ArterielleGefäßsteifigkeit– UrsachenundKonsequenzen · Übersichten...

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Übersichten Kardiologe 2016 · 10:38–46 DOI 10.1007/s12181-015-0041-5 Online publiziert: 4. Februar 2016 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 T. Mengden 1 · M. Hausberg 2 · C. Heiss 3 · A. Mitchell 4 · U. Nixdorff 5 · C. Ott 6 · A. Schmidt-Trucksäss 7 · S. Wassertheurer 8 1 Excellence Centre European Society of Hypertension, Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim, Deutschland 2 Med. Klinik I, Allgemeine, Innere Medizin, Nephrologie, Rheumatologie, Pneumologie, Städtisches Klinikum Karlsruhe, Karlsruhe, Deutschland 3 Sektion Angiologie, Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie, Univ.-Klinikum Düsseldorf, Düsseldorf, Deutschland 4 Med. Klinik I, Allg. Innere Medizin/Nephrologie, Marienhospital Herne, Univ.-Klinikum der Ruhr-Universität Bochum, Herne, Deutschland 5 European Prevention Center – EPC Düsseldorf und Kardiologische Privatpraxis, Medical Center Düsseldorf („Grand Arc“), Düsseldorf, Deutschland 6 Nephrologie und Hypertensiologie, Univ.-Klinikum Erlangen, Erlangen, Deutschland 7 Bereich Sport- und Bewegungsmedizin, Institut für Sport- und Sportwissenschaft, Universität Basel, Basel, Schweiz 8 Health & Environment Department, Biomedical Systems, AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Wien, Österreich Arterielle Gefäßsteifigkeit – Ursachen und Konsequenzen Empfehlungen der Deutschen Hochdruckliga e. V. DHL ® – Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention Die bildgebende und funktionelle Unter- suchung des arteriellen Gefäßsystems hat in den letzten Jahren in der kardiovasku- lären Prävention zunehmend an Bedeu- tung gewonnen. Neben dem Knöchel- Arm-Index, der Wandanalyse der Karo- tidenoderderMessungderendothelialen Funktion spielt die Messung der arteriel- len Gefäßsteifigkeit eine immer größere Rolle für die kardiovaskuläre Prävention. Im Jahr 2007 wurde die Messung der ar- teriellen Gefäßsteifigkeit erstmalig in die Leitlinien der Europäischen Hochdruck- gesellschaſt aufgenommen [1]. Die arterielle Elastizität oder Dehn- barkeit (das Gegenteil von Steifigkeit) wird definiert als relative Volumenän- derung bezogen auf Änderungen des Drucks [2]. Die Autoren für die Kommission Vaskuläre Struk- tur und Funktion der Deutsche Hochdruckliga e.V. Elastizität (Dehnbarkeit)= δV V δp Physiologisch ist jede Druckänderung in einer Arterie mit korrespondieren- den Änderungen der Wandspannung und damit Änderungen der lokalen und regionalen Elastizität verbunden. Die Steifigkeit der Aorta hängt demzufolge auchbeiGefäßgesundenzunächsteinmal vom jeweiligen intraluminalen Druck ab, was entsprechende Konsequenzen für Diagnostik und erapie hat. Die intakte Elastizität der Aorta ist eine essenzielle Voraussetzung für eine normale Windkesselfunktion der Aorta. Sie sorgt dafür, dass der pulsatile Fluss auch in der Diastole ausreichend Organ- perfusion gewährleistet Pathophysiologisch ist eine zuneh- mende aortale Steifigkeit u. a. durch eine Fragmentierung des Elastins, Einbau von Kollagen und Kalzifikation der Aor- ta charakterisiert. Es kommt zu einer zunehmenden Verlagerung der reflektie- renden Pulswelle in die Systole. Klinisch kann hieraus das Bild der isolierten sys- tolischen Hypertonie (ISH) entstehen, die durch eine steife Aorta, eine hohe Blutdruckamplitude sowie niedrig nor- male diastolische Werte charakterisiert ist (Übersicht bei [3]). Ziel dieses Positionspapiers ist es, den aktuellen wissenschaſtlichen Stand zum ema „arterielle Gefäßsteifigkeit“ dar- zustellen. Darüber hinaus wird die kli- nische Relevanz für diagnostische und therapeutische Fragestellungen kritisch dargestellt. In den relevanten Datenbanken wie PubMed und Medline wurden relevante Originalstudien sowie Übersichtsarbei- ten mit dem Stichwort „Arterial Stiff- ness“ identifiziert. Aus diesen Arbeiten wurden die für den Kliniker relevanten Arbeiten durch die Autorengruppe iden- tifiziert und werden hier dargestellt. 38 Der Kardiologe 1 · 2016

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Übersichten

Kardiologe 2016 · 10:38–46DOI 10.1007/s12181-015-0041-5Online publiziert: 4. Februar 2016© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

T. Mengden1 · M. Hausberg2 · C. Heiss3 · A. Mitchell4 · U. Nixdorff5 · C. Ott6 ·A. Schmidt-Trucksäss7 · S. Wassertheurer81 Excellence Centre European Society of Hypertension, Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim, Deutschland2Med. Klinik I, Allgemeine, Innere Medizin, Nephrologie, Rheumatologie, Pneumologie, StädtischesKlinikum Karlsruhe, Karlsruhe, Deutschland

3 Sektion Angiologie, Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie, Univ.-KlinikumDüsseldorf,Düsseldorf, Deutschland

4Med. Klinik I, Allg. Innere Medizin/Nephrologie, Marienhospital Herne, Univ.-Klinikum derRuhr-Universität Bochum, Herne, Deutschland

5 European Prevention Center – EPC Düsseldorf und Kardiologische Privatpraxis, Medical CenterDüsseldorf („Grand Arc“), Düsseldorf, Deutschland

6Nephrologie und Hypertensiologie, Univ.-Klinikum Erlangen, Erlangen, Deutschland7 Bereich Sport- und Bewegungsmedizin, Institut für Sport- und Sportwissenschaft, Universität Basel,Basel, Schweiz

8 Health & Environment Department, Biomedical Systems, AIT Austrian Institute of Technology GmbH,Wien, Österreich

Arterielle Gefäßsteifigkeit –Ursachen und KonsequenzenEmpfehlungen der DeutschenHochdruckliga e. V. DHL® – DeutscheGesellschaft für Hypertonie und Prävention

Die bildgebende und funktionelle Unter-suchungdesarteriellenGefäßsystemshatin den letzten Jahren in der kardiovasku-lären Prävention zunehmend an Bedeu-tung gewonnen. Neben dem Knöchel-Arm-Index, der Wandanalyse der Karo-tidenoderderMessungderendothelialenFunktion spielt die Messung der arteriel-len Gefäßsteifigkeit eine immer größereRolle für die kardiovaskuläre Prävention.Im Jahr 2007 wurde die Messung der ar-teriellen Gefäßsteifigkeit erstmalig in dieLeitlinien der EuropäischenHochdruck-gesellschaft aufgenommen [1].

Die arterielle Elastizität oder Dehn-barkeit (das Gegenteil von Steifigkeit)wird definiert als relative Volumenän-derung bezogen auf Änderungen desDrucks [2].

DieAutoren fürdieKommissionVaskuläreStruk-tur und Funktion der Deutsche Hochdruckligae.V.

Elastizität (Dehnbarkeit) =δVVδp

Physiologisch ist jedeDruckänderungin einer Arterie mit korrespondieren-den Änderungen der Wandspannungund damit Änderungen der lokalen undregionalen Elastizität verbunden. DieSteifigkeit der Aorta hängt demzufolgeauchbeiGefäßgesundenzunächsteinmalvom jeweiligen intraluminalen Druckab, was entsprechende Konsequenzenfür Diagnostik und Therapie hat.

Die intakte Elastizität der Aorta isteine essenzielle Voraussetzung für einenormale Windkesselfunktion der Aorta.Sie sorgt dafür, dass der pulsatile Flussauch in der Diastole ausreichend Organ-perfusion gewährleistet

Pathophysiologisch ist eine zuneh-mende aortale Steifigkeit u. a. durch eineFragmentierung des Elastins, Einbauvon Kollagen und Kalzifikation der Aor-ta charakterisiert. Es kommt zu einer

zunehmendenVerlagerung der reflektie-renden Pulswelle in die Systole. Klinischkann hieraus das Bild der isolierten sys-tolischen Hypertonie (ISH) entstehen,die durch eine steife Aorta, eine hoheBlutdruckamplitude sowie niedrig nor-male diastolische Werte charakterisiertist (Übersicht bei [3]).

Ziel dieses Positionspapiers ist es, denaktuellen wissenschaftlichen Stand zumThema „arterielle Gefäßsteifigkeit“ dar-zustellen. Darüber hinaus wird die kli-nische Relevanz für diagnostische undtherapeutische Fragestellungen kritischdargestellt.

In den relevanten Datenbanken wiePubMed und Medline wurden relevanteOriginalstudien sowie Übersichtsarbei-ten mit dem Stichwort „Arterial Stiff-ness“ identifiziert. Aus diesen Arbeitenwurden die für den Kliniker relevantenArbeiten durch die Autorengruppe iden-tifiziert und werden hier dargestellt.

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a b

8

8,2

8,4

8,6

8,8

9

9,2

9,4

PWV

(m/s

)

0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

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0,8

0,9

1 2 3PWV (m/s)

p=0,73NS

p<0,05

Intim

a-M

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mm( ekci

D

Abb. 19 Intima-Media-Di-cke, Pulswellengeschwin-digkeit und Plaque-Kate-gorie der A. carotis. Es zeigtsich indenTertilenderPuls-wellengeschwindigkeit(PWV) keine Abhängig-keit der Steifigkeit (PWV)von der Intima-Media-Di-cke. Hingegen nimmt dieSteifigkeit (PWV)bei kalzifi-zierender Plaquebildungder Karotis (echoreichePlaques) vs. nicht kalzifizie-renden Plaques signifikantzu. (Modifiziert nach [4]).NSnicht signifikant

Elastin ElastinfragmentationElastinfragmentation

und Kalzifizierung

InflammationMechanischer Stress(z.B. arterielle Hypertonie)

GenetischeEinflüsse

Chronische Niereninsuffizienz

Abb. 28WichtigeDeterminantenderarteriellenGefäßsteifigkeit sindu.a.die Elastinfragmentation sowiedieKalzifizierungder großenArterien (Karotis, Aorta). Die arterielle Gefäßsteifigkeitwirdmöglicherweisemehr durch genetische Faktoren alsdurchUmwelteinflüsse bestimmt. Darüber hinaus spielenmechanischer Stress (Blutdruck) sowie Inflammation eine kausaleRolle bei der zunehmenden Elastinfragmentation sowie derMikro- undMakrokalzifikation der Aorta, die als Resultat dieserUmbauvorgänge zunehmend steiferwird und ihreWindkesselfunktion verliert. Besonders ausgeprägt sind diese Verände-rungen bei Patientenmit chronischer Niereninsuffizienz. (Modifiziert nach [5]

Ist die arterielleGefäßsteifigkeitein Marker der Atherosklerose?

Aufgrund der unabhängigen prognos-tischen Wertigkeit der arteriellen Ge-fäßsteifigkeit für kardiovaskuläre Er-eignisse wie ischämische Herzerkran-kung, Schlaganfall und Niereninsuf-fizienz wurde aus diesen Studien dieSchlussfolgerung gezogen, dass die arte-rielle Gefäßsteifigkeit ein Prädiktor für

atherosklerotische Gefäßerkrankungendarstellt. Die Atherosklerose ist jedocheine Erkrankung des Endothels, wo-hingegen die arterielle Gefäßsteifigkeitüberwiegend durch pathologische Ver-änderungen der Media im Sinne einerArteriosklerose charakterisiert ist. Wei-terhin spielt die Kalzifikation der Aortaeine wesentliche Rolle bei der Entwick-lung einer erhöhten Gefäßsteifigkeit.Andere potenzielle Einflussfaktoren wie

Remodeling der glatten Gefäßmuskelnder Aorta oder aortale Atherosklerosesind bislang unzureichend untersucht.

Hinweise auf eine unterschiedlicheGenese von Atherosklerose und arteriel-ler Gefäßsteifigkeit wurden in der UK-Twin Study bestätigt. Mit genetischenAnalysen, Steifigkeitsmessungen sowiebildgebenden Verfahren (Karotisultra-schall, CT, MRT) zeigte sich, dass einewesentliche Determinante der arteriel-

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Zusammenfassung · Abstract

Kardiologe 2016 · 10:38–46 DOI 10.1007/s12181-015-0041-5© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015

T. Mengden · M. Hausberg · C. Heiss · A. Mitchell · U. Nixdorff · C. Ott · A. Schmidt-Trucksäss · S. Wassertheurer

Arterielle Gefäßsteifigkeit – Ursachen und Konsequenzen. Empfehlungen der DeutschenHochdruckliga e. V. DHL® – Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention

ZusammenfassungDie Messung der aortalen Pulswellen-geschwindigkeit (aPWV) ist ein direktesMaß für die arterielle Steifigkeit der Aortaund beträgt bei normotensiven Gesundenaltersabhängig 4–9 m/s. Die aPWV besitztüber klassische kardiovaskuläre Risikofaktorenhinaus eine additive prädiktive Wertigkeit fürkardiovaskuläre Ereignisse. Eine Erhöhungder aPWV um 1 m/s ist mit einer Steigerungdes kardiovaskulären Risikos bis zu 15%verbunden. Die Unterscheidung zwischenkalzifizierender Arteriosklerose und nichtkalzifizierender Atherosklerose ist klinischwichtig. Aus dem Befund einer erhöhtenGefäßsteifigkeit kann nicht direkt auf das Vor-liegen einer Atherosklerose, wie z. B. koronareHerzerkrankung, geschlossen werden. AlsGoldstandard für die Messung der aortalen

Steifigkeit wird die Pulswellengeschwindigkeitzwischen Karotis und Femoralarterie ange-sehen. Bis weitere Studiendaten vorliegen,sollte bei Normotonie eine aPWV über 10 m/sals pathologisch betrachtet werden. Viele derbereits auf dem Markt angebotenen Gerätezur Messung der Gefäßsteifigkeit zeigeneine noch unzureichende Standardisierungbezüglich Messmethode und Messgenau-igkeit. Es sollte eine herstellerunabhängige,standardisierte Validierung gegen invasivenoder nichtinvasiven Goldstandard vorliegensowie eine in epidemiologischen und prog-nostischenStudien belegte additive prädiktiveWertigkeit. Das wichtigste Therapieziel bei derBehandlung der arteriellen Gefäßsteifigkeitist eine Normalisierung der Blutdruckwertegemäß aktueller ESH (European Society of

Hypertension)-Leitlinien. Aufgrund längerfris-tiger Einflüsse auf das vaskuläre Remodelingsind nach heutigem Stand vermutlichBlocker des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems am ehesten geeignet, eine über reineBlutdruckeffekte hinausgehendeWirkung aufdie Gefäßsteifigkeit zu erzielen. Inwieweiteine antihypertensive Therapie mit demZielparameter „Gefäßsteifigkeit“ sich darüberhinaus positiv auf harte kardiovaskuläreEndpunkte auswirkt, ist Gegenstand zurzeitlaufender Studien.

SchlüsselwörterAortale Pulswellengeschwindigkeit ·Normwerte · Messmethoden · Therapie ·Arteriosklerose

Arterial stiffness – Causes and consequences. Recommendations of the German Hypertension League(DHL®) – German Society of Hypertension and Prevention

AbstractMeasurement of the aortic pulse wavevelocity (aPWV) is a direct measure forthe arterial stiffness of the aorta and is4–9 m/s in normotensive healthy individuals,depending on age. In comparison to classicalcardiovascular parameters, the aPWV has anadditive predictive value for cardiovascularevents. An increase in the aPWV of 1 m/s isassociatedwith an increase in cardiovascularrisk of up to 15%. The differentiation betweencalcified arteriosclerosis and non-calcifiedatherosclerosis is clinically important. Thepresence of atherosclerosis, such as coronaryheart disease, cannot be directly deducedfrom a finding of increased vascular stiffness.The gold standard for measurement of aorticstiffness is considered to be the PWV betweenthe carotid and femoral arteries. Until the

results of further studies are available, anaPWV above 10 m/s should be consideredas pathological in normotensive individuals.Many of the instruments available on themarket for measurement of vascular stiffnessstill show an insufficient standardizationwith respect to the measurement methodand measurement accuracy. A standardizedvalidation against invasive or non-invasivegold standards should be available, indepen-dent of the manufacturer and an additivepredictive value confirmed by epidemiologicaland prognostic studies. The most importanttherapeutic aim of the treatment of arterialvascular stiffness is a normalization of bloodpressure values according to the currentEuropean Society of Hypertension (ESH)guidelines. Based on long-term influences

on vascular remodeling, according to thecurrent state of the art blockers of therenin-angiotensin-aldosterone system areassumed to be more suitable to achieveextended effects on vascular stiffness otherthan pure blood pressure effects. Whetherantihypertensive therapy with the targetparameter of vascular stiffness also has apositive influence on concrete cardiovascularendpoints, is the subject of currently runningstudies.

KeywordsAortic pulse wave velocity · Arteriosclerosis ·Normal values · Measurement methods ·Therapy

len Gefäßsteifigkeit die Kalzifizierungder großen Arterien (Karotis, Aorta)ist. Wandveränderungen ohne Kalzi-fizierung (echoarme Plaques) hattenhingegen keinen relevanten Einfluss aufdie Gefäßsteifigkeit (. Abb. 1; [4, 6]).

Bei der Versteifung der Aorta spielengenetischeFaktoren,mechanischerStress(Blutdruck),Niereninsuffizienz sowie In-flammationeinekausaleRolle.DieseFak-

toren führen zu einer Elastinfragmenta-tion sowie Mikro- und Makrokalzifika-tionen der Aorta, die als Resultat die-ser Umbauvorgänge zunehmend steiferwird und ihre Windkesselfunktion ver-liert (. Abb. 2).

Inwieweit die strukturellen und funk-tionellenVeränderungenderAortadarü-ber hinaus durch einfache Alterungspro-zesse bedingt sind, ist bislang nicht hin-

reichend geklärt – ein Aspekt, der in dieFrage mündet, ob die Grenze zwischenAlterung und Krankheit der Gefäße klargezogen werden kann.

Die Alterungsprozesse in der vas-kulären Media sind u. a. charakterisiertdurch Zunahme des Kollagen-, Abnah-me des Elastingehalts, Elastinfrakturen,Änderung der räumlichen Organisa-tion und mechanischen Interaktionen

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Abb. 38 aPrinzip derMessungder Pulswellengeschwindigkeit (cfPWV) zwischenA. carotis undA. femoralis. PWV=Distanz(D)/Transitzeit (TT ).b Beispiel für eine PWV-Messung bei einem antihypertensiv behandeltenHypertonikermit normalisier-temBlutdruck.Die Pulstransitzeit (TT ) beträgt 75ms, die geschätzteDistanz beträgt 496mm.Die cfPWVbeträgt also 6,6m/s.ZusätzlichkönnenüberdiePulswellederA. carotis ParameterderPulswellenreflexion,wiez.B. zentralerBlutdruck,berechnetwerden.MAP arteriellerMitteldruck, PP Blutdruckamplitude, BP Blutdruck,AixAugmentationsindex, SP Amp Pulsdruckam-plifikation (zentral-peripher)

von Elastin/Kollagen/glatten Muskel-zellen und schließlich Kalzifizierungen.Diese Alterungsprozesse könnten un-ter krankhaften Bedingungen, wie z. B.bei arterieller Hypertonie, Dyslipidämie,Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus,Bewegungsarmut, aber auch erhöhtemKochsalzkonsum beschleunigt werden.Man spricht vom akzelerierten Gefäßal-tern oder auch frühen vaskulären Altern(„early vascular ageing“, EVA). Frühesvaskuläres Altern geht u. a. einher miteiner zunehmenden Steifigkeit der Aortaund Verlust ihrer Windkesselfunktion.

Messmethoden

Die arterielle Gefäßsteifigkeit kann sys-temisch, regional oder lokal gemessenwerden (Übersicht bei [2] und [7]). Eineelegante Methode ist die Messung derlokalen Steifigkeit an der A. carotis, diez. B. im Rahmen einer Ultraschallun-tersuchung der Karotiden durchgeführtwerden kann. Mittels spezieller Echo-Tracking-Methoden und aus B-Bild-Se-quenzen können nichtinvasiv Änderun-gen des Gefäßdiameters in AbhängigkeitvonBlutdruckänderungenaufgezeichnetwerden [8]. Aus diesen lokal bestimm-ten Parametern können Parameter derGefäßsteifigkeit wie Dehnbarkeit, PWVundandereParameterder lokalenSteifig-keit bestimmt werden [2]. Der Nachteildieser Methode besteht darin, dass Ri-sikofaktoren für Gefäßschädigung, wie

z. B. Diabetes mellitus, unterschiedlicheAuswirkungen auf verschiedene Gefäß-regionen haben, sodass die lokal ander Karotis ermittelten Gefäßsteifig-keitsparameter nicht in jedem Fall diean der Aorta ablaufenden Änderungenreflektieren.

Die Gefäßsteifigkeit der Aorta selbstkann mit aufwendigen MRT-Methoden,aber auch mit Parametern der regiona-len Steifigkeitsmessung wie der aortalenPulswellengeschwindigkeit (aPWV) er-fasst werden. Die Messung der aPWVist ein direktes Maß für die Steifigkeitder Aorta [9]. Die PWV der Aorta wirdermittelt, indem die Distanz zwischen2 ausgesuchten Messpunkten durch dieZeit geteilt wird, die die Pulswelle vomersten bis zum zweitenMesspunkt benö-tigt. Die PWV errechnet sich dann nachfolgender Formel (. Abb. 3):

PWV =Distanz

Transitzeit

Normale PWVbetragen in der aszen-dierenden Aorta 4–5 m/s, in der abdo-minellen Aorta 5–6 m/s und in den Ilia-kal- und Femoralarterien ca. 8–9 m/s.Diese unterschiedlichen PWV ergebensich aus physiologischen Wandverände-rungen im Verlauf der Aorta und er-klären den „Steifigkeitsgradienten“ vonproximal nach distal.

Die PWVzwischen der A. carotis undder A. femoralis (cfPWV)wurde in zahl-reichen epidemiologischen Studien un-tersucht und zeigte einen unabhängigenprädiktiven Wert für die Vorhersage vonkardiovaskulären Ereignissen [10, 11].Mittels Mechanotransducer oder tono-metrischwerden hierbei Pulswellen überderA. carotis undA. femoralis abgeleitet,undausderZeitverzögerungüberdieDi-stanzwirddiePWVberechnet (. Abb.3).

Ein Nachteil derMethode ist, dass diewahre Distanz, die die Pulswelle in derAorta läuft, nicht bekannt ist und nur ge-schätzt werden kann [7]. Aus MRT-Stu-dienzurLängenberechnungderAortaer-gibt sich, dass dieWeglänge der Pulswellein der Aorta (D) aus der gemessenen Di-stanz zwischen Carotis und Femoralar-terie (cf-Distanz in mm) mit folgenderFormel abgeschätzt werden kann [7]:

D = cf–Distanz×,

Additive prädiktiveWertigkeitder arteriellen Gefäßsteifigkeitim Vergleich zu klassischenRisikofaktoren

Die unabhängige, additive prognosti-sche Wertigkeit der aPWV über klas-sische Risikofaktoren hinaus (wie z. B.Framingham-Risiko-Score) wurde in

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Übersichten

Abb. 48 Echo-TrackingderA.carotis communis.aMittelshochauflösendemUltraschallundB-Mode-basierterAnalyse derOszillationender arteriellenGefäßwand (sog. Echo-Tracking) könnendiediasto-lisch-systolischenWandbewegungender A. carotis communis bestimmtwerden. Die hieraus abge-leitete Pulswelle ist rotdargestellt.bUnter Kenntnis des Blutdrucks können aus der Druck-Diameter-Kurve der A. carotis communis lokale Steifigkeitsparameter, wie z.B. die Pulswellengeschwindigkeit(PWV), berechnetwerden. Im Beispiel zeigt sich eine PWVvon 5,7m/s. Es ist zu beachten, dass die soerrechnete lokale PWVnichtmit der cfPWVvergleichbar ist

mehreren Studien demonstriert [10, 11].Selbst wenn zu den klassischen Risiko-faktoren, wie z. B. Hyperlipidämie oderDiabetes, zusätzliche Parameter des Ge-fäßschadens wie Knöchel-Arm-Index,Intima-Media-Dicke der Karotis undBlutdruckamplitude zur Risikostratifi-zierung herangezogen werden, bleibtdennoch eine darüber hinausgehendeadditive, prädiktive Wertigkeit der PWVbestehen [10].

In 2 kürzlich publizierten Metaana-lysen mit bis zu 17 Studien und bis zu17.635Probandenwurdegezeigt, dassdieeinfacheMessung der regionalen, aPWVeine unabhängige, über die klassischenkardiovaskulären Risikofaktoren hinaus-gehendeprognostischeWertigkeitbesitzt[12, 13].

Inwieweitbei sehraltenPatientenüber80 Jahre mit vermutlich hoher Kalzi-fizierung und Gefäßschaden die PWV

noch eine prädiktive Wertigkeit besitzt,ist fraglich [14].

Normwerte

Die Diskussion, welche Normwerte fürPraxis und Klinik bei individuellen Pa-tienten herangezogen werden, ist zurzeitwissenschaftlich noch nicht komplett ab-geschlossen.

Aktuelle Empfehlungen gehen dahin,für die carotid-femorale Pulswellenge-schwindigkeit (cfPWV) einen altersun-abhängigen Grenzwert von 10 m/s fest-zulegen [7]. Der zumZeitpunkt derMes-sungderPWVherrschende Systemdruckmuss bei der Interpretation immer mitberücksichtigt werden, da der transmu-rale Druck und damit die transmuraleWandspannung eine wesentliche Deter-minante für die Gefäßsteifigkeit und da-mit die PWV darstellt. Darüber hinausist die PWV auch altersabhängig, wasmit Remodeling-Vorgängen in der Aortaund einem daraus resultierenden Elasti-zitätsverlust erklärbar ist. Die nichtlinea-re Beziehung zwischen Druck und PWVverläuftbeimÄlterenaufgrundeinerstei-ferenAorta steiler als beim Jüngeren [15].

Für praktische, klinische Erwägun-gensollendieZusammenhängezwischenBlutdruck und PWV exemplarisch an2 Patienten mit unterschiedlichem Altermodellhaft dargestellt werden (. Tab. 1).

Diese Zusammenhänge zwischenGefäßsteifigkeit (PWV), Blutdruck undAlter sind insofern von großem kli-nischem Interesse, da eine PWV über10 m/s vor Kurzem in den Leitlinien derEuropäischen Hochdruckliga als zusätz-licher Endorganschaden aufgenommenwurde. In unserem oben genanntenBeispiel würde bei der Berechnung deskardiovaskulären Risikos die erhöhtePWV als zusätzliches Risiko bewertet,obwohl die Erhöhung der PWV beiunserem 65-jährigen Beispielpatienteneinzig vom aktuellen Blutdruck abhängt.Ähnliche Überlegungen gelten in dieandere Richtung für eine antihyperten-sive Therapie, die in Abhängigkeit derBlutdrucksenkung kurzfristig zu einerdeutlichen Reduktion der PWV führenkann, ohne dass dadurch die intrinsi-schen, elastischen Gefäßeigenschaftenwesentlich verändert werden [15].

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Tab. 1 Exemplarischer Zusammen-hang zwischen Blutdruck und Pulswellen-geschwindigkeit (PWV) bei 2 Patienten

Alter

40 65

Blutdruck PWV PWV

120/80mmHg 7m/s 9 m/s

160/90mmHg 8m/s 11 m/s

Eine kürzlich publizierte Metaanalyseerrechnete alters- und blutdruckabhän-gige Normwerte für die aPWV [16]. Al-tersadjustierte Perzentilen für die PWV(analog zum koronaren Kalk-Scoring)haben den Vorteil, dass damit das vas-kuläre Alter einer individuellen Person –unabhängig vom chronologischen Alter– bestimmt werden kann. Darüber hin-aus wurde in der Reference Values forArterial Stiffness-Studie neben dem Al-ter der Einfluss des Blutdrucks auf diePWV berechnet [16].

Ähnlich wie bei den Normwerten fürdieperiphereBlutdruckmessungamArmstellt sich in diesem Zusammenhang diegrundsätzliche Frage, ob sich der Refe-renzwert für die aPWV nicht besser anjungen Gesunden orientiert, bei denenin der Blutdruckkategorie „hochnormal“(130–140/80–90 mmHg) das 90. Perzen-til der PWV bei 8 m/s liegt [16].

Geräteauswahl- undGerätevalidierung

Bei der Auswahl und Beurteilung vonSystemen zur Messung der Gefäßsteifig-keit ist zunächst zu berücksichtigen, inwelchem Gefäßsegment gemessen wer-den soll. Wie oben ausgeführt, spielensich die entscheidenden Veränderungenin der Aorta ab, sodass die Bestimmungder aPWV die Methode der ersten Wahlist. Bei der Frage, wohin die Reise bei derGeräteauswahl geht, ist zurzeit aufgrundrasch wachsender Datenlage eine großeDynamik zu bemerken.

Es ist unbestritten, dass die cfPWVaktuell der nichtinvasive Goldstandardist. Es ist interessant, dass der Großteilder Studien, die diesen Status begründen,mit Echo-Doppler gemacht wurden undnicht mit spezialisierten Geräten. Diesewurden mehr oder weniger erst entwi-ckelt, als klar wurde, dass dieMessproze-

dur so zu mühsam und teuer ist. Histo-risch gesehen, wurde die PWV in elasti-schen Gefäßen mit der Einpunktmetho-deüberdieElastizitätempirischbeschrie-ben (Moens-Kortweg und abgeleitet da-von durch Bramwell-Hill bzw. Water-hammer). Dies war klinisch nicht nutz-bar, da praktische (nichtinvasive) Mess-systeme fehlten. Mit modernen Echo-Doppler-Systemen kann die PWV nunauch nichtinvasiv durch die Einpunkt-messung über den „distensibility coeffi-cient“ anderA. carotis gemessenwerden.

In diesem Lichte kann man auch dieEntwicklungen der neuesten Generatio-nen in der PWV-Messung sehen – einer-seitsdenErsatzvonPiezo-MethodenundTonometer durchManschetten, anderer-seits durchdie Etablierung bzw. „Wieder-entdeckung“ der Einpunktmessung beineuen Devices (Oszillometrie).

Grundsätzlich lassen sich die Syste-me methodisch in folgende Kategorieneinteilen:1. Ableitung eines Pulswellensignals

durch Mechanotransducer oderTonometer (A. carotis – A. femo-ralis) zur Bestimmung der cfPWV(. Abb. 3): Die Pulswellen werdenentweder simultan oder sequenziell,R-Zacken-getriggert, aufgezeichnet.

2. Ableitung eines Pulswellensignalsdurch Blutdruckmanschetten (Os-zillationen) an der A. brachialis undden Fußknöchelarterien und Ermitt-lung der sog. Ankle-brachial-PWV(abPWV): Diese Methode zeigte inverschiedenen Studien eine unabhän-gige prognostische Wertigkeit, sie hatjedoch den Nachteil, dass neben derAorta die distalen Beinarterien vommuskulären Typ in die Messung derPWV eingehen [17]. Diese muskulä-ren Arterien verhalten sich bezüglichSteifigkeit grundsätzlich anders alsdie Aorta selbst. Daraus ergeben sichandere Grenzwerte für die abPWVvon ca. 16 m/s.

3. Ableitung eines Pulswellensignalsdurch eine Blutdruckmanschette(Oszillationen) und Berechnungder PWV über Pulswellenreflexionoder über ein modifiziertes Wind-kesselmodell: Diese Systeme sindsehr bedienerfreundlich, da dieMessung selber wie eine oszillome-

trische Blutdruckmessung erfolgt.Die PWV wird auch nicht direktbestimmt, sondern über unterschied-liche Modelle indirekt berechnet.Die zurzeit erhältlichen Systeme sindz. T. bereits in nicht standardisiertenStudienprotokollen sowohl invasivals auch nichtinvasiv validiert [18,19]. Vor Kurzem publizierte Studienweisen ähnlich wie die cfPWV unddie abPWV darauf hin, dass auchoszillometrisch basierte Berechnun-gen der PWV eine unabhängigeprognostische Wertigkeit haben [20].

4. Echo-Tracking-Systeme zur Ermitt-lung lokaler Steifigkeitsparameteran der A. carotis (. Abb. 4): Mittelshochauflösendem Ultraschall undB-Mode-basierter Analyse der Oszil-lationen der arteriellen Gefäßwand(sog. Echo-Tracking) können diediastolisch-systolischen Wandbe-wegungen der A. carotis communis(Distension) bestimmt werden. UnterKenntnis des Blutdrucks könnenaus der Druck-Diameter-Kurve derA. carotis communis Steifigkeitspara-meter wie die lokale PWV berechnetwerden. Der Vorteil dieser Methodeist, dass eine Kombination mit einermorphologischen Wandanalyse derKarotis (Plaques, Intima-Media-Dicke) in einem Untersuchungsgangmöglich ist.

5. Die lokale Steifigkeit der Aortaselbst kann direkt auch mit MRT-Methoden gemessen werden, wobeidies aufgrund des Aufwands bishernur für Studien infrage kommt.

Bei der Geräteauswahl sollte berücksich-tigtwerden, dass eine herstellerunabhän-gige, standardisierte Validierung sowieeine in epidemiologischen und prognos-tischen Studien belegte additive, prädik-tive Wertigkeit vorliegen [21].

Therapeutische Optionen zurReduktion der Gefäßsteifigkeit

Die potenziellen nichtpharmakologi-schen und pharmakologischen Inter-ventionsmöglichkeiten zur Reduktionder arteriellen Gefäßsteifigkeit (sog.De-Stiffening) sind sehr vielfältig undreichen von antihypertensiver Thera-

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pie über Ausdauertraining bis hin zuKochsalzrestriktion [2]. Die wenigstenInterventionenkonntenbisher allerdingsin großen Studien bestätigt werden, undkeine Intervention konnte bislang einenvom Blutdruck unabhängigen prognos-tischen Benefit zeigen.

Die wichtigste therapeutische Optionist zweifelsohne die Blutdrucksenkung,die akut und chronisch über eine Re-duktion der transmuralen Wandspan-nungdie Steifigkeit verbessert (Übersichtbei [22]). Ob über die Blutdrucksenkunghinaus blutdruckunabhängige Effektemöglich sind, ist zurzeit ein zentralerPunkt in der wissenschaftlichen Diskus-sion [23]. Pathophysiologisch möglichwäre ein langfristiges Remodeling derArterienwandstruktur durch eine dau-erhafte Druckentlastung. Der Rückgangder Gefäßsteifigkeit – „De-Stiffening“– würde sich dann im Verlauf von derBlutdrucksenkung abkoppeln [24].

Kürzlich publizierte Daten zeigen,dass bei Hypertonikern die Gefäßstei-figkeit auch langfristig gesenkt werdenkann [25]. Eine blutdruckunabhängigeReduktion der Gefäßsteifigkeit wurde ineiner Metaanalyse bei einer relativ kur-zen Beobachtungszeit für die Gruppeder ACE-Hemmer beobachtet [26].

Blutdruckunabhängige Effekte aufdie Gefäßsteifigkeit wurden in weite-ren Studien sowohl für ACE-Hemmer[27] als auch für Aldosteronantagonis-ten [28] beschrieben. Insbesondere beiden sog. RAAS (Renin-Angiotensin-Al-dosteron)-Blockern stellt sich die Frage,ob diese möglichen blutdruckunabhän-gigen Effekte über die experimentellbelegten Wirkungen auf Fibrose, Kolla-gen und extrazelluläre Matrix vermitteltwerden. Letzteres ist allerdings ebensowenig klinisch gesichertwie die Frage, obAntihypertensiva mit vasodilatierendenEigenschaften die PWV besser senkenals solche ohne.

Der Stellenwert experimenteller The-rapieansätze wie Statine, Antidiabeti-ka oder „Advanced-Glycation-Endpro-duct-Breakers“ muss noch in Studiengeklärt werden.

Bei den nichtmedikamentösen Maß-nahmen gibt es insbesondere Hinweiseauf steifigkeitsmodulierende Effekte vonAusdauertraining, moderatemKrafttrai-

ning, Salzrestriktion, Nikotinabstinenzoder Kakaogenuss [23].

Ein klinisch wachsendes therapeu-tisches Problem stellt die Behandlungder arteriellen Gefäßsteifigkeit bei Pa-tienten mit isolierter systolischer Hy-pertonie (ISH) dar [3]. Die ISH beimälteren Hypertoniker ist häufig the-rapierefraktär, insbesondere wenn dieAorta stark verkalkt ist. Pharmaka, diespezifisch die funktionellen und mor-phologischen Veränderungen der Aortabei ISH angreifen, ohne auf die peri-pheren Widerstandsgefäße zu wirken,sind bislang noch nicht entwickelt wor-den. Nitrate und NO-Donatoren wirkenselektiver auf die großen Gefäße, sindaber trotz klinisch guter Wirksamkeitauf die isolierte systolische Hypertonienoch nicht in großen Hypertoniestudienuntersucht worden [23, 29]. Da die ISHeine Erkrankung „sui-generis“ ist undpathophysiologisch aus Steifigkeitsver-änderungen derAorta entsteht, stellt sichletztlich die Frage, ob unsere heutigentherapeutischen Optionen kausal in diePathophysiologie der ISH eingreifen.Wenn wir die ISH als primär vaskuläreErkrankung begreifen, die sich klinischmit einer Erhöhung der systolischenBlutdruckwerte und der Blutdruckam-plitude manifestiert, dann sollte dertherapeutische Ansatz auch auf einegezielten Intervention der vaskulärenVeränderungen (z. B. Fibrose, Kollagen,extrazelluläre Matrix und Kalzifikation)gerichtet sein. Ideal wären Substanzen,die längerfristig den systolischen Druckals auch die Blutdruckamplitude (einindirekter Parameter der Gefäßsteifig-keit) senken, ohne den ohnehin schonniedrigen diastolischen Druck kritischzu senken.

Inwieweit eine antihypertensive The-rapie mit demZielparameter „Gefäßstei-figkeit“ sich darüber hinaus positiv aufharte kardiovaskuläre Endpunkte aus-wirkt, ist Gegenstand zurzeit laufenderStudien wie der SPARTE-Studie [30].

Fazit für die Praxis

4 Die aPWV besitzt über klassische kar-diovaskuläre Risikofaktoren hinauseine additive prädiktive Wertigkeitfür kardiovaskuläre Ereignisse.

4 Aus dem Befund einer erhöhtenGefäßsteifigkeit kann nicht direkt aufdas Vorliegen einer Atherosklerose,wie z. B. koronare Herzkrankheit,geschlossen werden.

4 Bis weitere prognostische Studienda-ten vorliegen, sollte bei Normotonieeine PWV über 10 m/s als patholo-gisch betrachtet werden.

4 Bei der Geräteauswahl sollte be-rücksichtigt werden, dass eine her-stellerunabhängige, standardisierteValidierung sowie eine in epide-miologischen und prognostischenStudien belegte additive, prädiktiveWertigkeit vorliegen.

4 Die wichtigste therapeutische Optionzur Normalisierung der Gefäßstei-figkeit ist eine Blutdrucknormali-sierung. Aufgrund längerfristigerEinflüsse auf das vaskuläre Remod-eling sind RAS-Blocker am ehestengeeignet, über reine Blutdruckeffektehinausgehende Wirkungen auf dieGefäßsteifigkeit zu erzielen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. T. MengdenExcellence Centre European Society ofHypertension, Kerckhoff-KlinikLudwigstraße 41, 61231 Bad Nauheim,[email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. T.Mengden,M. Hausberg,C. Heiss, A.Mitchell, C. Ott undA. Schmidt-Truck-säss geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.S.Wassertheurer ist Erfinder eines Patentes, welchesteilweise in denAITARCSolver Algorithmen verwen-detwird. U. Nixdorff: honorierte Vortragsaktivitätenbei den FirmenHitachi/Aloka; Itamar, SanofiundDia-dexus.

Dieser Beitragbeinhaltet keine Studien anMenschenoder Tieren.

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