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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. BAND 3b ZEITSCHRIFT FÜR NATURFORSCHUNG HEFT 9/10 Flüssige Kristalle und ebener IVlolekülbau V o n CHRISTIAN WIEGAND u n d ERICH MERKEL Aus den Farbenfabriken Bayer, Wuppertal-Elberfeld (Z. Naturforschg. 3 b, 313—314 [1948]; eingegangen am 22. Oktober 1948) Es wird auf eine Erweiterung der Vorstellungen von D. V o r l ä n d e r über den Mole- külbau flüssiger Kristalle hingewiesen, die sich durch die Einbeziehung der Betrach- tung der ebenen Anordnung dieser Moleküle ergibt. I n den Arbeiten von Vorländer 1 wurde ge- zeigt, daß für das Auftreten flüssiger Kristall- formen der geradlinige, langgestreckte Molekül- bau eine wesentliche Voraussetzung ist. Ihr ent- sprechend zeigten geeignete Derivate des Di- phenyls, Azobenzols, Azoxybenzols, Dibenzyls, Zrans-Stilbens, Benzalanilins u. a. m. kristallin- flüssige Formen. Diese fehlten dagegen bei den Derivaten des Diphenylmethans, Diphenyloxyds u. ä., in welchen die Achsen der beiden Phenyl- gruppen einen Winkel bilden und somit dem Mole- kül eine gewinkelte Gestalt aufzwingen 2 . Die Bildung flüssiger Krjstalle bei cis,trans- Isomeren wurde erstmalig von Stornier 3 unter- sucht, der am Beispiel der 4-Methoxy-zimtsäure feststellen konnte, daß die trans -Verbindung enantiotrop kristallin-flüssig auftritt, dagegen nicht die m-Form. Auch in diesem Fall konnte Vorländer das abweichende Verhalten der cis- Säure mit der winkelförmigen Gestalt derselben erklären. Nicht vereinbar mit Vorländers Ansicht ist u.a. das Auftreten kristallin-flüssiger Formen beim Dianisal-cyclopentanon 4 , bei dem die Achsen der beiden Anisaireste wie aus Stuart-Modellen hervorgeht — einen stumpfen Winkel bilden, was durch folgende Formel wiedergegeben sei: CH2-CH 2 xrY^o VW £.0 Auch das Acetyl-cholesterin (II), bei dem Reinitzer 5 erstmals das Auftreten kristallin- 1 D. V o r l ä n d e r , Chemische Kristallographie der Flüssigkeiten, Leipzig 1924. 2 D. Vorländer 1 , S. 15. 3 S t ü r m e r , Ber. dtsch. chem. Ges. 44, 639 [1911]. flüssiger Formen entdeckte, kann wohl nicht als geradliniges Molekül aufgefaßt werden: CH, I XH H,C CH-CH 2 -CH 2 -CH 2 -C< 3 1 CH. Es müssen deshalb für die Möglichkeit des Auf- tretens kristallin-flüssiger Phasen noch andere Bedingungen erfüllt sein, als sie Vorländer an- nahm. Das Ergebnis seiner Untersuchungen der Arylidenringketone faßt Vorländer 6 mit fol- genden Worten zusammen: „Aus dem Vergleich der Arylidenringketone mit den nicht ringförmi- gen a-ungesättigten Ketonen, welche nicht oder höchst selten kristallin-flüssig auftreten, ergibt sich, daß der Ring die kristallin-flüssigen Eigen- schaften steigert, und zwar wirkt der Sechsring stärker als der Fünfring. Das Dianisal-cyclo- heptanon ist nicht kristallin-flüssig." Dieses Verhalten der Aryliden-Ketone steht in völliger Übereinstimmung mit dem optischen Ver- halten der Ketone. Wie wir gefunden haben 7 , be- sitzt das UV-Absorptionsspektrum des Cyclo- pentanons und Cyclohexanons „Feinstruktur" in Hexan, dagegen fehlt diese Feinstruktur bei Di- rc-propylketon und Cycloheptanon. Wir ziehen hieraus den Schluß, daß für die Ausbildung kri- stallin-flüssig er Formen neben dem geradlinig- gestreckten Bau der vorwiegend ebene eine wesentliche Rolle spielt. Ebenso verhalten sich eis,trans-Verbindungen. [i9 ; D . V o r l ä n d e r , Ber. dtsch. chem. Ges. 54, 2261 5 R e i n i t z e r , Mh. Chem. 9, 421 [1888]. 6 D. V o r l ä n d e r , Ber. dtsch. chem. Ges. 54 2264 [1921]. 7 E. M e r k e 1 u. Ch. W i e g a n d, Naturwiss. 34, 122 [1947].

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

B A N D 3b Z E I T S C H R I F T F Ü R N A T U R F O R S C H U N G H E F T 9/10

Flüssige Kristalle und ebener IVlolekülbau V o n CHRISTIAN WIEGAND u n d ERICH MERKEL

Aus den Farbenfabriken Bayer, Wuppertal-Elberfeld (Z. Na tu r fo r schg . 3 b, 313—314 [1948]; e ingegangen am 22. Oktober 1948)

Es wird auf eine Erweiterung der Vorstellungen von D. V o r l ä n d e r über den Mole-külbau flüssiger Kristalle hingewiesen, die sich durch die Einbeziehung der Betrach-tung der ebenen Anordnung dieser Moleküle ergibt.

In den Arbeiten von V o r l ä n d e r 1 wurde ge-zeigt, daß für das Auftreten f lüssiger Kristall-

formen der geradlinige, langgestreckte Molekül-bau eine wesentl iche Vorausse tzung ist. Ihr ent-sprechend zeigten geeignete Derivate des Di-phenyls , Azobenzols , Azoxybenzols , Dibenzyls , Zrans-Stilbens, Benzalani l ins u. a. m. kristall in-f lüss ige Formen. Diese fehlten dagegen bei den Derivaten des Diphenylmethans, D ipheny loxyds u. ä., in welchen die Achsen der beiden Phenyl-gruppen einen Winkel bilden und somit dem Mole-kül eine gewinkelte Gestalt aufzwingen 2 .

D ie B i ldung flüssiger Krjstalle bei cis,trans-Isomeren wurde erstmalig von S t o r n i e r 3 unter-sucht, der am Beispiel der 4-Methoxy-zimtsäure feststel len konnte , daß die trans -Verbindung enantiotrop kr is ta l l in- f lüss ig auftritt, dagegen nicht die m - F o r m . Auch in diesem Fal l konnte Vorländer das abweichende Verhalten der cis-Säure mit der winkel förmigen Gestalt derselben erklären.

Nicht vereinbar mit Vorländers Ansicht ist u .a . das Auftreten kristall in-flüssiger Formen beim Dianisal -cyclopentanon 4 , bei dem die Achsen der beiden Anisa ireste — wie aus Stuart-Modellen hervorgeht — einen stumpfen Winkel bilden, w a s durch folgende Formel wiedergegeben sei:

CH2-CH2

x r Y ^ o VW £.0

A u c h das Acetyl-cholesterin ( I I ) , bei dem R e i n i t z e r 5 erstmals das Auftreten kristall in-

1 D. V o r l ä n d e r , Chemische Kristallographie der Flüssigkeiten, Leipzig 1924.

2 D. V o r l ä n d e r 1 , S. 15. 3 S t ü r m e r , Ber. dtsch. chem. Ges. 44, 639 [1911].

f lüssiger Formen entdeckte, kann wohl nicht als geradl iniges Molekül aufgefaßt werden:

C H , I XH

H,C C H - C H 2 - C H 2 - C H 2 - C < 3 1 CH.

E s müssen deshalb für die Möglichkeit des Auf -tretens kristal l in-f lüss iger P h a s e n noch andere Bedingungen erfüllt sein, als sie Vorländer an-nahm. D a s Ergebnis seiner Untersuchungen der Aryl idenringketone faßt V o r l ä n d e r 6 mit fol-genden Worten zusammen: „ A u s dem Vergleich der Aryl idenringketone mit den nicht ringförmi-gen a-ungesättigten Ketonen, welche nicht oder höchst selten kristal l in-f lüssig auftreten, ergibt sich, daß der Ring die kristal l in-f lüssigen Eigen-schaften steigert, und zwar wirkt der Sechsring stärker als der Fünfr ing . D a s Dianisal-cyclo-heptanon ist nicht kristal l in-f lüssig."

Dieses Verhalten der Aryl iden-Ketone steht in völl iger Übereinst immung mit dem optischen Ver-halten der Ketone. W i e wir gefunden haben 7 , be-sitzt das UV-Absorpt ionsspektrum des Cyclo-pentanons und Cyc lohexanons „Feinstruktur" in Hexan, dagegen fehlt diese Feinstruktur bei Di-rc-propylketon und Cycloheptanon. Wir ziehen hieraus den Schluß, daß für die Ausbildung kri-stallin-flüssig er Formen neben dem geradlinig-gestreckten Bau der vorwiegend ebene eine wesentliche Rolle spielt.

Ebenso verhalten sich eis,trans-Verbindungen.

[ i 9 ; D . V o r l ä n d e r , Ber. dtsch. chem. Ges. 54, 2261 5 R e i n i t z e r , Mh. Chem. 9, 421 [1888]. 6 D. V o r l ä n d e r , Ber. dtsch. chem. Ges. 54 2264

[1921]. 7 E. M e r k e 1 u. Ch. W i e g a n d, Naturwiss. 34, 122

[1947].

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Am Beispiel des trans-Stilbens konnten wir mit Hilfe der UV-Absorpt ion nachweisen 8 , daß die beiden Benzolkerne der trans-Verbindung mit der Äthylenbindung gemeinsam in einer Efiene liegen, was beim cis-Stilben nicht der Fa l l ist. D ie glei-chen Verhältnisse finden s ich bei den bereits er-wähnten Zimtsäuren wieder. D ie jewei l s ebenen Moleküle bilden kristal l in-f lüssige Formen.

Beim Diphenyl 9 , dessen Substitutionsprodukte, wie e ingangs erwähnt, kristal l in-f lüssige Phasen besitzen können, fanden wir, daß sein Molekül in L ö s u n g nicht plan gebaut ist, sondern daß die beiden Benzolr inge aus einer gemeinsamen Ebene herausgedreht sind. Im kristal l is ierten Zustand jedoch stellen sich beide Ringe wieder in eine ge-meinsame Ebene ein, wodurch der plane B a u her-gestellt wird.

8 Ch. W i e g a n d u. E. M e r k e l 7 , ferner Liebigs Ann. Chem. 557, 242 [1947].

9 E. M e r k e 1 u. Ch. W i e g a n d, Z. Naturforschg. 8b, 93 [1948].

10 Ch. W i e g a n d u. E. M e r k e l , Med. u. Chem. 4, 585 [1942].

11 D. V o r l ä n d e r 1 , S. 21.

F ü r das 2-Phenyl-benzothiazol ( I I I ) ,

JE

JV

das die Muttersubstanz des Dehydro-thiotoluidins darstellt, konnten wir mit Hilfe der UV-Absorpt ion einen ebenen Bau nachweisen1 0 . Übereinstimmend hiermit ze'gt das Anisal-dehydro-thiotoluidin ( I V ) das Auftreten einer kristall in-flüssigen Phase 1 1 .

D a ß neben dem ebenen Bau die Flüge lgruppen der Moleküle noch einen bestimmenden Einf luß auf das Auftreten kristall in-flüssiger Phasen aus-üben, konnten C. W e y g a n d u. Mitarbb.12 in ausgedehnten Experimentalarbeiten nachweisen.

12 C. W e y g a n d , Chemische Morphologie der Flüs-sigkeiten und Kristalle, in Eucken-Wolff, Hand- und Jahrbuch der chemischen Physik, Bd. 2, Abschn. III C, Leipzig 1941.

Ober die mögliche Beteiligung der Formaldehyd-Olefin-Reaktion am stofflichen Aufbau der Pflanzen

V o n SIGURD OLS^N

Aus dem Chemischen Institut der Universität Göttingen* (Z. N a t u r f o r s c h g . 3 b, 314—320 [1948]; e i n g e g a n g e n .am 6. A u g u s t 1948)

Es wird der aufbauende Charakter der säurekatalysierten Formaldehyd Olefin-Reaktion am Cyclohexen und Äthylen veranschaulicht und das Bauprinzip dieser Reaktion speku-lativ auf einige in der Pflanze vorkommende oder möglicherweise vorkommende Olefin-bzw. Diolefin-Derivate übertragen. Hierbei gelangt man oft unmittelbar zu Formel-bildern von Verbindungen, die als Vorstufen pflanzlicher Inhaltsstoffe angesehen wer-den können. Dieses wird an einigen theoretischen Beispielen erläutert.

Die F r a g e nach der Möglichkeit einer Beteili-gung der Formaldehyd-Olef in-Reaktion an

synthetischen Prozes sen in der Pf lanze ist eng verknüpft mit dem alten Problem, ob Formaldehyd überhaupt in Pf lanzen vorkommt, ganz abgesehen von der Rolle, die A d o l f v. B a e y e r 1 diesem bei der Ass imi lat ion zugeschrieben hat. Bekanntl ich ist schon durch die krit ischen Studien H. und A. v. E u l e r s 2 , mehr aber noch nach den Ver-suchen von F i n c k e 3 , der gezeigt hat, daß fri-

* Neue Anschrift: Universitetets Kjemiske Institutt, Blindem pr. Oslo, Norwegen.

1 A. B a e y e r , Ber. dtsch. chem. Ges. 3, 67 [1870].

scher oder erhitzter Brei grüner und nicht grüner Pflanzenteile bei gewöhnl icher Tempera-tur und besonders beim Erhitzen Formaldehyd

zerstört" oder „bindet", das Auftreten freien Formaldehyds in Pflanzen wen ig wahrsche in l ich . Jedoch konnte es bis heute noch nicht ausge-schlossen werden, daß der Formaldehyd se ine Reaktionen mit Hil fe eines zunächst noch ver-borgenen Mechanismus entfaltet, der sich — viel-leicht infolge mangelnden experimentellen Mate-

2 H. u. A. v. E u l e r , Ark. Kern., Mineral. Geol. 1, 347 [1901]; Chem. Zbl. 1905 I, 911.

3 H. F i n c k e , Biochem. Z. 52, 214 [1913J.