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Das ius gentium als Form der translatio imperii Francisco de Vitorias Legitimation des spanischen Kolonialismus im Kontext der Arbeiten Miguel de Ulzurruns, Hernán Cortés’ und Bartolomé de las Casas’ Johannes Thumfart Abstract Francisco de Vitoria’s foundation of international law has often been perceived as a secularization of the supraterritorial power of the medieval church. But Vitoria’s new definition of the ius inter gentes can be seen earlier in the works of the secular lawyer Miguel de Ulzurrun, who is known as one of the main defenders of a supraterritorial secular order, the Universal Monarchy. Starting from this insight, this essay interprets Vitoria’s ius gentium within the context of several attempts of a translatio imperii to the New World, including Ulzurrun, Las Casas and Cortés. From this point of view, Vitoria’s conception of ius gentium seems to be the result of a pluralization and democratization of ius gentium, which necessarily took place due to a delocalization of power from Europe to America. A. Einleitung Francisco de Vitoria gilt als einer der Begründer des Völkerrechts und hatte bereits in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine „fast mythische Berühmtheit“ erlangt, wie Schmitt schreibt. 1 Zu seinen Lebzeiten war der Dominikanermönch vor allem dafür bekannt, sich in einer Reihe öffentlicher Vorlesungen zu einer Vielzahl verschiedener Themen geäußert zu haben. Nach der Einschätzung des Theologen Deckers „erscheint das wissenschaftliche Œuvre Francisco de Vitorias als Spiegel der politischen, ökono- mischen, sozialen und religiösen Entwicklungen seiner Zeit.“ 2 Im Laufe von Vitorias Lehrtätigkeit an der Universität von Salamanca sprach Vitoria über Politik (de potestate civili, 1527), die Menschentötung (de homicidio, 1529/1530), die Ehescheidung Hein- richs VIII. (de matrimonio, 1531), Techniken zur Steigerung der Liebesfähigkeit (de augmento et diminuitione caritatis, 1535) sowie den Kannibalismus (de temperantia, 1537). Das schwierige Sujet der moralischen Beurteilung des Kannibalismus ist auch eines der zentralen Themen in der wohl berühmtesten und einflussreichsten Vorlesung Vitorias, 1 Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, S. 85. 2 Deckers, Recht und Gerechtigkeit, S. 19. 15

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Das ius gentium als Form der translatio imperiiFrancisco de Vitorias Legitimation des spanischen Kolonialismus imKontext der Arbeiten Miguel de Ulzurruns, Hernán Cortés’ undBartolomé de las Casas’

Johannes Thumfart

Abstract

Francisco de Vitoria’s foundation of international law has often been perceived as a secularizationof the supraterritorial power of the medieval church. But Vitoria’s new definition of the ius intergentes can be seen earlier in the works of the secular lawyer Miguel de Ulzurrun, who is knownas one of the main defenders of a supraterritorial secular order, the Universal Monarchy. Startingfrom this insight, this essay interprets Vitoria’s ius gentium within the context of several attemptsof a translatio imperii to the New World, including Ulzurrun, Las Casas and Cortés. From thispoint of view, Vitoria’s conception of ius gentium seems to be the result of a pluralization anddemocratization of ius gentium, which necessarily took place due to a delocalization of powerfrom Europe to America.

A. Einleitung

Francisco de Vitoria gilt als einer der Begründer des Völkerrechts und hatte bereits inden fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine „fast mythische Berühmtheit“ erlangt,wie Schmitt schreibt.1 Zu seinen Lebzeiten war der Dominikanermönch vor allem dafürbekannt, sich in einer Reihe öffentlicher Vorlesungen zu einer Vielzahl verschiedenerThemen geäußert zu haben. Nach der Einschätzung des Theologen Deckers „erscheintdas wissenschaftliche Œuvre Francisco de Vitorias als Spiegel der politischen, ökono-mischen, sozialen und religiösen Entwicklungen seiner Zeit.“2 Im Laufe von VitoriasLehrtätigkeit an der Universität von Salamanca sprach Vitoria über Politik (de potestatecivili, 1527), die Menschentötung (de homicidio, 1529/1530), die Ehescheidung Hein-richs VIII. (de matrimonio, 1531), Techniken zur Steigerung der Liebesfähigkeit (deaugmento et diminuitione caritatis, 1535) sowie den Kannibalismus (de temperantia,1537).

Das schwierige Sujet der moralischen Beurteilung des Kannibalismus ist auch einesder zentralen Themen in der wohl berühmtesten und einflussreichsten Vorlesung Vitorias,

1 Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, S. 85.2 Deckers, Recht und Gerechtigkeit, S. 19.

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– seiner relectio des indis recenter inventis von 1538/1539, die sich mit dem Verhältniszwischen den Völkern Europas und Amerikas beschäftigt.3 Nicht nur die Sitte des Kan-nibalismus bot einiges an streitbarem Material zwischen den Kulturen Europas und despräkolumbianischen Amerikas. Angesichts der transatlantischen Begegnung zu klärenwaren überdies auch wichtige Fragen nach der allgemeinen Unverletzlichkeit politischerHerrschaft und dem Eigentum von Rohstoffen. Es sind diese sich aus dem Zusammen-treffen der europäischen und der amerikanischen Kultur ergebenden interkulturellenFragestellungen, um deren Lösung sich Francisco de Vitoria in seiner Vorlesung de indisrecenter inventis (von den neuentdeckten westindischen Inseln) bemüht. Insbesondereist Vitoria dafür bekannt, in seiner Vorlesung über das Verhältnis zwischen Europa undAmerika ein international und interkulturell verbindliches legales Maß eingeführt zuhaben, das oftmals als ein erster Anstoß zur Begründung des Völkerrechts betrachtetwird.

Realistischerweise kann in Bezug auf Vitorias Vorlesung de indis recenter inventisvor allem in semantischer Hinsicht von einer Begründung des Völkerrechts gesprochenwerden.4 Noch im römischen Recht war das ius gentium in der Art eines Natur- oderMenschenrechtes als das definiert, was „die natürliche und wahre Vernunft unter allenMenschen festsetzt“ (quod vero naturalis ratio inter omnes homines constituit).5 BeiVitoria wird das ius gentium als das definiert, was „die natürliche Vernunft unter allenVölkern festsetzt“ (quod vero naturalis ratio inter omnes gentes constituit).6 Nur einWort – homines – wird in Vitorias Version der Definition des ius gentium gegenüberGaius verändert. Das Subjekt des Völkerrechts wird aber durch die Ersetzung vonhomines durch gentes formal zum Volk (gens) und das ius gentium zum Völkerrecht.

Vitorias einflussreiche Neudefinition des ius gentium von 1538 lässt sich aber schonin einem Aufsatz Miguel de Ulzurruns von 1525 finden und ist daher wohl nicht Vitoria,sondern Miguel de Ulzurrun zuzuschreiben.7 Schon bei Miguel de Ulzurrun wird in derDefinition des ius gentium das Wort homines durch das Wort gentes ersetzt.8

Miguel de Ulzurrun ist eine beinahe unbekannte Figur des 16. Jahrhunderts, die sichwohl als Hofjurist im Umfeld des Hofes Karls V. bewegte.9 Zunächst ist die Zurück-

3 Vitoria, De indis, in: Ders., Vorlesungen II: Völkerrecht, Politik, Kirche, 370 ff.4 Litto Tomas, La Filosofía Política y Jurídica de Francisco de Vitoria, S. 175; Truyol y Serra, La conception

de la paix chez Vitoria, S. 263; Hernández, Francisco de Vitoria, S. 320; Haggenmacher, La Place deFrancisco de Vitoria parmi les fondateurs du droit international, in: Truyol y Serra u. a., Actualité de laPensée juridique de Francisco de Vitoria, 27 (58); Nussbaum, A Concise History of the Law of Nations,S. 80 f.; Soder, Die Idee der Völkergemeinschaft, S. 66 f.

5 Gaius, Institutiones I, 2.6 Vitoria, De indis, in: Ders., Vorlesungen II: Völkerrecht, Politik, Kirche, 370 (460 f.).7 Pereña Vicente, Miguel de Ulcurrun, Revista Española de Derecho Internacional VI:1–3 (1953), 313

(323).8 Ulzurrun, Sobre el Régimen del mundo, S. 116 f: „[. . .] Est ius gentium [. . .] quod vero naturalis ratio

inter omnes gentes constituit [. . .]“; Azanza Elío, Introducción, in: Ulzurrun, Sobre el Régimen delmundo, 11 (18).

9 Azanza Elío, Relaciones de la potestad civil con la eclesiástica según el de regimine mundi de Miguelde Ulzurrun (1525), in: Actas del II Congreso de Filosofia Medieval, 207 ff.; Azanza Elío, Teocracia

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führung der Neudefinition des ius gentium eine gute Nachricht für alle Juristen, dennMiguel de Ulzurrun war Jurist und die Begründung des Völkerrechts ist damit einemJuristen und nicht dem Theologen Vitoria zuzuschreiben. Ulzurrun ist nun aber geradedafür bekannt, eine Form der Rechtswissenschaft betrieben zu haben, die alles andereals unparteiisch war. Ulzurrun erwähnt die Neuformulierung des ius gentium in seinemHauptwerk de regimine mundi, in welchem er sich in seiner Funktion als Hofjurist KarlsV. darum bemüht, die theoretische Grundlage der habsburgischen Universalmonarchiezu formulieren, die zumindest rhetorisch nach einer Hegemonialstellung in Europaund sogar der ganzen Welt trachtete. Ulzurrun hatte den Begriff des ius gentium wohlgerade deswegen zum ius inter gentes verändert, um dem Kaiser, dessen Autoritätnach Ulzurrun dem ius gentium entspricht, eine supra-territoriale Herrschaft über eineVielzahl selbständig regierter Völker, gentes, zuzusprechen. Die Neubegründung desVölkerrechts durch Ulzurrun richtete sich wohl direkt gegen die Ansprüche der auf-strebenden Territorialmächte in Frankreich, England und den deutschen Fürstentümernund entsprach einem Recht, das noch über den sich jeweils als selbständig zu begreifenbeginnenden Gemeinwesen gelten sollte. „[. . .] Ius gentium et ius imperatoris sunt idemauctoritate [. . .]“, heißt es bei Ulzurrun, „Völkerrecht und das Recht des Kaisers habendenselben Rang“.10

Es ist nicht erwiesen, ob es eine direkte Verbindung zwischen der Neudefinitiondes ius gentium bei Vitoria und der Neudefinition des ius gentium bei Ulzurrun gibt.Möglicherweise haben beide von einer dritten Quelle abgeschrieben, in welcher dieNeudefinition des ius gentium willentlich vorgenommen wurde, oder beide beziehensich auf eine Version des Gaius, die einen Schreibfehler beinhaltete. Interpretiert manUlzurruns Neudefinition aber als eine Vorarbeit für die Begründung des Völkerrechtsdurch Vitoria, dann wirft dies unmittelbar die Frage auf, was Ulzurruns Konzeptionder Universalmonarchie Karls V. und das vitorianische ius gentium miteinander gemeinhaben.

Auf den ersten Blick scheint Vitorias Auseinandersetzung mit dem Gedanken derUniversalmonarchie recht eindeutig. So schreibt Vitoria in seiner expliziten Absage andie Legitimität der kaiserlichen Universalherrschaft etwa prominenterweise: „Imperatornon est dominus totius orbis“ – „der Kaiser ist nicht Herr der ganzen Welt“.11 VitoriasKonzeption des ius gentium scheint geradezu dem Gedanken der Universalherrschaftentgegen gesetzt zu sein. Vitoria leugnet eine monistische supra-territoriale Herrschaftund setzt dagegen auf die Autonomie unabhängiger res publicae perfectae, die mitdem ausgestattet sind, was man nach Haggenmacher als eine Vorform der staatlichenSouveränität betrachten kann.12 Vitoria ersetzt Monismus durch Pluralismus. So heißt

Pontificia vs. Cesaropapismo en la Corte de Carlos V., Hispania Sacra 52 (2000), 99 ff.10 Ulzurrun, Sobre el Régimen del mundo, S. 160; Pereña Vicente, Miguel de Ulcurrun, Revista Española

de Derecho Internacional VI:1–3 (1953), 313 (320).11 Vitoria, De indis, in: Ders., Vorlesungen II: Völkerrecht, Politik, Kirche, 370 (412 f.).12 Haggenmacher, La Place de Francisco de Vitoria parmi les fondateurs du droit international, in: Truyol y

Serra u. a., Actualité de la Pensée juridique de Francisco de Vitoria, 27 (37).

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es etwa bei Rovira Gaspar: „Indem er [Vitoria] sich dem [. . .] Monismus des Mittelaltersgegenüber stellt, [. . .] konzipiert Vitoria den Pluralismus der Republiken (Staaten), derenMacht und Legalität auf das Naturrecht gründet [. . .]“.13 Diese Tendenz zum Pluralis-mus kann direkt mit Vitorias Ablehnung der Universalherrschaft im Stile Ulzurruns inVerbindung gebracht werden. „Vitorias Zurückweisung der kaiserlichen Universalmon-archie impliziert die Anerkennung einer Pluralität von Staaten und Gemeinschaften“,heißt es bei Cavallar.14

Auch das ius gentium, welches Vitoria als den über den einzelnen Gemeinwesen gülti-gen Rechtsrahmen konzipiert, trägt pluralistische Züge. Im Gegensatz zu der nach Danteauch bei Ulzurrun „monarchisch“ organisierten internationalen Politik15 konzipiertVitoria eine demokratisch verfasste Weltgemeinschaft,16 die er als res publica totiusorbis bezeichnet, das heißt als eine „Republik der ganzen Welt“.17 An die Stelle desKaisers, dessen Autorität als „moderator orbis“18 nach Ulzurrun eben dem ius gentiumentspricht, tritt bei Vitoria die pluralistische Vorstellung eines aus dem consensus derVölker geborenen Rechts, das die Völker sich selbst geben.19

Zunächst scheint es also so, als könnten Vitorias ius gentium und die Konzeption Ul-zurruns nicht weiter voneinander entfernt sein. Mit universalherrschaftlichen Ansätzenim Stile desjenigen Ulzurruns vergleichbar ist Vitorias Konzeption des ius gentium aberinsbesondere deswegen, weil sein ius gentium in Bezug auf die neuentdeckte Welt inAmerika denselben Effekt wie die Universalmonarchie hat. Vitorias ius gentium ist einargumentatives Instrument zur Rechtfertigung habsburgisch-spanischer Herrschaft überals selbständig betrachtete Territorien. Es ist Vitorias explizit erklärtes Ziel, zu rechtfer-tigen, wie „die Barbaren [. . .] unter die Herrschaft der Spanier kommen konnten“.20 ZurLösung dieser – wohl nicht einfachen – Aufgabe der juristischen Rechtfertigung desGenozids an der amerikanischen Urbevölkerung leistet Vitoria das ius gentium einengroßen Dienst. Es ist gerade die an die Universalmonarchie und das mittelalterlicheKaisertum angelehnte supra-territoriale Struktur des vitorianischen ius gentium, welche

13 Rovira Gaspar, Francisco de Vitoria, S. 148: „[. . .] Vitoria presenta un pensamiento que supera, en ciertomodo, el círculo político medieval: oponiéndose al monismo cristiano medieval, basado primordialmenteen un ideal religioso, Vitoria plantea el pluralismo de repúblicas (estados) cuyo poder y legalidad sebasa en el derecho natural [. . .]“.

14 Cavallar, The rights of strangers, S. 87: „Vitoria’s rejection of imperial universal monarchy impliesaccepting a plurality of states and communities.“

15 Dante Alighieri, Monarchia.16 Irigoyen, Francisco de Vitoria y política internacional argentina de Hipolito Yrigoyen, XVI.17 Vitoria, De potestate civili, in: Ders., Vorlesungen I: Völkerrecht, Politik, Kirche, 114, (156 f.); bei

Vitoria ist „res publica“ an dieser Stelle wohl richtiger mit „Gemeinwesen“ zu übersetzen. Die Gegen-überstellung zur monarchia macht es aber auch möglich, „res publica“ hier als Staatsform, das heißt als„Republik“ zu verstehen.

18 Ulzurrun, Sobre el Régimen del mundo, S. 36.19 Vitoria, De potestate civili, in: Ders., Vorlesungen I: Völkerrecht, Politik, Kirche, 114 (156 f.); ders., De

indis, in: Ders., Vorlesungen II: Völkerrecht, Politik, Kirche, 370 (466 f.); Ad IIa-IIae , q. 57, a. 3, in: deHeredia (Hrsg.), Los manuscritos del Maestro Fray Francisco de Vitoria, S. 209; Ad IIa-IIae, q. 62, in:Ebd., S. 212.

20 Vitoria, De indis, in: Ders., Vorlesungen II: Völkerrecht, Politik, Kirche, 379 (461, 466 f.).

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es Vitoria ermöglicht, dieses zur Rechtfertigung der Unterwerfung von selbständigregierten Königreichen zu verwenden.

Im Folgenden soll Vitorias neuzeitlicher Ansatz des ius gentium im Kontext mit ande-ren Ansätzen der Rechtfertigung des Kolonialismus betrachtet werden, die ihrerseits aufdas Konzept der Universalherrschaft zurückgriffen, wie dieses am prominentesten vonMiguel de Ulzurrun formuliert wurde. Eine solche Anwendung der Universalherrschaftauf die neue Welt kann bei so unterschiedlichen Figuren wie dem Konquistador HernánCortés und Bartolomé de las Casas beobachtet werden, der sich für die Rechte der Indioseinsetzte.

Im Kontext dieser Autoren scheint Vitorias Begründung des ius gentium geradezuTeil eines größeren Diskurses der translatio imperii ad americanos zu sein, – einesDiskurses, dessen Protagonisten darum bemüht waren, die supra-territorialen Ansprücheder habsburgisch-spanischen Universalmonarchie auf die neue Welt zu übertragen.Vitorias ius gentium erscheint jedoch als die modernste Antwort auf die Frage, wie derspanische Kolonialismus in Amerika zu rechtfertigen sein könnte.

B. Die Universalherrschaft in Amerika

Der Gedanke der universalen Herrschaft in der politischen Theorie und Philosophieder frühen Neuzeit geht vor allem auf Dante Alighieri zurück. Im Verweis auf dasrömische Weltreich trat Dante in der de monarchia dafür ein, dass die Menschheitvon einem einzigen Herrscher geführt werden müsse, weil es um die Menschheit amBesten bestellt sei, wenn sie nicht nur eine natürliche, sondern auch eine politischeEinheit darstelle: „[. . .] Genus humanus maximum est unum, quando totum uniturin uno: quod esse non potest nisi quando uni principi totaliter subiacet [. . .]“ – „Diemenschliche Gattung ist [. . .] dann am meisten Eines, wenn das Ganze in Einem vereinigtist. Dies ist nur möglich, wenn sie einem Herrscher ganz unterworfen ist [. . .]“, hießes bei Dante.21 Dante formulierte diese Idee hauptsächlich, um seiner ghibellinischen,kaiserfreundlichen Haltung Ausdruck zu verliehen.

Die dantesche Idee der monarchia war es auch gerade, die im 16. Jahrhundert imZusammenhang mit dem Universalkaisertum Karls V. eine Renaissance erfuhr. DasReich des Kaisers Karl V., des „letzten Kaisers des Mittelalters“22 (1500–1558) reichtedank der Entdeckung und Eroberung Amerikas und einiger Zufälle in der habsburgischenErbfolge von Mexico über Madrid bis nach Ungarn, von Neapel bis nach Amsterdam. Indiesem politischen Milieu fand der Gedanke der Universalherrschaft große Beachtung.23

Zwar war Karl formal niemals außerhalb des Reichsgebietes Kaiser, er wurde aberschon gleich nach seiner Wahl zum Kaiser 1519 von seinem Kanzler Gattinara als

21 Dante Alighieri, Monarchia, I, 8.22 Rassow, Karl V. Der letzte Kaiser des Mittelalters.23 Bosbach, Monarchia Universalis, S. 35.

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Weltmonarch bezeichnet.24 Diese Auffassung der Kaiserherrschaft als Weltherrschaftgeht wohl zum einen schon auf die Auffassung des römischen Rechts zurück, dass derKaiser de jure dominus totius orbis sei.25 Andererseits war der humanistisch geprägteGroßkanzler Gattinara aber auch stark von Dantes monarchia beeindruckt,26 in welcherDante argumentiert hatte, dass der Gattungsbegriff der Menschheit per se nach einemWeltherrscher verlange.

Über seine Schuldigkeit gegenüber der danteschen Konzeption der Universalmon-archie hinaus war die Auffassung der Funktion des Kaisers Karl als einem „señor detodo el mundo“ wohl deswegen so geläufig, weil dies Ausdruck einer spanischen, schonvor der Herrschaft Karls bestehenden Tradition war.27 Schon die Katholischen KönigeFerdinand und Isabella wurden mit ähnlichen Titeln adressiert, um einerseits geradeihre Unabhängigkeit gegenüber dem deutschen Kaiser zu zeigen und andererseits einerhöheren, supra-territorialen Form der Herrschaft Ausdruck zu verleihen, die sich überdie selbständigen Königreiche Aragón, Kastilien und León erstreckte.28

Im Umfeld der Renaissance des Universalkaisertums im 16. Jahrhundert argumentiertder kaiserliche Hofjurist Miguel de Ulzurrun mit seiner Schrift de regimine mundi.Als besonders kreative Lösung der dem Begriff der Universalmonarchie inhärentenOpposition zwischen deutsch-römischer, spanischer und universalistischer Traditionbietet Ulzurrun eine Mischform der verschiedenen Argumentationen an. Zum einenspricht Ulzurrun von einer translatio imperii ad hispanos, die er über Karl V. vonden Assyrern bis nach Spanien skizziert.29 Andererseits sieht Ulzurrun den Kaiser inder Tradition Dantes als Oberhaupt der „societas humana“. Letzteres weiß Ulzurrunsogar mit der konkreteren Idee der deutschen Kaiserwürde zu verbinden. In Vertretungder gesamten Menschheit hätten die deutschen Fürsten den Kaiser gewählt, heißt esbei Ulzurrun: „[. . .] Facta electione de eo ab illis electoribus Alemanie vice totiusuniversitatis societatis humane [. . .].“30

24 Höffner, Christentum und Menschenwürde, S. 73; Delgado, Las Casas vor Karl V. oder Prophetie undPolitik in der Konquistadorenzeit, Archiv für Kulturgeschichte 84 (2002), 313 (324).

25 Maravall, El concepto de Monarquía en la Edad Media Española, in: Ders., Estudios de Historia delPensamiento Español. Serie Primera, 67 (82); Ulzurrun, Sobre el Régimen del mundo, S. 150 f; Lexrhodia de iactu. Digesta, XIV, 2; Muldoon, Empire and Order, S. 87 f; Bosbach, Monarchia Universalis,S. 42; Sassoferrato, Ad reprimendum, in: Consilia quaestiones et tractatus Bartoli, 77.

26 Headley, The emperor and his chancellor, S. 111; Fernández Albaladejo, Fragmentos de Monarquía,S. 64; Frankl, Die Begriffe des mexikanischen Kaisertums und der Weltmonarchie in den „Cartas deRelación“ des Hernán Cortés, Saeculum 13 (1962), 1 (20, 22); für eine Zusammenfassung von GattinarasHaltung zur monarchia universalis siehe: Lesaffer, Charles V, Monarchia universalis and the Law ofNations, Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 71 (2003), 79 (87 f.).

27 Crónica del rey Pedro I, LXVI, S. 411; zitiert nach Maravall, El concepto de Monarquía en la EdadMedia Española, in: Ders., Estudios de Historia del Pensamiento Español. Serie Primera, 67 (82);Schmidt verfolgt diese Tradition sogar bis ins 12. Jahrhundert zurück. Siehe: Schmidt, SpanischeUniversalmonarchie oder „teutsche Libertet“, S. 106.

28 Maravall, El concepto de Monarquía en la Edad Media Española, in: Ders., Estudios de Historia delPensamiento Español. Serie Primera, 67 (86); Kohler, Karl V., S. 227.

29 Ulzurrun, Sobre el Régimen del mundo, S. 116 f., 156 f.30 Ebd., S. 146 f.

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Insofern Ulzurrun neben dieser Anbindung der Kaiserwürde an die deutsche Traditionschon eine vollständige translatio der Kaiserwürde an Spanien vorsieht, kann er als dererste Protagonist der später von dem Theoretiker Solórzano und anderen vertretenentranslatio imperii ad hispanos gesehen werden, die bei Solórzano gerade zur Recht-fertigung des spanischen Imperialismus im Amerika des 17. Jahrhunderts eine großeRolle spielte.31 Obwohl Ulzurrun selbst – wie etwa von Schmidt bemerkt wurde – dieRolle der Universalmonarchie in Amerika tatsächlich mit keinem Wort erwähnt,32 gibtes zunächst keinen Grund, weshalb Amerika nicht schon bei Ulzurrun in die – politischüberaus wirksame33 – Vorstellung eines Universalkaisertums eingebunden gewesensein sollte. Das Universalkaisertum sollte nach Ulzurrun die ganze societas humanabeherrschen, wovon Amerika keineswegs ausgenommen ist.

Auch schon in den Briefen Hernán Cortés’ wird zur Rechtfertigung des Kolonialismuskonkret von einer Übertragung der Kaiserwürde nach Amerika gesprochen. Im Jahr1520, das wohl noch voll der Erinnerung an Karls Wahl zum Kaiser ist, schreibt Cortésvon der Eroberung Mexikos aus folgende Worte an den Kaiser: Die Ausmaße derüberseeischen Gebiete Karls V. seien derartig groß, „dass er sich von neuem Kaiserderselben nennen kann, und dies mit einem nicht minder rechtmäßigen und verdientenTitel als demjenigen in Deutschland, den seine Majestät dank der Gnade Gottes ja schonbesitzt“ („se puede intitular de nuevo emperador de ella, y con título y no menos méritoque el de Alemaña, que por la gracia de Dios vuestra sacra majestad posee.“).34

Hierbei handelt es sich wohl zum einen um eine Schmeichelei gegenüber dem Souve-rän. Andererseits konstituiert Cortés mit diesen Worten auch im selben Atemzug einevon Deutschland unabhängige Kaiserwürde in Amerika, ein „partikulares Kaisertum“nach dem Vorbild der spanischen monarquía, wie Frankl schreibt.35 Aber Cortés’ Redevon einer amerikanischen Kaiserwürde hat wohl auch pragmatische Gründe. Der JuristCortés macht von dem Kaisertitel Gebrauch, weil er ihm zur Legitimation der Konquistagute Dienste leistet. Da Karl V. supra-territorialer Kaiser und nicht territorialer König ist,argumentiert Cortés, könne er als ein Untertan des Kaisers die Unterwerfung scheinbarselbständiger Königreiche einfordern:36 „[. . .] Montezuma reconoscerá y servirá alEmperador [. . .] por que mi señor tiene tantos reinos y señorios debaxo de su mano,manda tanta tierra y obedéscenle tantos vasallos que no puede haber señor en el mundoque tanto pueda como él“ (Montezuma wird den Kaiser anerkennen und ihm dienen,weil mein Herr viele Könige und Fürsten in seiner Hand hat, viel Land befehligt und

31 Muldoon, Empire and Order, S. 120 f.32 Schmidt, Spanische Universalmonarchie oder „teutsche Libertet“, S. 103.33 Bosbach, Monarchia Universalis, S. 35; Lesaffer, Charles V, Monarchia universalis and the Law of

Nations, in: Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 71 (2003), 79 (80).34 Cortés, Segunda Carta-Relacion de Hernán Cortes al emperador Carlos V., 30. Oktober 1520, in:

Hernández (Hrsg.): Cartas de relación, 77 (80); Pagden, Lords of all the world, S. 32; Muldoon, Empireand Order, S. 116.

35 Frankl, Die Begriffe des mexikanischen Kaisertums und der Weltmonarchie in den „Cartas de Relación“des Hernán Cortés, Saeculum 13 (1962), 1 (5, 12).

36 Ebd., 1 (6).

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sich ihm so viele Vasallen fügen, dass es keinen Herrn auf der Welt geben kann, dersoviel vermag wie er). – Mit diesen Worten soll Cortés versucht haben, den Azteken-herrscher Montezumavon der Rechtmäßigkeit der Unterwerfung unter die Spanier zuüberzeugen.37

Die eher praktische Bedeutung scheint in Cortés’ Gebrauch des Kaiserbegriffs vorherr-schend zu sein, insofern er im Weiteren ganz verschiedene Traditionen der Kaiserherr-schaft vermischt. An anderer Stelle spricht Cortés von Karl V. als von einem „César“38

und „mayor señor y mas poderoso que hay en el mundo.“ (obersten und mächtigstenHerrn, den es auf der Welt gibt).39 Auch bezeichnet Cortés Karl in der römischenTradition als „invictísimo emperador“.40 Bei ihm findet sich auch die für die zwanzigerJahre des sechzehnten Jahrhunderts eher rhetorisch zu verstehende Behauptung, dassKarl „Emperador de los Cristianos“ sei.41 Cortés verwendet aber ebenfalls die an Danteund Gattinara angelehnte Phrase, dass Karl „monarca del mundo“ sei, was auf eineintellektuellere Beschäftigung mit dem Thema schließen lässt.42 Besonders mit derletzten Formulierung, die Cortés im vierten Brief tätigt, scheint sich der Konquistadorvon der Idee eines partikularen auf die Idee eines universalen Kaisertums „im Sinne derghibellinischen Tradition“ Dantes zu besinnen, wie Frankl schreibt.43

Mehr theoretische Kohärenz hat die Übertragung der Idee der Universalherrschaftnach Amerika sicher in den um 1548 von Bartolomé de Las Casas in Sevilla verfass-ten „Dreißig Grundsätzen“ (treynta proposiciones). Der Las Casas-Forscher MarianoDelgado spricht gar von dem vollentwickelten Gedanken einer translatio imperii beiLas Casas.44 Obgleich Las Casas’ Schrift lange nach Vitorias Kritik beziehungsweiseTransformation der Universalherrschaft in der relectio de indis recenter inventis von1539 erfolgt, können Las Casas’ „Dreißig Grundsätze“ ideengeschichtlich als eine Zwi-schenstufe zwischen dem ius gentium Vitorias und der Idee der Universalmonarchieverstanden werden: Bei Las Casas wird zwar – wie etwa bei Cortés – der Ansprucheines supra-territorialen Kaisertums Spaniens in Amerika formuliert, jedoch wird dieserAnspruch auf viel komplexere Weise vorgetragen. Las Casas’ Konzeption kennt etwadie Autonomie territorialer Herrschaftsbereiche auch gegenüber der als supra-territorialkonzipierten Universalherrschaft. Las Casas’ Schrift ist, wie Delgado schreibt, als eine

37 Salazar, Crónica de la Nueva España, S. 145.38 Ebd., S. 228.39 Ebd., S. 144.40 Cortés, Cartas de Relación. Vierter Brief, 15. Okt. 1524, in: Hernández (Hrsg.), Cartas de Relación, 287

(289).41 Salazar, Crónica de la Nueva España, S. 231.42 Ebd., S. 320.43 Frankl, Die Begriffe des mexikanischen Kaisertums und der Weltmonarchie in den „Cartas de Relación“

des Hernán Cortés, Saeculum 13 (1962), 1 (18). Nach Frankl ist diese Umorientierung Cortés’ aufdie durch die offizielle Anerkennung des cortésschen Eroberungswerkes veränderte Interessensituationzurückzuführen.

44 Delgado, Universalmonarchie, translatio imperii und Volkssouveränität bei Las Casas oder Das prozess-hafte Entstehen einer politischen Theorie zwischen Mittelalter und Neuzeit, in: Las Casas, WerkauswahlBand 3/1, 161 (171, 173).

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politische Theorie „zwischen Mittelalter und Neuzeit“ aufzufassen.45 Aber auch überdiese inhaltlichen Aspekte hinaus könnte es sich bei Las Casas’ „Dreißig Grundsätzen“von 1548 um eine Schrift handeln, die in Wirklichkeit ein Vorstufe von Vitorias Arbeitzum ius gentium in Amerika von 1539 bezeichnet: Las Casas ist erst relativ spät zurNiederschrift seiner Gedanken gelangt. Die in den „Dreißig Grundsätzen“ niedergelegteTheorie der translatio imperii könnte auch schon die Überzeugung gewesen sein, welcheLas Casas’ eigenes Wirken am Hof Karls ab 1517 bestimmt hatten,46 wo von Las Casasein „humanisierender Einfluss“47 auf die kaiserliche Herrschaft in Übersee ausgegangenwar, der sich bereits in kaiserlichen Erlassen zum Verbot der Sklaverei ab 1523 geäußerthatte.48 Auch demnach wäre Las Casas’ Position als eine zu bezeichnen, deren Zeiteigentlich bereits vor Vitorias relectio de indis recenter inventis von 1539 veranschlagtwerden muss.

Las Casas verfasst die „Dreißig Grundsätze“ explizit als einen „Dienst“ (servicio) fürdas spanische Herrscherhaus. Es geht Las Casas in seiner Schrift um eine theoretischeAusformulierung der spanischen Herrschaftsart in Übersee. „Los reyes de Castilla yLeon son verdaderos principes soberanos y universales Señores y emperadores sobremuchos Reyes [. . .]“, schreibt Las Casas: „Die Könige von Kastilien und León sindwahre Fürsten, souveräne und universale Herren und Kaiser über viele Könige [. . .]“.49

Diese Formulierung wiederholt und paraphrasiert Las Casas an anderen Stellen seinertreynta proposiciones, insofern er ein „soberano imperial y universal principado yseñorio de los Reyes de Castilla en las yndias“, ein „suppremo y soberano Imperio yseñorio de todo aquel orbe universo de las Indias“, eine „universal Iurisdicion sobretodas las Indias“ oder Ähnliches erwähnt.50 Wie Böckenförde bemerkt, spricht LasCasas im genannten Text „immer wieder von der kaiserlichen Herrschaft [. . .] derspanischen Könige“.51

Gerade in Bezug auf die argumentative Tradition der Universalmonarchie ist eseine Besonderheit des Textes, dass Las Casas im Unterschied zu Cortés den Kaisernicht im Singular erwähnt, sondern von der imperialen Herrschaft der Könige vonKastilien in Amerika spricht. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Las Casas’die treynta proposiciones verfasst, als sich die 1558 vollzogene Abdankung Karlsbereits abzuzeichnen beginnt. Andererseits vertritt auch Las Casas einen Kaisertitel, der

45 Ebd.46 Ders., Las Casas vor Karl V. oder Prophetie und Politik in der Konquistadorenzeit, Archiv für Kulturge-

schichte 84 (2002), 313 (325); auch später, ab etwa 1540 kann Las Casas wieder direkten Einfluss aufdie kaiserliche Politik ausüben, siehe ebenda, 313 (332 ff.).

47 Ders., Universalmonarchie, translatio imperii und Volkssouveränität bei Las Casas oder Das prozesshafteEntstehen einer politischen Theorie zwischen Mittelalter und Neuzeit, in: Las Casas, Bartolomé de:Werkauswahl Band 3/1, 161 (174).

48 Hanke, La lucha por la justicia en la conquista de América, S. 220; Kohler, Karl V., S. 230.49 Las Casas: Aqui se contiené treynta proposiciones muy iuridicas, Proposición XVII; Ders., Dreißig

Rechtsgrundsätze, in: Ders., Werkauswahl Band 3/1, 181 (186).50 Ders., Aqui se contiené treynta proposiciones muy iuridicas, Proposición XVI, XVII, XVIII.51 Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie. Antike und Mittelalter, S. 377.

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nicht an die Person Karls gebunden ist, sondern sich aus dem ab 1493 vom Papsttumverliehenen Patronat in Amerika52 ableitet und daher eher ein in Tradition der monarquíazu interpretierendes Attribut der Königswürde Kastiliens als eines des deutschen KaisersKarl ist. Anstatt auf die deutsche Kaiserwürde Karls einzugehen, bietet Las Casas eineArgumentation an, die tatsächlich ein speziell amerikanisches Kaisertum betrifft, da siesich auf die Bullen von 1493 stützt.

Äußerst kohärent argumentiert Las Casas, dass die politische Herrschaft in Überseedeswegen eine kaiserliche sei, weil sie durch die Bulle Alexanders VI. vom Papstverliehen wurde, durch welche Alexander VI. die atlantische Welt in eine spanische undeine portugiesische Missionszone eingeteilt hatte.53 Die Kaiserwürde der kastilischenKönige folge „aus der Autorität, Gewährung und Schenkung des besagten HeiligenApostolischen Stuhls“, schreibt Las Casas (por la autoridad, concession y donacionde la dicha sancta sede apostolica).54 Es besteht auch keinen Zweifel, von welcherpäpstlichen donación Las Casas spricht, nämlich von derjenigen Alexanders VI., „unterdessen Pontifikat die große neue Welt, die wir Westindien nennen, entdeckt wurde“:55

„[. . .] El summo pontifice alexandro sexto [. . .]: Su cuyo pontificado fue descubierto elnuevo orbe grandissimo que llamamos occidentales yndias“.56

Damit drückt Las Casas wohl eine auch noch im Verlauf des 16. Jahrhunderts gängigeBezugsnahme auf die Bullen von 1493 aus, die sich noch lange erhält. Laut Pagdenwurde im Kontext des überseeischen Imperiums Spaniens bis ins späte 18. Jahrhun-dert auf die Papstbullen von 1493 hingewiesen, um dadurch eine Verbindung zu demalteuropäischen Reichsgedanken herzustellen, der ja gerade von der Vorstellung derpäpstlichen Übertragung einer weltlichen Herrschaft geprägt war.57

Die Idee einer Legitimation weltlicher Herrschaft aus den Papstbullen von 1493ist als Patronat bekannt. Nach diesem sich schon seit der Reconquista sukzessivevollziehenden Arrangement zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt lag die Missionim Aufgabenbereich der Krone. Wenn aber Krone und Kirche bis zu einem gewissenGrade eines sind, dann ist in missionarischen Formeln wie „Machet zu Jüngern alle

52 Leturia, Der heilige Stuhl und das spanische Patronat in Amerika, Historisches Jahrbuch 46 (1926), 11 ff.53 Delgado, Universalmonarchie, translatio imperii und Volkssouveränität bei Las Casas oder Das prozess-

hafte Entstehen einer politischen Theorie zwischen Mittelalter und Neuzeit, in: Las Casas, WerkauswahlBand 3/1, 161 (171).

54 Las Casas, Aqui se contiené treynta proposiciones muy iuridicas, Proposición XVII; ders., WerkauswahlBand 3/1, S. 186.

55 Ebd., S. 185.56 Ders., Aqui se contiené treynta proposiciones muy iuridicas, Proposición XIV.57 Pagden, Lords of all the world, S. 32.: „Until the late eighteenth century, these Bulls were represented

in the historiography of the Spanish Empire as a donation, and as a donation they were looked uponas being, in some sense, analogous with the Donation of Constantine. They may not have providedthe Castilian crown with undisputed dominium in America, but they offer a link with the empire in theWest, which even those who rejected the Papacy’s claim to possess sovereignty over ‚all the world‘ werereluctant to loose“; siehe auch: Delgado, Universalmonarchie, translatio imperii und Volkssouveränitätbei Las Casas oder Das prozesshafte Entstehen einer politischen Theorie zwischen Mittelalter undNeuzeit, in: Las Casas, Werkauswahl Band 3/1, 161 (175).

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Völker“ immer auch die Idee eines christlichen, politischen Weltreiches mitgedacht.Auf den ersten Blick ist dies bei Las Casas’ Konzeption des Kaisertums nicht so. Fürihn leitet sich aus der politisch-theologischen Verortung der kaiserlichen Herrschafteine gerade im Hinblick auf die neue Welt revolutionäre Forderung ab. Die kaiserlicheHerrschaft sei unablösbar an den christlichen Glauben und an die christliche Ethikgebunden, argumentiert Las Casas. Sie könne daher weder ohne jede christliche Moral,noch über Nicht-Christen ausgeübt werden. Besonders interessant ist also die den„Dreißig Grundsätzen“ Las Casas’ inhärente politisch-theologische Logik, insofern LasCasas die Konzeption einer imperialen, kaiserlichen Herrschaft in Übersee mit einerKonsequenz verbindet, die eine Art weichen Kolonialismus nahe legt.

Ebenso wie die traditionelle mittelalterliche Beschränkung des Kaisertums auf Chris-ten hat auch die traditionelle föderale, supra-territoriale Verortung des Kaisertumsin erster Instanz einen einschränkenden Effekt auf Las Casas’ Konzeption der Uni-versalherrschaft in Übersee. Die kaiserliche Herrschaft, argumentiert Las Casas wieCortés, zeichnet sich traditionellerweise durch ihre Föderalität beziehungsweise ihresupra-territoriale Struktur aus.58 Im Unterschied zu Cortés – der diese Tradition als einArgument für die Legitimität der Unterwerfung selbständiger Königreiche verwendete– schließt Las Casas aus dieser Tradition, dass eine kaiserliche Herrschaft in Überseeden untergebenen Königen ihre territoriale Hoheit belassen muss. Wenn die spanischeHerrschaft in Übersee eine kaiserliche sei, argumentiert der protector de los indios listig,könne auch eine solche kaiserliche, imperiale Herrschaft in Übersee keine Verletzungder Souveränität der amerindianischen Fürsten bedeuten:

„Con este soberano imperial y universal principado y señorio de los Reyes deCastilla en las yndias: Se compadece tener los Reyes y señores naturales dellas suadministración, principado, jurisdició, derechos y dominio sobre las subditos pueblos, óque política o realmente se rijan: Como se compadecía el señorio universal y suppremode los Emperadores que sobre los Reyes antiguamente tenian“.59

(„Mit dieser souveränen, kaiserlichen und universalen Fürstenwürde und Herrschaftder Könige von Kastilien in Westindien verträgt es sich, dass die dortigen natürlichenKönige und Herren Regierung, Fürstentum, Jurisdiktion, Rechte und Herrschaft über dieihnen untergebenden Völker ausüben, dass diese politisch oder wirklich regiert werden,so wie es einst den Kaisern gestattet war, die universelle und höchste Herrschaft überKönige auszuüben“.60)

Las Casas stellt, wie Höffner schreibt, in diesem Absatz „fest, daß durch die ‚kaiserli-che Oberhoheit‘ der spanischen Könige die Souveränität der heidnischen Staaten nichtaufgehoben wird“.61 Die kaiserliche Herrschaft sei nämlich auch früher (antiguamente)kein Grund dafür gewesen, die Herrschaft der Könige einzuschränken, argumentiert Las

58 Delgado, Las Casas vor Karl V. oder Prophetie und Politik in der Konquistadorenzeit, Archiv fürKulturgeschichte 84 (2002), 313 (340).

59 Las Casas, Aqui se contiené treynta proposiciones muy iuridicas, Proposición XVIII.60 Ders., Werkauswahl Band 3/1, S. 186.61 Höffner, Christentum und Menschenwürde, S. 173.

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Casas. Böckenförde nennt Las Casas’ Konzeption der kolonialen Herrschaft „nicht vielmehr als eine Oberhoheit“.62

Über diese supra-territoriale oder föderale Art der Herrschaft zeichnet sich das Kaiser-tum nach Las Casas durch seine herausragende humanitäre und religiöse Verantwortungaus. In seinen „treynta proposiciones“ propagiert Las Casas das Konzept einer supra-territorialen Erziehungsherrschaft, die insofern zum Besten der Untergebenen ausgeübtwird, als dass sie die territorialen Fürsten hinsichtlich der Effizienz und Humanität ihrerRegierung stärken soll: „Los Reyes de Castilla son obligados de derecho divino a ponertal gobernación y regimiento en aquellas gentes naturales de las Indias. Conservadassus justas leyes y buenas costumbres que tenian [. . .]: Y quitadas las malas que noeran muchos. Y suplidos los defectos que tuvieren en su policía [. . .].“63 („Die Königevon Kastilien sind kraft göttlichen Rechts verpflichtet, solche Regierung und Leitungin jenen natürlichen Völkern Westindiens aufzurichten: Ihre gerechten Gesetze undguten Sitten, deren sie hatten [. . .], sollen beibehalten, die Übel, deren nicht viele waren,ausgeräumt, die Mängel, die es in ihrem Gemeinwesen (en su policía) gab, ausgeglichenwerden“.64)

Las Casas’ Konzeption des Kaisertums in Amerika ist also diejenige einer supra-territorialen Oberherrschaft, welche intervenieren kann, um die politischen Defiziteeinzelner Herrschaftsbereiche auszugleichen. Die Macht des Kaisertums ist nach LasCasas zwar formal beschränkt, insofern es die ihm untergeordneten Königreiche weiterbestehen lässt, und eigentlich nur über Christen ausgeübt werden kann. Der kaiserlicheSouverän ist aber nach Las Casas mit einer Art „indirekter Gewalt“ (potestas indirecta)ausgestattet,65 die es ihm etwa erlaubt, einzugreifen, wenn es um humanitäre oderreligiöse Belange geht. Wie das Papsttum habe das Kaisertum,66 schließt Las Casas,eine Macht „sobre todos los hombres del mundo, fieles o infieles: [. . .] para guiar yendereçar los hombres al fin de la vida eterna y quitar los impedimentos [. . .]“.67 („[. . .]über alle Menschen der Welt, Gläubige wie Ungläubige: [. . .] Um die Menschen zumZiel des ewigen Lebens zu führen und zu lenken und die Hindernisse zu beseitigen“.68)

In dieser Ausrichtung auf das letzte Ziel der christlichen Mission und Zivilisierungder Welt hin wird bei Las Casas sämtliche Beschränkung der kaiserlichen Herrschaftin Übersee aufgehoben. Letztendlich gebraucht also auch Bartolomé de las Casas,wie schon Hernán Cortés, gerade die supra-territoriale Struktur des Kaisertums dazu,eine sehr umfassende und von Europa kommende koloniale Gewalt in Amerika zurechtfertigen.

62 Böckenförde, Geschichte der Rechts- und Staatsphilosophie. Antike und Mittelalter, S. 377.63 Las Casas, Aqui se contiené treynta proposiciones muy iuridicas, Proposición XXVII.64 Ders., Werkauswahl Band 3/1, S. 188 f.65 Delgado, Universalmonarchie, translatio imperii und Volkssouveränität bei Las Casas oder Das prozess-

hafte Entstehen einer politischen Theorie zwischen Mittelalter und Neuzeit, in: Las Casas, WerkauswahlBand 3/1, 161 (169, 172).

66 Ders., Aqui se contiené treynta proposiciones muy iuridicas Proposición XXI.67 Ebenda, Proposición I.68 Ders., Werkauswahl Band 3/1, S. 182.

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C. Francisco de Vitorias ius gentium als Form universaler Herrschaft

Vitorias Begründung des Völkerrechts wurde bislang von den meisten Forschern aus-schließlich als eine Auseinandersetzung mit christlichen Ansprüchen gelesen.69 Oftwurde die These vertreten, Vitorias völkerrechtliche Konzeption sei als eine Säkula-risierung der internationalen Solidarität und Verlässlichkeit zu verstehen, welche derorbis christianorum gewährleistet hatte.70 Neben Vitorias berühmter Ablehnung einerHerrschaft des Papstes über Amerika, wie sie in den Bullen von 1493 zum Ausdruckgekommen war, ist für die von Vitoria entwickelte Haltung aber auch die kritischeAuseinandersetzung mit dem Gedanken der Universalmonarchie entscheidend: Vitoriaschreibt in seiner relectio de indis recenter inventis nicht nur „papa non est dominus[. . .] totius orbis“71, der Papst ist nicht der Herr der Welt, sondern auch „imperator nonest dominus totius orbis“72, der Kaiser ist nicht Herr der Welt. Auch legt Vitoria – wasfür einen katholischen Spanischen Intellektuellen zur Zeit Karls V. wohl ungewöhnlichist – großen Wert darauf, dass der deutsche Kaiser in seiner Eigenschaft als Kaisernicht einmal die Herrschaft über Spanien habe, sondern nur in seiner Eigenschaft alsspanischer König.73

Dass Vitoria eine Widerlegung der Idee der kaiserlichen Universalherrschaft offenbarfür erwähnenswert hält und seiner Erarbeitung dieser These gar einen ganzen Abschnittin der relectio de indis widmet, ist Beweis genug, dass sich Vitoria bei seiner Begrün-dung des Völkerrechts mit dem Konzept der Universalmonarchie auseinandergesetzt hat.Dass es Vitoria für nötig hält, den Anspruch auf kaiserliche Weltherrschaft gerade in Be-zug auf seine Abhandlung für die neue Welt zu widerlegen, zeigt, dass Vitoria offenbarmit ähnlichen Figuren einer translatio imperii ad americanos konfrontiert worden war,wie sie im vorangegangenen Abschnitt anhand der Beispiele Las Casas’ und Cortés’erörtert wurden. Aber selbstverständlich ist es auch der in der Einleitung erwähnte engephilologische Bezug von Vitorias ius gentium auf den kaiserlichen Hofjuristen Ulzurrun,der nahe legt, dass es eine starke Achse im Denken Vitorias gibt, welche als eine Ausein-andersetzung mit der weltlichen Idee der habsburgischen Universalmonarchie gelesenwerden kann. Vitoria übernimmt eben die Definition seines wichtigsten Begriffes, desius gentium, von Ulzurrun, der als der Advokat der Universalherrschaft schlechthinbetrachtet werden kann.74

69 Litto Tomas, La Filosofía Política y Jurídica de Francisco de Vitoria, S. 172; Ordeñana, Del Tratadode Tordesillas a la Doctrina de los Derechos fundamentales en Francisco de Vitoria, S. 172 ff; FazioFernández, Francisco de Vitoria. Cristianismo y Modernidad, S. 33 ff.

70 Brown Scott, The Spanish Origin of International Law. Francisco de Vitoria and his Law of Nations,S. 9a; Dickason, Concepts of Sovereignty at the Time of the first Contacts, in: Green/Dickason, The lawof nations and the new world, 141 (241); Jahn, The Cultural Construction of International Relations,S. 52; Williams, The American Indian in Western Legal Thought, S. 107.

71 Vitoria, De indis, in: Ders., Vorlesungen II: Völkerrecht, Politik, Kirche, 370 (422 f).72 Ebd., 370 (412 f.).73 Ebd., 370 (418 f.).74 Ulzurrun, Sobre el Régimen del mundo, S. 116 f: „[. . .] Est ius gentium [. . .] quod vero naturalis ratio

inter omnes gentes constituit [. . .]“; Azanza Elío, Introducción, in: Ulzurrun, Sobre el Régimen del

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Erhärtet wird die These einer Auseinandersetzung Vitorias mit dem Gedanken derÜbertragung der Universalmonarchie auf Amerika noch durch einen bekannten Brief, indem Vitoria bereits im Jahr 1534 auf das Thema der Konquista Bezug nimmt: „Si locondenáis así ásperamente, escandalízanse, y los unos allegan al papa, y dicen que soiscismático porque pones duda en lo que el papa hace; y los otros allegan al emperador,que condenáis a su magestat y que condenáis la conquista de las Indias, y hallan quienlos oiga y favorezca“, heißt es dort. „Wenn man die Sache scharf verurteilt, dann regensie sich auf, und die einen berufen sich auf den Papst und erklären, man sei Schismatikerweil man das anzweifelt, was der Papst tut; und die anderen, die sich auf den Kaiserberufen, sagen dass man seine Majestät verdamme und auch die Konquista der indischenGebiete und suchen sich einen, der ihnen zuhört und zustimmt“.75

Was im Hinblick auf diese Untersuchung aus dem Brief von 1534 hervorgeht, ist,dass Vitoria die Konquista schon früh in der legitimatorischen Abhängigkeit von einerpäpstlich-kaiserlichen Dublette sieht, und die Legitimation der Konquista durch dasKaisertum also schon früh einen Punkt darstellt, den Vitoria als solchen erkennt undexplizit kritisiert.

Nicht zuletzt zeigt sich die große Wichtigkeit von Vitorias Auseinandersetzung mitder Universalmonarchie für dessen Konzeption des ius gentium aber in der strukturel-len Form seines völkerrechtlichen Entwurfes. Vitoria folgert, dass die Amerindianernicht ohne weiteres unterworfen werden können, weil sie veri domini – „echte Herren“aufgrund ihrer rationalen Fähigkeiten – seien.76 Die Rationalität der Amerindianerleitet Vitoria aus deren Fähigkeit ab, sich politisch zu organisieren. „[. . .] Sie (haben)eine bestimmte Ordnung in ihren Angelegenheiten [. . .], wenn sie auf der Grundlageeiner Ordnung bestehende Bürgergemeinden, klar festgelegte Ehen, Beamte, Herren,Gesetze, Handwerkszweige, Handelsverkehr haben [. . .]“, heißt es bei Vitoria.77 Sol-cherart gebildete Gemeinwesen bezeichnet Vitoria jeweils als res publica perfecta,78

was von Haggenmacher schon als eine Vorform des souveränen Staates der Neuzeitgesehen wird.79 „Das Gemeinwesen hat vom natürlichen Recht her die politische unddie geistliche Gewalt über sich selbst“, heißt es bei Vitoria.80

Entgegen dieser Tendenz zum Partikularismus ist es aber gerade die in der kaiserli-chen Universalherrschaft enthaltene Idee eines realisierten moralischen und politischenUniversalismus, die Vitoria nicht vollständig zurückweist. Es ist nicht so, dass Vitoriaden universalen Zusammenhang, den die Universalmonarchie zumindest der Theorie

mundo, 11 (18).75 Vitoria, Brief vom 8. November 1534, in: Beltrán de Heredia (Hrsg.), Ideal del Maestro Fray Francisco de

Vitoria anteriores a las Relecciones „De indis“, acerca de la colonización de América según documentosinéditos, 9 (10).

76 Vitoria, De indis, in: Ders., Vorlesungen II: Völkerrecht, Politik, Kirche, 370 (402 f.).77 Ebd.78 Ders., De potestate ecclesiae I, in: Ders., Vorlesungen II: Völkerrecht, Politik, Kirche, 162 (238 f.).79 Haggenmacher, La Place de Francisco de Vitoria parmi les fondateurs du droit international, in: Truyol y

Serra u. a.: Actualité de la Pensée juridique de Francisco de Vitoria, 27 (37).80 Vitoria, De indis, in: Ders., Vorlesungen II: Völkerrecht, Politik, Kirche, 370 (493).

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nach bot, ersatzlos auflöst. Vielmehr setzt Vitoria an die Stelle einer einheitlichen uni-versalen Herrschaft über die Welt ein internationales System, das aus einer Pluralitätselbstregierender, selbstverfasster, territorial abgeschlossener Gemeinwesen besteht, dieauf der Grundlage des ius gentium zu einer res publica totius orbis, einer Republik derganzen Welt vereinigt werden. Vitoria versucht die relative internationale Verbindlich-keit, welche die kaiserliche Oberherrschaft in Europa aus der Sicht eines katholischenTheoretikers wohl auch noch im 16. Jahrhundert garantierte, durch das ius gentium zuerhalten.81 Es sind die universalistischen Grundsätze des ius gentium, die nach Vitoriaein Zusammenleben verschiedener, weitgehend autonomer Gemeinwesen ermöglichen.

Aus dieser Perspektive gibt es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen demGedanken einer internationalen, auf das Recht gegründeten Ordnung und dem universa-listischen Aspekt der Kaiseridee, wie er etwa von Miguel de Ulzurrun oder Bartoloméde las Casas formuliert wurde. Schon bei Ulzurrun hieß es ja, der Kaiser habe dieselbeAutorität wie das ius gentium: „[. . .] Ius gentium et ius imperatoris sunt idem auctoritate[. . .]“.82

Gerade Vitorias Verknüpfung des ius gentium mit der Idee einer res publica totiusorbis, die sich dieses Recht auf der Grundlage von Mehrheitsentscheidungen selbst gibt,erscheint vor dem Horizont der Verbindung von ius gentium und Universalmonarchiewie der dezidierte Versuch einer Demokratisierung83 der Universalpolitik, – einerUniversalrepublik, wenn man so will. Als genuines Produkt einer AuseinandersetzungVitorias mit dem Gedanken der Übertragung der Universalmonarchie auf die neue Weltmuss diese Demokratisierung gerade gelten, weil Vitoria – wie Deckers bemerkt84 –einerseits keineswegs den Gedanken eines exklusiv europäischen Kaisertums ablehntund andererseits auch keinerlei demokratische Tendenzen auf territorialer Ebene hat,wo für ihn die Monarchie immer noch die beste aller Staatsformen ist.85

Die demokratische Tendenz von Vitorias res publica totius orbis muss also direktals das Produkt von Vitorias Auseinandersetzung mit dem Gedanken der Übertragungdes Prinzips der Universalmonarchie auf die neue Welt interpretiert werden: Es istvermutlich gerade die intuitiv nahe liegende Erkenntnis einer gewissen inkommensura-blen kulturellen Eigenständigkeit Amerikas gegenüber Europas, die Vitoria zu seinerdemokratischen Konzeption des internationalen Rechts unter dem Bild der zu einer respublica totius orbis vereinigten selbständigen Gemeinwesen führt.

Doch Vitorias ius gentium lässt sich eben nicht nur als eine Liberalisierung und De-mokratisierung des Gedankens der Universalmonarchie auffassen. Die enge Verbindungzwischen vitorianischem ius gentium und Kaisertum wird vor allem klar, wenn man

81 Lesaffer, Charles V, Monarchia universalis and the Law of Nations, Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis71 (2003), 79 (122 f.).

82 Ulzurrun, Sobre el Régimen del mundo, S. 160.83 Irigoyen, Francisco de Vitoria y política internacional argentina de Hipolito Yrigoyen, XVI.84 Deckers, Recht und Gerechtigkeit, S. 324.85 Horst, Leben und Werke Francisco de Vitorias, in: Vitoria, Vorlesungen I: Völkerrecht, Politik, Kirche,

13 (46).

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das Augenmerk auf die ganz ähnliche Auswirkung beider Konzepte auf den spanischenKolonialismus in Amerika legt. Obwohl nämlich Vitoria vordergründig als ein Ver-teidiger selbständiger außer-europäischer Herrschaft auftritt, geht es ihm bei seinemEntwurf des ius gentium zunächst auch darum, die spanische Präsenz in Amerika unddie Unterwerfung der Amerindianer zu rechtfertigen.

Bei der Konzeption des vitorianischen ius gentium handelt es sich expliziterweiseum die Antwort auf die von Vitoria selbst formulierte Frage, wie die Amerindianer,wenn sie doch veri domini (wahre Herren) ihrer Gemeinwesen sind, überhaupt de jure„unter die Herrschaft der Spanier“ (in dictionem Hispanorum) kommen konnten, dieja de facto schon besteht zum Zeitpunkt, als Vitoria schreibt, und die Vitoria auchnicht abzuschaffen gedenkt.86 „Nachdem Vitoria mehr oder weniger die Gültigkeit dernormalerweise vorgebrachten Basis zur Bekräftigung des Spanischen Anspruches überdie Indianer und ihr Land bestritten hat, macht sich Vitoria daran, zu erklären wie manso einen Anspruch (dennoch) erlangen könnte“, schreibt Green.87

Das bekannteste von Vitorias Konzepten zur Legitimation des europäischen Kolo-nialismus ist eine Art unbeschränkter Reise- und Handelsfreiheit zwischen den alseigenständig gedachten Gemeinwesen, das er als ius communicationis bezeichnet. Dasius communicationis ist, wie Gründer treffend schreibt, die „Hintertür [. . .], die es denSpaniern erlaubte, weiterhin ‚gerechte Kriege‘ gegen die Eingeborenen Amerikas zuführen“.88

Das ius communicationis nach Vitoria ist ein umfassendes Recht des Freihandelsund des freien internationalen Verkehrs, auf das sich schlechthin jeder Mensch undjede politische Gemeinschaft berufen kann.89 Besonders bekannt ist Vitorias ius com-municationis dafür, im Falle einer Einschränkung der Verkehrs- und Handelsfreiheitdie Sanktion des bellum iustum vorzusehen, wodurch die Amerindianer rechtmäßigmilitärisch angegriffen werden können, wenn sie sich des Handels und anderem inter-nationalem Verkehr verwehren. „Die Herrscher der Barbaren können nicht verhindern,dass ihre Untertanen mit den Spaniern Geschäfte machen und umgekehrt die Spaniermit den Untertanen“, heißt es bei Vitoria.90

Es ist „ein Bestandteil des Krieges, Leute als Feinde von einer Stadt oder Provinzfernzuhalten bzw. zu vertreiben, wenn diese bereits anwesend sind.“, heißt es weiterbei Vitoria, „Da die Barbaren nun keinen gerechten Krieg gegen die Spanier führenkönnen, wenn man voraussetzt, dass diese unschuldig sind, dürfen sie die Spanierfolglich nicht von ihrem Vaterland fernhalten. [. . .] Wenn die Barbaren die Spanier

86 Vitoria, De indis, in: Ders., Vorlesungen II: Völkerrecht, Politik, Kirche, 370 (461).87 Green, Claims to Territory in Colonial America, in: Green/Dickason, The law of nations and the new

world, 1 (42): „Having more or less denied the validity of the basis normally put forward to assert theSpanish title over the Indians and their lands, Vitoria proceeds to explain how such a title should beacquired.“

88 Gründer, Welteroberung und Christentum, S. 121.89 Vitoria, De indis, in: Ders., Vorlesungen II: Völkerrecht, Politik, Kirche, 370 (460 f.); siehe dazu vor

allem: Cavallar, The rights of strangers, S. 108.90 Vitoria, De indis, in: Ders., Vorlesungen II: Völkerrecht, Politik, Kirche, 370 (464 f.).

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in den oben genannten Bereichen vom Völkerrecht ausschließen wollten, z. B. vomHandel oder von anderem, [. . .] könnten die Spanier sich verteidigen und sämtliche ihrerSicherheit dienlichen Maßnahmen durchführen, weil es erlaubt ist, Gewalt mit Gewaltabzuwehren“.91

Die Behinderung des internationalen Verkehrs kann nach Vitoria – wie Schmitt undGrewe richtig folgern92 – mit einem bellum iustum sanktioniert werden. Vitorias iuscommunicationis hat klar die Funktion, das Dilemma zwischen der Bereitschaft zurAnerkennung lokaler Souveränität und der kastilischen Abhängigkeit vom Verkehr mitden Kolonien zu lösen. Es stellt die überseeischen Gemeinwesen vor eine einfache Wahl,Spanier auf ihrem Territorium zuzulassen oder mit einem „gerechten Krieg“ (bellumiustum) überzogen zu werden.

Doch auch in Vitorias ius gentium findet sich ein explizites Recht der Intervention,das unmittelbar etwa mit Las Casas’ Konzeption der Kaiserherrschaft in Amerika ver-gleichbar ist. Während der Freihandel nach Vitoria unter bestimmten Voraussetzungenauch eingeschränkt werden kann, bewirkt die durch das ius communicationis garantiertesoziale Einheit der ganzen Welt, dass die Spanier nach Vitoria dazu berechtigt sind,uneingeschränkt das durchzuführen, was schon bei Schmitt als humanitäre Interventionbezeichnet wurde.93 Insofern es für Vitoria Pflicht der Christen ist, „ihren Nächsten“beizustehen und die ganze Welt durch das ius communicationis zu „den Nächsten“ derKonquistadoren wird, gesteht Vitoria diesen zu, militärisch einzugreifen, wenn ande-re Völker die Menschenwürde grundlegend verletzen oder unfähig sind, eine eigeneRegierung einzurichten.94

„Die Herrscher der Spanier“, schließt Vitoria, „könnten zum Nutzen der Barbaren(pro utilitate eorum) deren Leitung übernehmen (accipere administrationem illorum)und ihnen in ihren Städten Statthalter und Führungspersonen einsetzen.“

Im Namen der Wohlfahrt der Amerindianer kann nach Vitoria die territoriale Souve-ränität der Amerindianer an die Spanier übergeben werden: „Sie könnten den Barbarensogar neue Herren geben [. . .], sofern sicher wäre, dass den Barbaren diese Maßnahmenützt“. (Possent [. . .] etiam illis dare novos dominos, dummodo constaret hoc illis expe-dire.95) Bisweilen komme es auch vor, dass „die Barbaren [. . .] keine angemessenenGesetze und Beamten (leges conventientes nec magistratus)“ hätten und nicht einmaldazu fähig seien „ein Hauswesen zu führen“. Des Weiteren seien manche Amerindianer,wie es bei Vitoria heißt, „ohne Wissenschaften und Künste, ohne geregelten Ackerbau“und anderes, was „für die menschlichen Bedürfnisse vorteilhaft, ja unentbehrlich ist“.96

In demselben Maße wie die Amerindianer „nicht fähig (sind), im Rahmen der mensch-

91 Ebd., S. 468 f.92 Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, S. 78; Grewe, Epochen der

Völkerrechtsgeschichte, S. 175.93 Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, S. 78.94 Vitoria, De indis, in: Ders., Vorlesungen II: Völkerrecht, Politik, Kirche, 370 (478 f., 502 f., 484 f.).95 Ebd.96 Ebd.

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lichen und bürgerlichen Grenzen ein rechtmäßiges und geordnetes Gemeinwesen zuerrichten oder zu führen (constituendam vel administrandam legitimam et ordinatamrem publicam)“, verlieren sie nach Vitorias Logik das Recht auf territoriale Selbstregie-rung.97 Die Souveränität ist nach Vitoria, wie bei Vitoria, wie Anghie schreibt, als eine„Beziehung“ (relationship) konzipiert, die von der Einhaltung bestimmter äußerer undinnerer Normen abhängt.98

Das mit einer Souveränität vergleichbare Recht auf Selbstregierung von Territorienführt also in Vitorias ius gentium nicht zwingend zur Befreiung vom Kolonialismus,sondern kann im Gegenteil auch als ein Argument zur Unterdrückung vorgebrachtwerden. Insofern die Amerindianer die Kriterien dessen, was Vitoria als Völkerrechts-subjekt definiert, nicht erfüllen, verlieren sie die ihnen im Kontext des ius gentiumzugestandenen Rechte.

Über diese Tendenz zum nation building hinaus sieht Vitorias ius gentium auch dieMöglichkeit einer direkten Intervention vor: „Die europäischen Herrscher“, heißt es beiVitoria, „können Barbaren mit Krieg überziehen, weil diese Menschenfleisch essen undMenschen opfern“.99

D. Fazit

Zuerst scheint es zwar so, als stärke Vitorias ius gentium die politische Macht deseinzelnen Gemeinwesens. In letzter Konsequenz kommt Vitorias ius gentium aber zueinem sehr ähnlichen Ergebnis wie Hernán Cortés und Bartolomé de las Casas mitihren Entwürfen des überseeischen Kaisertums. Es ist äußerst folgerichtig, dass Vitoriaseinen eher subtilen Ausführungen zum Völkerrecht eine sehr deutliche kolonialisti-sche Abhandlung hinzufügt, die sich offen damit beschäftigt, „welche Befugnisse dieHerrscher gegenüber den Barbaren [. . .] haben“100 und als eine Art Handbuch der Ko-lonisation gelesen werden kann. Vitorias ius gentium erreicht das erwünschte Resultat– die Rechtfertigung der Konquista – aber auf eine ungleich viel interessantere undideengeschichtlich einflussreichere Weise als seine Vorgänger. Vitoria muss nicht auf dieexklusiv abendländische Tradition des Kaisertums zurückgreifen, um den Kolonialismuszu rechtfertigen. Auch fehlt bei Vitoria – zumindest oberflächlich betrachtet101 – jedereligiöse Rechtfertigung der spanischen Konquista, die etwa bei Las Casas stark betontwird.

97 Anghie, Imperialism, sovereignty, and the making of international law, S. 24.98 Ebd.99 Vitoria, De indis, in: Ders., Vorlesungen II: Völkerrecht, Politik, Kirche, 370 (502 f.).100 Ebd., S. 488 ff.101 Bei näherer Betrachtung spielt die eine geistliche potestas indirecta eine sehr große Rolle in Vitorias

Entwurf. Siehe: Specht, Spanisches Naturrecht – Klassik und Gegenwart, Zeitschrift für PhilosophischeForschung 41 (1987), 169 (171); Utz, Weltliche und kirchliche Gewalt bei Francisco de Vitoria, Dieneue Ordnung 50 (1996), 455 (461); Cavallar, The rights of strangers, S. 86; Justenhoven, Francisco deVitoria zu Krieg und Frieden, S. 75 ff.

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Diese Fortschritte Vitorias werden aber ironischerweise gerade durch das ius gentiumrückgängig gemacht, das in der Art der Universalmonarchie universal gültige Normenterritorialer Herrschaft formuliert, welchen die jeweilige partikulare politische Gemein-schaft bis zur Auflösung untergeordnet wird. Trotz der Tendenz des vitorianischen iusgentium zur Opposition gegen den Entwurf der Universalmonarchie steht Vitorias iusgentium in deutlicher Beziehung zu den universalherrschaftlichen Entwürfen seiner Zeit.Vitorias ius gentium scheint insbesondere gerade im Hinblick auf sein Verhältnis zu denuniversalpolitischen Strukturen der frühen Neuzeit die Frage zu implizieren, inwiefernuniversale Normen selbst Unterdrückung bedeuten können. Im Hinblick auf das vitoria-nische ius gentium scheint es sich bei der Unterscheidung zwischen Universalmonarchieund Universalrepublik nur um eine vergleichsweise unwichtige Unterscheidung zuhandeln, während die universale Norm selbst eine deutliche Tendenz zur Unterdrückungzu beinhalten scheint.

Es ist bestimmt falsch, Vitorias Position in Bezug auf diesen Punkt ohne jede Re-lativierung einfach auf heutige Positionen zu übertragen, wie dies etwa Jan-AndresSchulze in seiner Arbeit zum Verhältnis der Thesen Vitorias und dem Irakkrieg 2003getan hat.102 Was sich aber aus Vitorias Ausführungen zum ius gentium lernen lässt,ist, dass der Antagonismus zwischen partikularer Souveränität und supra-territorialen,beziehungsweise internationalen oder universalen Normen kein exklusives Problemder Moderne oder Postmoderne ist, sondern schon früh in der politischen Philosophieverhandelt wird.

Aber Vitorias Entwurf des ius gentium zeigt auch in einem völlig wertneutralen Sinne,wie universale Normen als Produkte realer Ortsverschiebungen entstehen. Vitorias iusgentium zeigt, wie essentiell wichtig der Schritt über die Grenzen Europas hinaus fürdie Entwicklung der europäischen politischen Philosophie war. Gerade im Vergleich mitanderen Versuchen zur Rechtfertigung der Konquista erscheint Vitorias Konzeption alsder Versuch einer Universalisierung von Normen und der Ablösung ihrer Abhängigkeitvon den abendländischen Traditionalismen Kaisertum und Christentum. Wie geradedie Vergessenheit der Theorien Las Casas’ und Cortés’ nahe legt, konnten die bloßeuropäischen Traditionen zur Legitimation von Herrschaft nur bedingt über den Atlan-tik getragen werden. Während die zunehmende Westorientierung der habsburgischenUniversalherrschaft innerhalb Europas als Folge einer Reihe verschiedener Stufen dertranslatio imperii von den assiri über die graeci und die romani bis zu den hispanivorgestellt werden konnte, wie dies etwa der Hofjurist Miguel de Ulzurrun tut,103 begibtsich die habsburgische Herrschaft mit dem Sprung über den im Mittelalter als oceanusdissociabilis104 bekannten atlantischen Ozean in ein vollkommenes Außen bezüglichdes eigenen kulturellen Umfelds, das mit McLachlan als „iurisdictional vacuum“ be-schrieben werden kann.105 Dies hat offenbar zufolge, dass die Herrschaft in Übersee

102 Schulze, Der Irak-Krieg 2003 im Lichte der Wiederkehr des gerechten Krieges.103 Ulzurrun, Sobre el Régimen del mundo, S. 116 f., 156 f.104 Frübis, Die Wirklichkeit des Fremden. Die Darstellung der Neuen Welt im 16. Jahrhundert, S. 63.105 MacLachlan, Spain’s Empire in the New World, S. 16. „The Crown, in the Western Hemisphere, moved

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nicht etwa nur durch eine Weiterführung der Theorie der translatio imperii legitimiertwerden kann, sondern auf neuen, kulturunabhängigen geistigen Grundlagen errichtetwerden musste. Diese neuen Grundlagen findet Vitoria in dem, was man Naturrechtnennt, das heißt in der Idee eines unmittelbar aus der Natur ableitbaren Rechts, das alsvon einer spezifischen Kultur unabhängig vorgestellt wird. Aus der Übertragung derpolitischen Herrschaft nach Übersee und der damit verbundenen Konkretisierung desantiken Naturrechts entsteht auf diese Weise die eigentliche Grundlage der neuzeitlichenpolitischen Theorie Europas.106

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