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5 Inhalt Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1 | USA It never rains in Southern California . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Die Freiluftorgel im Balboa Park von San Diego Positiv denken, auch mit Durterz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Orgel und Glockenspiel der Kristall-Kathedrale in Garden Grove Unterstützung für den neuen Don Juan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 The Grand Court Organ im Warenhaus Lord and Taylor in Philadelphia Im Guinness-Buch der Rekorde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Convention Hall in Atlantic City Eine Tibia zum Sterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Kleine Geschichte der Kinoorgel in den USA und Deutschland 2 | EUROPA Dollyismus im Orgelbau? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Die Norddeutsche Barockorgel der Neuen Örgryte-Kirche in Göteborg Unüberbietbare Attraktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Kathedrale in Oliwa Von der Götterdämmerung zur ewigen Anbetung . . . . . . . . . . . . 47 Basilika Sacré-Cœur in Paris Großmamas Disco . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Das Café des Orgues in Herzeele Aus dem Schatten getreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 Rekonstruktion des Orgelpositivs vom Genter Altar Viel mehr als Bumbum und Tschinderassassa . . . . . . . . . . . . . . . 60 Nationalmuseum für Musikautomaten in Utrecht

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Inhalt

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1 | USA

It never rains in Southern California . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12Die Freiluftorgel im Balboa Park von San Diego

Positiv denken, auch mit Durterz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16Orgel und Glockenspiel der Kristall-Kathedrale in Garden Grove

Unterstützung für den neuen Don Juan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20The Grand Court Organ im Warenhaus Lord and Taylor in Philadelphia

Im Guinness-Buch der Rekorde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25Convention Hall in Atlantic City

Eine Tibia zum Sterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30Kleine Geschichte der Kinoorgel in den USA und Deutschland

2 | EUROPA

Dollyismus im Orgelbau? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38Die Norddeutsche Barockorgel der Neuen Örgryte-Kirche in Göteborg

Unüberbietbare Attraktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43Kathedrale in Oliwa

Von der Götterdämmerung zur ewigen Anbetung . . . . . . . . . . . . 47Basilika Sacré-Cœur in Paris

Großmamas Disco . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51Das Café des Orgues in Herzeele

Aus dem Schatten getreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55Rekonstruktion des Orgelpositivs vom Genter Altar

Viel mehr als Bumbum und Tschinderassassa . . . . . . . . . . . . . . . 60Nationalmuseum für Musikautomaten in Utrecht

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Abheben und schweben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66Die Luftkissenorgel in der Stiftskirche von Neuchâtel

Töne aus Schießscharten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68Die »Heldenorgel« der Festung Geroldseck in Kufstein

Keine Ergänzung für Bramante & Co. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71Entwurf einer Monumentalorgel für den Petersdom in Rom

Vom Friseursalon zum Megaron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76Zum Fund einer antiken Hydraulis und der Orgel für das Megaron in Athen

Eine Orgel im Serail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81Geschenk einer Automatenorgel an Sultan Mehmed III. in Istanbul

3 | DEUTSCHLAND

Kein Geld am Dollart oder:Von der reichsten Orgellandschaft der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Historische Orgeln in Ostfriesland und der Provinz Groningen

Fünf Sterne mit Orgel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95Club Diana im Westin Grand Hotel in Berlin

Fortgesetzte Trauer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98Kleine Geschichte der Synagogenorgel in Deutschland

Klingendes Meißner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104Orgelpositiv mit Porzellanpfeifen

Kein schlechter Scherz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108Das Cage-Projekt Organ2/ASLSP in Halberstadt

Pfeifen auf Rädern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113Open-air-Konzertorgel des Vereins Thüringer Orgelsommer

Angekommen in der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115Neue Ideen zur Gestaltung von Orgelprospekten

Argumente für die Schublade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121Zum Ideenwettbewerb um die neue Orgel im Kölner Dom

Wissen erfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128Orgelmuseen in Borgentreich, Frauenstein, Ostheim a. d. Rhön und Windesheim

Lauter Orgelfreunde: Goebbels, Göring, Hitler . . . . . . . . . . . . . . 131Die Orgel für die Kongresshalle der Reichsparteitage in Nürnberg

Lemmens und Leberkäs’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135Die Hausorgel in der landwirtschaftlichen Halle auf Gut Rottenried

Nichts so, wie es aussieht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138Zu Joseph Vilsmaiers Verfilmung von »Schlafes Bruder«

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4 | ASIEN UND AUSTRALIEN

Bambus gegen zu viel Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144Die Bambusorgel von Las Piñas

Orgelstadt der Superlative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149Kirchen-, Konzertsaal- und (Hoch-)Schulorgeln in Tokio

Einmalige Drehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159Die Orgel mit den zwei Gesichtern im Metropolitan Art Space in Tokio

Die mit dem Wind spielt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162Symphony Hall in Kyoto

»Aber ach, dieser 64-Fuß ist einzigartig, prachtvoll« . . . . . . . . . . 165Town Hall in Sydney

Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

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6Farbtafel 7: Von Holy-Orgel der St. Marien-Kirche in Marienhafe (1713)

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7Farbtafel 8: Vleugels-Orgel der St.-Johannes-Kirche in Kitzingen (1996)

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8Farbtafel 9: Seifert-Orgel der Friedenskirche in Duisburg-Rheinhausen (1995)

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9Farbtafel 10: Hoffmann-Orgel der St.-Bartholomäus-Kirche in Sulzfeld / Grabfeld (1998)

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10Farbtafel 11: Groß & Soldan-Orgel der Hoffnungskirche in Magdeburg (1998)

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11Farbtafel 12: Fischer & Krämer-Orgel der Eiwa Jogakuin in Tokio (1997)

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12Farbtafel 13: Die historische Seite der drehbaren Garnier-Orgel im Metropolitan Art Space in Tokio (1991)

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13Farbtafel 14: Das moderne Gesicht der Garnier-Orgel

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14Farbtafel 15 (oben): Hill-Orgel in der Town Hall in Sydney (1890)Farbtafel 16 (unten): Klais-Orgel in der Symphony Hall in Kyoto (1995)

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15Farbtafel 17: Jann-Orgel in der Ohtsuma-Universität Tokio (1993)

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16Farbtafel 18: Beckerath-Orgel der Kunitachi Musikhochschule Tokio (1983)

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Einmalige Drehung

DIE ORGEL MIT DEN ZWEI GESICHTERNIM METROPOLITAN ART SPACEIN TOKIO / JAPAN

Man hätte die Aufgabe gewiss einfacher lösen kön-nen – aber wohl kaum eindrucksvoller. Als die An-frage aus Tokio im fernen Elsass eintraf, wandertesie erst einmal in den Papierkorb. Es war wie so oftum ein unlösbares Problem gegangen: Eine Orgelfür die Literatur aller Epochen mit 70–80 Regis-tern stand zur Ausschreibung. Dass heute im Metro-politan Art Space (Yamanote-Linie: Bahnhof Ikebu-kuro) 126 Register erklingen, hat das Erreichen desZiels erheblich erleichtert. Aber die Steigerung umfast hundert Prozent ringt man keinem Auftrag-geber ab ohne eine mitreißende Idee. Wenn schoneine Orgel für verschiedene Epochen, dann auchmit verschiedenen Gesichtern. Nicht nur hörensollte man den Vortrag können, sondern auch sehen.Weil aber zwei Orgeln nebeneinander eigenartigwirken und ›ineinander‹ nicht auffallen, lautete dieLösung: drehen! Auf drei Scheiben sind die unter-schiedlichen Prospekte wie Tanzpaare Rücken anRücken vereint und setzen sich auf Kommandoin Bewegung. In langsame Bewegung bei einerHöhe von fünf Stockwerken. Aber nach einerRunde sieht man statt der ›Dame‹ dem ›Herrn‹ insGesicht (wenn diese etwas gewagte Festlegung aufdie beiden Geschlechter erlaubt ist). Der Alters-unterschied ist dabei per Zeitreise zum Verschwin-den gebracht. Ein streng auftretender barocker Herrgibt einer eleganten Dame der Moderne die Ehre.

Man kann es natürlich auch nüchterner ausdrü-cken. Die Garnier-Orgel in Tokio (s. Farbtafeln 13und 14) ist technisch ein hochkompliziertes In-strument, viel komplizierter, als es aussieht. Sieenthält nicht zwei Orgeln in sich, sondern min-destens drei. Dabei stehen die beiden unterschied-

Marc Garnier (1991)8 Manuale, 2 Pedale,

126 Register

Skizze der drehbaren Orgel.Man erkennt auf den Scheibendie Grundrisse der Orgel-gehäuse sowie die Rückwandmit den 32-Fuß-Registern

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Die Garnier-Orgel in der Dreh-bewegung

lichen Fronten vor einer gemeinsamen Rückwand,die die tiefsten Register mit den längsten Pfeifen(drei offene 32-Füße, die Contrebombarde in realerLänge) enthält. Dieser Teil der Orgel, der übrigensschwarz angestrichen wurde, um ihn möglichstunsichtbar zu machen, dient der historischen undder modernen gemeinsam, weil es hier keine stilis-tischen Unterschiede gibt. Man hat also bei demganzen Aufwand auch einmal etwas ›gespart‹. Frei-lich stellt es ein Kapitel für sich dar, wie die Rück-wand mit den drehbaren ›Paaren‹ koordiniert ist,will sagen: wie diese Pfeifen abgekoppelt und dannwieder angedockt werden. Es klappt tatsächlich:Der Organist merkt nichts vom Manöver, sondernmuss nur von Spieltisch zu Spieltisch umziehen.Das raffinierteste Kunststück wird jedoch erst deut-lich, wenn man sich mit dem historischen Teil derOrgel allein vertraut macht.

Dieser Teil nämlich besteht aus zwei Orgeln:einem Werk der holländischen Renaissance des17. Jahrhunderts und einem Werk des deutschenBarock aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Dementsprechen nicht nur verschiedene Register (mitden für die unterschiedlichen Epochen charakteris-tischen Klangfarben), sondern Register auf ver-schiedenen Tonhöhen und in verschiedenen Stim-mungssystemen. Die Renaissance-Orgel, um es ge-nau zu sagen, ist mitteltönig gestimmt, d. h. bietetfür einige wenige Tonarten besonders reine Klänge.Die Barock-Orgel ist wohltemperiert gestimmt,d. h. lässt sich in allen Tonarten spielen, dafür we-niger ›sauber‹ (Bach hat dieses System bekanntlichfavorisiert und sein Wohltemperiertes Klavier ge-schrieben, um die Vorteile zu verdeutlichen). Die

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Renaissance-Orgel steht dabei auf einem hohenStimmton (a1 = 467 Hertz), die Barock-Orgel aufeinem tiefen (a1 = 415 Hertz) – die moderne Orgelauf Normalton (a1 = 440 Hertz). Und nun kannman sich vorstellen, was dies für das Zusammen-spiel mit der ›Rückwand‹ bedeutet: Ein C der Re-naissance-Orgel führt zu einer anderen Pfeife alsein C der Barock- (bzw. der modernen) Orgel.Begnügen wir uns auch hier mit der Versicherung,dass es funktioniert.

Diese Komplikation stellt sich in der modernenOrgel nicht, aber doppelt ist sie eigentlich auch.Jedenfalls findet der Organist auf seinen fünf Ma-nualen (bei der historischen Orgel sind es drei)Register, die in die französische Klassik des 18. Jahr-hunderts gehören, neben solchen, die für die fran-zösische Spätromantik und Moderne typisch sind.In diesem letzteren Falle bedurfte es im Übrigender vielen Spielhilfen, die von einer Orgel in derTradition von Cavaillé-Coll verlangt werden. Manhat dazu eine elektronisch arbeitende Setzeranlageeingebaut, die Speicherplatz für 850 Programmie-rungen bietet. Auch die Gruppenzüge, die in Ca-vaillé-Coll-Orgeln besonders das Improvisieren er-leichtern (wenn etwa die starken Zungen auf einenSchlag gebraucht werden), sind vorhanden. DerSpieltisch zeigt zwar ein ganz und gar eigenes Ge-sicht, wie es zum Prospekt passt, ist dabei jedochauf gute Handhabung hin angelegt, um besondersden in einer solchen Konzerthalle üblichen Gast-organisten entgegenzukommen.

Aber man muss es zum Schluss noch einmalbetonen: Alles Interessante an dieser Orgel wirdin den Schatten gestellt von ihrem Drehmechanis-

Aufbau der OrgelRenaissance-Orgel:Hoofdwerk (Hauptwerk,

I. Manual)Borstwerk (Brustwerk,

II. Manual)Bovenwerk (Oberwerk,

III. Manual)PedalNebenzüge: Tremulanten,

Cymbelstern, Nachtigall

Barock-Orgel:Hauptwerk (I. Manual)Kleinwerk (II. Manual)Oberwerk (III. Manual)PedalNebenzüge: Tremulanten,

Cymbelstern, Nachtigall

Moderne Orgel:Grand-Orgue (I. Manual)Petit-Orgue (II. Manual)Récit expressif

(III. Manual)Récit classique

(IV. Manual)Ècho classique (V. Manual)Pédale

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mus. Von daher ist es auch zu verstehen, dass derOrgelbauer bei der Prospektgestaltung gegenüberdem Architekten freie Hand hatte. Im modernenSaal gibt es sowohl gerade Linien, an denen sichdas historische Gebäude orientieren konnte, alsauch elliptische für das moderne. Der historischeProspekt aus Eiche durfte dabei jene blattgold-verzierten Schleierbretter erhalten, die im 18. Jahr-hundert üblich waren. Am modernen Prospekt fas-ziniert die Schichtholzkonstruktion aus Esche, derdie dekorativen Verzierungen in Blei-Zinn-Legie-rung entsprechen.

Seit den Einweihungsfeierlichkeiten im Septem-ber 1991, bei denen vier japanische Organistendie jeweiligen Epochen vorstellten, führt man anjedem Konzertabend die Drehung aus. Die einma-lige Attraktion hat sich dabei inzwischen ›gerech-net‹. In vier verschiedenen Konzerten, die Marie-Claire Alain noch in der Einweihungsphase gab,war der Saal mit seinen 2000 Sitzplätzen jeweilsausverkauft. Wenn man weiß, wie stark die Kon-kurrenz in Tokio ist, wo – allerdings bei 13 Millio-nen Einwohnern – bis zu hundert Konzerte proTag zustande kommen können, ist die Auslastungder Orgel bislang kein Problem gewesen. Sie drehtsich also weiter, und man kann nur wünschen: nochlange!

Die mit dem Wind spielt

SYMPHONY HALL IN KYOTO / JAPAN

Wer Kyoto einmal etwas näher kennen gelernt hat,weiß um die eigenartige Doppelgesichtigkeit ge-rade dieser japanischen Großstadt. Es gibt denalten Kaiserpalast und zahlreiche Tempelanlagen,aber es gibt auch die moderne Geschäftswelt und

Orgelbau Klais (1995)4 Manuale, 90 Register

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den futuristischen Bahnhof. Tradition und Fort-schritt sind hier gleichermaßen präsent und ver-langen gleichermaßen ihr Recht. Dies sollte auchder Orgelbauer erleben, der 1995 hier ein Instru-ment für die neu erbaute Symphony Hall ablieferte.Es hatte nicht nur Befürworter des Projekts ge-geben, und es bedurfte außer der Orgelbau- aucheiniger Anpassungskunst, um das Ziel zu erreichen.Wie so oft sind es aber gerade die besonderen He-rausforderungen, die besondere Leistungen bewir-ken. In diesem Falle konnte die Firma Klais ausBonn das Prinzip bestätigen.

Eigentlich müsste man schon beim Betrachtendes Prospekts (s. Farbtafel 16) darauf kommen,dass hier eine bewusste Abkehr vom Gewohnten(und damit auch allzu Europäischen) beabsichtigtist. Der Architekt des Hauses, Arata Isosaki, derwie fast immer in solchen Fällen für die Integrationdes raumbestimmenden Instruments zuständig war,wollte dem Besucher (und nicht zuletzt dem kri-tischen) Anschluss an Heimisches bieten. Dazugab er der Pfeifenlandschaft den Grundriss einesjapanischen Steingartens, bildete also kleine Ein-heiten, die sich harmonisch zu großen zusammen-fügen. Die Idee entstammte dem ersten Treffenmit dem Orgelbauer im Restaurant, wo Isosakiden Grundriss mit Kugelschreiber auf einer Ser-viette skizzierte. Irgendwie ließ sich dies mit denAnsprüchen einer Orgel in Einklang bringen, jasogar relativ (europäisch) traditionell in eine sinn-volle Anordnung der Teilwerke verwandeln: linksHauptwerk und Positiv übereinander geschichtet,rechts daran angelehnt die beiden Schwellwerkemit den gut sichtbaren Jalousien, ganz außen dasPedal mit den längsten und tiefsten Pfeifen. DerSpieltisch rückt dabei genau in die Mittelachsedes Saals, während der Prospekt insgesamt leichtnach rechts versetzt ist. Für japanische Augen (frei-lich sehr gute) gibt es im Prospekt noch eine wei-tere Besonderheit, die man wohl in ganz Europavergeblich suchen dürfte: Vor den oberen Schwell-kästen finden sich kleine Bambuspfeifen, die an Bambuspfeifen im Prospekt

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die in der Region reichlich vorhandenen Bambus-wälder anknüpfen.

Damit ist nun mehr angesprochen als das bloßeÄußere. Bei der Disposition hat Klais vier Registereingefügt, die traditionelle japanische Instrumentezu imitieren suchen: im Grand Choeur das Regis-ter Sho 8-Fuß, im deutschen Schwellwerk Shinobue4-Fuß sowie die Zungenstimme Hichiriki 8-Fußund im französischen Schwellwerk Shakuhacchi8-Fuß eben aus Bambus (wobei sich allerdingsauch der Restaurator der Bambusorgel auf denPhilippinen bemerkbar machen dürfte). Ansonstenist die Disposition auf Erfassen des für alle Epo-chen Erforderlichen angelegt, wobei ›deutsche‹ und›französische‹ Elemente sich die Waage halten. Aufdas 1. Manual ist das (deutsche) Positiv fast doppeltso umfangreich angelegt wie das (französische)Grand Choeur, auf dem 2. ist es mit Grand Orgueund Hauptwerk genau umgekehrt, die Schwellwerkesind etwa gleich stark besetzt.

Etwas anderes sieht man zwar sehr deutlich,dürfte aber kaum erraten, was es damit auf sich hat.Links neben der Orgel gibt es eine scheinbar viel

Zeichnung der Klais-Orgel inKyoto: Man kann wie in einemTreppenhaus durch die einzel-nen Etagen gehen.

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zu große hölzerne Loge, die aber nur die Verklei-dung für ein riesiges Balghaus darstellt. Das 1. und2. Manual mit seinem klassisch/barocken Klang-fundus kann nämlich nicht nur mit dem üblichenWind aus großen Ventilatoren gespeist werden,sondern wahlweise auch mit Wind aus Keilbälgen.Der Unterschied liegt darin, dass Keilbälge denWind ›strömen‹ lassen, während Propeller für ›Ver-wirbelung‹ sorgen. Für Barockmusik steht also eine›atmende‹ Orgel zur Verfügung, für romantischeund moderne Musik gibt es den notwendigen ›sta-bilen‹ Wind – ein Trick, der letztlich aus einer Orgelzwei macht. Nimmt man hinzu, dass es die Alter-native deutsch/französisch gibt und darüber hinauseuropäisch/japanisch, so summiert sich dies zueiner Vielseitigkeit, die man dem Instrument aufden ersten Blick keineswegs ansieht. Auch in die-sem Fall harmoniert komplizierte Technik gut mitden Traditionen eines Landes, in dem Bescheiden-heit immer eine besondere Rolle gespielt hat.

»Aber ach, dieser 64-Fuß isteinzigartig, prachtvoll«

TOWN HALL INSYDNEY / AUSTRALIEN

Seit den Olympischen Spielen 2000 kennt jederAustralien etwas besser als zuvor. Die spektakuläreEröffnungsfeier hat im Zeitraffer das Zeitraffer-hafte seiner Geschichte verdeutlicht: die stürmischeEntwicklung nach der Landung Captain Phillipsmit einem Schiff voller englischer Strafgefangenerin der Bucht von Sydney 1788. Hundert Jahre spä-ter stand an der gleichen Stelle eine Stadt mit500 000 Einwohnern, die im Bewusstsein lebte,das London der Südsee aufgebaut zu haben. Es

»Wichtig für ein Konzertsaal-instrument ist eine großeCrescendofähigkeit, die mitder riesigen Crescendo-fähigkeit eines Orchesterskonkurrieren kann. Die Orgelmuß sowohl mit dem Orches-ter als auch gegen dasOrchester gesetzt werden kön-nen. Sie muß gleichermaßeneine Solostimme begleitenkönnen, wie kraftvoll demFortissimo des Orchesters ent-gegen stehen. In der Pros-pektgestaltung von Kyotowird diese Crescendofähigkeitdurch die sichtbarenSchwellwerke symbolisiert.«

Aus der Beschreibung der Orgelvon Philipp Klais

William Hill & Son (1890)Restaurierung: Roger Pogson

(1982)5 Manuale, 126 Register

AKrueger
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