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IANUS Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit Interdisciplinary Research Group Science, Technology and Security IANUS-Projektübersicht 2005 / 2006 IANUS - Technische Universität Darmstadt - Hochschulstraße 4a, Geb. S2/09 D-64289 Darmstadt, Germany Tel.: 0 61 51/16 43 68 (Sekretariat) - Fax: 0 61 51/16 60 39 Mail: [email protected] - Internet: http://www.ianus.tu-darmstadt.de

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IANUS Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit Interdisciplinary Research Group Science, Technology and Security

IANUS-Projektübersicht 2005 / 2006

IANUS - Technische Universität Darmstadt - Hochschulstraße 4a, Geb. S2/09 D-64289 Darmstadt, Germany

Tel.: 0 61 51/16 43 68 (Sekretariat) - Fax: 0 61 51/16 60 39 Mail: [email protected] - Internet: http://www.ianus.tu-darmstadt.de

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Inhaltsverzeichnis

A. Präventive Rüstungskontrolle _______________________________________________ 2

B. Biowaffenkontrolle und Präventive Rüstungskontrolle___________________________ 4

C. Stammzellen FuE_________________________________________________________ 6

D. Moderne Biotechnologie ___________________________________________________ 8

E. Grenzbegriff in der Ökologie_______________________________________________ 10

F. Biodiversität ____________________________________________________________ 11

G. Risiko-Entscheidungen ___________________________________________________ 13

H. Ambivalenz und Gestaltung _______________________________________________ 14

I. Theoriewerkstatt und Konzeptentwicklung ____________________________________ 15

J. Studienschwerpunkt ______________________________________________________ 19

K. International Network of Engineers and Scientists Against Proliferation (INESAP) __ 21

L. Verantwortbarer Umgang mit dem Atom _____________________________________ 25

M. Nukleare Gefahren ______________________________________________________ 30

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A. Präventive Rüstungskontrolle

A1. Kernwaffenrelevante Materialien und präventive Rüstungskontrolle

Projektleitung: Dr. Wolfgang Liebert Projektbearbeitung: Dipl.-Phys. Matthias Englert, Dr. Christoph Pistner,

Dr. Wolfgang Liebert Kooperationspartner: Prof. Dr. Franz Fujara, Prof. em. Dr. Egbert Kankeleit,

Forschungsverbund Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit (FONAS)

Projektlaufzeit: 2003 - 2005 Projektförderung: Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF)

Projektbeschreibung:

In diesem Projekt wurden zwei konkrete Beispiele der technologischen Dynamik untersucht, die eine Produktions- oder Nutzungsmöglichkeit von kernwaffenrelevanten Nuklearmateria-lien mitbedingen bzw. reduzieren helfen können: Proliferationsrelevanz von Spallations-neutronenquellen und neuartige uranfreie Brennstoffe für die Plutoniumbeseitigung. Haupt-zielsetzung waren eine frühzeitige Analyse von Proliferationsgefahren und die Auslotung von Maßnahmen zur Erhöhung der Proliferationsresistenz bei der Auslegung bereits genutzter oder in Entwicklung befindlicher Technologien, bzw. die vorbeugende Vermeidung von Pro-liferationsgefahren auf der Basis von technischen Möglichkeiten. Die konkrete Umsetzung des Konzepts der Proliferationsresistenz, mit dem intrinsische Barrieren gegen Proliferation bereits auf der technologischen Ebene selbst gestärkt werden, sollte einen wesentlichen Bei-trag zur Weiterentwicklung eines Konzepts „Präventiver Rüstungskontrolle“ leisten. Teilprojekt A: Optionen zur Plutoniumbeseitigung – Untersuchungen zu uranfreien Brennstoffen. Für das Teilprojekt A standen Proliferationsgefahren im Mittelpunkt, die mit Beständen von Plutonium in separierter Form verbunden sind. Ein Abbau solcher Bestände ist aus der Sicht der nuklearen Nichtverbreitung und der erwünschten Unumkehrbarkeit nuklearer Abrüstung dringend angeraten (rund 250 Tonnen liegen jeweils in den Waffenprogrammen und in bereits separierter Form in zivilen Kernenergieprogrammen vor). Das Ziel des Projektes war es, eine spezifische Alternative zur gegenwärtigen Nutzung von Plutonium in Uran-Plutonium-Mischoxidbrennstoff (MOX) – die Nutzung inerter uranfreier Brennstoffe (Inert Matrix Fuel, IMF) – und die Machbarkeit des Einsatzes von IMF in existie-renden Leichtwasserreaktoren zu untersuchen. Für die Berechnungen solcher nicht standardi-sierter Reaktorumgebungen war die Entwicklung eines eigenen Simulations-Programmpakets MCMATH notwendig, das Monte-Carlo-Programme, Reaktorabbrand-Codes und Auswer-tungsroutinen geeignet kombiniert. Aufgrund aufwändiger Simulationsrechnungen bestätigte sich die besondere Eignung von IMF unter Zusetzung von sog. brennbaren Neutronengiften im Vergleich zur konventionellen Strategie der Nutzung von MOX-Brennstoffen. Mit IMF kann eine erheblich höhere Reduktion des anfänglich enthaltenen Plutoniums erreicht werden (70% statt 30%) und die Eigenschaften des im abgebrannten Brennstoff verbleibenden Pluto-niums sind wesentlich ungünstiger für eine potenzielle Nutzung in einer Kernwaffe – insbe-sondere durch den erhöhten Neutronenhintergrund und die erhöhte Wärmerate. Ein IMF-Brennstoff muss allerdings auch einsatzfähig gemacht werden (Erreichen einer ge-nügend langen Brenndauer und Einhalten von Sicherheitskriterien, insbesondere bestimmbar

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über sog. Reaktivitätskoeffizienten). Aufgrund der ausführlichen Reaktorsimualtionsrechnun-gen konnte ein IMF-Referenzbrennstoff mit Zusatz von Erbium als Neutronengift identifiziert werden, der nicht nur die Einhaltung wesentlicher Kriterien der Reaktorsicherheit verspricht, sondern auch die im Projekt aufgestellten Kriterien der Nichtverbreitung optimiert. Als Er-gebnis stellen IMF-Brennstoffe daher aus Sicht der nuklearen Nichtverbreitung eine attraktive Alternative zur MOX-Option dar. Die Diskussion über zielführende Verfahren der Plutoni-umbeseitugng könnte auf dieser Basis wiederbelebt werden. Letztlich soll so die Prävention durch Beseitigung des zentralen kernwaffenfähigen Spaltstoffs Plutonium vorangetrieben werden.

Publikationsauswahl:

L. Barleon, E. Chauvistré, C. Daase, D. von Ehrenstein, C. Eisenbart, W. Gmelin, E. Häckel, E. Kankeleit, T. Marauhn, C. Pistner und U. Ratsch: Wohin mit dem Plutonium? Optionen und Entscheidungskriterien, For-schungsstätte der evangelischen Studiengemeinschaft e. V., Reihe B Heidelberg, 2004. C. Pistner, W. Liebert, F. Fujara: Neutronics calculations on the impact of burnable poisons to safety and non-proliferation aspects of inert matrix fuel. In: Journal of Nuclear Materials 2006 (in press). C. Pistner: Neutronenphysikalische Untersuchungen zu uranfreien Brennstoffen, Dissertation, Fachbereich Phy-sik, TU-Darmstadt, 2006. M. Englert, C. Pistner, W. Liebert: Kernwaffenrelevante Materialien und präventive Rüstungskontrolle, For-schungsbericht veröffentlicht durch die DSF (in Vorbereitung) Teilprojekt B: Wege zur Erhöhung der Proliferationsresistenz von Spallati-onsneutronenquellen Spallationsneutronenquellen, ein moderner Typ von Forschungsneutronenquellen, sind im Prinzip dazu geeignet, Isotope zu produzieren, die für eine Verwendung in Kernwaffen attrak-tiv sind (Plutonium, Uran-233, Tritium). Da in absehbarer Zukunft Spallationsneutronenquel-len die bisher genutzten Forschungsreaktoren ablösen könnten und erhebliche Fortschritte der Beschleunigertechnologie zu erwarten sind, ist eine möglichst frühzeitige Analyse des Prolife-rationspotenzials dieser Anlagen nötig, um ggf. präventiv eingreifen zu können. Das Proliferationspotenzial von Spallationsneutronenquellen wurde anhand mehrerer denkba-rer Nutzungsszenarien untersucht. Hierfür wurde das konkrete Brut-Potential für eine kern-waffenrelevante Materialproduktion in solchen Anlagen aufgrund einer breit angelegten Pa-rameterstudie durch Simulationsrechnungen mit Hilfe des Neutronen- und Hochenergietrans-portcodes MCNPX berechnet. Es ergab sich, dass vor allem den Szenarien, in denen eine de-zidiert zum Erbrüten von kernwaffenrelevanten Materialien gebaute Anlage genutzt wird, ein erhebliches Proliferationspotenzial zugesprochen werden muss. Aber auch Szenarien mit ei-ner für die Nutzung in der Forschung konzipierten Anlagen sind proliferationsrelevant. Da es derzeit keine expliziten Safeguardmaßnahmen für Spallationsneutronenquellen gibt und nur rudimentäre Exportkontrollen vorhanden sind, wurden auf der Basis der technischen Analyse erste Vorschläge für proliferationsresistentere Gestaltungsmöglichkeiten (Anlagenteile, sensi-tive Parameter etc.) erarbeitet.

Publikationsauswahl:

M. Englert: The Proliferation Risks of Spallation Neutron Sources ?, International Network of Scientists Aa-gainst Proliferation, INESAP Information Bulletin, April 2005. M. Englert, W. Liebert, C. Pistner: Neutronics Calculations for the Assessment of Proliferation Risks Associated with Spallation Neutron Sources. In: Nuclear Instruments and Methods A 2006 (in press). M. Englert, C. Pistner, W. Liebert: Kernwaffenrelevante Materialien und präventive Rüstungskontrolle, For-schungsbericht veröffentlicht durch die DSF (in Vorbereitung).

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B. Biowaffenkontrolle und Präventive Rüstungskontrolle

B1. Präventive Rüstungskontrolle: Analyse von Potenzialen für Rüstungskontrolle und Verifikation biologischer Waffen unter besonderer Berücksichtigung neuer Entwicklungen in der Biotechnologie

Beteiligte: Prof. Dr. Kathryn Nixdorff (Projektleiterin), Dr. Dagmar Schilling, Dr. Mark Hotz

Kooperationspartner: Prof. Dr. Malcolm R. Dando, Department of Peace Studies, University of Bradford, UK und Dr. Alexander Kelle, Lecturer, School of Politics and International Studies, The Queen’s University of Belfast, UK

Projektlaufzeit: 2002 – 2005 Projektförderung: Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF)

Projektbeschreibung:

Das Forschungsprojekt befasst sich mit dem Dual-Use-Dilemma in der modernen biologi-schen Forschung. Die Revolution in der Biotechnologie wird gegenwärtig von einer Revoluti-on in der Pharmakologie begleitet, in der die Entwicklung von Bioregulatoren im Rahmen der drug discovery immer stärker an Relevanz für chemische und biologische Rüstungskontrolle. Bioregulatoren sind organische moleküle, die interagierende physiologische Prozesse steuern. Das Immunsystem und das Neuroendokrinsystem sind zwei interagierende Systeme, die für einen Angriff mit Bioregulatoren besonders anfällig sind. Im Forschungsprojekt werden neue Entwicklungen in diesen Bereichen untersucht und analysiert, und Maßnahmen zur biochemi-schen Rüstungskontrolle angesichts dieser Dual-use-Problematik werden vorgeschlagen.

Publikationsauswahl:

K. Nixdorff, M. Hotz, D. Schilling, M. Dando: Biotechnology and the Biological Weapons Convention, agenda Verlag GmbH, Münster, 2003, 128pp. A. Kelle: Science, technology and the CBW control regimes, pp. 7–16; M. Dando: The malign misuse of neuro-science, pp. 16–24; K. Nixdorff: Assault on the immune systeme, pp. 25–35, Contributions to a special issue of Disarmament Forum (United Nations Institute for Disarmament Research) entitled: Science, Technology and the CBW Regimes, Vol. 1, 2005. A. Kelle, K. Nixdorff, M.R. Dando: Controlling Biochemical Weapons. Adapting Multilateral Arms Control for the 21st Century, Palgrave Macmillan, Basingstoke, forthvoming in August, 2006.

B2. Arbeitskreis „Abrüstung und Nichtverbreitung biologischer und chemischer Waffen“

Beteiligte: Prof. Dr. Kathryn Nixdorff, Leiterin des Arbeitskreises in Zusammenarbeit mit Dr. Regine Mehl, Leiterin der Arbeitsstelle Friedensforschung Bonn (AFB)

Projektlaufzeit: Beginn, 1997 Projektförderung: Arbeitsstelle Friedensforschung Bonn (Bund) und Hessische

Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), Frankfurt/M.

Projektbeschreibung:

Ziel der Arbeitsgruppe bei der AFB ist es, ein Forum für den Informationsaustausch zwischen interessierten Parlamentariern, Regierungsbeamten, Industrievertretern und Wissenschaftlern

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zu schaffen. Zwei eintägige Zusammenkünfte pro Jahr finden in Berlin statt. Das nächste Treffen ist für Oktober 2006 vorgesehen.

B3. BioWeapons Prevention Project (BWPP)

Beteiligte: Diese Initiative wurde von neun non-governmental organizations (NGOs) gegründet, die im BWC-Bereich aktiv sind. Direktor ist Dr. Jean-Pascal Zanders. Prof. Dr. Kathryn Nixdorff ist Vertreterin von INES im Governing Board.

Projektlaufzeit: Beginn 2002 Projektförderung: Ploughshares Foundation, Joseph Rowntree Charitable Trust,

European Commission, European Union, mehrere Regierungen (Schweden, Kanada, Finnland, Norwegen, Niederlande, UK, Japan)

Projektbeschreibung:

Das Projekt hat das Ziel, die Aktivitäten der NGOs zu bündeln und so effektiver zu wirken. Die internationale Norm gegen „die Verwendung von Krankheit als Waffe“ soll gestärkt wer-den durch das Monitoring der Implementierung der gesetzlichen und politischen Verpflich-tungen von Regierungen bezüglich der Biowaffen Konvention (BWC). BWPP wird ferner relevante Entwicklungen in Wissenschaft und Technik überwachen und analysieren.

Publikationsauswahl:

Bio Weapons Report 2004. K. Nixdorff hat mit anderen zusammen zu den Kapiteln “Advances in Science and Technology: Present and Future Threats and Science and Technology Considerations at the Seventh BTWC Review Conference in 2011” beigetragen.

B4. The History of Biological Warfare, 1945–Present

Beteiligte: 17 Wissenschaftler aus 10 verschiedenen Ländern (darunter Prof. Dr. Kathryn Nixdorff, Institut für Mikrobiologie und Genetik, TU-Darmstadt).

Projektlaufzeit: 2003 – 2006 Projektförderung: Carnegie Foundation

Projektbeschreibung:

Das Projekt besteht in dem Verfassen eines Buches über die Geschichte der biologischen Kriegsführung in verschiedenen Staaten von 1945 bis heute. Das Buch wird durch Harvard University Press veröffentlicht.

Publikationsauswahl:

L. Rozsa, K. Nixdorff (Chapter 7): Bioweapons in non-Soviet Warsaw Pact Countries. In: M. Wheelis, L. Rozsa, M.R. Dando (eds.): Deadly Cultures. Biological Weapons Since 1945, Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts and Londeon, 2006, pp. 157–168.

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C. Stammzellen FuE

C1. Das gesellschaftliche Konfliktpotential in der Erforschung und Anwendung humaner Stammzellen

Projektbearbeitung: Prof. Dr. Wolfgang Bender, Dr. Christine Hauskeller, Dr. Alexandra Manzei

Projektdauer: März 2002 – März 2005 Projektförderung: Berghof-Stiftung für Konfliktforschung, Banss Stiftung

Projektbeschreibung

Neue biomedizinische Entwicklungen bringen neben therapeutischen Möglichkeiten im Zu-sammenwirken mit anderen gesellschaftlichen Veränderungen auch innergesellschaftliche wie internationale Konflikte mit sich. Im Hinblick auf die Forschung mit humanen Stammzellen und ihrer Anwendung werden fünf Konfliktfelder untersucht: 1) Konflikte zwischen tradierten moralischen Normen (Lebensschutz) und der ethisch moti-vierten Erforschung neuer therapeutischer Möglichkeiten (Heilungschancen). 2) Konflikte zwischen Ängsten und Hoffnungen bzw. Risiken und Chancen seitens der Betrof-fenen. Die Gefahren des Missbrauchs z.B. der Klonierungstechniken, stehen gegen die Hoff-nungen auf Krankheitsbehandlung. 3) Konflikte zwischen einerseits professioneller wissenschaftlicher Neugier und dem wissen-schaftlichen Ethos der Erkenntnisgewinnung, die durch den therapeutischen Aspekt der Stammzellforschung gestützt werden, und andererseits dem Wissen um die Missbrauchsgefahr der neuen Methoden durch einzelne WissenschaftlerInnen. 4) Konflikte aufgrund kultureller Differenzen zwischen utilitaristisch geprägten Gesellschaf-ten, die sich an der Bewertung von Handlungsfolgen orientieren, und anderen, die sich an kategorischen normativen Prinzipien und unbedingten Werten ausrichten. Diese Konflikte werden mit der Globalisierung und Internationalität von Wissenschaft und Technik besonders virulent. 5) Konflikte zwischen einer auf allgemein geteilten, grundlegenden moralischen Einsichten aufruhenden demokratischen Gesellschaft, die diese Konsense in der technologischen Zivili-sation immer wieder neu aushandeln muss, und den wertfrei oder ethisch neutral konzipierten Naturwissenschaften. Hier stellen sich u.a. folgende Fragen: Wie verhalten sich das normative demokratische System und das im Selbstverständnis wertfreie Wissenschaftssystem zueinan-der? Ist die Deutungshoheit des naturwissenschaftlichen Denkens sachlich begründet? Gibt es eine neutrale Beschreibung der Lebenswirklichkeit? Diese fünf Konfliktfelder sollen je für sich und in ihren Zusammenhängen aufgearbeitet wer-den. Die Untersuchung, die auch eine Übersicht über die ethisch problematischen Punkte die-ses Forschungsgebietes umfasst, trägt zu einer konfliktbewussteren und damit differenzierte-ren ethischen Diskussion bei. Das Projekt wurde mit der Veröffentlichung des Bandes „Grenzüberschreitungen“ abgeschlossen.

Publikationsauswahl:

W. Bender: Ethische Aspekte und gesellschaftliche Folgen der Stammzellforschung. In: C. Hauskeller (Hrsg.): Humane Stammzellen. Lengerich: Pabst 2002. S. 50–69. W. Bender, C. Hauskeller, A. Manzei (Hrsg.): Grenzüberschreitungen – Crossing Borders. Kulturelle, religiöse und politische Differenzen im Kontext der Stammzellforschung weltweit – Cultural, Religious, and Political Differences Concerning Stem Cell Research. A Global Approach. Münster: agenda 2005. C. Hauskeller (Hrsg.): Humane Stammzellen. Therapeutische Optionen – Ökonomische Perspektiven – Mediale Vermittlung. Lengerich: Pabst 2002.

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C. Hauskeller: Sprache und Diskursstruktur. Ethische Implikationen und gesellschaftliche Kontexte des For-schungsfeldes humane Stammzellen. In: Oduncu, Fuat u.a. (Hrsg.): Stammzellenforschung und therapeutisches Klonen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002. S. 103–118.

C2. Stammzellen aus Nabelschnurblut. Medizinische, ethische und soziale Aspekte

Projektbearbeitung: Prof. Dr. Wolfgang Bender, Dr. Christine Hauskeller, Dr. Alexandra Manzei

Projektdauer: 2002–2005 Projektförderung: Banss Stiftung; J. Carreras Leukämie-Stiftung

Projektbeschreibung

Ausgangspunkt unserer qualitativen Studie ist die zunehmende öffentliche Debatte um die Verwendung von Stammzellen aus Nabelschnurblut zur Therapie von Leukämie und anderen Erkrankungen. Stammzellpräparate aus Nabelschnurblut werden seit Beginn der 90er Jahre zur Behandlung von Blutkrebs bei Kindern verwendet. Wurde zuvor seit den 50er Jahren Knochenmark transplantiert, um das blutbildende System zu ersetzen, welches bei Leukämie-patienten infolge der Radio- und Chemotherapie zerstört ist, so wird in den letzten Jahren bei Kindern zunehmend auf Stammzellpräparate aus Nabelschnurblut zurückgegriffen. Stammzellen aus Nabelschnurblut, auch Plazenta-Restblut genannt, sind leichter und gefahr-loser zu gewinnen als Stammzellen aus Knochenmark, da die Spenderinnen nicht durch einen operativen Eingriff belastet werden. Darüber hinaus sind sie für die medizinische Forschung von besonderem Interesse, weil sie die Fähigkeit besitzen, sich ähnlich wie embryonale Stammzellen in die verschiedensten Körperzellen verwandeln zu können. Gleichwohl sind mit der Gewinnung sowie der Verwendung von humanen Stammzellen aus Nabelschnurblut ungeklärte ethische und rechtliche Probleme verbunden. Sie betreffen zum einen die bisherige Praxis der Aufklärung der Spenderinnen vor der Entnahme sowie die Durchführung der Blutabnahme während des Geburtsvorgangs selbst. Zum anderen stellen sich moralische Fragen nach der Verwendung der Blutpräparate, die sich nicht nach aus-schließlich medizinischen Kriterien beantworten lassen: Sollen humane Stammzellen aus Na-belschnurblut privat eingelagert und nur individuell bzw. familiär genutzt werden oder sollten sie als Spende allen leukämiekranken Kindern wie Erwachsenen zur Verfügung gestellt wer-den. Drittens werden durch die Attraktivität humaner Stammzellen für die Verwendung in der Forschung Fragen des Eigentumsschutzes und des Patentrechts aufgeworfen. Das Interesse unserer Untersuchung ist es, diese ungeklärten ethischen und rechtlichen Prob-leme mit Hilfe einer umfassenden Literatur- und Medienanalyse sowie durch qualitative In-terviews mit Betroffenen und Experten aufzuarbeiten. Ziel der Studie ist letztlich die sozial-ethische Beurteilung der Praxis der Nabelschnurblutspende als Basis für zukünftige Stamm-zelltherapien sowie die Einschätzung des daraus entstehenden gesellschaftlich-politischen Regelungsbedarfs in Bezug auf Persönlichkeitsrechte und Datenschutz ebenso wie hinsicht-lich eigentums- und patentrechtlicher Fragen.

Publikationsauswahl:

A. Manzei: Mythos der unendlichen Rekonstruierbarkeit des Körpers. Wunsch und Wirklichkeit der Regenerati-ven Medizin am Beispiel Stammzellforschung. In: ETHICA 11 (2003), 4. S. 411–420. A. Manzei: Stammzellen aus Nabelschnurblut. Ethische und gesellschaftliche Aspekte. Berlin: Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft (IMEW) 2005.

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D. Moderne Biotechnologie

D1. Diskursprojekt zu ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten in der modernen Medizin und Biotechnologie. „Erfassen, verstehen, urteilen, gestalten.“ (Entwicklung, Erprobung und Evaluation multiplizierbarer methodisch-didaktischer Diskurs-Module zum Thema Gentests/regenerative Medizin für unterschiedliche Bildungslevels.)

Projektleitung: Prof. Dr. Wolfgang Bender Projektbearbeitung: Dr. Susanne Dungs Kooperationspartner: Dr. Kristina Sinemus (Genius GmbH), Dr. Michael Deneke

(HDA der TUD), Dr. Christoph Ewen (Team Ewen) Projektdauer: 2005 – 2006 Projektförderung: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Projektbeschreibung

Ziele des Projekts: Hintergrund des Forschungs- und Praxisprojektes ist ein Programm des BMBF, das Diskurs-projekte im Bereich der modernen Medizin und Biotechnologie fördert. Die Konzeption unse-res Projektes bezieht sich auf die Entwicklung von Diskurs-Konzepten für die Zielgruppe Jugendliche und junge Erwachsene (verschiedener Altersgruppen und Bildungsniveaus). Die entwickelten Diskurskonzepte wurden zu multiplizierbaren didaktischen Konzepten ausgestal-tet. Über diese Konzepte soll eine möglichst hohe Zahl von Jugendlichen an absehbare Ent-wicklungen moderner biotechnologischer Forschung und Anwendung im Bereich von Gen-tests und regenerativer Medizin kritisch-reflexiv herangeführt werden. Dabei wird an persön-liche Zugänge der Jugendlichen angeknüpft, um erstens die darin enthaltenen alltagsethischen Prämissen durchschaubar und diskutierbar zu machen und um zweitens die Technologien für eine umfassende und (eigen)verantwortliche Beurteilung der damit verbundenen ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen zu öffnen. In diesem Sinne ist Ziel des Vorhabens, Jugendli-chen und jungen Erwachsenen über den Einsatz innovativer Unterrichtsmaterialien einen Dis-kurs- und Bildungsprozess zu eröffnen, der es ermöglicht: die Anwendungen innerhalb der Biomedizin in ihren Grundzügen zu erfassen, deren juristi-sche, soziale und naturwissenschaftliche Aspekte ansatzweise zu verstehen, über diese Ent-wicklungen im gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang gesehen ethisch zu urteilen, an den daraus hervorgehenden demokratischen Prozessen der Gesellschaft teilzuhaben und diese ver-antwortlich und selbstbestimmt mit zu gestalten. Durchführung des Projekts: Aus der Palette möglicher Themen im Bereich moderner Medizin und Biotechnologie wurden die zwei Forschungsfelder Stammzellforschung und regenerative Medizin und Prädiktive ge-netische Diagnostik herausgegriffen, da sie von besonderer gesellschaftlicher Relevanz sind. Zielgruppen des Projekts: Das Diskursprojekt arbeitet mit Kooperationspartnern aus vier Bildungsinstitutionen zusam-men: Rheingau-Gymnasium, Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V., Religionspädago-gisches Studienzentrum der EKHN, Dekanatsjugendpfarrer Kreis Bergstrasse. Es richtet sich an vier (jugendliche) Zielgruppen dieser Institutionen: Gymnasiasten der Sekundarstufe II,

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Jugendliche in Berufsvorbereitungsmaßnahmen, Religionslehrer und Religionslehrerinnen, Konfirmanden. Studierende der TU Darmstadt und der EFH bilden eine Vergleichsgruppe. Diskursebenen des Projekts: Der Diskurs zur Generierung der didaktischen Module wird auf drei Ebenen geführt. Diskursebene 1: Der Diskurs der vier kooperierenden Bildungsinstitutionen erarbeitet zu-sammen mit dem Projektteam (IANUS, Genius GmbH, team ewen, HDA: Hochschuldidakti-sche Arbeitsstelle der TUD) didaktische Konzepte (Bausteine) bezogen auf ihre jeweilige Zielgruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen („Transfer-Akademie“). Diskursebene 2: Im Diskurs der Jugendlichen/jungen Erwachsenen werden die erarbeiteten Konzepte in den vorhandenen „Settings“ der Bildungsinstitutionen angewendet, und zwar in Unterrichts- und Arbeitseinheiten mit 6 bis 10 Zeit- bzw. Schulstunden. Dazu sind während der Laufzeit des Projekts jeweils zwei Anwendungsphasen pro Bildungsinstitution vorgese-hen. Die Anwendungsphasen werden evaluiert, so dass schon während der Anwendung eine Weiterentwicklung der Module möglich ist. Diskursebene 3: Der Multiplikations-Diskurs verbreitet die Erfahrungen und die entwickelten methodisch-didaktischen Konzepte durch Vorträge und eine größere öffentliche Veranstal-tung.

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E. Grenzbegriff in der Ökologie

E1. Grenzen der Ökologie – ökologische Grenzen

Projektleitung: Dr. Astrid Schwarz Projektmitarbeiter: Achim Lotz Kooperationspartner: UFZ Leipzig, PD Dr. Kurt Jax und Dr. Christian Haak Projektdauer: Nov. 2005 – März 2006 Projektförderung: Der im Rahmen dieses Projektes beantragte und durchgeführte

Workshop wurde von der VW-Stiftung gefördert; Mittel für wiss. Hilfskraft über IANUS

Projektbeschreibung

Das Projekt „Grenzen der Ökologie – ökologische Grenzen“ umfasste die Planung und Orga-nisation eines Workshops sowie die inhaltliche Vorbereitung eines Buchprojektes. Workshop und Buchprojekt sind inhaltlich und formal miteinander verknüpft, der Workshop diente zur inhaltlichen Sondierung für das Buch. Das Buchprojekt wiederum ist eingebunden in ein grö-ßeres Editions- und Forschungsprojekt, das „Handbook of Ecological Concepts“, kurz „HOEK“. Projektleiter und Editoren sind Astrid Schwarz (TU Darmstadt) und Kurt Jax (UFZ Leipzig). Das Projekt wurde im Jahr 2002 mit einem Workshop in Paris begründet, es ist auf insgesamt etwa 10 Jahre angelegt. Im Winter 2006 wird der erste Band „Revisiting Ecology. Reflecting concepts, advancing science?“ (22 AutorInnen) erscheinen, der zweite Band „Eco-logical Units“ ist für Herbst 2007 geplant. Ausführlichere Informationen zum Gesamtprojekt sind unter www.hoekweb.net zu finden. Das Projekt diente der Vorbereitung des dritten Ban-des, Arbeitstitel ist „Ecological Knowledge and Society“. Der Workshop „Building on Borders: Constructions of Ecological Knowledge“ fand vom 6.–8. April 2006 in Darmstadt statt. Der interdisziplinäre Teilnehmerkreis setzte sich zusammen aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Europa und Nordamerika. Im Workshop wurden Begriffe von Grenzen ausgelotet, wie sie in der biologischen Ökologie verwendet werden. Es wurden die Grenzen dieser Ökologie selbst und ihre politischen und weltanschau-lichen Implikationen diskutiert. Zum anderen waren aber vor allem die Grenzbegriffe wie sie in der STS- und HPS-Debatte (Science and Technology Studies, History and Philosophy of Science) verhandelt werden ein zentrales Thema des Workshops. Da permanente Grenzzie-hungen konstitutiv sind für die Ökologie, sowohl nach innen (disziplinär, institutionell, ob-jektkonstitutiv) wie nach außen (Gesellschaft, Technik, andere Wissenschaften wie bspw. Umweltwissenschaften) wurde der Epistemologie der Grenze besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Darüber hinaus wurde im Rahmen des Projektes eine Literaturstudie erstellt zum Grenzbegriff in der Philosophie und der Wissenschaftsforschung, wie der biologischen Ökologie, der Öko-logie im weiteren gesellschaftlichen und humanwissenschaftlichen Zusammenhang (z.B. Kul-turökologie, Humanökologie, politische Ökologie) und den Umweltwissenschaften. Die erar-beitete Datenbank enthält Zusammenfassungen der aufgenommenen Artikel und eine syste-matische Aufarbeitung der verwendeten Schlagwörter; sie wurde mit dem Programm Endnote erstellt und dokumentiert und ist für IANUS-Mitglieder verfügbar.

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F. Biodiversität

F1. Numerik der Artenvielfalt

Projektleitung: Prof. Dr. H.-R. Simon Kooperationspartner: Prof. Dr. Schaefer, Universität Göttingen Projektdauer: Beginn 1994, fortlaufend

Projektbeschreibung

Eine schwierige Quellenlage gestattet zur Zeit lediglich eine deskriptive Übersicht zur nume-rischen Vielfalt der Arten. Diese Basiszahlen sind von zunehmendem Interesse für Natur-schutz, Landschaftspflege und nachhaltiger Bewirtschaftung von Grünland, Ackerland und Privat-Gärten.

Publikationsauswahl:

Artenzahlen als Basisgrössen der Biodiversität: Ausgewählte Beispiele zu Artenzahlen im Tierreich – mit An-merkungen zu Pflanzenreich. S. 115 – 161 in: Konfliktfeld Biodiversität. M. Hummel. J. Scheffran, H.R. Simon, Hrsg. Münster:Agenda Verl. 2002.

F2. Monitoring von Biodiversität am Beispiel des Kronenraumes von Apfelbäumen

Projektleitung: Prof. Dr. H.-R. Simon unter Mitarbeit von Dr. O. Zimmermann, Biologische Bundesanstalt, Darmstadt; Dr. R. Güsten, Hessisches Landesmuseum Darmstadt

Kooperationspartner: Biologische Bundesanstalt, Darmstadt; Betriebsleiter B. Wolff, Schaafheim

Projektdauer: Beginn 1998, fortlaufend Projektförderung: Biologische Bundesanstalt, Darmstadt

Projektbeschreibung

Im Rahmen von Freizeitgestaltung ist Gartenbewirtschaftung ein Wirtschaftsfaktor in der BRD, der ca. 6 Milliarden € pro Jahr umfasst. Der Einsatz von gifthaltigen Mitteln ist noch sehr verbreitet. Eine nachhaltige, ökologische Bewirtschaftung sollte eine Minimierung von Giften jeder Art initiieren. Grundlegend bei einem solche Vorhaben muss aber ein Wissen um die Artenvielfalt im Garten sein. Besonders Obstanlagen werden oft noch intensiv begiftet, um sog. Schädlinge niederzuhalten. Deren natürliche Gegenspieler und ihr Wirkmechanismus im Rahmen z. B. von Räuber-Beute-Interaktionen sind nur zum Teil verstanden. Seit 1998 (Vorversuch) werden daher Grundlagenuntersuchungen an Apfelbäumen durchgeführt. Er-staunlich ist die hohe Artendiversität (ca. 300 Arten pro Baum) sowie der Individuenreichtum, der pro untersuchtem Apfelbaum bis zu 120 000 Tiere pro Jahr umfassen kann. Die Entfal-tung von Artengemeinschaften und Individuenansammlungen sind jahreszeitlich sehr unter-schiedlich ausgeprägt. In einem sog. Monitoring-Verfahren (dokumentierte Beobachtung ein-schliesslich deskriptiver Statistik) werden seit 1998 entsprechende Untersuchungen durchge-führt. Die Fortführung des Projektes soll besonders der Modellbildung in einem kleineren Ökosys-tem gewidmet werden. Seit März 2006 wird in einer Apfelanlage mit 1800 Bäumen in Schaafheim die Übertragung des Modells auf diese Großanlage versucht.

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Publikationsauswahl:

Eine für Deutschland neue Collembolenart: Entomobrya atrocincta Schött, 1896. – DgaaE- Nachr., 2004 18 ,3, 94 – 95. Monitoring von Biodiversität: Die Arthropoden einer Apfelbaumkrone nach Beobachtungen in Süd-Hessen. – Naturwiss. Ver. Darmstadt, Ber., N.F. 2004, 27, 107 – 132. Ein Hundertfüsser der Baumrinde: Der Pinselfüsser Polyxenus lagurus (Linné, 1758). – Collurio, Darmstadt, 2004, 22, 153 – 161.

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G. Risiko-Entscheidungen

G1. Entscheidungsverfahren und –institutionen zur Lösung gesellschaftlicher Risikoentscheidungen

Projektleitung: Prof. Dr. Dirk Ipsen Projektbearbeitung: Dr. Niels Peter Thomas Projektdauer: 2001 – 2005 Projektförderung: TU-Darmstadt

Projektbeschreibung

Unter welchen Bedingungen kann es zu einer von U. Beck (1986 Risikogesellschaft) konsta-tierten‚ Überproduktion von gesellschaftlichen Risiken‚ kommen? Aus ökonomischer Perspektive geht es dabei um systematische Abweichungen der realen Ent-scheidungsbedingungen von denen des Modells der Rationalentscheidung und der Coa-se’schen Verhandlungen: Risikoexternalitäten, verbundene Risiken, systematische Informati-onsdefizite.

Publikationsauswahl:

N. P. Thomas (2003): Risikoentscheidungen und ihre Institutionalisierung jenseits der Transaktionskostenöko-nomie in: Ökonomischer und soziologischer Institutionalismus, hrsg. Michael Schmidt et.al. Marburg (metropo-lis) 211–226. N. P. Thomas (2005): Entscheidungsverfahren und -institutionen zur Lösung gesellschaftlicher Risikoentschei-dungen, Diss. TU-Darmstadt Fb. 1, Marburg (metropolis).

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H. Ambivalenz und Gestaltung

H1. Gestaltung oder Kontrolle des Fortschritts in Forschung und Technik?

Projektleitung: Dr. Wolfgang Liebert Kooperationspartner: IANUS-Mitglieder, Forschungsverbund Naturwissenschaft,

Abrüstung und internationale Sicherheit (FONAS), Dr. Frank Vogelsang (Evangelische Akademie im Rheinland)

Projektdauer: 2004 – 2006 Projektförderung: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

Projektbeschreibung

Auf einer gemeinsamen Tagung der Evangelischen Akademie im Rheinland und der Interdis-ziplinären Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit (IANUS) und dem For-schungsverbund Naturwissenschaft, Abrüstung und internationale Sicherheit (FONAS) „Kon-trolle oder Gestaltung des Fortschritts? Diskussion der Wissenschaftsentwicklung in Erinne-rung an Albert Einstein“ haben etwa 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unter-schiedlichen Fachbereichen über neuere Entwicklungen der Wissenschaft debattiert. Zu der vom BMBF geförderten Wochenendtagung (22.–24. April 2005) waren über 20 Referenten aus angesehenen Forschungeinrichtungen eingeladen worden. Die Diskussion ging von der Frage aus, ob die Ambivalenz in der wissenschaftlichen For-schung eine wichtige Rolle spielt oder ob Wissenschaft als rein kognitives Wissen erst durch Verwertungszusammenhänge gesellschaftlich relevant wird. Dazu sind ausgewählte aktuelle Wissenschaftsfelder von Expertinnen und Experten vorgestellt und diskutiert worden: moder-ne Laserforschung, Satellitentechnik, Stammzellforschung, Nanotechnologien und Mikrobio-logie. Die Debatte zeigte, dass sich alle diese hochdynamischen Wissenschaftsfelder durch Ambivalenz- und Dual-Use-Probleme (militärische und zivile Nutzung) in Forschung und Anwendung auszeichnen. Alle sind durch hohe Komplexität und durch Synergieeffekte einer zunehmend interdisziplinären Forschung gekennzeichnet. Bereits auf der Tagung wurde deutlich, dass in einigen Fällen eine Kontrolle der Forschung notwendig sein kann. Oft besteht aber auch eine Chance auf eine rechtzeitige Gestaltung der Wissenschaft. Damit Kontrollen aber überhaupt zielführend werden können, müssen zumin-dest von Fall zu Fall verrechtlichte Systeme etabliert werden. Die Gestaltung bedarf des kriti-schen Bewusstseins der handelnden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und einer An-nahme der ethischen Herausforderungen durch die Ambivalenzphänomene der Forschung sowie des Dialoges mit der Öffentlichkeit. Dazu gehört auch eine Zurückhaltung bei allzu optimistischen Versprechungen künftiger Früchte der Forschung. In einer Buchveröffentlichung, die sich in Vorbereitung befindet, soll die grundsätzliche Fra-gestellung nach einem angemessenen Umgang mit der Forschung weiter vertieft und anhand der behandelten Beispielfelder konkretisiert werden.

Publikationsauswahl:

W. Liebert: Navigieren in der Grauzone: Kontrolle oder Gestaltung von Forschung und Technik? In: S. Albrecht, R. Braun, T. Held (Hrsg.): Einstein weiterdenken: Wissenschaft – Verantwortung – Frieden. Peter-Lang-Verlag, April 2006.

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I. Theoriewerkstatt und Konzeptentwicklung

I1. Prospektives Technology Assessment (prospektive TA)

Projektbearbeiter: Dr. Wolfgang Liebert, Prof. Dr. Wolfgang Bender, Dr. Jan C. Schmidt Kooperationspartner: IANUS und Prof. Dr. Armin Grunwald (ITAS/FZK) Laufzeit: seit 2002

Projektbeschreibung

Die Verwissenschaftlichung und Technisierung unserer Gesellschaft schreitet voran. Wissen-schaft und Technik sind zukunftsprägend, aber sind sie auch zukunftsorientiert? Sind sie auf verantwortbare, nachhaltige und friedliche gesellschaftliche Zukünfte hin ausgerichtet? Deutlich wird: Die dynamische Entwicklung von Wissenschaft und Technik wird zunehmend als problematisch und ambivalent erfahren. Erwartungshaltungen und Risikowahrnehmungen fordern gleichermaßen heraus, Gestaltungsmöglichkeiten des wissenschaftlich-technischen Fortschritts auszuloten, die frühzeitig und vorsorgend wirksam werden können. Ein derartiger Gestaltungsansatz setzt einiges voraus: Klarheit über zugrunde liegende Werte und Zielset-zungen, Transparenz über verfolgte und verfolgbare Entwicklungslinien sowie über bereits sichtbare Potenziale und mögliche Folgen der Forschung. So wird eine Einbeziehung bislang als wissenschaftsextern betrachteter Einflüsse auf die Entwicklungsdynamik gewährleistet. Eine überwiegend an negativen Abgenzungskriterien oder Risikoanalysen orientierte TA soll-te erweitert werden in Richtung auf eine rechtzeitige Positivbestimmung von innovativen Tendenzen unter Nutzung von Forschung und Technologie. Darauf zielt das bei IANUS entwickelte Konzept prospektiver Technik- und Wissenschaftsbe-wertung und –gestaltung (prospektive TA) ab. Es stellt eine Weiterentwicklung von Ansätzen der Technikfolgenabschätzung und Technikgeneseforschung dar, in der ferner transdisziplinär problemorientierte Forschung, allgemeinere Leitkriterien, Urteilsbildung, sowie konkretisierte Bereichs-Kriterien Berücksichtigung finden. Damit wird die Betrachtung, Bewertung und Gestaltung von spezifischen Forschungs- und Technologiefeldern ermöglicht.

Publikationsauswahl:

W. Bender, J.C. Schmidt (Hrsg.): Zukunftsorientierte Wissenschaft. Prospektive Wissenschafts- und Technik-bewertung, Münster, 2003. D. Ipsen, W. Liebert, R. Finckh: Redaktion für den Präsidenten der TU Darmstadt (Hrsg.): Nachhaltige Gestal-tung von Technik und Wissenschaft, Schwerpunktthemenheft von TUD Thema Forschung, Darmstadt, Heft 2/2004 (136 Seiten). W. Bender, W. Liebert, J.C. Schmidt: Prospektive Gestaltung von Wissenschaft und Technik; Thema Forschung 2/2004, Forschungsmagazin der TU Darmstadt, 2004, 14–23. W. Liebert, J.C. Schmidt, W. Bender: Prospektive Gestaltung von Wissenschaft und Technik – Zum Umgang mit Fragilität und Ambivalenz. In: A.Bora, M.Decker, A.Grunwald, O.Renn (Hrsg.): Technik in einer fragilen Welt. Die Rolle der Technikfolgenabschätzung, Berlin: Sigma-Verlag, 2005, S. 353–362.

I2. Interdisziplinaritätsforschung

Projektleitung: Dr. Jan C. Schmidt Mitwirkende: Dr. Wolfgang Liebert (IANUS) Kooperation: weitere ZIT-Mitarbeiter und IANUS-Mitglieder Laufzeit: 2003–2007

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Projektbeschreibung

Was unter „Interdisziplinarität“ verstanden werden kann, darüber ist bislang kaum Einigkeit erzielt worden. Liegt die Uneinigkeit an der Uneinheitlichkeit der disziplinenübergreifenden Gegenstandsbereiche, der pluralen Erkenntniswege und der heterogenen Geltungsansprüche zwischen Erkenntnis von Welt und Gestaltung unserer Lebenswelt? Kann vielleicht gar nicht von einer wissenschaftlichen Inter- und Transdisziplinarität gesprochen werden, weil Wissen-schaft per se disziplinäre Wissenschaft ist? Oder sind die theoretischen Klärungsanstrengun-gen zur Typisierung und Rekonstruktion von „Interdisziplinarität“ bislang unzureichend ge-blieben? Fragen zur Interdisziplinarität haben einen wissenschaftstheoretischen und methodologischen, aber auch einen hohen wissenschaftspolitischen Stellenwert. Welchen Stellenwert kann eine problemorientierte, kritisch-reflexive Interdisziplinarität, die sich als teilnehmende Forschung begreift, erhalten? Evaluierungen werden vorgenommen, obwohl für interdisziplinäre For-schung kaum adäquate Maßstäbe vorhanden sind. Der Wissenschaftsrat räumt dies ein: „Bei stark interdisziplinär ausgerichteten Instituten stößt disziplinär orientiertes peer review rasch an Grenzen.“ Welche Herausforderungen ergeben sich aus diesem Defizit? Eine Theorie bzw. eine Methodologie interdisziplinärer Zugänge, Wissensgenesen und Gel-tungen steht aus. Ob und in welcher Weise eine Fundierung jedoch überhaupt möglich ist und welche Anforderungen an diese zu stellen wäre, ist ein offenes, aber vielversprechendes Un-tersuchungsfeld von hoher Aktualität für die Gestaltung zukünftiger Forschungskorridore. Essentiell erscheint eine derartige Klärung für die „Interdisziplinäre Technikforschung“, die „Technikfolgenabschätzung“ und die wissenschaftliche Politikberatung. Ziel ist die Klärung folgender Fragestellungen: (a) Gibt es interdisziplinäre Methoden und wie wären diese auszuzeichnen? Welche Zugänge, Genesen und Geltungen könnten als cha-rakteristisch angesehen werden? Sind diese von disziplinär-wissenschaftlichen und außerwis-senschaftlichen Methoden abzugrenzen? (b) Welche Anforderungen sind an interdisziplinäre Methodologien – mit welcher Zielsetzung – zu stellen? Verbleiben die Methodologien primär kontextuell, fragestellungsbezogen und plural, oder einigt sie ein gemeinsames Band? Welche Rolle spielen explikative Reflexionen und normative Revisionen interdisziplinärer Methodo-logien für evaluative Perspektiven?

Publikationsauswahl:

Schmidt, J.C., 2003: Wundstelle der Wissenschaft. Wege durch den Dschungel der Interdisziplinarität, Scheide-wege 33, 2003, 169–189. Liebert, W. 2003: Interdisziplinäre Erfahrungen in der Friedensforschung, in: Wissenschaft und Frieden W&F 21. Jg. Nr. 4, S. 33–36. Schmidt, J.C., 2004: Potenziale und Probleme interdisziplinärer Forschung. Das Beispiel des Sonderforschungs-bereichs „Entwicklung umweltgerechter Produkte (mit Birkhofer, H.); Thema Forschung 2/2004, Forschungs-magazin der TU Darmstadt, 2004, 62–71. Schmidt, J.C., 2005: Methodologische Fragen der Inter- und Transdisziplinarität – Wege zu einer praxisstützen-den Interdisziplinaritätsforschung (mit Grunwald, A.), In: Technikfolgenabschätzung, 2005, 2, 4–11. Schmidt, J.C., 2005: Dimensionen der Interdisziplinarität. Skizze zu einer Wissenschaftstheorie der Interdis-ziplinarität, In: Technikfolgenabschätzung, 2005, 2, 12–17. Bionik und Interdisziplinarität. Wege zu einer bionischen Zirkulationstheorie der Interdisziplinarität, In: Ross-mann, T., Tropea, C. (Hg.): Bionik. Aktuelle Forschungsergebnisse aus Natur-, Ingenieur- und Geisteswissen-schaften, Berlin, 2005, 219–246.

I3. Instabilitäten in Natur und Wissenschaft. Zur Wissenschaftsphilosophie der nachmodernen Physik

Habilitationsprojekt: Dr. Jan C. Schmidt Laufzeit: 2003–2006

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Projektbeschreibung

Dass nicht nur in Stabilität, sondern auch in Instabilität ein Charakterkern von Natur liegt, hat die Physik in den letzten 40 Jahren zeigen können. Instabilität gilt inzwischen als Bedingung der Möglichkeit von Selbstorganisation, von Zeitlichkeit und Dynamik – und auch als Ver-mittlung von Mikroeigenschaften und Makrophänomenen: Natur wird als Natur bestimmbar, insofern sie (auch) instabilitätsfähig ist. Instabilitäten werden von der Physik expliziert, prob-lematisiert und positiviert. Ein instabilitätsbasierter Wandel erreicht die Physik, so die zentra-le These der vorliegenden Habilitationsarbeit. Der Wandel betrifft nicht nur das physikalische Natur-, sondern insbesondere das Wissenschaftsverständnis, also das, was Physik ist und sein kann. Damit könnte er tiefgreifender sein als der Wandel durch Relativitäts- und Quanten-theorien mit ihrem Bezug auf die Natur des abstrakten Makro- und Mikrokosmos. In dem Projekt wird versucht, diesen Wandel des Natur- und Wissenschaftsverständnisses in der neueren Geschichte der Physik zu charakterisieren. Dass die Physik im 16. Jahrhundert methodologisch auf ein Gleis gesetzt wurde, mag zwar zutreffen. Dass damit ein spezifisches Physik- und Wissenschaftsverständnis ein für allemal zementiert worden wäre, erscheint fragwürdig. Mit der Entdeckung und Anerkennung von Instabilitäten in Natur, Technik und Gesellschaft – verbunden mit der sukzessiven Computer-Technologisierung von physikali-schem Erkenntnishandeln und der neuen Rolle digitaler Visualisierungstechniken – treten Modifikationen im Physikverständnis hervor. Von Chaos, Komplexität und Selbstorganisation ist vielfach die Rede. Eine „nachmoderne Physik“, wie sie genannt werden könnte, zeigt sich: Eine neue Physik emergiert, ohne alles Alte hinter sich zu lassen. Die nachmoderne Physik wird in diesem Habilitationsprojekt in wissenschaftshistorischer wie in wissenschaftstheoreti-scher Hinsicht charakterisiert.

Publikationsauswahl:

Schmidt, J.C., 2003: Beschränkungen des Reduktionismus. Die Geist-Gehirn-Debatte im Lichte von Chaos- und Komplexitätstheorien, In: Schmidt, J.C., Schuster, L. (Hg.): Der entthronte Mensch? Anfragen der Neurowissen-schaften an unser Menschenbild, Paderborn, 2003, 194–228. Schmidt, J.C., 2004: Auf des Messers Schneide ... Instabilitätstypen in der Nichtlinearen Dynamik, Praxis der Naturwissenschaften – Physik 53(2), 2004, 15–21. Schmidt, J.C., 2004: Greifbare Grenzen. Instabilitäten als Wegweiser zu erkenntnistheoretischen Grenzen, Praxis der Naturwissenschaften – Physik 53(2), 2004, 22–24. Schmidt, J.C., 2005: Einheit und Vielheit von Selbstorganisation in der Physik; In: Abel, G. (Hg.): Kreativität (Bd. 2), 2005, 313–321. Schmidt, J.C., 2005: Zufall (mathematisch, physikalisch, biologisch), In: Historisches Wörterbuch der Philoso-phie, Band 12, 2005, 1419–1424.

I4 Dissertationsprojekt „Experten in der Technikfolgenabschätzung“

Projektbearbeitung: Dipl.-Ing. R. Finckh Betreuer: Prof. Dr. Peter Euler, Prof. Dr. Armin Grunwald Projektbeginn: Juli 2004

Projektbeschreibung

Die Technikfolgenabschätzung (TA) ist eine Praxis, die sich die wissenschaftliche Bearbei-tung von Themen mit hoher gesellschaftlich-politischer Relevanz zum Ziel gesetzt hat. Es werden politische Entscheidungen vorbereitet, Problemfelder, Trends und Chancen ausgelotet und wissenschaftliche Grundlagen vermittelt. Die Adressaten – Politik, Medien, Wirtschaft und Öffentlichkeit – sind dabei so heterogen wie die Arbeitsweisen in der TA: partizipative, konstruktive, rationale TA, Technikbewertung und Innovations- & Technikanalyse stehen für

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gänzlich unterschiedliche Modelle davon, was TA im Kern ist. Damit ist TA eine vielstimmi-ge Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis von Politik und Wissenschaft. Innerhalb verschiedener Zweige der „scientific community“ der TA wird intensiv über Di-lemmata, Probleme, Rollen und Funktionen von „Experten“ diskutiert. Die Positionen der Wissens- und Professionssoziologie, auf die die TA dabei zumeist rekurriert, bieten aber typi-scherweise keine ausreichende Basis für eine Verhältnisbestimmung von „TA“ und „Exper-ten“: Sie verbinden mit „Experten“ nur die Probleme von Machtmissbrauch (Expertokratie), Käuflichkeit (Gefälligkeitsgutachten), Ideologisierung und verschleierter Inkompetenz. Diese Perspektive macht aber die Frage nach der möglichen Funktion von „Experten“ im Span-nungsfeld von Wissenschaft, Öffentlichkeit und Politik unmöglich. Im Gegensatz dazu soll in diesem Projekt die Rolle von „Experten“ in der TA unter drei sich ergänzenden Perspektiven untersucht werden: - Was sind die „realen“ Experten-Rollen in der Praxis der TA, wo immer wieder Experten,

Laien, Entscheidungsträger und Betroffenen in neue Konstellationen gebracht werden? - Was ist die Rolle von „Experten“ im Diskurs der TA, die Parallelen aufweist sowohl zur

Rolle der Technikfolgenabschätzer wie zur gesellschaftlichen Stellung der TA als ganzes? - Kann die Rolle von „Experten“ als Ausgangspunkt der Entstehung und Differenzierung

von der TA interpretiert werden? Ist TA die Institutionalisierung von Expertenhandeln? Dazu wird, ausgehend von wissenschaftstheoretischen Diskursen (Transdisziplinarität, Ver-antwortung in der Wissenschaft, Gestaltung & Ambivalenz), ein bildungstheoretisches Ver-ständnis von „Experten“ und „Laien“ entwickelt. Dieses soll sowohl für den methodologi-schen Diskurs in der TA fruchtbar gemacht werden als auch für die Bildungstheorie, die in vielen ihrer zentralen Begriffe (Beratung, Vermittlung, Verstehen, Professionalisierung, Wis-sen) direkt von dieser Frage betroffen ist. Anhand ausgesuchter TA Projekte und Methoden soll die Verwendbarkeit eines solchen bildungstheoretisch erweiterten Verständnisses von „Experten“ und „Laien“ illustriert werden.

Publikationsauswahl:

R. Finckh 2005: Gestaltung von Forschung und Technologie – ExpertInnen an den Grenzen der Wissenschaft, Wissenschaft und Frieden 2/2005, 23. Jhg., S.15–18.

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J. Studienschwerpunkt

J1. Interdisziplinärer Studienschwerpunkt „Nachhaltige Gestaltung von Technik und Wissenschaft“

Mitwirkende: IANUS-Mitglieder und darüber hinaus Koordinator: Dipl.-Ing. Richard Finckh Kooperationspartner: zahlreiche Institute und Einrichtungen der TUD (darunter ins-

bes. das ZIT und die HDA) Projektbeginn: Wintersemester 2003/2004 (Vorlauf ab 2002)

Projektbeschreibung

Entwicklung Die Wahrnehmung ambivalenter und riskanter Entwicklungen im Kontext des wissenschaft-lich-technischen Fortschritts erfordert eine Revision auch der Lehre an einer TU. Nach einem Workshop im Mai 2003, wurde beschlossen unter Koordination von IANUS ein entsprechen-des Studienangebot für Studierende aller Studiengänge zu konzipieren. Als Vorlauf diente eine Veranstaltungspaket zur „Wissenschafts- und Technikgestaltung“, die im SS 2002 von Prof. Grunwald als SEL-Stiftungsprofessor am ZIT – ergänzt durch weitere Veranstaltungen von IANUS – durchgeführt wurde. Form und Inhalt Problemorientiertes interdisziplinäres Arbeiten – verbunden mit einer Reflexion wissenschaft-licher Praxis in weiteren Kontexten – stellt den methodischen Kern des Studienschwerpunktes dar. Dazu dienen insbesondere aktivierende Lernformen, exemplarische Arbeitsweise und Kooperationen von Lehrenden. Inhaltlich steht die Frage im Mittelpunkt wie „Gestaltung“ von Wissenschaft und Technik möglich ist. Können diese an übergreifenden Zielen und Wer-ten wie dem Leitbild der „Nachhaltigen Entwicklung“ ausgerichtet werden? Diese Fragen werden anhand verschiedener Technologiebereichen (u. A. Biomedizintechnik, Analytik, Nukleartechnologien) entwickelt, Gestaltungsansätze werden exemplarisch angewandt, Ent-scheidungsprozesse werden untersucht und theoretische Erklärungsrahmen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften herangezogen. Mit dieser Themenspanne ist die Lehre im Studien-schwerpunkt auch an die Forschungsaktivitäten von IANUS rückgebunden. Lehre Vom WS 03/04 bis zum SS 06 wurden im Studienschwerpunkt 32 Lehrveranstaltungen ange-boten, wobei die Hälfte davon im Kontext des Studienschwerpunktes entwickelt wurden. Modularisierung NaG zielt als interdisziplinärer Studienschwerpunkte ab auf eine Ergänzung der fachbezoge-nen Lehre. Um als Ergänzungsmodul verwendbar zu werden, wurde im Sommer 2005 eine Studienstruktur entwickelt, die drei Säulen benennt: 1. Exemplarische Veranstaltungen, die technisch-wissenschaftliche Beispielfelder in den

Mittelpunkt stellen (z.B. Stammzellenforschung, Kernwaffen). 2. Theoretische Veranstaltungen, die an geistes- und sozialwissenschaftliche Theorien von

Forschung und Technik anknüpfen. (z.B. Interdisziplinarität, Wissenschaftsforschung). 3. Konzeptionelle Veranstaltungen, in denen Ansätze zur Gestaltung von Wissenschaft

und Technik diskutiert und erprobt werden. (z.B. Technikfolgenabschätzung, präventive Rüstungskontrolle, Nachhaltige Entwicklung).

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Diese Säulen bilden die Grundlage für spezifische Modulbeschreibungen in einzelnen Stu-dienordnungen. AG TUD Interdisziplinär An der TUD existieren mehrere Interdisziplinäre Studienschwerpunkte mit gemeinsamen In-teressen bezüglich Lehrinhalten, gemeinsamer Programmentwicklung, Außenwahrnehmung und hochschulpolitischen Zielen. Um diese Ziele zu verfolgen wurde 2005 die AG TUD In-terdisziplinär von HDA, ZIT und IANUS gegründet, die eine Reihe von Aktivitäten entfaltet hat: Evaluation (Seit 2005) Die kontinuierliche Weiterentwicklung des Studienschwerpunktes bedarf einer angepassten Evaluation der durchgeführten Lehrveranstaltungen. Hierzu wird in Kooperation mit der HDA und dem ZIT ein Evaluationskonzept entwickelt, um einen möglichst umfassenden Überblick über die Charakteristika der Studienschwerpunkte zu gewinnen. In diesem Rahmen wird seit dem WS 04/05 eine systematische Befragung der Studierenden durchgeführt. Eine engere Einbeziehung der Lehrenden, eine Befragung der Ehemaligen und Kooperationen mit den Fachbereichen als „Abnehmern“ des Modulangebotes sind in Planung. STEP – Sustainable Technology Education Programme (Zeitraum 2006–2007) Um diese Bemühungen zusammenzuführen, wurde unter Verantwortung des ZIT gemeinsam mit der HDA und IANUS das Kooperationsprojekt STEP – Sustainable Technology Educati-on Programme entwickelt. Ziel ist es, die Lehre der Studienschwerpunkte untereinander abzu-stimmen und diese mit je eigenem Profil weiterzuentwickeln. Weiterhin sollen Lehrprojekte entwickelt werden, die eine Vernetzung der TUD mit anderen Institutionen insbesondere der Region ermöglichen. STEP wurde zertifiziert als „Offizielles Projekt der UN Weltdekade 2006/2007 Bildung für Nachhaltige Entwicklung“. Modellprojekt zur ECTS-Punkt Vergabe (seit 2005) Mit der Umstellung der Studienordnungen auf das B.A./M.A. System werden Studienleistun-gen nach dem Punktesystem ECTS bemessen. Da diese Punkte in den Fachbereichen nach verschiedenen Kriterien vergeben werden, die Veranstaltungen der Studienschwerpunkte aber in allen Fachbereichen anerkennbar sein sollen, wurde ein Vorschlag zur transparenten ECTS-Vergabe in den Studienschwerpunkten erarbeitet. Dieser orientierte sich an den individuellen Studienleistungen und kann so den Studierenden optimal zur Dokumentation ihres Studiums dienen. Dieses Modellprojekt zur ECTS-Vergabe wurde von dem Kreis der Studiendekane geneh-migt.

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K. International Network of Engineers and Scientists Against Proliferation (INESAP)

K1. Koordinierung von INESAP

Koordinatorin: Regina Hagen Kooperationspartner: IANUS-Mitglieder, Prof. Martin Kalinowski (Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung/ZNF an der Universität Hamburg), Dr. Jürgen Scheffran (University of Urbana-Champaign, Illinois/USA); weitere internationale Kooperationspartner. INESAP-Beirat: (Coordinating Committee) Prof. Anatoli Diakov (Russland), Prof. Kathryn Nixdorff (Deutschland), Dr. George Lewis (USA), Dr. Morten Bremer Mærli (Norway), Dr. Zia Mian (Pakistan), Prof. Dingli Shen (China), Prof.Fernando de Souza Barros (Brasilien) Projektbeginn: 1992 Projektförderung: zur Zeit: Nuclear Age Peace Foundation (USA)

Projektbeschreibung

Das International Network of Engineers and Scientists Against Proliferation (INESAP) wurde 1993 von IANUS (vorrangig Wolfgang Liebert und Jürgen Scheffran) ins Leben gerufen. I-NESAP wird seit Beginn von IANUS aus koordiniert (1996 bis 1999 hauptsächlich durch Martin Kalinowski). Im Februar 2001 wurde eine hauptamtliche Koordinatorin eingestellt. INESAP ist Teil der Aktivitäten des International Network of Engineers and Scientists for Global Responsibility (INES). Dadurch hat INESAP bei den Vereinten Nationen den Status einer Nichtregierungsorganisation. INESAP strebt mit seiner Arbeit vor allem die Stärkung der Rüstungskontroll- und Nicht-verbreitungsregime für chemische, biologische und Kernwaffen sowie für ballistische Rake-ten als Trägersysteme an und beschäftigt sich in Kooperation mit anderen Organisationen mit der Ausarbeitung und Förderung innovativer Konzepte zur Rüstungskontrolle, Nichtverbrei-tung und Abrüstung. Dabei zielt INESAP langfristig auf die Transformation der bestehenden Kontroll- und Nichtproliferationsregime hin zu einer Welt ohne Kern- und andere Massenver-nichtungswaffen (Nuklearwaffenkonvention bzw. „atomwaffenfreie Welt“). Im Zusammenhang mit der zunehmenden Proliferation von ballistischen Raketen befaßt sich INESAP außerdem mit Alternativen zu Raketenabwehr und Weltraumrüstung. Ziel sind hier ein globales Zero Ballistic Missile Regime und völkerrechtliche Vereinbarungen zum Verbot von Weltraumwaffen (Space Weapons Ban). Obgleich geprägt durch wissenschaftliche Vorgehensweisen, begreift sich INESAP als Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft. In diesem Sinne erstellt INESAP Analysen zu technischen, wissenschaftlichen und damit verbundenen politischen Themen, die vor allem Eingang in Briefing Papers und Technical Reports finden. Hauptpubli-kationsorgan ist das INESAP Information Bulletin, das etwa zwei Mal jährlich (koordiniert von Regina Hagen und Jürgen Scheffran) in einer Auflage von über 1.000 Exemplaren ge-druckt und an einen breiten internationalen Abonnentenkreis versendet sowie komplett ins Internet eingestellt wird. Ein wichtiges Element der Arbeit von INESAP ist die Vernetzung mit anderen wissenschaft-lichen und zivilgesellschaftlichen Gruppen auf nationaler und internationaler Ebene. INESAP war 1995 Mitbegründer des weltweiten Netzwerks zur Abschaffung von Atomwaffen „Aboli-tion 2000“ und gab bereits 1993 Starthilfe für die deutsche Abolition 2000-Sektion, den Trä-

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gerkreis „Atomwaffen abschaffen – bei uns anfangen!“ INESAP ist u.a. Mitglied im Interna-tional Peace Bureau und bei der Middle Powers Initiative, kooperiert mit dem Global Net-work Against Weapons and Nuclear Power in Space und dem European Network for Peace and Human Rights, und berät seit 2003 die internationale Bürgermeisterorganisation „Mayors for Peace“. INESAP-Aktive und die INESAP-Koordinatorin werden häufig von anderen Ver-anstaltern als Referenten und Autoren angefragt.

Publikationsauswahl:

The Proliferation of Umbrellas in Northeast Asia, INESAP Information Bulletin #24, Dezember 2004. Transformation of the Nuclear Control Regime, INESAP Information Bulletin #25, 78 pages, April 2005. Regina Hagen und Jürgen Scheffran, International Space Law and Space Security – Expectations and Criteria for a Sustainable and Peaceful Use of Outer Space, in: Marietta Benkö and Kai-Uwe Schrogl, Space Law: Cur-rent Problems and Perspectives for Future Regulation, Volume 2 of the series „Essential Air and Space Law“, eleven international publishing, 2005, S. 273–301.

K2. INESAP-Aktivitäten zum nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NVV)

Projektbearbeitung: Regina Hagen Kooperationspartner: Dr. Jürgen Scheffran (University of Urbana-Champaign, Illinois/USA), Dr. David Krieger (Nuclear Age Peace Foundation, Santa Barbara/USA), weitere internationale Kooperationspartner Projektlaufzeit: seit 1993 Projektförderung: Nuclear Age Peace Foundation (USA) und Alice Slater

Projektbeschreibung

Im Fünf-Jahres-Rhythmus wird der nukleare Nichtverbreitungsvertrag (NVV) von den Ver-tragsparteien in einer vierwöchigen Konferenz, die bei den Vereinten Nationen in New York stattfindet, überprüft. Im Vorfeld finden in der Regel in den drei vorhergehenden Jahren kür-zere Vorbereitungskonferenzen statt. INESAP hat sich – wie schon bei den Überprüfungskonferenzen 1995 und 2000 – als Beob-achter und aktive Nichtregierungsorganisation an den aktuellen Vorbereitungskonferenzen (New York 2002, Genf 2003, New York 2004) sowie an der Überprüfungskonferenz im Mai 2005 bei den Vereinten Nationen in New York beteiligt. Zwischen den Konferenzen fanden wiederholt Treffen mit Mitarbeitern der Abrüstungsabteilung des Auswärtigen Amtes und des zuständigen deutschen Delegationsleiters (Botschafter bei der Abrüstungskonferenz in Genf) statt. Ziel der Publikationen, Seminare und Panels sowie der Lobbyarbeit von INESAP bei den Diplomaten ist die Propagierung entschiedener Schritte hin zur vollständigen Abschaf-fung von Atomwaffen. Dabei arbeitet INESAP eng mit anderen internationalen und nationa-len Nichtregierungsorganisationen zusammen. Mit dem Auftreten der internationalen Bürgermeisterorganisation „Mayors for Peace“ und ihrer „2020 Vision“-Kampagne bei der Vorbereitungskonferenz 2003 erhielt die Forderung nach einer atomwaffenfreien Welt in der internationalen Zivilgesellschaft neuen Auftrieb. INESAP beteiligte sich im jüngsten NVV-Konferenzzyklus aktiv an der Beratung der Mayors for Peace und sorgte dafür, dass die Forderung nach einer völkerrechtsverbindlichen Nukle-arwaffenkonvention ein prominentes Kampagnenziel wurde. (INESAP verfasste gemeinsam mit der internationalen Ärzteorganisation IPPNW und der internationalen Juristenvereinigung IALANA einen Entwurf für eine Nuklearwaffenkkonvention, der seit 1997 offizielles UN-Dokument ist und jährlich in Resolutionen der UN-Generalversammlung referenziert wird.) 2006 nahm INESAP gemeinsam mit anderen internationalen Nichtregierungsorganisationen die Diskussion über Vorgehen, Konzepte und Vorbereitungen für den neuen Konferenzzyklus

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2007–2010 auf. Hierbei findet vor allem eine enge Zusammenarbeit mit der vom ehemaligen kanadischen Senator Douglas Roche geleiteten Middle Power Initiative statt.

Veranstaltungen bei NVV-Überprüfungskonferenz 2005:

Panel „Beyond the NPT. Towards the Nuclear Weapon Free World“INESAP, 6.5.2005. Panel „A Case in Point: Rokkasho. A Call for an Indefinite Postponement of the Japanese Rokkasho Reprocess-ing Plant“, INESAP in Zusammenarbeit mit Peace Boat (Japan) und Physicians for Social Responsibility (USA), 24.5.2005 Panel „Legal, Technical and Political Steps to a Nuclear Weapons Free World – A Nuclear Weapons Conven-tion?“ INESAP in Zusammenarbeit mit IALANA, 27.5.2005.

Publikationsauswahl:

J. Scheffran, W. Liebert, M. Kalinowski: Beyond the NPT – The Transformation of the Nuclear Control Regime to a Nuclear-Weapon-Free World, INESAP Information Bulletin No. 25, April 2005, S. 4–9.

K3. iGSE – independent Group of Scientific Experts on the detection of nuclear-weapons-usable materials production

Projektleitung: Prof. Martin Kalinowski (ZNF) und Dr. Wolfgang Liebert (IANUS) Projektbearbeitung: Regina Hagen (INESAP); zwei Duzend internationale Wissenschaftler Kooperationspartner: Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung (ZNF) an der Universität Hamburg Wissenschaftlicher Projektbeirat: Prof. Ola Dahlmann (Sweden), Prof. Frank von Hippel (Princeton University), Dr. Wolfgang Liebert (IANUS/TUD), Dr. Gotthard Stein (Forschungszentrum Jülich), Dr. Julian Whichello (International Atomic Energy Agency/IAEA, Wien). Projektlaufzeit: zunächst 2006 (bei Anschlussfinanzierung Fortsetzung bis 2009 denkbar) Projektförderung: John D. and Catherine T. MacArthur Foundation

Projektbeschreibung

In March 2006, INESAP, IANUS, and ZNF launched a new project: the independent Group of Scientific Experts on the detection of clandestine nuclear-weapons-usable materials pro-duction (iGSE). The iGSE will address the most significant gap and largest challenge for veri-fication of nuclear non-proliferation: the detection of clandestine weapons-usable materials production. A network of excellence, the independent Group of Scientific Experts (iGSE), has been formed to develop and demonstrate technologies and procedures for remote environ-mental sampling for clandestine nuclear-weapons-usable materials and other novel method-ologies. The iGSE founding workshop was held in Vienna on May 10–13, 2006. The unique features of this project are the combination of the required expertise; the inde-pendence of scientists from governmental, diplomatic, and organizational interests; real dem-onstrations in field tests; coordinated research efforts and common applications for funding; and public availability of the project results. The iGSE will work with the International Atomic Energy Agency (IAEA), the European Safe-guards Research and Development Association (ESARDA), and the International Panel on Fis-sile Materials (IPFM).

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The goal of the iGSE is to facilitate progress in verification methodologies and new measure-ment technologies with respect to unreported production of plutonium and highly enriched ura-nium (HEU). In this initial project phase (2006), the project will

• define the agenda and prepare a proposal for a 3-year working phase of the iGSE; • assure that research and development work on verification of non-production of nu-

clear-weapons-usable materials is optimized by coordinated efforts.

The goals of the subsequent 3-year iGSE working phase will encompass the following: a) Summarize the state-of-the-art, identify open issues for further research, and initiate

related projects. b) Develop practical procedures for air sampling during complementary access inspec-

tions to detect clandestine production of weapons-usable nuclear materials based on existing technology and published data.

c) Apply atmospheric transport modeling and statistical data analysis to demonstrate the capabilities in locating a possible source based on reported data.

d) Demonstrate the proposed verification procedures to detect known activities (e.g. krypton-85 as indicator for plutonium separation; UF6 and its reaction products such as (HF)n and UF2(OH)2 as indicator for uranium enrichment) and report about the find-ings.

e) Set up an interactive online archive for viewing and downloading observation data, a map showing the source location as determined by atmospheric transport modeling, plus supporting information and explanations.

f) Raise public awareness of the existence of efficient verification means.

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L. Verantwortbarer Umgang mit dem Atom

L1. Dissertationsprojekt: Wege zur Proliferationsresistenz von Forschungsreaktoren

Projektbearbeitung: Dr. Alexander Glaser Betreuer: Prof. Dr. Franz Fujara, Dr. Wolfgang Liebert Projektdauer: 2001–2005

Projektbeschreibung

Der Einsatz von waffentauglichem hochangereichertem Uran (HEU) in vielen Forschungsre-aktoren wird – insbesondere seitdem die Sorge vor Nuklearterrorismus wächst – international erheblich ernster genommen als in früheren Jahren. Brisant wird die Brennstofffrage dadurch, dass zur Zeit knapp 60 Länder Forschungsreaktoren betreiben und somit theoretisch die Nut-zung von waffentauglichem hochangereichertem Uranbrennstoff (high enriched uranium HEU) für ihre Anlagen fordern könnten, die einerseits zu hohen Neutronenflüssen für die Fo-schung aber auch andererseits für eine stetige latente Proliferationsgefahr sorgt. Um diese offensichtlichen zivil-militärische Ambivalenz von HEU anzugehen, sind seit Ende der 1970er Jahre internationale Bemühungen im Gange, eine Umrüstung der Forschungsreaktoren von HEU auf nicht für Waffen verwendbares niedrig angereichertes Uran (LEU) durchzufüh-ren. Neue Forschungsreaktoren werden seitdem in aller Regel auf der Basis von LEU-Brennstoff ausgelegt, die eine technische Alternative zur Hochanreicherung durch hohe Ver-dichtung des Brennstoffs nutzen. Einige existierende Reaktoren mit besonders hohen Neutro-nenflüssen entziehen sich jedoch aus technischen Gründen bislang einer Umrüstbarkeit. Seit Ende der 1990er Jahre befindet sich aber eine neue Generation von Brennstoffen besonders hoher Dichte in Entwicklung, sog. Uran-Molybdän (UMo) Brennstoffe, mit denen die Umrüs-tungsaktivitäten einen neuen Schub bekommen haben. Das Dissertationsprojekt nahm die neueste Entwicklung von sog. monolithischen UMo-Brennstoffen höchster Dichte als Anlass für Simulationsrechnungen an sog. Ein-Brennelement-Reaktoren, die ein wesentliches Designmerkmal international herausragender Hochflussreaktoren sind (Réacteur à haut flux (RHF) am Institut Laue-Laungevin in Grenobe, High Flux Isotope Reactor (HFIR) am Oak Ridge National Laboratory, Forschungsreaktor München II (FRM-II) an der TU-München in Garching). Damit sollte das Potenzial für eine Umstellung praktisch aller Forschungsreaktoren von HEU auf LEU – durch Untersuchungen zu der Spitzengruppe – bestimmt werden. Zu diesem Zweck wurde ein eigenes Programmsys-tem auf der Basis von Monte-Carlo-Neutronentransport-Codes und Reaktorabbrand-Codes zur vollständigen 3-D-Simulation des Reaktorkerns von Ein-Brennelement-Reaktoren inklu-sive weiterer Einrichtungen im Reaktortank entwickelt und validiert. Weiterhin wurde ein Programmsystem zur linearen Optimierung von Reaktorauslegungen für einen Satz relevanter Designparameter entwickelt. Als Optimierungsziel wurde die Abreicherung des Brennstoffs unter die international festgelegte HEU-LEU-Grenze von 20% Anreicherung (Proliferations-resistenz) und die Optimierung des Neutronenflusses für die wissenschaftliche Nutzung der Neutronenquelle angestrebt. Ein neues Bewertungsmaß wurde dazu erdacht. Als Ergebnis der Rechnungen zeigt sich, dass die Umstellung von HEU auf LEU für praktisch alle Forschungsreaktoren weltweit gelingen sollte, wenn die neuartigen UMo-Brennstoffe zur Verfügung stehen. Damit könnte ein beachtlicher Beitrag zu mehr Proliferationssicherheit durch eine proliferationsresistente Gestaltung von Forschungsreaktoren geleistet werden. Die Umstellung des Münchner Reaktors FRM-II, der 2004 – als absolute internationale Aus-nahme – mit HEU in Betrieb gehen durfte, aber eine Umrüstungsverpflichtung bis Ende 2010 hat, stellt sich naturgemäß als besonders schwierig heraus, denn er war mit hochdichten, für

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die HEU-LEU-Konversion von Reaktoren entwickelten Brennstoffen in hochangereicherter Form ausgelegt worden und es wurden beim Bau keine räumlichen Spielräume für eine zu-künftige Umrüstung auf LEU vorgesehen. Die Ergebnisse der Dissertation zeigen aber, dass mit monolithischen UMo-Brennstoffen eine Abreicherung auf zumindest weniger als 30% möglich sein müsste.

Publikationsauswahl:

A. Glaser, F. Fujara, C. Pistner, W. Liebert: Mathematica as a versatile tool to set-up and analysze neutronic calculations for research reactors. In: Proceedings of the International Meeting on Reduced Enrichment of Re-search and test Reactors, Argonne National Laboratory, Chicago, Illinois, USA, 5–10 October 2003, ANL/NE/TM03–05, Jan. 2004, p.277–388. A. Glaser: Monolithic Fuel and High-Flux Reactor Conversion, In: Proceedings of the 26th International Meet-ing on Reduced Enrichment for Research and Test Reactors (RERTR), Vienna International Centre, Vienna, Austria, November 7–12, 2004. A. Glaser: About the Enrichment Limit for Research Reactor Conversion: Why 20% ?, The 27th International Meeting on Reduced Enrichment for Research and Test Reactors (RERTR), Boston, USA, November 6–10, 2005. A. Glaser: Neutronics Calculations Relevant to the Conversion of Research Reactors to Low Enriched Fuel, Dissertation, TU Darmstadt, 2005.

L2. Untersuchungen zur Einlösung der Umrüstungsverpflichtung des Forschungsreaktors München II auf nicht waffentauglichen Brennstoff

Projektleitung: Dr. Wolfgang Liebert Projektbearbeitung: Dipl.-Phys. Matthias Englert, Dr. Alexander Glaser,

Dr. Wolfgang Liebert Kooperationspartner: Prof. Dr. Franz Fujara, Prof. em. Dr. Egbert Kankeleit, Program

on Science on Global Security der Princeton University, USA Projektdauer: Beginn 2004 Projektförderung: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF),

Berghof-Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung

Projektbeschreibung

Mit Erteilung der Betriebsgenehmigung im Jahr 2003 hat der Forschungsreaktor München II (FRM-II) die genehmigungsrechtlich verbindliche Auflage, bis zum Jahresende 2010 den zu-nächst erlaubten Einsatz von waffentauglichem hochangereicherten Uran (HEU) durch nied-riger angereicherten Brennstoff zu ersetzen. Zur Zeit befinden sich neuartige Uranbrennstoffe besonders hoher Dichte auf der Basis von Uran-Molybdän (UMo) in Entwicklung, die für diese Brennstoffkonversion geeignet sein könnten. Die Umrüstungsverpflichtung des FRM-II hat herausragende Bedeutung, da er bislang aktuell bereits existierende Konversionsbrenn-stoffe – weltweit einmalig – in hochangereicherter Form nutzt. Ein schädlicher Präzedenzfall, der wie sich bereits abzeichnet, Schule machen könnte. Heute ist nicht klar, wie die Umrüstung durchgeführt werden kann, da die vom Betreiber TU München zunächst favorisierten UMo-Dispersionsbrennstoffe (die bei einer Reduktion der Hochanreicherung auf 50% eingesetzt werden sollen) erhebliche Rückschläge bei der Ent-wicklung haben hinnehmen müssen, so dass ihre Qualifizierbarkeit für den Einsatz im FRM-II nunmehr in Frage steht. Als Alternative befinden sich sog. monolithische UMo-Brennstoffe in Entwicklung. Diese sind hoch attraktiv, da sie voraussichtlich für den Reaktoreinsatz im FRM-II qualifizierbar sind und eine weitergehende Reduktion der Anreicherung zulassen. Gleichzeitig verspricht die nochmals erhöhte Dichte dieses Brennstoffs eine auch vom Betrei-ber und den Nutzern akzeptierbare Reduktion der hinzunehmenden Neutronenflussverluste bei der Umstellung.

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Im Projekt werden betreiberunabhängige Berechnungen durchgeführt, die das Potenzial zur Neuoptimierung des Brennelements des FRM-II unter Verwendung von monolithischem UMo bei möglichst niedriger Anreicherung und möglichst geringen Neutronenflussverlusten aufzeigen. Zu diesem Zweck wurden in der IANUS-Forschungsgruppe entwickelte Berech-nungstools zielgerecht an diese Aufgabe angepasst. Solche Berechnungsverfahren haben auch Relevanz für die weltweit angestrebte Umrüstung sämtlicher Forschungsreaktoren – unter Einschluss der Hochflussreaktoren –, die nach Plänen des US-Vorreiters in diesem Bereich bis 2014 erfolgen soll und kann. Parallel wird die internationale Brennstoffentwicklung beo-bachtet und in Hinblick auf die anstehende Umrüstung des FRM-II eingeschätzt. Erste Rechnungen zeigen, dass eine Abreicherung auf zumindest weniger als 30% möglich sein müsste. Da die Betreiber beim Bau (1996–2003) kaum Spielraum für Veränderungen der Kerngeometrie zugelassen haben, zeigt sich auch, dass es besonders schwer werden wird, das proliferationspolitische Ziel einer Anreicherung von nur 20% (die international festgelegte Grenze zu HEU) bei geringfügiger Reduktion des für Experimente nutzbaren Neutronenflus-ses zu erreichen. Es zeichnet sich aber bereits ab, dass die Suche nach einer 20%-Lösung (LEU) Erfolg versprechend ist. Die Ergebnisse der Untersuchung werden der Politik und der interessierten Öffentlichkeit in allgemein verständlicher Form bekannt gemacht. Ziel ist es, in der wichtigen Phase der Jahre 2006/2007, in der die wesentlichen Vorentscheidungen für die Umstellungsoptionen des FRM-II fallen, die Perspektive der Nichtverbreitung in der Diskussion so weit zu stärken, dass eine von diesem Standpunkt aus befriedigende Lösung – bei gleichzeitigem Erhalt der wis-senschaftlichen Nutzbarkeit der Neutronenquelle – gefunden und politisch umsetzbar werden kann. Damit soll zum dringlichen internationalen Ziel der proliferationsresistenten Auslegung von Forschungsreaktoren – und damit zur Eliminierung des Waffenstoffs HEU im zivilen Bereich – ein zentraler Beitrag geleistet werden und Wege zur Beilegung des Konflikts um den Brennstoff des FRM-II aufgezeigt werden.

Publikationsauswahl:

A. Glaser: Neutronois Calculations Relevant to the Conversion of Research Reactors to Low Enriched Fuel, Dissertation, TU Darmstadt, 2005. M. Englert, A. Glaser, W. Liebert: Untersuchungen zu technischen Potenzialen für die Umrüstung des For-schungsreaktors München II, Zwischenbericht an das BMBF, Darmstadt, Aug. 2005 (53 Seiten). M. Englert, A. Glaser, W. Liebert: Optimization Calculations for the Use of Monolithic UMo Fuel in High Flux Research Reactors, In: Transactions of the 10th International Meeting on Research Reactor Fuel Management (RRFM), 30. April – 3. May 2006, Sofia, p. 235–237.

L3. Promotionsvorhaben: Neutronenphysikalische Berechnungen zur Erhöhung der Proliferationsresistenz von Hochflußneutronenquellen

Projektbearbeitung: Dipl.-Phys. Matthias Englert Betreuer: Prof. Dr. Franz Fujara, Dr. Wolfgang Liebert Kooperationspartner: Prof. em. Dr. Egbert Kankeleit, Dr. Alexander Glaser (Program

on Science and Global Security der Princeton University, USA), Reduced Enrichment for Research and Test Reactors (RERTR) Programm (Argonne National Laboratory USA), Dr. D. L. Moses (Nuclear-Nonproliferation Programs, Oak Ridge National Laboratory, USA).

Projektbeginn: 2004

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Projektbeschreibung

In der Promotionsarbeit werden systematisch die physikalischen Aspekte der Proliferationsri-siken von Hochflussneutronenquellen und deren proliferationsresistente Gestaltung unter-sucht. Im Falle von Hochfluss-Forschungsreaktoren die mit hochangereichertem Uran (highly enri-ched uranium – HEU) betrieben werden, das für den Bau von Kernwaffen genutzt werden kann, besteht die Notwendigkeit der Umrüstung auf niedrigangereichertes Uran (low enriched uranium (LEU). Die Umrüstung des derzeit mit HEU betriebenen Forschungsreaktors Mün-chen (FRM-II) auf die Nutzung von LEU erfordert hierbei eine Neuoptimierung der Brenn-elementgeometrie. Hierzu soll ein aufwändiger „globaler“ – möglichst viele Parameter umfas-sender – Optimierungsalgorithmus mit Hilfe mehrerer Simulationscodes implementiert und automatisiert werden. Dabei kann auf die bei IANUS angefertigten Dissertationen von A. Glaser und C. Pistner aufgebaut werden. Ziel ist es, mit Hilfe dieser Optimierungsroutine die Brennstoffgeometrie zu identifizieren, die den Neutronenfluss und damit die wissenschaftli-che Nutzbarkeit gleichzeitig mit einer minimalen Anreicherung – möglichst unterhalb der international vereinbarten Grenze von 20% Anreichung des Isotops Uran-235 für LEU- unter Einhaltung einer akzeptablen Zykluslänge eines Brennelements optimiert. Vorgesehen ist auch ein Aufenthalt zu wissenschaftlichem Austausch bei der weltweit führenden Arbeits-gruppe zu Reaktorkonversion, beim Reduced Enrichment for Research and Test Reactors (RERTR) Programm am Argonne National Laboratory in den USA. Die Entwicklung des Programmpakets erlaubt es auch, sich an Berechnungen zur Konversion weiterer Hochfluss-reaktoren konstruktiv zu beteiligen. Kooperationen mit den Betreibern sind angestrebt. Spallationsneutronenquellen, ein anderer, modernerer Typ von Hochflussneutronenquelle, haben das Potential kernwaffenrelevante Materialien (hier Plutonium, Uran-233, Tritium) zu erzeugen. Frühere Resultate von Rechnungen mit einfachen Geometrien des so genannten Spallationstargets, in dem hochenergetische Protonen Neutronen erzeugen, die dann das kernwaffenrelevante Material erbrüten, werden im Promotionsvorhaben vertieft und erweitert, um die Proliferationspotentiale dieser Technologie besser verstehen zu können. Hierfür wer-den sowohl komplexere Geometrien mit Hilfe von dreidimensionalen Neutronentransportco-des simuliert als auch funktionale Zusammenhänge zwischen Neutronenproduktion und der räumlichen Verteilung der Produktion kernwaffenrelevanter Materialien aufgestellt und die Waffentauglichkeit des erbrüteten Materials errechnet. Ziel ist es, mit Hilfe der Computersi-mulation sensitive Parameter und Anlagenteile zu spezifizieren, die Safeguardsmaßnahmen der internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) auslösen bzw. die unter Exportkontrollen fallen sollten. Darüberhinaus werden aufgrund dieser Ergebnisse technische und quantitative Merkmale spezifiziert, die dabei helfen können zwischen einer rein wissenschaftlichen oder einer für dual-use Zwecke geeigneten Anlage zu diskriminieren, bzw. die es erlauben eine proliferationsresistente Gestaltung von Spallationsanlagen zu befördern oder im besten Falle sicherzustellen. Kooperationen sind mit anderen Interessenten an der Thematik, etwa am Nuc-lear-Nonproliferation Programm des Oak Ridge National Laboratory (ORNL) in den USA, sind vorgesehen.

Publikationsauswahl:

M. Englert, A. Glaser, W. Liebert: Untersuchungen zu technischen Potenzialen für die Umrüstung des For-schungsreaktors München II, Zwischenbericht an das BMBF, Darmstadt, Aug. 2005 (53 Seiten). M. Englert, A. Glaser, W. Liebert: Optimization Calculations for the Use of Monolithic UMo Fuel in High Flux Research Reactors, In: Transactions of the 10th International Meeting on Research Reactor Fuel Management (RRFM), 30. April – 3. May 2006, Sofia, p. 235–237. M. Englert: The Proliferation Risks of Spallation Neutron Sources ?, International Network of Scientists Against Proliferation, INESAP Information Bulletin, April 2005.

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M. Englert, W. Liebert, C. Pistner: Neutronics Calculations for the Assessment of Proliferation Risks Associated with Spallation Neutron Sources. In: Nuclear Instruments and Methods A 2006 (in press).

L4 Zukunftsfähigkeit fortgeschrittener Nukleartechnologien

Beteiligte: Dipl.-Phys. Matthias Englert, Prof. Dr. Franz Fujara, Prof. em. Dr. Egbert Kankeleit, Hannes Kurtze, Dr. Wolfgang Liebert, Dr. Christoph Pistner

Kooperationspartner: weitere IANUS-Mitglieder

Projektbeschreibung

Im Winter 2004/2005 hat sich die IANUS-Gruppe – aufgrund von Beiträgen aus ihrer Mitte – intensiv mit der zur Zeit viel diskutierten „Renaissance der Kernenergie“ beschäftigt. Dabei ging es unter anderem um weltweite Tendenzen der Nuklearenergienutzung, Entwicklungen im Bereich Anlagensicherheit, Fragen zur Urangewinnung und –reichweite, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Aspekte der Plutoniumnutzung, technischer und gesellschaftlicher Umgang mit nuklearen Abfällen, Wirtschaftlichkeitsfragen, Konzepte für zukünftige Reakto-ren, Realisierbarkeit von spürbaren nuklearen Beiträgen zum Klimaschutz und Gefahren der nuklearen Weiterverbreitung bei weiterem Ausbau der Kernenergie. In der Folgezeit wurden zwei (gut besuchte) Studierendenseminare organisiert, die diese Thematik in die fächerübergreifende Lehre einbrachten. Besonderes Gewicht wurde dabei auf die Einschätzung der zukünftigen Technologieentwicklung gelegt. Neben diesen Aktivitäten wird die langjährige Beschäftigung mit fortgeschrittenen Nuklear-technologien fortgesetzt (auch ohne Projektmittel). Von der technischen Seite geht es dabei um mögliche Fortschritte in den zentralen Bereichen Anlagensicherheit, Vermeidung bzw. Reduktion von Endlagererfordernissen und Erzeugung von Proliferationsresistenz sowie ent-sprechende Bewertungen. Es geht aber auch um die nationalen und globalen soziotechnischen Kontexte. Im Focus stehen dabei die Konzeptideen, die in den internationalen Diskussionsfo-ren der Internationalen Atomenergieorganisation (INPRO) und der multinationalen Generati-on IV Initiative vorgestellt werden, sowie die Fusionsreaktorforschung. Zentrale Fragen sind: Können die vielfältigen, gefährlichen Ambivalenzen der Nukleartechnik zukünftig überwun-den oder überzeugend gemildert werden? In welchem Zusammenhang stehen erkennbare wis-senschaftlich-technische Potenziale und heute gemachte Versprechungen für die Zukunft? Welche Pfadwahlen stehen für den Aufbau eines verantwortbaren, nach-fossilen Energiesys-tems der Zukunft offen? Was bedeutet dies für mögliche Gestaltungsoptionen in Forschung und Technikentwicklung sowie für die Forschungsförderung im Bereich Energietechnolo-gien? Hier bestünde ein interessantes Anwendungsfeld für prospektives Technology Assess-ment. IANUS-Mitglieder standen mehrfach und stehen weiterhin als Ansprechpartner für die inte-ressierte Öffentlichkeit (Politik, NGOs, Medien) zur Verfügung.

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M. Nukleare Gefahren

M1. Dissertationsprojekt: Neutronenphysikalische Untersuchungen zu uranfreien Brennstoffen

Projektbearbeitung: Dr. Christoph Pistner Betreuer: Prof. Dr. Franz Fujara, Dr. Wolfgang Liebert Projektlaufzeit: 2001–2006

Projektbeschreibung

Dieses Dissertationsprojekt sollte einige wesentliche Fragen für einen spezifischen techni-schen Weg zur Beseitigung von in abgetrennter Form vorliegenden Plutoniumbeständen un-tersuchen. Einige wenige Kilogramm dieses Materials, das weltweit in einer Größenordnung von zur Zeit 500 Tonnen im militärischen und zivilen Bereich vorliegt, würde für die Kon-struktion einer atomaren Waffe ausreichen. Eine denkbare Beseitigungsoption besteht in der sog. Immobilisierung, das meint die Beimischung von Plutonium zu hochradioaktivem Mate-rial, das dann insgesamt mit einer Strahlungsbarriere gegen den direkten Zugriff versehen für eine Endlagerung vorbereitet würde. Daneben werden insbesondere Reaktoroptionen, also die Verwendung des abgetrennten Plutoniums als Reaktorbrennstoff, diskutiert. Neben der in einigen wenigen Ländern im zivilen Bereich gängigen MOX-Strategie (Uran-Plutonium-Mischoxid Brennstoffe) für den Einsatz in Leichtwasserreaktoren untersuchen international einige Forschungsgruppen auch sog. Inert Matrix Fuel (IMF). IMF-Brennstoff hätte den Vor-zug, dass durch Verzicht auf Uran als Matrix-Material des Brennstoffs eine zusätzliche Nach-produktion von Plutonium im Reaktoreinsatz vermieden würde. Bei den Untersuchungen an-derer Gruppen wird dabei allerdings weniger an eine Strategie zur Plutoniumbeseitigung ge-dacht, sondern die Untersuchungen zielen auf eine zukünftige Brennstoffstrategie mit einem eines Tages vielleicht auch ökonmisch attraktiven Plutonium-Einsatz. Weniger wird bei die-sen Untersuchungen an eine Optimierung der Reaktorstrategie zur Plutoniumbeseitigung ge-dacht. Diese Lücke sollte das Dissertationsprojekt mit eigenen Überlegungen zu Kriterien für die Gestaltung der IMF-Strategie und mit eigenen Berechnungen zum Potenzial der IMF-Brennstoffe schließen. (Vgl. ausführlicher in der Projektbeschreibung A1 „Kernwaffenrele-vante Materialien und präventive Rüstungskontrolle“). Das Ergebnis der Untersuchungen zeigt eine prinzipielle Machbarkeit der IMF-Reaktorstrategie, die aus proliferationspolitischer Sicht erhebliche Vorteile gegenüber der MOX-Strategie aufweist. Dies könnte einerseits dazu führen, dass ein Pfadwahlwechsel von MOX zu IMF empfohlen werden kann. Andererseits könnte dies aber auch die o.g. Immobili-sierungsstrategien wieder attraktiv für die dringliche Aufgabe der Plutoniumbeseitigung ma-chen, da zumindest im Falle von MOX reaktorgestützte Strategien sich nunmehr als subopti-mal herausstellen.

Publikationsauswahl:

L. Barleon, E. Chauvistré, C. Daase, D. von Ehrenstein, C. Eisenbart, W. Gmelin, E. Häckel, E. Kankeleit, T. Marauhn, C. Pistner und U. Ratsch: Wohin mit dem Plutonium? Optionen und Entscheidungskriterien, For-schungsstätte der evangelischen Studiengemeinschaft e. V., Reihe B Heidelberg, 2004. C. Pistner, W. Liebert, F. Fujara: Neutronics calculations on the impact of burnable poisons to safety and non-proliferation aspects of inert matrix fuel. In: Journal of Nuclear Materials 2006 (in press). C. Pistner: Neutronenphysikalische Untersuchungen zu uranfreien Brennstoffen, Dissertation, Fachbereich Phy-sik, TU-Darmstadt, 2006. M. Englert, C. Pistner, W. Liebert: Kernwaffenrelevante Materialien und präventive Rüstungskontrolle, For-schungsbericht veröffentlicht durch die DSF (in Vorbereitung).

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M2. Aktuelle Proliferationsdynamik und Möglichkeiten zu ihrer Eindämmung

Projektleitung: Dr. Wolfgang Liebert Projektbearbeitung: Dipl.-Phys. Matthias Englert, Prof. em. Dr. Egbert Kankeleit,

Dr. Wolfgang Liebert, Dr. Christoph Pistner

Projektbeschreibung

In diesem Projekt geht es u.a. um die Analyse aktueller Proliferationsgefahren, die sich an einigen Ländern, wie beispielsweise dem Iran festmachen lassen. Dazu werden Materialien gesammelt, das politische Tagesgeschehen (u.a. Iran und Nord Korea) im Bezug auf die Proli-ferationsdynamik verfolgt, eigene Berechnungen durchgeführt und Einschätzungen vorberei-tet. Diese Analysen werden dann in öffentlichen Vorträgen, bei Konferenzen und bei Anfra-gen durch die Medien oder die Politik weitergegeben. IANUS beschäftigt sich seit vielen Jahren mit grundlegenden Aspekten der nuklearen Prolife-ration: Als Wurzel der akuten und der latenten Gefahren der Weiterverbreitung von Kernwaf-fen wird von naturwissenschaftlich-technischer Seite hierbei im wesentlichen die zivil-militärische Ambivalenz nuklearer Forschung und Technologie ausgemacht. Gleichzeitig spielt auch die bereits vorhandene Verbreitung von Kernwaffen eine erhebliche Rolle bei der Entscheidung von Staaten, sich eine technische Option auf später möglicherweise zu entwi-ckelnde eigene Atomwaffen durch die Etablierung eines eigenen nuklearen Know-hows zu schaffen. Aus IANUS-Sicht muss daher einerseits die wachsende, gefährliche Asymmetrie in der Welt-gemeinschaft im Bereich des Zugangs zu Kernwaffen und zu zivil-militärisch ambivalenten Nukleartechnologien- und materialien thematisiert werden und entsprechend aufbereitete In-formationen für Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. An-dererseits wird die Chance gesehen, Gestaltungsoptionen bei Nukleartechnologien zu nutzen, um damit den Zugriff auf waffenfähige Nuklearmaterialien durch eine Erhöhung der intrinsi-schen technischen Barrieren zu erschweren und so die Weiterverbreitungsgefahr von Atom-waffen an dieser zentralen Quelle einzuschränken. Aus diesem Grund wird das bereits Ende der 1970er Jahre erfundene Konzept der Proliferationsresistenz auf aktuellem Stand weiter-entwickelt. Durch die proliferationsresistente Gestaltung existierender oder neuer nuklearer Technologien soll ein entscheidender Beitrag zur Prävention im Bereich der Kernwaffen-verbreitung geleistet werden.

Publikationsauswahl:

W. Liebert: To have and to have not nuclear weapons. D+C Development and Cooperation, Vol. 32, 6/2005, p. 228. W. Liebert: Proliferationsresistenz – Risiken und notwendige Schritte zur effektiven Eindämmung der nuklearen Proliferation. In: C. Mölling, G. Neuneck: Die Zukunft der Rüstungskontrolle. Hamburg, 2005, S. 224–235. W. Liebert: Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitung in Sicht? In: Atomaustieg. Reihe „argumente“ der SPD-Bundestagsfraktion, Sep. 2005, S. 33–35. W. Liebert: Atomenergie und Atomwaffen – eine gefährliche Verbindung. In: Wissenschaft und Frieden W&F, 24 Jg. 1/2006, Beilage Dossier 51, S. 2–6. W. Liebert: Nuclear energy and nuclear weapons – How to deal with the dangerous connection? In: A. Yablokow, R. Braun, U. Watermann (Eds.): Chernobyl 20 years after – Myth and Truth. Münster, April 2006.