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Stephanie Bregy
Kündigung wegen häufiger Krankheit
Nr. 108 der Reihe DISKUSSIONSPAPIERE des Forschungsinstituts für Arbeit und Arbeitsrecht
an der Universität St. Gallen
St. Gallen, Dezember 2005
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Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde als Seminararbeit von Frau Stephanie Bregy im Rahmen der
Lehrveranstaltung von Herrn Dr. Roland Müller zum Arbeitsrecht eingereicht. Weil es sich
um eine hervorragende Arbeit handelt, die ein aktuelles Thema beschlägt, fanden wir es
sinnvoll, sie als Diskussionspapier einem grösseren Leserkreis zugänglich zu machen.
Im Dezember 2005
Prof. Dr. Thomas Geiser"
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Kündigung wegen häufiger Krankheit III
INHALTSVERZEICHNIS
LITERATURVERZEICHNIS.................................................................................................. V
MATERIALIENVERZEICHNIS............................................................................................ VII
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS.......................................................................................... VIII
I. EINLEITUNG.................................................................................................................1
II. BEGRIFFSBESTIMMUNGEN.......................................................................................2
1. Krankheit ....................................................................................................................... 2 2. Arbeitsunfähigkeit ..........................................................................................................2 3. Kündigung .....................................................................................................................3
3.1. Allgemeines..........................................................................................................3 3.2. Grundsatz der Kündigungsfreiheit........................................................................3 3.3. Die Begründung der Kündigung...........................................................................4
3.3.1.
Allgemeines......................................................................................................... 4
3.3.2. Zweck .................................................................................................................. 4 3.3.3. Form und Inhalt ................................................................................................... 4 3.3.4. Konsequenzen bei fehlender, unvollständiger oder unwahrer Begründung........ 5
III. KÜNDIGUNG WEGEN HÄUFIGER KRANKHEIT........................................................5
1. Allgemeines zum Kündigungsschutz.............................................................................5 2. Schutz vor Kündigungen zur Unzeit ..............................................................................6
2.1. Grundsatz.............................................................................................................6 2.2. Zeitlicher Kündigungsschutz bei häufiger Krankheit.............................................6
3. Schutz vor fristloser Entlassung ....................................................................................8
3.1.
Grundsatz.............................................................................................................8 3.2. Schutz vor fristloser Entlassung bei häufiger Krankheit .......................................8
4. Schutz vor missbräuchlicher Kündigung........................................................................9 4.1. Allgemeines..........................................................................................................9 4.2. Vereitelungskündigung.........................................................................................9
4.2.1. Grundsatz............................................................................................................ 9 4.2.2. Vereitelungskündigung bei häufiger Krankheit .................................................. 10
4.3. Kündigung wegen persönlicher Eigenschaften ..................................................11 4.3.1. Allgemeines....................................................................................................... 11 4.3.2. Krankheit und häufige Krankheit als persönliche Eigenschaft........................... 11 4.3.3. Rechtfertigungsgrund des Zusammenhangs mit dem Arbeitsverhältnis ........... 12
4.3.3.1. Grundsatz.......................................................................................... 12 4.3.3.2. Bei häufiger Krankheit ....................................................................... 12
4.3.4.
Rechtfertigungsgrund der Beeinträchtigung der betrieblichen Zusammenarbeit14
4.3.4.1. Grundsatz.......................................................................................... 14 4.3.4.2. Bei häufiger Krankheit ....................................................................... 14
4.4. Andere missbräuchliche Kündigungsgründe......................................................15 4.4.1. Grundsatz.......................................................................................................... 15 4.4.2. Bei häufiger Krankheit ....................................................................................... 16
IV. KONSEQUENZEN EINER KÜNDIGUNG WEGEN HÄUFIGER KRANKHEIT...........16
1. Auflösung des Arbeitsverhältnisses, Einsprache und Begründungsbegehren ...........16 2. Behandlung im Arbeitszeugnis ....................................................................................17
2.1. Grundsätze des Arbeitszeugnisses....................................................................17
2.2.
Berücksichtigung der Krankheiten bzw. des Kündigungsgrundes......................18
2.2.1.
Im Vollzeugnis ................................................................................................... 18
2.2.2. In der Arbeitsbestätigung................................................................................... 18
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Kündigung wegen häufiger Krankheit IV
V.
ZUSAMMENFASSUNG UND EMPFEHLUNGEN ......................................................19
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Kündigung wegen häufiger Krankheit V
LITERATURVERZEICHNIS
BRAND DANIEL/DÜRR LUCIUS/GUTKNECHT BRUNO/PLATZER PETER/SCHNYDER ADRIAN/ STAMPLI CONRAD/WANNER ULRICH, Der Einzelarbeitsvertrag im Obligationenrecht,Kommentar zu den Art. 319-346a, 361/362, Bern 1991 (zit. BRAND ET AL.)
BRUNNER CHRISTIANE/BÜHLER JEAN-MICHEL/WAEBER JEAN-BERNARD/BRUCHEZ CHRISTIAN,Commentaire du contrat de travail, 3e éd., Lausanne 2004 (zit. BRUNNER/ BÜHLER/ WAEBER/BRUCHEZ)
BRÜHWILER JÜRG, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Aufl., Bern 1996
EGLI HANS-PETER, in: Kostkiewicz/Bertschinger/Breitschmid/Schwander (Hrsg.), OR Hand-kommentar zum Schweizerischen Obligationenrecht, Zürich 2002
EMMEL FRANK, Krankenlohn nach Ende des Arbeitsverhältnisses?, in: NZZ vom 5. Februar2003
FAVRE MOREILLON MARIANNE, Droit du travail, aspects juridiques et pratiques, Basel 2004
GEISER THOMAS, Der neue Kündigungsschutz im Arbeitsrecht, in: BJM 1994, S. 169 ff.(zit. GEISER, neuer Kündigungsschutz)
GEISER THOMAS, Kündigungsschutz bei Krankheit, in: AJP 5/1996, S. 550 ff. (zit. GEISER,Kündigungsschutz)
GUHL THEO/KOLLER ALFRED, Das schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000
HEFTI ANDREAS, Der Schutz vor ordentlichen Kündigungen bei gesetzlichen Dauerschuld-verhältnissen – insbesondere beim Arbeitsvertrag, Diss. St. Gallen 1992
HUMBERT DENIS, Der neue Kündigungsschutz im Arbeitsrecht, Diss. Zürich 1991
JANSSEN SUSANNE, Die Zeugnispflicht des Arbeitgebers, Diss. Zürich 1996, Schriften zumschweizerischen Arbeitsrecht Heft 38, Bern 1996
JANUTIN ERICH, Gesundheit im Arbeitsrecht, Diss. Zürich 1991
KUHN RENÉ/KOLLER GERHARD L., Aktuelles Arbeitsrecht für die betriebliche Praxis, Bd. 2und 3, Zürich 2000
MÜNCH PETER, Arbeitsrechtlicher Kündigungsschutz, in: AJP 9/1996, S. 1094 ff.
NORDMANN PHILIPPE, Die missbräuchliche Kündigung im schweizerischen Arbeitsvertrags-recht unter besonderer Berücksichtigung des Gleichstellungsgesetzes, Basel 1998
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Kündigung wegen häufiger Krankheit VI
REHBINDER MANFRED, Berner Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Bd. VI: DasObligationenrecht, 2. Abteilung: Die einzelnen Vertragsverhältnisse, 2. Teilband:Der Arbeitsvertrag, 2. Abschnitt: Der Einzelarbeitsvertrag, Art. 331-355 OR, Bern
1992 (zit. REHBINDER, Berner Kommentar)
REHBINDER MANFRED, Schweizerisches Arbeitsrecht, 15. Aufl., Bern 2002 (zit. REHBINDER,Arbeitsrecht)
REHBINDER MANFRED/PORTMANN WOLFGANG, in: Honsell/Vogt/Wiegand (Hrsg.), BaslerKommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, Art. 1-529 OR,3. Aufl., Basel 2003 (zit. REHBINDER/PORTMANN, Basler Kommentar)
RICKENBACH MATTHIAS W., Die Nachwirkungen des Arbeitsverhältnisses, Schriften zumschweizerischen Arbeitsrecht Heft 44, Bern 2000
SCHÖNENBERGER CHRISTOPH PATRICK, Das Erschleichen der Lohnfortzahlung unter Beru-fung auf Krankheit, Diss. Zürich 2000, Schriften zum schweizerischen ArbeitsrechtHeft 50, Bern 2001
SCHÜRER HANS UELI, Arbeit und Recht, 8. Aufl., Zürich 2004
STAEHELIN ADRIAN/VISCHER FRANK, in: Gauch/Schmid (Hrsg.), Zürcher Kommentar zumSchweizerischen Zivilgesetzbuch, Bd. V2c: Das Obligationenrecht; Der Arbeitsver-trag, Art. 319-362 OR, 3. Aufl., Zürich 1996 (zit. STAEHELIN, Zürcher Kommentar)
STEIFF ULLIN/VON KAENEL ADRIAN, Arbeitsvertrag, Leitfaden zum Arbeitsvertragsrecht,5. Aufl., Zürich 1992
TARNUTZER-MÜNCH ANDREA, in: Geiser/Münch (Hrsg.), Handbücher für die Anwaltspraxis,Stellenwechsel und Entlassung, Kündigungsschutz, Basel 1997
VISCHER FRANK, Der Arbeitsvertrag, 2. Aufl., Basel 1994, (zit. VISCHER, Arbeitsvertrag)
WYLER REMY, Droit du travail, Bern 2002
WYSS GABRIELA, Kranksein als rechtliches Problem, in: NZZ vom 7. Januar 2004
WYSS GABRIELA, Wahrheitsgemässe Arbeitszeugnisse, in: NZZ vom 3. Juni 1998
ZINSLI JÖRG MATHIAS, Krankheit im Arbeitsverhältnis, Diss. Zürich 1992
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Kündigung wegen häufiger Krankheit VII
MATERIALIENVERZEICHNIS
BOTSCHAFT zur Volksinitiative „betreffend Kündigungsschutz im Arbeitsvertragsrecht“ undzur Revision der Bestimmungen über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses imObligationenrecht vom 9. Mai 1984, in: BBl 1984 II, S. 551 ff.
AMTLICHES BULLETIN NATIONALRAT : 1985, S. 1086 ff.; 1987, S.1257 ff.; 1988, S. 1 ff.
AMTLICHES BULLETIN STÄNDERAT : 1987, S. 334 ff.
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Kündigung wegen häufiger Krankheit VIII
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
Abs. Absatz
a.M. anderer Meinung
AmtlBull NR Amtliches Bulletin der Bundesversammlung, Nationalrat
AmtlBull StR Amtliches Bulletin der Bundesversammlung, Ständerat
Art. Artikel
Aufl. Auflage
BBl Bundesblatt der schweizerischen Eidgenossenschaft
Bd. Band
BGE Bundesgerichtsentscheid
BGer Bundesgericht
BJM Basler Juristische Mitteilungen (Basel)
bspw. beispielsweise
bzw. beziehungsweise
d.h. das heisst
Diss. Dissertation
et al. et alteri
etc. et cetera
f./ff. und folgende
h.L. herrschende Lehre
Hrsg. Herausgeber
i.c. in casui.d.R. in der Regel
i.S.v. im Sinne von
JAR Jahrbuch des schweizerischen Arbeitsrechts (Bern)
lit. litera
m.E. meines Erachtens
N Note
NZZ Neue Zürcher Zeitung
OR Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches
(Fünfter Teil: Obligationenrecht) vom 30.März 1911, SR 220Rz Randziffer
S. Seite(n)
sog. sogenannt
u.U. unter Umständen
vgl. vergleiche
z.B. zum Beispiel
ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907, SR 210
Ziff. Ziffer
zit. zitiert
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Kündigung wegen häufiger Krankheit 1
I. EINLEITUNG
Eine Kündigung stellt für den Arbeitnehmer meist ein einschneidendes Ereignis dar. Auch
Krankheiten können gravierende Erfahrungen bedeuten. Mit der Rechtsproblematik der
Kündigung wegen häufiger Krankheit werden somit zugleich zwei sehr sensible Bereiche
angesprochen.
Ziel dieser Arbeit ist es, die Grenzen der Zulässigkeit einer Kündigung aufgrund häufiger
Krankheit zu erörtern. Wie ist bspw. der Fall eines Bauarbeiters rechtlich zu beurteilen, der
immer wieder aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Atemwege für wenige
Tage der Arbeit fernbleibt oder eines Arbeitnehmers, der durch verschiedene Krankheiten
immer wieder an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert wird.
Im Zentrum dieser Arbeit steht somit die Frage, ob eine Kündigung, welche gegenüber
einem häufig erkrankten Arbeitnehmer ausgesprochen wird, missbräuchlich ist oder nicht.
Obwohl die Praxisrelevanz dieser Thematik gross ist, wird die Problematik in der Lehre nur
sehr spärlich thematisiert. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung nahm soweit er-
sichtlich nur punktuell dazu Stellung.
Einleitend werden einige Begriffsklärungen vorgenommen. Anschliessend werden die-
jenigen Kündigungsschutzbestimmungen, die im Zusammenhang mit einer Krankheit von
Bedeutung sein können, näher betrachtet. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Miss-
brauchstatbestände des Art. 336 Abs. 1 lit. a und lit. c OR gerichtet. Nach dem Aufzeigen
der Konsequenzen einer Kündigung aufgrund häufiger Krankheit, insbesondere der Behand-
lung dieses Kündigungsmotivs im Arbeitszeugnis, folgen abschliessende Bemerkungen und
Empfehlungen.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit ist mit dem Begriff des Arbeitnehmers bzw. Arbeit-
gebers auch immer die Arbeitnehmerin und die Arbeitgeberin gemeint.
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Kündigung wegen häufiger Krankheit 2
II. BEGRIFFSBESTIMMUNGEN
1. Krankheit
Der Gesetzgeber hat den Krankheitsbegriff im Arbeitsrecht nicht definiert, das Kündigungs-
schutzrecht setzt ihn stillschweigend voraus1
. Der Grund dafür liegt in der Unmöglichkeit,angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen krankhafter Zustände eine allumfassende,
juristische Definition zu finden2. Auch eine Begriffsdefinition der Medizin ist nur von be-
grenztem Nutzen, da Sinn und Zweck derselben in der Rechtssprache nicht identisch sind3.
Das BGer verwendet einen zur Unfallsdefinition komplementären Krankheitsbegriff, um
einen lückenlosen Versicherungsschutz in der Unfall- und Krankenversicherung zu gewähr-
leisten4. Danach umschreibt das BGer die Krankheit als „Schädigung der physischen und
psychischen Gesundheit, die nicht auf einen Unfall5 oder dessen direkten Folgen zurück-
zuführen ist“6.
Festzuhalten ist zudem, dass eine Krankheit im Sinne des Arbeitsrechts erst dann bedeut-
sam wird, wenn diese zu einer Arbeitsunfähigkeit führt7. Erst die Arbeitsunfähigkeit be-
stimmt, ob die gesundheitliche Störung intensiv genug ist, um auf das Vorliegen einer
Krankheit im arbeitsrechtlichen Sinn schliessen zu können8. Somit wäre eine Hautkrank-
heit, die einen Bauarbeiter nicht an der Verrichtung seiner vertraglich geschuldeten Arbeits-
pflicht hindert, keine Krankheit im arbeitsrechtlichen Sinn.
2. Arbeitsunfähigkeit
Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist sehr eng mit dem Begriff der Arbeitsleistung verbun-
den, da immer auf die vertraglich geschuldete Arbeitspflicht abgestellt wird. Lehre und
bundesgerichtliche Rechtsprechung erachten eine Arbeitsunfähigkeit als gegeben, wenn
ein Arbeitnehmer seine bisherige Tätigkeit infolge eines Gesundheitsschadens nicht mehr
bzw. nur noch beschränkt ausführen kann oder wenn er seine Arbeit nur unter der Gefahr,
den Gesundheitszustand zu verschlimmern, verrichten kann9. Massgeblich ist daher die
Einschränkung bezogen auf die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung bzw. ob demArbeitnehmer die bisher ausgeübte Tätigkeit zumutbar ist10.
1 JANUTIN, S.113; SCHÖNENBERGER, S. 6.2 BGE 116 V 107, 108; BGE 118 V 245,128.3 Auch der sozialversicherungsrechtliche Krankheitsbegriff ist im Arbeitsrecht nicht massgebend
(STREIFF/VON KAENEL, N 10 zu Art. 324a/b OR).4 ZINSLI, S.7.5 BGE 122 V 230, 232.6 BGE 118 V 107,109.7 Vgl. Ziff. II. 2.8 SCHÖNENBERGER, S. 7.9 BGE 129 V 51, 53; BRÜHWILER, N 3 zu Art. 324a OR; STEIFF/VON KAENEL, N 10 zu Art. 324a/b
OR; ZINSLI S. 63 f.10 WYSS, NZZ vom 07.Januar 2004, S. 43.
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Kündigung wegen häufiger Krankheit 3
3. Kündigung
Nachstehend werden die bezüglich der Thematik relevanten Aspekte der Kündigung näher
beleuchtet. Im gegebenen Zusammenhang ist somit insbesondere der in der Schweiz sehr
weit gehende Grundsatz der Kündigungsfreiheit näher zu erläutern, sowie die mit der
Revision des Kündigungsrechtes im Arbeitsvertragsrecht von 198911 neu eingeführte Be-
gründungspflicht12 des Kündigenden auf Verlangen des Gekündigten, die namentlich für die
Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Kündigung von Relevanz ist.
3.1. Allgemeines
Das Arbeitsverhältnis ist ein typisches Dauerschuldverhältnis, dessen wichtigster Auflö-
sungsgrund die Kündigung bildet13. Die Kündigung ist eine einseitige, empfangsbedürftige
Willenserklärung, die den Arbeitsvertrag von einem bestimmten Zeitpunkt an aufhebt14. AlsGestaltungsrecht verändert die Kündigung die Rechtsstellung der gekündigten Partei, selbst
gegen deren Willen15. Der Kündigungsempfänger kann die Annahme der Willenserklärung
nicht verhindern. Er kann jedoch deren Gültigkeit anfechten16. Die Kündigung bedarf keiner
besonderen Form. Ein Arbeitsverhältnis kann also auch mündlich oder konkludent beendet
werden17.
3.2. Grundsatz der Kündigungsfreiheit
Das schweizerische Arbeitsvertragsrecht geht vom Prinzip der Kündigungsfreiheit aus,
daran hat auch die Revision im Jahre 1989 nichts geändert18. Dieser Grundsatz beinhaltet
die Befugnis des Arbeitgebers bzw. des Arbeitnehmers, den Arbeitsvertrag aus einem belie-
bigen Grund zu beenden, ohne dass die Kündigung an irgendwelche objektiven Voraus-
setzungen gebunden ist19. Es bedarf somit keiner besonderen Gründe20, um einen Arbeits-
vertrag zu beenden21. Es ist festzuhalten, dass die Kündigung auf die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses ausgerichtet ist. Sie bleibt gültig und entfaltet ihre Wirkungen auch
ohne Begründung und ohne Vorliegen von Rechtfertigungsgründen22.
11 In Kraft getreten am 1. Januar 198912 Art. 335 Abs. 2 OR.13 HEFTI, S. 38.14 REHBINDER, Arbeitsrecht, Rz 308, S. 149; REHBINDER/PORTMANN, Basler Kommentar, N 4 zu Art.
335 OR.15 STEIFF/VON KAENEL, N 2 zu Art. 335 OR.16 BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, N 6 zu Art. 335 OR.17 REHBINDER, Berner Kommentar N 5 zu Art. 335 OR; STREIFF/VON KAENEL, N 8 zu Art. 335.18 BBl 1984 II, S. 586.19 BBl 1984 II, S. 586 f.; BRAND ET AL., N 1 zu Art. 336 OR; REHBINDER, Berner Kommentar, N 13 zu
Art. 335 OR.20 Es darf aber nicht aus einem missbräuchlichen Grund gekündigt werden, vgl. Art. 336 OR.21 Ausnahme: Art. 336 Abs. 2 lit. b OR.22 BBl 1984 II, S. 586.
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Kündigung wegen häufiger Krankheit 4
3.3. Die Begründung der Kündigung
3.3.1. Allgemeines
Die Pflicht des Kündigenden, die von ihm ausgesprochene Kündigung zu begründen, wurde
durch die Revision der Kündigungsschutzbestimmungen im Jahre 1989 eingeführt. DieseBegründungspflicht wurde in Art. 335 Abs. 2 OR und Art. 337 Abs. 1 OR ausdrücklich und
beidseitig zwingend23 ausgestaltet. Die Pflicht besteht aber nur insofern, als die gekündigte
Partei dies ausdrücklich verlangt. Die paritätisch ausgestaltete Begründungspflicht ist
Ausfluss der gesetzlichen Fürsorgepflicht24 des Arbeitgebers bzw. der Treuepflicht25 des
Arbeitnehmers26.
3.3.2. Zweck
Der Zweck der Begründungspflicht besteht vor allem darin, der gekündigten Partei die Ab-
klärung zu erleichtern, ob es sich um eine missbräuchliche oder ungerechtfertigte, fristlose
Entlassung handelt. Zudem soll die Begründung dem Gekündigten ermöglichen, seine
Chancen in einem allfälligen Prozess besser einzuschätzen und sie kann den Beweis der
Widerrechtlichkeit der Kündigung erleichtern27.
3.3.3. Form und Inhalt
Der Kündigende muss die Kündigung nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift schriftlich
begründen28. Gemäss Botschaft29 und h.L.30 ist die mündliche Angabe der Kündigungs-
gründe aber zulässig. Sie genügt allerdings dann nicht, wenn der Gekündigte auf eine
schriftlichen Begründung besteht.
Es bestehen keine gesetzlichen Bestimmungen bezüglich des Inhalts der Begründung.
Geht man aber vom Zweck der Begründungspflicht aus, der darin besteht, sich gegen eine
missbräuchliche oder ungerechtfertigte Kündigung zu wehren, kann gefolgert werden, dass
die angegebenen Gründe wahr und vollständig sein müssen. Andernfalls liegt ein Verstoss
gegen die Wahrheitspflicht vor 31.
23 Art. 361 Abs. 1 OR.24 Art. 328 OR.25 Art. 321a OR.26 BBl 1984 II, S. 595 f.; GEISER, neuer Kündigungsschutz, S. 176; HUMBERT, S. 53.27 BBl 1984 II, S. 595 f.; AmtlBull StR 1987, S. 336 ff.; BRÜHWILER, N 8 zu Art. 305 OR; HUMBERT,
S. 54; Allgemein zu den Motiven für die Begründungspflicht: JAR 1990, S. 241.28 Art. 335 Abs. 2 OR, Art. 337 Abs. 1 OR.29 BBl 1984 II, S. 596.30 BRAND ET AL., N 12 zu Art. 335 OR; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, N 20 zu Art. 335 OR;
HUMBERT, S. 53; REHBINDER, Berner Kommentar, N 9 zu Art. 335 OR; STAEHELIN, ZürcherKommentar, N 34 zu Art. 335 OR; a.M. STEIFF/VON KAENEL, N 13 zu Art. 335 OR.
31 BRÜHWILER, Kommentar, N 10 zu Art. 335 OR; VISCHER, S. 162.
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3.3.4. Konsequenzen bei fehlender, unvollständiger oder unwahrer Begründung
Obwohl Art. 335 Abs. 2 OR zwingendes Recht ist32, entfaltet gemäss bundesrätlicher Bot-
schaft33 die Kündigung ihre volle Wirkung, selbst bei unvollständiger, unwahrer oder gar
fehlender Begründung. Derselben Auffassung ist auch die Lehre34, welche die Begründung
ebenfalls nicht als Gültigkeitserfordernis erachtet.
Die indirekten Sanktionen bei Verletzung dieser Ordnungsvorschrift bestehen einerseits
darin, dass dieser Umstand bei Auferlegung der Prozesskosten berücksichtigt wird,
andererseits zeitigt dies auch beweisrechtliche Konsequenzen für den Kündigenden35. Es
besteht aber bei Missachtung der Begründungspflicht keine gesetzliche Vermutung für die
Missbräuchlichkeit der Kündigung36. Da die Begründung kein Gültigkeitserfordernis der
Kündigung bildet, schränkt die Begründungspflicht den Grundsatz der Kündigungsfreiheit
nicht ein.
III. KÜNDIGUNG WEGEN HÄUFIGER KRANKHEIT
1. Allgemeines zum Kündigungsschutz
Der Kündigungsschutz ist grösstenteils paritätisch ausgestaltet. Er steht somit in gleicher
Weise dem Arbeitnehmer als auch dem Arbeitgeber zu. Der Paritätsgedanke wird in der
Lehre37 oft kritisiert, da der Arbeitnehmer meist eine viel grössere Schutzbedürftigkeit auf-
weist und auch der Kündigungsschutz seitens des Arbeitgebers in der Praxis von unterge-
ordneter Bedeutung ist. Auch im Kontext dieser Arbeit interessiert nur die Kündigung durch
den Arbeitgeber.
Wie bereits erwähnt, herrscht in der Schweiz das Prinzip der Kündigungsfreiheit, doch gilt
dieses nicht schrankenlos. Diese Schranken werden im folgenden überblickartig dargestellt,
soweit sie zur Thematik beitragen. Es wird insbesondere auf diejenigen Bestimmungen
näher eingegangen, die bei einer Krankheit des Arbeitnehmers bedeutsam sein können.
Schwerpunkt bildet aber der Tatbestand der missbräuchlichen Kündigung, der in Art. 336
OR verankert ist.
32 Art. 361 Abs. 1 OR.33 BBl 1984 II, S. 596.34 BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, N 18 zu Art. 335 OR; REHBINDER, Berner Kommentar, N 9
zu Art. 335 OR; STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N 36 zu Art. 335 OR; STREIFF/VON KAENEL, N 14zu Art. 335 OR.
35 BBl 1984 II, S. 596.36 BGE 121 III 60, 62; (= JAR 1996, 187).37 BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, N 1 zu Art. 336 OR; HEFTI, S. 153 f.; HUMBERT, S. 64 und
S. 121;NORDMANN, S. 84 f.
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Kündigung wegen häufiger Krankheit 6
2. Schutz vor Kündigungen zur Unzeit
2.1. Grundsatz
Beim Tatbestand der Kündigung zur Unzeit, der in Art. 336c OR geregelt ist, sind ordent-
liche Kündigungen während gewissen Zeitspannen, den sog. Sperrfristen, nicht möglich.Der zeitliche Kündigungsschutz bezweckt den zeitlich begrenzten Bestand des Arbeits-
platzes in Fällen, in denen eine Anstellung durch einen neuen Arbeitgeber wegen der Un-
sicherheit in Bezug auf Fortdauer und Grad der Arbeitsunfähigkeit sehr unwahrscheinlich
ist38. Der Schutz vor Kündigungen zur Unzeit gelangt nur bei unbefristeten Arbeitsver-
hältnissen zur Anwendung, die durch ordentliche Kündigung beendet werden39. Zudem
kann nur der Gekündigte das Vorliegen zeitlicher Kündigungsbeschränkungen geltend
machen40. Eine dennoch während einer Sperrfrist ausgesprochene Kündigung ist nichtig,
sie entfaltet keinerlei Rechtswirkungen. Somit ist eine Konversion der nichtigen Kündigungin eine gültige Kündigung auf den nächstmöglichen Termin unzulässig41. Der Arbeitgeber
muss daher seine Willensäusserung nach Ablauf der Schutzfrist wiederholen, falls er an
seiner Absicht, dem Arbeitnehmer zu kündigen, festhält42. Eine solche Kündigung ist
grundsätzlich zulässig, sofern sie nicht als Rachekündigung gegen das allgemeine Rechts-
missbrauchsverbot verstösst43. Ist die Kündigung aber vor Beginn einer Sperrfrist der
Gegenpartei zugegangen, dann ist sie gültig. Art. 336c Abs. 2 OR sieht aber in diesem Fall
die Hemmung des Fristenlaufs vor.
Zu beachten bleibt, dass durch den zeitlichen Kündigungsschutz dem Arbeitnehmer vorerst
nur sein Arbeitsplatz erhalten bleibt, nicht jedoch auch, dass er seinen Lohn erhält. Die
Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bestimmt sich einzig nach Art. 324a OR44.
2.2. Zeitlicher Kündigungsschutz bei häufiger Krankheit
Gemäss Art. 336c Abs. 1 lit. b OR darf einem Arbeitnehmer, der wegen unverschuldeter
Krankheit an der Arbeitsleistung – wenn auch nur teilweise – verhindert ist, nicht gekündigt
werden. Die Schutzfrist besteht je nach Dienstalter des Arbeitnehmers während 30, 60 oder
180 Tage seiner Arbeitsunfähigkeit.
Gemäss ausdrücklichem, gesetzlichem Wortlaut gilt die Schonzeit nur bei unverschuldeter
Arbeitsunfähigkeit. Der Verschuldensbegriff bestimmt sich nach denselben Kriterien wie bei
38 BBl 1984 II S. 605; BGE 128 III 212, 217.39 HUMBERT, S. 130.40 HUMBERT, S. 134.41 REHBINDER, N 6 zu Art. 336c OR.42 BGE 128 III 212, 218; FAVRE MOREILLON, S. 69.43 Vgl. BGE 107 II 169.44 BGE 124 II 53, 56.
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Kündigung wegen häufiger Krankheit 7
der Lohnfortzahlungspflicht gemäss Art. 324a OR45. Analog zu dieser Bestimmung sind
auch im Kündigungsrecht strenge Anforderungen an den Verschuldensbegriff zu stellen46.
Von einer selbstverschuldeten Entstehung einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Krankheit
wird nur gesprochen bei Grobfahrlässigkeit oder grobem Vorsatz, d.h. nur bei Missachtung
der elementarsten Sorgfaltspflichten47. Gemäss GEISER stellt sich die Frage des Ver-
schuldens im Zusammenhang mit einer Krankheit grundsätzlich nur bei einer Behand-
lungsverweigerung48. Der bundesrätliche Entwurf wollte den zeitlichen Kündigungsschutz
auch auf verschuldete Arbeitsunfähigkeit ausdehnen, um kein subjektives Tatbestands-
merkmal, wie das Verschulden, im Gesetz zu haben49. M.E. hätte dieser noch weiterge-
henden Lösung den Vorrang gebührt, da es sehr heikel ist, in diesem Zusammenhang von
einem Verschulden zu sprechen.
Die Sperrfrist dauert nur während der effektiven Arbeitsunfähigkeit. Die Schutzfristen sind
somit Maximalfristen. Es ist auch eine Kumulation von Sperrfristen möglich. Nach bundes-
gerichtlicher Rechtsprechung50 löst jede Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit eine neue
gesetzliche Schutzfrist aus, sofern diese Krankheiten in keinem inneren Zusammenhang
stehen. Rückfall gilt daher als gleiche Krankheit51. Ist eine häufige Arbeitsunfähigkeit aber
Folge der gleichen Krankheit, werden die krankheitsbedingten Absenzen zusammenge-
rechnet und die Maximalfrist kann somit nur einmal konsumiert werden.
Für den Fall häufiger Krankheit kann somit folgendes festgehalten werden: Haben die
Arbeitsunfähigkeiten ihre Ursache in derselben Krankheit, kann höchstens die maximaleSperrfristendauer abgestuft nach Dienstjahren ausgeschöpft werden. Eine Kündigung wäh-
rend der Sperrfrist ist nichtig. Nach Ablauf der Sperrfrist kann der Arbeitsvertrag aber ohne
weiteres gekündigt werden, falls es sich nicht um einen Missbrauchstatbestand von Art. 336
OR handelt52. Ist jedoch der Arbeitnehmer aufgrund verschiedener Krankheiten immer
wieder arbeitsunfähig, löst jede dieser Krankheiten, auch wenn sie nur sehr kurz dauert,
eine eigene Sperrfrist aus. Die Sperrfristen können daher kumuliert sehr lange werden, so
dass ein Arbeitgeber u.U. lange warten muss, bis er rechtmässig kündigen kann53. Den
Interessen des Arbeitgebers wird jedoch ein Stück weit entgegengekommen, so dass sichdie Lohnfortzahlungspflicht, welche sich nach Art. 324a OR bestimmt, i.d.R. nur auf einen
Teil dieser langen, kumulierten Sperrfrist erstreckt.
45 REHBINDER, Arbeitsrecht, Rz 336, S. 161; STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N 7 zu Art. 336c OR;ZINSLI, S. 15.
46 FAVRE MOREILLON, S. 67 ; HUMBERT, S. 139.47 HUMBERT, S. 139; VISCHER, Arbeitsvertrag, S. 129.48 GEISER, Kündigungsschutz, S. 554.49 BBl 1984 II, S. 604 f.50 Sog. cumul intralittéral, vgl. BGE 120 II 124.51 WYLER, S. 426.52 BGE 107 II 169, 170; BGE 124 II 53, 56; GEISER, Kündigungsschutz, S. 552; STREIFF/VON
KAENEL, N 10 zu Art. 336c OR; vgl. hinten Ziff. III. 4.53 FAVRE MOREILLON, S. 74; MÜNCH, S. 1096.
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3. Schutz vor fristloser Entlassung
3.1. Grundsatz
Das Arbeitsverhältnis kann jederzeit einseitig aus wichtigen Gründen fristlos aufgelöst
werden. Dieses Recht steht sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Arbeitnehmer zu. Dabeigilt als wichtiger Grund jeder Umstand, „bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach
Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden
darf“54. Die Kündigungsgründe, die eine ausserordentliche Kündigung rechtfertigen, werden
vom Gesetzgeber nicht katalogisiert. In Betracht fallen jedoch nur schwere Pflichtver-
letzungen oder wiederholte Verstösse gegen die Arbeits- oder Treuepflicht trotz Verwar-
nung durch den Arbeitgeber 55.
3.2. Schutz vor fristloser Entlassung bei häufiger Krankheit
Gemäss Absatz 3 des Art. 337 OR bildet die unverschuldete Arbeitsverhinderung des
Arbeitnehmers keinen Grund zur ausserordentlichen Kündigung. Wie bereits erwähnt, stellt
sich die Frage des Verschuldens bezüglich einer Krankheit höchst selten, so dass i.d.R. von
einer unverschuldeten Arbeitsverhinderung ausgegangen werden kann. Somit ist der
Arbeitnehmer im Krankheitsfalle grundsätzlich vor einer fristlosen Entlassung geschützt.
Im Zusammenhang mit einer Krankheit kann eine fristlose Entlassung aber u.U. zulässig
sein, wenn der Arbeitnehmer wiederholt seine Anzeigepflicht verletzt, trotz vorgängigerMahnung durch den Arbeitgeber 56. In Ausnahmefällen kann auch bei langer, unentschul-
digter Absenz ohne Abmahnung eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein57. Zudem kann
diese gemäss SCHÖNENBERGER dann zulässig sein, wenn sich der Arbeitnehmer, um seine
Arbeitsleistung nicht erbringen zu müssen, absichtlich eine geringfügige Krankheit zufügt
und somit ungerechtfertigt Lohn bezieht58.
Auf jeden Fall muss es sich bei der fristlosen Entlassung um eine ultima ratio handeln, an
die wichtigen Gründe sind hohe Anforderungen zu stellen und das Vertrauensverhältnis
muss nicht nur gestört, sondern zerstört sein59.
54 Art. 337 Abs. 1 und 2 OR.55 BGE 127 III 310, 313; GUHL/KOLLER, N 161, S. 505.56 BRÜHWILER, N 2b zu Art. 337 OR; SCHÖNENBERGER, S. 63.57 SCHÖNENBERGER, S. 63.58 SCHÖNENBERGER, S. 182.59 KUHN/KOLLER, Bd. 3, 7/3.1, S.3.
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4. Schutz vor missbräuchlicher Kündigung
4.1. Allgemeines
Der sachliche Kündigungsschutz bezweckt den Schutz des Arbeitnehmers und des Arbeit-
gebers vor einer Kündigung, die aus einem missbräuchlichen Grund ausgesprochenenwird. Im Mittelpunkt des sachlichen Kündigungsschutzes steht das Motiv der Kündigung.
Wie bereits erwähnt, hält das Kündigungsrecht auch nach der Revision von 1989 am Prin-
zip der Kündigungsfreiheit fest60. Es bedarf keiner besonderer Gründe um ein Arbeits-
verhältnis zu beenden, es gibt aber bestimmte Motive, aufgrund derer nicht gekündigt
werden darf. Zentraler Ansatzpunkt ist somit der Kündigungsgrund. Ist dieser verwerflich, so
ist die Kündigung missbräuchlich61. Zwischen Kündigungsgrund und Kündigung ist eine
enge Kausalität erforderlich62. Auch eine missbräuchliche Kündigung beendet das Arbeits-
verhältnis. Der missbräuchlich Kündigende hat indes eine Entschädigung zu entrichten, diesich nach richterlichem Ermessen bestimmt und maximal sechs Monatslöhne beträgt63.
Im Kontext dieser Arbeit interessieren v.a. zwei Missbrauchstatbestände, die im Zusam-
menhang mit einer Krankheit von Bedeutung sein können. Dabei handelt es sich um die
Vereitelungskündigung, die in Art. 336 Abs. 1 lit. c OR geregelt ist, sowie um die Kündi-
gung aufgrund persönlicher Eigenschaften, welche in lit. a desselben Artikels verankert ist.
4.2. Vereitelungskündigung
4.2.1. Grundsatz
Gemäss Art. 336 Abs. 1 lit. c OR ist eine Kündigung missbräuchlich, wenn der Kündigende
sie ausspricht, „ausschliesslich um die Entstehung von Ansprüchen der anderen Partei aus
dem Arbeitsverhältnis zu vereiteln“. Unter solchen arbeitsvertraglichen Ansprüchen werden
bspw. Gratifikationen, der 13. Monatslohn, Abgangsentschädigungen, Treueprämien etc.
verstanden64. Dieser Artikel ist auch anwendbar auf Fälle, in denen einem Arbeitnehmer
gekündigt wird, um bei Krankheit der Lohnfortzahlungspflicht gemäss Art. 324a OR nicht
nachkommen zu müssen65. Denn mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet auch die
Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers, falls diese nicht bereits vorher ausgeschöpft
wurde. Der Arbeitgeber kann daher mittels einer Kündigung nach Ablauf der Schutzfrist
eine allenfalls noch laufende Lohnfortzahlung beenden und somit verkürzen66. Begründet
wird die Missbräuchlichkeit damit, dass dem Arbeitnehmer verunmöglicht wird, einen
60 Vgl. Ziff. II. 3.2.61 BRÜHWILER, N I zu Art. 336 OR.62 HUMBERT, S. 65 f.; WYLER, S. 405; dies wird in Art. 336 OR mit den Wörtern “weil”, “wegen“ und
“um zu” ausgedrückt.63 Vgl. Art. 336a OR.64 REHBINDER, Berner Kommentar, N 5 zu Art. 336 OR; VISCHER, Arbeitsvertrag, S. 169.65 GEISER, Kündigungsschutz, S. 555.66 EMMEL, NZZ vom 5.Februar 2003, S. 71.
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Sozialschutz aufzubauen, der gemäss Art. 324a OR mit den Dienstjahren steigt. Wird also
gekündigt, um der in der Zukunft anfallenden Lohnfortzahlungspflicht nicht nachkommen zu
müssen, werden arbeitsrechtliche Ansprüche vereitelt67. Auch das BGer anerkennt, dass es
sich bei einer solchen Konstellation um eine Vereitelungskündigung handeln kann. Auf die
Systematik des Kündigungsschutzes hinweisend nimmt es aber an, dass dies nicht im
Sinne des Gesetzgebers ist und somit eine Kündigung aufgrund einer Krankheit im arbeits-
rechtlichen Sinne nach Ablauf des zeitlichen Kündigungsschutzes zulässig ist, unbesehen
ob die Arbeitsunfähigkeit noch anhält oder nicht68. Die Kündigung aufgrund der Krankheit ist
somit nach Ausschöpfen des zeitlichen Kündigungsschutzes zulässig und stellt keinen
Missbrauch dar 69.
4.2.2. Vereitelungskündigung bei häufiger Krankheit
Anders verhält es sich gemäss GEISER, wenn ein Arbeitnehmer immer wieder krank wird
und somit die Sperrfrist immer wieder ausgelöst wird. Wird einem solchen Arbeitnehmer
gekündigt, liegt nach Ansicht von GEISER eine missbräuchliche Kündigung nach Art. 336
Abs. 1 lit. c OR vor, da der Schutz gemäss Art. 324a OR vereitelt wird70.
Gemäss REHBINDER handelt es sich nicht um eine Vereitelungskündigung, wenn die Dauer
der Lohnfortzahlungspflicht der gesetzlichen entspricht. Wurden aber vertraglich längere
Lohnfortzahlungspflichten vereinbart, dann ist eine Kündigung, welche weitere Lohnfort-
zahlung zu verhindern bezweckt, missbräuchlich
71
.M.E. ist der Meinung von REHBINDER zu folgen, denn gemäss Materialien72 bedeutet der
Ausdruck „ausschliesslich“ in Art. 336 Abs. 1 lit. c OR, dass die Entstehung des Anspruchs
unmittelbar bevorstehen muss. Zudem muss entsprechend dem Kausalitätsprinzip die
Vereitelungsabsicht überwiegen, falls mehrere Kündigungsgründe vorliegen73. M.E. ist eine
Kündigung nicht missbräuchlich, wenn sie verhindert, dass der Sozialschutz, der mit dem
Dienstalter wächst, nicht weiter aufgebaut werden kann. Ausgenommen sind die vorste-
hend erwähnten Fälle der vertraglich verlängerten Lohnfortzahlungspflicht. Es ist auch nur
schwer einzusehen, warum der immer wieder erkrankte Arbeitnehmer gegenüber dem
schwer erkrankten Arbeitnehmer einen viel grösseren Schutz geniessen soll. M.E. erstreckt
sich dieses Privileg nur auf die zeitlichen Kündigungsschutzbestimmungen, nicht auch auf
die sachlichen.
67 BRAND ET AL., N 9 zu Art. 336 OR; TROXLER, S. 93.68 BGE 123 III 246, 255.69 GEISER, Kündigungsschutz, S. 558.70 GEISER, Kündigungsschutz, S. 556.71 REHBINDER, Berner Kommentar, N 10 zu Art. 336c OR.72 AmtlBull NR 1988, S. 2.73 HUMBERT, S. 86.
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4.3. Kündigung wegen persönlicher Eigenschaften
4.3.1. Allgemeines
Nach Art. 336 Abs. 1 lit. a OR ist eine Kündigung missbräuchlich, wenn eine Partei sie aus-
spricht „wegen einer Eigenschaft, die der anderen Partei kraft ihrer Persönlichkeit zusteht,es sei denn, diese Eigenschaft stehe in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis
oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb“. Der Schutz vor solchen
Kündigungen ist Ausfluss des Persönlichkeitsschutzes, welcher seine gesetzliche Grund-
lage in den Art. 27 ff. ZGB und Art. 328 OR findet74. Eine detaillierte gesetzliche Aufzählung
der geschützten Eigenschaften gibt es nicht. Darauf wurde bewusst verzichtet, da der
Begriff der Persönlichkeit derart facettenreich ist, dass eine vollständige Aufzählung nicht
möglich wäre75. Auch in der bundesrätlichen Botschaft wurde von einer näheren Erläu-
terung abgesehen. Beispielhaft nennt diese aber als persönliche Eigenschaft dasGeschlecht76, den Familienstand, die Herkunft, die Rasse und das Bürgerrecht zudem auch
Homosexualität, Alter und Vorstrafen77.
So ist es die Lehre, die den Begriff der persönlichen Eigenschaft zu umgrenzen versucht78.
Gemäss HUMBERT sind diejenigen persönlichen Eigenschaften geschützt, „die aufgrund
einer umfassenden Würdigung der gegebenen Umstände für beide Parteien und für die
Arbeitswelt objektiv betrachtet von Bedeutung sind“79.
4.3.2. Krankheit und häufige Krankheit als persönliche Eigenschaft
Zusätzlich zur beispielhaften Aufzählung des Bundesrates wird in der Literatur auch eine
Krankheit als persönliche Eigenschaft qualifiziert80. Auch das BGer vertritt diese Ansicht81.
Was für eine Krankheit an und für sich gilt, gilt auch für häufige Krankheit. Da Krankheiten
also zu den persönlichen Eigenschaften i.S.v. Art. 336 Abs. 1 lit. a OR gehören, ist eine
Kündigung wegen Krankheit grundsätzlich missbräuchlich.
Doch muss beachtet werden, dass die in demselben Artikel erwähnten Rechtfertigungs-
gründe gerade im Zusammenhang mit Krankheiten von erheblicher Bedeutung sind. Die
Berufung auf persönliche Eigenschaften kann nämlich zulässig und somit gerechtfertigt
sein, wenn die Kündigung ausgesprochen wird wegen einer persönlichen Eigenschaft, die
74 HUMBERT, S. 67.75 HUMBERT, S. 66.76 Kündigungen aufgrund des Geschlechts werden seit dem 1. Juli 1996 vom Bundesgesetz über
die Gleichstellung von Frau und Mann erfasst, dessen Regelung als lex specialis derallgemeinen Vorschrift von Art. 336 Abs. 1 lit. a OR vorgeht.
77 BBl 1984 II, S. 589 und S. 599.78 Es finden sich verschiedene Umschreibungen bspw. bei BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ,
N 4 zu Art. 336 OR; STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N 9 zu Art. 336 OR; TROXLER, S. 47 f.79 HUMBERT, S. 69.80 BRÜHWILER, N 2 zu Art. 336 OR; REHBINDER, Berner Kommentar, N 3 zu Art. 336 OR;
STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N 9 zu Art. 336 OR; a.M. TROXLER S. 49 ff.81 BGE vom 5. August 2004 (4C.174/2004, E. 2.2.2).
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entweder in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht oder die Zusammen-
arbeit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt. Diese Rechtfertigungsgründe bedürfen einer
eingehenden Analyse, da sie u.U. den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers beträchtlich
einschränken und relativieren können.
4.3.3. Rechtfertigungsgrund des Zusammenhangs mit dem Arbeitsverhältnis
4.3.3.1. Grundsatz
Damit eine Kündigung aufgrund einer persönlichen Eigenschaft nicht missbräuchlich ist,
muss die Eigenschaft gemäss Art. 336 Abs. 1 lit. a OR „in einem Zusammenhang mit dem
Arbeitsverhältnis“ stehen. Unter Bezugnahme der Materialien folgert HUMBERT, dass der
Begriff „Arbeitsverhältnis“ restriktiv auszulegen ist. Demzufolge meint der Begriff „Arbeits-
verhältnis“ nur den Arbeitsvertrag und die mit diesem verbundenen Pflichten, namentlich die
Arbeits-, Treue- und Sorgfaltspflicht82.
Ist der Arbeitnehmer aufgrund der Krankheit ganz oder teilweise an der Erfüllung seiner
Arbeitspflicht gehindert, ist ein unmittelbarer Bezug zum Arbeitsverhältnis gegeben und eine
Kündigung somit gerechtfertigt83. Eine Erkrankung ist als Kündigungsgrund somit nicht
missbräuchlich, wenn sich die Krankheit negativ auf das Arbeitsverhältnis auswirkt.
4.3.3.2. Bei häufiger Krankheit
Wie ist aber zu entscheiden, wenn der Arbeitnehmer immer wieder Kurzabsenzen infolge
häufiger Krankheit aufweist, in Phasen der Gesundheit aber nicht zu beanstandende Arbeit
leistet? Aus den Materialien ist nicht ersichtlich, was genau in diesem fraglichen Zusam-
menhang mit der Arbeitsleistung gemeint ist, zumal der Bundesrat in seiner Botschaft zum
Kündigungsschutz die Krankheit als missbräuchlichen Kündigungsgrund gar nicht erwähnt
hat. Auch in den parlamentarischen Debatten ist kein Hinweis zu finden.
Einerseits kann argumentiert werden, dass den Arbeitnehmer, der unverschuldet krank ist,
keine Arbeitspflicht trifft84. Somit kann die Arbeitspflicht nicht verletzt werden, womit kein
Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis besteht. Besteht kein Bezug zum Arbeits-verhältnis, ist daher auch kein die Kündigung rechtfertigender Grund gegeben. Eine
Kündigung, die nun ausgesprochen wird aufgrund mangelnder Arbeitsleistung, wäre miss-
bräuchlich.
82 HUMBERT, S. 69.83 BGE 123 III 246, 254 f.; BRÜHWILER, N 2 zu Art. 336 OR; REHBINDER, Berner Kommentar, N 3 zu
Art. 336 OR; STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N 15 zu Art. 336 OR.84 SCHÜRER, S. 78.
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M.E. ist diese Argumentation jedoch nicht stichhaltig. Eine Krankheit, welche die Arbeits-
leistung beeinträchtigt, stellt einen zulässigen Kündigungsgrund dar 85. Umso mehr darf
gekündigt werden, wenn die Arbeitsleistung zwar nicht verletzt, sondern überhaupt nicht
erbracht wird. M.E. ist die Nichterbringung der Arbeitsleistung der beeinträchtigten Arbeits-
leistung gleichzustellen und zwar einschliesslich der entsprechenden Konsequenzen.
Andererseits gibt es Argumente, die gegen eine Missbräuchlichkeit sprechen. Es ist unbe-
stritten, dass eine Kündigung aufgrund einer die Arbeitsleistung beeinträchtigenden Krank-
heit zulässig ist; es besteht kein sachlicher Kündigungsschutz85. Wenn nun ein Arbeit-
nehmer zu 50% in seiner Arbeitsleistung aufgrund einer Krankheit beeinträchtigt wird, kann
rechtmässig gekündigt werden. Wie soll aber die Konstellation beurteilt werden, wenn ein
Arbeitnehmer aufgrund häufiger Kurzabsenzen infolge Krankheiten über den Monat
betrachtet auch nur eine Arbeitsleistung von 50% erbringt?M.E. ist auch diese Kündigung zulässig, andernfalls wäre der Arbeitnehmer, dessen
Arbeitsleistung durch die Krankheit beeinträchtigt wird und welchem daher gekündigt
werden kann gegenüber dem immer wieder Erkrankten privilegiert. Eine solche Ungleich-
behandlung ist sachlich nicht gerechtfertigt: Beide Arbeitnehmer erbringen nur eine 50%
Arbeitsleistung und bei beiden ist die Ursache eine gesundheitliche Störung – beim einen,
weil seine Leistung durch Krankheit beeinträchtigt wird, beim anderen, weil er immer wieder
durch Krankheit arbeitsunfähig wird.
In der schweizerischen Gesetzgebung kommt das Rechtsempfinden zum Ausdruck, dass
eine Kündigung aufgrund einer Krankheit, welche negative Auswirkungen auf die Arbeits-
leistung hat, nicht missbräuchlich ist. Deshalb ist m.E. auch eine Kündigung aufgrund
häufiger Krankheit, welche über einen gewissen Zeitraum betrachtet auch eine verminderte
Arbeitsleistung zur Folge hat, ebenfalls als nicht missbräuchlich und somit als zulässig zu
werten. Wie erwähnt, gilt in der Schweiz nach wie vor das Prinzip der Kündigungsfreiheit,
gemäss welchem aus einem beliebigen Grund gekündigt werden kann. Die soziale Ver-
antwortung des Arbeitgebers soll weit reichen, eine Ausdehnung auf den hier diskutierten
Bereich wäre m.E. aber eine zu weitreichende.
Ergänzend ist anzumerken, dass eine Berufung auf den Zusammenhang mit dem Arbeits-
verhältnis dann missbräuchlich ist, wenn der Arbeitgeber für den Ausbruch der Krankheit
verantwortlich ist. Leidet bspw. ein Bauarbeiter an Lungenbeschwerden, die auf mangelnde
Schutzvorkehrungen im Betrieb zurückzuführen sind, ist eine Kündigung gegenüber diesem
Arbeitnehmer missbräuchlich86.
85 BGE 123 III 246, 255; GEISER, Kündigungsschutz, S. 558; WYLER, S. 400.86 STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N 15 zu Art. 336 OR.
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4.3.4. Rechtfertigungsgrund der Beeinträchtigung der betrieblichen Zusammenarbeit
4.3.4.1. Grundsatz
Es liegt auch keine Missbräuchlichkeit vor, wenn die persönliche Eigenschaft wesentlich die
Zusammenarbeit im Betrieb beeinträchtigt. Mit betrieblicher Zusammenarbeit ist das Be-
triebsklima gemeint, also die Arbeitsatmosphäre am Arbeitsplatz87. Zudem muss die Beein-
trächtigung die betrieblichen Abläufe betreffen88. Anders als der zuvor behandelte war
dieser Rechtfertigungsgrund in der Botschaft noch nicht enthalten. Erst in der parlamen-
tarischen Debatte fand er Eingang in den Gesetzestext89. Der Rechtfertigungsgrund der
Beeinträchtigung der betrieblichen Zusammenarbeit reicht sehr weit. Gerechtfertigt sind
auch Kündigungen infolge Betriebsstörungen, die ausgelöst werden wegen Eigenschaften,
die der Arbeitnehmer nicht beeinflussen kann oder die keine Vertragsverletzungen
darstellen90.
4.3.4.2. Bei häufiger Krankheit
Eine Beeinträchtigung der betrieblichen Zusammenarbeit kann dann gegeben sein, wenn
die Mitarbeiter um eine Krankheit des Arbeitnehmers wissen und diesen deshalb meiden
oder die Zusammenarbeit mit ihm verweigern91. Auch bei häufigen Krankheiten kann das
Betriebsklima gestört sein, da bspw. der arbeitsteilige Betriebsprozess durch diese Absen-
zen gestört ist. Es ist auch möglich, dass die Mitarbeiter aufgrund der Abwesenheiten des
immer wieder Erkrankten Überstunden leisten oder auch andere Arbeiten übernehmen
müssen. Der Arbeitgeber ist jedoch gemäss Art. 328 OR angehalten, alles ihm Zumutbare
zu unternehmen und geeignete Massnahmen zu ergreifen, um entsprechende Betriebs-
klimastörungen zu unterbinden. Erst wenn diese Massnahmen fehlschlagen, kann er die
Kündigung rechtmässig aussprechen92. Unterlässt der Arbeitgeber solche Bemühungen, ist
die Kündigung missbräuchlich93. Zudem ist gemäss ausdrücklichem Gesetzestext verlangt,
das die Beeinträchtigung eine „wesentliche“ sein muss. Dieses Erfordernis der Wesent-
lichkeit wurde erst während des Differenzbereinigungsverfahrens eingefügt. Geringfügige
Störungen und Bagatellfälle können daher eine Kündigung nicht rechtfertigen94.
Somit kann eine Kündigung aufgrund häufiger Krankheit gerechtfertigt sein, wenn die
häufigen Krankheiten wesentlich das Betriebsklima und die betrieblichen Abläufe beein-
trächtigen und die Anstrengungen des Arbeitgebers, diese Beeinträchtigungen zu beheben
oder zu mildern, fehlschlagen. Gemäss Materialien kann dieser Rechtfertigungsgrund aber
87 HUMBERT, S. 71.88 TROXLER, S. 79.89 AmtlBull NR 1985, S. 1123 ff.; AmtlBull NR 1987, S. 1258 ff.; AmtlBull StR 1987, S. 343 ff.90 REHBINDER, Berner Kommentar, N 3 zu Art. 336 OR.91 NORDMANN, S. 91.92 BGE 125 III 70, 74; REHBINDER, Berner Kommentar, N 3 zu Art. 336 OR.93 TROXLER, S. 78.94 BRÜHWILER, N 2 zu Art. 336 OR.
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nur in Ausnahmefällen eine Kündigung aufgrund persönlicher Eigenschaften rechtfertigen95.
M.E. ist ebenfalls eine restriktive Anwendung geboten, andernfalls der Schutz vor einer
missbräuchlichen Kündigung zu stark relativiert würde.
4.4. Andere missbräuchliche Kündigungsgründe
4.4.1. Grundsatz
Die Missbrauchstatbestände in Art. 336 OR sind nach überwiegender Doktrin96 und Rechts-
prechung97, auch unter Berücksichtigung der Materialien98, nicht abschliessend aufgezählt.
Art. 336 OR ist gemäss BGer eine Konkretisierung des allgemeinen Rechtsmissbrauchs-
verbotes, welches in Art. 2 Abs. 2 ZGB verankert ist99. Es ist also möglich, weitere Tatbe-
stände, die nicht unter die Varianten des Art. 336 OR subsumierbar sind, als missbräuch-
lich zu qualifizieren. Die gekündigte Partei kann sich somit stets auf die Missbräuchlichkeitberufen100. Gemäss BGer bleibt jedoch neben den gesetzlichen Kündigungsbeschrän-
kungen für die Anwendung des allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbotes gemäss Art. 2
Abs. 2 ZGB wenig Raum101. Nicht ausdrücklich genannte Gründe können nur dann als
missbräuchlich qualifiziert werden, wenn sie gleich schwer wiegen wie die gesetzlich
normierten; der Gesetzgeber hat mit der beispielhaften Aufzählung für die Beurteilung der
Schwere Massstäbe gesetzt102. Zudem tritt auch bei weiteren Missbrauchstatbeständen
nicht die Nichtigkeitsfolge gemäss dem allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbot ein, sondern
es gilt die Rechtsfolge, wie sie in Art. 336a und 336b OR vorgesehen ist103.
Weiter kann sich ein Missbrauch auch aus der Art und Weise ergeben, wie der Kündigende
sein Recht ausübt. Die kündigende Partei ist immer angehalten, das Gebot schonender
Rechtsausübung zu beachten, auch wenn die Kündigung an sich zulässig ist104.
95 AmtlBull NR 1987, S. 1260.96 BRÜHWILER, N II zu Art. 336 OR; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, N 3 zu Art. 336 OR;
REHBINDER, Berner Kommentar, N 10 zu Art. 336 OR; STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N 7 zuArt. 336 OR; STREIFF/VON KAENEL, N 3 zu Art. 336 OR; TROXLER, S. 20 ff.; VISCHER,Arbeitsvertrag, S. 167.
97 BGE vom 5. August 2004 (4C.174/2004).98 BBl 1984 II, S. 590; AmtlBull NR 1985, S. 1124 f.; AmtlBull NR 1988, S. 2.99 A.M. GEISER, der in diesem Kontext von einem Machtmissbrauch spricht (Kündigungsschutz,
S.173); ebenso BRÜHWILER, der von einem Freiheitsmissbrauch ausgeht (Vorb. I zu Art. 336OR).
100 JAR 2001, S. 283.101 BGE 121 III 60, 64.102 GEISER, neuer Kündigungsschutz, S. 174.103 REHBINDER/PORTMANN, Basler Kommentar, S. 1816.104 BGE 125 III 70, 73.
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4.4.2. Bei häufiger Krankheit
Wie erwähnt, ist eine Krankheit und auch häufige Krankheit eine persönliche Eigenschaft,
womit Art. 336 Abs. 1 lit. a OR anwendbar ist. Es besteht daher nur wenig Raum für die An-
wendung des allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbotes. Anders liegt der Fall, wenn häufige
Krankheit nicht als persönliche Eigenschaft qualifiziert wird105, dann kann sich eine Miss-
bräuchlichkeit nur mehr aus Art. 2 Abs. 2 ZGB ergeben. Zu fragen ist nun, ob eine Kündi-
gung wegen häufigen Krankheiten die Schwere aufweist, bei welcher eine Kündigung als
missbräuchlich und somit als verpönt gelten muss. Falls dieses Kündigungsmotiv einen
schweren Verstoss gegen die Rechtsethik darstellt, ist dies zu bejahen106. Massgebend sind
immer die Umstände des Einzelfalles, doch grundsätzlich ist m.E. davon auszugehen, dass
eine Kündigung aufgrund häufiger Krankheit die erforderliche Schwere nicht aufweist.
IV. KONSEQUENZEN EINER KÜNDIGUNG WEGEN HÄUFIGER KRANKHEIT
1. Auflösung des Arbeitsverhältnisses, Einsprache und Begründungsbegehren
Wird die Kündigung ausgesprochen, beendet sie – auch wenn sie gegebenenfalls miss-
bräuchlich sein sollte – das Arbeitsverhältnis. Nur die während der Schutzfrist von Art. 336c
OR zugegangene Kündigung entfaltet keinerlei Rechtswirkungen. Der Arbeitnehmer kann
gemäss Art. 335 Abs. 2 OR eine Begründung verlangen. Wie bereits erwähnt, ändert auch
eine fehlende, unvollständige oder unwahre Begründung nichts an der Wirksamkeit der
Kündigung107.
Ist die Kündigung missbräuchlich, was wie oben dargelegt der Fall sein kann, dann wird
dem missbräuchlich Gekündigten ein Entschädigungsanspruch gemäss Art. 336a OR ein-
geräumt. Nach allgemeiner Regel des Art. 8 ZGB trägt die gekündigte Partei die Beweislast
für das Vorhandensein einer Missbräuchlichkeit, da sie aus dem Sachverhalt bestimmte
Rechte ableitet. Bei der Entschädigung handelt es sich weder um Lohn, noch um Schaden-
ersatz oder Genugtuung108. Die Rechtsverletzungsbusse hat Pönal- und Genugtuungs-
charakter und soll präventiv wirken109
. Will der Gekündigte eine Entschädigung geltendmachen, muss er dazu gemäss Art. 336b Abs. 1 OR vor Ablauf der Kündigungsfrist schrift-
lich Einsprache erheben. Dabei gilt jede schriftliche Willenserklärung, welche zum Ausdruck
bringt, dass der Gekündigte nicht einverstanden ist, als Einsprache110. Bei Verpassen der
Einsprachefrist ist der Anspruch verwirkt111.
105 Vgl. TROXLER, S. 49 ff.106 REHBINDER, Berner Kommentar, N 1 zu Art. 336 OR.107 Vgl. Ziff. II. 3.3.4. 108 REHBINDER, Berner Kommentar, N 1 zu Art. 336a OR; VISCHER, S. 172.109 BBl 1984 II S. 600 f.; BGE 123 III 391; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, N 2 zu Art. 336a OR.110 BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, N 2 zu Art. 336b OR.111 TARNUTZER-MÜNCH, S. 72.
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2. Behandlung im Arbeitszeugnis
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen noch einige Pflichten des Arbeit-
gebers, die sog. nachwirkenden Fürsorgepflichten. Dazu zählt auch die Zeugnispflicht112
des Arbeitgebers, die diesen zur Förderung des wirtschaftlichen Fortkommens des Arbeit-
nehmers anhält113. Es stellt sich die Frage, wie der Kündigungsgrund der häufigen Krank-
heit in einem Arbeitszeugnis zu behandeln ist.
2.1. Grundsätze des Arbeitszeugnisses
Die Lehre differenziert insgesamt sechs Grundsätze, die beim Ausstellen von Arbeitszeug-
nissen beachtet werden müssen114. Im Kontext dieser Arbeit sind v.a. die Grundsätze der
Wahrheit und der Vollständigkeit einerseits und der Grundsatz des Wohlwollens anderer-
seits von Bedeutung, die u.U. verschiedenen Interessen dienen und somit konfliktträchtigsein können115.
Das Wahrheitsgebot fordert eine wahrheitsgemässe Auskunft. Die Angaben müssen
objektiv richtig sein116. Einmalige Vorfälle, die für den Arbeitnehmer nicht charakteristisch
sind, dürfen keinen Eingang ins Arbeitszeugnis finden117. Gemäss dem Vollständigkeits-
gebot muss das Zeugnis über alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen Auskunft
geben, welche für eine Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers bedeutsam sind118. Aufgrund
der nachwirkenden Fürsorgepflicht des Arbeitgebers muss das Zeugnis im Rahmen des
Beurteilungsermessens von Wohlwollen geprägt sein. Einmalige Vorfälle und kleinere
Verfehlungen, die sich für den Arbeitgeber negativ auswirken, sollen weggelassen werden,
selbst wenn diese den Arbeitgeber zur Kündigung veranlasst haben119.
Gemäss BGer hat das Wahrheitsgebot Vorrang gegenüber dem Grundsatz des Wohl-
wollens120. Das Interesse des zukünftigen Arbeitgebers an einer objektiv wahren Darstel-
lung geht dem Interesse des Arbeitnehmers an einem möglichst positiven Zeugnis vor.
Daher verbietet der Grundsatz des Wohlwollens nicht, dass das Zeugnis auch Ungünstiges
enthält – falls dies zur Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung ist –, denn
andernfalls wird dem Erfordernis der Wahrheit widersprochen121.
112 Art. 330a OR.113 BGE 129 III 177, 179; KUHN/KOLLER, Bd. 2, 4/3.10.2, S.1.114 JANSSEN, S. 71.115 Daneben bestehen noch der Grundsatz der Vollständigkeit, der Einheitlichkeit, der Individualität
und der Klarheit (JANSSEN, S. 71 ff.).116 BGE vom 17. Juli 2002 (2A.118/2002, E. 2.2); BRAND ET AL., N 10 zu Art. 330a OR.117 REHBINDER, Arbeitsrecht, Rz 261, S. 128.118 BGE vom 17. Juli 2002 (2A.118/2002, E. 2.2).119 EGLI, N 10 zu Art. 330a OR.120 BGE vom 17. Juli 2002 (2A.118/2002, E. 2.2).121 RICKENBACH, S. 48.
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2.2. Berücksichtigung der Krankheiten bzw. des Kündigungsgrundes
2.2.1. Im Vollzeugnis
Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis, ein sog. Vollzeugnis, hat gemäss Art. 330a Abs. 1 OR
sowohl über Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses als auch über Leistung und Verhaltendes Arbeitnehmers Auskunft zu geben. Es muss alle Tatsachen und Bewertungen enthal-
ten, die wesentlich sind für eine umfassende Darstellung des Arbeitsverhältnisses und eine
Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers122.
Angaben über gesundheitliche Störungen des Arbeitnehmers gehören grundsätzlich nicht in
das Arbeitszeugnis. Beeinflusst aber eine Krankheit die Arbeitsfähigkeit wesentlich oder
bildet diese sogar den Kündigungsgrund, so ist es aufgrund des Wahrheitsgebots gerecht-
fertigt, einen Hinweis anzubringen123. Ist die Erwähnung einer Krankheit unumgänglich, ist
dies schonend vorzunehmen. Keinesfalls darf eine medizinische Diagnose oder eineSchilderung der Krankheitssymptome bekannt gegeben werden.124. Dies fordert der Grund-
satz des Wohlwollens, da das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers, welches der
Arbeitgeber durch die Zeugnisausstellung eigentlich fördern sollte, beträchtlich erschwert
werden kann. M.E. lässt sich diese Forderung auch schon aus dem Persönlichkeitsschutz
des Arbeitnehmers ableiten.
Im hier erörterten Fall bilden die häufigen Krankheiten gleichzeitig den Kündigungsgrund.
Es fragt sich nun, ob dieser Kündigungsgrund im Zeugnis zu behandeln ist. Dies ist zu
bejahen. Die Nennung der Beweggründe zur Kündigung kann die Transparenz eines
Zeugnisses wesentlich erhöhen125. Angaben zum Kündigungsgrund sind auch gegen den
Willen des Arbeitnehmers notwendiger Bestandteil des qualifizierten Arbeitszeugnisses,
wenn dies für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung ist126.
2.2.2. In der Arbeitsbestätigung
Ist der Arbeitnehmer mit dem Vollzeugnis nicht einverstanden, kann er entweder den An-
spruch auf ein objektiv richtiges Zeugnis einklagen, wenn er gegebenenfalls die inhaltlicheUnrichtigkeit beweisen kann, oder er kann die Ausstellung einer Arbeitsbestätigung
verlangen127. Dabei handelt es sich nicht um eine Wahlobligation gemäss Art. 72 OR. Der
Arbeitnehmer hat Anspruch sowohl auf das Vollzeugnis als auch auf das einfache Zeugnis,
diese kann er wahlweise, gleichzeitig oder zeitlich gestaffelt verlangen128.
122 REHBINDER/PORTMANN, Basler Kommentar, N 4 zu Art. 330a OR; RICKENBACH, S. 47.123 JANSSEN, S. 126 f.; WYSS, NZZ vom 3. Juni 1998, S.77.124 JANSSEN, S. 127.125 WYSS, NZZ vom 3. Juni 1998, S. 77.126 BRAND ET AL., N 18 zu Art. 330a OR; BRÜHWILER, N 3 zu Art. 330a OR.127 GUHL/KOLLER, N 119, S. 495.128 BRAND ET AL., N 21 zu Art. 330a OR; STAEHELIN, Zürcher Kommentar, N 17 zu Art. 330a OR.
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Auf besonderes Verlangen beschränkt sich das Zeugnis auf eine Arbeitsbestätigung.
Dieses einfache Zeugnis enthält gemäss Art. 330a Abs. 2 OR lediglich Angaben zur Art und
Dauer des Arbeitsverhältnisses. Die Erwähnung einer Krankheit, häufiger oder länger-
fristiger Absenzen oder Angaben zum Kündigungsgrund sind gegen den Willen des Arbeit-
nehmers keinesfalls erlaubt129. Es entfällt auch jegliche Haftung des Arbeitgebers gegen-
über einem zukünftigen Arbeitgeber, wenn besonders negative Ereignisse nicht erwähnt
werden130.
V. ZUSAMMENFASSUNG UND EMPFEHLUNGEN
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit lassen sich wie folgt zusammenfassen.
Der zeitliche Kündigungsschutz bietet einen sehr effektiven Schutz für den erkrankten
Arbeitnehmer. Eine während einer Krankheit ausgesprochene Kündigung ist nichtig. Beiweiteren Arbeitsunfähigkeiten, die ihre Ursache nicht in derselben Krankheit haben, sind die
Sperrfristen kumulierbar und der Arbeitnehmer ist durchgehend geschützt. Durch diese
Kumulation der Schutzfristen kann es u.U. sehr lange dauern, bis die Kündigung seitens
des Arbeitgebers rechtswirksam ausgesprochen werden kann. Festzuhalten bleibt aber,
dass sich die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers, die sich einzig nach Art. 324a OR
richtet, meist nur auf einen Teil dieser kumulierten Sperrfrist erstreckt, so dass dem
Arbeitnehmer zwar sein Arbeitsplatz erhalten bleibt, nicht aber eine fortwährende
Lohnzahlung.
Eine fristlose Kündigung rechtfertigt sich nur in Ausnahmefällen. Dann sind es aber nicht
die häufigen Krankheiten, die einen wichtigen Grund darstellen, sondern die mit diesen
Krankheiten allenfalls verbundenen Verletzungen der Arbeits- oder Treuepflicht.
Bei der Beurteilung, ob eine Kündigung wegen häufiger Krankheit missbräuchlich ist, muss
differenziert werden. Bei einer Vereitelungskündigung i.S.v. Art. 336 Abs. 1 lit. c OR ist m.E.
eine Kündigung nur dann missbräuchlich, wenn vertraglich längere Lohnfortzahlungs-
pflichten vereinbart wurden und mit der Kündigung bezweckt wird, diese Lohnzahlungs-pflicht zu beenden.
Bei einer Kündigung aufgrund persönlicher Eigenschaften gemäss Art. 336 Abs. 1 lit. a OR
ist zu unterscheiden. Eine Kündigung aufgrund einer Krankheit ist grundsätzlich miss-
bräuchlich, da eine Krankheit als eine persönliche Eigenschaft i.S.v. Art. 336 Abs. 1 lit. a
OR zu qualifizieren ist. Die in diesem Artikel enthaltenen Rechtfertigungsgründe sind aber
von grosser Bedeutung und Reichweite.
129 STREIFF/VON KAENEL, N 4 zu Art. 330a OR.130 EGLI, N 22 zu Art. 330a OR.
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Eine Kündigung aufgrund häufiger Krankheit kann gerechtfertigt sein, wenn sich die
häufigen Krankheiten negativ auf die betriebliche Zusammenarbeit auswirken. Erforderlich
ist aber, dass der Arbeitgeber alle zumutbaren Massnahmen trifft, um die Ursachen dieser
Störungen zu beheben und dass die Beeinträchtigung eine wesentliche ist.
Zudem kann die Berufung auf eine persönliche Eigenschaft gerechtfertigt sein, wenn diese
in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht. Eine Kündigung aufgrund einer
Krankheit, welche die Arbeitsleistung beeinträchtigt, weist diesen nötigen Zusammenhang
auf. Aufgrund der dargelegten Überlegungen ist eine schwere Krankheit gleichzustellen mit
häufiger Krankheit, wenn beide Fälle dieselben beeinträchtigenden Auswirkungen auf die
Arbeitsleistung haben. In diesem Fall ist auch die Kündigung aufgrund häufiger Krankheit
nicht missbräuchlich.
Wie erwähnt kann, falls sich die Kündigung nicht unter einen Missbrauchstatbestand desArt. 336 OR subsumieren lässt, das allgemeine Rechtsmissbrauchsverbot gemäss Art. 2
Abs. 2 ZGB zur Anwendung gelangen. Diese Generalklausel besagt, dass der offenbare
Missbrauch eines Rechts keinen Schutz findet. Wie vorstehend ausgeführt kann sich im
Einzelfall unter Würdigung aller Umstände die Anwendung von Art. 2 Abs. 2 ZGB aufdrän-
gen, wenn die Kündigung ausnahmsweise einen groben Verstoss gegen die Rechtsethik
bedeuten würde.
Verlangt der Arbeitnehmer eine Begründung der Kündigung, muss der Arbeitgeber, aus
dem Zweck der Kündigungsbegründung folgend, die Kündigungsmotive wahr und voll-
ständig angeben. Aus diesem Erfordernis ergibt sich, dass der Arbeitgeber seinen Grund,
i.c. Kündigung wegen häufiger Krankheit, nennen muss. Er kann m.E. auch die mangelnde
Arbeitsleistung anfügen, da die häufigen Krankheiten die Arbeitsleistung beeinträchtigen.
Ist die Erwähnung der Kündigungsmotive im qualifizierten Arbeitszeugnis aus den darge-
legten Gründen unumgänglich, so sollte dies schonend geschehen, da das Arbeitszeugnis
auch das wirtschaftliche Fortkommen des Arbeitnehmers fördern soll. Die Angabe des
Kündigungsgrundes ist nur zulässig, wenn dies zur Würdigung des Gesamtbildes desArbeitnehmers beiträgt. M.E. rechtfertigt sich daher die Angabe des hier diskutierten Kündi-
gungsgrundes nur, wenn der Arbeitnehmer für die entsprechende, vertraglich geschuldete
Arbeitsleistung generell nicht geeignet ist. Als Beispiel sei ein Gärtner erwähnt, der auf-
grund einer Pollenallergie der Arbeit immer wieder fernbleibt. Dies wäre m.E. eine
Tatsache, die erwähnt werden müsste, ansonsten der Arbeitgeber dem Wahrheitsgebot und
auch der Forderung, eine umfassende Gesamtdarstellung des Arbeitnehmers zu geben,
nicht gerecht wird. Eine solche Aussage bzw. dieses Kündigungsmotiv könnte wie folgt
formuliert werden: Kündigung aufgrund genereller gesundheitlicher Nichteignung für dievertraglich geschuldete Arbeitspflicht.