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It Must Schwing! The Blue Note-Story DasErste.de 9. DEZEMBER 2018 23:35 UHR

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It Must Schwing! The Blue Note-Story

DasErste.de

9. DEZEMBER 201823:35 UHR

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Inhalt 3

Stab 5

Vorwort 6

Alfred Lion und Francis Wolff 8

Producer’s Note Wim Wenders 10

Protagonisten 12

Interview Eric Friedler 36 Impressum / Pressekontakt 40

Inhalt1939 gründeten Alfred Lion und Frank (auch

„Francis“) Wolff, zwei junge Emigranten aus Berlin, in New York das legendäre Jazz-Label Blue Note Records. Das Label konzentrierte sich ausschließlich auf amerikanische Jazz-musik und entwickelte einen unverwech-selbaren Aufnahmestil und Sound. Blue Note Records entdeckte und produzierte eine beeindruckende Liga von Weltstars der Jazz-Musik. Darunter Künstler wie Miles Davis, Herbie Hancock, John Coltrane, Sonny Rollins, Wayne Shorter, Thelonious Monk und Quincy Jones. In einer Zeit, in der afro-amerikanische Musiker in den USA immer noch unter Dis-kriminierung und Ausgrenzung litten, wurden sie bei Blue Note Records als gleichberech-tigte Künstler respektiert. Hier wertschätzte man nicht nur ihre Begabung, sondern gab ihnen eine dringend benötigte Plattform.

„It Must Schwing!“ erzählt die bewegende Geschichte von zwei Freunden, die verbun-den waren durch ihre leidenschaftliche Liebe zur Jazz-Musik und den tiefen Glauben an menschliche und künstlerische Freiheit.

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StabBuch und Regie Eric FriedlerBuch Animation Silke Schütze, Eric FriedlerSchnitt Berndt BurghardtKamera Thomas SchäferTon Christoph KleinTonmischung Sascha HeinyAnimation Rainer Ludwigs, Tetyana ChernyavskaFachberatung Rainer PlackeLizenzen Iris PaternaNDR Fiktion & Unterhaltung Thomas SchreiberProducer Silke SchützeAsscociate Producer Uwe KieferExecutive Producer Wim WendersRedaktion Christoph Bungartz

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Ein selten intensives Filmerlebnis

It Must Schwing! Die Blue Note-StoryIt Must Schwing! Die Blue Note-Story

Alfred Lion und Francis Wolff, zwei junge Berliner, fliehen 1939 vor dem Nationalsozialismus nach Amerika und gründen in New York das Plattenlabel Blue Note Records, das Jazz-Geschichte schreibt. Bereits vor langer Zeit hat mir Eric Friedler von dieser Geschichte berichtet. Er wollte sie unbedingt erzählen – die Blue Note-Story.

Aber Eric Friedler porträtiert nicht nur Musikgeschichte. Er erzählt, bezwingend und begeisternd, von einer großen Freundschaft, von der Liebe zur Musik und zu den Menschen, von Respekt und dem Glauben an Gleichberechtigung über alle Barrieren hinweg, von der unbedingten Leidenschaft, seinem Traum zu folgen. Und wir, die wir „It Must Schwing! Die Blue Note-Story“ sehen, erliegen seinem filmischen Sog, lassen uns hineinziehen in ein Lebensgefühl zwischen Aufbruch, Melancholie und der vibrierenden Energie eines Neuanfangs, nicht nur musikalisch, sondern auch gesellschaftlich.

Bereits als Eric Friedler mit der Arbeit an dem Film begann, trieb ihn die Frage um, wie er mit dem umgehen sollte, was er als „die natürliche Grenze des Dokumentarischen“ bezeichnet. Wie die Szenen zum Leben erwecken, in denen keine Kamera den Moment eingefangen hat? Animation war von Anfang an eine Option, warf aber viele Fragen auf. Konnte man die Grausamkeiten des Ku-Klux-Clan im

Zeichentrick darstellen? Eric Friedler wagte es – und es glückte auf eine schmerzliche, beklemmende Weise.

Betörend ist die visuelle Kraft dieses Films, den das „Wallstreet Journal“ nach seiner US-amerikanischen Premiere auf dem renommierten Filmfestival von Telluride mit guten Grund als “außergewöhnlich schimmerndes Juwel“ beschrieb. Denn „It Must Schwing!“ kombiniert in einer elektrisierenden Komposition dokumentarische Aufnahmen, erstmals gezeigtes Archivmaterial, Animationen und exklusive Interviews zu einem faszinierend vielschichtigen Werk, dessen mitreißende Spannung in der meisterlichen Verschränkung der unterschiedlichen Ebenen liegt. Ein selten intensives Filmerlebnis in dieser Art.

Das Blue Note Label begleitete die Anfangsschritte von vielen Musikern, die zu unsterblichen Ikonen wurden. Weltstars wie Quincy Jones, Herbie Hancock, Sonny Rollins oder Wayne Shorter. Von diesen Ausnahme-Künstlern ließ sich der Regisseur erzählen, wie es damals war, als die beiden Freunde Alfred und Francis mit afroamerikanischen Musikern auf Augenhöhe arbeiteten – in einer Zeit, in der ihre Diskriminierung an der Tagesordnung war. Denn natürlich ist auch dieser Film von Eric Friedler, den die Presse als „Archäologen

des Verschütteten und Verdrängten“ lobt, auch ein politischer und spürt der Geschichte hinter der Geschichte nach. Wie es ihm jedoch gelang, diese hochkarätige Liga von Grammy- und Oscar-Preisträgern für seinen Film zu gewinnen, soll sein Geheimnis bleiben.

Mit erzählerischer Stärke und poetischen Zwischentönen führt „It Must Schwing! Die Blue Note-Story“ in eine Welt, die Musik als Waffe gegen Ausgrenzung und Rassismus entdeckt. Zuletzt setzt der Film mit seinem Titel liebevoll und augenzwinkernd der Herkunft der Blue Note-Gründer ein Denkmal. Alfred Lion verlor nämlich seinen deutschen Akzent auch nach einem Leben in den USA niemals. Und so lautete die einzige Direktive, die er den Musikern gab, stets: „It must SCHwing!“

Blue Note-Künstler Quincy Jones sagt über seine Zusammenarbeit mit den beiden Gründern des Labels: „Wir waren dabei, als Amerikas bedeutendste Musik geboren wurde! Diese beiden spürten, dass es um etwas Großes ging – und eroberten damit die Welt.“ Das wünsche ich auch dem Film „It Must Schwing! Die Blue Note-Story“.

Lutz Marmor, NDR Intendant

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Alfred Lion (1908 – 1987) und Francis (auch „Frank“) Wolff (1908 – 1971) lernten einander schon als Teen-ager in ihrer gemeinsamen Heimatstadt Berlin kennen und teilten vor allem ihre Liebe für zeitgenössische amerikanische Musik. Ihr jüdischer Glaube machte es ihnen nach 1933 zunehmend schwer, im nationalsozia-listischen Deutschland zu leben und Alfred entschied sich als erster, nach Amerika zu gehen. Doch den beiden engen Freunden war immer klar, dass sie auf jeden Fall ihre Liebe zum Jazz gemeinsam zum Beruf machen woll-ten. Francis Wolff gelang seine Flucht nach New York auf einem der letzten nicht von der Gestapo kontrollierten Schiffe. Wieder vereint arbeiteten sie gemeinsam für ihr Label Blue Note Records: Alfred, Talentsucher und Produzent, schuf mit Hilfe des kongenialen Toninge-nieurs Rudy Van Gelder (1924 – 2016) den unverwechsel-baren Blue Note-Sound. Francis entwickelte mit seinen Fotografien und den Ideen des Grafikers Reid Miles (1927 – 1993) für die Cover den einzigartigen Look der Blue Note-Platten. Die Anfänge waren bescheiden und richtig reich wurden sie niemals – aber sie prägten die Geschichte der Jazz-Musik für immer. Wichtig war vor allem: Der „Schwing“ musste stimmen oder wie Alfred Lions einzige Anweisung an die Musiker mit seinem charakteristischen deutschen Akzent lautete: „It must schwing!“

Während afro-amerikanische Künstler in den USA unter Diskriminierung und Ausgrenzung litten, sahen die Deutschen Alfred Lion und Frank Wolff in den von ihnen engagierten Musikern bewundernswerte, ungemein talentierte Menschen. Sie zollten den Künstlern schlicht Respekt und pflegten mit ihnen einen würdevollen, mit-menschlichen Umgang. Bevor die Bürgerrechtsbewe-gung in den 1950er und 1960er Jahren ihren Höhepunkt erreichte und Martin Luther King, Jr. seine berühmte Rede „I have a dream“ in Washington hielt, lebte man bei Blue Note diese Utopie schon lange einfach selbst-verständlich. Heute müssen Alfred Lion und Francis Wolff wohl als frühe Wegbereiter dieser Bewegung gelten. So arbeiteten sie ungeachtet der Hautfarbe auf Augenhöhe mit allen Künstlern und Künstlerinnen und entdeckten Jazz- Giganten wie Herbie Hancock, Quincy Jones, Sonny Rollins, Wayne Shorter, Miles Davis, John Coltrane, Thelonious Monk, Ornette Coleman oder Ron Carter.

1965 verkauften Alfred Lion und Francis Wolff Blue Note und Alfred ging in den Ruhestand. Francis Wolff, der noch eine Weile für das Label gearbeitet hatte, starb überraschend 1971. Auf seinem Grabstein steht: „Friend of Alfred Lion“.

Alfred Lion und Francis Wolff

Die Geschichte einer großen Freundschaft

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Den Namen des Schallplattenlabels Blue Note Records kennt manauf der ganzen Welt – gleichgültig, ob man ein Jazz-Liebhaber ist oder nicht. Blue Note versammelte von den 1940er bis in die 1960er Jahre fast vollständig die Crème de la Crème amerikani-scher Jazz-Musik. Im Jahr 2019 feiert das Label seinen 80. Geburts-tag.

Gegründet wurde es 1939 von zwei jungen Deutschen jüdischen Glaubens, die nach New York ausgewandert waren: die Berliner Alfred Lion und Francis Wolff. Die Freunde teilten ihre Begeiste-rung für Jazzmusik und deren afro-amerikanische Schöpfer und Interpreten. Diese komponierten und spielten zwar diese großar-tige Musik – aber sie hatten Probleme, dafür Schallplattenfirmen in Amerika zu finden. Ausgerechnet die beiden Berliner fingen genau damit an: Sie nahmen diese neue aufregende Jazz-Musik auf. Darüber hinaus fotografierten sie die afro-amerikanischen Musiker für ihre Plattencover, behandelten sie als Künstler auf Augenhöhe und erwiesen sich so als frühe Unterstützer der ame-rikanischen Bürgerrechtsbewegung. Viele der damals fotografier-ten Musiker sind heute Legenden: Sonny Rollins, John Coltrane, Wayne Shorter, Herbie Hancock, um nur einige zu nennen. So produzierte das Blue Note Label viele Jazz-Platten, die heute als Klassiker der Musik des 20. Jahrhunderts gelten.

Der Dokumentarfilm „It Must Schwing! The Blue Note-Story“ kom-biniert begeisternde Musik-Aufnahmen und erstmals gezeigtes Archivmaterial mit ungewöhnlich gestalteten Animationssequen-zen. Es gab schließlich nicht überall Kameras, als Alfred Lion und Francis Wolff mit nichts als ihrem Enthusiasmus und ihrer Leiden-schaft ihr Label gründeten. Beide verloren übrigens niemals ihren deutschen Akzent und Alfreds einzige Anweisung an die Musiker

– „It Must Schwing!“ – ist heute Kult. Der legendäre Ausspruch wurde der Titel für eine großartige filmische Erzählung, für einen einzigartigen und bewegenden Dokumentarfilm, der von einer tiefen Freundschaft, von der Liebe zur Musik und dem Glauben an die Gleichberechtigung und Freiheit eines jeden Menschen erzählt.

Wim Wenders,Executive Producer

Eine großartige filmische Erzählung

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Die Protagonisten

Herbie Hancock Sonny Rollins Wayne Shorter Quincy Jones Lou Donaldson Ron Carter Sheila Jordan Rudy Van Gelder Kenny Burrell Jimmy Heath George Benson Reggie Workman Cecil McBee Charles Tolliver Rolf Kühn Bennie MaupinBenny Golson Michael Cuscuna Kenneth Wolfe Dan Morgenstern Peter-Joachim von Drenkmann Barry Singer

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1963 erschien mit „Takin’ Off“ sein erstes Album bei Blue Note Records. Auf „Takin’ Off“ ist mit „Watermelon Man“ eines seiner bis heute populärsten Stücke eingespielt. Hunderte Musiker haben das Werk seitdem aufgenom-men. Bis 1969 war Herbie Hancock bei Blue Note Records unter Vertrag. Danach wechselte er häufig zwischen den Stilrichtungen und schwenkte Anfang der 70er Jahre zum souligen „elektrischen“ Jazz. Herbie Hancock ist Präsident des Harlem Jazz Music Center in New York.

Zwischen 1949 und 1957 war Sonny Rollins bei Blue Note Records unter Vertrag – in dieser Zeit entstanden bedeutende Aufnahmen, wie „St. Thomas“ oder „Way Out West“, die zu Jazz-Standards geworden sind. Ende der 1950er Jahre zog sich Sonny Rollins aus dem Musik-business zurück und spielte stattdessen häufig auf der Williamsburg Bridge in Manhattan gegen den Verkehrs-lärm an. Die erste Aufnahme nach seinem Comeback nannte er deshalb „The Bridge“. Miles Davis nennt ihn

„den größten Tenorsaxophonisten aller Zeiten“.

Herbie Hancock (*1940)

Sonny Rollins (*1930)

„Im Gegensatz zu anderen Platten-firmen waren auf den Covern von ‚Blue Note‘ Francis Wolffs Fotos von den Musikern. Das allein war schon ein bedeutungsvolles Statement.“

„Blue Note ist wie eine Heimat, es ist

der Ort, an dem meine Karriere

begann.“

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Der Saxophonist und Komponist Wayne Shorter spielte für Horace Silver und Maynard Ferguson und ab 1959 bei Art Blakey’s Jazz Messengers bis er schließlich 1964 mit „Night Dreamer“ sein erstes Solo-Album für Blue Note veröffentlichte. Bis heute ist Wayne Shorter bei Blue Note unter Vertrag. 1970 gründete Wayne Shorter mit Joe Zawinul und Miroslav Vitous die legendäre Band „Weather Report“, 15 Jahre später verließ Shorter die Band, nahm Soloalben auf und ging unter anderen mit den Rolling Stones auf Tour. Zehn Mal wurde Wayne Shorter mit dem Grammy ausgezeichnet, zudem ist er Ehrendoktor für Musik am Berklee College.

Der Musiker, Arrangeur, Komponist und Produzent Quincy Jones arbeitete schon als 17-Jähriger an Arrange-ments des Bassisten Oscar Pettiford und traf dabei die Jazzgrößen Charlie Parker, Thelonious Monk und auch Miles Davis. Die Trompeter Miles Davis und Clifford Brown blieben seine großen Vorbilder. Heute gehören Quincy Jones’ Arrangements zu den Klassikern des Jazz und mit Michael Jackson produzierte er das Album

„Thriller“, das bis heute als die erfolgreichste Platte aller Zeiten gilt.

Wayne Shorter (*1933)

Quincy Jones (*1933)

„Wir nannten sie ‚The Lion and the Wolf‘. Die beiden Gründer hatten eine Mission. Ich glaube, man muss es einfach ‚Mission‘ nennen.“

„Wir konnten die Entstehung und Entwicklung der bedeutendsten Musik Amerikas beobachten. Sie wussten einfach, was sie wollten und eroberten damit die ganze Welt.“

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Der Saxophonist Lou Donaldson wurde 1952 von Blue Note-Mitbegründer Alfred Lion entdeckt. Zwei Jahre später spielte er in dem legendären Art Blakey Quintet an der Seite von Namensgeber und Schlagzeuger Art Blakey, Pianist Horace Silver, dem Trompeter Clifford Brown und dem Bassisten Curly Russell. Das bedeutendste Tondokument die-ser Zeit ist das Live-Album „A Night at Birdland“ von 1954 aus dem New Yorker Jazzclub „Birdland“. Lou Donaldson gilt mit seinem “Alligator Boogaloo” als einer der Väter der Verschmelzung von Jazz, Soul und Funk. Er ist Mitglied der International Jazz Hall of Fame und erhielt die angesehene NEA Jazz Mas-ters Fellowship 2013.

Der Bassist Ron Carter gehört mit seiner Beteiligung an mehr als 2000 Alben zu den meist aufgenommenen Bassisten in der Jazz-geschichte. Er arbeitete u.a. mit Herbie Hancock, Wayne Shorter, Miles Davis oder Horace Silver. Seit 1962 stand er immer wieder bei Blue Note Records unter Vertrag. Er ist seit 2008 Mitglieder der Fakultät der Juilliard School in New York und unterrichtet dort Jazz-Bass. Mit „Building a Jazz Bass Line“ schrieb er ein Standard-werk für Jazzbassisten. Zweimal wurde ihm bereits eine Ehren-doktorwürde verliehen: Am New England Conservatory of Music und der Manhattan School of Music. Ron Carter spielt noch heute überall auf der Welt.

Lou Donaldson (*1926)

Ron Carter (*1937) „Blue Note ist einfach

die Plattenfirma, die die Musikwelt

verändert hat, und zwar komplett

verändert hat.“

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass damals in der ganzen Branche niemand bereit war, uns Afro-Amerikaner als gute Musiker zu akzeptieren – außer Frank und Alfred.“

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In seinem einzigen deutschen Interview schwärmte Blue Note Records-Gründer Alfred Lion 1964 über Sheila Jordan: „Sie ist ein ganz gro-ßes Talent, eine unglaubliche Sängerin mit so viel Gefühl und ganz modern, ganz modern.“ Zwei Jahre zuvor hatte die amerikanische Jazz-Sängerin für Blue Note ihre mittlerweile legendäre LP „Portrait of Sheila“ (1962) auf-genommen. Damit gehört sie zu den wenigen Vokalkünstlern, die bei Blue Note eine eigene Schallplatte aufnehmen konnten. Sheila Jordan kann auf eine über 70-jährige Karriere zurückblicken. Sie arbeitet sowohl als Sängerin wie als Gesangslehrerin. Noch heute tourt sie international und ist regelmä-ßig in Deutschland zu Gast.

Rudy Van Gelder war seit frühester Jugend von Tontechnik fasziniert. Sein erstes Tonstu-dio richtete er im Wohnzimmer seiner Eltern ein und nahm dort u.a. Platten für Blue Note auf. Ende der 1950er Jahren etablierte er sein Tonstudio in Englewood Cliffs, nur wenige Kilometer vom elterlichen Haus entfernt. Für Blue Note nahm Rudy Van Gelder von 1953 – 1972 viele heute als Klassiker bekannte Alben und Titel auf. Zu seinen berühmtesten gehören u.a. Blue Train, The Sidewinder, Mid-night Blue oder Maiden Voyage. 2016, wenige Wochen vor seinem Tod, gab er Eric Friedler sein letztes Interview. Auf der Blue Note-Web-seite verbeugte man sich vor der Ton-Legende mit den Worten: „Thank you, Rudy, for all that you gave the world of music.“

Sheila Jordan (*1928)

Rudy Van Gelder (1924—2016)

„Er ist einfach der Toningenieur aller Zeiten. Ich weiß nicht, wie er es tut. Ich weiß nicht, was er tut. Alles, was ich weiß: Er tut es einfach.“

„Der Blue Note-Sound war Alfred, der neben mir saß. Wenn man also eine Blue Note-Platte hört, hört man Alfred, nicht mich.“

Sheila Jordan über den legendären Blue Note-Toningenieur Rudy Van Gelder

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Der Jazzgitarrist Kenny Burrell hat seit 1956 für Blue Note Records gearbeitet. Er spielte u.a. mit John Coltrane, Benny Goodman, Bill Evans, Stan Getz, Billie Holiday, Quincy Jones, Oscar Peterson, Sonny Rollins, Jimmy Smith oder Stanley Tur-rentine. Er ist auf über 100 Aufnahmen zu hören, darunter die legendären LPs „Midnight Blue“ oder

„Then Along Came Kenny“. Viermal in Folge (1968 – 1971) wurde er vom renommierten Magazin Down Beat zum Jazzgitarristen des Jahres gewählt. Kenny Burrell lebt in Los Angeles.

Der Saxophonist, Komponist, Arrangeur und Flötist Jimmy Heath arbeitete von 1953 bis 1961 für Blue Note Records. Er war dreimal für einen Grammy nominiert und schrieb 2011 seine vielbeachtete Autobiografie

„I  walked with Giants“. Jimmy Heath, der auf den Spitz-namen „Little Bird“ hört, lebt in New York.

Kenny Burrell (*1931)

Jimmy Heath (*1926)

„Es ging ihnen nicht darum, viel Geld mit den Platten zu verdienen. Sie wollten wichtige Platten produzieren. Wichtige Platten von wichtigen Künstlern.“ Kenny Burrell über Alfred Lion und Francis Wolff

Jimmy Heath über Alfred Lion und Francis Wolff

„Sie tanzten herum. Manchmal nicht im Takt der Musik, sie hatten ihre eigene Art, sich zu bewegen. Die Musik berührte sie.“

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Der Jazz-Gitarrist und Sänger George Benson ist zehn-facher Grammypreisträger. Im Jazzbereich spielte er u.a. mit Miles Davis oder Lou Donaldson. Zu seinen größ-ten Hits in der Richtung Pop, Soul, Disco gehörten „On Broadway“ oder „Turn Your Love Around“. Er stand von 1967 bis 1996 bei Blue Note Records unter Vertrag.

Der Bassist Reggie Workman hat seit Anfang der 1960er Jahre für Blue Note Records gearbeitet. U.a. stand er mit Art Blakey’s Jazz Messengers, Lee Morgan oder Thelonious Monks auf der Bühne. Neben seinen vielfältigen Konzertauf-tritten arbeitet er heute als Professor an der New School for Jazz and Contem-porary Music in New York.

George Benson (*1943)

Reggie Workman (*1937)

„Wir hatten nochimmer die Energie der letzten Nacht im Kopf. Das hört man den Platten auch nach Jahren noch an.“

George Benson über die Art von Blue Note, nach den Auftritten noch ins Aufnahmestudio zu gehen

Reggie Workman über Alfred Lion und Francis Wolff

„Ich würde sagen,dass sie Visionärewaren.“

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Der Bassist Cecil McBee stammt aus Oklahoma und ging 1963 nach New York, wo er bald begann, auch für Blue Note Records zu arbeiten. Er spielte u.a. mit Blue Note-Kol-legen wie Jackie McLean, Lee Morgan, Herbie Hancock oder Sonny Rollins und steht bis heute auf internationalen Bühnen. Cecil McBee lebt in New York.

Der Trompeter, Flügelhornist und Bandleader Charles Tolliver gehört seit 1964 zur Blue Note- Familie, seitdem er seine erste Plattenaufnahme mit dem renommierten Saxophonisten Jackie McLean für das Label einspielte. In seiner langen bewegten Karriere hat er u.a. gespielt und aufge-nommen mit Hank Mobley, Horace Silver, McCoy Tyner, Sonny Rollins, Booker Ervin, Gary Bartz, Herbie Hancock, The Gerald Wilson Orchestra, Oliver Nelson, Andrew Hill, Louis Hayes, Roy Ayers und Art Blakey & the Jazz Messengers. Charles Tolliver lebt in New York.

Cecil McBee (*1935)

Charles Tolliver (*1942)

„Für sie zählten nur die Aufnahmen,

alles andere war ihnen unwichtig.“

Cecil McBee über Alfred Lion und Francis Wolff

Charles Tolliver über den Anspruch der Blue Note-Produzenten

„Es musste swingen. Es musste dieses

‚Swing Tingtingtingteting‘ haben. Ohne das –

ist es kein Jazz.“

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Der Klarinettist gehört noch heute zu den bekanntes-ten Jazz-Musikern der Welt. Im Alter von acht Jahren bekam Rolf Kühn in Leipzig bei Musikdirektor Arthur Schmidt-Elsey Klavierunterricht. Doch nur zwei Jahre später, 1938, verboten die Nationalsozialisten dem Sohn einer Mutter jüdischen Glaubens den Unterricht und Rolf Kühn fuhr nun heimlich zu seinen Lehrern. 1956 zog er in die USA, gastierte in New York u.a. mit Caterina Valente und lernte hier Alfred Lion und Francis Wolff kennen. 1957 wurde er als neuer Star der Klarinette mit dem Down Beat-Poll ausgezeichnet. 1962 kehrte er nach Deutschland zurück, wo er bis 1968 die Leitung des NDR-Fernsehorchesters in Hamburg übernahm. Als Komponist schrieb Rolf Kühn die Musik zu unzähligen Kino- und Fernsehfilmen.

Der Jazz-Saxophonist, -Klarinettist und -Flötist war von 1967 bis 1979 bei Blue Note Records unter Vertrag. Er arbeitete mit vielen Blue Note-Kollegen wie Miles Davis, Herbie Hancock, Lee Morgan oder Freddie Hubbard. Er lebt in Polen und Los Angeles und leitet das Bennie Maupin Ensemble.

Rolf Kühn (*1929)

Bennie Maupin(*1940)

„Ich kenne keinePlattenfirma in dieser Welt, die so gearbeitet

hat – keine!“

Rolf Kühn über Blue Note

„Es gibt keine Revolution ohne Musik.“

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Der weltbekannte Tenorsaxophonist Benny Golson arbeitete nur wenige Jahre (1956 – 1958) für Blue Note, erinnert sich aber an jene Zeit als besonders wichtig für sein ganzes Leben. Sein unnachahmlich warmer Ton prägte eine ganze Generation von Jazz-Mu-sikern. Eigenen Angaben zufolge hat Benny Golson bis heute über 300 Stücke komponiert oder arrangiert und mit Kollegen wie Quincy Jones, Oscar PeterSon, Ella Fitzgerald, Miles Davis, Benny Goodmann, Lionle Hampton, Shirley Horn, Count Basie oder John Col-trane gearbeitet. Zu seinen bekanntesten Titeln gehören u.a I Remember Clifford, Killer Joe oder Along Came Betty. Einem breiten, jazz-fernen Publikum bekannt wurde Benny Golson durch einen kurzen Auftritt an der Seite von Tom Hanks in „Terminal“ (2004, Regie: Steven Spielberg). Benny Golson ist Preisträger des Jazz Master Awards und Ehrendoktor des William Paterson College, Wayne, New Jersey und der Berklee School of Music, Boston, MA. Er spielt heute noch auf internationalen Bühnen.

Michael Cuscuna gründete 1982 zusammen mit Charlie Lourie „Mosaic Records“. Ihr Ziel: limitierte Auflagen von Blue-Note-Aufnah-men als Platten-Boxen neu herauszugeben. Michael Cuscuna wird auch der „Archäologe des Jazz´“ genannt. Denn es sind die von ihm wiederaufgelegten „Blue Note“ Platten, die das Label nach dem Tod der beiden Gründer Alfred Lion und Francis Wolff eine Renaissance erleben ließen.

Benny Golson (*1929)

Michael Cuscuna (*1948)

„Blue Note war die erste Plattenfirma, bei der ich für Proben bezahlt wurde.“

„Viel Geld verdienen oder ein aufwändiger Lebensstil: Das war nicht ihr Ziel. Und obwohl Francis sich mit der kaufmännischen Seite auskannte, verdienten sie sehr wenig Geld. Doch das alles war ihnen egal. Sie zogen es einfach durch.“

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Michael Cuscuna über Francis Wolf und Alfred Lion

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„Blue Note hat sich wenig mit Live-Mitschnitten beschäftigt. Ich würde sagen, 98 % ihrer Platten wurden im Studio aufgenommen. Aber es gab

diese Live-Aufnahme im Birdland, mit dieser fantastischen Band. Und das

war die Geburtsstunde der berühmten Formation ‚The Jazz Messengers‘.

Und für mich ist diese herausragende Aufnahme ein Klassiker dieses Genres.“

Der Neffe von Francis Wolff lebt als Wissenschaftler und Autor in London. Er erinnert sich gut an sei-nen Onkel, der ihm als Jungen auf-regende Jazzplatten aus Amerika mitbrachte. Er beschreibt Francis Wolff als „sehr still, bescheiden, fast schüchtern“.

Dan Morgenstern ist Historiker, Archivar, Autor und Dozent und widmet sich seit mehr als 60 Jahren einem einzigen Thema: Jazz. Von 1967 bis 1973 war er der Chefredak-teur des einflussreichen DownBeat Magazins. Seine Publikationen gehören zu den herausragenden Schriften in der Musikwelt und für die besten Platten-Begleittexte wurde er allein acht Mal mit dem Grammy ausgezeichnet.

Kenneth Wolfe (*1939)

Dan Morgenstern (*1929)

„Meine Großeltern empfanden sich, wie so viele Deutsche jüdischen Glaubens, einfach als Deutsche durch und durch. Mein Vater, der Bruder von Francis Wolff, sagte immer: „Plötzlich stellten wir fest, dass wir nur noch ausschließlich Juden sein sollten.“

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Für den ehemaligen Präsident des Berliner Landgerichts und Sohn des 1974 von Terroristen umgebrachten Präsiden-ten des Berliner Kammergerichts, Günter von Drenkmann, war die Freundschaft zwischen seinem Vater und Francis Wolff stets von Jazz geprägt. Beide waren schon als Jugend-liche von der neuen amerikanischen Musik begeistert. Von Drenkmann Senior erlebte die Flucht seines Freundes Fran-cis hautnah mit, im Besitz der Familie befindet sich sogar noch eine Postkarte von dem Schiff, mit dem Francis Wolff 1939 Deutschland Richtung New York verließ. Auch nach dem Krieg bestand die Freundschaft zwischen den Familien.

Der New Yorker Autor Barry Singer ist ein intimer Kenner der New Yorker Musikszene und Biograph von Lorraine, Alfred Lions erster Ehefrau. Nach der Trennung heiratete sie Max Gordon, den Besitzer des legendären Jazz-Clubs „Village Vanguard“ , und blieb so dem Jazz treu. Barry Singers lesenswertes Buch über Loraine Gordon heißt „Alive at the Village Vanguard: My Life in and Out of Jazz Time“.

Peter-Joachim von Drenkmann (*1940)

Barry Singer (*1957)

„Mein Vater und Francis (...) haben sich mindestens ab 1934 gekannt, die waren Jazz-Begeisterte. (...) Sie nannten sich den ‚Melody-Club‘.“

„Diese Aufnahme sollte die Nationalhymne werden. Sie ist so tief. Eine großartige Aufnahme.“

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Barry Singer über „Summertime“, 1939 eingespielt für Blue Note Records von Sidney Bechet.

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Eric Friedler, 1971 geboren in Sydney, Australien, ist Dokumentarfilmregisseur und lebt in Hamburg, Deutschland. Für seine Filme wurde er vielfach inter-national und national ausgezeichnet, u.a. mehrfach mit dem Grimme-Preis, dem Deutschen Fernsehpreis und dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis.

Filmografie (Auswahl)

2007 Das Schweigen der Quandts2010 Aghet – Ein Völkermord2011 Die Olympia Intrige2012 Ein deutscher Boxer2012 Nichts als die Wahrheit2012 Der Sturz – Honeckers Ende2014 The Voice of Peace – Der Traum des Abie Nathan2015 Das Mädchen – Was geschah mit Elisabeth K.?2016 Der Clown2018 Eskimo Limon – Von Siegern und Verlierern It Must Schwing! – The Blue Note-Story

Eric Friedler Regie

3736 It Must Schwing! Die Blue Note-StoryIt Must Schwing! Die Blue Note-Story

Was hat Sie an der Geschichte des Plattenlabelsinteressiert? Ich war immer fasziniert von der Geschichte dieser zwei jungen Deutschen, die nach Amerika gingen und 1939 eine Plattenfirma gründen, die später zur Legende wurde. Während Hitler und die Nationalsozialisten die Welt in Brand setzten, bauten der geniale Produzent Alfred Lion und sein Jugendfreund, der herausragende Fotograf Francis Wolff, in New das Label Blue Note Records auf, das sich auf Modern Jazz, Amerikas wohl bedeutendste Musik konzentrierte. Blue Note arbeitete vor allem mit afro-amerikanischen Musikern zusammen und bot ihnen als erste Plattenfirma uneingeschränkt eine öffentliche Plattform und faire Geschäftsbedingun-gen. Es ging schließlich um Jazz, um freie, improvisierte Musik. Musik, die für uns heute verloren wäre, wenn sie nicht von Blue Note aufgenommen worden wäre.Mich interessierte auch dieser besondere historische Moment, in dem die afro-amerikanischen Bürger began-nen, lautstark ihre verdienten Rechte einzuklagen. Mit

Einfallsreichtum und einer großartigen künstlerischen Vielfalt. Oder wie Blue Note-Musiker Bennie Maupin es uns im Interview sagte. „Es gibt keine Revolution ohne Musik.“ Blue Note Records feierte in seinen Aufnahmen diese revolutionäre Musik. Was war das Besondere an Blue Note? Es gibt so viele Aspekte, die das Label ausmachen. Am wichtigsten war für mich diese tiefe Freundschaft zwischen zwei so unterschiedlichen Männern, – der extravertierte Macher Alfred und der zurückhaltende Fotograf Francis – die dennoch so vereint waren in ihrer gemeinsamen Leidenschaft für Jazz-Musik. Ihre Hei-mat zu verlassen, getrennt von ihren Familien, die zu Teilen von den Nationalsozialisten umgebracht wurden, lebenslange, absolute Freundschaft zu halten. Gegen alle Widerstände haben sie zusammen den Traum gelebt, den sie schon als Jugendliche in Berlin hatten: Außergewöhnliche Jazz-Musik zu produzieren und für die Welt zu erhalten. Besonders bei Blue Note war auch,

„Gegen alle Widerstände haben sie zusammen den Traum gelebt, den sie schon als Jugendliche in Berlin hatten: Außergewöhnliche Jazz-Musik zu produzieren und für die Welt zu erhalten.“

Ein Interview mit Eric Friedler

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dass das Label über seine zweifelsfreie Bedeutung für die Jazz-Musik auch eine politische Relevanz besaß. Während afro-amerikanische Künstler in den USA unter Diskriminierung und Ausgrenzung litten, sahen die Deutschen Alfred Lion und Frank Wolff in den von ihnen engagierten Musikern bewundernswerte, ungemein talentierte Menschen. Sie zollten den Künstlern Respekt und pflegten mit ihnen einen würdevollen, mitmensch-lichen Umgang. Bevor die Bürgerrechtsbewegung in den 1950er und 1960er Jahren ihren Höhepunkt erreichte und Martin Luther King, Jr. seine berühmte Rede „I have a dream“ in Washington hielt, lebte man bei Blue Note diese Utopie schon lange. Heute müssen Alfred Lion und Francis Wolff wohl als frühe Wegbereiter dieser Bewe-gung gelten. Sie arbeiteten ungeachtet der Hautfarbe auf Augenhöhe mit allen Künstlern und entdeckten Jazz-Giganten wie Herbie Hancock, Quincy Jones, Sonny Rollins, Wayne Shorter, Miles Davis, John Coltrane, The-lonious Monk, Ornette Coleman oder Ron Carter.

Wie sind Sie bei der Auswahl der Protagonisten vorgegangen?Es ist erstaunlich, wie viele der Musiker sich auch noch heute im vorgeschrittenen Alter nicht nur einer guten Gesundheit erfreuen, sondern aktiv immer noch im Musikgeschehen mitmischen und überall auf der Welt auf den Bühnen stehen. Und sie sind voller Leben und humorvoll und einfach großartige Interviewpartner: Lou Donaldson, dem mit seinen 91 Jahren noch immer der Schalk im Nacken sitzt. Benny Golson (89), der mit

seinem Charme alle Teammitglieder bezauberte und die gleichaltrige Sheila Jordan, die noch heute in Deutsch-land Jazz-Clubs füllt. Neben den wohl bekanntesten wie Quincy Jones, Herbie Hancock, Wayne Shorter oder Sonny Rollins war für uns ein besonderes Highlight, den genialen Toningenieur Rudy Van Gelder zu sprechen, der uns kurz vor seinem Tod sein letztes Interview geben konnte.

In „It Must Schwing! – Die Blue Note-Story“ verwenden Sie das Stilmittel der Animation. Wie kam es dazu?Dort, wo wir keine Archivbilder fanden oder das neu gedrehte Material verwenden konnten, um die Geschichte zu erzählen, haben wir Szenen fiktionali-siert. Es gibt beispielsweise keine Aufnahmen davon, wie Alfred Lion zum ersten Mal als Teenager in Berlin Jazz-Musik gehört hat. Oder ein filmisches Zeugnis, wie Alfred und Frank zum ersten Mal in die Wohnung von Thelonious Monk kamen. Wir haben uns aber nicht zum Re-Enactment mit Schauspielern entschlossen, sondern zur Animation, weil sie uns eine noch größere Freiheit gab. In intensiven Sitzungen mit dem Trickzeichner haben wir schließlich diesen schwarzweißen Look ent-wickelt. Darüber hinaus konnten wir auf ein Radio-Inter-view zugreifen, dass exklusiv 1964 für den NDR in New York mit Alfred Lion und Frank Wolff gemacht wurde und seitdem im Archiv schlummerte. Der deutsche Korrespondent Eric T. Vogel hat damals das einzige Interview in deutscher Sprache mit den beiden geführt.

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