Semantik – Pragmatik
Gerrit Kentner
4. Juli 2012
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Zur Klausur
Vier Teilbereiche
� Phonetik/ Phonologie
� Morphologie
� Syntax
� Semantik/ Pragmatik
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Zur Klausur
Zu jedem Teilbereich gibt es 4 Aufgaben, von denen 3 bearbeitetwerden sollen.Jede korrekt geloste Aufgabe bringt 10 Punkte (es konnen alsomaximal 30 P pro Teilbereich und insgesamt 120 P erreichtwerden).Die Klausur gilt als bestanden, wenn in jedem Teilbereichmindestens 10 Punkte erreicht werden.Sie konnen zu einer mundlichen Wiederholungsprufung (gilt nochals Teil des Erstversuchs) antreten, wenn Sie die Klausur inhochstens einem Teilbereich nicht bestanden haben, aber in denanderen Teilbereichen zusammen mindestens 40 Punkte erreichthaben.
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Gegenstand der Semantik
Wortliche Bedeutung Ñ Voraussetzung fur Erkennen desverborgenen Sinns bei Ironie und Implikaturen, von Metaphern undSprechereinstellungen.
� Was sprachliche Ausdrucke wortlich bedeuten, muss nichtaufregend sein. Aber:
� Sprachwissenschaftler sind an der Erklarung des Phanomensdes Sprachverstehens interessiert.
� Wie funktioniert Erfassen der wortlichen Bedeutung?
� Was ist das, was da erfasst wird?
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Zahltest
Die Zeichenfolge “Tier” kann sich auf verschiedene Dinge beziehen:
(1) Tier
a. Hundb. Katzec. Maus
Handelt es sich hier um Ambiguitat??Beobachtung: Man kann sagen, dass in (1) von 3 Tieren die Redeist, d.h. man kann zahlen.
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Zahltest
Die Zeichenfolge “Schloss” kann sich auf verschiedene Dingebeziehen:
(2) a. Palastartiges Gebaudeb. Schliessvorrichtung
Beobachtung: Man kann nicht sagen, dass in (2) von 2 Schlosserndie Rede ist.Zahltest negativ Ñ Ambiguitat!
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Koordinationstest
Sind ‘klagen’ (i.S. von Schmerz aussern) und ‘klagen’ (Anspruchvor Gericht geltend machen) ein und dasselbe Wort? Andersgefragt: Ist ‘klagen’ ambig?
(3) a. Peter klagt uber die Schmerzen in seiner Hand.b. Rita klagt auf Mietminderungc. ?Peter und Rita klagen
(3-c) kann nicht im Sinne einer Koordination von (3-a) und (3-b)verstanden werdenÑ entsprechend ist die Zeichenfolge ‘klagen’ ambig (2Bedeutungen)
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Homonymie vs. Polysemie
Mehrdeutigkeiten
� zufallige Mehrdeutigkeiten: Homonyme (Homophone undHomographen) (KieferBaum versus KieferKnochen)
� systematische Mehrdeutigkeiten: Polyseme
(4) Beispiele fur Polysemie
a. Schule (Gebaude, Institution, Unterricht)b. Zeitung (Gebaude, Institution, Druckerzeugnis)
Bedeutungsvarianten polysemer Ausdrucke sind verwandt undlassen sich auf eine abstrakte Grundbedeutung zuruckfuhren.
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Synonymie
Gehweg – Gehsteig – Burgersteig – Trottoir
(5) Zwei Ausducke A und B sind synonym, falls man in jedemkomplexen Ausdruck C, in dem A vorkommt, A durch Bersetzen kann und umgekehrt, ohne dass sich dieBedeutung von C andert.
Echte Synonymie ist Luxus und daher selten.
(6) Lexikalische Blockierung bei Synonymie
a. *Stehler / Diebb. *Kocher (als Nomen agentis) / Koch
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Inkompatibilitat / Heteronymitat
Zwei Ausdrucke A und B sind inkompatibel / heteronym, fallsnichts gleichzeitig unter die durch A und B benannten Begriffefallen kann.
(7) a. blau – gelb – grun – rotb. Montag, Dienstag, Mittwoch...c. Rose, Nelke, Tulpe...
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Komplementaritat
Besondere Form der Inkompatibilitat:
Alle Dinge, die sich mit komplementaren Ausdrucken bezeichnenlassen, fallen entweder in den einen oder in den anderen Ausdruck.Wird der eine Ausdruck negiert, trifft sein komplementaresGegenstuck zu.
(8) a. tot – lebendigb. verheiratet – unverheiratetc. mundig – unmundig
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Antonymie
Gegensatzpaare. Komplementare Ausdrucke sind antonym. Auchinkompatible Ausdrucke konnen Antonyme bilden, wenn sie dieEndpunkte einer Skala sind
(9) a. tot – lebendigb. heiss – kaltc. oben – untend. alt – neue. alt – jung
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Vertikale Sinnrelationen
Hyponyme (Unterbegriff) und Hyperonyme (Oberbegriffe)Strukturierung von Wortfeldern / Ziel: Organisation des Lexikons
Pflanze
Baum
Laubb.
Eiche Buche
Nadelb.
Larche Fichte
Blume
Rose Tulpe Iris
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Vertikale Sinnrelationen
Implikation durch Hyperonymie
(10) Peter hat Buchen gekauft Ñ
a. Peter hat Laubbaume gekauft.b. Peter hat Baume gekauft.c. Peter hat Pflanzen gekauft.
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Vertikale Sinnrelationen
MeronymieTeil – Ganzes – Beziehung
(11) a. Kopf – Naseb. Auto –Reifenc. ...
Keine Implikationsbeziehung!
(12) Peter kauft einen Reifen Û
a. Peter kauft ein Auto
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Merkmale
Idee aus der Phonologie: Jeder Laut kann als Merkmalsbundelexakt beschrieben werden.
{+kons, -sonorant, -kontinuierlich, +labial, +stimmhaft} = [b]
Anwendung auf Semantik
Jeder Ausdruck kann als Bundel semantischer Merkmalecharakterisiert werden.
{+menschlich, +erwachsen, +mannlich, +unverheiratet}= Junggeselle
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Merkmalssemantik
(13) Lexikalische Dekomposition in Merkmale.
a. Kohyponyme bilden eine naturliche Klasse (definiertdurch gemeinsame Merkmale)
b. Je hoher das Hyperonym, desto weniger Merkmale
(14) Probleme:
a. Keine befriedigende Analyse aller Ausdrucke mithilfevon Merkmalen
b. unklar, wieviele Merkmale angenommen werdenmussen
c. keine unabhangige Evidenz fur Merkmale
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Verbbedeutung
Offenbar unterscheiden sich Verben systematisch hinsichtlich destemporalen Aufbaus der Sachverhalte, die sie beschreiben.
(15) Atelische Verben (durative Verben ohneZustandsveranderung)
a. lachen, schlafen, sitzen.... (Activity-Verben)b. heissen, wissen,... (State-Verben)
(16) Telische Verben (Zustandsveranderung)
a. Achievementankommen, erwachen, ausschalten... (punktuell)
b. Accomplishmentsinken, besteigen,... (durativ)
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Verbbedeutung
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Strukturelle Ambiguitaten
(17) Die Studenten, die kein Geld haben, mussen nebenherjobben.
a. Die Studenten (also alle) haben kein Geld undmussen nebenher jobben.
b. Diejenigen Studenten, die kein Geld haben, mussennebenher jobben.
(18) Alle Glaubigen verehren einen Gott.
a. Es gibt einen Gott fur den gilt, dass alle Glaubigenihn verehren.
b. Fur jeden Glaubigen gibt es einen Gott, den erverehrt.
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Strukturelle Ambiguitaten
a. Fritz weiß, was Gaby vermutet.b. Trinken Sie Tee oder Kaffee?c. Vor zwanzig Jahren waren die Professoren noch junger.d. Mein Schwager mochte eine Norwegerin heiraten.e. Gaby sucht ein grunes Heft.f. Wie viele Bucher hat jeder von euch gelesen?g. Fritz kennt Gaby nicht, weil sie in Hamburg wohnt.
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Bedeutungstheorien
Im Alltag gibt es mindestens 3 Strategien, Bedeutung zu erfassen
� Wir zeigen auf Gegenstande – Referenz
(19) A: Was meinst Du mit xyz?B: (zeigt auf Referenzobjekt)
� Wir umschreiben, formulieren Paraphrasen
(20) Mit xyz meine ich abc.
� Wir nennen Gebrauchsbedingungen fur Zeichen
(21) Xyz sagt man, wenn man...
Auch die Semantik bedient sich dieser Strategien, um Bedeutungzu erfassen.
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Bedeutungstheorien
� Wir zeigen auf Gegenstande – Referenz
(22) A: Was meinst Du mit xyz?B: (zeigt auf Referenzobjekt)
Die Bedeutung eines Ausdrucks ist erfasst, wenn man seineReferenten nennen kann: Referent ist dabei sehr allgemein zufassen: Gegenstande, Personen, Sachverhalte...
Extension eines Ausdrucks
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Bedeutungstheorien
� Wir umschreiben, formulieren Paraphrasen
(23) Mit xyz meine ich abc.
Die Intensioneines Ausdrucks ist die Gesamtheit der Merkmale oderEigenschaften, die den Dingen, die er umfasst(also seiner Extension), faktisch gemeinsam sind oder die dieSchnittmenge ihrer notwendigen Merkmale ausmachen. Demnachenthalt die Intension des Begriffes “Mensch” die Merkmalebelebt, sterblich, auf zwei Beinen gehend, ungefiedert,vernunftbegabt, Werkzeuge produzierend etc.Ñ Achtung - diese Definition ist nicht unproblematisch!!
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Bedeutungstheorien
Gebrauchsbedingungen – PragmatikDie Bedeutung (im weiteren Sinne) eines Ausdrucks ist erfasst,wenn klar ist, unter welchen Umstanden er genutzt werden kann.
� Wir nennen Gebrauchsbedingungen fur Zeichen
(24) Xyz sagt man, wenn man...
Wir werden darauf zuruckkommen
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Zwei Komponenten der Bedeutung
(25) a. Sachbezug, Verweis auf ReferenzobjekteSprache wird verwendet, um uber Dinge, Personen,Ereignisse zu sprechen.
Ñ Extension
b. InformationSprache wird verwendet, um Informationenauszutauschen, begriffliche Inhalte zu vermitteln.
Ñ Intension
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Zwei Komponenten der Bedeutung
Intension und Extension
Gedanke
Intension
Zeichentrager
SymbolReferenzobjekt
Extension
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Intensionen und Extensionen
Erinnerung: Die Bedeutung eines Ausdrucks ist erfasst, wennermittelt ist, auf welche Gegenstande, Personen, Sachverhalte sichder Ausdruck bezieht.
(26) Problemfalle:
a. Die aktuelle Bundeskanzlerin ist die aktuelleParteivorsitzende der CDU.
b. Der Morgenstern ist der Abendstern.
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Intensionen und Extensionen
Extension von Bundeskanzlerin und CDU-Parteivorsitzende (imJahr 2012)
{AngelaMerkel}
Bundeskanzlerin CDU-Parteivorsitzende
Extension von Abendstern und Morgenstern
{Venus}
Morgenstern Abendstern
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Intensionen und Extensionen
(27) Extension = Menge der Dinge auf die man mit einemsprachlichen Ausdruck Bezug nehmen kann.
(28) Intension = Begrifflicher Inhalt des sprachlichenAusdrucks; deskriptive Bedeutung, die nicht direkt an dieDinge in der Welt gebunden sind.
� Dass Morgenstern und Abendstern zwar dieselbe Extensionhaben, aber nicht bedeutungsgleich sind, wird deutlich, wennman sich vergegenwartigt, dass man lange nicht wusste, dassbeide Ausdrucke denselben Planeten bezeichnen.
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Extensionen
(29) Extension von x = Menge der Dinge auf die man mit xBezug nehmen kann.
(30) a. Frankfurt am Main (Eigenname)b. Der Prasident der USA (Kennzeichnung)c. Tisch (Generischer Ausdruck)
� Extension des Eigennamens (30-a) – Die Stadt Frankfurt a.M.
� Extension der Kennzeichnung (30-b) – B. Obama (Stand:2012)
� Extension des Ausdrucks (30-c) – Menge aller Tische
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Extensionen
Extensionen von Ausdrucken werden in der formalen Semantik alsMengen beschrieben. Ein paar Beispiele
(31) a. sudeuropaische Hauptstadt – {Rom, Athen, Lissabon,Madrid}
b. deutsche Millionenstadt – {Hamburg, Berlin,Munchen, Koln} oder auch{Stadtstaat an der Elbe, Berlin, bayerischeBewerberstadt fur Olympia 2018, großte Stadt amRhein}
c. schweizerische Nordseeinsel – { }d. Stern – {8, H, ], :, L, .... }
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Kennzeichnung
Ausdruck der Form “der, die, das X”. Definiter Ausdruck.Semantisch gilt fur Kennzeichnungen folgendes:
(32) Einzigkeitsbedingung: Es gibt genau ein X.Konjunktion aus:
a. Existenz: Es gibt mindesten ein X.b. Eindeutigkeit: Es gibt hochstens ein X.
http://de.wikipedia.org/wiki/KennzeichnungExtensionen von Kennzeichnungen haben genau ein Element inihrer Menge.
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Extension von nicht-nominalen Ausdrucken
Der Gemeinname (generische Ausdruck) Stadt bezieht sich auf alleStadte
Extension von intransitiven Verben
Der Ausdruck schlafen bezieht sich auf alle Individuen, fur die gilt,dass sie schlafen. Die Extension von schlafen ist identisch mit derExtension des Ausdrucks Schlafender.
Extension von Adjektiven
Der Ausdruck lila bezieht sich auf alle Dinge, die die Eigenschafthaben, lila zu sein.
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Extension von nicht-nominalen Ausdrucken
Extension von transitiven Verben:
Kussen bezieht sich jeweils auf 2 Personen – die Extension istentsprechend komplexer:
Die Extension von “kussen” ist als Menge von geordneten Paarenvon Individuen (x, y) definiert, fur die gilt, dass x y kusst.
Da sich unubersichtlich viele Paare von Individuen kussen, ist esnicht leicht, die Extension vollstandig zu erfassen. Um diesProblem zu losen konstruieren Semantiker einfache Modellwelten.
ñ Modelltheoretische Semantik
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Extension transitiver Verben
Modell einer moglichen Welt w:
In Welt w leben die Frauen Clara, Maria und Lena und die MannerFritz, Heiner und Udo und sonst niemand.
In dieser Welt ist ausserdem folgendes der Fall:Fritz und Maria kussen sich, Lena kusst Udo und Udo kusst sichselbst. Clara, Udo und Heiner lachen. Ansonsten passiert nichts.
Wir konnen folgende Extensionen angeben:
� Extension von Frau in w= {Clara, Maria, Lena}� Extension von Mann in w= {Udo, Heiner, Fritz}� Extension von lachen in w= {Clara, Heiner, Udo}� Extension von kussen in w= {(Fritz, Maria), (Maria, Fritz),
(Lena, Udo), (Udo, Udo)}
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Extension ditransitiver Verben
Extension von ‘schenken’ ist noch komplexer:
Hier lassen sich Mengen von Tripeln als Extension annehmen.
d.h. Menge aller Tripel (x,y,z) fur die gilt, dass x (Schenker) dem y(Beschenkter) ein z (Geschenk) schenkt.
Theoretisch sind auch noch komplexere Extensiontypen vorstellbar(Menge von Quadrupeln, Quintupeln...Oberbegriff: n-Tupel)
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Parallelismus Extensionstyp und Verbvalenz
� Verbvalenz – Extensionstyp
� intransitive Verben – Menge von Individuen bzw. 1-Tupeln
� transitive Verben – Menge von Paaren bzw. 2-Tupeln
� ditransitive Verben – Menge von Tripeln bzw. 3-Tupeln
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Kompositionalitat
Syntax: VP
N
Rita
V
schlaft
Semantik: vVPwS
vNwS vVwS
= v V wS (v N wS)
= v schlaft wS (v Rita wS)
� Diese Funktion ergibt 1 (wahr) genau dann,wenn Rita P {x: x schlaft in s}
� Diese Funktion ergibt 0 (falsch) genau dann,wenn Rita R {x: x schlaft in s}
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Kompositionalitat
Komplexere Satze: transitive Verben
S
N
Knut
VP
V
trinkt
N
Bier
vtrinktwS = { (x,y): x trinkt y in s } (Extensionstyp: 2-Tupel)
inneres Argument: vtrinktwS (vBierwS)={x: x trinkt Bier in s}(Extensionstyp: 1-Tupel)
ausseres Argument: vtrinkt BierwS (vKnutwS)(Extensionstyp: 0-Tupel, der Argumentrahmen ist saturiert)
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Kompositionalitat
Komplexere Satze: transitive Verben
vtrinkt BierwS (vKnutwS)(Extensionstyp: 0-Tupel, der Argumentrahmen ist saturiert)
� Extension: alle 0-Tupel, so dass gilt: Knut trinkt ein Bier
� { ( ): Knut trinkt ein Bier }
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0-Tupel????
Pradikat Wertigkeit Extension
trinkt 2 alle Paare (x,y), so dass gilt:x trinkt y
trinkt Bier 1 alle Individuen x, so dass giltx trinkt Bier
Knut trinkt Bier 0 alle 0-Tupel (), so dass giltKnut trinkt Bier
� Die Extensionen aller Satze mit saturierter Argumentstruktursind 0-Tupel – aber die Bedeutung von Satzen unterscheidetsich
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Satzbedeutung
Mit der Intension kommen wir der Bedeutung naher:Die Intension eines Satzes zeigt an wie der Wahrheitswert desSatzes in Abhangigkeit von moglichen Welten (den Fakten) variiert.
(33) Knut trinkt Bier.
(33) ist wahr in allen Welten / Situationen s in denen Knut Biertrinkt.
Entsprechend ist die Bedeutung eines Satzes x die Menge allerSituationen s, die x wahr machen. Diese Menge ist dieProposition des Satzes.
Formale Notation:
vKnut trinkt Bierw = { s : Knut trinkt Bier in s }
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Intensionen
� Die Intension eines Satzes zeigt an wie der Wahrheitswert desSatzes in Abhangigkeit von moglichen Welten (den Fakten)variiert.
� Die Intension einer Kennzeichnung zeigt an, wie derSachbezug des Ausdruckes in Abhangigkeit von moglichenWelten variiert.
� Der Intension eines Eigennamens entspricht eine konstanteFunktion. Wer einen Namen tragt ist nicht faktenabhangig.
� Die Intension eines Gattungsnamens zeigt an, auf welcheMenge von Individuuen in Abhangigkeit von moglichen Welten/ der Fakten es sich bezieht. Ahnlich funktionieren einstelligeVerben.
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Kompositionalitat
Nochmal Wittgenstein
Einen Satz verstehen heisst, wissen, was der Fall ist, wenn er wahrist.
vtrinkt BierwS (vKnutwS) = 1 (wahr)genau dann wenn Knut P { x: x trinkt Bier in s}
vtrinkt BierwS (vKnutwS) = 0 (falsch)genau dann wenn Knut R { x: x trinkt Bier in s}
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Junktoren
Konjunktion
(34) [ Rita schlaft ]A und [ Knut trinkt Bier ]B
welche Bedeutung hat und, bzw. was ist sein Beitrag zurBedeutung des gesamten Ausdrucks?
(34) ist wahr genau dann, wenn beide Konjunkte wahr sind,ansonsten ist er falsch!
A B A und B
1 1 11 0 00 1 00 0 0
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Junktoren
inklusive Disjunktion (lateinisch vel)
(35) [ Rita schlaft ]A oder [ Knut trinkt Bier ]B
welche Bedeutung hat oder, bzw. was ist sein Beitrag zurBedeutung des gesamten Ausdrucks?
(35) ist wahr genau dann, wenn mindestens eines der Konjunktewahr ist, ansonsten ist er falsch!
A B A oder B
1 1 11 0 10 1 10 0 0
Achtung: es handelt sich hier nicht um das ausschliessende oderwie in: Sein oder Nichtsein
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Junktoren
Negation
(36) Rita schlaft nicht.
A nicht A
1 00 1
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Inversverhaltnis von Intension und Extension
Versteht man die Intension als eine Menge von Merkmalen und dieExtension als eine Menge von Gegenstanden, welche dieseMerkmale besitzen, so verhalten sich Intension und Extensionoffensichtlich gegensatzlich zueinander: je umfangreicher dieIntension, desto kleiner die Extension und umgekehrt. Ein Begriffwie “Getrank” umfasst alles was genießbar und flussig ist, einBegriff wie “Heissgetrank” entsprechend weniger, und ein Begriffwie “sußes Heissgetrank” noch weniger Objekte.
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Verhalten
-intentionalschlafenniesen
+intensional
Handeln
-partnerorientiertangeln
abwaschen
+partnerorientiert
Interaktion
-symbolischeinander
auf der Strasseausweichen
+symbolisch
Kommunikation
-verbalnicken, den Vogel zeigen
+verbaldiskutieren
nach Linke, Nussbaumer, Portmann (1996). Studienbuch Linguistik, Tubingen:
Niemeyer49 / 69
Pragmatik
� Satze werden von Personen mit Uberzeugungen, Wunschenund Absichten in konkreten Situationen geaussert.
� Satze sind an Personen mit Uberzeugungen, Wunschen undAbsichten in konkreten Situationen gerichtet.
� Satze stehen im Zusammenhang mit vorangehenden und nochfolgenden Ausserungen.
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Pragmatik
Pragmatik beschaftigt sich mit
a. den kontextabhangigen Aspekten der Bedeutung /Interpretation (i.Ggs. zur wortlichen Bedeutung)
b. den kommunikativen Funktionen, die sprachliche Ausserungenhaben.
c. strukturellen Aspekten von Texten und Gesprachen.
� linguistische Pragmatik � Theorie der Sprachhandlung inkonkreten Situationen
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Deixis
Ein sprachlicher Ausdruck, dessen Referenz durch Aspekte derAusserungssituation bestimmt wird.
(37) Lokaldeixis / Temporaldeixis
a. Hier rauchen die Kopfe.b. Rechts von mir ist die Leinwand.c. Ubernachste Woche ist Weihnachten.
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Anapher
typischerweise handelt es sich bei Anaphern um Pronomina
(38) Antezedens und Anapher
a. Hier stand der Palast der Republikb. Er soll durch einen Neubau ersetzt werden.
(39) Antezedens und Katapher
a. Auch wenn ihm Vergewaltigung vorgeworfen wird,halten manche den Wikileaksgrunder Assange fureinen Helden.
Referenz von Anaphern und Kataphern abhangig vomlinguistischen Kontext.
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Sprechakte
(40) a. Ich taufe dieses Segelboot auf den Namen Mausi.b. Ich verspreche, die Vorlesungsfolien punktlich
hochzuladen.c. Ich entschuldige mich fur die Verspatung.d. Ich fordere Sie auf, Ruhe zu bewahren.e. Ich beende hiermit meine Vorlesung.f. Ich begrusse die zugestiegenen Fahrgaste auf der
Fahrt von Stuttgart nach Ulm.
In bestimmten Situationen werden mit den Ausserungen (40)Handlungen vollzogen. Es handelt sich um performativeAusserungen. Diese Ausserungen unterscheiden sich offenbar vonkonstativen Ausserungen, mit denen man etwas sagt, ohne damitexplizit etwas zu tun.
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Sprechakte
Es gelten Bedingungen fur das Gelingen der Handlung, die durchden performativen Sprechakt vollzogen wird!Weitere sprachliche Unglucksfalle:
(41) a. Ich taufe Dich, aber den Namen verrate ich nicht.(Fehlanwendung)
b. Ich, Gerrit Kentner, entschuldige mich hiermit fur dieFinanzkrise.(Fehlberufung)
c. Ich verspreche, die Vorlesungsfolien immer eineWoche im Voraus hochzuladen.(Missbrauch wegen Unaufrichtigkeit (geplanter Bruchdes Versprechens))
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Sprechakte
Eine Typologie sprachlicher Unglucksfalle
sprachl. Unglucksfalle
FehlschlagHandlung kommt nicht zustande
Fehlberufung Fehlanwendung
MissbrauchHandlung kommt zustande,
ist aber wertlos
Unaufrichtigkeit Bruch
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Sprechakte
Sprechakte mussen situationsangemessen verwendet werden, damitsie glucken.Ein Beispiel: Fur den Sprechakt des Bittens (A sagt zu B: “Ichbitte Dich, den Mull rauszubringen”) gelten folgende Bedingungen,damit er gluckt:
(42) a. A geht davon aus, dass der Mull noch nichtrausgebracht wurde.
b. A geht davon aus, dass B in der Lage ist, den Mullrauszubringen.
c. A will, dass der Mull rausgebracht wird.d. A geht davon aus, dass B grundsatzlich bereit ist,
den Mull rauszubringen.
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Sprechakte
Der wesentliche Unterschied zwischen performativen undkonstativen Ausserungen ist, dass nur in ersteren die Handlungexplizit genannt wird, die mit der Ausserung vollzogen wird. Inkonstativen Ausserungen ist die Handlung implizit.Verben, die in expliziten Performativen die Handlung bezeichnenheissen performative Verben:
(43) Performative Verben
a. taufen, versprechen, entschuldigen, bitten,behaupten...
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Sprechakte
Sprache verwenden (sprechen, schreiben, gebarden) ist eine Formder Handlung.
Was tut man, wenn man spricht / schreibt?
(44) a. sich aussern. (Ausserungsakt)b. auf etwas Bezug nehmen. (Referenz)
Eigenschaften zuschreiben. (Pradikation)(Ñ propositionaler Akt)
c. einen Sprechakt vollziehen (Fragen, Auffordern,Behaupten...) (illokutionarer Akt)
Ist die Unterscheidung dieser Handlungen notwendig? Mit einemSprechakt findet doch notwendigerweise ein propositionaler Aktund ein Ausserungsakt statt.
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Sprechakte
(45) a. Ausserungsaktb. Propositionaler Aktc. Illokutionarer Aktd. Perlokutionarer Akt
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Prasuppositionen
Prasupposition:
Selbstverstandliche Sinnvoraussetzung sprachlicher Ausdrucke.Wenn die Prasupposition falsch ist, kann der Wahrheitswert einesSatzes nicht bestimmt werden (und hat daher u.U. keinen Sinn)(Strawson).
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Prasuppositionen
nach G. Frege und P.F. Strawson:
Damit eine Feststellung als wahr oder falsch gelten kann, muss ihrePrasupposition wahr sein!
Eine Feststellung A prasupponiert eine Feststellung B genau dann,wenn B die Voraussetzung fur Wahrheit oder Falschheit von A ist.
(46) A Der Konig von Frankreich ist glatzkopfig.B Es gibt einen aktuellen Konig von Frankreich.
Die Wahrheit der Prasupposition ist kontextabhangig(Ausserungsdatum: 1650, 1770, 1950,...).
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Prasuppositionsausloser
(47) a. Eigennamen, Definite Kennzeichnungen (“Kepler”,“Der Konig von Frankreich”)
b. Faktive Verbenc. Verben der Zustandsveranderungd. Iterationspartikelne. Fokuspartikelnf. ...
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Implikatur
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Prasupposition undImplikatur
Ebenso wie die Prasupposition ist die Implikatur etwas nichtexplizit gesagtes, Mitverstandenes.Anders als die Prasupposition ist die Implikatur keine notwendigeVoraussetzung zur Beurteilungs des Wahrheitswertes einer Aussage.
Prasupposition bleibt unter Negation stabil, Implikatur nicht.
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Arten von Implikaturen
Gesamtbedeutung
wortlicheBedeutung
Implikaturen
konventionelle konversationelle
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Eine (konversationelle) Implikatur aus einer Außerung ist eineProposition p, fur die gilt:
� p folgt nicht aus der wortlichen Bedeutung.
� Die Außerung verstieße gegen das Kooperationsprinzip, wennder Sprecher mit ihr nicht auch p gemeint hatte.
� Der Sprecher meint tatsachlich p, geht davon aus, dass derHorer ihn so versteht, der wiederum weiß, dass der Sprecherdies erwartet und ihn auch in diesem Sinne versteht.
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Kooperationsprinzip und Koversationsmaximen
H. Paul Grice (1913–1988)
fasst Gesprach als kooperative Handlung auf.Teilnehmer folgen gewissen rationalen Prinzipien und Maximen,halten sich also an bestimmte Regeln.
KooperationsprinzipOrientiere Dich in jedem Beitrag an den Zwecken deslaufenden Gesprachs, so weit sie von den Teilnehmern geteiltwerden.
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Kooperationsprinzip und Koversationsmaximen
(48) Konversationsmaximen
a. Maxime der Qualitatb. Maxime der Quantitatc. Maxime der Relationd. Maxime der Art und Weise
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Kooperationsprinzip und Koversationsmaximen
Ein Beispiel:
(49) Einige meiner Freunde sind zur Party gekommen.
Der wortlichen Bedeutung nach ist dieser Satz auch dann wahr,wenn alle Freunde zur Party gekommen sind.
Der Satz implikatiert aber, dass nicht alle Freunde gekommen sind.Die Implikatur entsteht, weil der Horer annimmt, dass der Sprecherkooperativ ist und entsprechend Grunde dafur hat, dass er einigeund nicht alle verwendet.
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