Proseminar Existenzphilosophie und Existenzialismus im 20. Jahrhundert.
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Universität zu KölnPhilosophisches SeminarWintersemester 2014/15Dr. Markus Wirtz
Proseminar
Existenzphilosophie und Existenzialismus im 20. Jahrhundert
Der EXISTENZIALISMUS
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nur eine Modeerscheinung der Nachkriegszeit...?
Einführende Sitzung am 20.10.2014
„I think an almost unbelievable amount of false philosophy has arisen through not realising what ,existence‘ means.“
(Bertrand Russell, Logic and
Knowledge)
Inhalte des Seminars:
Aufsatz, S. 5-11, 22-27 1906 – 1975
Einführender Aufsatz (27.10.14):
Text 1: Hannah Arendt: Was ist Existenz-
Philosophie? (1946)
Inhalte des Seminars:
Vorlesung, S. 1-12, 86-90 1883 - 1969
Deutsche Existenz- philosophie I (3.11.14):
Text 2:
Karl Jaspers: Existenzphilosophie (1937)
Inhalte des Seminars:
Monographie, §§ 71 & 72, S. 370-377
1889 - 1976
Deutsche Existenz- philosophie II (10.11.14): Text 3:
Martin Heidegger: Sein und Zeit (1927)
Inhalte des Seminars:
Philosophisches Tagebuch, S. 427-441
1889 - 1973
,Religiöse‘ französische Existenz-
philosophie I (17.11.14): Text 4:
Gabriel Marcel: Metaphysisches
Tagebuch (1915-43)
Inhalte des Seminars:
Abhandlung, S. 12-21 1906 – 1995
,Religiöse‘ französische Existenz-
philosophie II (24.11.14): Text 5:
Emmanuel Levinas: Vom Sein zum
Seienden (1978)
Inhalte des Seminars:
Monographie, S. 753-773 1905 – 1980
Französischer Existenzialismus I
(1./8.12.14): Text 6:
Jean-Paul Sartre: Das Sein und das
Nichts (1943)
Inhalte des Seminars:
Monographie, S. 397-418 1908 – 1961
Phänomenologie und Existenzphilosophie
(15.12.14): Text 7:
Maurice Merleau-Ponty:
Phänomenologie der Wahrnehmung (1945)
Inhalte des Seminars:
Monographie, S. 8-21, 69-73 1908 – 1986
Feminismus und Existenzphilosophie (12.1.15):
Text 8:
Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht (1949)
Inhalte des Seminars:
Philosophischer Essay, S. 36-56 1913 – 1960
Existenzialismus des Absurden und der Revolte (19.1.15):
Text 9:
Albert Camus: Der Mythos von Sisyphos (1942)
Seminarordner „Wirtz“ im Kopierraum der Bibliothek des Philosophischen Seminars
Textgrundlage:
Lexikon Existentialismus und
Existenzphilosophie, hrsg. v. Urs Thurnherr u. Anton Hügli, Darmstadt 2007
Literaturliste im Seminarordner bzw. als Download unter “Informationsportal” auf der Dozentenhomepage
Literaturempfehlungen:
BA - BM2 - Neuzeit/Gegenwart – Proseminar BA - BM3 - Neuzeit/Gegenwart – Proseminar BA - BM4 - Erkenntnis- oder Sprachphilosophie – Proseminar PS - BM4 - Anthropologie oder Philosophie des Geistes – Proseminar BA - GyGe - BM3 - Theoretische Philosophie: Neuzeit/ Gegenwart –
Proseminar BA - GyGe - BM4 - Erkenntnis- oder Sprachphilosophie – Proseminar BA - GyGe - BM4 - Anthropologie oder Philosophie des Geistes – Proseminar BA - HRG - BM2 - Philosophie der Neuzeit - Vorlesung/ Proseminar BA - HRG - BM2 - Philosophie der Gegenwart - Vorlesung/ Proseminar BA - HRG - BM3 - Erkenntnis- oder Sprachphilosophie – Proseminar BA - HRG - BM3 - Anthropologie oder Philosophie des Geistes – Proseminar BA - HRG - AM2 - Handlungstheorie oder Anthropologie oder Philosophie
des Geistes – Seminar
Modulzuordnungen des Seminars:
LA HR/SoPäd - M2.2 - Ethik des persönlichen Lebens – Proseminar LA HR/SoPäd - M3.3 - Erkenntnis- und Sprachphilosophie – Proseminar LA HR/SoPäd - M3.3 - Erkenntnis- und Sprachphilosophie – Proseminar GyGe - BM1 - Neuzeit/Gegenwart – Proseminar GyGe - BM2 - Neuzeit/Gegenwart – Proseminar GyGe - BM3 – Proseminar GyGe - BM4 – Proseminar BA - EM1 - Antike Philosophie/ Mittelalterliche Philosophie/ Philosophie der
Neuzeit - PS/HS
Modulzuordnungen des Seminars:
BA: 1 CP: Regelmäßige, dokumentierte
Anwesenheit 2 CP: kleine schriftliche Arbeit (2-3 Seiten)
für aktive Teilnahme 3 CP: Referat & Thesenpapier oder
schriftliche Arbeit (5-7 Seiten) 4 CP: Hausarbeit oder Klausur
Regelungen zum Scheinerwerb:
LA: aktive Teilnahme (nicht als TN qualifiziert)
entspricht einer Leistung im Umfang von 1 CP
eine als TN qualifizierte aktive Teilnahme entspricht 2 CP
ein Leistungsnachweis (Hausarbeit, Klausur oder mündliche Prüfung) entspricht 4 CP.
E-Mail-Adresse: [email protected] Sprechstunden nach Vereinbarung in
Raum 4.015 (Hauptgebäude, Büro von Frau Prof. Dr. Bickmann)
Homepage: http://www.philosophie.uni-koeln.de/dozenten/#lehrbeauftragte
Kontakt:
Ausgangsfragen: Was bedeutet der Begriff ,Existenz‘? Was ist unter „Philosophien der Existenz“ zu
verstehen? Wie ist der französische Existentialismus
innerhalb der Existenzphilosophie zu verorten?
Welchen Plausibilitätsgrad, welche argumentative Konsistenz hat die Philosophie der Existenz?
Thematische Einführung
lateinisch exsistere = hervorgehen aus, geboren werden
Griechische Antike: Rede vom ,Sein‘ (to òn) des Seienden
Einführung des Existenzbegriffs im Mittelalter im Kontext des abhängigen Seienden: Etwas existiert, weil es von einem anderen abhängt.
Existieren bedeutet, durch eine Ursache (Wirk- oder Finalursache) zum Sein gelangt zu sein.
Insofern betrifft die Existenz das kreatürliche, d.h. von Gott geschaffene Seiende.
1. Der Begriff der Existenz in der metaphysischen Ontologie: Essenz und Existenz
klassische Ontologie: existentia als ,Das-Sein‘ gegenüber essentia als ,Was-Sein‘
oder: Existenz als wirkliches Vorhandensein einer Sache gegenüber ihrer bloßen Möglichkeit
(1/2)
Existenzphilosophische Erwägungen avant la lettre bei Michel de Montaigne (Essais, 16. Jh.), und Blaise Pascal (Pensées, 17. Jh.)
Einwände gegen den Existenzbegriff: David Hume und Immanuel Kant (18. Jh.)
Lebensphilosophie: Friedrich Nietzsche (19. Jh.), Henri Bergson (20. Jh.)
2. Vorgeschichte der Existenzphilosophie
„Alles wesentliche Erkennen betrifft die Existenz.“ – „Existieren ist eine Kunst.“
Wichtige Werke aus den 1840er Jahren: Entweder – Oder, Philosophische Brocken, Die Wiederholung, Furcht und Zittern, Der Begriff Angst, Stadien auf des Lebens Weg, Die Krankheit zum Tode
Der ,existierende Denker‘ gegen den ,abstrakten Denker‘; Kampf gegen den spekulativen Idealismus Hegels
3. Sören Kierkegaard (1813-1855) – der erste „Philosoph der Existenz“
Betonung der Endlichkeit und Ambivalenz individuellen Daseins an Stelle des Hegelschen Versuchs, mit Hilfe der Dialektik die gesamte Wirklichkeit begrifflich zu erfassen und das Individuum im unendlichen Absoluten untergehen zu lassen
Das „Selbst“ als Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält; es konstituiert sich in freier Selbstbestimmung als ein geistiges Selbstsein, das sich zur Welt, zu den Menschen, zu sich selbst und zu Gott verhält.
3.2 Sören Kierkegaard (1813-1855)
Ausgangspunkt beim existentiellen Zweifel: Aufgabe, die Zerrissenheit (Ver-zweiflung) entweder zu überwinden oder auszuhalten
Interpretation von existentiellen Grundstimmungen wie Furcht/Angst und Verzweiflung
Angst als „die Wirklichkeit der Freiheit als Möglichkeit für die Möglichkeit“
3.3 Sören Kierkegaard (1813-1855)
Interpretation von existentiellen Grundstimmungen wie Furcht/Angst und Verzweiflung
Angst als „die Wirklichkeit der Freiheit als Möglichkeit für die Möglichkeit“
Drei Stadien des Existierens nach Kierkegaard: 1) das ÄSTHETISCHE
⇒ Leben im Augenblick, ausschließliche Hingabe an sinnlich-emotionale Bedürfnisse und Genüsse, Suche nach permanentem Wechsel der Eindrücke Ergebnis: Trostlosigkeit, Langeweile, Einsamkeit
3.4 Sören Kierkegaard (1813-1855)
2) das ETHISCHE ⇒ Lebensgestaltung nach einem selbst gewählten Ideal, Übernahme von Verantwortung für die eigene Vergangenheit und Zukunft: „das Ich wählt sich selbst“.
3) das RELIGIÖSE ⇒ „Sprung“ in das Paradox zwischen Einzelnem und Allgemeinem, Endlichkeit und Unendlichkeit; der Glaubende setzt sich ein individuelles, nicht-rationales Verhältnis zum Absoluten
3.5 Sören Kierkegaard (1813-1855)
Existenzoperator bzw. Existenzquantor ∃ (auch „Einsquantor“ oder „Manchquantor“ genannt)
(∃x) (sx ∧ px) Bedeutung: Es gibt mindestens einen
Gegenstand x, für den gilt: x ist s und x ist p. Das Existenzprädikat (E) – wichtig für den
ontologischen Gottesbeweis – spielt eigentlich schon seit Kant, spätestens aber seit Frege und Russell keine Rolle mehr in der modernen Logik.
4. Existenz in der Prädikatenlogik
Kants Argumente gegen den ontologischen Gottesbeweis:
1) Das „ist“ in dem Satz „Gott ist allmächtig“ fügt Gott kein weiteres Prädikat zu seinen sonstigen Bestimmungen hinzu, sondern stellt lediglich einen grammatikalischen Bezug zwischen dem Subjekt Gott und seinem Prädikat „allmächtig“ her. (Existenz als Kopula)
2) Das „ist“ in dem Satz „Gott ist“ stellt ebenfalls kein Prädikat dar, sondern suggeriert, dass „Gott“ im raumzeitlichen Erfahrungshorizont zugänglich ist – was er aber per definitionem als transzendentes Wesen nicht sein kann. (Existenz als raumzeitliche Position)
5. Sprachphilosophische Bedenken gegen die philosophische Rede von „Existenz“
Mögliche Entgegnung der Existenzphilosophen: „Wir meinen mit ,Existenz‘ weder ∃ noch die
Kopula ,ist‘ noch eine bestimmte raumzeitliche Position – sondern das menschliche Dasein als einzelnes, kontingentes, individuelles und unvertretbare.“
Anschlussproblem: Wie kann man über die so verstandene „Existenz“ sinnvolle Aussagen machen, wenn doch die Philosophie üblicherweise auf das Allgemeine, Notwendige und Universelle abzielt?
(5/2)
Position der Existenzphilosophen: Die existenziellen Erfahrungen des Einzelnen verweisen auf eine allgemeine Existenzstruktur, die allem Existierenden zukommt.
Begriff „Existenzphilosophie“ ab ca. 1930 in Deutschland in Umlauf
historischer Kontext: im Gefolge des Ersten Weltkriegs Besinnung auf den „innersten Kern des Menschen“, Rückwendung auf die individuelle Innerlichkeit im Gegensatz zum wissenschaftlich-objektivierenden Denken
6. Konstituierung der Existenzphilosophie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Ausgangspunkt der Existenzphilosophie: der radikal individualisierte, einzelne Mensch in seinem Selbstseinmüssen
Methode: Analyse der Befindlichkeit, Innerlichkeit, Authentizität des ,Ich‘ oder ,Selbst‘
im Unterschied zur traditionellen Subjektphilosophie (Rationalismus, Transzendentalphilosophie, Idealismus) starke Betonung von Gefühlen und Stimmungen sowie der leiblichen Verfasstheit des Menschen
Stimmungen mit Erschließungscharakter: Angst, Verzweiflung, Absurdität
(6/2)
Einfluss existenzphilosophischer Gedanken auf:
dialektische Theologie (Barth), Dichtung (Kafka, Rilke, Malreaux), moderne Kunst (Munch, Expressionismus,
Surrealismus), Politik (französischer Widerstand) Theater (Sartre, Marcel). Unterbrechung, zugleich aber auch
Intensivierung der Existenzphilosophie durch die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs
(6/3)
Sein und Zeit (1927): Existenziale Analytik des Daseins, weder Subjektphilosophie noch Anthropologie
Wie ist (menschliches) „Dasein“ in der Welt? Grundgedanke aller Existenzphilosophie:
„Das ,Wesen‘ des Daseins liegt in seiner Existenz.“ Herausarbeitung von existenzphilosophischen
Kategorien (Existenzialien) wie Sorge, Geworfenheit, Mitsein, Möglichsein, Verstehen, Sein zum Tode
Hervorhebung der zeitlich verfassten „Sorge“ als Grundstruktur des Daseins
7. Martin Heideggers Existenzialontologie
Seiendes von der Seinsart des Daseins zeichnet sich dadurch aus, dass es sich zu seinem eigenen Sein und gegenüber nicht daseinsmäßig verfasstem Seienden verstehend verhält.
Erfahrung des „Nichts“ (der Welt) in der Angst Uneigentliches Existieren: Alltägliche Verfallenheit
an das ,Man‘ Eigentliches Existieren: Vor-laufen in den eigenen
Tod Spätphilosophie Heideggers: der Mensch als Ek-
sistenz, die sich auf die Schickung des Seins einlässt
(7/2)