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ISSN 0343-5377, Volume 34, Number 2

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Z Energiewirtsch (2010) 34: 79–89DOI 10.1007/s12398-010-0013-1

Der Marktplatz E-Energy aus elektrizitätswirtschaftlicherPerspektive

Uwe Leprich · Günther Frey · Eva Hauser ·Christoph Hell · Andy Junker · Ulrich Rosen

Online publiziert: 23. April 2010© Vieweg+Teubner 2010

Zusammenfassung Der Marktplatz E-Energy ist der Ort ineinem Energiesystem der Zukunft, der die Märkte für Ener-gie und Informations-/Kommunikationstechnologien (IKT)integriert. Aus elektrizitätswirtschaftlicher Perspektive kön-nen bereits jetzt Geschäftsmodelle und Business Cases fürdie Teilmärkte und -bereiche Netzlastmanagement, Groß-handelsmarkt und Regelenergiemarkt entwickelt werden,die als Kernelement Verbraucherlasten auch im Massenkun-denbereich steuern. Es zeigt sich allerdings, dass der erwirt-schaftbare Mehrwert bei allen Business Cases noch knappbemessen und der E-Energy-Marktplatz somit kein Selbst-läufer ist. Dabei ist bereits unterstellt, dass die Kosten fürdie notwendigen Informations- und Kommunikationstech-nologien entweder gar nicht beachtet werden dürfen oderaber nicht stark ins Gewicht fallen. Zudem ist noch ein er-hebliches Feintuning beim Design der Teilmärkte und der

Dieser Artikel beruht auf der Teilstudie „Studie zu Geschäftsmodellenund -prozessen“ im Rahmen des Projektes „Modellstadt Mannheim inder Metropolregion Rhein-Neckar, Mannheim“ für dasBundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,Dezember 2009.

Prof. Dr. U. Leprich (�) · G. Frey · E. HauserIZES gGmbH, Altenkesseler Straße 17, 66115 Saarbrücken,Deutschlande-mail: [email protected]

Prof. Dr. A. JunkerHochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes,Waldhausweg 14, 66123 Saarbrücken, Deutschland

U. RosenBET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung,Alfonsstraße 44, 52070 Aachen, Deutschland

WP/StB C. HellDr. Dornbach & Partner GmbH, Neikestraße 3,66111 Saarbrücken, Deutschland

regulatorischen Rahmenbedingungen notwendig, damit dieBusiness Cases überhaupt umgesetzt werden können. In ei-ner längerfristigen Perspektive jedoch wird dieser Markt-platz eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, dasStromsystem um die fluktuierende Erzeugung herum zu op-timieren.

The E-Energy Marketplace from the Perspectiveof Electricity Economics

Abstract The E-Energy Market is the place in a future en-ergy system that integrates the markets for energy and Infor-mation/Communication Technologies (ICT). From the eco-nomic perspective of electricity, business models and busi-ness cases can already be developed for sub-markets andsub-areas of network load management, wholesale market-ing and energy-market regulations, which as core elementsmanage consumer load in the mass customer area. As it turnsout, the expected surplus value for all business cases is stilltightly assessed and the E-Energy Market is therefore no au-tomatic process. It has been assumed that the costs of thenecessary information and communication technologies ei-ther do not have to be observed or are relatively insignif-icant. Additionally, considerable fine-tuning of the designof the sub-markets and the regulatory framework is neces-sary in order to enable the possibility for the business casesto be implemented. In a larger perspective, however, thismarket will play an important role when it comes to opti-mizing the power system around fluctuating power genera-tion.

1 Grundidee des Marktplatzes E-Energy

E-Energy steht für ein Energiesystem der Zukunft, in demInformations- und Kommunikationstechnologien (IKT) ei-

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ne zentrale Rolle spielen („Internet der Energie“) und dasverspricht, die beiden großen Märkte für Energie und IKTzu integrieren.

Der dabei entstehende neue Marktplatz soll u.a. automa-tisierte Steuerungs- und Regelsysteme bei Erzeugungsanla-gen und Endgeräten, IKT-Gateways und Smart Meter, in-telligente Speichermodule, Prognose- und Abrechnungssys-teme, benutzerfreundliche Online-Ratgeber oder Anzeige-und Bediensysteme beschleunigt zur Entfaltung bringen.1

Es sollen auch neue Geschäftsmodelle eine Rolle spielen,wie das Bündeln von Erzeugern und Verbrauchern, das Opti-mieren des privaten oder gewerblichen Lastprofils oder eineweitgehend automatisierte Steuerung von Hausgeräten unterNutzung von bidirektionalen IKT-Gateways. Die Diskussi-on über diesen zukünftigen Marktplatz wird zur Zeit starkvon der IKT- und der Software-Branche vorangetrieben, diehier erhebliche Absatzchancen sehen. Ob diese Märkte auchaus elektrizitätswirtschaftlicher Sicht chancenreich sind, istaktuell eher ungewiss und soll im Folgenden genauer unter-sucht werden.

2 Geschäftsmodelle, Business Cases und Business Plan

Ein Geschäftsmodell ist die Konkretisierung einer Ge-schäftsidee. Es zeigt den Beteiligten die Nutzen stiftendenMechanismen und Formen, auf welche Art und Weise zwi-schen den Wertschöpfungspartnern Leistungen erzielt bzw.ausgetauscht werden. Das Modell erläutert, wie ein Unter-nehmen am Markt durch die Gestaltung des Wertschöp-fungsprozesses Werte schafft und Erträge erzielt. Ein Busi-ness Case ist demgegenüber ein grobes Szenario zur be-triebswirtschaftlichen Bewertung eines Geschäftsmodells.Hier müssen erste Annahmen getroffen werden über dieKosten des Projekts und die mit seinen Ergebnissen erziel-ten Erträge. Daraus können dann Tendenzaussagen über diewirtschaftlichen Aussichten des Projekts abgeleitet werden.Er kann und sollte auch mehrere Geschäftsmodelle zusam-menfassen, wenn sich dadurch die Erfolgsaussichten dereinzelnen Modelle am Markt verbessern.

Der Business Plan schließlich soll die Nachhaltigkeit vonBusiness Cases und ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit durchdetaillierte Befassung mit den einzelnen Parametern unter-mauern. In ihm sind die Marktchancen, der Wettbewerb, dieGeschäftsstrategie und der Finanzbedarf zusammenfassendzu eruieren. Ein ausführlicher Business Plan eines Unter-nehmens zeigt die Entwicklung in den nächsten drei bis fünfJahren auf.

Im Rahmen des E-Energy-Projektes „Modellstadt Mann-heim (Moma)“2 ging es zunächst darum, alle plausiblen

1BMWi (2009), S.7.2Dieses Projekt ist eines von sechs Modellprojekten, das aus derTechnologie-Förderinitiative des Bundesministeriums für Wirtschaft

Geschäftsmodelle für den künftigen E-Energy-Marktplatzstrukturiert zu beschreiben. Sämtliche Modelle zielten al-lein auf den Stromsektor ab, und der wirtschaftliche Rah-men der handelnden Akteure wurde durch die unterschied-lichen elektrizitätswirtschaftlichen Teilmärkte abgesteckt.Dabei wurde die Funktionsfähigkeit der Teilmärkte im Sin-ne der wettbewerbspolitischen Leitbilder unterstellt. In ei-nem zweiten Schritt wurden dann unterschiedliche Ge-schäftsmodelle zu Business Cases zusammengefasst, dievon den Bearbeitern als erfolgversprechend angesehen wur-den. Insgesamt wurden vier Business Cases unterschieden.Eine Zusammenfassung dieser Business Cases zu einemschlüssigen Business Plan ist in Bearbeitung.

3 Technische Voraussetzungen und sonstigeRahmenbedingungen

Die Entwicklung und konkrete Berechnung eines oder meh-rerer Business Cases ist vielen externen Rahmenbedingun-gen unterworfen. Im Rahmen der Untersuchung war esnicht möglich, Änderungen der externen Rahmenbedingun-gen und deren Interdependenzen zu berücksichtigen.

Es wurde vielmehr von folgenden Prämissen ausgegan-gen:

• Die beteiligten Akteure werden als ‚first mover‘ imMarktplatz E-Energy angesehen, die die hier zu entwi-ckelnden Produkte oder Dienstleistungen im Rahmen ei-nes flächendeckenden Roll-outs ‚intelligenter Zähler‘ alserste am Markt anbieten. Damit gehen weitere Annahmeneinher:– Die angewandte Messtechnik ist zur Messung des Ver-

brauchs und zur Steuerung der regelbaren Lasten derKunden in Echtzeit (1-Minuten-Takt) fähig.

– Wir setzen keine dynamische Entwicklung des Marktesvoraus, bei der auch andere Marktteilnehmer gleichebzw. ähnliche Produkte anböten und damit gegenseitigdie Preisentwicklung für die genannten Produkte oderDienstleistungen beeinflussen.

• Weiterhin wird hier die Frage nach der genauen Umset-zung des Messstellenbetriebs nicht betrachtet. Hier wirddavon ausgegangen, dass es einen Messstellenbetreibergibt, der entweder selbst oder im Auftrag eines Drittenagiert und dessen Aktivität rentabel ist.

• Von hoher Bedeutung ist auch, dass die Existenz eineswie auch immer ausgestalteten tariflichen Anreizsystemsvorausgesetzt wird, das die Kunden zur sach- und ziel-gerechten Nutzung der intelligenten Zähler animiert unddamit in der Lage ist, das Kunden-/Verbrauchsverhalten

und Technologie „E-Energy: IKT-basiertes Energiesystem der Zu-kunft“ im Herbst 2008 als Sieger hervorging.

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in die im jeweils verfolgten Business Case gewünschteRichtung zu steuern.

• Ebenso wird von einer Kontinuität der aktuell gelten-den politischen und energiewirtschaftlichen Rahmenbe-dingungen ausgegangen. Dies betrifft insbesondere diegenerellen Rahmenbedingungen, die durch geltendes eu-ropäisches und deutsches Recht vorgegeben sind, insbe-sondere die Anforderungen bezüglich des Unbundling derUnternehmen der Energiewirtschaft und der Anreizregu-lierung, aber auch die derzeit geltende Funktionsweiseder verschiedenen Teilmärkte des Stromsektors und derStrombörse.

4 Elektrizitätswirtschaftliche Fokussierung

Für die konkrete Auswahl der Business Cases wurde eindreistufiges Verfahren gewählt:

In einem ersten Schritt wurde überprüft, auf welchenTeilmärkten bzw. Teilsektoren des Stromsektors ein durchAktivitäten auf dem Marktplatz E-Energy entstehenderMehrwert für Marktteilnehmer erreicht werden kann, undob sich dieser Mehrwert entsprechend realisieren lässt.

Durch Überprüfung der Funktionsbedingungen auf denunterschiedlichen Märkten wurden folgende Teilmärktebzw. -sektoren als aussichtsreich eingeschätzt: Netzlastma-nagement, Großhandelsmarkt, Regelenergiemärkte sowieder Einzelhandelsmarkt. Der Bereich Systemdienstleistun-gen der Übertragungsnetzbetreiber wurde in diesem Zusam-menhang als wenig aussichtsreich eingeschätzt und aus denÜberlegungen zu den Business Cases ausgeklammert.

In einem zweiten Schritt wurden die möglichen Akteu-re für die Realisierung der Business Cases analysiert unddie treibenden Akteure identifiziert. Folgende Festlegungenwaren das Ergebnis:

• Netzlastmanagement: Verteilnetzbetreiber• Großhandelsmarkt: Lieferant, Bilanzkreisverantwortli-

cher• Regelenergiemärkte: wettbewerblicher Vermarkter• Einzelhandelsmarkt: wettbewerblicher Dienstleister

Im dritten und abschließenden Schritt wurden die Ge-schäftsmodelle dahingehend untersucht, ob sich einzelneaus Synergiegründen zusammenfassen und zu gemeinsamenTeilmarktaktivitäten bündeln lassen. Dabei standen die Ver-marktungsmöglichkeiten durch den jeweils treibenden Ak-teur im Vordergrund. Darüber hinaus wurden erste grobeAbschätzungen darüber angestellt, ob

• eventuelle Marktzutrittsbarrieren eine Verbindung zu denAkteuren des E-Energy-Marktplatzes behindern oder garnicht zulassen

• der in Aussicht stehende Mehrwert ausreicht, um einenBusiness Case zu unterfüttern.

Im Folgenden werden drei der vier untersuchten BusinessCases mit ihren jeweiligen Prämissen, Rechenschemata undAnwendungen exemplarisch dargestellt.

4.1 Business Case Netzlastmanagement

Aus Sicht des Netzbetreibers besteht ein erhebliches mone-täres Interesse, seine Netzkosten zu vermindern. Zum einenschlägt sich eine Verminderung in einer erhöhten Effizi-enz nieder, zum anderen verbleiben Kostensenkungen zu-mindest innerhalb einer Regulierungsperiode in seinem Er-gebnis. Wesentlicher Kostenbestandteil sind die vorgelager-ten Netzkosten (u.a. abhängig von der Jahreshöchstlast),die Kapitalkosten von Investitionen (Ersatz- und Erweite-rungsinvestitionen) sowie Betriebskosten (Wartung und In-standsetzung der Betriebsmittel). Alle genannten Kosten-positionen hängen direkt oder indirekt von der Lastver-teilung im Gesamtnetz oder auch in Teilnetzen ab. Der-zeit kann der Verteilnetzbetreiber (VNB) kaum Einfluss aufdiese Lastverteilung nehmen. Im Business Case soll derVNB die Verteilung aktiv steuern und damit seine Kos-ten minimieren können. Die Steuerung kann durch Ein-griffe in die Einspeisung (dezentrale Erzeuger) wie auchdurch Schaltung von Letztverbrauchern (insbesondere grö-ßere und mittlere Abnehmer) erfolgen. Die Herausforde-rung besteht darin, durch die Schaffung von Anreizen ge-nügend Teilnehmer zu finden, die einen Eingriff zulassen.Darüber hinaus müssen die aus Sicht des VNB notwendi-gen Daten zuverlässig und zeitnah zur Verfügung stehen.Im Idealfall kann dann die Schaltung automatisiert erfol-gen.

4.1.1 Spezifische Voraussetzungen und Prämissen

• Auftreten von Netzengpässen, zumindest in Teilnetzen• Existenz genügend schaltbarer Leistung• ausreichende Verfügbarkeit der vorhandenen schaltbaren

Leistung• Reaktion der Verbraucher auf monetäre Anreize

4.1.2 Technische Machbarkeit

Von der Existenz der notwendigen Daten, die durch SmartMetering erhoben und verarbeitet werden, wird hier ausge-gangen. Die technischen Möglichkeiten zur zentralen Steue-rung von Erzeugungsanlagen wie auch Verbrauchsstellensind heute weitgehend vorhanden und werden in Zukunftnoch weiter verfeinert werden bzw. im Preis sinken. Dieautomatisierte Verarbeitung von Netzdaten in Echtzeit unddie daraus folgende Steuerung der entsprechenden Anlagendurch den Netzbetreiber erscheint machbar.

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4.1.3 Benötigte Hard- und Software

• Zählertechnik zur Aufnahme von Leistungs- und Ver-brauchsdaten und zur zeitgleichen Übermittlung

• Kommunikationstechnik zur Übermittlung der Daten zumNetzbetreiber

• Schalt- und Steuerungstechnik zum „online“-Eingriff inErzeugung und Abnahme

• Analysetool zur Auswertung der Daten in Echtzeit undautomatisierter „Entscheidung“

4.1.4 Wirtschaftliche Machbarkeit

Aus Sicht des VNB sind Vorteile dann zu erwarten, wenndie zusätzlichen Kosten der Steuerung dezentraler Einspei-ser bzw. Letztverbraucher durch Einsparungen auf der Kos-tenseite (CAPEX und OPEX) überkompensiert werden unddieser Effekt ihm nicht durch die Regulierung genommenwird.

Zusätzliche Kosten entstehen durch die Einrichtung undden Betrieb der technischen Infrastruktur. Hier sind Einmal-kosten von laufenden Kosten zu unterscheiden. Einmalkos-ten können insbesondere durch Investitionen und Beratungs-kapazitäten entstehen. Laufende Kosten betreffen z.B. Zäh-ler und Messtechnik, Übertragungstechnik sowie die Schalt-technik. Darüber hinaus sind Änderungen im Abrechnungs-system vorzunehmen.

Zusätzliche Kosten entstehen weiterhin durch die an dieEinspeiser oder Letztverbraucher zu zahlende Vergütung.Diese dürften in Einmalbeträgen für die grundsätzliche Be-reitschaft zur Steuerung sowie in variablen Beträgen beste-hen. Die variablen Beträge wiederum sind abhängig von dertatsächlichen Inanspruchnahme durch den VNB und beste-hen insbesondere aus Vergütungen für den Einnahmeausfallbei den gesteuerten Marktteilnehmern. Entscheidend für dasFunktionieren des Modells ist, dass die Zahlungen des VNBals Kosten im Rahmen der Ermittlung der Netzentgelte an-erkannt werden. Dies zumindest dann, wenn die Kostenmin-derungen die anerkennungsfähige Kostenbasis verringern,was nach derzeitigem Stand zu erwarten ist.

Die Kostenminderungen entstehen direkt über vermie-dene Investitionen sowie indirekt und längerfristig überggf. verminderte Betriebskosten. Die vermiedenen Inves-titionen drücken sich über nicht entstehende Kapitalkos-ten aus. Zu deren Berechnung sind insbesondere die be-triebsmittelscharfen vermiedenen Anschaffungs- und Her-stellungskosten sowie die technischen Nutzungsdauern derVermögensgegenstände erforderlich. Diese sind dann miteiner angenommenen Eigenkapitalquote und dem entspre-chenden Eigenkapitalkostensatz in CAPEX umzurechnen.

Die Verminderung der operativen Betriebskosten betrifftz.B. vermiedene Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten an

den bestehenden oder ansonsten zu installierenden Betriebs-mitteln. Darüber hinaus können ggf. Kosten in der Netzbe-triebsführung oder der Netzdokumentation eingespart wer-den, wenn bestimmte Investitionen nicht vorgenommen wer-den müssen bzw. wenn die neue Lastverteilung dazu führt,dass Betriebsmittel rückgebaut werden können.

Die folgende Abb. 1 fasst das Rechenschema zur Ermitt-lung der Tragfähigkeit des Business Case Netzlastmanage-ment zusammen.

4.1.5 Anwendungsbeispiel

Aufgrund der guten Ausbausituation in vielen deutschenVerteilnetzen gestaltet es sich als schwierig, Netzengpässe,sei es auch nur in Teilnetzen, zu identifizieren, die aufgrundvon Lastverschiebungen beseitigt oder vermindert werdenkönnten. Es wurde daher ein konkreter Anwendungsfall ge-sucht und festgelegt, dass das Netzlastmanagement „inner-halb“ eines Teilnetzes erfolgen sollte, also z.B. im Nieder-spannungsnetz.

In Neubaugebieten erfolgt zunehmend eine Ausstattungmit Photovoltaik-Anlagen, so dass ein Teil der dort benötig-ten Energie „selbst“ erzeugt wird. Gegen Ende der Ausbau-stufe eines Neubaugebietes werden daher u.U. nicht so vieleTrafo-Stationen benötigt, wie sie eigentlich bei der gegebe-nen Größe erwartet worden wären. Durch zeitweisen Ein-satz einer mobilen Trafo-Station könnte dieser Entwicklungentgegengewirkt werden, da die mobile Station zu gegebe-ner Zeit abgezogen werden kann. Dadurch werden Kostengespart, und letztlich muss man sich auch nicht den Vor-wurf gefallen lassen, man hätte „zu viel“ Kosten verursacht,um das Gebiet energetisch zu versorgen – solche Kostenwürden von der Netzagentur unter Umständen unter Effi-zienzgesichtspunkten kritisch hinterfragt. Bei bestehendenWohngebieten könnte man u.U. einen gleichen Effekt erzie-len durch Zusammenlegung zweier Niederspannungsnetze.

Letztlich bestand der konkrete Fall also in der Einspa-rung von Trafos und den dazugehörigen Kosten durch Netz-lastmanagement innerhalb abgegrenzter Teilnetze. Zusätz-liche Kosten für Technik wurden zunächst vernachlässigt,da davon ausgegangen werden kann, dass die meisten tech-nischen Voraussetzungen durch gesetzliche Vorgaben bzw.den Einsatz in anderen Business Cases vorhanden sein wer-den.

Bei vermiedenen Kosten von rd. 7.000 €/a je Trafo undTeilnetz waren im betrachteten Anwendungsfall mit 300Teilnetzen insgesamt rund 2,1 Mio. Euro an Einsparun-gen zu erzielen. Durch diese Einsparungen müssen aller-dings die Vergütungen an die „schaltbaren“ Einspeiser undLetztverbraucher abgedeckt werden. Bezogen auf jedes un-ter Vertrag zu nehmende kW wären dies rund 50 €.

Vor dem Hintergrund, dass die Schaltungen nicht ständignotwendig sind, erscheint dieser Betrag zwar gering, aber

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Abb. 1 Rechenschema Business Case Netzlastmanagement (BC NLM) (Quelle: eigene Darstellung)

nicht völlig aussichtslos. Sinnvoll wäre ein solches Modellinsbesondere, wenn Kleingewerbe im Netzgebiet ansässigist oder mittelgroße dezentrale Einspeiser, die dann aller-dings ggf. überwiegend gesicherte Leistung vorhalten müss-ten.

4.2 Business Case Großhandelsmarkt (Lieferant)

Aus Sicht der Lieferanten stellt die Beschaffung von Ener-gie einen wesentlichen Teil ihrer Kosten dar. Die Optimie-rung des Beschaffungsportfolios ist daher einer der Erfolgs-faktoren zur Erzielung positiver Ergebnisse. Eine optimier-te Beschaffung kann insbesondere dann erfolgen, wenn dieeinzukaufenden Lasten vergleichmäßigt bzw. der aktuellenErzeugungssituation „zeitgleich“ angepasst werden können.Dies bedingt eine Veränderung des Verbrauchsverhaltensdes Letztverbrauchers (Privat- oder Gewerbekunden). Dortist eine entsprechende Veränderung nur durch das Setzenvon preislichen Anreizen zu erwarten. Diese werden hier zu-nächst als zeitabhängige (offline-) Tarife gesetzt, in nachfol-genden Schritten als lastabhängige Tarife (offline oder on-line). Die Herausforderung besteht darin, beim Einkauf derEnergie bereits abzuschätzen, wie die Letztverbraucher aufdie Tarife reagieren werden. Fraglich ist auch, wie sich diezu erwartenden Preiseffekte auf das Beschaffungsportfolio

zukünftig entwickeln werden (ggf. Einfluss auf Standard-lastprofile) und inwieweit diese Effekte auf die Marktteil-nehmer Lieferant und Letztverbraucher aufgeteilt werdenkönnen, so dass für alle Beteiligten positive Effekte entste-hen.

4.2.1 Spezifische Voraussetzungen und Prämissen

• Lieferant muss vorab beschaffen und benötigt dafür Pro-gnosen des Verbrauchsverhaltens

• Lastabhängige Tarife sind zulässig• Letztverbraucher reagieren auf monetäre Anreize

4.2.2 Technische Machbarkeit

Von der Existenz der notwendigen Daten, die durch SmartMetering erhoben und verarbeitet werden, wird ausgegan-gen. Zweitarifzähler für die Grundvariante (zeitabhängigeZweistufentarife) sind bereits vorhanden. Notwendig wer-den in den Folgestufen Steuergeräte, die Tarifdaten in Echt-zeit empfangen und diese in automatisierte Steuerimpulseumsetzen können. Die Zähler müssen Verbräuche und Las-ten in Echtzeit erfassen und übermitteln können. Hier sindnoch technische Entwicklungen notwendig, die aber als mit-telfristig realistisch einzustufen sind.

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4.2.3 Benötigte Hard- und Software

• Zählertechnik zur Erfassung mehrerer Tarife, zur Aufnah-me von Leistungs- und Verbrauchsdaten und zur zeitglei-chen Übermittlung

• Bidirektionale Kommunikationstechnik zur Übermittlungder Daten und Tarife

• Schalttechnik beim Letztverbraucher, die auf Tarifsignalereagiert

• Software zur Kalkulation der Tarife und zum Monitoringdes Kundenverbrauchs

4.2.4 Wirtschaftliche Machbarkeit

Aus Sicht des Lieferanten sind Vorteile dann zu erwarten,wenn die Beschaffungskostenvorteile am Großhandelsmarktbei Abweichung vom „üblichen“ Beschaffungs- und Erzeu-gungsmuster mindestens groß genug sind, dem Letztver-braucher Preisanreize für eine Umstellung des Verbrauchs-verhaltens zu geben und die zusätzlichen Kosten für dietechnische Infrastruktur abzudecken.

Zusätzliche Kosten entstehen durch die Einrichtung undden Betrieb der technischen Infrastruktur. Hier sind Ein-malkosten von laufenden Kosten zu unterscheiden. Einmal-kosten können insbesondere durch Investitionen und Bera-tungskapazitäten entstehen. Laufende Kosten betreffen z.B.

Zähler und Messtechnik, bidirektionale Übertragungstech-nik sowie die Abrechnungssysteme.

Zusätzliche Kosten entstehen weiterhin durch die an dieLetztverbraucher zu zahlende Vergütung im Rahmen vonAnreizsystemen. Da keine aktive Steuerung durch den Lie-feranten erfolgt, sondern der Letztverbraucher selbst ak-tiv entscheidet (ggf. automatisiert, aber abschaltbar), wirddie Vergütung in variablen Beträgen, je nach Ausmaß derVeränderung des Verbrauchsverhaltens, bestehen. Hier wärez.B. mit einem bestimmten Betrag pro verbrauchter kWh zurechnen, der dem Kunden zu gute kommt. Im Idealfall könn-te mit veränderten „Standardlastprofilen“ und konkreten Ta-rifen sowie Durchschnittsverbräuchen gerechnet werden.

Letztlich dürfte aber eher zu ermitteln sein, wie sich dieBeschaffungskonditionen ändern. Daher erscheint es sinn-voll, zunächst die mögliche Kostenminderung beim Liefe-ranten zu ermitteln und davon die Kosten der Infrastrukturabzuziehen. Der verbleibende Betrag ist dann der maximalan die Letztverbraucher abzugebende Vorteil. Sodann wärezu entscheiden, ob mit genanntem Betrag ein ausreichenderAnreiz zu erzielen ist, in welcher Form auch immer.

Die folgende Abb. 2 fasst die wesentlichen Zahlungsströ-me sowie die technischen und vertraglichen Beziehungendieses Business Cases noch einmal zusammen.

Abb. 2 Rechenschema Business Case Großhandelsmarkt (Lieferanten) (BC-HHM-L) (Quelle: eigene Darstellung)

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Abb. 3 Strom-Forward-Preise Deutschland 2006–2009 (Quelle: Zeitschrift für kommunale Wirtschaft: http://www.zfk.de/zfkGips/ZFK/zfk.de/Energie-Preise/Energie-Preise/ZfK02_10_Grafik_Forward_Strom.pdf)

4.2.5 Anwendungsbeispiel

Zur Ermittlung des Beschaffungsvorteils beim Lieferantensind zunächst die aktuellen Beschaffungskonditionen mitden darunter liegenden Basisdaten zu erfassen, z.B. Kunden-struktur, Beschaffungsprofil, Art der Beschaffung (Börse,Verträge, andere) oder Verbrauchsdaten. Sodann ist zu er-mitteln, wie sich diese Beschaffungskosten bei einer Verän-derung des Verbrauchsverhaltens ändern würden, also ver-änderte Lastprofile, die der Beschaffung zugrunde liegen.Im Extremfall wären Beschaffungsvorteile bei Beschaffungeines Bandes (base load) zu ermitteln. Theoretisch könn-ten zukünftig ggf. noch größere Beschaffungsvorteile erzieltwerden, wenn der Preis bei hohen Erzeugungslasten auf-grund von EEG-Anlagen unter das heutige base load-Niveaufällt. Es soll aber im Folgenden die Beschaffung eines Ban-des als günstigste Beschaffungsvariante betrachtet werden.

Wesentliche Prämisse ist die Abschätzung des aus Sichtdes Lieferanten zu erreichenden Beschaffungsvorteils(„Marge“). Es wird davon ausgegangen, dass die günstigsteBeschaffungsvariante die Beschaffung eines Bandes (baseload) ist. Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass derLieferant aktuell Vollversorgerpreise bei 5.500 Benutzungs-

stunden einkauft. Es ergibt sich für den Zeitraum 2006 bis2009 obige Preiskurve (Abb. 3).

Es zeigt sich, dass die Preisdifferenz zwischen aktuellerBeschaffung und Beschaffung base load sich nahezu kon-stant bei rd. 10 Euro/MWh bewegt. Daher wurde im Grunds-zenario diese Spanne angesetzt und danach variiert.

Geht man davon aus, dass das notwendige IKT-Gatewaymit 100 Euro pro Jahr zu veranschlagen ist (inkl. Einbau,Abschreibungszeitraum 6 Jahre) und dass dadurch zusätz-liche Abrechnungskosten in Höhe von rund 16 Euro/a an-fallen, ergeben sich im Gewerbekundenbereich bei einemdurchschnittlichen Verbrauch von 75.000 kWh folgende Er-gebnisse: bei einem Teilnahmevorteil seitens der Gewerbe-kunden von 1 ct/kWh macht der Lieferant in diesem Busi-ness Case weder Gewinn noch Verlust. Bei einer höherenMarge und/oder einem geringeren Teilnahmevorteil der ein-bezogenen Kunden kommt der Lieferant relativ schnell indie Gewinnzone. Die folgende Abb. 4 dokumentiert die Er-gebnisse:

Insgesamt ist zu diesem Business Case noch folgendes zuergänzen:

• Sollte der Lieferant wie im obigen Anwendungsbeispieldie vollen Kosten der Technik (Geräte und Abrechnung)

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Abb. 4 Sensitivitätsbetrachtungfür Gewerbekunden (Quelle:eigene Darstellung)

tragen müssen, erscheinen signifikante Vorteile aus seinerSicht nur im Bereich Gewerbe erzielbar.

• Es ist schwer abzuschätzen, wie hoch der Preisvorteilbeim Letztverbraucher sein muss, um den Einbau einesIKT-Gateways und damit den Eingriff in sein Verbrauchs-verhalten zu akzeptieren. Ohne signifikanten Vorteil er-scheint eine Annahme durch den Kunden aber unrealis-tisch.

• Bei den Berechnungen sollte nicht außer Acht gelassenwerden, dass die genannten 10 Euro/MWh Beschaffungs-marge in der aktuellen Situation die angenommene maxi-male Einsparung darstellen, da sie ungefähr der Differenzzwischen Base und Standard-Lastprofil entsprechen. DieErzielung würde voraussetzen, dass sich das Verbrauchs-verhalten deutlich ändert. Eine vollständige Vergleichmä-ßigung der Lasten erscheint eher unrealistisch, insofernist der angesetzte Fall eher optimistisch.

• Wie sich die Preisdifferenz in Zukunft entwickeln wird,kann von uns nicht eingeschätzt werden. Es könnte je-doch erwartet werden, dass sie geringer wird, wenn vieleLieferanten das genannte Modell wählen und die Letzt-verbraucher ihr Verhalten tatsächlich anpassen. Insofernsind für die „First Mover“ Vorteile zu generieren, die aberunter Umständen nicht nachhaltig sind.

• Evtl. höhere Beschaffungsmargen und damit eine frühere„Rentabilität“ des Modells könnten durch Nutzung ande-rer Beschaffungsmärkte oder -modelle erreichbar sein.

4.3 Business Case Regelenergiemarkt

Die für die Teilnahme an den Regelenergieauktionen not-wendigen Präqualifikationen bilden gegenwärtig für die ge-bündelte Teilnahme dezentraler Optionen sehr hohe bis fastunmöglich zu erreichende Hürden:

• Die Teilnahme an den Ausschreibungen für Primärregel-leistung ist gegenwärtig nur möglich, wenn die teilneh-mende technische Einheit ein ‚Primärregelband‘ von 2 %

ihrer Nennleistung, aber mindestens von 2 MW erbringenkann.

• Die Teilnahme an den Ausschreibungen für Sekundärre-serve ist seit dem Frühjahr 2009 nicht mehr an das bis-lang bestehende Sekundärregelband von 30 MW gekop-pelt, d.h. die Mindestgrenze für einen Sekundärenergie-pool liegt bei den für die Auktionen notwendigen 10 MW.Diese müssen wochentags in Zeitscheiben von 12 h zurVerfügung stehen und am Wochenende jeweils ganztätig.Eine weitere bedeutende Bedingung für die Präqualifika-tion im Sekundärreservemarkt liegt in der hohen Zuver-lässigkeit der netztechnischen Anbindung der gepooltenAnbieter: Ob dieses Kriterium im Marktplatz E-Energyerfüllt werden kann, kann im Rahmen der hier vorliegen-den Studie jedoch nicht untersucht werden.

Damit ist unter den aktuellen Bedingungen hauptsäch-lich die Teilnahme am Minutenreservemarkt (MR-Markt)eine realisierbare Option, der Primärreservemarkt ist aktuellnicht adressierbar, die Hürden für die Teilnahme dezentraler,gepoolter Stromerzeuger am Sekundärreservemarkt erschei-nen gegenwärtig zu hoch.

4.3.1 Technische Machbarkeit

Im Vergleich zu vorhergehenden Bündelungsmodellen fürden Minutenreservemarkt müssen kleinere Leistungsgrößeneingebunden und dennoch die zeitlichen und technischenAnforderungen der Übertragungsnetzbetreiber eingehaltenwerden. Das bedeutet, dass die gesamte kontrahierte Leis-tung binnen 7 Minuten zur Verfügung stehen und für vierStunden aufrechterhalten werden muss. Die Leistung desBündlers besteht also darin, die Teilbeiträge der einzelnenAnbieter zu einem verlässlichen Ganzen zusammenzufas-sen.

Für den Minutenreservemarkt gibt es klare Vorausset-zungen, dass mindestens 15 MW schaltbare Leistung für

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mindestens 4 Stunden garantiert werden müssen. Alleinmit Haushalts-Smart-Metern wird dies meist schwierigsein. Schaltet man beispielsweise einen Dauerverbraucher(100 W) für jeweils 1

2 -h ab, so wären rund 1,2 Mio. Haushal-te notwendig, wenn jeder Haushalt nur einmal angesprochenwerden sollte. Daher muss bei der Berechnung des BusinessCase Regelenergiemarkt im Voraus genau bekannt sein, aufwelche Geräte der Letztverbraucher, auf welchen Anteil vonderen Leistung und über welchen Zeitraum zugegriffen wer-den kann.

Daher erscheint es unter den gegebenen energiewirt-schaftlichen Rahmenbedingungen als angemessen, für die-sen Business Case zu einem erheblichen Teil auf Dauerver-braucher mit mehreren hundert kW oder einigen MW zu-rückzugreifen.

4.3.2 Benötigte Soft- und Hardware

• Optimierungssoftware zur finanziellen Bewertung undAuswahl der geeigneten Gebotsoptionen beim Bündler(gegebenenfalls unter Einbindung der MR-Anbieter)

• Day-ahead vor Gebotsabgabe: Kommunikationstechnikzur „vortägigen“ Übermittlung von Verfügbarkeiten undverfügbaren Leistungen vom Anbieter zum Bündler

• Day-ahead nach Gebotsannahme: untertägige Bekannt-gabe der Zugriffsalgorithmen und Wahrscheinlichkeitenvom Bündler an die MR-Leistungsanbieter

• Intra-day in Echtzeit: Kommunikationstechnik zur Steue-rung/zum Abruf der benötigten Minutenreservearbeit

4.3.3 Wirtschaftliche Machbarkeit

Die Auktionen für die Minutenreserve finden jeweils amVortag (bzw. bei Feiertagen am letzten davor liegenden Ar-beitstag) statt. Der Bündler muss folglich die Gegeben-heiten des MR-Marktes (gegebenenfalls auch der jeweili-gen Regelzonen) kennen und in der Lage sein, mit denständig wechselnden gepoolten MR-Angeboten chancenrei-che Auktionsgebote für den Folgetag zu entwickeln. DieHerausforderung besteht also darin, auf der Basis wirt-schaftlicher und technischer Kriterien sowohl Nutzungs-/Zugriffsalgorithmen für die einzelnen Anlagen als auch ei-ne erfolgreiche Auktionsbietstrategie zu entwickeln. Umge-kehrt sollten auch die jeweiligen MR-Pool-Teilnehmer aus-reichende Kenntnisse über ihre eigenen Opportunitätskostender Bereitstellung der angebotenen Leistung für den jewei-ligen Folgetag besitzen und ihr eigenes Angebot realistischbeurteilen können.

Tritt der Fall des Abrufs der kontrahierten Minutenreser-ve ein, muss der Bündler die Ansteuerung der Anlagen (ent-weder automatisch oder in partieller Rücksprache mit denBetreibern) in Echtzeit umsetzen können. Im Fall des Minu-tenreservearbeitsabrufes müssen die einzelnen Anbieter ih-re Leistung und die damit verbundenen Umstellungen von

Arbeits- oder Produktionsabläufen zeitnah ein-/umplanenkönnen.

Die aktuellen Preise am Minutenreservemarkt weisen einrecht uneinheitliches Bild auf, wie in Abb. 5 ersichtlich: DieSegmentierung des Minutenreservemarktes in sechs Zeit-scheiben pro Tag, positive und negative Regelenergie undzusätzlich zwei Zahlungsrichtungen bei der negativen Rege-lenergie (Anbieter an Netz und Netz an Anbieter) erschwe-ren die Beurteilung in nicht unerheblicher Weise.

Unter der Annahme, dass sich die Struktur der Regelener-giemärkte und v.a. des Minutenreservemarktes nicht ändert,sind erlösseitig zwei Komponenten im Kalkül zu beachten:

• Die Erlöse aus der Vorhaltung der (negativen bzw. positi-ven) Minutenreserveleistung.

• Die Erlöse aus der de facto Erbringung von Minutenreser-vearbeit.

Aus der Praxis wurden folgende Annahmen für den BCREM abgeleitet:

An erster Stelle wurde angenommen, dass es einen Rege-lenergiepool geben soll, der in jeder einzelnen Zeitscheibe inder Lage ist, sowohl im positiven als auch im negativen Mi-nutenreservemarkt anzubieten. Damit kann unter der gelten-den Bedingung von 6 Zeitscheiben pro Tag an gesamt 4380Auktionen teilgenommen werden.

Zweitens wurde davon ausgegangen, dass die Leistungs-preisgebote in den Auktionen so gestaltet sind, dass bereitsdiese dazu ausreichen, die gesamten Kosten der notwendi-gen Infrastruktur abzudecken, dass aber zusätzlich die Stra-tegie verfolgt wird, die Gebote so zu gestalten, dass der Re-gelenergiepool in 90 % der Zeitscheiben zu den erfolgrei-chen Bietern gehört.

Weiterhin wurde angestrebt, durch die gezielte Setzungder Arbeitspreisgebote eine Minimierung der Abrufe zu er-reichen (angenommene Abrufwahrscheinlichkeit <0,5 %).Damit werden einerseits die Kosten, aber auch die Erlö-se aus den reellen Abrufen eine im Vergleich zu den Erlö-sen aus der Bereitstellung der Regelenergie, aber auch derInvestitions- und Fixkosten des Regelenergiepools zu einervernachlässigbaren Größe.

Zuletzt wurde bei der Berechnung des Business Case vonfolgendem Vergütungsschlüssel ausgegangen: der Bündlerund die Anbieter erhalten jeweils rund die Hälfte aus den Er-lösen aus der Bereitstellung der Minutenreserve. Die Erlöseaus den Abrufen werden ebenso nach einem festen Schlüsselverteilt, diese Beträge fallen aber aufgrund der geringen Ab-rufwahrscheinlichkeit im Business Case nicht ins Gewicht.

4.3.4 Anwendungsbeispiel

Grundlage der Berechnungen sind Daten zu möglichen Er-lösen aus dem Minutenreservemarkt. Hierzu wurden die ma-ximal möglichen Erlöse der Jahre 2008 und 2009 anhand der

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Abb. 5 Beispielhafter Auszug der Preise am Minutenreservemarkt (Quelle: eigene Darstellung)

auf www.regelleistung.net veröffentlichten Daten ermittelt.Dabei zeigt sich, dass die möglichen Erlöse starken Schwan-kungen unterworfen sind. Lag die Summe der höchsten ak-zeptierten Gebote für positive Minutenreserve 2008 im mo-natlichen Mittel bei rund 5.000 €, betrug sie 20093 nurknapp 20 % hiervon, nämlich rund 2.000 €. Die negativeMinutenreserve hingegen wies 2008 monatliche Maximaler-löse von rund 2.388 € auf, um im Schnitt 2009 mehr als dreiMal so teuer zu werden. Dabei ist jedoch kein einheitlicherTrend zu erkennen.

Daher wurde der Business Case mit Mittelwerten der Jah-re 2008 und 2009 gerechnet, wobei vor allem die Integrationvon Kühllasten, d.h. zeitlich verschiebbaren Verbrauchernund somit negativer Minutenreserve im Mittelpunkt stand.Die erhaltenen Ergebnisse sind aufgrund der (zumindest ma-thematischen) Symmetrien beider Arten von Minutenreser-ve jedoch von der negativen auf die positive Minutenreserveübertragbar.

3Werte bis einschließlich November 2009.

Alle untersuchten Fälle zeigen, dass der Erfolg des BCREM an relativ hohe installierte bzw. verfügbare Leistungenje Teilnehmer gebunden ist. Dabei wären zwar in einem er-tragsstarken Jahr wie 2009 Leistungen ab mindestens 50 kWan verschiebbarer/ regelbarer Last wirtschaftlich abbildbar,dennoch erscheint das Risiko der Teilnahme solch geringerLeistungen je Teilnehmer als sehr hoch, da die Erlöse ausdem Minutenreservemarkt stark schwanken. Sollte ein BCREM als alleinstehender Business Plan weiter verfolgt wer-den, wäre es unter den hier angenommenen Bedingungenratsam, nur Teilnehmer mit regelbaren Lasten ab 100 kWanzuvisieren. Sollte das Ziel verfolgt werden, geringere re-gelbare Lasten in den Minutenreservemarkt im MarktplatzE-Energy einzubinden, so könnte dies nur mittels einer ent-weder straff standardisierten und/oder erleichterten Proze-dur der Präqualifikation geschehen (wobei z.B. ein unab-hängiger Bündler eine solche Standardisierung leisten könn-te) oder mittels eines geänderten Verteilungsschlüssels fürdie Erlöse aus dem BC REM. Dieser wäre allerdings wirt-schaftlich nur abbildbar, solange die einzelnen Anbieter und

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Tab. 1 Vier ausgewählte Business Cases für den Marktplatz E-Energy

Business Case Hauptzielgruppe Schlüsselaspekt Mehrwert möglich?

BC NLM Gewerbe, dezentrale Einspeiser Netzregulierung muss „richtig“ agieren Nur bei Netz-engpässen

BC GHM-BKV Standard-Lastprofil (SLP)-Kunden SLP-Behandlung wird abgeschafft Bei hohen Intraday-Margen

BC GHM-L Gewerbekunden Beschaffungsmarge muss hoch sein Für first mover

BC REM Endkunden/Dauerverbraucher mitmehreren 100 kW Leistung

Nur Minutenreservemarkt Je mehr Leistung/Kunde, desto besser

gegebenenfalls auch der Bündler noch ausreichend Gewinnhätten.

5 Resümee und Ausblick

Bei den betrachteten Business Cases hat sich gezeigt,dass der erwirtschaftbare Mehrwert auf dem E-Energy-Marktplatz sehr knapp bemessen ist. Das zeigte sich imÜbrigen auch bei einem weiteren Business Cases, der imMoma-Projekt eingehend analysiert wurde: dem für die Bi-lanzkreisverantwortlichen (BC GHM-BKV). Tab. 1 fasst dieErgebnisse dieser Untersuchungen noch einmal in aller Kür-ze zusammen:

Aus elektrizitätswirtschaftlicher Sicht ist der MarktplatzE-Energy daher alles andere als ein Selbstläufer. Dabei

ist bereits unterstellt, dass die Kosten für die notwendi-gen Informations- und Kommunikationstechnologien ent-weder gar nicht beachtet werden dürfen oder aber nicht starkins Gewicht fallen. Zudem ist noch ein erhebliches Feintu-ning beim Design der Teilmärkte und der regulatorischenRahmenbedingungen notwendig, damit die Business Casesüberhaupt umgesetzt werden können. In einer längerfristi-gen Perspektive jedoch wird dieser Marktplatz eine wichtigeRolle spielen, wenn es darum geht, das Stromsystem um diefluktuierende Erzeugung herum zu optimieren.

Literatur

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie/BMWi (2009)E-Energy – auf dem Weg zum Internet der Energie, Berlin

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