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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.
Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.
Wasserstoffbrücken und elektrochemisches Verhalten aromatischer Verbindungen
V o n L . HOLLECK, H . MARSEN u n d H . J . E X N E R
Aus dem Institut für Physikalisdie Chemie der Universität Freiburg i. Br. (Z. Naturforschg. 9b. 90—94 [1954]: eingegangen am 23. September 1953)
Innermolekulare Wasserstoffbrücken bei substituierten Nitrobenzolen und Benzaldehyden lassen sich durch das Abweichen der Reduktions-Potentiale von einer auf die p-Verbindungen bezogenen Reihung erkennen. Die Richtung dieses Abweiehens wird bei Carbonylverbin-dungen und im entgegengesetzten Sinne bei Nitroverbindungen aus der untersehiedlidien Beanspruchung der zu reduzierenden Gruppe bei der Einbeziehung in das Wasserstoffbrücken-System erklärt. Die Nitrosogruppe verhält sich analog der Carbonylgruppe. Bei 2-Nitroso-1-naphthol wird das Vorliegen einer Wasserstoffbrücke polarographisch gestützt. Zum Nach-weis innermolekularer Wasserstoffbrücken des Typs NH. . .O sind polarographische Messungen geeigneter als solche der IR-Absorption.
Der Nachweis von Wasserstoffbrücken erfolgt im allgemeinen infrarot-spektroskopisch. Zum Er-
kennen einer Wasserstoffbrücke des Typs O H . . . O genügt eine Betrachtung des Absorptionsgebietes der OH-Schwingungen. Handelt es sich um zwischen-molekulare Wasserstoffbrücken, dann tritt eine starke
des Salicylaldehyds (Abb. 2 a) gebracht. Solche Mole-küle zeigen auch in verdünnten Lösungen keine Banden freier Hydroxylgruppen (Abb. 2b). Das Maxi-mum der Assoziationsbande liegt hier bei 3106 cm während nidit-assoziierte Hydroxylgruppen in einer scharfen Bande zwischen 3500 und 3700 cm-1 ab-
Assoziationsbande bei etwa 3 // auf, wie das Beispiel des m-Nitrophenols (Abb. 1 a) zeigt. In verdünnter Lösung verschwindet diese und es ersdieint eine scharfe OH-Bande (Abb. 1 b). Das Vorliegen einer innermolekularen Wasserstoffbrücke äußert sich in einer starken, langwelligen Assoziationsbande, die vielfach noch über die Assoziationsbande zwischen-molekular gebundener Moleküle hinaus nach langen Wellen verschoben ist. Als Beispiel sei das Spektrum
sorbieren (vgl. Abb. lb ) . Der Bindungszustand in Phenolen bei Vorliegen von innermolekularen Was-serstoffbrücken wurde neuerdings an Hand von IR-Absorptionsmessungen eingehend diskutiert1.
Der Nadivveis von innermolekularen Wasserstoff-brücken des Typs N H . . . O ist bedeutend sehwieri-
1 R. M e c k e, Z. Elektrodiem. angew. physik. Chem. 52, 269 [1948]; W. L ii 11 k e u. R. M e c k e , Z. phv-sik. Chem. A 196. 56 [1950],
ger. In neuerer Zeit sind hier durch vergleichende Chromatographie Fortschritte erzielt worden 2. Spek-troskopisch kann man die Existenz einer Chelatbin-dung nur wahrscheinlich machen. Das liegt daran, daß die in solchen Fällen beobachtete Bandenver-schiebung wesentlich kleiner ist als bei Wasserstoff-
v 10000 50001000 3000 2500 2000 150011001300 1200 1100
Auch bei o-Aminobenzaldehyd ist der Hinweis für eine Chelatbindung N H . . . O nicht so klar wie bei Salicylaldehyd. Im Spektrum dieser Verbindung (Abb. 4) fällt auf, daß von den zwei NH-Banden, von denen die kurzwelligere der symmetrischen, die andere der antisymmetrischen Schwingung zuzuord-
1 2 3 1 5 6 7 8 9 1 2 3 1 5 6 7 8 g A. X **
Abb. 2. IR-Spektrum des Salicylaldehyds, a) im flüssigen Zustand, b) in verdünnter Lösung (CCU)-
100ÖÖ~V 50001000 3000 2500 2000 1500 WO 1300 1200 1100 wOOcT*50001000 3000 2500 2000 1500 WO 1300 1200 1100
V ^ N H C O C H 3
a-Acetaminobenzaldehyti (lest)
/
rr
C H 0 I^J-fi-C-CHg
o-Acetaminobenzaldehyd (Lösg.)
I 1 ' 1 ~r
1 2 3 1 5 6 7
a) im festen Zustand, b) in verdünnter Lösung (CCU).
8 ̂ J
brücken des Typs O H . . . O . So liegt z . B . die NH-Absorption des Acetanilids bei 3460 c m 1 , die ent-sprechende bei o-Nitroacetanilid, für das auf Grund eines Löslidikeitsvergleiches mit Acetanilid eine Brücke NH . . . O angenommen wird3 , liegt bei 3378 cm'1. Bei o-Acetaminobenzaldehyd tritt die NH-Absorption bei 3279 cm"1 (Abb. 3 a) auf und die Bande bleibt audi in verdünnter Lösung frequenz-konstant (Abb. 3 b).
2 H. H o y e r . Z. Elektrochem. angew. physik. Chem. 54. 413 [1950],
nen ist, erstere intensiver auftritt als die langwellige und daß der Bandenfuß verhältnismäßig breit ist. Diese beiden Punkte können als Assoziations-Er-scheinungen gedeutet werden. Außerdem könnte die langwellige Lage der Carbonylbande (1678 cm -1
gegen 1704 cm"1 bei Benzaldehyd) und ihre relativ geringe Intensität für eine innermolekulare Assozia-tion sprechen.
Eine eindeutige IR-spektroskopische Ermittlung
3 H. H o y e r , Z. Elektrodiem. angew. phvsik. Chem. 49. 97 [1943],
von inneren Wasserstoffbrücken ist also eigentlich auf solche des Typs O H . . . O beschränkt. In wäßri-gen Lösungen ist ein direkter Nachweis von Wasser-stoffbrücken kaum möglich.
Verschiedentlich wurde versucht, elektrochemische Auswirkungen von Wasserstoffbrücken polarogra-phisch zu erfassen 4 " 7 . So begründete As t le r > die verschiedenen Reduktions-Potentiale von o- und p-Nitrophenol mit dem Vorliegen einer Chelation bei der o-Verbindung. Da sich aber o- und p-Isomere i. a. immer in der Lage der Reduktiöns-Potentiale unter-scheiden, wie im folgenden gezeigt werden wird, ist
-— v 10000 5000 W00 3000 2500 2000 1500 WO 1300 1200 1100
die Extremwerte von p-Nitranilin und p-Dinitro-benzol einerseits und p-Oxybenzaldehyd und Tere-phthalaldehyd andererseits. Durch die p-Verbindun-gen ist die Lage der Substituenten auf der Abszisse festgelegt. Ein Beziehen auf die m-Verbindungen, die gleich den p-Verbindungen nicht befähigt sind. Wasserstoffbrücken zu bilden, ist nicht möglich. Es hat sich nämlich gezeigt, daß alle m-Verbindungen — unabhängig von der Natur des Substituenten — bei ein und demselben Potentialwert (verglichen bei pn 0) reduziert werden. Die o-Verbindungen weisen bis auf einige Fälle Potentialänderungen im gleichen
i r T — T-r -r
fU <J-A)
..i 1 i
V o cX ninobenzaldehyd ( fest) i 1
1 2 3 V 5 6 7 8 ̂ S
Abb. 4. IR-Spektrum des o-Aminobenzaldehyds,
— v 10000 5000 W00 3000 2500 2000 1500 WO 1300 1200 T100 I ' ' ' 1—T-1—I—H—l 1 i i i ' i—i—i—i—i r—rn—i—i—i—i—i— . I I I | T—1 r 1 ] ' T TT"
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in PFL
O-Aminch
I
V , £r<„
)enza!dehyd (Lsg.)
, I
a) im festen Zustand, b) in verdünnter Lösung.
eine solche Folgerung nicht ohne weiteres angängig. Auch die Unterschiede im Reduktionspotential von o-Nitrophenol und o-Nitroanisol können wegen der spezifischen Substituenten-Wirkung nicht als eindeu-tige Beweise angesehen werden.
Aus umfangreichen Messungen der polarographi-schen Reduktions-Potentiale an substituierten Nitro-benzolen8 und Benzaldehyden9 ließ sich eine Reihenfolge der Substituenten-Wirksamkeit aufstel-len, aus der nur die Bildner von Wasserstoff brücken herausfallen.
Die Abb. 5 und 6 zeigen diesen Zusammenhang. Er ergab sich durch Aufreihung der p-Verbindungen entsprechend ihren Reduktions-Potentialen zwischen
4 G . S e m e r a n o u. V. C a p i t a n i o , Gazz. chim. ital. 70. 406 [1940].
5 G. S c a r a m e l l i u. R. A t t i , Acad. Ital. Rend. Cl. Sei. fis. mat. nat. 7 [1940],
B M. J. A s 11 e u. W. V. M c C o n n e l l , J. Amer. chem. Soc. 65, 35, 764 [1943]. M. J. A s t l e u. M. P. C r o p p e r , J. Amer. chem. Soc. 65. 2395 [1943]. M. J. A s t l e u. St. P. S t e p h e n s o n . J. Amer. chem. Soc. 65, 2399 [1943],
Sinne wie die p-Verbindungen auf. Aus dem Zu-sammenhang fallen leicht erkennbar die o-ständigen OH-, NH2- und die NHCOCH3-Gruppen heraus. Auch die Phthalaldehydsäure läßt ein Abweichen er-kennen. Über die besonderen Bindungsverhältnisse der Phthalaldehydsäure sind Untersuchungen im Gange.
Die Reduktions-Potentiale chelatisierter Benzalde-hyde liegen bei negativeren Werten, als man nach der Reihung der nicht chelatisierten Verbindungen erwartet, während die Reduktions-Potentiale der ent-sprechenden Nitrobenzole mit inneren Wasserstoff-brücken Abweichungen in Richtung positiver Poten-tiale zeigen. Dieser Unterschied erklärt sidi aus dem verschiedenen Bindungszustand der beiden Gruppen.
" J. P e a r s o n , Trans. Faradav Soc. 44. 683 [1948]; 45, 199 [1949],
8 L. H o 11 e c k u. H. J. E x n e r , Vortrag, Bunsen-tagung Lindau 1952; Angew. Chem. 64, 430 [1952]; Dis-sertation H. J. E x n e r , Freiburg i. Br. 1952.
» L . H o l l e c k u. H. M a r s e n , Z. Elektrodiem. angew. physik. Chem. 57. 944 [1953],
A/nmr» NHC00Hj
1 X Br Cl
/ /
CN COOH
CHO _L
-0,1 -0,6 -OJ} Von
Abb. 5. Substituenten-Einfluß auf das Halbstufen-Poten-tial von Nitrobenzolen (bei pjj 0).
In einer chelatartig gebundenen Carbonylverbin-dung nimmt die CO-Gruppe an der Ausbildung eines neuen Sechserringes teil, wie es durch die folgenden beiden Formeln zum Ausdruck gebracht wird:
o=c—CH3
Die Sprengung dieses Ringes, in dem der Doppel-bindungs-Charakter der C = 0-Gruppe durch die Wasserstoffbrücke geschwächt wird, erfordert bei der Reduktion einen vergleichsweise höheren „Elektro-nendruck" als bei nicht chelatisierten Carbonylgrup-pen. Das bedeutet, daß das Reduktions-Potential des Salicvlaldehyds bei negativeren Werten liegt als das vergleichbarer, aber nicht chelatisierter Aldehyde.
Auch die Nitrogruppe ändert ihren Bindungs-charakter, wenn sie in das System einer innermole-kularen Wasserstoffbrücke einbezogen wird. Dies äußert sich im Gegensatz zu den Carbonylverbindun-gen darin, daß die Reduktion einer chelatisierten Nitrogruppe leichter erfolgt als die einer nicht chelat-artig gebundenen: Die Verknüpfung der Sauerstoff-Atome mit dem Stickstoff in der Nitrogruppe kann nicht durdi zwei Doppelbindungen beschrieben wer-den, dies widerspräche der Elektronentheorie. Da die
R—N
chemischen Eigenschaften und die Dipolmomente der Nitrogruppen auf die Gleichwertigkeit der Sauer-stoffatome hinweisen, wird der wahre (mesomere) Bindungszustand demnach zwischen den Grenz-formeln : _
R—
1- 5 1
liegen. — — Die einsamen Elektronenpaare der Nitrogruppe
werden zum Aufbau des Chelatringes herangezogen, wodurch der Doppelbindungs-Charakter zum freien Sauerstoffatom verstärkt wird. Es erfolgt hier also gewissermaßen eine Festlegung der einen mesome-ren Grenzform. Am freien Sauerstoffatom herrscht dadurch ein Elektronenmangel, eine quasi-positive Ladung, welche die elektrochemische Aufnahme von
O O
ö o H I H '
I 0 = C—CH:,
Elektronen (Reduktion) erleichtert. Das bedeutet also positivere Reduktions-Potentiale als bei un-chelatisierten Nitrogruppen. Der Bindungszustand z. B. im o-Nitrophenol oder o-Nitroacetanilid wird danach obiger Sdireibweise nahekommen.
* orfho o meta + para
ANH,
Abb. 6. Substituenten-Einfluß auf das Halbstufen-Poten-tial von Benzaldehyden (bei pJf 0).
Abb. 7. Molekülmodell von: a) o-Nitroacetanilid, b) o- Acetaminobenzaldehyd.
Die Wasserstoffbrücken-Bindung für o-Nitroacet-anilid bzw. Acetaminobenzaldehyd läßt sidi audi modellmäßig mit S t u a r t - B r i e g l e b - Kalotten (Abb. 7) ohne weiteres darstellen.
Da die Bindungsverhältnisse bei Nitrosoverbin-dungen mit jenen der Carbonylverbindungen ver-glichen werden können, erwarten wir bei Vorliegen einer inneren Wasserstoffbrücke ebenfalls eine Er-schwerung der Reduktion gegenüber einer freien Nitrosogruppe. Es wurden Messungen an 1-Nitroso-2-naphthol und 2-Nitroso-l-naphthol sowie ihren Methyläthern durdigeführt. Während das Reduk-tions-Potential von 2-Nitroso-l-naphthol-methyl-äther bei positiveren Werten als l-Nitroso-2-naphthol-me-thvl-äther liegt, ist im Gegensatz hierzu das Poten-tial von 2-Nitroso-l-naphthol gegenüber 1-Nitroso-2-naphthol zu negativeren Werten verschoben. Dies deutet auf eine Wasserstoffbrücke nur bei 2-Nitroso-l-naphthol hin, wenn man auch die Lage zu den Methyläthern berücksichtigt. In der Tat haben auch IR-spektroskopische Messungen dieses Ergebnis be-stätigt, wobei nur l-Nitroso-2-naphthol eine starke OH-Absorptionsbande bei 2,8 /1 zeigte 10.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß sich an den elektrochemischen Auswirkungen, nach dem Aus-schalten des spezifischen Substituenten-Einflusses, das Vorliegen von innermolekularen Wasserstoff-brücken in wäßrigen Lösungen erkennen läßt. Audi die Annahme von Wasserstoffbrücken des Typs NH . . . O läßt sich polarographisch stützen.
10 W. L ü t t k e , noch unveröffentlicht.