ES HAJO KW52 02 - BVDA

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2 | REPORTAGE SONNABEND, 29. DEZEMBER 2012 www.elbe-wochenblatt.de t KINO CHARTS 1. Der Hobbit - Eine unerwartete Reise (1/l) 2. Pitch Perfekt (–/neu) 3. James Bond 007: Skyfall (3/l) 4. Breaking Dawn - Bis(s) zum Ende der Nacht - Teil 2 (2/t) 5. Jesus liebt mich (–/neu) 6. Ralph reicht's (4/t) 7. Sammys Abenteuer 2 (–/neu) 8. End of Watch (–/neu) 9. Die Hüter des Lichts (5/t) 10. Cloud Atlas (6/t) Quelle: cinema.de Stand: 27.12.2012 / Woche 52 t ALBEN 1. Rihanna: „Diamonds“ (1/l) 2. P!nk: „Try“ (7/s) 3. PSY: „Gangnam Style“ (2/t) 4. The Script feat. will.i.am: „Hall Of Fame“ (–/neu) 5. Alicia Keys: „Girl On Fire“ (6/s) 6. Adele: „Skyfall“ (3/t) 7. Rammstein: „Mein Herz brennt“ (–/neu) 8. Klangkarussell: „Sonnentanz“ (5/t) 9. Marteria, Yasha & Miss Platnum: „Lila Wolken“ (4/t) 10. Emeli Sandé: „Read All About It, Pt. III“ (8/t) Stand: 27.12.2012 / Woche 52 1. Michael Bublé: „Christmas (Deluxe Special Edition)“ (1/l) 2. David Garrett: „Music“ (11/s) 3. Led Zeppelin: „Unapologetic“ (3/l) 4. Bruno Mars: „Unorthodox Jukebox“ (–/neu) 5. Unheilig: „Lichter der Stadt“ (7/t) 6. Die Toten Hosen: „Ballast der Republik“ (8/t) 7. P!nk: „The Truth About Love“ (14/s) 8. The Rolling Stones: „Grr!“ (12/s) 9. AC/DC: „Live At River Plate“ (5/t) 10. Robbie Williams: „Take The Crown“ (10/l) Quelle: MTV.de t SINGLES Gefundenes Fressen Leben aus dem Müll: Unterwegs mit einem Containerer in Hamburg CH. V. SAVIGNY, HARBURG N achts, wenn alle Geschäfte geschlossen sind, geht Max Reinke (54) einkaufen. Sein Ziel sind die Abfalltonnen der Super- märkte in der Umgebung. Dort sammelt er weggeworfene Le- bensmittel ein, die noch essbar sind. Max ist Containerer. So nennt sich die Szene der selbst ernannten Resteverwerter, die sich dem Konsumkreislauf der Wegwerfgesellschaft verwei- gern. Manchmal aus purer Geld- not – meist jedoch aus Überzeu- gung. „Ich will etwas ändern“, sagt Max. Sein Ziel: „Wenn irgendwann mal nichts mehr weggeschmissen wird, dann ha- ben wir etwas erreicht.“ Ein Novemberabend irgendwo in Ham- burg. Max schiebt sein Fahrrad aus dem Haus, das mit einem selbst ge- bauten Lastenkorb bestückt ist. Am Lenker befin- det sich eine weiterer Fahrrad- korb, zu- sätzlich trägt der 54-Jährige einen Ruk- ksack auf dem Rück- en, in dem weitere Ta- Containern – ist das legal? Rechtlich gesehen gilt die Mitnahme von Lebensmitteln aus Containern als Diebstahl, jedoch wird sie nur in Aus- nahmefällen verfolgt. Steigt der Containerer jedoch über einen Zaun oder bricht gar ein Schloss auf, handelt es sich um (strafbaren) Haus- friedensbruch. In Österreich stellt Containern keine Straf- tat dar, da Müll als „herrenlo- se Sache“ gilt. CVS Der Autor dieser Zeilen beim Versuch, ein paar Würstchengläser aus dem Container zu angeln. schen parat liegen. Es ist 23 Uhr. „Vorher hat es keinen Zweck loszufahren“, erklärt Max. „Die Supermärkte machen zwar um 22 Uhr zu, aber das Personal geht eine Stunde später nach Hause.“ Vor vier Jahren hatte Max einen Arbeitsunfall, an- schließend bekam er keinen Job mehr. In der Folge lebte er von Hartz IV. „Mehr schlecht als recht“, sagt er. „Man kann da- von leben. Aber es ist auch ganz schön, wenn etwas übrigbleibt.“ Mit dem Rad geht es durch menschenleere Straßen. Erste Station: ein Aldi-Markt. Zielstre- big kurvt Max über den Park- platz und fährt eine Laderampe hinunter. An deren Ende stehen zwei einsame Plastikcontainer. Deckel auf – es stinkt. „Am An- fang musste ich mich echt überwinden, da reinzugrei- fen“, berichtet der Le- bensmittelsammler. In- zwischen hat er sich daran gewöhnt. Einmalhand- schuhe und ein sehr pro- fessionell aussehen- der Greifarm ma- chen das Rumwühlen im Dreck etwas er- träglicher. Die Ausbeute ist zunächst mager: ein paar schrumpelige Paprikaschoten, ein paar Netze mit angematschten Mandari- nen – das wars. Doch der nächs- te Supermarkt ein paar Straßen weiter ist gleich ein Volltreffer: Berge von Lauch, Tomaten, Möhren, Äpfeln und Orangen warten auf den Containerer– fast könnte man meinen, ein gut gefülltes Supermarktregal vor sich zu haben. „Wenn ein Stück Obst matschig ist, werfen sie gleich das ganze Netz weg“, er- klärt Max. Das sei offenbar billi- ger, als die Ware neu einzutü- ten. Auch die Eier sind noch in Ordnung: Was angeknackst ist, kommt wieder in die Tonne. Viele Lebensmittel, besonders Fertiggerichte, wandern bereits vor dem Ablaufdatum in den Müll. „Dabei kann man sie noch lange essen“, sagt Max. „Aber das wissen die wenigsten.“ Nach einer Untersuchung der Universität Stuttgart vom März 2012 werden in Deutschland pro Jahr rund elf Millionen Ton- nen Lebensmittel entsorgt. Ver- braucherschutzorganisationen fordern daher mehr Anreize für Verbraucher, Produkte zu kau- fen, deren Ablaufdatum kurz bevorsteht – etwa durch Preis- nachlässe. „Nur in zwei von elf Geschäften gab es effektive Maßnahmen zum Abverkauf von Lebensmitteln mit nahen- dem Mindesthaltbarkeitsda- tum“, berichtet Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg über einen „Markt- check“ des Instituts. Nach einem Fischzug wie heute lädt sich Max gerne Freunde ein, die mit ihm ge- meinsam Gemüse schnippeln. Gekocht wird dann zum Bei- spiel Soljanka, eine osteuropäi- sche Spezialität. „Total lecker“, schwärmt Max. Alles übrige wird eingemacht – oder ver- schenkt. Übrigens: Seit Kurzem gibt es sogar eine Internet- tauschbörse für Lebensmittel. Infos: www.foodsharing.de Eine Ladung Suppengrün mit ein paar kleinen Stellen – noch gut genug für eine Gemüsebrühe oder einen Eintopf. Gestern noch im Supermarktregal, heu- te im Müll: italienische Pasta, noch nicht abgelaufen. Wenn Bananen braun werden, heißt das, dass sie reif sind. Für Super- märkte heißt das: Ab in den Müll! Ist ein Teil kaputt, wird gleich die ganze Packung weggeschmissen: Äpfel im Sechser- pack.. Ablaufdatum: heute. Diese Eier kann man bedenkenlos verzehren. Als wäre es eine Gemüsetheke: Lauch und Salat im Container. Max Reinke prüft den Lauch: Nur die äußeren Blätter sind etwas angetrocknet. Fotos: cvs

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2 | REPORTAGE SONNABEND, 29. DEZEMBER 2012www.elbe-wochenblatt.de

t KINO CHARTS

1. Der Hobbit - Eine unerwartete Reise (1/l)

2. Pitch Perfekt (–/neu)

3. James Bond 007: Skyfall (3/l)

4. Breaking Dawn - Bis(s) zum Ende der Nacht - Teil 2 (2/t)

5. Jesus liebt mich (–/neu)

6. Ralph reicht's (4/t)

7. Sammys Abenteuer 2 (–/neu)

8. End of Watch (–/neu)

9. Die Hüter des Lichts (5/t)

10. Cloud Atlas (6/t)

Quelle: cinema.de Stand: 27.12.2012 / Woche 52

t ALBEN

1. Rihanna: „Diamonds“ (1/l)

2. P!nk: „Try“ (7/s)

3. PSY: „Gangnam Style“ (2/t)

4. The Script feat. will.i.am: „Hall Of Fame“ (–/neu)

5. Alicia Keys: „Girl On Fire“ (6/s)

6. Adele: „Skyfall“ (3/t)

7. Rammstein: „Mein Herz brennt“ (–/neu)

8. Klangkarussell: „Sonnentanz“ (5/t)

9. Marteria, Yasha & Miss Platnum: „Lila Wolken“ (4/t)

10. Emeli Sandé: „Read All About It, Pt. III“ (8/t)

Stand: 27.12.2012 / Woche 52

1. Michael Bublé: „Christmas (Deluxe Special Edition)“ (1/l)

2. David Garrett: „Music“ (11/s)

3. Led Zeppelin: „Unapologetic“ (3/l)

4. Bruno Mars: „Unorthodox Jukebox“ (–/neu)

5. Unheilig: „Lichter der Stadt“ (7/t)

6. Die Toten Hosen: „Ballast der Republik“ (8/t)

7. P!nk: „The Truth About Love“ (14/s)

8. The Rolling Stones: „Grr!“ (12/s)

9. AC/DC: „Live At River Plate“ (5/t)

10. Robbie Williams: „Take The Crown“ (10/l)

Quelle: MTV.de

t SINGLES

Gefundenes FressenLeben aus dem Müll: Unterwegs mit einem Containerer in Hamburg

CH. V. SAVIGNY, HARBURG

Nachts, wenn alle Geschäftegeschlossen sind, geht Max

Reinke (54) einkaufen. Sein Zielsind die Abfalltonnen der Super-märkte in der Umgebung. Dortsammelt er weggeworfene Le-bensmittel ein, die noch essbarsind. Max ist Containerer. Sonennt sich die Szene der selbsternannten Resteverwerter, diesich dem Konsumkreislauf derWegwerfgesellschaft verwei-gern. Manchmal aus purer Geld-not – meist jedoch aus Überzeu-gung. „Ich will etwas ändern“,sagt Max. Sein Ziel: „Wennirgendwann mal nichts mehrweggeschmissen wird, dann ha-ben wir etwas erreicht.“

Ein Novemberabendirgendwo in Ham-burg. Max schiebtsein Fahrrad ausdem Haus, das miteinem selbst ge-bauten Lastenkorbbestückt ist. AmLenker befin-det sich eineweitererFahrrad-korb, zu-sätzlichträgt der54-Jährigeeinen Ruk-ksack aufdem Rück-en, in demweitereTa-

Containern – ist das legal?Rechtlich gesehen gilt dieMitnahme von Lebensmittelnaus Containern als Diebstahl,jedoch wird sie nur in Aus-nahmefällen verfolgt. Steigtder Containerer jedoch übereinen Zaun oder bricht garein Schloss auf, handelt essich um (strafbaren) Haus-friedensbruch. In Österreichstellt Containern keine Straf-tat dar, da Müll als „herrenlo-se Sache“ gilt. CVS

Der Autor dieser Zeilen beim Versuch, ein paar Würstchengläser aus demContainer zu angeln.

schen parat liegen. Es ist 23 Uhr.„Vorher hat es keinen Zweckloszufahren“, erklärt Max. „DieSupermärkte machen zwar um22 Uhr zu, aber das Personalgeht eine Stunde später nachHause.“ Vor vier Jahren hatteMax einen Arbeitsunfall, an-schließend bekam er keinen Jobmehr. In der Folge lebte er vonHartz IV. „Mehr schlecht alsrecht“, sagt er. „Man kann da-von leben. Aber es ist auch ganzschön, wenn etwas übrigbleibt.“

Mit dem Rad geht es durchmenschenleere Straßen. ErsteStation: ein Aldi-Markt. Zielstre-big kurvt Max über den Park-platz und fährt eine Laderampehinunter. An deren Ende stehenzwei einsame Plastikcontainer.Deckel auf – es stinkt. „Am An-

fang musste ich mich echtüberwinden, da reinzugrei-

fen“, berichtet der Le-bensmittelsammler. In-

zwischen hat er sich darangewöhnt. Einmalhand-schuhe und ein sehr pro-

fessionell aussehen-der Greifarm ma-

chen das

Rumwühlen im Dreck etwas er-träglicher.

Die Ausbeute ist zunächstmager: ein paar schrumpeligePaprikaschoten, ein paar Netzemit angematschten Mandari-nen – das wars. Doch der nächs-te Supermarkt ein paar Straßenweiter ist gleich ein Volltreffer:Berge von Lauch, Tomaten,Möhren, Äpfeln und Orangenwarten auf den Containerer–fast könnte man meinen, ein gutgefülltes Supermarktregal vorsich zu haben. „Wenn ein StückObst matschig ist, werfen siegleich das ganze Netz weg“, er-klärt Max. Das sei offenbar billi-ger, als die Ware neu einzutü-ten. Auch die Eier sind noch inOrdnung: Was angeknackst ist,kommt wieder in die Tonne.Viele Lebensmittel, besondersFertiggerichte, wandern bereitsvor dem Ablaufdatum in denMüll. „Dabei kann man sie nochlange essen“, sagt Max. „Aberdas wissen die wenigsten.“

Nach einer Untersuchung derUniversität Stuttgart vom März

2012 werden in Deutschlandpro Jahr rund elf Millionen Ton-nen Lebensmittel entsorgt. Ver-braucherschutzorganisationenfordern daher mehr Anreize fürVerbraucher, Produkte zu kau-fen, deren Ablaufdatum kurzbevorsteht – etwa durch Preis-nachlässe. „Nur in zwei von elfGeschäften gab es effektiveMaßnahmen zum Abverkaufvon Lebensmitteln mit nahen-dem Mindesthaltbarkeitsda-tum“, berichtet Silke Schwartauvon der VerbraucherzentraleHamburg über einen „Markt-check“ des Instituts.

Nach einem Fischzug wieheute lädt sich Max gerneFreunde ein, die mit ihm ge-meinsam Gemüse schnippeln.Gekocht wird dann zum Bei-spiel Soljanka, eine osteuropäi-sche Spezialität. „Total lecker“,schwärmt Max. Alles übrigewird eingemacht – oder ver-schenkt. Übrigens: Seit Kurzemgibt es sogar eine Internet-tauschbörse für Lebensmittel.Infos: www.foodsharing.de

Eine Ladung Suppengrün mit ein paar kleinen Stellen – noch gut genug für eine Gemüsebrühe oder einen Eintopf.

Gestern noch im Supermarktregal, heu-te im Müll: italienische Pasta, nochnicht abgelaufen.

Wenn Bananen braunwerden, heißt das, dasssie reif sind. Für Super-märkte heißt das: Ab inden Müll!

Ist ein Teil kaputt,wird gleich dieganze Packungweggeschmissen:Äpfel im Sechser-pack..

Ablaufdatum: heute. Diese Eierkann man bedenkenlos verzehren.

Als wäre es eine Gemüsetheke:Lauch und Salat im Container.

Max Reinke prüft den Lauch:Nur die äußeren Blätter sindetwas angetrocknet. Fotos: cvs