Die Ultraviolettspektren der Halogenazide C1N , BrN und...

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. Die Ultraviolettspektren der Halogenazide C1N3 , BrN3 und INa The Ultraviolet Spectra of the Halogen Azides CIN3, BrN3 and IN3 Kurt Dehnicke und Peter Ruschke Fachbereich Chemie der Philipps-Universität Marburg Z. Naturforsch. 83b, 750-752 (1978); eingegangen am 21. April 1978 UV, Halogenazide The ultraviolet spectra of the halogen azides C1N3, BrN3 and IN3 were recorded in hexane solution as well as in carbon tetrachloride solution. The spectra are in agreement with Cs-symmetry of the XN3 species and correspond well with other covalent azides. Während Chlorazid bereits seit längerer Zeit in genügend großer Reinheit zur Verfügung steht und auch präparativ genutzt werden kann [1], haben wir erst in jüngster Zeit auch für Iodazid [2] und Bromazid [3] Wege zu ihrer Reindarstellung und präparativen Anwendung in inerten Lösungsmitteln gefunden. Dies eröffnet die Möglichkeit zur Messung ihrer Absorptionsspektren, über deren Ergebnisse wir im folgenden berichten. Zuverlässige strukturelle Daten sind nur für Chlor- azid aus dem Mikrowellenspektrum [4] bekannt, wonach das Molekül Cs-Symmetrie besitzt und eine auffällige Abweichung von der Linearität der N-N-N-Achse von 171,9° aufweist. IR-spektro- skopische Informationen über CIN3 und BrN3 in Matrix-Fixierung [5] und in CCU-Lösung [3, 6] er- gaben nur sehr geringfügige Abweichungen und sprechen ebenfalls für Cs-Symmetrie mit am a-N- Atom der Azidgruppe gewinkelter Atomanordnung. Dies gilt auch für das IR-Spektrum des Iodazids, das sowohl in Lösung als auch im festen Zustand vermessen wurde und eine auffällig langwellige I-N-Valenzschwingungsfrequenz erkennen ließ [2]. Schließlich wurde von Chlorazid kürzlich auch das 15 N-Kernresonanzspektrum vermessen [7]. Ergebnisse und Diskussion Abb. 1 gibt die Meßergebnisse der UV-Spektren der Halogenazide CIN3, BrN3 und IN3 in Hexan- lösung wieder, Tab. I enthält die Bandenmaxima mit den Extinktionswerten und den Halbwerts- breiten der Banden. In CCU-Lösung ließen sich je- weils nur die beiden längstwelligen Banden ver- messen; die Lösungsmittelabhängigkeit ist gering (Tab. I). Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. K. Dehnicke, Fachbereich Chemie der Universität Marburg, Lahn- berge, D-3550 Marburg. dmorW) •00 nm Abb. 1. Registrierkurven der Absorptionsspektren der Halogenazide in Hexanlösung. Um einen Einfluß einer möglichen photochemi- schen Zersetzung der Halogenazide während der Messung auf die Meßergebnisse gering zu halten, war es insbesondere bei dem leicht zersetzlichen Bromazid nötig, in Anwesenheit von etwas trocke- nem Silberazid als Bodenkörper zu arbeiten, um etwa entstehendes Brom sofort wieder in BrN3 um- zuwandeln. Es wurden nur frisch bereitete Lösungen verwendet, die Meßtemperatur betrug 5 °C. Die Gehaltsbestimmung der Lösungen geschah durch iodometrische Titration nach Zugabe von Kalium- iodid/Wasser. Alle Halogenazide weisen drei Absorptionsbanden auf, von denen eine im sichtbaren Gebiet des Spek- trums liegt und einem Elektronenübergang der Halogenkomponente entspricht. Eine solche Bande fehlt in den farblosen Alkyl- und Arylaziden [8]. Beim Chlorazid ist diese Bande sehr schwach und breit. Die geringe Intensität korreliert mit der sehr schwachen Eigenfarbe des Chlorazids (gelblich- grün). Demgegenüber sind die im sichtbaren Gebiet auftretenden Banden von Brom- und Iodazid von

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

Die Ultraviolettspektren der Halogenazide C1N3, BrN3 und INa

The Ultraviolet Spectra of the Halogen Azides CIN3, BrN3 and IN3

Kurt Dehnicke und Peter Ruschke Fachbereich Chemie der Philipps-Universität Marburg Z. Naturforsch. 83b, 750-752 (1978); eingegangen am 21. April 1978 UV, Halogenazide

The ultraviolet spectra of the halogen azides C1N3, BrN3 and IN3 were recorded in hexane solution as well as in carbon tetrachloride solution. The spectra are in agreement with Cs-symmetry of the XN3 species and correspond well with other covalent azides.

Während Chlorazid bereits seit längerer Zeit in genügend großer Reinheit zur Verfügung steht und auch präparativ genutzt werden kann [1], haben wir erst in jüngster Zeit auch für Iodazid [2] und Bromazid [3] Wege zu ihrer Reindarstellung und präparativen Anwendung in inerten Lösungsmitteln gefunden. Dies eröffnet die Möglichkeit zur Messung ihrer Absorptionsspektren, über deren Ergebnisse wir im folgenden berichten.

Zuverlässige strukturelle Daten sind nur für Chlor-azid aus dem Mikrowellenspektrum [4] bekannt, wonach das Molekül Cs-Symmetrie besitzt und eine auffällige Abweichung von der Linearität der N-N-N-Achse von 171,9° aufweist. IR-spektro-skopische Informationen über CIN3 und BrN3 in Matrix-Fixierung [5] und in CCU-Lösung [3, 6] er-gaben nur sehr geringfügige Abweichungen und sprechen ebenfalls für Cs-Symmetrie mit am a-N-Atom der Azidgruppe gewinkelter Atomanordnung. Dies gilt auch für das IR-Spektrum des Iodazids, das sowohl in Lösung als auch im festen Zustand vermessen wurde und eine auffällig langwellige I-N-Valenzschwingungsfrequenz erkennen ließ [2]. Schließlich wurde von Chlorazid kürzlich auch das 15N-Kernresonanzspektrum vermessen [7].

Ergebnisse und Diskussion Abb. 1 gibt die Meßergebnisse der UV-Spektren

der Halogenazide CIN3, BrN3 und IN3 in Hexan-lösung wieder, Tab. I enthält die Bandenmaxima mit den Extinktionswerten und den Halbwerts-breiten der Banden. In CCU-Lösung ließen sich je-weils nur die beiden längstwelligen Banden ver-messen; die Lösungsmittelabhängigkeit ist gering (Tab. I).

Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. K. Dehnicke, Fachbereich Chemie der Universität Marburg, Lahn-berge, D-3550 Marburg.

dmorW)

•00 nm

Abb. 1. Registrierkurven der Absorptionsspektren der Halogenazide in Hexanlösung.

Um einen Einfluß einer möglichen photochemi-schen Zersetzung der Halogenazide während der Messung auf die Meßergebnisse gering zu halten, war es insbesondere bei dem leicht zersetzlichen Bromazid nötig, in Anwesenheit von etwas trocke-nem Silberazid als Bodenkörper zu arbeiten, um etwa entstehendes Brom sofort wieder in BrN3 um-zuwandeln. Es wurden nur frisch bereitete Lösungen verwendet, die Meßtemperatur betrug 5 °C. Die Gehaltsbestimmung der Lösungen geschah durch iodometrische Titration nach Zugabe von Kalium-iodid/Wasser.

Alle Halogenazide weisen drei Absorptionsbanden auf, von denen eine im sichtbaren Gebiet des Spek-trums liegt und einem Elektronenübergang der Halogenkomponente entspricht. Eine solche Bande fehlt in den farblosen Alkyl- und Arylaziden [8]. Beim Chlorazid ist diese Bande sehr schwach und breit. Die geringe Intensität korreliert mit der sehr schwachen Eigenfarbe des Chlorazids (gelblich-grün). Demgegenüber sind die im sichtbaren Gebiet auftretenden Banden von Brom- und Iodazid von

K. Dehnicke-P. Ruschke • Die Ultraviolettspektren der Halogenazide CIN3, BrN3 und LN3 751

Tab. I. Ergebnisse der UY-Spektren der Halogenazide C I N 3 , BrN3 und I N 3 in Hexan- und Tetrachlorkohlenstoff-lösung im Bereich von 200-450 nm.

Halogenazid Lösungsmittel Amax [nm] £ [1 • mol-1 • cm-1] Halbwertsbreite [nm] Zuordnung

C I N 3 Hexan 211 815 13 spa; - > Tly* 252 240 25 Tly —> Tlx* 380 8 40 a

C C I 4 261 167 18 Tly —> Tlx* 390 6 30 a

BrN3 Hexan 235 366 30 spa; -*• Tly* 289 106 32 Tly —>• Tlx*

C C I 4 291 157 50 Tly —> Tlx* 420 32 75 a

IN3 Hexan 209 870 11 Spa; - > Tly* 243 615 26 Tly Tlx* 350 40 60 a

C C I 4 260 570 12 Tly —> Tlx* 341 125 64 a

a Zuordnung s. Text.

merklich größerer Intensität (Abb. 1), was sich auch in den deutlich wahrnehmbaren Farben dieser Lösungen (BrN3 braun, IN3 goldgelb) kundtut. Beim Bromazid fällt auf, daß diese Bande mit 420 nm sehr nahe bei dem Absorptionsmaximum des Broms (417 nm) selbst liegt, während die Eigen-farben von Cl2 (332 nm) [9] und I2 (517 nm) [10] deutlich verschieden von den Eigenfarben der ent-sprechenden Halogenazide sind. Schließlich ist fest-zustellen, daß die sichtbare Absorptionsbande beim Iodazid (341 nm) kurzwelliger ist als die des Iods, während es beim Chlorazid (390 nm) im Vergleich zum Chlor gerade umgekehrt ist.

Im UV-Gebiet weisen die Halogenazide jeweils zwei Bandenmaxima auf, die nach ihrer Lage und den Extinktionswerten etwa denen anderer kova-lenter, monomerer Azide entsprechen; z .B. absor-bieren Alkylazide bei ~285 bzw. ~215 nm. Da sich in kovalenten Aziden X N 3 die Bindungsverhältnisse der N3-Gruppe durch zwei cr-Bindungen, eine lokali-sierte jr-Bindung N^-Ny, eine delokalisierte ^-Bin-dung N a -Na-N y sowie durch zwei freie Elektronen-paare am Na- und N y -Atom beschreiben lassen,

/ S W

werden diese Banden von Clossen und Gray [11] den beiden möglichen Übergängen ny(a") -> jix* (a') und spa; (a') —> 7iy* (a") zugeordnet. Sie entsprechen den Übergängen der beiden höchsten besetzten Orbitale

des 7iy-Orbitals und des freien Elektronenpaars N a

in die antibindenden, unbesetzten n*-Orbitale:

E

— - r IT * ( A " ) 1 y l antibindend

(A") nichtbindend

—I s p x (A ' ) lone pair (Na)

Abb. 2. Energieschema der höchsten besetzten und der niedrigsten unbesetzten Orbitale kovalenter Azide XN3 nach Lit. [11].

Beim höhersymmetrischen Azidion N3e entarten diese Übergänge, so daß nur eine Bande beobachtet wird [8].

Innerhalb der Reihe IN3-BrN3-ClN3 weist das UV-Spektrum des Iodazids mit 34 nm den kleinsten Energieunterschied dieser Übergänge auf, was mit dem oben erwähnten IR-spektroskopischen Befund

<5+ <$-

einer stark polaren I—N-Bindung des IN3 korre-liert. Iodazid nimmt danach eine Zwischenstellung zwischen den kovalenten Alkylaziden und dem Azidion ein, während Bromazid, vermutlich aus Gründen des geringen Elektronegativitätsunter-schieds Br/N3, den Alkylaziden am nächsten kommt. Da zum Chlorazid dieser Unterschied mit 41 nm wieder abnimmt, muß dieser Effekt mit einer

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<»- «5+ Umkehr der Polaritätsrichtung im Sinne CI/N3 ver-standen werden, wie er bereits früher von uns aus IR-spektroskopischen Daten gefolgert wurde [12]. Ohne Zuordnung werden für gasförmiges CIN3 (10 Torr) Absorptionsmaxima bei -*205 und 249 nm angegeben [13], die mit den kurzwelligen Banden -maxima unserer Lösungsspektren gut übereinstim-men.

Erwähnung verdient schließlich die auffällig große Halb wertsbreite der Banden des Bromazids, die auf eine relativ geringe Lebensdauer des angeregten Zustands schließen läßt und im Einklang mit der geringen thermischen Beständigkeit des BrN3 ist.

Experimenteller Teil

Für die Aufnahme der Spektren stand das Spectro-photometer Acta III von Beckman zur Verfügung; 1,000 cm-Quarzküvetten, Kompensationstechnik.

Die Darstellung der Lösungen der Halogenazide CIN3 und IN3 erfolgte wie beschrieben [1, 2], Brom-azidlösungen erhielten wir in Anlehnung an die Dar-stellung von Iodazid durch Umsetzung von Brom mit einer Aufschlämmung von AgN3 in Hexan bzw. Tetrachlorkohlenstoff bei 0 °C und Anwesenheit von

trockenem Natriumsulfat [3]. Bis zum Beginn der Messungen wurden die Lösungen unter Lichtaus-schluß gehalten.

Die Bestimmung der Konzentrationen führten wir iodometrisch durch Zusatz wäßriger KI-Lösun-gen

XN 3 + 2 I© -> I2 + X© + N 3 e

und anschließender Titration mit n\10 Natriumthio-sulfat aus.

Anmerkung bei der Korrektur: Während der Druck-legung dieser Arbeit erschien eine Publikation über das Schwingungsspektrum des Iodazids in CH2CI2-Matrix und das Elektronenspektrum in CH2CI2-L0-sung (U. Engelhardt, M. Feuerhahn u. R. Minkwitz, Z. Anorg. Allg. Chem. 440, 210 (1978)). Die Autoren beobachten nur eine Bande im sichtbaren Gebiet des Spektrums bei 320 nm, die mit unserem Befund ungefähr übereinstimmt (Tab. I). Die beschriebene rasche Zersetzlichkeit der IN3-Lösungen bei Belich-tung können wir nicht bestätigen. Wir vermuten die Ursache hierfür in dem angewandten Darstellungs-verfahren für Iodazid, das nach unseren Erfahrun-gen einwandfreie Präperate nur liefert, wenn man bei der Umsetzung von Iod mit Silberazid in Anwe-senheit eines Trocknungsmittels arbeitet. Nachträg-liches Trocknen der Iodazidlösungen ist weniger gut geeignet.

[1] K. Dehnicke, J. Inorg. Nucl. Chem. 27, 809 (1965).

[2] K. Dehnicke, Angew. Chem. 88, 612 (1976). [3] K. Dehnicke u. P. Ruschke, unveröffentlicht. [4] R. L. Cook u. M. C. L. Gerry, J. Chem. Phys. 53,

2525 (1970). [5] D. E. Milligan u. M. E. Jacox, J. Chem. Phys. 40,

2461 (1964). [6] W. Kolitsch, Dissertation, Universität Marburg

1974. [7] J. Müller, Habilitationsschrift, Universität Mar-

burg 1978.

[8] A. Treinin, in S. Patai (Herausg.): The Chemistry of the Azido Group, S. 11 ff., Interscience Pub-lishers, London-New York-Sydney-Toronto 1971.

[9] A. Popov u. J. Mannion, J. Am. Chem. Soc. 74, 222 (1952).

[10] R. Buckles u. J. Mills, J. Am. Chem. Soc. 75, 552 (1953).

[11] W. D. Closson u. H. B. Gray, J. Am. Chem. Soc. 85, 290 (1963).

[12] K. Dehnicke, Angew. Chem. 79, 253 (1967). [13] T. C. Clark und M. A. A. Clyne, Trans. Faraday

Soc. 65, 2994 (1969).