktivitäten und einer effizien-ten, staatenübergreifenden Verbre-chensbekämpfung einhergehen, um die

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men, denn das Depot würde erst dannzurückerstattet, wenn die Waffen tat-sächlich und überprüfbar in den Besitzdes genannten Adressaten überge-gangen sind.

- Die Logistik der schwarzen Waffen-märkte vor allem bei der Munitions-versorgung würde einen Schlag erhal-ten, wenn es gelänge, internationaleNormen über zulässige Kaliber zu ver-einbaren. Dadurch ließe sich die legali-stische Unterscheidung zwischen Waf-fen, die zur Wahrnehmung hoheitlicherAufgaben durch Streitkräfte und Poli-zei genutzt werden, und jenen, die fürden Privatbesitz bestimmt sind, mate-rialisieren.

- Um den Missbrauch der Waffen imBesitz von Privatpersonen einzuschrän-ken, bietet es sich an, die Waffen mitabsolut personenbezogenen Sicher-heitsvorrichtungen zu versehen.

- Staaten mit einem funktionsfähigenVersicherungswesen können beimVerkauf von Waffen verlangen, dass derKäufer eine entsprechende Haft-pflichtversicherung abschließt, oderden Waffenhandel mit einer besonderenSteuer belegen.

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