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CLASS Association of Classical Independents in Germany e.V. Bachstraße 35 · 32756 Detmold www.classgermany.de [email protected] Auflage: 130 000 (D) CLASS AKTUELL 2006/2 CLASS A s s o c i a t i o n o f C l a s s i c a l I n d e p e n d a n t s i n G e r m a n y Leipziger Streichquartett Vorsicht Männer! Harfenkonzerte Franco Corelli Chronik eines Triumphs Barbara Hendricks Musik im Herzen Sofia Gubaidulina Musikalische Glaubensbekenntnisse Niccolò Paganini als Kammermusiker Johann Wenzel Kalliwoda Böhmische Kalligraphie

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CLASSAssociation of Classical Independentsin Germany e.V. Bachstraße 35 · 32756 Detmold [email protected]

Auflage: 130 000 (D)CLA

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LeipzigerStreichquartett

Vorsicht Männer! Harfenkonzerte

Franco Corelli Chronik eines Triumphs

Barbara Hendricks Musik im Herzen

Sofia GubaidulinaMusikalischeGlaubensbekenntnisse

Niccolò Paganinials Kammermusiker

Johann Wenzel KalliwodaBöhmische Kalligraphie

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Gutes Essen! Wir dürfen gratulieren zur Kultur-Europameisterschaft! Auch, wenn der Triumph letztlich nur mit Hilfe der Vororte Bochum, Dortmund, Duisburg und Wanne-Eikel gelingen konnte. Erstaunlich für eine Region, deren kulturelles Dasein sich bis vor zwei Dekaden noch aus Schwaden, Schwermetall und Schwarzem Gold definierte: Heute sind Zechen zu Industrie- und Kulturdenkmälern höchster Anerkennung mutiert und bieten exquisites Ambiente für mannigfaltige Kulturereignisse. Liegt es andem erfolgreichen Klavier-Festival Ruhr? Liegt es an den überraschend vielen Musentempelneubautender Region? Der Aufschwung – zumindest der kulturelle – scheint nicht bremsen zu wollen.Wir sind Deutschland, wir haben einen Kaiser und Essen ist Kult…

Hauptstadt des KulturgebietsAber es kommt ja noch besser. Welch organisatorische Meisterleistung, dass die alternden Tenöre jetzt kampflos die Stadien freigeben für deren klassische Bestimmung: Die Welt zu Gast in Deutschland.Der Rasen dient wieder dem Ball und der ist rund. Wir dürfen dabei sein und: Wir sind Deutschland!

Dummerweise – da unterscheiden sich große Musik- kaum von Fußballfestivals – lässt sich eine gewisse Repertoiregleichgültigkeit nicht leugnen. Manche Veranstaltungen scheinen dank der internationalen Präsenz der Profis programmatisch so ähnlich, dass allein die Suche nach dem ParkplatzSpannung verspricht. Ganz abgesehen von den Eintrittspreisen, die eine vierköpfige Familie schon vor die existenzielle Frage stellt, was nach dem Spiel angesagt ist: Ade, gutes Essen…?

Und was ist mit den Regionalligen? Wir sollten nicht übersehen, dass hier, im kulturellen Mittelstand,trotz beachtlichen Fantasie- und Ideenreichtums der Macher die Luft äußerst dünn wird, weil unsere öffentlichen Hände reihenweise Theater, Orchester, Büchereien, Chöre und Musikschulen einer dramatischen kollektiven Geschlossenheit zuführen. Wir sind Deutschland…?

Sollten Sie der Weltmeisterschaft ein wenig überdrüssig sein oder nur bisweilen einen klassischen Kontrapunkt setzen wollen, seien Ihnen die folgenden Seiten als Anregung empfohlen: Gönnen Sie sich Ihr privates, individuelles Musikfestival. Mit Essen natürlich. Ganz genüsslich…

In diesem Sinne viel Vergnügen beim Stöbern in CLASS aktuell.

Werner DabringhausMusikproduktion Dabringhaus und Grimm

4 Vorsicht – Männer! Harfenkonzerte von Reinecke, Zabel und Parish-Alvars

5 Leipziger Streichquartett: „Encores”Raritäten von Renaissance bis Avantgarde

6 Chronik eines TriumphsFranco Corelli, Tokyo 1971

7 Musik im Herzen Barbara Hendricks

8 GretchenfrageGretchaninov-Gesamteinspielung vom Utrecht String Quartet

9 Von Schlegeln und KäuzenAmadinda Percussion Group mit Cage

10 Musikalische Glaubens-bekenntnisseSofia Gubaidulina

11 Der „Teufelsgeiger” als KammermusikerNiccolò Paganini

12 Böhmische KalligraphieJohann Wenzel Kalliwoda

13 Im Blickpunkt Aktuelle Neuerscheinungen

CLASS aktuell 2 /2006Inhalt

Händlernachweis und die Liste der aktuellen Neuheiten finden Sie auf www.classgermany.de

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4 AUSGABE 2006/2

Seit langem gilt die Harfe als typischesFraueninstrument (und die Praxis be-stätigt das meistens, wie alle Konzert-besucher wissen). So ist es schon sehr

bemerkenswert, dass auf einer Neueinspielungdes Labels Claves (CLAVES 50-2607) gleich zweimännliche Harfenisten zu Werke gehen. EmmanuelCeysson ist der Solist in den Harfenkonzertenvon Carl Reinecke und Albert Zabel. Mit ihmzusammen spielt Xavier de Maistre das Konzertfür zwei Harfen und Orchester von Elias Parish-Alvars. Die Begleitung übernimmt die Staats-philharmonie Rheinland-Pfalz; die Leitung hatHannu Lintu. Wobei Xavier de Maistre, der seit2001 Harfe an der Hamburger Musikhoch-schule unterrichtet, auf Claves ja bereits keinUnbekannter mehr ist; mit ihm erschienenbereits CLAVES 50-2206 Französische Harfen-konzerte und CLAVES 50-2506 Famous Classics.

Die Überraschung dieser Einspielung istaber ohne Frage der junge Emmanuel Ceysson.Als Sohn von zwei Professoren für Geisteswis-senschaften, selbst jedoch ganz und gar natur-wissenschaftlich begabt, macht er sein Abiturmit 16 Jahren und tritt anschließend ins „aller-

heiligste” Nationalmusikkonservatorium CNSM vonParis ein, wo er die Klasse von Isabelle Morettibesucht. Sein Studium trägt Früchte, gewinnt er doch 1999 den 2. Preis des Lily-Laskine-Ju-niorenwettbewerbs und im Jahr 2004 den re-nommierten Wettbewerb von Bloomington.

Doch der Erfolg hat seine Kehr-seiten, wie er im folgenden Jahrerfährt. „Ich habe lange ge-braucht, bis ich mich mit diesenLorbeeren wohl fühlte und nichtmehr das Gefühl hatte, etwasbeweisen zu müssen. Heute er-lebe ich Gott sei Dank jedes

Konzert als ein Glück... Schade, dass ein Harfe-nist nicht von seinen Gagen als Solist leben kann!”

Dann folgt die Zeit der Orchesterwett-bewerbe – Philharmonisches Orchester vonRadio France, Orchester der Opera de Paris...Bei keinem der Wettbewerbe wird ein Kandidatzum Sieger erklärt. Was Emmanuel Ceysson mit-nichten entmutigt. Er hat Zeit, und er hat keiner-lei Komplexe: Sich in einer Welt zu bewegen, diefast ausschließlich weiblich geprägt ist, stellt fürihn kein Problem dar. „Im 19. Jahrhundert warendie meisten großen Harfenisten der französischenSchule Männer. Am Konservatorium von Pariswaren wir vier Jungen in der Klasse, und in Lyonwar ich gar der einzige unter lauter Mädchen. Das hat mich jedoch nie sonderlich beschäftigt, so sehr fühlte ich mich in meinem Element.”

Nicht weniger in seinem Element war Ceyssonvor den Mikrophonen der Philharmonie Ludwigs-hafen oder vor der Jury der „Harp at Four” derSommets Musicaux von Gstaad im März 2005.Seiner denkwürdigen Darbietung in der kleinenKapelle des Ferienortes in den Berner Alpenverdankt er heute die Einspielung seiner erstenCD mit Orchester. A. Rainer

Vorsicht – Männer! Harfenkonzerte von Reinecke, Zabel und Parish-Alvars

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Sechs Jahrhunderte in 73 Minuten 23Sekunden: Das Leipziger Streichquartettspannt mit „Encores” einen weitenBogen von der Renaissance bis zur

Avantgarde und überrascht mit mancher Rarität.Wer hätte etwa mit einem Albumblatt von Richard Wagner gerechnet, dem ‘Sequentia’ ausChoralis Constantinus von Heinrich Isaac odereinem Tango von Astor Piazzolla? Das Ergebnis:eine hinreißende Sammlung von Einzelwerken,vielfach getestet in umjubelten Konzerten undnun als Dankeschön für treue Fans mit größterSorgfalt frisch aufgenommen.

Neben den Werken von Haydn, Bach undBruckner komplettieren Puccini, Ives undandere die sehr vielfältige Einspielung. Also ein Sampler? Ein Sammelsurium von Stücken,preiswert produziert, schnell vermarktet? Mit-nichten! Das populäre Konservengemüse hat ja auch nur wenig mit dem Gericht gemein, daseinst der Leipziger Stadtschreiber MalthusHempel nach den napoleonischen Kriegenerfunden hat. Hier wird eine stilistische Breitevorgeführt, die für jede Delikatesse einen eige-nen Interpretationsraum schafft.

Seit der Gründung des Ensembles 1988gastieren Andreas Seidel, Tilman Büning, IvoBauer und Matthias Moosdorf weltweit überauserfolgreich in allen bedeutenden Konzertsälen.Viele Auszeichnungen markieren den Weg dieser in allen Bereichen außergewöhnlichenQuartettformation: ARD Musikwettbewerb,München, Brüder-Busch-Preis, Siemens Förder-preis, Diapason d’or, Gramophone Editors Choice, Indie Award sowie gleich drei Echo-Klassik-Preise… Keine Frage: Die über 60 CDsdes Leipziger Streichquartett – darunter Ge-samteinspielungen der Werke von Mendelssohn,Mozart, Beethoven, Schubert, Brahms, Ives,Weill, Dessau, Eisler, Berg, Schönberg, Webern– stellen eine beeindruckende Bilanz dar.

Wer heute Mozart spielt, morgen Schönbergund dann wieder Schubert, Beethoven, Cage undBrahms, der kennt sich aus in der Welt derKomponisten. Kein Wunder: Seit fast 20 Jahrenproben die vier Musiker täglich in einem eige-

nen Atelier und vor jedem Konzert ist zusätzlicheine zweistündige Probe angesagt, um sichimmer wieder neu auf Werke, Stilistik und Akustik einzulassen… Diese Disziplin lohnt:Klassik-Fans und Kritiker in aller Welt loben dieLeipziger und verlangen nach Zugaben. Schonallein Hindemiths „Ouvertüre zum ‘FliegendenHolländer’, wie sie eine schlechte Kurkapellemorgens um 7 am Brunnen vom Blatt spielt”lohnt ein Hineinhören. Seltener Fall: DieseEncores könnten sich als neuerliche Referenzerweisen! Thomas Trappmann

LeipzigerStreichquartett„Encores”

ENCORESWerke von Schubert, Beethoven, Bach, Isaac,Piazzolla, Bruckner, Haydn, Puccini u.a.Leipziger StreichquartettMDG 307 1362-2

Aktuelle Konzerte 2006:

Leipziger Streichquartett www.lsq.de

5. Mai Schwetzinger Festspiele Schwetzingen, Schloss

26. Mai 16. Internationales Lübecker Kammermusikfest Lübeck, Kolosseum

4. Juni Bachfest 2006, Leipzig, Gewandhaus

2. Juli Dresden, Hotel Königshof, Meisterkonzert-Saal

16. Juli Nordhessen-FestivalBad Arolsen, Residenzschloss

19. JuliFestival am Mittelrhein Bad Ems, Kursaal

22. August Schleswig Holstein Musik Festival Itzehoe, St. Laurenti-Kirche

23. August Schleswig Holstein Musik Festival Bad Segeberg, St. Marienkirche

25. August Rheingau Musik Festival Wiesbaden, Lutherkirche

2. September Köthener Bachfesttage Köthen, St. Agnuskirche

15. September Dussmann-Klassiktage 2006 Kulturkaufhaus Dussmann Berlin

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I n der langen erfolgreichen Karriere desberühmten italienischen Tenors FrancoCorelli war das Jahr 1971 ein besondersbedeutendes: er wurde 50 Jahre alt.

Von diesen 50 Jahren hatte er 20 in fieberhafterTätigkeit auf der Bühne verbracht. Der 1921 inAncona Geborene de-bütierte erst im August1951 in Spoleto mitCarmen. Ein Debüt, das– im Wortsinne – dieFachwelt aufhorchenließ. Mit seiner reinen,kraftvollen, tragendenStimme von großem Um-fang und seinem gutenAussehen beherrschteCorelli sofort die Bühne.Im Privatleben hingegenwar er scheu und zu-rückhaltend. Er verwei-gerte sich zum Leidwe-sen der Boulevardpresseder Haltung eines Stars.

Die ersten Jahre sei-ner Laufbahn sang Corelliausschließlich in Italien.1953 trat er erstmalsmit Maria Callas auf –

im Teatro Verdi in Triest in „Norma”. Im selben Jahrgehörte er zu den Interpreten der triumphalenitalienischen Erstaufführung von Prokofievs „Kriegund Frieden” beim Maggio Musicale Fiorentino.

Sehr schnell wurde klar, dass Corelli ein ver-blüffend großes Repertoire stilsicher beherrschte,vom 18. Jahrhundert bis zur Musik der Gegen-wart. Er zeigte eine einzigartige Fähigkeit zur An-passung an das jeweilige Genre. Nur sehr wenigeKollegen konnten ihm im 20. Jahrhundert anstimmtechnischer Meisterschaft, Breite des Re-pertoires und Qualität der Interpretation dasWasser reichen.

Ab 1957 begann seine beispiellose interna-tionale Karriere. Sehr schnell sang er an derWiener Staatsoper, in London und Madrid undvielen anderen bedeutenden Bühnen eine Viel-zahl von Vorstellungen in immer neuen Rollen.Und stets trat er zusammen mit der Crème de laCrème der Opernstars auf: Er sang mit BorisChristoff, Tito Gobbi, Giangiacomo Guelfi, BirgitNilsson, Elisabeth Schwarzkopf und Leyla Gencer.Die Plattenlabel rissen sich um ihn. 1961 debü-tierte er neben Leontyne Price an der Met inNew York mit „Il Trovatore”. Er trat in einer Neu-inszenierung von „Turandot” mit Birgit Nilssonund Anna Moffo auf. Ab da kam es zu einer engenZusammenarbeit mit dem berühmten Opern-haus, und wenig später ließ sich Corelli in denUSA nieder. 1962 traf er mit Herbert von Karajanbei den Salzburger Festspielen zusammen. Und

er sang immer wiederin Italien, wohin ergegen Ende seines Le-bens (er starb 2003)auch zurückkehrte.

In Japan und Koreahatte er 1971 eine Rei-he großer Erfolge mitRecitals in Seoul, Osakaund Tokyo. LetzteresKonzert, bei dem ihndas NHK Orchestra unterLeitung von AlbertoVentura begleitete, istjetzt auf einer DVD-Vi-deo des Labels Dynamicdokumentiert (Bestell-nr. CDS 33515). Es zeigteinen Corelli in Höchst-form vor einem restlosbegeisterten Publikum –Chronik eines Triumphs.

A. Rainer

Chronik eines Triumphs Franco Corelli, Tokyo 1971

CD

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3515

Franco Corellimit Maria Callas

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Egal ob Purcell, Mozart, Schostakowitschoder Duke Ellington, Barbara Hendricksträgt die verschiedensten Musikstile inihrem Herzen. Schon ganz klein fing sie

in der Kirche ihres Vaters in Arkansas mit demSingen an und hat dies bis heute beibehalten undes dadurch zu Weltruhm gebracht. Die in Ameri-ka geborene schwedische Staatsbürgerin mitafrikanischen Wurzeln ist auf ihre neueste Ein-spielung zusammen mit dem Gustav SjökvistKammerkör besonders stolz. Jene ist anlässlichdes zehnten Geburtstags des Ensembles entstan-den und enthält sowohlschwedische als auchafroamerikanische Lieder.Barbara Hendricks bewahrtsomit das schwere Erbeihre Vorfahren, die auf bru-tale Weise an Sklavenhänd-ler verkauft wurden und ihrschweres Los in der Kunst-form des Spirituals zumAusdruck brachten. NachAnsicht der Sängerin ge-hören diese Gesänge zu denherrlichsten Beiträgen, diein Amerika im Bereich derKunst jemals entstandensind. Aus dem Leid aber-

tausender Menschen ist etwas entstanden, dasheute noch die Menschen bewegt und zudemGrundlage für die heute verbreiteten Musikstileist, wie zum Beispiel Blues, Gospel und Jazz.

Die schwedischen Lieder dieser CD gehörenalle zum Kulturgut des Landes. Komponisten wieAlfvén, Lindberg und Carlstedt entstammen derRegion Dalarna, wo Tradition sehr tief verhaftetund zugleich noch sehr lebendig ist. Seit mehre-ren Jahrhunderten haben die traditionellenMelodien Komponisten inspiriert, teilweise finden sich die Themen in Rhapsodien

und Sinfonien wieder undsind zudem Improvisations-grundlage der Jazzmusiker.Beispielsweise das Lied „Densignade dag” (NordischesTageslicht) findet sich in vielen Melodien wieder undwird jedes Jahr am Morgendes Weihnachtstages bei Ta-gesanbruch gesungen.

„Kunst kennt keineGrenzen” schreibt BarbaraHendricks im Vorwort ihrerneu erschienenen CD, „dennKunst ist universell und Teildes menschlichen Erbes”.

Gabriele Niederreiter

No BordersSchwedische und afroamerikanische

Werke für Sopran und ChorBarbara Hendricks

Gustaf Sjökvist KammerkörGustaf Sjökvist

ALT 1010 / Codaex

Barbara HendricksMusik im Herzen

FRANZ ANTON HOFFMEISTERSinfonienLondon Mozart PlayersMatthias Bamert

WILHELM HERSCHELSinfonienLondon Mozart PlayersMatthias Bamert

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ANTONIO SALIERISinfonienLondon Mozart PlayersMatthias Bamert

Alle Titel dieser Edition sind für kurze Zeit zum Sonderpreis im Fachhandel erhältlich!

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ZeitgenossenMozarts

Codaex Deutschland GmbH Landsberger Strasse 492 81241 München [email protected]

Barbara Hendricks tritt seit ihrem Debüt im Jahre 1974 an der San Francisco Opera in allen großen Opernhäusern und Konzerthallender Welt auf. Seit nun beinahe 20 Jahren engagiert sie sich fürFlüchtlinge und ist alleinige ehrenamtliche Botschafterin des UNHCR(Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen) auf Lebenszeit. Ihre aktuelle Einspielung beinhaltet Werke verschie-dener Genres und trägt zu Recht den Namen „No Borders”.

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Die Streichquartette zeigen Grechaninovals Meister der symphonischen Fein-zeichnung. Deutlich tritt hier derglühende Verehrer der russischen

Schule zutage – aussagekräftige Melodik undfarbige Harmonik machen die großen Kammer-musikwerke zu romantischen Kaleidoskopen,die durch ihre Nähe zur geistlichen Musik undzur Volksmusik Russlands ins geheimnisvolleFunkeln kommen: das G-Dur-Streichquartett op.2 weckt dementsprechend Erinnerungen an dieepischen Bilder von Borodin und Glazunov.

Ganz anders das Quartett op. 70 d-Moll:Grechaninov schließt sich 1913 den Entwick-lungen an, die angeregt sind durch Baudelaireund Maeterlinck, Skriabin und Debussy... Erwird zum impressionistischen Avantgardisten.Ergebnis: ein Streichquartett von ungeahnterFarbigkeit, mit einer überaus weichen undexpressiven Stimmführung.

Als eine instrumentale „Lobeshymne“ andas Leben und das Schicksal floss das Streich-quartett op. 124 aus der Feder des 65jährigenKomponisten. Im 2. Satz dieses genialen Alters-

Aktuelle Einspielungen:Utrecht String Quartetwww.utrechtstringquartet.com

Alexander T. GrechaninovSämtliche Streichquartetteop. 74 und op. 124MDG 603 1388-2

op. 2 und op. 70MDG 603 1157-2

Alexander GlasunovStreichquartette Vol. 1Quartett Nr. 3 und 5MDG 603 1236-2

Streichquartette Vol. 2Quartett Nr. 2 und 4MDG 603 1237-2Utrecht String Quartet

GretchenfrageMDG vervollständigt die erste komplette Einspielung der Streich-quartette eines bemerkenswerten russischen Komponisten: Alexander Tikhonovich Grechaninov (1864-1956) genoss zu Beginnseines Lebens im zaristischen Russland höchste Reputation, musstejedoch nach der Emigration seine künstlerischen Wurzeln verleugnenund konnte nie seine ursprüngliche Popularität zurückgewinnen, die er vor dem Stalinismus erlangt hatte. Das Utrecht String Quartet – eines der renommiertesten Kammermusikensembles derNiederlande – rehabilitiert diesen hochinteressanten Komponisten.

werkes blitzt das Credo des tief religiösen Komponisten auf: Mit seinem wundervollorientalischen Charakter erinnert dieser Satz anden „russischen Osten” in der Musik und vorallem an den vom Komponisten so verehrtenBorodin. Es scheint, als habe gerade das ExilGrechaninov zu besonders eindrucksvollen Re-miniszenzen an seine Heimat herausgefordert.

Das Utrecht String Quartet genießt inter-national den Ruf eines vielseitigen und dyna-mischen Ensembles. Mit dem Volume 1 derGrechaninov-Einspielung setzte das QuartettMaßstäbe: In FonoForum wurde die CD zurEmpfehlung des Monats, und 5 Sterne erhielt sievom BBC Music-Magazine, wurde mit demSuper Sonic Award, Luxemburg, ausgezeichnetund rangierte im Strings Magazine (USA) unterden herausragenden Aufnahmen des Jahres. Ein nahezu vergessenes Oevre wird hier mitaller Perfektion, aber zugleich mit Glut undVerve präsentiert, die das Hören zu einem Vergnügen macht. J. Thalmann

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John Cage (1912-1992), der unangepassteamerikanische Komponist, dessen Werk sichjedem Versuch einer Etikettierung erfolg-reich widersetzt, hatte eine große Vorliebe

für Schlaginstrumente. Er schuf eine große Reihevon Werken für und mit Percussion. Die unend-liche Vielfalt an klanglichen Effekten, die mitSchlagzeug realisiert werden kann, kam seinemsubtilen, oft auch skurrilen Humor, aber auchseiner durchaus ernsthaften Neigung, Dinge„gegen den Strich” zu bürsten, sehr entgegen.

Eines der wenigen weltweit renommiertenSchlagzeugensembles hat sich nun die Herkules-aufgabe gestellt, das Gesamtwerk des kauzigenAmerikaners für und mit Percussion auf CD ein-zuspielen: die ungarische Amadinda PercussionGroup. Immer wieder unterstützt von dem bekann-ten Pianisten Zoltán Kocsis, sind auf Hungarotonmittlerweile vier Folgen dieser Reihe erschienen(HCD 31844, 31845, 31846 und 31847).

Die Amadinda Percussion Group erlebte schonkurz nach ihrer Gründung den internationalenDurchbruch. 1984 gewann sie einen Preis bei demInternationalen Festival für Neue Musik in Darmstadt und im Jahr darauf war sie der Preisträger der Gaudeamus Contemporary Music Com-petition in Rotterdam. DasEnsemble übernahm eineführende Rolle für die Musik der Gegenwart inUngarn mit Aufführungenvon Werken von Cage,Xenakis, Stockhausen undBerio. Aber auch die zahl-reichen Werke, die von re-nommierten Komponistenweltweit für dieses En-

semble geschrieben wurden (und werden), zeugenvon der überragenden Bedeutung der Gruppe.

Auf der gerade veröffentlichten vierten Folgeder Cage-Reihe ist ein besonderes Husarenstückzu bestaunen: Die Aufnahme von „27’10.554’ fora Percussionist”. Dieses Werk ist typisch für Cage:So, wie einst Beethoven dem Geiger Schuppanzigh,der sich über unspielbare Passagen beschwerte,entgegenrief: „Was kümmert mich seine elendeGeige, wenn der Geist über mich kommt!”, soscherte sich Cage oft herzlich wenig darum, obDinge, die er kompositorisch für geboten hielt,überhaupt ausgeführt werden konnten. DiesesWerk stellt den Interpreten vor übermenschlicheSchwierigkeiten. Eine Liveaufführung lässt sichüberhaupt nur mit Hilfe einer zuvor angefertigtenTonaufnahme und bei sorgfältigster Planung desspielbaren Stoffs, der nur Teile des Gesamtwerksumfasst, bewerkstelligen. Wegen der Dichte derpro Sekunde zu spielenden Töne und der Vielzahlder vorgegebenen Instrumentenwechsel wirdder Vortrag einzelner Passagen für den Solistenlive ohnehin zu einer unmöglich zu lösendenAufgabe. Wie das Ensemble diese Probleme be-wältigte, ist auf HUN 531847 nachzuvollziehen.

Stets bleibt Cagebei seinen Prinzipien:die wichtigste musika-lische Erfahrung ist fürihn das Hören in dieStille und in der Stille.Töne sind für ihn (nacheiner Definition HenryDavid Thoreaus) „Bla-sen auf der Oberflächeder Stille.” LauschenSie also der Stille...

A. RainerHC

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1847

John Cage

Von Schlegeln und Käuzen Amadinda Percussion Group spielt Cage

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Die gebürtige Tartarin Sofia Gubaidulinawird heute neben Schnittke undDenisov zu den führenden Vertreternder Neuen Musik aus der ehemaligen

Sowjetunion gerechnet. Seit 1992 lebt sie in derNähe von Hamburg, ist Mitglied der Akademieder Künste Berlin, der Freien Akademie derKünste Hamburg sowie der königlichen Musik-akademie Stockholm. Gubaidulina ist eine typi-sche Komponistin unserer Zeit, die, obwohl sieihre Herkunft aus dem russischen Kulturkreisnicht leugnet, sich Erkenntnisse der euro-päischen und amerikanischen Avantgarde fürihre Zwecke nutzbar macht. Typisch für sie istdas nahezu vollständige Fehlen absoluter Musik.In ihren Werken gibt es fast immer etwas, dasüber das rein Musikalische hinausgeht. Dieskann ein dichterischer Text sein, der Musikunterlegt oder zwischen den Zeilen verborgenist, ein Ritual oder irgendeine instrumentale„Aktion”. Einige ihrer Partituren zeugen vonihrer Beschäftigung mit mystischem Gedanken-gut und christlicher Symbolik.

Beim schwedischen Label BIS, auf demGubaidulina bereits gut vertreten ist, sind ge-rade zwei schöne Beispiele für diesen kom-positorischen Ansatz erschienen: Auf BIS-SACD-1449 spielt Sharon Bezaly das neue, ihr gewid-mete Flötenkonzert „The Deceitful Face of Hope

and of Despair”, und der Cellist Torleif Thedéensowie die Akkordeonistin Mie Miki sind dieSolisten in den „Sieben Worten für Cello, Bayanund Streicher”. Begleitet werden sie von denGöteborger Symphonikern unter Mario Venzago.

Wie drücken sich „Hoffnung und Verzweif-lung” im einsätzigen Flötenkonzert nun aus? DieKomponistin sagt dazu, dass sie als Mittel musi-kalisch-akustische Tatsachen genutzt hat. Sie spieltmit den Kombinations- und Summationstönen,die Intervalle erzeugen. Tiefe Differenztöne z.B.werden nicht mehr als Klang, sondern nur nochals Pulsieren wahrgenommen. Konsequent wirddas Klanggewebe des Werkes beschleunigt (Hoffnung) und verlangsamt (Verzweiflung) – espulsiert. Eine ungeheuer spannende musikali-sche Erfahrung für den Zuhörer. In den „SiebenWorten” begibt sich Gubaidulina auf die Fährtenvon Schütz und Haydn. Sie übersetzt die Thema-tik in rein klangliche und instrumentale meta-phorische Gesten und schöpft dabei aus denreichhaltigen klanglichen Voraussetzungen, diesowohl die Soloinstrumente wie auch dasStreichorchester mitbringen. Das siebensätzigeWerk ist zwar voller Symbolik, aber alles andereals artifiziell – ein sehr persönliches, emotiona-les Glaubensbekenntnis. Und darüber hinausliegt hier eine unmittelbar berührende, aberauch einfach spannende SACD vor. A. Rainer

BIS-SACD-1449

Sofia GubaidulinaMusikalische

Glaubensbekenntnisse

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„Nicht alle wissen, dass Paganiniauch ein Gitarrist ersten Ran-ges war, da er es nicht für derMühe wert hielt, sich vor Publi-

kum als solcher zu produzieren” schrieb derSchweizer Komponist Franz Xaver Schnyder vonWartensee (1786-1868) in seinen Memoiren.Kaum einer der Biographen scheint sich ernst-lich mit Paganini als Gitarristen auseinanderge-setzt zu haben, was in Anbetracht der Fülle derKompositionen mit Gitarre (es existieren allein15 Quartette für Gitarre und Streichtrio!) sehrverwundert. Man hielt sich meist an eine Anek-dote, der zufolge Paganini als junger Mann dieJahre 1801-1804 in der Abgeschiedenheit einesLandsitzes einer „Dame von hoher Herkunft”verbrachte, der zuliebe er das Gitarrespielerlernt haben soll… Fest steht hingegen, dass das erste Instrument, welches Paganini als Kind in die Finger bekam, nicht etwa eineGeige, sondern eine Mandoline gewesen ist, dieer von seinem Vater geschenkt bekommen hatte.

Der gitarrentechnischen Schwierigkeit derWerke für Gitarre nach zu urteilen, muss Paganini das Zupfinstrument ähnlich virtuos beherrscht haben wie die Geige. „Er spielt dieGitarre so, wie er die Violine beherrscht, undsingt auch, wenn er mit Freunden zusammen ist, auch wenn singen nicht seine Stärke ist. Er hat eine Stimme wie ein rostiger Wasserhahn.”schrieb der Archäologe Boucher de Perthes 1810in einem Brief. Diese Worte Bouchers ermögli-chen uns einen – vielleicht überraschenden –Blick auf den Menschen Niccolò Paganini, istdoch das Bild des 1782 als Sohn eines Hafen-arbeiters in Genua geborenen Virtuosen bis inunsere Tage hinein überschattet vom Klischeedes „Teufelsgeigers” der, gleich heutigen Pop-

stars, in den Konzertsälen Europas Massen-hysterien unter seinen Zuhörern auslöste. DerMensch Niccolò Paganini verbarg sich schon zuLebzeiten hinter derMaske des dämoni-schen Virtuosen, demeinige seiner Zeitge-nossen nachsagteneinen Pakt mit demTeufel geschlossen zuhaben, welcher ihm imTausch für seine Seeledie vollendete Be-herrschung der Geige geboten haben soll.„Wenn Paganinis gespensterhafte Gestalt dieVioline ergriff und den Bogen auf die Saiten sau-sen ließ, so spann der die Gefühlsfäden seinerHörer in eine andere Welt hinüber, in ein nebel-haftes Geisterreich, bis jeder Hörer sich selbst füreinen Geist hielt” schrieb 1836 der Rezensentder Genueser „Mitternachtszeitung”. Dochschon vier Jahre zuvor schreibt Paganini ineinem Brief an seinen Freund Germi: „Die elek-trischen Spannungen, die ich spüre, wenn ichmich der magischen Harmonieaussetze, schaden mir entsetz-lich… Ehrlich gesagt tut es mirleid, dass überall verbreitetwird, ich wäre vom Teufel be-sessen…”. Die Strapazen derKonzertreisen sowie die in seinenletzten Lebensjahren stark zu-nehmenden Anfeindungen durchdie Presse bringen den gesund-heitlich ohnehin labilen Musikermehrfach an den Rand des physi-schen wie psychischen Abgrunds.

In der Kammermusik hinge-gen lässt der Komponist nichtsvon den Schwierigkeiten des Le-bens merken, denn hier hört mandie reine Lust am Melos wie amfreien Musizieren, hier beweistder Maestro seinen musikalischeErfindungsreichtum. In der neuvorliegenden Aufnahme Vol II

Der „Teufelsgeiger” als KammermusikerWerke für Gitarre und Streicher von Niccolò Paganini

„Ehrlich gesagt tut es mir leid, dass überallverbreitet wird, ich wärevom Teufel besessen…”

(Niccolò Paganini an seinen Freund Germi im Jahr 1832)

widmet sich das Offen-burger Streichtrio (FrankSchilli, Violine /Rolf Schilli,Viola /Martin Merker, Vio-loncello) im Jahr seines

25jährigen Bestehens gemeinsam mit GitarristSiegbert Remberger dem ersten und letzten derGitarrenquartette Paganinis sowie dem 1833entstandenen Terzett D-Dur für Gitarre, Violineund Violoncello. Zählt das erste Quartett zu denwenigen noch von Paganini selbst edierten Wer-ken, so zeichnet sich das letzte durch eineBesonderheit aus: Hier übernimmt die Violastatt der Geige die Führung, was dem Werk nichtnur einen besonderen Reiz verleiht, sondern es in der Literatur einzigartig dastehen lässt.

Eine Hommage an seinenFreund Rossini und anseine geliebte italienischeHeimat! Martin Kremer

Niccoló Paganini Vol IIQuartett a-Moll Nr. 1 Terzett D-Dur Quartett a-Moll Nr. 15Offenburger StreichtrioSiegbert Remberger, Gitarreamb 96 899

Niccolò Paganini Terzetto concertante D-Dur Cantabile für Violine und Gitarre Quartetto E-Duramb 97 977

Erhältlich im Fachhandel (Vertrieb Musikwelt Münster) www.ambitus.de

Siegbert Remberger

Offenburger Streichtrio

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12 AUSGABE 2006/2

Johann Wenzel Kalliwoda repräsentiert böh-mische Bläserkunst par excellence. Das Pro-gramm dieser Einspielung: Ouvertüre, zweiKonzertstücke und eine ausgewachsene

Symphonie, natürlich mit Solisten, deren unver-gleichliche Tonkultur diesen Wiederentdeckungenihren besonderen Stellenwert in der abendlän-dischen Musikkultur sichern: Dieter Klöcker undRadovan Vlatkovic, begleitet von den HamburgerSymphonikern unter Johannes Moesus.

Johann Wenzel Kalliwoda (1801-1866) stu-dierte zunächst in seiner Geburtsstadt Prag Vio-line und Komposition, konnte dann schon imAlter von 21 Jahren die Leitung der Hofkapellein Donaueschingen übernehmen. Von hier ausunternahm der junge Virtuose zahlreiche Kon-zertreisen, die ihn in die bedeutendsten euro-päische Musikzentren führten.

Kalliwoda steht zwischen Beethoven undSchumann: Der ausgesprochen produktive Hof-kapellmeister wählt zu Beginn des 19. Jahrhun-derts seinen eigenen Kompositionsweg, der von

Aktuelle Einspielungen:Hamburger Symphoniker Johannes Moesus, Ltg.

Johann Wenzel KalliwodaSymphonie Nr. 3 op. 32,Ouvertüre Nr. 12 op. 145,Introduktion und Rondo für Horn und Orchester op. 51,Introduktion und Variationen für Klarinette und Orchester op. 128Dieter Klöcker, Klarinette, Radovan Vlatkovic, HornMDG 329 1387-2

Friedrich Witt (1770-1836)Sinfonie Nr. 6 + 9, Flötenkonzert G-DurSusanne Barner, FlöteMDG 329 1299-2

Antonio Rosetti (1746-1792)Sinfonien in D-Dur, Symphonie concertante,OboenkonzertMDG 329 1036-2

Antonio Rosetti (1746-1792)Flötenkonzert, Symphonie „La Chasse“,Sinfonien in D-Dur und B-Dur,Susanne Barner, FlöteMDG 329 1164-2

der klassischen Form der ersten Wiener Schulezur singenden Romanzenform der Frühroman-tik findet. Kalliwodas sinfonische Palette weistwunderbare Farben auf: lyrisch-beschaulicheMelodien, Sturm-und-Drang-Dramatik sowieherrliche, choralhafte Orchestertutti.

Auch formal beschreitet Kalliwoda Neuland:So erklingt das Hauptthema seiner Sinfonie

nicht nur im ersten, sondern markiertmusikalische Höhepunkte überraschen-

derweise auch im langsamen und im letzten Satz. Es soll sich übrigens

um eine „Erfindung” seiner Sprösslin-ge handeln, die diese ungewöhnliche5-Tonfolge am Klavier immer wieder-

holt hätten. Dass hierbei die Tonalitätkühn verlassen wird, scheint diese Anek-

dote fast zu belegen. Tatsache ist, dass diesesfast orientalisch anmutende Thema der Sinfonieein ganz besonderes Gepräge gibt.

Kalliwodas böhmische Herkunft ist in seinerMusik auf Schritt und Tritt spürbar: sei es im

Johann Wenzel Kalliwoda Böhmische Kalligraphie…

Aktuelle Konzerte:

10. - 18.06.2006 Rosetti-Festtage im Ries www.rosetti.de

Menuetto der 3. Symphonie, das von slawischenTänzen aus seiner Heimat beeinflusst zu seinscheint, sei es im Höhepunkt des Finalsatzes,der harmonisch deutlich osteuropäisch einge-färbt ist. Grandios: das ländlich schwingendeThema des Konzertrondo für Horn und Orche-ster, in dessen Partitur Kalliwoda die virtuosenMöglichkeiten des modernen Ventilhorns mitgroßer Wirkung ausschöpft.

Dieter Klöcker – der Grand Seigneur derKammermusik für und mit Klarinette – und derHornist Radovan Vlatkovic gehören zu denführenden Interpreten ihrer Generation. DieHamburger Symphoniker haben an der Seitevon MDG vielbeachtete CDs mit Werken vonRosetti, Woyrsch, Turina und Witt eingespielt.In Johannes Moesus finden die Symphonikereinen hochsensiblen, mitreißend arbeitendenDirigenten, dessen Klangsinn faszinierendeInterpretationen von Werken Mozarts, Haydnsund Rosettis hervorbrachte.

Joachim Thalmann

JohannesMoesus

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Johann Nepomuk HummelKlavierkonzert A- Dur u.a.London Mozart PlayersHoward ShelleyCHAN 10374 / Codaex

Es gibt wohl momentan keinen Mu-siker, der sich so intensiv um JohannNepomuk Hummel (1778-1837) be-müht, wie Howard Shelley. Nun legt derPianist und Dirigent bei Chandos seineachte Aufnahme mit Werken des Kompo-nisten vor. Hummel zählte zu den renom-miertesten Musikern seiner Zeit. Frühvon Mozart unterrichtet, reiste er alsumjubeltes Wunderkind mehrere Jahredurch ganz Europa, bis er nach Wienzurückkehrte, um dort seine Studien, u.a. bei Salieri, fortzusetzen. Ab 1804hatte er – tatkräftig von Joseph Haydnunterstützt – für sieben Jahre die Stelleeines Konzertmeisters der fürstlichenKapelle der Esterházy inne, 1816 wurdeer Kapellmeister in Stuttgart, ab 1819dann in Weimar (wo er auch starb).

Hummel pflegte daneben weiterhinseinen internationalen Ruf mit Konzert-reisen. Anlässlich einer Tournee nachParis und London Anfang der 1830erJahre schrieb er eine Reihe von Stücken.In „L'Enchantement d'Oberon” ist der Einfluss von Webers Oper „Oberon” un-verkennbar – die unterhaltsame „Fanta-sie” für Klavier und Orchester ist eine Reminiszenz an den Komponisten, derwenige Jahre zuvor in London gestorbenwar. Das Stück „Le retour à Londres” hin-gegen gibt einen anschaulichen Einblickin das Konzertwesen des frühen 19. Jahr-hunderts, als viele komponierende Vir-tuosen extra für ihre Tourneen Stücke mitTiteln wie „Rückkehr nach …” schrie-ben. Das Klavierkonzert in A-Dur reicht in Hummels Jugendjahre zurück undzählt zu seinen frühen Beiträgen zu dieser Gattung. Es dürfte um 1798 entstandensein. Das Konzert steht – in der Behand-lung des thematischen und harmonischenMaterials – deutlich unter dem Einflussseines Lehrers Mozart.

Gustav Mahler / Werner HenzeSinfonie Nr. 6 / Sebastian im TraumKönigliches Concertgebouw OrchesterAmsterdam, Mariss JansonsRCO 06001 2 Hybrid SACDs / Codaex

Mariss Jansons ist eine ausgewieseneMahler-Autorität: Bereits zweimal erhieltder Dirigent den renommierten „Interna-tionalen Gustav-Mahler-Schallplattenpreis”,besser bekannt als „Toblacher Komponier-häuschen”: 2002 für seine frischen unddetailreichen Interpretationen der erstenund neunten Sinfonie Mahlers (mit denOslo Philharmonics), im Jahr darauf füreine ähnlich flüssige und kontrapunk-tisch-aufgefächerte Live-Aufnahme derSechsten Mahlers mit dem London Sym-phony Orchestra.

HöchstesMahler-Glück

Der vorliegende Live-Mitschnitt vomHerbst 2005 präsentiert Jansons erneutmit Mahlers Sechsten – dieses Mal aufdem Eigenlabel des Königlichen Concert-gebouw Orchesters, dem er seit 2004 als Chefdirigent voransteht. Das Orchesterkann auf mehr als eine hundertjährigeMahler-Tradition zurückblicken: Mahlerselbst leitete im Jahr 1903 am Pult desOrchesters seine dritte Sinfonie, in denletzten Jahrzehnten legten seine Chefdiri-genten Bernhard Haitink und RiccardoChailly zwei hochgelobte Gesamtein-spielungen von Mahlers Sinfonien vor.Höchstes Mahler-Glück ist also vorpro-grammiert!

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Orchester & Konzert

Franz Schubert: Streichquartett„Der Tod und das Mädchen”(arr. von Gustav Mahler)Gustav Mahler: „Adagietto”Kiev Chamber OrchestraRoman Kofman, Ltg.MDG 901 1315-6 Hybrid-SACD

Das Kiev Chamber Orchestra unter derStabführung von Roman Kofman ruftGustav Mahlers geheime Leidenschaft inErinnerung: das Arrangieren von legendä-ren Musikwerken für Kammerorchester!

Klang-Highlightsmit höchster Popularität

Bei der Transkription von „Tod unddas Mädchen” handelte es sich nicht umden ersten Versuch Mahlers, ein Streich-quartett in einer Bearbeitung fürStreichorchester einem größeren Publi-kum vorzustellen: Bereits am 19. Novem-ber 1894 hatte er im Rahmen der „NeuenHamburger Subskriptionskonzerte” einenVersuchsballon gestartet und den Variatio-nen-Satz aus Franz Schuberts Streichquar-tett d-Moll orchestral aufgewertet. Diebeabsichtigte vollständige Bearbeitung desWerkes brachte er allerdings nicht überSkizzen hinaus. Auf diese griff das KievChamber Orchestra 100 Jahre später ein-fach zurück – und Mahlers Phantasiewurde Realität: ein Rausch in Streicher-klang...

Roman Kofmans Laufbahn begann ful-minant: Als Geiger avancierte er binnenkürzester Zeit zum Konzertmeister desKammerorchesters Kiew und ließ eineebensolche Blitzkarriere als Dirigent fol-gen. Seit 1978 leitet er eine Dirigenten-klasse am Tschaikowsky KonservatoriumKiew. Seit 2003 steht er an der Spitze derMusiker des Beethoven Orchesters Bonn,und nun profitiert in einer klangscharfenEinspielung auch „sein” Kammerorche-ster Kiew von der exzellenten Dirigier-technik des Ausnahmekünstlers.

Tastenmusik

Gioacchino RossiniKlavierwerke Vol. 6„Péchés de Vieillesse“Italienische ReminiszenzenStefan Irmer, KlavierMDG 618 1386-2

Kurioserweise entstanden Rossinis „Italienische Reminiszenzen” allesamt inParis, wo sich der Komponist 1855 mitseiner zweiten Frau niedergelassen hatte,um dort seinen Lebensabend zu verbrin-gen. Der König der Opera buffa genoss es,in der hektischen französischen Metro-pole italienische Lebensfreude vor seinemgeistigen Ohr vorbeiziehen zu lassen...

Viva la VespaDabei machte Rossini natürlich kei-

nen Bogen um die Themen Wein, Weibund Gesang: sei es in „Italienische Un-schuld – französische Einfalt”, sei es inder Canzonetta „La Venitienne”, in der ereine norditalienische Schöne portraitiert.Ein Höhepunkt: Rossini lässt in der„Tarantelle pur sang” eine neapolitani-sche „Vollblut-Tarantella” von einer vor-beiziehenden Prozession unterbrechen.Kaum zu glauben: Die von einemGlöckchen eingeleiteten, in süßen Har-monien schwelgenden Choralgesänge derProzession und die sich ständig steigern-den Drehfiguren des wilden Tanzes ent-springen derselben Feder...

Das Klavier setzt für den Kreativ-Vul-kan Rossini keine Instrumentalgrenzen:Rossini lässt Hirten mit der Zampogna,einer Art Dudelsack, auftreten und kom-biniert traditionelle Weihnachtsmusik mitakkordischem Gesang und diebischenElstern, die es auf das Klavierlamettaabgesehen haben...

Stefan Irmer verfügt über eine gerade-zu verblüffende Virtuosität, die allerdingsauch in den aberwitzigsten Passagen niezum Selbstzweck wird: Stets versteht esder jugendliche Pianist die RossinischenAlterssünden mit der gehörigen PortionWitz und Humor zu würzen.

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Conlon Nancarrow (1912-1997)Studies for Player PianoVol. 1: Nr. 1-12Bösendorfer-Ampico-SelbstspielflügelMDG 645 1401-2

Eines der pianistisch faszinierendstenKlangkapitel des 20. Jahrhunderts wirdneu aufgeschlagen: Die bahnbrechenden„Studies for Player Piano” des Amerika-ners Conlon Nancarrow liegen als Neuein-spielung vor. Schon bei der ersten vonfünf geplanten CDs überrascht MDG mitbisher nicht veröffentlichten Werken.

PhänomenaleAuferstehung

Nancarrow, 1912 in Arkansas geboren,passte von Anfang an in keine gängigeSchublade. Zuerst Jazz-Trompeter, studier-te er „ein wenig” am Konservatorium, umsich später immer als Autodidakt zu be-zeichnen. Mit 25 Jahren zog es ihn nachSpanien in den Kampf gegen die Faschisten.Nach seiner Rückkehr wurde er in denUSA nicht mehr heimisch und emigriertenach Mexiko. In dieser selbst gewähltenIsolation schuf Nancarrow ein grandiosesWerk für ein Instrument, das es eigent-lich gar nicht mehr gab: Selbstspielende Klaviere hatten sich längst überholt.

Dabei eröffnen die Werke des amerika-nischen Klangtüftlers völlig neue Klangwel-ten: 200 Anschläge pro Sekunde (!) sindnormal, schnellste Taktwechsel, unter-schiedliche Geschwindigkeiten in verschie-denen Stimmen, dazu feinst abgestimmteTemposkalen und Lautstärkesphären…

Die Neuaufnahme der „Studies” hätte esohne Jürgen Hocker nie gegeben: Der fana-tische Fan des amerikanischen Kompo-nisten war es, der Nancarrow immer wiederin Mexiko besuchte, er war es, der jahre-lang nach einem geeigneten Instrumentsuchte, der es restaurieren ließ, um dieNancarrow-Werke auf seinem eigenenBösendorfer-Ampico-Flügel erklingen zu las-sen. Eine mit größter Sorgfalt und klangli-cher Überlegenheit produzierte Einspielung,die gespannt auf die Fortsetzung macht.

Im Blickpunkt

Tastenmusik

Werke von Hosokawa, Ichiyanagi,Ishii, Fukushima, Kondo & YuasaAsiatische Klavier-AvantgardeJapan Vol. 1Steffen Schleiermacher, KlavierMDG 613 1385-2

Schleiermacher ist im wahrsten Sinnedes Wortes ein ausgezeichneter Pianist:Ungezählte Schallplattenpreise weisen ihn als Gipfelstürmer avantgardistischerKlaviermusik aus. Seine Einspielungengeben der Neuen Musik das, was ihrgebührt: Sensibilität, höchste Aufmerk-samkeit und Tiefgang.

Japanische Komponisten haben unssanft die Ohren für den zerbrechlichenNaturklang des fernen Ostens geöffnet.Heute sind die Kompositionen geradezuKlassiker der Neuen Musik. Alles begannmit der Sehnsucht, mindestens in Europaoder den USA studiert zu haben: Für fastalle japanischen Komponisten führte derKontakt mit der westlichen Musik zu-nächst zu einer Verarmung der National-kultur, bevor sie sich in den frühen 60erJahren zum ersten mal ausdrücklich zuihren Wurzeln bekannten.

Fernöstliche Blüten

Von da drehte sich der Wind der Kul-turen: Mit Feuereifer und großer Neugiersaugte die europäische Avantgarde dieneuen, sensiblen Klänge der japanischenGäste auf – sei es die religiöse Klangwelteines Kazuo Fukushima, der durch seinebuddhistischen Texte und Gesänge faszi-nierte, sei es die intensive Naturbeobach-tung eines Toshio Hosokawa...

Auch Joji Yuasas Musik griff gestischauf die geheimnisvoll geladene Atmosphäreseiner Heimat zurück. Toshio Ichiyanaginahm kurioserweise den Weg seines Vor-bildes Cage zum japanischen Zen-Buddhis-mus vorweg. Maki Ishii forderte die aktiveMitarbeit des Interpreten und erweitertedie Klangkompetenz des Pianisten aufGlockenspiel, Tamtam und Claves – genü-gend Stoff für Überraschungen...

14 AUSGABE 2006/2

Alfred CortotThe late recordings Vol. 2Alfred CortotAPR 5572 / Codaex

Der Franzose Alfred Cortot (1877-1962) war eine schillernde Persönlich-keit – ein fantasievoller Pianist und Frauenschwarm, Protegé von Gabriel Fauréund Buchautor, in Deutschland lange Zeitals „bester Schumann-Interpret” gehan-delt und ein begeisterter Wagnerianer,der extra das Dirigieren lernte, um inParis die erste „Götterdämmerung” her-auszubringen. Cortot zählt zu den größtenPianisten des 20. Jahrhunderts. Seine Vor-liebe galt vor allem der Romantik, beson-ders der Musik Chopins, Schumanns,Mendelssohns, Liszts und anderen, derenWerke er in den „Editions de travail” mitwertvollen Kommentaren zur Spieltechnikund Interpretation herausgab. Wie anderelegendäre Virtuosen der Schallplatten-Frühzeit, so kannte auch Cortot keinenäußerlichen Perfektionsdrang. Inspira-tion und Klangzauber waren ihm wichti-ger als Noten- und Werktreue.

RomantischesVirtuosentum

Dieses „romantische Virtuosentum”ist auch bei den vorliegenden Aufnahmenzu erleben, die nach dem Zweiten Welt-krieg entstanden – und damit in jener Zeit,in der Cortot wegen seines allzu freienUmgangs mit dem Notentext von bösenZungen den Beinamen „König der Falsch-spieler” erhielt. Unbestreitbar gibt es eini-ge weniger gelungene Aufnahmen, dochim richtigen Repertoire war Cortot nochimmer zu außergewöhnlichen Interpreta-tionen fähig: so etwa in den hier vorlie-genden Aufnahmen aus den Jahren 1947bis 1949 mit dem vollständigen erstenBuch von Debussys „Préludes” und einerReihe von Zugabestücken, die noch ein-mal eindrucksvoll Cortots immens farbi-ges, sangliches und empfindungsreichesKlavierspiel in den Spätsommertagen seines Lebens dokumentieren.

György KurtágJatekokGabor CsalogMarta & György KurtágBMC 0123 / Codaex

György Kurtág (geb. 1926), nebenGyörgy Ligeti der bedeutendste ungari-sche Komponist nach 1945, gilt heute alsSäulenheiliger der zeitgenössischen Mu-sik Ungarns. Was er schreibt, ist knapp,präzise charakterisierend, originell, bis-weilen kauzig und selbst in seiner kargenStruktur ausgesprochen bildhaft.

Knapp, präzise und originell

Jedes seiner Werke wird getragen voneinem dramatischen Impuls, der aus derVerdichtung entsteht: so als enthalte jederKlanggestus einen musikalischen Kosmosin sich. Seit Ende der 1970er Jahre ver-öffentlicht Kurtág Band für Band ein Kompendium von Klavierstücken (nichtnur) für Anfänger: „Jatekok”, zu deutsch„Spiele” für Klavier, ist eine Sammlungkleiner bis kleinster Klavierstücke fürzwei oder für vier Hände an einem oderzwei Klavieren.

Den besonderen Reiz dieser wun-derbaren Klaviersammlung macht das Wechselspiel zwischen geradezu primitivwirkenden Klanggesten und hochkomple-xen Strukturen, zwischen kontemplativen,fein ausgehorchten Tongebilden undwitzigen, fast wie hingewischt erscheinen-den Melodiefetzen oder Techniken aus.Auf der vorliegenden Aufnahme präsen-tieren Kurtág zusammen mit seiner FrauMarta und Gabor Csalog einen außer-ordentlichen Klavierreigen mit über 50 Stücken – Mini-Stationen auf ver-schlungenen Pfaden, ernste und skurrileKlanggedankenspiele, ein Labyrinth zuzwei und vier Händen, das den Hörer mit einer zauberhaften Vielfalt von Stilenund Techniken, poetischen Inhalten,Klangfiguren und bildhaft-musikalischen Assoziationen verführt.

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Robert Schumann Klavierquintett op. 44Felix Mendelssohn-BartholdyMusik zu Shakespeares„Ein Sommernachtstraum”Alliage QuartettJang Eun Bae, KlavierMDG 603 1396-2 CD MDG 903 1396-6 Hybrid-SACD

Stellen Sie sich vor: Eine Pianistin undein Saxophon-Quartett spielen Schumannund niemand vermisst die Streicher…Kein Problem, denn die Solisten von„Alliage” bürgen ganz einfach für höchsteQualität. Mit dieser Veröffentlichung las-sen sie vertraute und geliebte Werke derRomantik in fremder Gestalt völlig neuerklingen. Manch gestandenes Streicher-ensemble verblasst vor Neid, wenn esdem Klavierquintett op. 44 von RobertSchumann und Felix Mendelssohn-Bartholdys Musik zu Shakespeares „Som-mernachtstraum” in diesem überraschen-den Klanggewand begegnet!

Das Jahr 1843 spielt eine große Rollein der Musikgeschichte. Es ist das Jahr, indem Adolphe Sax sein neues Instrumentzum Patent anmeldete. Es ist das Jahr, indem Robert Schumanns Klavierquintettop. 44 erstmals erklang. Und es ist dasJahr einer ganz besonderen Theater-aufführung in Potsdam: William Shakes-peares „Sommernachtstraum” wurde begleitet durch die für diesen Anlass neu geschaffene Musik eines gewissenMendelssohn-Bartholdy.

Die Verschmelzung von Alt und Neu,von Tradition und Modernem, steckt auchim Namen „Alliage”, eine Anspielung aufdie feine Legierung, aus der das Saxo-phon besteht. Die innige Symbiose vonKupfer und Zink eröffnet den fünf Musi-kern um Daniel Gauthier eine unglaubli-che Spielkultur, die die Frage nach derAuthentizität des Arrangements gar nichterst aufkommen lässt.

Kammermusik

AUSGABE 2006/2 15

Anton Diabelli (1781-1858)GitarrenduosVariationen op. 57Grande Serenade op. 100Ouverture e Arie del operaLa gazza ladra op. 8Johannes Tappert,Thomas Müller-Pering, GitarrenMDG 603 1389-2

Man nehme eine italienische DiebischeElster, schneide die besten Stücke herausund schaffe ein neues Werk. Nach diesemRezept ist Anton Diabelli vorgegangen, alser die Ouvertüre und die wichtigsten Arienaus der Rossini-Oper „La gazza ladra” fürzwei Gitarren arrangierte. Rücksicht aufmusikalische wie technische Grenzen nahmer dabei nicht. Er wollte das wiedergeben,was er im Original vorfand: virtuoseGesangspartien, schnelle Orchesterpassa-gen und am Beginn den Trommelwirbel...

DiebischerDiabelli

In Wien finden die Arrangements derpopulären Kompositionen ein dankbaresPublikum. Hier ist Diabelli bald auch dergeachtete Verleger, der z.B. Schuberts Wer-ke erstmals veröffentlichte. Aber auch inseinen zahlreichen eigenen Werken über-rascht Diabelli, durch originelle Einfälle:In der Serenade op.100 notiert er kleineStichnoten als Echo-Effekte und führt da-mit die Dynamik bis in die Extreme: Dia-belli muss bereits zu seiner Zeit in Wienhervorragende Gitarristen gekannt haben,die solche Vorgaben umsetzen konnten.

Es ist ein großes Glück, dass zwei original Biedermeier-Instrumente fürdiese Einspielung zur Verfügung standen,um dann auch noch von so hervorra-genden Musikern wie Johannes Tappertund Thomas Müller-Pering gespielt zuwerden. Höchst beeindruckend schonallein der berühmte Trommelwirbel…

George Onslow (1784-1853)Streichquintette op. 38 & 67Quintett Momento MusicaleMDG 603 1390-2

Schon die ersten beiden Einspielun-gen der jungen Shootingstars aus Leipzigund Halle wurden hoch gelobt. Nun setzt das Quintett Momento Musicaleseine Qualitätsoffensive fort – und dasmit einem Werk, das beinahe unvoll-endet geblieben wäre…

VolltrefferMitten in der Arbeit an op. 38 ereilte

George Onslow 1829 ein schrecklicherUnfall. Unweit von Château-sur-Alliertrifft ihn ein Gewehrschuss eines Jagd-freundes mitten ins Gesicht. Im Fieber-wahn und mit letzter Kraft komponiert er das „Délire” (Delirium) als erstenTeil des mit „Dolore” (Schmerzen) beti-telten Menuetts… Glücklicherweisekann er später die anderen Teile seinesWerkes hinzufügen, die die fortschrei-tende Genesung noch heute deutlichspüren lassen.

„Ich bin gerade dabei, ein besonde-res Quintett für den viersaitigen Kontra-bass zu komponieren”, schreibt GeorgeOnslow 1843 in einem Brief. Er arbeite-te damals an Opus 67, das dem Kontra-bassisten Achille Gouffé gewidmet ist. In diesem Werk ersetzte der Komponistdas zweite Violoncello durch den Bass,um die Instrumente klanglich besserabzustufen. Damit sprengte er den bisdahin üblichen kammermusikalischenRahmen und gab dem Streichquintetteine orchestrale Dimension, die dasQuintett Momento Musicale mit hörba-rem Vergnügen präsentiert.

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Jugend und Intellekt:Jakub Hrusa

Codaex Deutschland GmbHLandsberger Straße 492, 81241 Mü[email protected]

Supraphon a.s., Palackého 1, 112 99 Prague 1, Tschechische Rep., Tel.: +420 221 966 609www.supraphon.com, [email protected]

Trotz seiner Jugend lässt sich JakubHrusa (* 1981) durch Können undIntellekt in die Reihen seiner ehrwür-digen und alt gedienten Kollegen ein-ordnen. Als Schüler von Jiri Belohlavek,Radomil Eliska und Leos Svarovskyschloss er bereits 2004 sein Studiuman der „Prager Akademie der musi-schen Künste” mit der Aufführungvon Franz Suks „Asrael” ab. Noch im selben Jahr begann er sein Promo-tionsstudium bei seinem geschätztenMentor Belohlavek.

Schon als Gymnasiast widmete sichHrusa dem Dirigieren und lernte zeit-gleich Klavier und Posaune. Im Jahr2000 nahm er am internationalenDirigentenwettbewerb des „PragerFrühlings” teil, wo er eine ehrenvolleAnerkennung der Jury sowie zwei wei-tere Auszeichnungen für den jüngstenund für den erfolgreichsten tschechi-schen Kandidaten erhielt. Es folgtenmehrere Aufführungen mit namhaftenOrchestern wie den Prager Symphoni-kern, dem Talich-Kammerorchester,der Staatsphilharmonie Brünn sowieeine feste Anstellung als Chefdirigentder Martinu-Philharmonie Zlín. Fer-ner ist er Hauptdirigent der PragerKammerphilharmonie und Assistentvon Myung-Whun Chung, dem Chef-dirigenten des Orchestre Philharmoni-que de Radio France.

Für sein CD-Debüt bei Supraphon(SU 3867) hat Jakub Hrusa dreiWerke Dvoraks (Tschechische Suiteop.39, Polonaise und Walzer op.54)zusammen mit der Prager Philharmo-nie eingespielt.