One fits all - Technische Logistik · 2017. 6. 23. · VWWerks. Neben den ergonomischen Aspekten...

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34 Hebezeuge Fördermittel 5/2017 KRAN- UND HEBETECHNIK | Leichtkransystem Mehr als sechs Kilometer Schienen in vier Profilgrößen, darin integriert 127 Kranbrücken und unterschied- lichste Hebezeuge, Manipulatoren und Schraubereinheiten: Das ist, ganz kurz gefasst, der Umfang des KBK Aluline Systems im neuen VW-Werk in Września/Polen. Das extrem leicht- gängige System verbessert die Ergo- nomie bei der Teile-Handhabung und schafft eine wichtige Voraussetzung für optimale Produktivität in der gesamten Fahrzeugmontage. Für einen Fabrikplaner ist es die ideale Auf- gabe: Ein international führender Automobil- hersteller errichtet ein komplett neues Werk auf der sprichwörtlichen grünen Wiese, und alle Abläufe und Anlagen können von Grund auf neu gestaltet werden – ohne Restriktionen durch vorhandene Gebäude, Stützenmaße etc. Ein solches Werk nahm die Volkswagen AG Ende 2016 im polnischen Września in Betrieb, um dort die neueste Generation des VW Craf- ters zu produzieren. Mehr als 3.000 Beschäf- tigte fertigen das Fahrzeug sowie – im inte- grierten Zulieferpark – zahlreiche Zulieferteile. Das Werk, gebaut auf einem 220 Hektar großen Areal, ist die 121. Fabrik des Volkswagenkon- zerns. Sie ist für eine jährliche Kapazität von 100.000 leichten Nutzfahrzeugen ausgelegt und verfügt über großzügige Hallen für den Karos- seriebau und die Fahrzeugmontage sowie eine moderne Lackiererei. Schwerere Bauteile als in der Pkw-Produktion Bei Fahrzeugen wie dem Crafter ist alles etwas größer und schwerer als in der Pkw- Produktion. Deshalb spielt die Handhabung von Teilen eine deutlich größere Rolle. Weil die Stückzahlen bei Nutzfahrzeugen eher gerin- ger sind als bei Pkw-Volumenmodellen, dafür die Variantenvielfalt umso größer, lassen sich viele Produktionsschritte nicht vollständig auto- matisieren. Aufgrund des Bauteilgewichts sind dann an zahlreichen Stationen Hilfsmittel, wie Manipulatoren, Arbeitsplatzkrane und andere Handhabungsgeräte, notwendig. Das gilt für den gesamten Prozess der Endmontage, der in sie- ben Fertigungsabschnitte und Vormontagen unterteilt ist. In mehreren „Supermärkten“ wer- den zudem Bauteile verschiedener Varianten sequenziert, kommissioniert und bereitgestellt. Insgesamt wird die Montage des VW Craf- ters in 155 Takten realisiert. Es werden kon- tinuierlich Bauteile von Ladungsträgern ent- nommen, angehoben oder zu Kommissionen zusammengestellt, so dass entsprechende Hilfsmittel zum Heben und Transportieren benötigt werden, um die bestmögliche Ergo- nomie für das Personal an den einzelnen Arbeitsplätzen zu erzielen. Flächendeckend im Einsatz: KBK Aluline von Demag Die Planer von Volkswagen entschieden sich in einem frühen Stadium für Demag-KBK-Aluline als universelles System, das in der gesamten Montage zum Einsatz kommen soll. Dafür gab One fits all Deutlich verbesserte Ergonomie in der Nutzfahrzeug-Produktion

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Kran- und HebetecHniK | Leichtkransystem

Mehr als sechs Kilometer Schienen in vier Profilgrößen, darin integriert 127 Kranbrücken und unterschied-lichste Hebezeuge, Manipulatoren und Schraubereinheiten: Das ist, ganz kurz gefasst, der Umfang des KBK Aluline Systems im neuen VW-Werk in Września/Polen. Das extrem leicht-gängige System verbessert die Ergo-nomie bei der Teile-Handhabung und schafft eine wichtige Voraussetzung für optimale Produktivität in der gesamten Fahrzeugmontage.

Für einen Fabrikplaner ist es die ideale Auf­gabe: Ein international führender Automobil­hersteller errichtet ein komplett neues Werk auf der sprichwörtlichen grünen Wiese, und alle Abläufe und Anlagen können von Grund auf neu gestaltet werden – ohne Restriktionen durch vorhandene Gebäude, Stützenmaße etc.

Ein solches Werk nahm die Volkswagen AG Ende 2016 im polnischen Września in Betrieb, um dort die neueste Generation des VW Craf­

ters zu produzieren. Mehr als 3.000 Beschäf­tigte fertigen das Fahrzeug sowie – im inte­grierten Zulieferpark – zahlreiche Zulieferteile. Das Werk, gebaut auf einem 220 Hektar großen Areal, ist die 121. Fabrik des Volkswagenkon­zerns. Sie ist für eine jährliche Kapazität von 100.000 leichten Nutzfahrzeugen ausgelegt und verfügt über großzügige Hallen für den Karos­seriebau und die Fahrzeugmontage sowie eine moderne Lackiererei.

Schwerere bauteile als in der Pkw-Produktion

Bei Fahrzeugen wie dem Crafter ist alles etwas größer und schwerer als in der Pkw­Produktion. Deshalb spielt die Handhabung von Teilen eine deutlich größere Rolle. Weil die Stückzahlen bei Nutzfahrzeugen eher gerin­ger sind als bei Pkw­Volumenmodellen, dafür die Variantenvielfalt umso größer, lassen sich viele Produktionsschritte nicht vollständig auto­matisieren. Aufgrund des Bauteilgewichts sind dann an zahlreichen Stationen Hilfsmittel, wie

Manipulatoren, Arbeitsplatzkrane und andere Handhabungsgeräte, notwendig. Das gilt für den gesamten Prozess der Endmontage, der in sie­ben Fertigungsabschnitte und Vormontagen unterteilt ist. In mehreren „Supermärkten“ wer­den zudem Bauteile verschiedener Varianten sequenziert, kommissioniert und bereitgestellt.

Insgesamt wird die Montage des VW Craf­ters in 155 Takten realisiert. Es werden kon­tinuierlich Bauteile von Ladungsträgern ent­nommen, angehoben oder zu Kommissionen zusammengestellt, so dass entsprechende Hilfsmittel zum Heben und Transportieren benötigt werden, um die bestmögliche Ergo­nomie für das Personal an den einzelnen Arbeitsplätzen zu erzielen.

Flächendeckend im einsatz: KbK aluline von demag

Die Planer von Volkswagen entschieden sich in einem frühen Stadium für Demag­KBK­Aluline als universelles System, das in der gesamten Montage zum Einsatz kommen soll. Dafür gab

One fits alldeutlich verbesserte ergonomie in der nutzfahrzeug-Produktion

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Sicheres Handling auch von großflächigen Lasten: Manipulator mit Vakuumtechnik für den Einbau von Holzplatten als Fahrzeugboden.

Mit seiner Aluminium-Optik integriert sich das KBK-Schienensystem in den Stahlbau und trägt zu einer hellen Arbeitsumgebung des Werks von Volkswagen bei.

der demag- Kranbaukasten – universell im einsatz1963 wurde der Kranbaukasten KBK erstmals vorgestellt – damals eine ganz neue Art der flurfreien Handha­bungstechnik, die sich flexibel an unterschiedlichste Anforderungen anpassen lässt. Unterschiedlichste Branchen, darunter die Automobil­industrie, nutzen weltweit dieses System. Seit 2014 können sich die Anwender – wie Volkswagen es in der Crafter­Pro­duktion getan hat – auch für dessen modernste Ausprägung entscheiden: das neue Leichtkransystem KBK Alu­line. Es zeichnet sich unter anderem durch extrem leichtgängigen Lauf und geringes Eigengewicht aus. Sowohl der Anrollwiderstand als auch der Fahrwiderstand wurden im Vergleich zur Vorgängerbaureihe nochmals gesenkt. Das heißt: Der Bediener braucht merklich weniger Kraft, um Lasten zu bewegen. Und die Vielfalt der „Bausteine“ im Kranbaukasten schafft die Voraussetzung dafür, dass unterschiedlichste Anforderungen mit einem einzigen, universellen System abgedeckt werden können.

Mit einem Manipulator, der an dem Schienensystem KBK Aluline verfährt, werden die Sitzbänke in die Fahrerkabine verbracht.Q

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und gibt es gute Gründe. Denn der „Kranbau­kasten“ hat sich seit mehr als fünf Jahrzehnten weltweit in der gesamten Automobilindustrie bewährt.

Der Aluminiumkranbaukasten der Marke Demag zeichnet sich durch besonders gute Leichtlaufeigenschaften und geringe Rollwi­derstände aus. Diese führen in Verbindung mit einem optimierten Eigengewicht zu ergonomi­schen Vorteilen, die jedem Mitarbeiter bei der täglichen Arbeit direkt zugutekommen.

Die helle und moderne Optik des Schienen­systems passt zudem ideal zur mitarbeiter­freundlichen Arbeitsplatzgestaltung des neuen VW­Werks.

Neben den ergonomischen Aspekten haben die Planer besonderen Wert auf die Themen Sicherheit und Servicefreundlichkeit gelegt. Beiden Anforderungen wird Demag­KBK­Aluline durch die langjährige internationale Erfahrung in vollem Umfang gerecht. Zusätz­lich bietet das montagefreundliche Baukasten­system die Flexibilität, einfach erweitert oder umgebaut werden zu können und somit Ände­rungen in den Prozessen und im Materialfluss jederzeit zu ermöglichen.

Diese Flexibilität war aus Sicht von Volkswa­gen besonders wichtig, weil nach dem Prinzip „One fits all“ ein einziges Schienensystem für sämtliche Aufgaben, Arbeitsplätze und Mon­tagebereiche eingesetzt werden sollte. Das wiederum heißt: An den Schienen werden ganz unterschiedliche, in der x­ und teils auch y­Achse verfahrbare Manipulatoren, Hebezeuge und Schraubeinheiten installiert.

Das Ergebnis der Planung kann man inzwi­schen „live“ erleben, denn das Werk hat die Produktion aufgenommen – und wohin man schaut, sieht man die silbermatten Schie­nen des KBK­Aluline­Systems. Mehr als 6.000 Meter Profilschienen für Krane und Kranbahnen haben die Demag­Techniker ins­talliert. Sie montierten insgesamt 127 Kranbrü­cken für Ein­ und Zweiträger­Hängekrane und eine Vielzahl an Hebezeugen, Manipulatoren (mit Hubsäulen, Knickarmen und Balancern) und Werkzeugen. Bei den Hebezeugen vertraut Volkswagen ebenfalls den Demag­Produkten und entschied sich für Kettenzüge der Baureihe DC, die – dem Anwendungsfall entsprechend – mit Tragfähigkeiten zwischen 125 und 315 Kilo­gramm sowie in zweistufiger oder stufenloser Ausführung zum Einsatz kommen. Das Zusam­menspiel von Demag­Hebezeugen und Demag­Schienensystemen hat sich bereits in anderen Volkswagen­Werken bewährt. Deshalb wird diese Kombination auch in Września eingesetzt.

Einige Beispiele verdeutlichen die Einsatz­möglichkeiten des KBK­Aluline­Systems in der Crafter­Produktion. Die Fahrzeugkarosse bewegt sich an einem Fördersystem mit kon­

tinuierlicher Geschwindigkeit durch die Pro­duktion. An einer Station werden die Fahrer­haus­ und Schiebetüren demontiert, um in der Türenvormontage vormontiert zu werden. Auch die 30 Kilogramm schwere Batterie wird hier montiert. Dafür verwendet der Werker einen einseitigen Manipulator mit einem Verfahrbe­reich von 0 bis 4.500 Millimetern. Beim Ausbau der groß dimensionierten, bis zu 85 Kilogramm schweren Türen kommen ebenfalls Manipula­toren zum Einsatz, die an jeweils zwei Schienen aufgehängt sind. Insgesamt wurden an dieser Station 238 Meter Schienen montiert.

unterschiedlichste anforderungen – ein System

In der Triebsatzvormontage haben die Schie­nen eher die Aufgabe, dem Werker die benö­tigten Werkzeuge, wie zum Beispiel, Pneu­matik­Schrauber, zur Verfügung zu stellen. In der Sitzbank­ und Laderaumbodenmontage sind schwere oder große Komponenten zu handhaben, während in der Fahrwerksmon­tage häufig schwere, aber kompakte Bau­teile, wie Blattfedern und Stoßdämpfer, exakt positioniert werden müssen.

Jeder Arbeitsschritt stellt also andere Anforderungen an die Handhabung – mit dem Aluline ­System lassen sie sich ohne Ausnahme erfüllen. Das gilt ebenso für unterschiedliche Höhenniveaus und für die Art der Aufhän­gung: Wenn sie für horizontale Beweglichkeit von klas sischen Krananlagen mit Kettenzügen

Ergonomie auf der ganzen Linie: Taktfertigung mit Hängekranen aus dem KBK-Aluline-System: in der der Triebsatzvormontage

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6.000 mProfilschienen

für Krane und Kranbahnen

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sorgen, wird eine pendelnd­gelenkige Auf­hängung verwendet. Beim Einsatz von Hand­habungsgeräten und Schrauberteleskopen kommen die robusten Ergo­Aufhängungen zum Einsatz, die Momente und negative Lasten absorbieren.

Unabhängig von der Art des Einsatzes zeichnen sich die Schienen des KBK­Aluline­Systems immer durch ein optimales Verhält­nis von Tragfähigkeit zu Eigengewicht aus. Vier Profilgrößen schaffen die Vorausset­zung für die anwendergerechte Auswahl. Die speziellen Kunststoff­Laufrollen sorgen für einen extrem leichten und leisen Lauf. Somit sind geringe Fahrkräfte – und das heißt: beste Ergonomie, geringe Belastung des Werkers – gewährleistet. Die optionale inte­grierte Schleifleitung erlaubt den Verzicht auf externe Stromzuführungen oder störende Schleppkabel. Die helle Optik ermöglicht in Verbindung mit präziser, durch Volkswagen berechneter Lichttechnik zudem eine ideale Ausleuchtung jedes Arbeitsplatzes.

Gute Planung ist die halbe arbeit

Dass ein internationaler Konzern eine Autofa­brik mit höchster Genauigkeit plant, versteht sich von selbst. In diesem Fall aber muss auch die Flexibilität erwähnt werden, die zu besonde­ren Vorteilen führte: Häufig ergaben sich beim Bau Ideen für die Optimierung der vorhandenen Planungen, die ge­meinsam realisiert wurden und die Ergonomie und Produktivität an den einzelnen Arbeitsplätzen nochmals verbes­sern konnten.

Hier zahlte sich die enge, zweisprachige Abstimmung auf der Baustelle ebenso aus, wie die Expertise des Demag­Projekt manage­ments, das internationale Erfahrung in der Reali sierung und Koordination von Projekten dieser Größenordnung mitbrachte. Tim Rother, Produktmanagement Demag Handling: „Die Zusammenarbeit mit den Planern von Volks­wagen, den am Bau beteiligten Personen und anderen Lieferanten verlief reibungslos. Diese Kooperation war besonders wertvoll, auch im Hinblick auf die außerordentliche Komple­xität dieses Projekts: nicht nur wegen der zahl­reichen unterschiedlichen Montage stationen, sondern auch wegen der Einbindung externer Lieferanten für Mani pulatoren und Schraub­einheiten.“ Hier bewährte sich die jahrzehn­telange Erfahrung, die Demag in der Auto­mobilindustrie und in der Ausstattung von Montagelinien mit dem KBK­System gewonnen hat. (jak)

Flurfreie Fördertechnik: Mehr als 6 km Schienen KBK Aluline wurden im neuen Werk von Volkswagen eingebaut.

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