Human resource management by jens rowold

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Human Resource Management

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Jens Rowold

Human Resource ManagementLehrbuch für Bachelor und Master

2., vollst. korr. u. verb. Auflage

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Jens RowoldTechnische Universität DortmundDortmundDeutschland

ISBN 978-3-662-45982-9 ISBN 978-3-662-45983-6 (eBook)DOI 10.1007/978-3-662-45983-6

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Meinen Eltern in tiefer Dankbarkeit gewidmet.

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VII

Einführung in das Human Resource Management

Einleitung

Das vorliegende Buch hat zum Ziel, zentrale und aktuelle Themen des Human Resource Managements (HRM) auf wissenschaftlichem Niveau zu vermitteln.

Human Resource Management wird in Übereinstimmung mit Lado und Wilson (1994) definiert als eine „…Gruppe von unabhängigen aber miteinander verbundenen Aktivi-täten, Funktionen und Prozesse, die die Aufnahme, die Entwicklung, und die Erhaltung von Humanressourcen …“ zum Ziel haben. Damit beschreibt das Human Resource Ma-nagement zentrale Funktionen und Prozesse innerhalb von Organisationen, die auf die Ressource Mensch fokussieren und die Gewinnung (z. B. durch Personalauswahl), den Einsatz (z. B. durch Personaleinsatzplanung), die Motivierung (z. B. durch Verhaltens-weisen der Führungskräfte) und die Optimierung (z. B. durch die Verbesserung der Orga-nisationskultur) dieser Ressource zum Ziel haben.

In diesem Kapitel sollen die wesentlichen Themen des Human Resource Management verdeutlicht und im Zusammenhang betrachtet werden, damit die Inhalte und die Abfolge der Kapitel verständlicher werden.

Themen des Human Resource Managements

Mit dem Human Resource Management sind bestimmte zentrale Prozesse, aber auch Querschnittsfunktionen verbunden, die in Abb. 1 zusammengefasst werden und gleich-zeitig als Kapitelüberblick dienen. Für die operative Praxis des Human Resource Manage-ment sind die zentralen Prozesse entscheidend (nach rechts gerichtete „Pfeilspitzen“). Sie kennzeichnen die Handlungsfelder des Human Resource Management, die zur Gewin-nung, Motivierung und Freistellung von Personal am wichtigsten sind. Potentielle neue Mitarbeiter der Organisation werden als erstes durch das Personalmarketing (Kap. 13) auf die Organisation aufmerksam (z. B. durch mediengestützte Werbung). Wird im Rahmen der Personaleinsatzplanung (Kap. 14) festgestellt, dass in der Organisation freie Arbeits-plätze vorhanden sind, dann werden Instrumente der Personalauswahl (z. B: Einstellungs-interview) eingesetzt, um geeignete Bewerber auszuwählen (Kap. 15). Im Rahmen des

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VIII Einführung in das Human Resource Management

Arbeitseinsatzes ist die Arbeit in Arbeitsteams häufig anzutreffen. Daher werden in einem Kapitel die Vorteile, aber auch die Herausforderungen dieser Arbeitsform beschrieben (Kap. 4). Vor dem Hintergrund der zunehmenden Komplexität der heutigen Arbeitswelt, aber auch der immer kürzeren Halbwertszeit des Wissens erscheint es sinnvoll, Mitarbei-ter regelmäßig hinsichtlich Wissen und Fertigkeiten zu entwickeln (Personalentwicklung). Hier kommen Maßnahmen wie Trainings und Coachings zum Einsatz (Kap. 16). Mitarbei-ter müssen zielgerichtet eingesetzt werden, Aufgaben zugewiesen bekommen und angelei-tet werden. Im Sinne der Personalführung (Kap. 17 & 18) kommt hier dem Management einer Organisation eine entscheidende Rolle zu. Damit Mitarbeiter die zugewiesenen Auf-gaben erfüllen und ggf. weitere Beiträge zum Unternehmenserfolg leisten, sind sie regel-mäßig zu motivieren (Kap. 12) und zu entlohnen (Kap. 8). Eine weitere Voraussetzung zur fairen Entlohnung ist eine genaue Analyse und ein detailliertes Verständnis der jeweiligen Arbeitstätigkeit. Daher wird die Methodenklasse der Arbeits- und Anforderungsanalyse in einem Kapitel näher beschrieben (Kap. 7). Unter bestimmten Bedingungen (z. B. Abbau von Personal) müssen Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausscheiden; hierbei kommen Instrumente der Personalfreistellung zum Einsatz (Kap. 14). Insgesamt beschreiben diese Themen den kompletten Zyklus eines Mitarbeiters vom ersten Kontakt mit der Organisa-tion bis zum Ausscheiden aus der selbigen und bilden dadurch das „Rückrad“ des Human Resource Management-Rahmenmodells (vgl. Abb. 1). Viele Ansätze und Instrumente im Human Resource Management lassen sich besser verstehen, wenn die dahinter stehen-den Menschenbilder (Kap. 2) erkennbar sind. Traditionelle Menschenbilder betonen die Steuerbarkeit der „Ressource Mensch“, während aktuelle Menschenbilder auf gegenwär-

Abb. 1 Ein Rahmenmodell des Human Resource Managements

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IXEinführung in das Human Resource Management

tige und zukünftige Herausforderungen wie der zunehmenden Heterogenität der Mitarbei-ter reagieren und als Folge daraus z. B. den Wertepluralismus berücksichtigen.

Neben diesen zentralen Prozessen des Human Resource Management gibt es Quer-schnittsfunktionen (blaue Bänder in Abb. 1). Hierzu zählt erstens das Thema Assessment, denn in vielen Bereichen des Human Resource Management kann nur sinnvoll geplant und gehandelt werden, wenn ausreichend und qualitativ hochwertige Daten vorhanden sind. Beispielsweise werden für eine faire Entlohnung Daten über die Leistung der je-weiligen Mitarbeiter benötigt. Hierbei kommt die Assessmentfunktion der Leistungsbe-urteilung zum Einsatz (Kap. 23). Eine besonders wichtige Variante des Human Resource Management-spezifischen Assessments ist die Methodenklasse der Mitarbeiterbefragung. Da es verschiedene Arten von Mitarbeiterbefragungen mit unterschiedlichen Zielen und Herausforderungen gibt, wird dieses Thema in einem extra Kapitel behandelt (Kap. 22). Eine weitere Querschnittsfunktion ist das Personalcontrolling (Kap. 19), welches Kenn-ziffern zur ex-ante Planung und ex-post Bewertung von Human Resource Management Aktivitäten bereitstellt. Schließlich stellen operative Aufgaben des Human Resource Ma-nagement (Kap. 20), z. B. das Führen einer Personalakte für jeden Mitarbeiter, eine dritte Kategorie von Querschnittsfunktionen dar.

Alle bisher angesprochene zentrale Prozesse und Querschnittsfunktionen haben ge-meinsam, dass sie strategisch ausgerichtet sein sollten. Beispielsweise sollte bereits bei der Planung von Aktivitäten im Bereich Personalentwicklung berücksichtigt werden, welchen Beitrag die Maßnahmen zu den strategischen Zielen der Organisation liefern können (Kap. 3). Alle zentralen Prozesse und Querschnittsfunktionen sind daher nicht Selbstzweck, sondern vor dem Hintergrund eines strategischen Personalmanagements (s. Abb. 1, Hintergrund) zu sehen.

Zu einem vollständigen Verständnis des aktuellen Human Resource Management ge-hört auch die Diskussion von Metathemen, die in Abb. 1 als rote, senkrechte Bänder dar-gestellt werden. Diese Metathemen verändern die Bedeutung und Praxis von Instrumenten und Prozessen des Human Resource Management. Zunächst beeinflusst zur Zeit der de-mografische Wandel und eine zunehmend diversifizierte Belegschaft das Human Resour-ce Management (Kap. 21), indem z. B. vermehrt auf unterschiedliche Motive von unter-schiedlichen Teilgruppen der Mitarbeiter geachtet werden muss, um mittel- und langfristig eine hohe Leistung freisetzen zu können. Zweitens stehen Organisationen aufgrund des globalen Wettbewerbs und der rasanten technologischen Entwicklung vor einem erhöhten Veränderungsdruck, so dass Themen wie Wissens- und Changemanagement (Kap. 21) im-mer wichtiger werden. Aufgrund kurzfristig zusammengesetzter Projektteams und inter-nationaler Zusammenarbeit bekommt auch das Thema Kommunikation(Kap. 5) immer mehr Beachtung. Eine besonders tiefgehende Entwicklung von Organisationen schließt immer auch die Entwicklung der Organisationskultur (z. B. Schaffung und Verbreitung von handlungsleitenden Werten) ein (Kap. 6). Zusammengenommen verdeutlichen diese Beispiele, dass Organisationen vor eine Reihe von Herausforderungen gestellt sind, und das es zunehmend schwieriger wird, Mitarbeiter zu motivieren. Daher wird dieses Thema (Kap. 12) auch als Metathema in diesem Buch gesondert und ausführlich behandelt. Zu-sätzlich wird das Thema Gesundheit in Organisationen (Kap. 11) ausführlich dargestellt,

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X Einführung in das Human Resource Management

da Mitarbeiter zunehmend durch die Arbeit großen Herausforderungen – mit entsprechen-den Risiken für die Gesundheit – ausgesetzt sind.

Die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse des Human Resource Management verdeutlichen, dass Theorien und Zusammenhänge in der Regel nicht für alle Formen von Organisationen gelten. So sind bestimmte Führungsstile in profit-Organisationen effektiver als in non-profit Organisationen. Gleichermaßen beeinflussen Merkmale von Mitarbeitern die Wirksamkeit von Instrumenten des Human Resource Management. Zum Beispiel prädisponieren bestimmte Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Extraversion) Mit-arbeiter für die Führungslaufbahn. Diese und weitere Zusammenhänge werden in einem Kapitel über stabile Personenmerkmale (Kap. 9) und den arbeitsrelevanten Einstellungen von Mitarbeitern (Kap. 10) behandelt. Ein Beispiel für arbeitsrelevante Einstellungen ist das Konstrukt der Arbeitszufriedenheit, das als wichtiger Indikator u. a. im Rahmen von Mitarbeiterbefragungen erfasst und ausgewertet wird.

Der bisherige Wissensstand zu den genannten Themen basiert auf wissenschaftlichen Theorien und empirischen Erkenntnissen. Letztere sind im Detail oft nicht ohne Kenntnis von grundlegenden statistischen Verfahren verständlich. Daher wird für diesen Bereich eine kurze Einführung gegeben (Kap. 24).

Das erste inhaltliche Thema dieses Buches ist das Thema „Berufsbilder“ (Kap. 1), bei dem die unterschiedlichen Arbeitsfelder von Experten des Human Resource Management beschrieben und gegenübergestellt werden. Damit soll auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Studierende bevorzugt dann Wissen aufnehmen, wenn sie einen Selbstbezug – in diesem Fall durch eine mögliche berufliche Laufbahn - erkennen können.

Hinweise zum Buch

Dieses Buch versteht sich als Einführung in das Human Resource Management. Als ver-tiefte Literatur kann u. a. die in den jeweiligen Kapiteln genannte Literatur genutzt wer-den. Als Literatur sind i. d. R. nur diejenigen Studien angegeben, welche als zentral für das jeweilige Thema angesehen wurden. Zu besseren Lesbarkeit und zur Vernetzung der einzelnen Themen sind zahlreiche Querverweise zwischen den Kapiteln angegeben.

Jedes Kapitel beginnt zunächst mit den wissenschaftlichen und theoretischen Grund-lagen (z. B. Darstellung der wichtigsten Theorien des jeweiligen Themas). Um eine enge Verzahnung zwischen Theorie und Praxis zu gewährleisten, ist jedoch ausreichend Platz in jedem Kapitel reserviert, um praktische Anwendungen ausführlich zu beschreiben. Hierzu zählen z. B. Testverfahren und weitere Tools, die in der Praxis häufig eingesetzt werden.

Literaturverzeichnis

Lado, A. A., & Wilson, M. C. (1994). Human resource systems and sustained competitive advan-tage: A competency-based perspective. Academy of Management Journal, 19(4), 699–727.

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XI

Inhaltsverzeichnis

1 Berufsbilder des Human Resource Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Jens Rowold1.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Generelle Anforderungen an Beschäftigte des HRM . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Einzelne Berufsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2 Menschenbilder des Human Resource Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Jens Rowold2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.3 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.4 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.5 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

3 Strategisches Human Resource Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15Kai C. Bormann3.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163.3 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

3.3.1 Grundlagen zur strategischen Unternehmensführung . . . . . . . . . . . 163.3.2 Ansätze der Personalstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183.3.3 Prozess der Human Resource Management-Strategie . . . . . . . . . . . 20

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

4 Gefühle, Konflikte und Teams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25Carolin Abrell, Frauke Stiller und Jens Rowold4.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254.2 Gefühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

4.2.1 Welche Gefühle werden unterschieden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264.2.2 Konsequenzen von Gefühlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

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XII Inhaltsverzeichnis

4.2.3 Ursprung von Gefühlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274.2.4 Zwei-Faktoren-Theorie der Emotion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284.2.5 Einfluss der Gefühle auf arbeitsrelevante Einstellungen

und Verhaltensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284.3 Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

4.3.1 Arten von Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294.3.2 Funktionale und dysfunktionale Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304.3.3 Schritte des Konfliktmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

4.4 Teams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314.4.1 Definition Gruppe und Team . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324.4.2 Merkmale von Gruppen- und Teamarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324.4.3 Positive und negative Effekte der Teamarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 324.4.4 Zusammenstellung von Teams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344.4.5 Phasen-Modell der Teamentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

5 Power & Politics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39Carina Cohrs und Christina Bock5.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

5.2.1 Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405.2.2 Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415.2.3 Mikropolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

5.3 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445.3.1 Das Vier-Ohren-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445.3.2 Watzlawicks 5 Axiome zur Kommunikation

(Watzlawick et al. 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455.4 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485.5 Praxisbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

6 Organisationskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51Kai C. Bormann und Jens Rowold6.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516.2 Begriffsverständnis und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516.3 Dimensionen der Organisationskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526.4 Typologien von Organisationskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536.5 Funktionen der Organisationskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 546.6 Kulturwandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

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XIIIInhaltsverzeichnis

7 Arbeits- und Anforderungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59Claudia Krüger, Angelika Utte und Jens Rowold7.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607.3 Methoden und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

7.3.1 Arbeitsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627.3.2 Anforderungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

7.4 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657.5 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

7.5.1 Funktionen der Arbeits- und Anforderungsanalyse . . . . . . . . . . . . . 677.5.2 Occupational Information Network . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

8 Entlohnung und Arbeitszeitmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73Kai C. Bormann8.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 738.2 Entlohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

8.2.1 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 748.2.2 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 748.2.3 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 778.2.4 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

8.3 Arbeitszeitmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 798.3.1 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 798.3.2 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 798.3.3 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818.3.4 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

9 Personeneigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85Claudia Krüger, Sandra Flasche und Jens Rowold9.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 859.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 869.3 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

9.3.1 Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 879.3.2 Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 899.3.3 Motive & Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 919.3.4 Werte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

9.4 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 949.4.1 Alters- und Geschlechtseffekte von Intelligenz

und Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 949.4.2 Erfolgsrelevanz von Intelligenz und Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . 95

9.5 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

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XIV Inhaltsverzeichnis

10 Arbeitsrelevante Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99Carolin Abrell, Jens Rowold und Sandra Flasche10.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9910.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9910.3 Funktionen von Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10110.4 Wichtige arbeitsrelevante Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

10.4.1 Arbeitszufriedenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10110.4.2 Organisationales Commitment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10410.4.3 Organizational Citizenship Behavior . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

10.5 Exkurs: Der psychologische Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

11 Organizational Health und Work-Life-Balance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111Susanna M. Krisor und Jens Rowold11.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11111.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11211.3 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11211.4 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11711.5 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

12 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123Susanna M. Krisor und Jens Rowold12.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12312.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12412.3 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

12.3.1 Inhaltstheoretisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12512.3.2 Prozesstheoretische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

12.4 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12912.5 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

13 Personalmarketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135Carolin Abrell und Jens Rowold13.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13513.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13513.3 Ziele des Personalmarketings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13613.4 Maßnahmen des Personalmarketings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13813.5 Externes Personalmarketing – Personalgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13813.6 Internes Personalmarketing – Personalbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14113.7 Umsetzung in der Praxis – Fallbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

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XVInhaltsverzeichnis

14 Personaleinsatz und Personalfreisetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145Carina Cohrs14.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14514.2 Personaleinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

14.2.1 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14614.2.2 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14614.2.3 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14814.2.4 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

14.3 Personalfreisetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15014.3.1 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15014.3.2 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15214.3.3 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15614.3.4 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

15 Personalauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159Carina Cohrs und Christina Block15.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15915.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15915.3 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

15.3.1 Eigenschaftsorientierte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16015.3.2 Intelligenz-Struktur-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16015.3.3 Aufmerksamkeits-Belastungs-Test d2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16115.3.4 NEO-Fünf-Faktoren-Inventar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16115.3.5 Leistungsmotivationsinventar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16215.3.6 Simulationsorientierte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16215.3.7 Gruppendiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16315.3.8 Präsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16315.3.9 Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16415.3.10 Validität des Assessment Centers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16415.3.11 Biographieorientierte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16515.3.12 Bewerbungsunterlagen und Referenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16515.3.13 Einstellungsinterview . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

15.4 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16815.5 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

16 Personalentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173Susanna M. Krisor, Jens Rowold und Christina Block16.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17316.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17316.3 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

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XVI Inhaltsverzeichnis

16.4 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18316.5 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

17 Personalführung: Verhaltensbezogene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187Lars Borgmann und Jens Rowold 17.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18717.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18717.3 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

17.3.1 Charismatische Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18817.3.2 Transaktionale und Transformationale Führung . . . . . . . . . . . . . . 18917.3.3 Das „Full Range of Leadership“-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19017.3.4 Instrumentelle Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

17.4 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19417.4.1 Befunde Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung . . . . . . . . . . . . . . 19417.4.2 Befunde charismatische Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19417.4.3 Befunde transformationale, transaktionale

und instrumentelle Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19417.5 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

18 Personalführung II: alternative Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199Kai C. Bormann18.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19918.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19918.3 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20018.4 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20218.5 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

19 Human Resource Management Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207Jens Rowold19.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20719.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20719.3 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

19.3.1 Ansätze aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20919.3.2 Ansätze aus der Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21119.3.3 Vertiefung: Controlling von

Personalentwicklungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21119.4 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21319.5 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

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XVIIInhaltsverzeichnis

20 Operative Aufgaben des Human Resource Management . . . . . . . . . . . . . . . . 217Carina Cohrs und Christina Block20.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21720.2 Personalakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22020.3 SAP ERP HCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22220.4 Nachfolgeplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

21 Aktuelle HR-Trends: Managing Diversity, demographischer Wandel und Wissensmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231Susanna M. Krisor, Sandra Flasche und Tobias Antonik21.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23121.2 Managing Diversity und demographischer Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

21.2.1 Begriffsverständnis: Demographischer Wandel und Diversity Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

21.2.2 Ausgewählte Modelle und Theorien zum Bereich Demographischer Wandel und Diversity Management . . . . . . . . . 233

21.2.3 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23421.2.4 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

21.3 Wissensmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23721.3.1 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23721.3.2 Ausgewählte Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23821.3.3 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

22 Mitarbeiterbefragungen und Beobachtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245Carina Cohrs22.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24522.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

22.2.1 Diagnostische Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24722.2.2 Interventionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24722.2.3 Formen der Mitarbeiterbefragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

22.3 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24822.4 Empirische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25122.5 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

23 Leistungsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255Carolin Abrell, Jens Rowold und Sandra Flasche23.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25523.2 Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

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XVIII

23.3 Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25723.4 Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

24 Statistische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265Mathias Diebig24.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26524.2 Phasen empirischer Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26624.3 Statistische Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

24.3.1 Item- und Skalenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26924.3.2 Hypothesentesten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

Inhaltsverzeichnis

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1

Berufsbilder des Human Resource Managements

Jens Rowold

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_1

1

1.1 Einführung

Berufsbilder sind als relativ homogene Gruppen von spezifischen Berufen zu verstehen. Dieses Kapitel stellt die gegenwärtig am stärksten verbreitetesten Berufsbilder vor. Das verbindende Element dieser Berufsbilder sind generelle Anforderungen an die Tätigkeit im Bereich Human Resources. Daher werden diese Anforderungen vorab vorgestellt.

1.2 Generelle Anforderungen an Beschäftigte des HRM

Wie in den meisten anderen Berufsgruppen auch, verändert die Arbeitswelt das Berufsbild des Human Resource Experten. Zu den wichtigsten Entwicklungstreibern zählen damit:

1. Internationalisierung: Human Resource Experten sollten bereit sein, in internationalen Teams zu arbeiten und interkulturelle Fragestellungen zu bearbeiten. Beispielsweise werden in Unternehmen zunehmend Arbeitsteams zusammengestellt, deren Mitglieder heterogen in Bezug auf ihren kulturellen Hintergrund, aber auch hinsichtlich von Kom-petenzen, Erwartungen und Werten sind.

2. Aufgrund der rasanten technischen Entwicklung ist es nötig, dass Human Resource Experten bereit sind, sich in neue Technologien einzuarbeiten (Lern- und Entwick-lungsbereitschaft). Beispiele sind das Nutzen von neuen Medien für Personalauswahl (z. B. dem Auswahlgespräch vorgeschaltete, online verfügbare Testbatterien) und Personalentwicklung (z. B. Software-basierte tutorielle Lernprogramme für Textbe-arbeitungsprogramme). Andere Beispiele für Methodenkompetenz sind Fähigkeiten im Bereich Moderation, Mediation, Konfliktlösung, und Kommunikation. Zusätzlich sind

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2 1 Berufsbilder des Human Resource Managements

betriebswirtschaftliche und juristische Grundkenntnisse wünschenswert. Aufgrund der zunehmenden Wichtigkeit sind Softwarelösungen wie z. B. SAP relevant.

3. Aufgrund der steigenden Komplexität der Arbeitswelt müssen Human Resource Exper-ten in der Lage sein, Informationen zu reduzieren, Entscheidungen vorzubereiten, zu fällen, und durchzusetzen, sowie ihre eigene Arbeitszeit nach Prioritäten zu strukturie-ren. Darüber hinaus ist Eigeninitiative für effektives Arbeiten sehr wichtig, da Human Resource Experten selbstständig auf verschiedene Entscheidungsträger im Unterneh-men zugehen müssen und Projekte und Entscheidungen proaktiv gestalten müssen.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von weiteren Kompetenzfeldern, die durch Beschäftigte im Bereich Human Resource unbedingt abgedeckt sein müssen, damit ihre Arbeit erfolg-reich wird.

Erstens ist der Arbeitsalltag durch zahlreiche Gespräche mit Vertretern verschiedenster Interessengruppen im Unternehmen gekennzeichnet. Hierzu ist eine hohe soziale Kompe-tenz nötig, die auch bei der Durchführung von Personalauswahl und -entwicklungsmaß-nahmen erfolgsrelevant ist.

Auf Seiten der fachlichen Kompetenz müssen Human Resource Experten selbstver-ständlich eine abgeschlossene Berufsausbildung oder Hochschulstudium mitbringen. Jedoch erfordert das veränderte Rollenverständnis von Human Resource Experten noch weitere Kompetenzen: Weil sich immer mehr Human Resource Abteilungen im Unter-nehmen als strategischer Partner der Geschäftsführung ansehen, müssen hierfür nötige Kompetenzen erworben werden, die typischerweise nicht (oder kaum) durch klassische Ausbildungsangebote abgedeckt werden. Zeitgemäß ist ein Selbstverständnis als Busi-ness-Partner, und nicht mehr ein unselbständig agierendes, passives Abteilungsselbstver-ständnis. Darüber hinaus sind das Denken und insbesondere das Handeln in interdiszipli-nären Kategorien wichtig.

Bei den methodischen Kompetenzen ist es für Akteure des Human Resource Manage-ments wichtig, eine Reihe von standardmäßig eingesetzten Methoden zu beherrschen. Hierzu zählt die Fähigkeit, Gruppenarbeit, Problemlöseprozesse und z. B. Meetings zu moderieren. In einer zunehmend komplexeren Arbeitswelt müssen insbesondere auch Problemlösefähigkeiten und die Fähigkeit, sich selbständig Wissen anzueignen, stark aus-geprägt sein. Der Umgang mit verschiedenen Medien (z. B. Lernplattformen) ist selbst-verständlich. Schließlich sollten Human Resource Experten auch eine hohe Personale Kompetenz mit in den Beruf bringen. Dazu zählt insbesondere das bewusste Reflektieren eigener Fähigkeiten („Wo stehe ich jetzt?“, „Welche Fähigkeiten muss ich kurz-, mittel-, und langfristig entwickeln?“). Zudem müssen aufgrund der hohen sozialen und (mikro-)politischen Komplexität der Arbeit auch eigene motivationale (Selbstmotivation) und emotionalen Prozesse (u. a. Beziehung zu Kollegen und Kunden) reflektiert und bearbei-tet werden.

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31.3 Einzelne Berufsbilder

1.3 Einzelne Berufsbilder

Personalleiter In mittelständischen und großen Unternehmen leiten Personalleiter die jeweilige Human Resource Abteilung. In einigen Unternehmen wird diese Aufgabe von der Geschäftsleitung vertreten. Wichtige Herausforderungen des Personalleiters sind die strategische Planung aller Human Resource Aktivitäten. Grundsätzliche Entscheidungen über Prioritäten und Quantitäten der Personalauswahl und -entwicklung werden gefällt. Dazu ist eine enge Abstimmung mit der Geschäftsführung nötig. Aufgrund ihrer Leitungs-funktion sollten die Personalleiter Fähigkeiten im Bereich Leadership mitbringen (vgl. Kap. 17 und 18).

Personalreferent Innerhalb von größeren Human Resource Abteilungen übernehmen Personalreferenten spezielle Aufgabenfelder wie z. B. Personalauswahl oder Personal-marketing. Während Personalleiter aufgrund ihres Aufgabenbereichs und in der Regel auch aufgrund ihrer Berufserfahrung eher Generalisten sind, sind Personalreferenten eher Spezialisten.

Personalauswahl/Recruitment Ein hoher Anteil an Beschäftigten in Human Resource Abteilungen arbeitet im Bereich Personalauswahl. Tätigkeiten wie Personalplanung, -marketing, und -auswahl gehören zum Tagesgeschäft. Am häufigsten werden neben dem Screening von Bewerberunterlagen Einstellungsinterviews und Assessment-Center durch-geführt (s. Kap. 15). Zusätzliche Aufgaben können – in Abstimmung mit der Abteilungs-leitung – z. B. die Voraussage (forecast) von zukünftigem Personalbedarf sein.

Personalentwicklung/Human Resource Development Diese Human Resource Experten beschäftigen sich mit der Entwicklung, Durchführung und Evaluation von Maßnahmen zur Kompetenz- und Einstellungsentwicklung von Mitarbeitern (vgl. Kap. 16). Diese Maßnahmen können entweder selbst oder aber mit anderen Experten aus dem Unter-nehmen durchgeführt werden, wenn der Inhalt der Maßnahme dies erforderlich macht. Zunehmend wird die Durchführung von Entwicklungsmaßnahmen outgesourced, so dass die internen Personalentwickler lediglich die (Bedarfs-)Planung und das Controlling (Evaluation) übernehmen. In diesem Tätigkeitsfeld arbeiten überwiegend Psychologen oder Pädagogen.

Personalberater/Consultant Berater arbeiten oft selbständig, oder aber für ein Beratungs-unternehmen. Das umsatzstärkste Beratungsunternehmen in Deutschland, das sich auf den Bereich Human Resources spezialisiert hat, ist die Kienbaum Consultants International GmbH. In der Regel kommen Berater aus einem externen (Beratungs-)Unternehmen und bieten Lösungen für Kunden an. Insbesondere kleine und mittelständische Unter-nehmen, die aus ressourcengründen keine ausreichend ausgestattete oder gar keine eigene Personalabteilung haben, wenden sich mit ihren Problemen häufig an Berater. Inhaltlich

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4 1 Berufsbilder des Human Resource Managements

übernehmen Berater dabei alle oberen bereits genannten Aufgaben des Human Resource Managements.

Personalsachbearbeiter Verwaltungstätigkeiten, die mit den Prozessen des Human Resource Managements zu tun haben, werden häufig von Personalsachbearbeitern über-nommen. Hierzu zählen die Dokumentation und Pflege von arbeitnehmerspezifischen Unterlagen („Personalakte“), die Vorbereitung von Arbeitsverträgen, Lohnabrechnung, Zeitkonten, Reisekostenabrechnung und die Koordination von Informationen über Beschäftigte (z. B. Pflege von Daten in SAP, etc.). Es gibt Unternehmen, die diese Tätig-keiten auch an Personalreferenten delegieren.

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5

Menschenbilder des Human Resource Managements

Jens Rowold

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_2

2

2.1 Einführung

Das Fachgebiet Human Resource Management ist wie jedes andere wissenschaftliche Fachgebiet in eine Vielzahl von Untergebieten, Anwendungsbereichen aufgeteilt, die wie-derum alle ihre jeweiligen theoretischen Grundlagen aus unterschiedlichen Disziplinen (z. B. Betriebswirtschaftslehre, Psychologie) und Anwendungsfelder haben. Die seit eini-gen Jahrzehnten anhaltende Wissensexplosion erbringt laufend weitere Erkenntnisse über Prozesse und Abläufe des Human Resource Managements. Dies führt insgesamt zu einer fast unüberschaubaren Menge an Wissen.

Studierende des Human Resource Managements und Praktiker fragen sich selbstver-ständlich nach einigen zentralen Erkenntnissen dieses Gebiets. Dazu sollen die einzelnen Kapitel dienen. Jedoch gibt es darüber hinaus bestimmte Menschenbilder, die sehr gut bestimmte grundlegende Einstellungen von Akteuren im Human Resource Management zusammenfassen. Damit verdeutlichen diese Menschenbilder, warum bestimmte Akteure bestimmte Handlungen in der Arbeitswelt ausführen. Da es eine sehr begrenzte Anzahl von grundlegenden Menschenbildern gibt (s. u.), vereinfachen die Menschenbilder auch die Komplexität des Fachs Human Resource Management. Viele einzelne Sachverhalte, Theorien und Anwendungen sind vor dem Hintergrund der Menschenbilder besser zu ver-stehen. Daher dient dieses Kapitel als eine inhaltlich-philosophische „Klammer“ für die anderen Kapitel dieses Buches.

Der Leser sollte nach dem lesen des Kapitels in der Lage sein, die wichtigsten Vertre-ter der Menschenbilder zu beschreiben und mit wichtigen zentralen Themen des Human Resource Managements (z. B. Führung) in Verbindung bringen können. Nach der Lektüre des gesamten Buches sollte es darüber hinaus gelingen, die Theorien und Instrumente des Human Resource Managements den einzelnen Menschenbildern schwerpunktmäßig zu-zuordnen. Ziel dieses Kapitels ist es, den kritischen Blick auf die immer größer werdende

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6 2 Menschenbilder des Human Resource Managements

Anzahl von Theorien und Instrumenten zu ermöglichen. Denn die Erfahrung zeigt, dass es zwar im Human Resource Management viele neue Entwicklungen gibt, diese jedoch in der Regel den Stärken und Schwächen eines bestimmten Menschenbildes unterliegen. Schließlich sollen Leser nach dem Lesen dieses Kapitels in der Lage sein, in einem be-liebigen Unternehmen das Vorherrschen eines bestimmten Menschenbildes zu erkennen.

2.2 Begriffsverständnis

In Organisationen arbeiten Menschen (Fach- und Führungskräfte) mit Menschen (Kun-den, Kollegen, etc.) zusammen. Hinter jedem Handeln stehen dabei die grundlegenden Werte und Einstellungen der jeweiligen Akteure. Insbesondere die Werte sind über die Zeit hinweg sehr stabil. Daher sehen einzelne Akteure die Arbeitswelt durch eine relativ stabile Brille, die sogenannten Menschenbilder. Diese beschreiben, welche Rolle einem Akteur (z. B. Mitarbeiter) von einem anderen Akteur (z. B. Führungskraft) zugebilligt wird. Da Menschenbilder das Handeln eines Akteurs leiten, werden je nach Menschenbild auch bestimmte Arbeitsprozesse, interpersonelle Beziehungen und Arbeitsinstrumente be-vorzugt oder eher abgelehnt. Dies wird bei der genauen Beschreibung der einzelnen Men-schenbilder im nächsten Abschnitt deutlich werden.

Menschenbilder sind interindividuell verschieden. Sie sind durch die Sozialisation (z. B. Erziehung, Schule) geprägt. Im weiteren Verlauf des Lebens können Sie durch in-tensive Lernerfahrungen, Vorgesetzte und Kollege, aber auch außerhalb der Arbeit (z. B. durch Freunde) längerfristig verändert werden. Sie werden, vor allem in den ersten zwei Lebensjahrzehnten, durch die Persönlichkeit und die persönlichen Werte mitbestimmt, sind aber nicht mit diesen zu verwechseln. Wichtig ist, dass Menschenbilder in der Regel unbewusst sind. In Maßnahmen des Human Resource Managements (z. B. Personalent-wicklung) kann es sinnvoll sein, das jeweilige Menschenbild bewusst und damit explizit zu machen.

2.3 Modelle

Zu den wesentlichen Kategorien von Menschenbildern legte Schein (1980) eine Viertei-lung vor (Tab. 2.1). Im Folgenden wird dieser Einteilung im Wesentlichen gefolgt, da sie auch heute noch Gültigkeit und Relevanz für die Praxis hat.

A) Das rational-ökonomische Menschenbild Zum ausgehenden 19. Jhdt. herrschte ein rational-ökonomisches Menschenbild vor, das aufgrund der technischen Neuerungen (z. B. industrielle Fertigung) möglich wurde. Entscheidungsträger in Unternehmen sahen dieses als einen technischen Fertigungsprozess, bei dem jeder Mitarbeiter lediglich einen kleinen, isolierten Beitrag beim Fertigungsprozess übernimmt. Es wurde top-down ent-schieden; Gefühle des Mitarbeiters stellten ein Hindernis bei der Aufgabenerfüllung dar.

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72.3 Modelle

Daher musste nach diesem Menschenbild der Mitarbeiter bei seinen rationalen, egoisti-schen Eigeninteressen gepackt werden, um z. B. durch Kontrolle, aber auch durch Beloh-nung (z. B. Stücklohn) motiviert zu werden. Insgesamt ergibt sich somit eine Distanz zwischen dem Management und den Mitarbeitern, da Gefühle und Eigeninteressen des Mitarbeiters als Störfaktor angesehen werden. Problematisch ist hierbei u. a., dass der Mitarbeiter dadurch sich nicht mehr in die Arbeit einbringt, als unbedingt nötig. Etwaige Potentiale wie z. B. eigene Ideen bleiben ungenutzt. Außerdem fühlt sich der Mitarbeiter aufgrund der emotionalen Distanz weder an das Management noch an die Organisation gebunden und tendiert daher eher zum Wechsel der Organisation. Bei Arbeitsmarktla-gen, in denen ein Fachkräftemangel herrscht, verliert die Organisation so potentiell gute Mitarbeiter.

Die Organisation wird insgesamt nach den Zielkriterien der Wirtschaftlichkeit bewer-tet. Mitarbeiter werden nur danach bewertet, ob sie einen möglichst störungsfreien (z. B.

Tab. 2.1 Menschenbilder des Human Resource Management im ÜberblickMenschenbildRational-ökono-misch

Sozial Selbstverwirkli-chung

Komplex

Philosophie Hedonismus Utilitarismus

Kooperation, Anthropologie

Humanismus, Positivismus

Inter- und intraindividuell unterschiedlich

Blickwinkel auf die Organisation

technikfokussiert, zentralistisch

menschenorien-tiert

Technik- und Menschenfokus-siert dezentral

Technik- und Menschenfokus-siert dezentral

Blickwinkel auf den Akteur

aus Egoismus heraus motiviert

aus sozialen Bedürfnissen heraus motiviert

Suche nach Sinn motiviert

Mehrere Werte motivieren, je nach Situation

Blickwinkel auf die Bezie-hung zwischen Akteuren

Distanz Nähe Nähe, Autonomie Distanz/Nähe, je nach Situation

Implikationen für Management

Mitarbeiter kon-trollieren, beloh-nen, bestrafen

Kooperation und Wertschätzung unter Kollegen sowie Mitarbeiter fördern

Selbstdisziplin, Selbstkontrolle, Sinnsuche des Mitarbeiters, Selbstverwirk-lichung und Entwicklung fördern

Je nach Fokus und Zielsetzung variabel

Beginn der Verbreitung

Seit 1890 Seit 1950 Seit 1960 Seit 1980

Zielkriterien Produktion Zufriedenheit s. links, zusätz-lich: Kompetenz-erweiterung

s. links, je nach Zielsetzung

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8 2 Menschenbilder des Human Resource Managements

wenig Einbringen von eigenen Ideen, Meinungen) und hohen Beitrag (z. B. Stückzahl) zum reibungslosen Ablauf in der Organisation liefern. Implizit ist, dass Macht in Organi-sationen ausschließlich aufgrund der Position (z. B. Manager vs. Mitarbeiter) gerechtfer-tigt ist, nicht aufgrund von Eigenschaften oder bisheriger Leistung des Akteurs.

B) Das soziale Menschenbild Bis zu den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg forderten einige Entwicklungen die Nützlichkeit des rational-ökonomischen Menschenbilds heraus, z. B. nahm der Grad der Komplexität der Arbeit aufgrund neuer technischer Entwicklun-gen rapide zu. Dies führte dazu, dass Eigenschaften von Mitarbeitern geschätzt werden mussten, die eher in ein soziales Menschenbild passen: selbständig denkende und mit-einander kooperierende Arbeitnehmer können komplexe Arbeitsprozesse bewältigen und auf unvorhergesehene Ereignisse z. T. unabhängig vom Management erfolgreich reagie-ren. Diese Mitarbeiter werden nicht durch die Arbeit an sich motiviert, sondern durch das soziale Miteinander bei der Arbeit. Wissenschaftliche Arbeiten in den späten 1950er Jahren belegten, dass Mitarbeiter sehr gut durch soziale Kräfte bei der Arbeit (z. B. Wert-schätzung durch Kollegen) motiviert werden können. Dies bedeutet für das Management, dass eine hohe Distanz zu den Mitarbeitern verhindern kann, dass deren Bedürfnisse für eine maximale Motivation genutzt werden. Wie noch weiter im Kapitel über Führung aus-geführt wird (s. Kap. 17), bedeutet dies auch, dass Manager sowohl Aufgaben verteilen und kontrollieren, aber auch sich um die Bedürfnisse der Mitarbeiter kümmern müssen. Fokus des Managements ist nicht die Kontrolle eines einzelnen Mitarbeiters, sondern die Stimulation und Förderung von mehreren Mitarbeitern in einem Team bzw. in einem Arbeitsprozess. Während beim rational-ökonomischen Menschenbild das Management den Arbeitsprozess sehr kleinteilig plant und kontrolliert, wird dies beim sozialen Men-schenbild nicht mehr gemacht; stattdessen werden Arbeitsziele auf einem eher abstrak-ten Niveau vorgegeben und der Arbeitsgruppe wird die Möglichkeit gegeben, Schritte zur Zielerreichung z. T. selbständig zu finden und umzusetzen. All diese Veränderungen gegenüber dem rational-ökonomischen Menschenbild implizieren, dass auf der einen Seite die Bedürfnisse des Mitarbeiters von der Organisation stärker berücksichtigt werden als bisher. Auf der anderen Seite kann nun auch die Organisation mehr Loyalität, Einsatz und Identifikation (s. Kap. 10) vom Mitarbeiter erwarten.

C) Das Selbstverwirklichungs-Menschenbild Menschen streben bei der Arbeit nicht nur nach Einkommenserwerb (rational-ökonomisches Menschenbild) und nach Befriedigung der sozialen Bedürfnisse (soziales M.), sondern auch nach Selbstverwirklichung (Selbst-verwirklichungs-M.). Damit ist gemeint, dass Menschen ihr volles Potential hinsichtlich verschiedener Fähigkeiten und Interessen bei der Arbeit (und nicht nur in der Freizeit) nutzen wollen. Dies war jedoch bis in die späten 1950er Jahre sehr schwierig, da viele Tätigkeiten sehr spezialisiert waren (z. B. Fließband). Dies verhinderte z. B., dass ein Arbeitnehmer neben der rein körperlichen Ausführung der Tätigkeit (z. B. Montage am Fließband) und dem Befriedigen sozialer Bedürfnisse (Pausengespräche mit Kol-legen) seine potentiell vorhandenen weiteren Fähigkeiten nutzen kann. Dazu gehören

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92.3 Modelle

beispielsweise das Einbringen von Vorschlägen zur Verbesserung des Arbeitsprozesses, der Zusammenarbeit der Kollegen untereinander, bis hin zur Optimierung des Marketings usw. Erst durch diese tätigkeitsübergreifenden Ideen und Handlungen eines Mitarbeiters kann dieser sinnvoll auf den gesamten Arbeitsprozess gestaltend einwirken. Dadurch ent-steht das Gefühl, einen großen, sinnhafteren Beitrag zu leisten und neben der z. B. rein körperlichen Produktion auch z. B. geistig-kreative Beiträge liefern zu können. In diesem Sinne kann Arbeit erfüllend sein, da sie mehrere Motive und Bedürfnisse des Menschen abdeckt.

Manager können Mitarbeiter zusätzlich motivieren, indem sie den Sinn der Arbeit (z. B. das gesamte Produkt, nicht nur das Teilprodukt, zusammenbauen), die übergeordneten Ziele (z. B. neues, besseres Produkt an den Markt bringen) und die zu Grunde liegenden Werte (z. B. Innovation) für die jeweilige Arbeitsaufgabe verstehen und regelmäßig an die Mitarbeiter kommunizieren. Dies bedeutet für das Management vermehrt Planungsaufga-ben und Kommunikation (vgl. transformationale Führung, Kap. 17). Mitarbeiter können jedoch nicht einfach im Sinne des sozialen Menschenbilds auf einer oberflächlichen Ebe-ne verstanden werden, sondern ihre Werte und Interessen müssen vom Management in der Tiefe verstanden werden, damit geplant werden kann, wie diese in Übereinstimmung mit den Werten und Zielen der Organisation in Einklang gebracht werden kann. Im Idealfall gelingt es dann dem Management durch Kommunikation der sowohl von der Organisa-tion als auch von den Mitarbeitern geteilten Werte und Ziele, dass die Mitarbeiter aus ihrer intrinsischen Motivation ihr Bestes zur Zielerreichung geben. Mitarbeiter können hierfür auch entwickelt werden – ein Gedanke, der bei bisherigen Menschenbildern noch weitgehend fehlte. Wenn Mitarbeiter ihre Werte leben und ihre intrinsisch motivierten Ziele erreichen wollen, ist es oft nötig, dass sie hierfür zusätzlich zum ersten (Schule) und zweiten (z. B. Berufsausbildung, Universität) Bildungsweg weiter qualifiziert werden. Das Management muss also rechtzeitig Personalentwicklungs-Maßnahmen planen und anbieten (s. Kap. 3). Insgesamt kann im Sinne der Selbstverwirklichung erreicht werden, dass Menschen durch eine kontinuierliche Entwicklung zufriedener und leistungsfähiger werden. Das Selbstverständnis des Managements hat sich im Zuge des Selbstverwirkli-chungs-Menschenbilds weiter verändert: Statt Kontrolle geht es darum, den Mitarbeiter zur selbständigen, von inneren Werten geleiteten „Selbst-Führung“ zu entwickeln. Letzt-endlich wird Macht abgegeben, denn Mitarbeiter können relativ autonom entscheiden, wie sie Aufgaben und Ziele umsetzen. Mitarbeiter können aufgrund von eigenen Ideen selbst zu (z. B. Projekt- oder Team-)Managern werden, auch wenn sie dabei keine formale Leitungsposition innehaben.

D) Das komplexe Menschenbild Seit den 80er Jahren nimmt die Komplexität der Arbeits-welt weiter zu. Hinzu kommen Globalisierung und ein zunehmender Konkurrenzdruck. Dadurch sehen sich die Organisation, aber auch deren Management und Mitarbeiter vor immer neuen, nicht planbaren Herausforderungen gestellt. Das einzig Beständige scheint der Wandel zu sein: Durch unterschiedliche Aufgaben, wechselnde Teamzusammen-setzungen, rasche technische Weiterentwicklung, neue Medien, variierende Handels- und Zuliefererbeziehungen, flexible Arbeitszeiten und Vergütungssysteme scheint es

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10 2 Menschenbilder des Human Resource Managements

einleuchtend, dass ein Mitarbeiter über die Zeit hinweg verschiedene Motive hat, die in unterschiedlichen Situationen wirksam werden. Selbstverständlich ist es zusätzlich die Regel, dass in einem Arbeitsteam Mitarbeiter mit unterschiedlichen Motiven und Interes-sen arbeiten.

Für die jeweilige Führungskraft bedeutet dies, dass es schwieriger wird, die Werte zu identifizieren, die weiterhin alle Mitarbeiter verbinden (z. B. Innovation), um daraus eine Zukunftsvision abzuleiten, die mittel- und langfristig die Mitarbeiter motiviert (vgl. transformationale Führung). Schein (1980) geht daher davon aus, dass „der erfolgreiche Manager ein ausgezeichneter Diagnostiker sein und ein ausgeprägtes Gespür für Erkun-dungen haben muss“ (S. 95). Während die vorhergehenden Menschenbilder anscheinend auf eine Wert- bzw. Motivstruktur fokussieren, erkennt das komplexe Menschenbild die Vielschichtigkeit, Wandelbarkeit und die Situationsspezifität der Werte und Motive eines Mitarbeiters an. Gleichzeitig wird so ermöglicht, dass eine Führungskraft das Maximum an Motivation eines Mitarbeiters freisetzen kann. Damit werden die vorhergehenden Men-schenbilder nicht negiert, sondern zu einem komplexeren Menschenbild integriert.

2.4 Empirische Befunde

A) rational-ökonomisch Allein die Tatsache, dass in vielen Unternehmen eine leistungs-abhängige Bezahlung bzw. Anteile am Lohn leistungsabhängig vergeben werden, spricht dafür, dass dieses Menschenbild sich in irgendeiner Form für das Funktionieren von Orga-nisationen bewährt haben muss. Konzepte wie Stücklohn sprechen ebenfalls dafür, dass Mitarbeiter durch rationale Systeme motivierbar sind.

Im Bereich der Mitarbeiterführung gibt es eine Reihe von Ansätzen, die sich dem ratio-nal-ökonomischen Menschenbild zuordnen lassen. Im Rahmen der transaktionalen Füh-rung (s. Kap. 17) ist eine faire Austauschbeziehung die Grundlage für die Beziehung zwi-schen Mitarbeiter und Führungskraft. Die Führungskraft definiert die Aufgaben, verdeut-licht aber auch, welche materielle (z. B. Lohn) und nicht-materielle (z. B. Lob) Belohnung bei Zielerreichung vom Mitarbeiter erwartet werden kann. Der Mitarbeiter wiederum gibt seine Arbeitskraft und bekommt bei erfolgreicher Leistung die vereinbarte Belohnung. Es gibt mittlerweile umfangreiche empirische Studien aus verschiedenen Unternehmen ver-schiedener Branchen aus verschiedenen Ländern, die eindrucksvoll belegen, dass trans-aktionale Führung positiv in Beziehung steht zu a) der Leistung der geführten Mitarbeiter (Judge und Piccolo 2004), b) der Zufriedenheit der Geführten (Dumdum et al. 2002), sowie c) weiteren organisational relevanten Kriterien wie z. B. Commitment. Empirische Ergebnisse zu Ansätzen anderer Führungsstile, wie zum Beispiel dem Management-by-Objectives, kommen grundsätzlich zu denselben Ergebnissen. Damit zeichnet die empi-rische Forschung ein eindeutiges Bild und spricht für den Erfolg eines rational-ökonomi-schen Menschenbildes. Jedoch ist damit nicht gesagt, dass a) eine Reihe von Nachteilen (vgl. oben, z. B. Distanz des Mitarbeiter zu den Zielen der Organisation) gegeben ist und b) dass es nicht andere, sowohl für den Mitarbeiter als auch für die Organisation bessere Menschenbilder gibt.

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112.4 Empirische Befunde

B) Soziales Menschenbild In den letzten 50 Jahren wurden eine Reihe von Maßnahmen und Ansätzen entwickelt, die im Sinne des sozialen Menschenbilds die Interessen der Mit-arbeiter berücksichtigen und für die Effektivität der Organisation nutzbar machen wollen.

In einer Studie mit 308 Taiwanesischen Unternehmen wurde die Effektivität von mehreren partizipativen Organisationsmaßnahmen untersucht (Huang 1997). Zu diesen Maßnahmen zählten erstens die Einführung von Qualitätskontrollzirkeln, bei denen Mit-arbeiter die Möglichkeit hatten, Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsqualität zusam-men mit dem Management zu besprechen, Entscheidungen zu treffen und umzusetzen. Zweitens gab es für die Mitarbeiter eine Umsatzbeteiligung. Beide Maßnahmen lassen die Mitarbeiter am Erfolg und teilweise auch am Management des jeweiligen Unternehmens teilhaben. Das Management hat also – im Sinne des sozialen Menschenbilds – offenbar Interesse an den Werten und Einstellungen der Mitarbeiter. Interessanterweise zeigte diese Studie, dass Unternehmen, die die genannten Maßnahmen umsetzten, höhere Profite und Wachstumsraten erzielten als Unternehmen, die dies nicht taten.

C) Das Selbstverwirklichungs-Menschenbild Mehrere Theorien der Sozial- und Wirt-schaftswissenschaften betonen die Wichtigkeit von Möglichkeiten zur Selbstverwirkli-chung durch die Arbeit. Das Job Characteristics Modell (JCM, s. Kap. 12) von Hackman und Oldham (1975) beinhaltet beispielsweise die Element der Autonomie und Ganzheit-lichkeit der Arbeit. So sollten Mitarbeiter selbständig Teile der Arbeitsausführung planen können. Im Sinne der Ganzheitlichkeit sollten sie nicht nur einen isolierten Teilprozess bearbeiten, sondern möglichst viele. Autonomie und Ganzheitlichkeit sind zwei Merk-male von Arbeit, die beim Mitarbeiter zu erlebter Sinnhaftigkeit führen. Dem JCM zu Folge führen Merkmale wie Sinnhaftigkeit zu erhöhter Motivation und Zufriedenheit, geringer Kündigungswahrscheinlichkeit, etc.

Durch das JCM können arbeitsbezogene Elemente identifiziert und gefördert werden, so dass sich Mitarbeiter (z. B. durch mehr erlebte Sinnhaftigkeit der Arbeit) selbst ver-wirklichen können. Prinzipiell nimmt die Monotonie der Tätigkeit ab, wenn das JCM bei der Planung und Strukturierung von Arbeit(sprozessen) berücksichtigt wird. Zahlreiche empirische Studien sprechen insgesamt für die Gültigkeit des Modells (Fried und Ferris 1987). Damit ist implizit auch belegt, dass das Selbstverwirklichungs-Menschenbild zu einem hohen Ausmaß an Motivation und Zufriedenheit beim Mitarbeiter führt.

Es gibt aktuelle Modelle der Personalführung, die sich dem Selbstverwirklichungs-Menschenbild zuordnen lassen. Transformational Führende inspirieren Mitarbeiter durch eine positive Zukunftsvision (s. Kap. 17). Diese basiert auf Werten, die sozial akzeptiert und von den Teammitgliedern geteilt werden. Nach der Theorie der transformationalen Führung nach Bass (1985) gelingt es transformationalen Führungskräften, die Mitarbeiter weg von eher egoistisch motivierten Motiven (z. B. Lohnmaximierung) hin zu Werten zu bewegen, die die Gruppe oder die Organisation als Ganzes fördern (z. B. miteinander offen kommunizieren und erfolgreich arbeiten). Gleichzeitig fördern transformational Führende die Mitarbeiter, die sich selbst weiterentwickeln und verwirklichen wollen, z. B. indem sie diesen Mitarbeitern die Möglichkeit zu mehr Fortbildung geben (Rowold und Laukamp

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12 2 Menschenbilder des Human Resource Managements

2009). Zahlreiche Studien sprechen für die Effektivität der transformationalen Führung. Zudem ist nachgewiesen, dass die transformationale Führung (Selbstverwirklichungs-Menschenbild) effektiver ist als die transaktionale Führung (rational-ökonomisches Men-schenbild) (Judge und Piccolo 2004). Indirekt scheint damit auch ein Nachweis für den Wert und die Aktualität des Selbstverwirklichungs-Menschenbilds gegeben zu sein.

D) Das komplexe Menschenbild Hier wird auf die Komplexität der Interaktion zwi-schen Arbeitssituation und Werten etc. der organisationalen Akteure verstärkt Rücksicht genommen. Hierzu passen eine Reihe vom empirischen Befunden: So konnten Rowold und Streich (2007) zeigen, dass es nicht den einen besten Führungsstil gibt, der stets das Maximum an Motivation und Leistung beim Mitarbeiter freisetzt, sondern dass dies in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation geschehen muss: In einer empirischen Unter-suchung in Deutschland konnte dabei gezeigt werden, dass transaktional Führende dann ihren Geführten zu einem hohen Ausmaß an Innovation (gemessen an der Anzahl der Patente pro Mitarbeiter) entwickeln, wenn Führungskräfte und Mitarbeiter in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen arbeiten. In anderen Abteilungen desselben Unternehmens, wie etwa dem Vertrieb, konnten keine Zusammenhänge beobachtet werden.

2.5 Umsetzung in der Praxis

Von der „Umsetzung“ von Menschenbildern kann insofern gesprochen werden, als dass jeder Arbeitnehmer ein bestimmtes Menschbild in sich trägt und bei Entscheidungen be-wusst oder unbewusst anwendet. Auch wenn es eine historische Entwicklung gibt, die nahelegt, dass heute das komplexe Menschenbild das aktuellste ist, gibt es nach wie vor weltweit viele Fach- und Führungskräfte, die nach dem rational-ökonomischen Men-schenbild entscheiden und handeln. Der Grund dafür ist, dass es für die meisten Menschen einfacher ist, andere Menschen als „Maschinen“ zu sehen, die von außen mit großer emo-tionaler Distanz kontrolliert werden. Es ist dagegen schwer, sich in einzelne Mitarbeiter mit ihren individuellen Bedürfnissen hineinzuversetzen (z. B. komplexes Menschbild). Bestimmte Branchen legen aufgrund der verwendeten Technologien bzw. der gängigen Arbeitsprozesse bestimmte Menschbilder nahe: Während ein Ingenieur in einem IT-Unter-nehmen sein ganzes (Berufs-)Leben gelernt hat, Prozesse zu kontrollieren und von daher mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ein rational-ökonomisches Menschenbild hat, wird ein Call-Center Mitarbeiter eher ein komplexes Menschenbild haben, da er in Personal-aus- und Weiterbildungsmaßnahmen Theorien und Tools kennengelernt hat und diese auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden nutzt. Unternehmen, die Wert auf ein explizites Menschbild legen, veröffentlichen u. a. Leitbilder oder andere Dokumente. Darin wird er-sichtlich, nach welcher grundlegenden Philosophie und mit welchen Instrumenten gehan-delt werden soll, um das menschliche Potential bei der Arbeit zu nutzen und zu schützen.

Ein positives Beispiel aus Deutschland lässt sich bei der IKEA GmbH finden. Vor dem Hintergrund einer zunehmend heterogenen Mitarbeiterschaft (z. B. unterschiedlicher Al-ters-, Bildungs- und kultureller Hintergrund, engl. diversity) verankerte IKEA das Thema

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13Literatur

employee diversity 2001 im Unternehmensleitbild. Konkrete Human-Resource Maß-nahmen und Instrumente, die damit verbunden sind, wurden danach eingeführt: a) einen eigenständigen Diversity Manager, b) eine Diversity Beauftragte in jedem IKEA Einrich-tungshaus, c) eine Ausbildung im Bereich diversity für alle Leiter von Einrichtungshäu-sern und alle Personalleiter sowie für einzelne Führungskräfte und d) Handbücher und Plakate, die die Wichtigkeit des Themas im Allgemeinen und die Verfügbarkeit der ge-nannten Instrumente im Speziellen herausstellen.

Eine Mitarbeiterbefragung konnte die positive Wirkung des Menschenbilds finden, denn ca. 80 % der Befragten stimmten zu, dass bei IKEA Mitarbeiter mit unterschiedlicher Herkunft gleiche Chancen auf Weiterbildung und Aufstieg haben.

Literatur

Bass, B. M. (1985). Leadership and performance beyond expectations. New York: Free Press.Dumdum, U. R., Lowe, K. B., & Avolio, B. J. (2002). A meta-analysis of transformational and tran-

sactional leadership correlates of effectiveness and satisfaction: An update and extension. In B. Avolio & F. Yammarino (Hrsg.), Transformational and charismatic leadership: The road ahead (S. 35–66). Amsterdam: JAI.

Fried, Y., & Ferris, G. R. (1987). The validity of the job characteristics model: A review and meta-analysis. Personnel Psychology, 40, 287–322.

Hackmann, J. R., & Oldham, G. R. (1975). Development of the job diagnostic survey. Journal of Applied Psychology, 60, 159–170.

Huang, T.-C. (1997). The effect of participative management of organizational performance: The case of Taiwan. International Journal of Human Resource Management, 8(5), 677–689.

Judge, T. A., & Piccolo, R. F. (2004). Transformational and transactional leadership: A meta-analytic test of their relative validity. Journal of Applied Psychology, 89(5), 755–768.

Rowold, J., & Laukamp, L. (2009). Charismatic leadership and objective performance indicators. Applied Psychology: An International Review, 58(4), 602–621.

Rowold, J., & Streich, M. (2007). Wird Innovation durch Führungsstile und ein positives Lernklima gefördert? Wirtschaftspsychologie, 9(2), 93–102.

Schein, E. H. (1980). Organisationspsychologie. Wiesbaden: Gabler.

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15

Strategisches Human Resource Management

Kai C. Bormann

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_3

3

3.1 Einführung

Die bewusst geplante, zukunftsorientierte – kurzweg strategische – Entwicklung der Res-source Personal ist aus Unternehmenssicht elementar, spielt sie doch eine Schlüsselrolle zur Aufrechterhaltung und zum Ausbau der eigenen Wettbewerbsfähigkeit:

Mögliche Ziele einer strategischen Personalarbeit sind daher:

• Systematischer Aufbau von imitationsgeschütztem Know-how: Schutz vor Nachah-mung

• Früherkennung und Vermeidung möglicher Engpässe: z. B. höhere Qualifikation, Wachstum des Dienstleistungsbereichs, Veränderungen innerhalb der Branche, Überal-terung der Belegschaft

• Entwicklung des Humanpotentials durch Personalentwicklungsmaßnahmen• Steuerung des kostendominanten Faktors Personal• Steigerung der Arbeitgeberattraktivität: positive Ausstrahlung auf den Arbeitsmarkt

Um der Bedeutung des Human Resource Managements im unternehmerischen Kontext nachzukommen, ist den Organisationsmitgliedern ein „Rahmen mit Richtung“ (Duch 1986, S. 377) vorzugeben. Den Kern dieses Rahmens bildet die Sicherstellung der zur Umsetzung der Strategie notwendigen organisationalen Strukturen und personalen Res-sourcen. Daher ist es auch notwendig, dass der Personalbereich in die Unternehmensstra-tegie eingebunden wird.

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16 3 Strategisches Human Resource Management

3.2 Begriffsverständnis

Unter dem Begriff Strategie wird gemeinhin „(…) die grundsätzliche, langfristige Ver-haltensweise (Maßnahmenkombination) der Unternehmung und relevanter Teilbereiche gegenüber ihrer Umwelt zur Verwirklichung der langfristigen Ziele“ (Becker und Fall-gatter 2005, S. 62) verstanden.

Der Gegenstand des strategischen Human Resource Managements ist daher entspre-chend „…die Planung, Umsetzung und Kontrolle von grundsätzlichen Handlungsmög-lichkeiten zum frühzeitigen Aufbau, zum Erhalt, zur Nutzung oder zum Abbau von Perso-nalpotenzialen“ (Drumm 2008).

3.3 Modelle

3.3.1 Grundlagen zur strategischen Unternehmensführung

Die strategische Personalarbeit kann auf unterschiedliche Art und Weise in die langfristige Planung der Unternehmensaktivitäten integriert sein. In der Regel steht sie als funktionale Teilstrategie in unmittelbarer Beziehung zur Unternehmens- bzw. Geschäftsbereichsstra-tegie. Zur Annäherung an das strategische Human Resource Management ist es daher sinnvoll, mit der getrennten Betrachtung der Bereiche der Unternehmens-, der Geschäfts-bereichs- und der funktionalen Teilstrategie zu beginnen.

Die Literatur zur strategischen Unternehmensführung unterscheidet zwischen drei Analyseebenen. Der übergreifende Zusammenhang ist in Abb. 3.1 dargestellt.

UnternehmensstrategieDiese bestimmt die Bandbreite der derzeitigen und zukünftigen unternehmerischen Ak-tivitäten. Es werden auf Basis der zur Verfügung stehenden finanziellen, personellen und technischen Ressourcen die Produkt/Markt-Kombinationen bzw. Geschäftsfelder

Abb. 3.1 Strategieebenen der Unternehmensführung. (Nach Becker und Fallgatter 2005, S. 110)

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173.3 Modelle

festgelegt. Zudem wird nach Bühner (2005) zwischen Diversifikations-, Investitions- und Kooperationsstrategie unterschieden.

Erstens wird bei der Diversifikationsstrategie im Kern auf mehreren Märkten zur Ri-sikostreuung agiert. Im Weiteren kann zwischen einer horizontalen Diversifikation (Aus-weitung des angestammten Geschäfts), der vertikalen Diversifikation (Integration von vor- und nachgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette), und der geographischen Diver-sifikation (regionale bis internationale Ausdehnung der Geschäftstätigkeit) unterschieden werden. Eine horizontale Diversifikation impliziert für das Human Resource Management das Einstellen neuer Mitarbeiter zur Erhöhung des Outputs.

Bei der Investitionsstrategie geht es darum, eine optimale Nutzung und Verteilung der unternehmenseigenen Ressourcen innerhalb der einzelnen Geschäftsfelder zu erreichen. In Abhängigkeit der Marktsituation wird daher in einzelne Bereiche investiert (expandie-render Markt) bzw. desinvestiert (schrumpfender Markt). Bei einer Desinvestitionsstrate-gie hat das Human Resource Management in der Regel den Auftrag, Personal abzubauen.

Schließlich geht es drittens bei der Kooperationsstrategie um die Kooperation zwi-schen Unternehmen (auch Konkurrenten) in strategisch bedeutsamen Geschäftsfeldern. Eine gemeinsame Ressourcennutzung und das Profitieren von den Stärken des anderen führen zu Wettbewerbsvorteilen gegenüber übrigen (dritten) Anbietern. Dies kann für das Human Resource Management bedeuten, dass es Experten vorbereitet, die später mit Experten aus dem anderen Unternehmen zu gemeinsamen Produktentwicklungs-Teams zusammengeführt werden.

Die drei Grundstrategien sind nicht als trennscharfe Alternativen zu verstehen. Bei der strategischen Ausrichtung trifft ein Unternehmen in jedem der drei Bereiche wichtige Ent-scheidungen. Die Unternehmensstrategie ist daher ein Zusammenspiel der unterschiedli-chen Teilbereiche.

GeschäftsbereichsstrategienEine Geschäftsbereichsstrategie legt fest, wie bei den einzelnen Produkt/Marktkombi-nationen (Geschäftsfeldern) der Wettbewerb angegangen werden soll. Dabei lassen sich nach Porter (1985) drei Alternativen unterscheiden. Erstens werden bei der Strategie der Kostenführerschaft Produkte zu einem im Vergleich zur Konkurrenz niedrigeren Preis an-geboten („Das Produkt ist günstiger als vergleichbare Produkte auf dem Markt“). Für das Human Resource Management impliziert diese Strategie, dass i. d. R. auf Massenproduk-tion abgezielt wird, so dass ein hochspezialisiertes, arbeitsteiliges und von Maschinen geprägtes Arbeitsfeld vorherrscht. Der Vorteil hierbei besteht aus geringeren Anlern- und Einarbeitungszeiten, niedrigeren Qualifikationsanforderungen, so dass Mitarbeiter insge-samt leichter zu ersetzen sind.

Bei der Strategie der Differenzierung unterscheidet sich hingegen das eigene Produkt von sämtlichen Angeboten auf dem Markt. Die Einzigartigkeiten (des Produktes oder der Serviceleistung) sind die Basis für Wettbewerbsvorteile und ermöglichen einen im Ver-gleich zur Konkurrenz höheren Preis („Das Produkt ist auf dem Markt einzigartig“). Dies impliziert für das Human Resource Management, dass sehr viel firmenspezifisches Know-

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18 3 Strategisches Human Resource Management

how entwickelt wird, so dass unter anderem längere Anlernzeiten nötig sind. Obwohl Mit-arbeiter nicht leicht zu ersetzen sind, hat diese Strategie den Vorteil, dass Beschäftigte sich langfristig an das Unternehmen binden.

Drittens wird bei der Nischenstrategie nicht der komplette Markt eines Geschäftsfeldes bearbeitet. Man konzentriert sich auf abgegrenzte Marktsegmente (bspw. regionaler Markt oder spezifische Kundengruppen). Innerhalb einer Nische kann eine Unternehmung wie-derum zwischen der Strategie der Kostenführerschaft und der der Differenzierung wählen („Wir konzentrieren uns auf eine Nische des Marktes“).

Funktionale TeilstrategienZur Umsetzung der übergeordneten strategischen Vorgaben, ist die Einbindung und ak-tive Mitgestaltung der einzelnen Funktionsbereiche entlang der Wertschöpfungskette (Abb. 3.2) unerlässlich.

Hierbei ist die strategische Personalarbeit ebenfalls als funktionaler Teilbereich zu interpretieren. Die Personalstrategie bildet den Rahmen für personalwirtschaftliche Ak-tivitäten, die der Umsetzung der Unternehmens- oder Geschäftsbereichsstrategie dienen.

3.3.2 Ansätze der Personalstrategie

Reduziert man das Human Resource Management auf seine (untergeordnete) Funktion als Teilbereich abgeleitet aus der Unternehmensstrategie, so scheint sich das Tätigkeits-feld auf die (Unterstützung der) Umsetzung der übergeordneten strategischen Vorgaben zu begrenzen. Neben diesen Aufgaben hat das strategische Human Resource Management allerdings weitere, eigenständige Aufgaben. Diese beziehen sich insbesondere auf die

Abb. 3.2 Wertschöpfungskette. (nach Porter 1985, S. 37)

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193.3 Modelle

Initiierung zusätzlicher Aktivitäten zum Aufbau, Erhaltung, Erweiterung und Nutzung der Personalressourcen im Unternehmen.

In der Folge lassen sich daher zwei grundsätzlichen Ansätze der Personalstrategie unterscheiden (Bühner 2005; Staffelbach 1986), einerseits die abgeleiteten Strategien und andererseits die nicht-abgeleiteten Strategien (Abb. 3.3).

Zu den abgeleiteten Human Resource Management-Strategien gehört die Investitions-orientierte Human Resource Management-Strategie. In der Unternehmenspraxis stellt es sich häufig so dar, dass sich die Aufgabe der strategischen Personalarbeit primär auf die Unterstützung der (operativen) Umsetzung der vorgegebenen strategischen Planungen konzentriert. Diese Form der abgeleiteten Strategie lässt sich auch als Ziel-Mittel-An-satz bezeichnen. Die Human Resource Management-Strategie wird also direkt aus der Unternehmensstrategie abgeleitet. Dabei wird der Faktor „Personal“ als Investitionsobjekt betrachtet. Im Kern steht die Frage, welche personellen Ressourcen benötigt werden, um die geplante Strategie umzusetzen. Die Vorteile dieser Strategie sind die Planbarkeit, der Abbau von Widerständen und dass die Mitarbeiter für die Strategie sensibilisiert werden können. Die Nachteile sind jedoch, dass die Interessen des Personals nicht oder nur wenig beachtet werden, da das Personal als „Mittel zum Zweck“ verstanden wird.

Die ressourcenorientierte Human Resource Management-Strategie stellt den Gegenpol zur investitionsorientierten Strategie dar. Der Bereich Personal wird hier nicht als Mittel zur Umsetzung der vorformulierten Strategie gesehen. Vielmehr bestimmen die vorhan-denen und entwickelbaren Personalressourcen die strategische Ausrichtung des Unter-nehmens entscheidend mit. Die Wirkzusammenhänge werden im Vergleich zur investi-tionsorientierten Human Resource Management-Strategie also umgekehrt. Dabei ist der Personalbereich an der Entwicklung der Unternehmens- und Geschäftsbereichsstrategie direkt beteiligt. Das Humankapital kann zum Kern der strategischen Ausrichtung werden („Welche Märkte können wir mit den genutzten und noch nicht genutzten Fähigkeiten

Abb. 3.3 Ansätze der Personalstrategie

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20 3 Strategisches Human Resource Management

unserer Mitarbeiter bearbeiten?“). Die Vorteile sind hierbei, dass die Interessen des Perso-nals beachtet werden. Es besteht aus Sicht der Mitarbeiter die Möglichkeit der Einfluss-nahme. Insgesamt ist ein großes Maß an Wertschätzung durch diese Form der Strategie-arbeit erreicht. Der Nachteil besteht jedoch in einer potentiellen Vernachlässigung von Marktgegebenheiten.

Ein Sonderfall stellt aus Unternehmenssicht die eigenständige Human Resource Ma-nagement-Strategie dar. Ihren Kern bildet die Annahme, dass die strategische Personal-arbeit weitgehend losgelöst von der Unternehmensplanung stattfindet. Unternehmens- bzw. Geschäftsbereichsstrategie und Human Resource Management-Strategie (ko-)existieren nebeneinander. Eine inhaltliche Übereinstimmung beider Ausrichtung ist nicht notwendigerweise gegeben. Die Tätigkeiten des Personalbereichs konzentrieren sich ins-besondere auf den Aufbau und Verbesserung der Instrumente zur Bedarfs-, Beschaffungs- und Personalentwicklungsplanung. Inhaltliche Orientierung liefern hier nicht zwingend interne Notwendigkeiten oder (drohende) Engpässe bezüglich der Wertschöpfungskette, sondern andere Faktoren wie aktuelle Trends (bspw. demographischer Wandel, Wissens-management, etc.). Betrachtet aus der bisher dargestellten Taxonomie der strategischen Planungsprozesse im Unternehmen stellt der Ansatz der eigenständigen Human Resource Management-Strategie einen Sonderfall dar, lässt sich hier nämlich nur schwer ein sachlo-gischer Zusammenhang zur Unternehmensgesamtplanung nachvollziehen. Ein möglicher Vorteil ist, dass die Interessen der Mitarbeiter teilweise erkannt und berücksichtigt wer-den. Nachteile dieser Strategie sind eine diffuse Maßnahmenplanung und -koordination sowie ein mangelnder Bezug zur Gesamtausrichtung des Unternehmens.

3.3.3 Prozess der Human Resource Management-Strategie

Der Prozess der Erarbeitung und Umsetzung einer Human Resource Management-Strategie lässt sich idealtypisch in einzelne aufeinanderfolgende Phasen einteilen. Die Einschränkung auf „idealtypisch“ ist daher notwendig, als dass in der Unternehmenspra-xis diese Prozesse durch unterschiedlichste Kontextfaktoren beeinflusst werden und sich dadurch vielfältige Rückkopplungsprozesse ergeben können. Die nun folgende Betrach-tung wird wiederum zwischen (aus der Unternehmensstrategie) abgeleiteten und nicht-ab-geleiteten Human Resource Management-Strategien unterscheiden. Der abstrakte Ablauf der jeweiligen Prozesse ist in Abb. 3.4 dargestellt (Bühner 2005; Roberts und Wolf 1983).

Betrachten wir zunächst die Strategiebildung für den Fall der abgeleiteten Human Resource Management-Strategie. Zu Beginn des Prozesses der Zieldefinition dieser Hu-man Resource Management-Strategiebildung gilt es zu klären, welche Implikationen sich konkret aus der Unternehmensstrategie für das Human Resource Management ergeben. Welche personellen Ressourcen müssen in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt im Unternehmen vorhanden sein? Wie sind die Anforderungen an z. B. die Organisations-strukturen, an die Führungskräfte und an die Mitarbeiter? Ergebnis der Zieldefinition ist die Erstellung eines Anforderungskataloges („Soll-Zustand“).

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213.3 Modelle

Im zweiten Schritt wird die Situationsanalyse vorgenommen. Sobald festgestellt ist, welche Personalressourcen benötigt werden, gilt es vor diesem Hintergrund zu überprü-fen, wie das Unternehmen – auch im Vergleich zur Unternehmensumwelt – aufgestellt ist. Welche notwendige Expertise ist bereits vorhanden? Wo herrscht Entwicklungsbedarf bzw. wo existieren im Vergleich zur Konkurrenz Defizite? Nach welcher Struktur der Prozess der Situationsanalyse erfolgt, kann variieren. Als prominente Heuristik hat sich in diesem Bereich die SWOT-Analyse1 etabliert.

Die SWOT-Analyse ist ein Instrument des strategischen Managements zur strategi-schen Unternehmens- und Umweltanalyse. Ihr Wert wie auch ihre Schwäche liegt in ihrer die Realität stark vereinfachenden Struktur. Die Betrachtung des Unternehmens umfasst hiesige Stärken („Strengths“) und Schwächen („Weaknesses“). Bei der Umweltanalyse wird unterschieden zwischen Gelegenheiten („Opportunities“) und Gefahren („Threats“). Dargestellt in einer 4-Felder Matrix ergeben sich demnach vier mögliche Kombinationen (Abb. 3.5), die den Ausgangspunkt für strategische Planungsprozesse bilden.

Die SWOT-Analyse lässt sich auch auf die Perspektive des strategischen Human Re-source Management begrenzen. Fragen, die in diesem Zusammenhang beantwortet wer-den müssen, sind bspw.: Welche Mitarbeiter haben wir, welche könnten gewonnen wer-den? Welche Stärken, Defizite haben diese Mitarbeiter? Sind die Stärken oder Schwächen strategisch relevant? Wie ist unser Mitarbeiter-Potential im Vergleich zur Konkurrenz?

1 SWOT ist die Abkürzung für „strengths“, „weaknesses“, „opportunities“ und „threats“ Weihrich (1982).

Abb. 3.4 Prozess der Human Resource Management-Strategieentwicklung

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22 3 Strategisches Human Resource Management

Das Ergebnis der Situationsanalyse ist die Bilanzierung der Fähigkeiten und Kompeten-zen, die im Unternehmen vorhanden sind („Ist-Zustand“).

Die ersten beiden Phasen (Ziel- und Situationsanalyse) sind bei nicht-abgeleiteten Human Resource Management-Strategien in umgekehrter Reihenfolge angeordnet. Be-trachten wir daher kurz die Abfolge bei einer ressourcenorientierten Human Resource Ma-nagement-Strategie. Wie zuvor erörtert, werden hier die vorhandenen und entwickelbaren Personalressourcen als Quelle zur Erreichung langfristiger Wettbewerbsvorteile gesehen. Sie bilden somit einen wichtigen Kern bei sämtlichen strategischen Auseinandersetzun-gen. Sachlogisch beginnt daher der Prozess der Human Resource Management-Strategie-bildung mit der Situationsanalyse. Erst im zweiten Schritt lassen sich dann – auf Basis der bestehenden Kompetenzen im Unternehmen – konkretere Ziele auch bezüglich der Sicherstellung und Entwicklung der personalen Ressourcen formulieren. Wie in Abb. 3.5 dargestellt, unterscheidet sich der Prozess der Human Resource Management-Strategiebil-dung und -umsetzung bei abgeleiteten und nicht-abgeleiteten Strategien lediglich bei den Phasen der Zieldefinition und der Situationsanalyse. Die nachgelagerten Prozessphasen laufen in beiden idealtypischen Fällen identisch ab und können daher gemeinsam betrach-tet werden.

Nach der Erfassung des personalen Ist-Zustandes und der Formulierung bestimmter Zielgrößen schließt sich in der dritten Phase eine Abweichungsanalyse an, in der das Istpo-tential der Humanressourcen mit dem erwünschten Sollpotential abgeglichen wird („Pha-se des Entwicklungsbedarfs“). Das Ergebnis dieser Analyse ist im Regelfall die Identi-fizierung bestimmter Defizitbereiche. Auf dieser Basis lassen sich dann die notwendigen Aktivitätsfelder bestimmen, um die Differenz ausgleichen zu können. Die grundsätzlichen Aktivitätsfelder unterscheiden sich je nach den strategischen Vorgaben.

In der vierten Phase werden Maßnahmen geplant. Im Rahmen der Maßnahmenplanung werden die Aktivitätsfelder des strategischen Human Resource Management konkretisiert.

Abb. 3.5 SWOT-Analyse. (nach Weihrich 1982)

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23Literatur

Das Ergebnis stellt entsprechend eine Auflistung verschiedenster Maßnahmen (bspw. PE oder OE) dar, die in ihrer Gesamtheit die Umsetzung der strategischen HR-Vorgaben dar-stellen. Wichtige Entscheidungsdeterminanten bei der Auswahl und Planung der Aktivi-täten sind neben den identifizierten Defiziten insbesondere unterschiedliche Prioritäten sowie zeitliche und finanzielle Restriktion.

Übersicht innerhalb dieser Maßnahmenpalette schafft eine Personalressourcen-Strate-giematrix (Tab. 3.1), in der die Aufgaben und Phasen der Strategieentwicklung abzubilden sind (Bühner 2005; Roberts und Wolf 1983).

Fünftens wird die konkrete Realisierung der Maßnahmen vorgenommen. Hierbei muss für jede der Maßnahmen bestimmt werden, wer diese umsetzt. Zudem muss geklärt wer-den, wie die Maßnahmen umgesetzt werden. Wurde beispielsweise in der Phase der Maß-nahmenplanung entschieden, dass ein Training zu Steigerung der sozialen Kompetenz der Führungskräfte durchgeführt werden soll, so ist in der Phase der Realisierung zu ent-scheiden, ob das Training inhouse (eigene Räumlichkeiten) oder outhouse (Tagungshotel) durchgeführt wird, ob es von einem eigenen oder einem externen Trainer geleitet wird, usw. Bei der Einführung eines Leistungsbeurteilungs-Systems muss entschieden werden, wer die Leistung bewertet, also ob eine Selbsteinschätzung durch den Stelleninhaber vor-genommen werden soll, oder ob seine Mitarbeiter (Aufwärtsbeurteilung) oder seine Vor-gesetzten (Abwärtsbeurteilung) die Leistung einschätzen.

Den logischen Abschluss des Prozesses der Strategieentwicklung und -umsetzung stellt sechstens die Kontrolle der Zielerreichung dar. Wurden die ausgegeben Zielgrößen er-reicht? Haben die durchgeführten Maßnahmen die gewünschten Effekte? Die Evaluation der HR-Strategie(-umsetzung) fällt nicht exklusiv in das Tätigkeitsfeld des Human Re-source Management, da weitere Unternehmensbereiche wie bspw. das Controlling oder die Qualitätssicherung ebenfalls eingebunden werden.

Literatur

Becker, F. G., & Fallgatter, M. J. (2005). Strategische Unternehmensführung: Eine Einführung mit Aufgaben und Lösungen. Berlin: Erich Schmidt.

Bühner, R. (2005). Personalmanagement. München: Oldenbourg.

Tab. 3.1 Strategiematrix. (nach Bühner 2005 S. 26)PhasenSollzustand Istzustand Entwick-

lungsbedarfMaßnahmen Prioritäten Kosten

Personalauswahl – – – – – –Personalentwick-lung

– – – – – –

Arbeitsgestaltung – – – – – –Arbeitsorganisation – – – – – –… – – – – – –

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24 3 Strategisches Human Resource Management

Drumm, H. J. (2008). Personalwirtschaft (Sechste, überarbeitete Auflage.). Berlin: Springer.Duch, K. (1986). Strategisches Management der Human-Ressourcen. In N. Wieselhuber & P. Bern-

hardt (Hrsg.), Strategisches Marketing (Management und Marketing, 2. Aufl., S. 373–390). Landsberg am Lech: Verl. Moderne Industrie.

Porter, M. E. (1985). Competitive advantage: Creating and sustaining superior performance. New York: Free Press.

Roberts, R. G., & Wolf, G. (1983). Human Resources Strategy. In K. J. Albert (Hrsg.), The strategic management handbook (S. 15–1, 15–22). New York: McGraw Hill.

Staffelbach, B. (1986). Strategisches Personalmanagement. Bern: Haupt.Weihrich, H. (1982). The TOWS matrix – A tool for situational analysis. Long Range Planning,

15(2), 54–66.

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25

Gefühle, Konflikte und Teams

Carolin Abrell, Frauke Stiller und Jens Rowold

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_4

4

4.1 Einführung

Gefühle bedingen menschliches Handeln und haben beträchtliche Einwirkungen auf Ent-scheidungen, die wir täglich treffen. Da wir unser Gefühlsleben nicht roboterhaft abstel-len, sobald wir unseren Arbeitsplatz betreten, bleibt auch unser arbeitsbezogenes Handeln nicht unberührt von Gefühlen. Vielmehr beeinflussen sie den beruflichen Alltag auf ver-schiedenen Ebenen. So spielen Gefühle bei der Teamarbeit eine wichtige Rolle: Die Art und Weise wie Mitarbeiter mit eigenen und fremden Gefühlen umgehen, kann über Erfolg und Misserfolg der Zusammenarbeit entscheiden. Auch Führungskräfte sind vielfach mit Gefühlen konfrontiert und müssen Wege finden, diese konstruktiv in ihr Führungsverhal-ten einzubinden. Nicht nur betriebsintern, sondern auch in Kooperationen verschiedener Unternehmen, können Gefühle für Irritationen und Störungen sorgen und bergen ein be-trächtliches Konfliktpotential. Konflikte stellen in diesem Zusammenhang ein wichtiges interaktionelles Phänomen dar, das häufig weitere stark negative Gefühle auslöst.

Da Gefühle insbesondere in Situationen große Bedeutung erlangen, in denen Menschen interagieren, beschäftigt sich auch das Human Resource Management zur Sicherstellung der Teamleistung mit dem Themengebiet „Gefühle und Konflikte“. Das folgende Kapitel gibt eine Einführung in die Begriffe „Gefühle“ und „Konflikt“ und stellt dar, was unter einem „Team“ zu verstehen ist. Um die Praxisrelevanz der Thematik zu verdeutlichen, werden Definitionen mit grundlegenden Methoden des Human Resource Management und aktuellen Forschungsergebnissen verknüpft.

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26 4 Gefühle, Konflikte und Teams

4.2 Gefühle

Gefühle sind die subjektiven Erlebenskomponenten von Emotionen. Werden Menschen durch die bewusste oder unbewusste Wahrnehmung eines Objektes oder einer Situation emotional aktiviert, folgt daraus eine unmittelbare und unwillkürliche Bewertung: Es ent-wickelt sich ein Gefühl gegenüber der Sache oder Situation. Qualität und Quantität von Gefühlen können sich individuell stark unterscheiden, außerdem lassen sich die dem Ge-fühlsleben zugrunde liegenden, (unbewussten) Prozesse mit den Methoden der Psycho-logie bislang nur schwer untersuchen. Folglich gibt es zahlreiche Definitionen, in denen verschiedene Facetten von Gefühlen unterschiedlich stark betont werden. Als Arbeitsde-finition dient eine Begriffsbestimmung von Rohracher (1988). Er beschreibt Gefühle als psychische Zustände, die ohne Mitwirkung des Bewusstseins als Reaktion auf ein äußeres oder inneres Geschehen auftreten und meist in irgendeiner, sprachlich nicht fassbaren Art als angenehm oder unangenehm erlebt werden.

Grundsätzlich sind zudem Gefühle von Stimmungen zu unterscheiden. Gefühle haben meist eine klare Ursache und dauern kurz an. Sie sind auf Personen oder Objekte gerichtet und können hinsichtlich ihrer Qualität (z. B. Angst, Freude) unterschieden werden. Dem-gegenüber sind bei Stimmungen die Ursachen oft unklar und sie dauern relativ lange an. Stimmungen sind eher ungerichtet und hinsichtlich ihrer Qualität weniger differenzierba-rer als Gefühle.

4.2.1 Welche Gefühle werden unterschieden?

In der Forschung wird eine Vielzahl an Kategorisierungsmöglichkeiten von Gefühlen un-terschieden. Einer der am weitesten anerkannten Ansätze geht auf Ekman (1982) zurück und klassifiziert sechs Basisemotionen auf der Grundlage universeller Gesichtsausdrücke: Freude, Überraschung, Furcht, Traurigkeit, Wut und Ärger.

Es gibt zahlreiche empirische Belege dafür, dass diese Basisemotionen kulturunab-hängig sind und daher wahrscheinlich eine biologische (evolutionsbiologisch bedingte) Grundlage haben. Damit sind Gefühlsregungen auch im internationalen Kontext (z. B. Verhandlungen bzw. Kooperationen mit ausländischen Unternehmen) anhand von Gestik und Mimik gut zu erkennen und für eine erfolgreiche Kommunikation nutzbar.

Weitere Forschung legte nahe, dass die meisten Gefühle sich hinsichtlich zwei Dimen-sionen beschreiben lassen: Erstens sind die meisten Gefühle entweder eher positiv (z. B. Freude) oder eher negativ (z. B. Angst). Zweitens sind Gefühle entweder eher stark (z. B. Begeisterung) oder eher schwach (z. B. Langeweile).

4.2.2 Konsequenzen von Gefühlen

Gefühle beeinflussen Kognitionen Gefühle und Kognitionen hängen maßgeblich zusam-men. Grundsätzlich bestimmt die aktuelle Gefühlslage, welche Inhalte des Gedächtnisses

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274.2 Gefühle

abrufbar sind. Bei freudiger Gefühlslage sind z. B. Informationen, die zu diesem Gefühl kongruent sind, leichter abrufbar, also inkongruente Informationen. Dies wirkt sich natür-lich bei Entscheidungsprozessen aus. Darüber hinaus lenken Gefühle unsere Aufmerk-samkeit und unsere Lernkapazitäten.

Gefühle beeinflussen Handlungsabsichten Warum gehen wir täglich unserer Arbeit nach (selbst wenn wir sie nicht als besonders anregend empfinden)? Einer der Gründe besteht sicher darin, dass wir ein natürliches Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit – zum Beispiel einer Wohnung und genügend gesunder Nahrung – haben; für beides benötigen wir ausreichend finanzielle Mittel und die erlangen wir in unserer Gesellschaft traditio-nell durch Erwerbsarbeit. Die Konsequenz der Tatsache, dass wir uns in einer sicheren, gemütlich eingerichteten Wohnung gut fühlen ist also, dass wir bestrebt sind (das heißt, die Absicht haben) auf der Arbeit das nötige Geld dafür zu verdienen.

Gefühle beeinflussen Handlungen Gefühle können uns dazu veranlassen, anderen Men-schen zu helfen, zum Beispiel wenn deren Anblick Mitleid in uns erregt. Dabei werden Gestik, Mimik, Stimme und die Art wie wir kommunizieren beeinflusst.

Gefühle beeinflussen Handlungspersistenz Die Wahrnehmung positiver Erregung, nachdem wir eine Herausforderung gemeistert haben, kann uns dazu motivieren uns regel-mäßig weiteren Herausforderungen auszusetzen, die eine Wiederholung dieses Gefühls wahrscheinlich machen. Bezogen auf das Berufsleben könnte sich eine solche Handlungs-persistenz zum Beispiel darin ausdrücken, dass wir einer neuen Position gegenüber aufge-schlossen gegenübertreten und bereit sind, wiederholt Energie in anspruchsvolle Aufgaben zu investieren, da wir positive Gefühle als Konsequenz unseres Erfolges erwarten.

4.2.3 Ursprung von Gefühlen

Die Art und Intensität, mit der wir Gefühle wahrnehmen, liegt unter anderem in der Per-sönlichkeitsstruktur von Menschen begründet. Zum Beispiel haben emotional instabile Persönlichkeiten (vgl. Kap. 9) stärkere und häufiger schwankende Gefühle. Des Weiteren wirkt sich unser Geschlecht auf unsere Gefühle aus: Ob wir männlich oder weiblich sind beeinflusst, wie wir mit unseren Gefühlen umgehen. Frauen tendieren eher dazu, ihre Gefühle offen auszudrücken. Das heißt aber nicht, dass Frauen generell emotionaler sind als Männer. Das Phänomen lässt sich vor allem auf Erziehungs- und Sozialisationseffekte zurückführen.

Ältere Menschen erleben weniger häufig negative Gefühle. Dies liegt u. a. an dem Ef-fekt der Selbstselektion (schlechter gestimmte Menschen begeben sich mit höherer Wahr-scheinlichkeit in riskante Situationen und achten weniger auf ihre Gesundheit). Ein wei-terer Grund liegt in einem Zusammenhang von positiven Gefühlen und dem Immunsys-tem. Außerdem halten bei älteren Menschen die Phasen ausgeprägter positiver Emotionen länger an und negative Stimmungen lösen sich schneller auf als bei jüngeren Menschen.

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28 4 Gefühle, Konflikte und Teams

Man könnte sagen, je älter wir werden, umso positiver und ausgeglichener ist unser Ge-fühlsleben.

4.2.4 Zwei-Faktoren-Theorie der Emotion

Eine klassische Emotionstheorie aus der Gruppe der kognitiv-physiologischen Theorien ist die Zwei-Faktoren-Theorie von Schachter und Singer (1962). Dem Modell zufolge sind an der Entstehung von Emotionen physiologische Erregung und kognitive Prozesse beteiligt. Wir nehmen zunächst eine physiologische Reaktion wahr, wie zum Beispiel eine beschleunigte Atmung oder Schwitzen, und versuchen im Anschluss durch Deutung der Situation (= Kognition), die Ursache für diese Reaktion zu benennen. Das Ergebnis des Prozesses ist eine erlebte Emotion. Die gleiche körperliche Reaktion kann also in Ab-hängigkeit von der Situation als unterschiedliches Gefühl deklariert werden. Ein Beispiel dafür ist ein beschleunigter Puls, den wir a) vor einer Prüfungssituation und b) bei der be-vorstehenden Ankunft eines guten Freundes am Bahnhof erleben: In Situation a) würden wir diese Reaktion des Körpers vermutlich eher als Prüfungsangst deuten, in Situation b) als Vorfreude auf den Freund, den wir schon lange nicht mehr gesehen haben. Ein solcher Deutungsspielraum kann auch dazu führen, dass wir physiologischen Reaktionen eine „falsche“ Ursache zuschreiben und beispielsweise einen Streit mit einem Kommilitonen provozieren, obwohl die in dem Moment wahrgenommene Erregung aus dem Verkehrs-stau auf dem Weg zur Uni herrührt, der zu unserer Verspätung im Seminar führte.

4.2.5 Einfluss der Gefühle auf arbeitsrelevante Einstellungen und Verhaltensweisen

Die Affective Events Theory (AET) von Weiss und Cropanzano (1996) unterstreicht in ihren Aussagen die Bedeutung von Emotionen und Gefühlen im Arbeitsleben. Demnach reagieren Angestellte emotional auf Vorkommnisse der Arbeit, was sowohl ihre Arbeits-leistung als auch Arbeitszufriedenheit beeinflusst. Emotionen sind als Antwort auf Ereig-nisse im Arbeitsumfeld zu verstehen. Das Arbeitsumfeld umfasst Eigenschaften der Arbeit wie Aufgabenvariabilität und Grad der Selbstbestimmung, Anforderungen der Stelle, aber auch unternehmenskulturelle Faktoren wie Aufgeschlossenheit gegenüber bzw. Umgang mit Emotionen. Dieser Rahmen ermöglicht tendenziell eher positive oder eher negative emotionale Ereignisse, oder eine anhaltende Mischung aus beidem. Besonders negativ werden unter anderem Kollegen wahrgenommen, die wiederholt ihren Anteil am Arbeits-pensum nicht erbringen (siehe auch Abschn. 4: Motivationsverluste in Gruppen) oder auch das Arbeiten unter ständigem Zeitdruck. Positive Ereignisse im Rahmen des Arbeitsum-feldes sind zum Beispiel das Erreichen eines Ziels oder Anerkennung für eine besondere Leistung. Beide Arten von Ereignissen lösen sowohl positive als auch negative Emotionen aus; auch Stimmungen und die Persönlichkeit der Mitarbeiter haben einen moderierenden

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294.3 Konflikte

Effekt auf die Intensität und damit die Beziehung zwischen Ereignis und Emotion. So reagieren emotional instabile Persönlichkeiten stärker auf negative Ereignisse als emotio-nal stabile. Dementsprechend beeinflussen Emotionen zahlreiche Variablen der Arbeits-leistung und Arbeitszufriedenheit, wie zum Beispiel Organizational Citizenship Behavior (OCB), organisationales Commitment, Absichten das Unternehmen zu verlassen und den Aufwand, der in Arbeitsaufträge investiert wird.

Nach der AET sind Vorgesetzte eine mögliche Quelle von Gefühlen von Mitarbeitern. Erstens beeinflussen Vorgesetzte die Gefühle direkt, indem sie mit den Mitarbeitern kom-munizieren. Zweitens verteilen Vorgesetzte Aufgaben und Ressourcen, die indirekt Ge-fühle bei Mitarbeitern auslösen. Rowold und Rohmann (2009) untersuchten in Orchestern die Auswirkung eines Orientierung vermittelnden, positiven und unterstützenden Füh-rungsstils (transformationale Führung, vgl. Kap. 17) des Dirigenten auf die Gefühle und Leistung der Musiker. Es zeigte sich, dass dieser Führungsstil negative Gefühle verringert und dadurch die Leistung der Musiker steigert. Es kann vermutet werden, dass die Ori-entierung, die durch den Führungsstil gegeben wird, Ängste (z. B. bezüglich der Zukunft oder der eigenen Leistungsfähigkeit) abbaut.

4.3 Konflikte

Konflikte rufen häufig starke Gefühle bei den beteiligten Personen hervor. Ein sozialer Konflikt ist eine Interaktion zwischen Akteuren, wobei mindestens ein Akteur Unverein-barkeiten im Denken, Vorstellen, Wahrnehmen und/oder Fühlen und/oder Wollen emp-findet und mit den anderen Akteuren in solch einer Art erlebt, dass im Realisieren von Aktivitäten eine Beeinträchtigung durch andere Akteure erfolgt (Glasl 1994).

4.3.1 Arten von Konflikten

Im organisationalen Kontext kann zwischen unterschiedlichen Arten von Konflikten dif-ferenziert werden (Jehn und Bendersky 2003, S. 201). Aufgabenkonflikte beziehen sich auf Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt von Aufgabenstellungen, zum Beispiel wenn in Teams verschiedene Interpretationen aufeinander treffen. Interpretationskonflikte entstehen durch die Uneinigkeit darüber, warum Arbeitsaufträge auf eine bestimmte Art und Weise zu deuten seien, und warum andere Deutungen ausgeschlossen werden können (kann zu Aufgabenkonflikten führen). Prozesskonflikte werden durch Uneinigkeit darüber hervorgerufen, wie Aspekte der Aufgabe erreicht werden sollen, Unklarheit über Zustän-digkeiten und Verantwortungsmaße, Delegationsmacht, Zugriff auf Ressourcen. Zielkon-flikte entstehen, wenn Zielsetzungen sich gegenseitig negativ beeinflussen. Zum Beispiel kann die Beauftragung eines kompetenten Mitarbeiters mit einem Projekt dazu führen, dass zwar die Projektaufgabe gut bewältigt wird, der Mitarbeiter seinen ebenso wichti-gen regulären Aufgaben aber nicht in vollem Maß nachgehen kann. Erwartungskonflikte

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30 4 Gefühle, Konflikte und Teams

beziehen sich auf Erwartungshaltungen, die an Rollen unseres Arbeitslebens herangetra-gen werden. Sind die Rollen „Vorgesetzter“ und „Angestellter“ in einem Unternehmen streng hierarchisch organisiert, kann es zu Konflikten führen, wenn der Angestellte bei-spielsweise in einem Fachbereich kompetenter ist als sein Chef, dies aber unterdrücken muss um die Hierarchie zu wahren. Rollenkonflikte ergeben sich aus widersprüchlich empfundenen Rollen, zum Beispiel Mutter und Angestellte (Intra-Rollenkonflikt) bzw. arbeitende Mutter und Vorgesetzter (Inter-Rollenkonflikt). Beziehungskonflikte sind Span-nungen und Feindseligkeit im Kollegium bzw. unter Teammitgliedern. Diese Art des Kon-flikts lenkt meist stark vom Arbeitsauftrag ab, führt zu Leistungseinbußen und ist damit besonders kontraproduktiv im Arbeitsleben.

4.3.2 Funktionale und dysfunktionale Konflikte

Nicht jeder Konflikt ist kontraproduktiv. So können funktionale und dysfunktionale Kon-flikte unterschieden werden: Funktionale Konflikte (Amason 1996) unterstützen das Er-reichen von Gruppenzielen und steigern die Arbeitsleistung der Gruppe. Sie ermöglichen es, eigene Ideen auszudrücken und die Vorstellungen anderer zu hinterfragen. Führungs-kräfte, die grundlegende Veränderungen (z. B. Neuausrichtung des Unternehmens oder Einführung von neuen Arbeitsprozessen) erreichen wollen, erzeugen oft Konflikte, indem sie den Status quo als Problem darstellen und radikale, neue und innovative Gegenentwür-fe skizzieren (bspw. charismatische und transformationale Führung, s. Kap. 17). Funktio-nale Konflikte bilden einen Gegensatz zum Gruppendenken (siehe auch Abschn. 4: Vor- und Nachteile von Teams).

Dysfunktionale Konflikte (Pondy 1992) setzen die Arbeitsleistung der Gruppe und die Zufriedenheit der Mitglieder herab. Sie lenken die Aufmerksamkeit und Energie des Teams auf Spannungen und Unstimmigkeiten und behindern potentiell das Erreichen von Gruppenzielen.

4.3.3 Schritte des Konfliktmanagements

Der effektive und aktive Umgang mit Konflikten ist das Ziel des Konfliktmanagements. Dabei sollten verschiedene Schritte durchlaufen werden:

1. Konfliktwahrnehmung: Zunächst ist es für alle Konfliktparteien notwendig, den Kon-flikt überhaupt als solchen wahrzunehmen. Häufig kommt es zu verdeckten oder nicht explizit ausgetragenen Konflikten, die über einen langen Zeitraum „schwelen“ und in diesem Zustand nicht effektiv, im Sinne eines Konfliktmanagements, bearbeitet werden können.

2. Konfliktanalyse: Die Konfliktanalyse ist die Basis und das Herzstück des Konfliktma-nagements. Warum ist es überhaupt zu diesem Konflikt gekommen? Wer ist beteiligt? Um welche Art des Konfliktes geht es? Ist es tatsächlich ein Zielkonflikt oder stecken

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314.4 Teams

doch Beziehungskonflikte dahinter? Bei der Konfliktanalyse eignet es sich häufig, den beteiligten Personen die Komplexität von Menschen (welche Motive bewegen die Konfliktparteien, wie äußert sich dies in ihrem Verhalten?) vor Augen zu führen. Wei-tere hilfreiche Frageinhalte in der Konfliktanalyse sind:− Sache: Worum geht es inhaltlich bei dem Konflikt?− Person: Wahrnehmung: Wann haben die Konfliktparteien den Konflikt erkannt/

wahrgenommen? War das rechtzeitig/zu spät/sehr früh?; Verhalten: Wie haben sich die Konfliktparteien im Konflikt verhalten? (aktiv, passiv, zurückhaltend, aggressiv, genervt, kooperativ, verständnisvoll, nicht angegangen, …); Gefühle: Welche Emo-tionen hat der Konflikt in den beteiligten Personen ausgelöst? (Ärger, Enttäuschung, Wut, Angst, Unsicherheit, Mut); Einstellung: Wollen die Konfliktparteien den Kon-flikt lösen?

− Beziehung (Welche Beziehung haben die Konfliktparteien? (angespannt, vertrau-ensvoll, Konkurrenten verstehen sich nicht, unterschiedliche Motive/Interessen/Ziele, unterschiedliche Persönlichkeiten, Wie wirkt sich die Beziehung auf den Konflikt und die Konfliktlösung aus?)

− Umfeld (Inwiefern beeinflusst das Umfeld den Konflikt? Wie reagiert das Umfeld auf den Konflikt? Gibt es Parteien? Versuchen die beiden Konfliktparteien andere Personen auf ihre Seite zu ziehen?)

− Fazit: Um welche Art von Konflikt geht es wirklich?Konfliktregelung oder Konfliktlösung: Um eine Eskalation des Konflikts und damit ver-bundene enorme organisationale Kosten zu vermeiden, ist das Ziel des Konfliktmanage-ments die Konfliktlösung. Hier kann weiter unterschieden werden zwischen einer echten Lösung des Konflikts unter den Konfliktparteien oder der Regelung des Konflikts von außen. Anzustreben ist immer zunächst die Konfliktlösung, da sie eine „Win-win-Situa-tion“ ermöglicht, wohingegen eine Regelung häufig nur einen oder gar keinen „Gewinner“ zur Folge hat. Eine Möglichkeit zur Konfliktlösung ist die Konfliktmoderation durch eine objektive dritte Person. Dadurch werden die verfügbaren Ressourcen/Handlungsspielräu-me erhöht und gemeinsame Aufgaben und Ziele (z. B. durch eine gemeinsame Vision, vgl. Kap. 17) geschaffen. Eine Maßnahme zur Konfliktregelung ist die Entscheidung über Konflikt seitens des Top-Managements oder die Organisationsentwicklung (z. B. Kon-fliktparteien müssen nicht mehr zusammenarbeiten).

4.4 Teams

Die Arbeit in Organisationen ist durch die Interaktion von Organisationsmitgliedern be-stimmt. Daher beschäftigt sich das Human Resource Management mit der Erzeugung und Aufrechterhaltung von effektiven Teams. Der folgende Abschnitt gibt einen Überblick über die Funktionsweise von Teams, zeigt Vor- und Nachteile der Teamarbeit und stellt ein Modell der Teamentwicklung vor.

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32 4 Gefühle, Konflikte und Teams

4.4.1 Definition Gruppe und Team

Nach Antoni (1996) sind eine Gruppe zwei oder mehr Personen, die über eine gewisse Zeit so miteinander interagieren, dass jede Person die anderen Personen beeinflusst und von ihnen beeinflusst wird und die ein gemeinsames Ziel und eine Gruppenstruktur mit Wir-Gefühl haben. Eine Arbeitsgruppe verfügt zusätzlich über eine gemeinsame Arbeits-aufgabe und setzt Einigkeit über gemeinsame Ziele und Zielsetzung voraus. Ein Team ist eine Sonderform der Arbeitsgruppe, die sich durch eine ausgeprägte Interaktion und starke Kohäsion der Mitglieder (Wir-Gefühl) auszeichnet (Bungard 1990).

Das weitaus wichtigste Merkmal von Teams zielt auf deren positive Synergieeffekte: Wäh-rend (Arbeits-)Gruppen in erster Linie dem optimalen Informationsaustausch der Mitglie-der dienen und so effiziente Arbeitsteilung ermöglichen, ist das Arbeitsergebnis von Teams potentiell größer als die Summe der Teilleistungen Einzelner. Verantwortlich dafür ist eine grundsätzlich andere Zielsetzung – das Ergebnis soll in gezielter Zusammenarbeit erreicht werden (Teamperformanz) –, der hohe Grad an Koordination, und die Qualität der Fertig-keiten der Teammitglieder (einander ergänzend im Gegensatz zu beliebig in Arbeitsgruppen).

4.4.2 Merkmale von Gruppen- und Teamarbeit

Teamarbeit bzw. Gruppenarbeit im Allgemeinen ist eine Möglichkeit der Arbeitsorganisa-tion und unterscheidet sich von alternativen Formen. Es gibt eine Reihe von wesentlichen Merkmalen, die sowohl für Gruppen- als auch für Teamarbeit gelten (Antoni 2000; Luczak et al. 2010): Zentral ist eine gemeinsame Aufgabe, die zur effektiven Bearbeitbarkeit in Teilaufgaben untergliedert sein kann. An der Bearbeitung sind mehr als zwei Personen be-teiligt, die eigenverantwortlich zusammenarbeiten müssen; Gruppenarbeit erfordert dem-nach immer ein gewisses Maß an Kommunikation und Koordination unter ihren Mitglie-dern um erfolgreich zu sein. Die Aufgabenstellung sollte zum einen von den Mitgliedern als gemeinsames Ziel interpretiert werden, zum anderen muss sie aber auch geeignet sein, um in Kooperation bearbeitet zu werden, sodass sich ein „Mehrwert“ aus der Zusammen-arbeit ergibt. Diese Voraussetzung durch die Aufgabenstellung bedingt weitere charakte-ristische Merkmale von Gruppenarbeit, unter anderem geteilte Werte und Spielregeln, die wiederum zu einem ausgeprägten Wir-Gefühl und einem hohen Grad an Kohäsion inner-halb der Gruppe führen können. Auch die Rollenverteilung innerhalb der Gruppe wird (neben gruppendynamischen und individuellen Faktoren) durch die Aufgabe vorgegeben, denn Teams setzen sich häufig aus Mitgliedern mit unterschiedlichen, spezifischen Fach-kenntnissen und Fertigkeiten zusammen, die einander ergänzen (Luczak et al. 2010).

4.4.3 Positive und negative Effekte der Teamarbeit

Obwohl Teams durch die eigenen Synergieeffekte oft großes Potential besitzen Prob-lemstellungen besonders effektiv zu lösen – ein bedeutender Vorteil –, bergen sie auch

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334.4 Teams

Nachteile, und nicht für alle Typen von Arbeitsaufträgen ist die Bearbeitung durch Teams die sinnvollste Lösung.

Manche Aufgabenstellungen können schlicht nicht von Einzelpersonen bewältigt wer-den, da sie zu komplex sind und zu viele verschiedene Fähigkeiten erfordern (man denke zum Beispiel an Projekte wie den Bau der ägyptischen Pyramiden). Gruppen verfügen außerdem über mehr Informationen: Die Mitglieder multiprofessioneller Teams verfügen zum Beispiel über ganz unterschiedliche Kenntnisse, die im Team bei guter Kommunika-tion zusammenfließen und gebündelt für die Lösung der Aufgabe zur Verfügung stehen. Auch verfügen Gruppen über ein kollektives Gedächtnis, und Fehler von Einzelpersonen können in der Gruppe schneller und besser ausgeglichen werden. Nicht zuletzt macht die Arbeit in Gruppen oft mehr Spaß – sicher ein wichtiger Faktor für den Arbeitserfolg.

Im Gegensatz zu den positiven Effekten von Teamarbeit lassen sich jedoch auch nega-tive Effekte zeigen. Teamwork bedeutet im Vergleich zur Einzelarbeit häufig einen Mehr-aufwand an Zeit und Kosten. Letztere entstehen beispielsweise dann, wenn Mitarbeiter zugunsten eines Teamauftrages vollständig aus ihrem regulären Arbeitsfeld genommen werden und diese so vakant gewordenen Stellen übergangsweise neu besetzt werden müs-sen. Ein Zeitfaktor ist der vergleichsweise hohe Kommunikations- und Koordinations-aufwand in Teams: Teamwork erfordert regelmäßigen Informationsaustausch über den Arbeitsfortschritt, Zwischenergebnisse müssen präsentiert, Weisungen eingeholt werden – und nicht zuletzt treffen häufig sehr verschiedene Ansichten aufeinander, die in Kon-flikten münden können, die wiederum bereinigt werden müssen. Man sollte demzufolge im Vorfeld genau abwägen ob sich der Mehraufwand durch Teamarbeit lohnt und ob das Ergebnis von der Gemeinschaftsleistung profitiert.

Einige sozialpsychologische Befunde weisen die negativen Effekte durch Gruppenar-beit nach. Um diese Befunde einordnen zu können, sehen wir uns zunächst die Faktoren an, die an der Gruppenleistung beteiligt sind. Dazu gehört zum einen die individuelle Leistung in Anwesenheit weiterer Personen und zum anderen Prozessverluste, die sich aus der Gruppenarbeit ergeben können. Prozessverluste werden weiter in Motivations- und Koordinationsverluste differenziert.

Befunde, die sich auf die individuelle Leistung in Gruppen beziehen, haben unter ande-rem folgendes ergeben: Die Anwesenheit anderer kann sich abhängig von Schwierigkeit und Bekanntheitsgrad der Aufgabe aktivierend oder hemmend auswirken. Auf einfache, bekannte Aufgaben wirkt sich die Anwesenheit anderer eher sozial aktivierend aus, wohin-gegen sie bei schwierigen oder ungeübten Aufgaben zu einer sozialen Hemmung führen kann (Zajonc 1965). Beispielsweise wurden Teilnehmer eines Experiments in Anwesen-heit anderer veranlasst, dominante bzw. nicht-dominante Antworten zu geben. Dominante Antworten wurden in dieser Anordnung durch die Anwesenden verstärkt, nicht-dominante Antworten geschwächt. In einem zweiten Schritt wurde dem Probanden eine Aufgabe gestellt, die entweder eine dominante oder eine nicht-dominante Antwort erforderte. Die dominante Antwort erfuhr in Anwesenheit weiterer Personen eine Aktivierung, das heißt es fiel dem Probanden leichter unter Beobachtung der anderen die entsprechende Antwort zu geben; die nicht-dominante Antwort wurde durch die Anwesenheit der anderen ge-hemmt. Diese „Publikumseffekte“ lassen sich außerdem durch erhöhtes Erregungs- bzw.

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34 4 Gefühle, Konflikte und Teams

Aktivitätsniveau, Bewertungsangst oder Bewertungserwartung (Cottrell et al. 1968) oder die Lenkung der Aufmerksamkeit oder automatische Prozesse bzw. die Störung kontrol-lierter Prozesse, erklären (Manstead und Semin 1980). Der Ringelmann-Effekt beschreibt das Phänomen, dass die Mitglieder einer Gruppe zusammen eine niedrigere Leistung zei-gen als man aufgrund der Summe der Einzelleistungen erwarten könnte. Er bezieht sich auf Prozessverluste von Gruppenarbeit, wobei allerdings nicht klar ist, ob Koordinations- oder Motivationsverluste erklärt werden (Ingham et al. 1974). Die folgenden Effekte be-ziehen sich auf Motivationsverluste in Gruppen:

• Soziales Faulenzen (social loafing): Beschreibt die unbewusste Reduktion der indivi-duellen Leistung in Gruppen, wenn die Einzelleistung nicht bekannt wird

• Trittbrettfahren (free riding): Beschreibt die bewusste Reduktion der individuellen Leistung in der Gruppe aufgrund einer wahrgenommenen Entbehrlichkeit des persönli-chen Arbeitsbeitrages

• Sucker-Effekt („nicht-der-Dumme-sein-wollen“): Führt zu einer bewussten Leistungs-minderung des Einzelnen, wenn wegen fehlenden Vertrauens anderen Mitgliedern der Gruppe unterstellt wird, Trittbrett zu fahren oder sozial zu faulenzen

Zu den Effekten, die sich auf Koordinationsverluste beziehen, gehören:

• Shared information bias: Potentiell wichtige Informationen, über die nicht alle Mitglie-der verfügen, werden ausgeblendet und nicht geteilt, wobei viel Zeit darauf verwendet wird, alle bekannten Informationen zu diskutieren

• Gruppendenken (group think): Entscheidungsprozesse in Gruppen sind tendenziell konsensorientiert, was zu einseitigen und falschen Schlüssen führen kann

• Gruppenpolarisation (risky shift): Individuen vertreten ihre Einstellung nach einer Gruppendiskussion häufig vehementer als davor. Das gleiche gilt für eine Gruppen-mehrheit, deren gemeinsame Tendenz durch die Diskussion meist verstärkt wird

4.4.4 Zusammenstellung von Teams

Zahlreiche Forschungsarbeiten haben sich der Frage gewidmet, welche Merkmale berück-sichtigt werden sollten, um ein erfolgreiches Team zusammenzustellen (‚team staffing‘). In einer aktuellen Metaanalyse wurde konstatiert, dass Mitglieder von realen Arbeitsteams erstens am besten anhand ihrer jeweiligen Persönlichkeitseigenschaften (genauer: hohe Ausprägung von Herzlichkeit (‚agreeableness‘), hohes Maß an Pflichtbewusstsein sowie hohe Offenheit für Erfahrungen, s. Kap. 9) ausgesucht werden sollten (Bell 2007). Inter-essanterweise müssen alle Teammitglieder ein minimales Maß an Herzlichkeit aufweisen, um später erfolgreich zusammenarbeiten zu können. Darüber hinaus sollten zukünftige Teammitglieder hinsichtlich ihrer Werte eher kollektivistisch orientiert sein und eine positive Einstellung gegenüber Teamarbeit haben (s. Kap. 10). Unter diesen genannten

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354.4 Teams

Bedingungen lassen sich Teams zusammenstellen, die später eine hohe Arbeitsleistung erbringen werden. Damit eignen sich klassische Methoden der Personalauswahl (s. Kap. 15), um spätere Arbeitsteams zusammenzustellen. In der Praxis wird dies jedoch zu wenig berücksichtigt, da in der Regel zukünftige Teammitglieder ausschließlich anhand ihrer fachlichen Expertise ausgewählt werden.

4.4.5 Phasen-Modell der Teamentwicklung

Das etablierte Modell der Teamentwicklung nach Tuckman (1965) liefert wichtige Ein-sichten in die Verhaltensweisen von Teams und bietet ein besseres Verständnis für Gefühle oder auch Konflikte der Teammitglieder. Tuckman definiert den Teamentwicklungspro-zess mithilfe von 5 Phasen, die sich bei neu zusammengestellten Teams beobachten lassen.

Phase 1: FormingForming bezeichnet die eigentliche Entstehungsphase des Teams. Die Teammitglieder lernen sich kennen und tasten sich zunächst vorsichtig voran, denn es herrscht noch weit-gehend Unsicherheit über das Funktionieren der Gruppe, die Eigenschaften und Erwar-tungen der Mitglieder und einen angemessenen Umgangston. Umso wichtiger ist in dieser ersten Phase genügend Raum zu erlauben für intensive Kommunikation und respektvolles Handeln (Privatperson achten), gegenseitiges Bemühen um eine realistische Einschätzung der anderen (öffentliche Person stärken) und Feedback, um blinde Flecken im Team zu verkleinern und die Gefahr oberflächlicher Vorurteile zu verringern. Die Führungskraft ist stark gefordert und steuert den Forming-Prozess durch Vorgabe von Richtung und Struktur.

Phase 2: StormingStorming steht für die häufig von Konflikten gekennzeichnete Konfrontationsphase. Die Mitglieder erkennen ihr Team mittlerweile an, reiben sich aber an den Regeln und Gren-zen, die ihren individuellen Bedürfnissen durch die Gruppe gesetzt sind. Wichtig ist es jetzt eigene Bedürfnisse, Ziele und Erwartungen offen darzustellen und konstruktiv mit negativen Spannungen umzugehen. In Phase 2 der Teamentwicklung ist die Gefahr von Cliquenbildung und dem verdeckten Austragen von Konflikten besonders hoch. Um ein Absinken des Respekts zu verhindern, ist offene Kommunikation notwendig. Die Füh-rungskraft trägt durch konkrete Zielvorgaben zur Reduktion von Konflikten bei und über-nimmt die Rolle des Schlichters und Antreibers. Die Phase endet, sobald alle Mitglieder ihre Rolle im Team angenommen haben.

Phase 3: NormingIn der folgenden Konsolidierungsphase dominiert das „Wir-Gefühl“ die Gruppe. Mit-glieder definieren sich über ihre Zugehörigkeit zum Team und entsprechende Rollen und Regeln. Sie entwickeln Beziehungen zu ihren Kollegen: Interaktionen sind (noch) eher abwartend, das Bewusstsein über individuelle Stärken und Schwächen der anderen

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36 4 Gefühle, Konflikte und Teams

vergrößert sich. Die Gruppenstruktur ist gefestigt (Kohäsion), das Team wächst immer mehr zusammen, den Mitgliedern ist klar, dass das Ziel nur gemeinsam erreicht werden kann. Folgen sind eine wachsende Autonomie nach außen und der hohe Grad an Motiva-tion der Teammitglieder. Zentrale Rolle der Führungskraft ist es, die Mitglieder und Auf-gaben zu koordinieren, Entscheidungsprozesse zu moderieren und Aufträge zu delegieren.

Phase 4: PerformingIn der Wachstums- oder Arbeitsphase ist die Gruppenkohäsion am stärksten, der Einzelne tritt in den Hintergrund. Die Energie der Teammitglieder zielt auf die Bewältigung des Arbeitsauftrages, eine funktionale Gruppenstruktur ermöglicht sinnvolle Arbeitsteilung, die Effizienz der Aufgabenerledigung ist in der Phase am größten. Notwendige Vorausset-zungen dafür sind eine hohe Eigenmotivation der Mitglieder und deren Fähigkeit, eigene Bedürfnisse in die Arbeitswelt zu integrieren. Auch eine aufgeschlossene Haltung gegen-über innovativen Ideen fördert den Arbeitserfolg des Teams. Aufgabe der Führungskraft ist auch jetzt die Koordination und Delegation von Aufträgen sowie die Verdeutlichung der gemeinsamen Vision.

Phase 5: AdjourningDie Zusammenarbeit endet mit der Auflösungsphase: Die gemeinsame Aufgabe ist ab-geschlossen, die Beziehungen lockern sich. Bei erfolgreichen Gruppen kann sich Trauer über die beginnende Auflösung einstellen, konfliktbelastete Gruppen zerfallen rasch.

Das Stufenmodell stellt die Abläufe in Gruppen stark vereinfacht dar: Die Stufen werden nicht immer in Form einer eindeutigen Abfolge genommen, sie können simultan ablaufen; manche Gruppen verharren in einer Phase und entwickeln sich nicht weiter. Entscheidend ist, dass neu zusammengestellte Teams schwierige und z. T. langwierige Entwicklungsprozesse durchlaufen müssen, ehe sie optimale Leistung freisetzen können.

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39

Power & Politics

Carina Cohrs und Christina Bock

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_5

5

5.1 Einführung

Der Begriff Macht spielt im organisationalen Kontext eine bedeutsame Rolle. Liest man die Headlines der großen deutschen Zeitungen, so findet man dort öfter einmal Aussagen wie „Machtübergabe in Libyen – Parlament übernimmt Führung“ (2012) oder auch „Die Linke ringt um neue Führung – Lafontaine kämpft um die Macht in der Linkspartei“ (2012). Die Beispiele zeigen, dass Macht häufig auch mit Führung gleichgesetzt wird. Wer führt hat Macht, so die weit verbreitete Annahme. Aber was genau heißt Macht eigentlich? Welche Ursachen und Konsequenzen hat sie? Diesen Fragen soll im vorliegenden Kapitel nach-gegangen werden. Zudem wird auf den Aspekt Unternehmenspolitik eingegangen und die Ursachen und Wirkungen erläutert. Weiterhin wird in diesem Zusammenhang auf den Be-griff Kommunikation eingegangen und zwei prominente Theorien werden vorgestellt. An-schließend werden die theoretischen Ansätze anhand eines Praxisbeispiels näher erläutert.

5.2 Begriffsverständnis

Die Begriffe Kommunikation, Macht und Politik stehen im engen Zusammenhang zuei-nander. Die Kommunikation im Unternehmen kann zum Beispiel von einer machtvollen Gruppe an Personen bestimmt werden (Silverstone 2005). Jedoch kann Macht ebenso mit Anerkennung und Freiwilligkeit zusammenhängen. Macht muss einer Person bzw. Perso-nengruppe zugestanden werden. Erzwungene Machtverhältnisse führen zumeist zu Illoya-lität, Unzufriedenheit und unter Umständen auch zu Ängsten inmitten der Personen, die dem Machtinhaber untergeben sind (Feldmann 2006). Bis zu einem bestimmten Maß kann Macht durch z. B. Abhängigkeit erzwungen werden. Jedoch bleiben Machtverhältnisse nur dann nachhaltig bestehen, wenn die machthabende Person innerhalb der ihr gebillig-

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40 5 Power & Politics

ten Machtposition agiert (Giddens 1999). Wichtig ist hierbei zu verstehen, dass Macht eine Dimension ist, welche unterschiedliche Ausprägungen aufweist, welche im nachfol-genden Kapitel genauer erläutert werden. Somit stehen Machtverhältnisse in Verbindung mit anderen Personen, ebenso wie der Kommunikationsprozess. Kommunikation findet ebenfalls zwischen mindestens zwei Personen statt. Kommunikation kann ein Mittel zur Machtanerkennung sein (Feldmann 2006). Insbesondere in politischen Wahlkämpfen kann beobachtet werden, wie die Kommunikation, also das gezielte Senden einer Botschaft an bestimmte Empfänger, über mögliche Wahlsiege entscheidet. Im unternehmerischen Kontext bedeutet dies, dass Macht sowie Kommunikation wichtige Merkmale sind, um organisationale Strukturen oder Arbeitsprozesse zu gestalten (Stolzenberg 2006). Ebenso gilt dies für die Politik in einer Organisation. Sie gibt einen Rahmen für mögliche Verhal-tensweisen vor, durch beispielsweise ein niedergeschriebenes Leitbild. Politik enthält da-bei zwei Seiten. Zum einen das legitime und empfohlene Verhalten gegenüber politischer Festsetzungen und zum anderen auch die Möglichkeit, sich illegitim gegen die politischen Annahmen zu verhalten. Durch die starke Verflechtung von Macht, Kommunikation und Politik werden diese Begriffe im Folgenden zunächst voneinander abgegrenzt betrachtet.

5.2.1 Kommunikation

Versucht man den Begriff „Kommunikation“ näher zu beschreiben, finden sich heutzutage in der gängigen Literatur ganz unterschiedliche Definitionen. Geht man der Herkunft des Begriffs Kommunikation auf den Grund, trifft man auf das lateinische Wort communis (Görgen 2005). Das bedeutet so viel wie „gemeinsam“. Es geht also um eine Tätigkeit, in die mehrere Personen involviert sind. Geht man noch einen Schritt weiter und betrachtet die Gesprächssituation an sich, wird ersichtlich, dass Gespräche zwischen Personen, die gemeinsame Ansichten, Einstellungen, Sprache oder auch gemeinsame Interessen haben als wesentlich angenehmer empfunden werden, als wenn dies nicht der Fall ist. Verein-facht lässt sich Kommunikation daher mit dem in Abb. 5.1 dargestellten Grundmodell beschreiben.

Demnach schickt der Kommunikator, beziehungsweise der Sender, eine Botschaft an eine bestimmte Person, den Empfänger. Der Sender kodiert die entsprechenden Zeichen und der Empfänger dekodiert sie. Dabei kann es starke Unterschiede zwischen der ko-dierten und der dekodierten Botschaft geben. Das ist dann der Fall, wenn im Alltag unser

Abb. 5.1 Kommunikations-prozess. (nach Six et al. 2007, S. 21).

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415.2 Begriffsverständnis

Gegenüber nicht versteht, was wir inhaltlich mit unserer Aussage meinen, obwohl wir die Wortlaute klar und deutlich verstanden haben. Wie es zu solchen Missverständnissen kommt, wird später anhand des Vier-Ohren-Modells von Schulz von Thun (2011) näher erläutert.

Die Pfeile in Abb. 5.1 zeigen, dass sich die Rollen im Kommunikationsprozess auch umkehren können. Hat beispielsweise der Empfänger die Nachricht enkodiert, kann er seinerseits im nächsten Schritt eine neue Botschaft senden, somit wird dann der ursprüng-liche Sender zum Empfänger usw. Kommunikation ist also ein dynamischer Prozess, der durch verschiedene Umweltfaktoren beeinflusst werden kann.

Auch im organisationalen Kontext spielt Kommunikation eine wichtige Rolle. Insbe-sondere dann, wenn es um Macht geht.

5.2.2 Macht

Der Begriff Macht wird als eine Fähigkeit beschrieben, die eine Person A besitzt, um das Verhalten von einer Person B soweit zu beeinflussen, dass Person B gemäß den Wünschen von Person A handelt (Bass 1990). Macht kann existieren, ohne dass sie genutzt wird und ist daher eine Fähigkeit, bzw. ein Potenzial. Macht kann unterschiedliche Quellen haben. Man kann übergeordnet zwischen persönlichen und formalen Quellen der Macht unter-scheiden (Raven 1993; Yukl 2009).

Personale Macht„Wissen ist Macht“- Menschen, die ein sehr spezialisiertes Wissen in einem bestimmten Bereich haben oder einen großen Erfahrungsschatz besitzen, können Macht über andere ausüben, indem sie Informationen bewusst zurückhalten oder Gegenleistungen für die Weitergabe der Information fordern. Ähnlich verhält es sich mit persönlichen Beziehun-gen. So ist es ab und an der Fall, dass es Familienmitglieder des Geschäftsführers leichter haben, in dem Unternehmen auch Karriere zu machen als Außenstehende. Oder wer hat nicht schon mal von einem Bekannten gehört, der durch „Vitamin B“ an eine begehrte Stelle gekommen ist? Personale Machtquellen sind die effektivsten Beeinflussungsinst-rumente (Yukl 2009).

Formale MachtPositionsmacht ist im Arbeitsalltag ein weit verbreitetes Mittel, um Macht auszuüben. Häufig nutzen sie Führungskräfte, um ihre Interessen gegenüber den Mitarbeitern durch-zusetzen. Dies tun sie, indem sie bestimmte Arbeitsanweisungen erteilen oder bestimmten Mitarbeitern, die von ihnen geschätzt werden, spannende und wichtige Aufgaben geben und Mitarbeitern, die nicht so sehr gemocht werden, unattraktivere Aufgaben zukommen lassen (Yukl 2009).

Eine weitere Quelle von Macht ist die Bestrafungsmacht. Der grundlegende Mecha-nismus dieser Machtquelle ist Angst. In einem Projekt weiß beispielsweise Mitarbeiter

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42 5 Power & Politics

A, dass Mitarbeiter B’s Beförderung im Unternehmen von einem positiven Ausgang des Projekts abhängt. Da Mitarbeiter A aber genau weiß, dass Mitarbeiter B die Beförderung sehr wichtig ist und Mitarbeiter A Person B den Erfolg nicht gönnt, leitet Mitarbeiter A wichtige Informationen nicht an Mitarbeiter B weiter oder informiert ihn nicht über an-stehende Meetings etc. Das Gegenteil der Bestrafungsmacht ist die Belohnungsmacht. Ein Beispiel für Belohnungsmacht stellt die Gehaltserhöhung dar. So haben Führungskräfte u. a. die Möglichkeit, gute Leistungen des Mitarbeiters durch eine Gehaltserhöhung zu belohnen (Ward 2001). Der Unterschied von Belohnungs- und Bestrafungsmacht ist der-art, dass im ersten Fall ein negativer Stimulus dargeboten wird und im zweiten Fall ein positiver Stimulus entfernt wird (Bandura 1977).

Generell ist jedoch anzumerken, dass die einzelnen Quellen von Macht nicht strikt voneinander zu trennen sind. So geht Positionsmacht auch häufig mit Belohnungs- oder Bestrafungsmacht einher. Ähnliches gilt auch für Expertise und Belohnungs- bzw. Bestra-fungsmacht.

Macht und AbhängigkeitDie Ausführungen über mögliche Machtquellen deuten darauf hin, dass Abhängigkeit bei der Machtausübung eine entscheidende Rolle spielt. Je größer die Abhängigkeit von einer Person B zu einer Person A ist, desto größer ist die Macht von Person A in der Beziehung (Emerson 1962). Abhängigkeit wird dabei so verstanden, dass Person A etwas besitzt, das Person B sich wünscht oder braucht. Je weniger Alternativen Person B hat, desto abhängi-ger ist sie von Person A. Je einzigartiger die Fähigkeiten, Erfahrungen und Informationen von Person A sind, desto mehr Macht hat sie in der Organisation. Die Ursachen für die Entstehung von Abhängigkeit sind in ihren grundlegenden Zügen kongruent zu den Quel-len der Macht. So tragen auch subjektive Wichtigkeit, Seltenheit und auch Unersetzbar-keit, von z. B. Ressourcen oder Wissen, zur Entstehung von Abhängigkeit bei (Zald 1970).

Ein einfaches Beispiel veranschaulicht dies:

Herr M ist der einzige IT Experte in seinem Team. Er ist für die Programmierung von Web-sites zuständig und kennt sich auch mit Hardwareproblemen aus. Um ein wichtiges Projekt für einen Kunden fertig zu stellen, braucht Frau K. bis zum Ende der Woche die fertige Web-site. Da Herr M. Frau K. nicht sonderlich mag, schiebt er die Erstellung der Website immer weiter auf und nutzt so seine Macht, die er durch seine Expertise hat, aus. Frau K. ist somit abhängig von Herrn M.

Situationen wie solche haben in Unternehmen keine Seltenheit. Häufig spielt dabei auch Mikropolitik eine Rolle.

5.2.3 Mikropolitik

Unter Politik werden Verhaltensweisen verstanden, die nicht unmittelbar zur Arbeit gehö-ren, aber die die Zuteilung von Ressourcen innerhalb der Organisation beeinflussen oder

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435.2 Begriffsverständnis

die Absicht dazu haben. Dabei ist zwischen legitimen (z. B. sich über jmd. beschweren oder informelle Gruppen bilden) und illegitimen (z. B. Sabotage) Arten von Politik zu unterscheiden (Farrell und Petersen 1982).

Ähnlich wie bei der Definition des Machtbegriffes kann man auch bei der Definition von Politik Ursachen und Wirkungen beschreiben.

Ursachen von MikropolitikDie Ursachen der Entstehung von Politik liegen einerseits in der Person und andererseits in der Organisation begründet (O’Connor und Morrison 2001). So neigen Personen, die schon viel in das Unternehmen investiert haben, eine hohe internale Kontrollüberzeugung haben und über wenig Jobalternativen außerhalb des Unternehmens verfügen, eher dazu, illegales politisches Verhalten zu zeigen, als Personen bei denen das nicht der Fall ist (Farrell und Petersen 1982).

Auf organisationaler Ebene sind ebenfalls Faktoren zu finden, die das Entstehen von Politik begünstigen. Sind beispielsweise Kriterien für Beförderungen oder auch Gehalts-erhöhungen unklar, herrscht ein hoher Leistungsdruck oder geht der Gewinn des einen Mitarbeiters mit Verlusten eines anderen Mitarbeiters einher, so begünstigt dies die Ent-stehung von Mikropolitik (Ferris und Kacmar 1992).

Wirkungen von MikropolitikWelche Auswirkungen Mikropolitik auf die Mitarbeiter eines Unternehmens hat, ist kul-turell verschieden. In Ländern, die politisch eher instabil sind, neigen Mitarbeiter zu mehr Toleranz gegenüber politischen Handlungen in ihrem Unternehmen. In politisch stabilen Ländern ist dies genau umgekehrt. Dort zeigen sich bei den Mitarbeitern verschiedene Verhaltensweisen als Reaktion (Vigoda 2001). Zum einen reagieren Mitarbeiter mit Ver-meidungsverhalten. Beispielsweise täuschen sie Inkompetenz vor, um eine bestimmte Aufgabe nicht ausführen zu müssen oder ignorieren diese einfach. Zum anderen reagieren Mitarbeiter mit Rigidität. Dies zeigt sich häufig im starren Einhalten von Regeln und Arbeitsprozessen. Schuldabweisungen sind auch nicht selten zu finden. Der Mitarbeiter weißt damit die Beteiligung an einem schlechten Ergebnis von sich und macht andere dafür verantwortlich (Ashforth und Lee 1990).

Dennoch hat Mikropolitik nicht nur negative Folgen. Sie produziert wertvolle und nutzbare Fähigkeiten (z. B. Cleverness, taktisches Geschick, Einsatzfreude), sie fördert Überlebenstüchtigkeit sozialer Systeme, sie stellt Handlungsfähigkeiten her und sie hat einen Demokratisierungseffekt (Vigoda 2001). Wenn Politik als fair und gewinnbringend erlebt wird, lohnt es sich durchaus diese zu fördern. Dies gelingt beispielsweise durch die Einführung von Konkurrenzarbeit und erfolgsabhängiger Belohnung oder aber auch über die Steigerung der Komplexität von Arbeitsprozessen (Farrell und Petersen 1982). In der Regel wird Mikropolitik jedoch eher als negativ erlebt.

Abgrenzung Macht und FührungBeide Konzepte sind stark miteinander verwoben (Robbins und Judge 2009). Trotzdem sind drei zentrale Unterschiede zwischen Macht und Führung erkennbar:

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44 5 Power & Politics

Zielkompatibilität In der Führung ist eine gewisse Kompatibilität der Ziele von Füh-rungskraft und Mitarbeiter notwendig. Macht braucht diese Kompatibilität nicht, sondern stützt sich rein auf Abhängigkeit.

Einflussrichtung In der Führung liegt der Fokus auf die nach unten gerichtete Be-einflussung der Mitarbeiter (downward influence), lateral- und upward influence-Muster werden hierbei zum Großteil außer Acht gelassen – bei Macht spielen auch diese Muster eine Rolle.

Forschungsschwerpunkte Führungsforschung beschäftigt sich hauptsächlich mit Sti-len von Führung (Wie unterstützend sollten Führungskräfte sein? Wie sollte die Entschei-dungsfindung aussehen?). Machtforschung umfasst ein breiteres Feld. Der Fokus liegt auf Taktiken, die helfen, Compliance zu erreichen. Mit Compliance ist dabei gemeint, dass Personen den Einfluss durch andere akzeptieren, weil sie sich dadurch Erfolg bzw. positi-ve Anerkennung durch andere Personen erhoffen (Kelman 1958).

5.3 Modelle

Im Bereich Kommunikation gibt es zwei Modelle, die große Popularität erreicht haben. Es handelt sich dabei um das Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun (2011) und die fünf Axiome zur Kommunikation von Paul Watzlawick (2011). Diese beiden Mo-delle sollen im Folgenden näher erläutert werden.

5.3.1 Das Vier-Ohren-Modell

Das „Vier-Ohren-Modell“ oder „Nachrichtenquadrat“ basiert auf dem Sender-Empfän-ger-Modell, welches vom britischen Soziologen Stuart Hall (1973) entwickelt wurde. Grundlage des Modells ist die Annahme, dass der Sender seine Gefühle und Gedanken mit Hilfe von Zeichen (= Sprache) kodiert. Der Empfänger dekodiert diese Mitteilung dann. Dieses Modell ist vergleichbar mit dem in Abb. 5.1 dargestellten Prozess. Hierbei ist das gesendete „Mitteilungspaket“ in den meisten Fällen NICHT gleich dem empfan-genen Paket, da der Empfänger möglicherweise einen anderen Schlüssel zum Dekodieren benutzt als der Sender zum Kodieren. Daraus leitet Schulz von Thun seine zentrale These über die Kommunikation ab, dass jede Nachricht viele Botschaften mit vier psychisch be-deutsamen Seiten enthält (Schulz von Thun 2011).

Die einzelnen Ebenen werden im Folgenden erläutert.

1. Sachinhalt Informationen, die ich kundgebe und zumeist explizit ausspreche2. Selbstoffenbarung Offenbarungen über mich selbst, meine Persönlichkeit oder mein

Empfinden In jeder Nachricht stecken nicht nur Informationen über die mitgeteilten Inhalte, son-

dern auch Informationen über die Person des Senders (seine Gefühle, Ansichten). Dabei kann es auch zur Selbstoffenbarungsangst kommen. Die betreffende Person fragt sich

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455.3 Modelle

dabei z. B., wie sie von anderen wahrgenommen wird und hat unter Umständen Angst ihre wahren Gefühle zu offenbaren.

3. Beziehung Hinweis darüber, was ich von dem Empfänger meiner Botschaft halte (DU-Botschaft) und wie wir zueinander stehen (Wir-Botschaft)

Der Sender macht einen Beziehungsvorschlag, der Empfänger kann darauf vierfach reagieren: A) Akzeptieren, B) Tolerieren, C) Protestieren, D) Ignorieren.

4. Appell: Beeinflussungsversuch durch die Veranlassung, eine Tendenz im Denken, Handeln oder Fühlen beim Empfänger zu erreichen

Die Botschaft wird dabei nicht nur auf vier Ebenen gesendet, sondern auch auf vier Ebe-nen vom Empfänger gehört.

1. Sachinhaltsohr Wie ist der Sachverhalt zu verstehen?2. Selbstoffenbarungsohr Was ist das für einer? Was sagt mir die Nachricht über dich?3. Beziehungsohr Was will er mir sagen und wie fühle ich mich dabei? Wie steht er zu

mir?4. Appellohr Was möchte er von mir? Wo will er mich hinhaben?

Innerhalb dieses Prozesses kann es zu Fehlern in der Kommunikation kommen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Menschen selektiv wahrnehmen (Dearborn und Simon 1958). Dabei nimmt der Empfänger die Botschaft so wahr, dass der Inhalt zu seinen aktu-ellen Bedürfnissen passt. Andererseits können auch Gefühle den Kommunikationsprozess beeinflussen. So hat die aktuelle Stimmung Einfluss darauf, ob eine Nachricht beispiels-weise positiv oder negativ wahrgenommen wird. Zudem kann es auch zur Informations-überlastung kommen, dies ist dann der Fall, wenn zu viele Informationen gleichzeitig im Gedächtnis vorliegen. Um Kommunikationsprobleme zu vermeiden empfiehlt Schulz von Thun (2011) Metakommunikation, also die Kommunikation über die Kommunikation, als Lösung. Dies erfordert allerdings einen hohen Grad an Selbstoffenbarung und dass die Störungen bemerkt und dem anderen mitgeteilt werden. Um Störungen in der Kommuni-kation zu vermeiden, sollten die in Abb. 5.2 dargestellten Empfehlungen beachtet werden.

5.3.2 Watzlawicks 5 Axiome zur Kommunikation (Watzlawick et al. 2011)

Axiome sind Grundannahmen, die nicht belegt werden müssen. Paul Watzlawick (2011) stellte fünf Grundregeln (pragmatische Axiome) auf, mit deren Hilfe die menschliche Kommunikation beschrieben werden soll.

1. Unmöglichkeit fehlender Kommunikation.

Mit Kommunikation wird oftmals die verbale Aussprache oder nonverbale Körpersprache verbunden, die aktiv eine Reaktion auf einen Stimulus aus der Umwelt ist. Jedoch ist

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46 5 Power & Politics

ebenso das fehlende Reagieren eine Kommunikation, daraus folgt, dass man, wie immer man es auch versuchen mag, nicht nicht kommunizieren kann (Watzlawick et al. 2011, S. 59).

Beispiel: Eine Person A guckt an Person B vorbei, während sich die beiden unterhalten. Person A scheint durch irgendetwas abgelenkt oder nicht an dem Gespräch mit Person B interessiert zu sein.

2. Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.

Dabei bezieht sich der Inhaltsaspekt auf den sachlichen Aspekt, der mit der Botschaft übermittelt werden soll, ähnlich wie in der Theorie von Schulz von Thun. Der Bezie-hungsaspekt bezeichnet den Teil der Botschaft, aus dem man ablesen kann, wie der Emp-fänger die Beziehung zum Sender erlebt. Man kann keine Botschaft senden, ohne dass der Beziehungsaspekt hineinspielt.

Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersteren bestimmt (Watzlawick et al. 2011, S. 64).

Beispiel: Person A sagt zu seinem Kollegen bei der Arbeit, dass sie gestresst sei. Inhaltlich sagt Person A damit aus, dass sie derzeit bspw. viel im Job zu tun hat. Der Beziehungsas-pekt verrät dann, ob der Kollege ihn in Ruhe lassen soll oder Person A auf guten Zuspruch hofft.

Sender

Empfänger

Beziehungsebene: Gegenseitige Wertschätzung Sachebene: Verständlichkeit durch einfache, strukturierte und empfängerorientierte Formulierungen Selbstoffenbarung: Selektive Authentizität, Ich-Botschaften Appellebene: Vermeidung von versteckten, paradoxen oder unklaren Appellen

Aktives Zuhören: Empathie, „vierseitige“ Betrachtung, gezieltes Rückfragen Konstruktives Feedback Metakommunikation Kommunikationstraining

••

Abb. 5.2 Voraussetzungen für gelungene Kommunikation. (nach Schulz von Thun 2011)

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47

3. Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung

Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt (Watzlawick et al. 2011, S. 69 f.).

Beispiel: Die Frau kritisiert ihren Mann, weil er nie Zeit hat, wenn sie etwas mit ihm unter-nehmen möchte. Er wiederum möchte nichts mit ihr unternehmen, weil sie ihn ständig kritisiert. Daraus entwickelt sich ein Kreislauf.

Bei einer solchen gestörten Kommunikation ist meist eine selektive Wahrnehmung die Ursache. Beide Kommunikationspartner nehmen an, dass der jeweils andere die gleichen Informationen besitzt, wie er selbst. Bezogen auf das Beispiel, denkt die Frau, dass der Mann weiß, dass sie sich zurückgewiesen fühlt und sehr gerne etwas mit ihm unternehmen möchte. Er hat allerdings diese tiefer gehende Information nicht und ist genervt, weil die Frau ihn kritisiert. Demnach interpretiert er bestimmte Situationen auch im Hinblick auf den Aspekt, dass seine Frau ihn kritisieren möchte. Dies verdeutlicht, dass Kommunika-tion immer eine Ursache und eine Wirkung hat. Allerdings ist nicht klar, welcher Teil der Kommunikation nun Ursache und Wirkung ist.

4. Menschliche Kommunikation bedient sich analoger und digitaler Modalitäten

Menschen bedienen sich digitaler und analoger Modalitäten bei ihrer Kommunikation. Di-gital bezieht sich dabei auf den inhaltlichen Aspekt der Botschaft. Sie umfasst das tatsäch-lich Gesagte. Analoge Modalitäten haben eher den Beziehungsaspekt als Schwerpunkt. Dazu gehören z. B. Gestik und Mimik. Analoge Elemente können häufig mehrdeutig sein. So können Tränen, Trauer oder auch Freude ausdrücken und ein Lachen, Freude oder Sarkasmus bzw. Unsicherheit. Werden analoge Elemente falsch interpretiert, kann es zu Konflikten in der Kommunikation kommen.

5. Kommunikation ist symmetrisch oder komplementär

Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komple-mentär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unter-schiedlichkeit beruht (Watzlawick et al. 2011, S. 81).

Menschen sind unterschiedlich und das zeigt sich auch im Kommunikationsprozess. Jeder von uns kennt das Gefühl mit jemandem „auf Augenhöhe“ gesprochen zu haben oder das Gegenteil. Dabei ist nicht von Bedeutung, ob die Kommunikation mit einer ranghöheren Person stattgefunden hat oder nicht. Viel wichtiger ist, dass die beiden Kommunikations-partner versuchen, die Unterschiede auszugleichen. Gelingt das, spricht man von sym-metrischer Kommunikation. Gelingt es nicht, spricht man von komplementärer Kommu-nikation. Dabei kann es ebenfalls zu Kommunikationsstörungen kommen. Ein Beispiel

5.3 Modelle

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48 5 Power & Politics

dafür ist, dass eine Person das Verhalten einer anderen Person immer kritisiert. Die einzige Möglichkeit den Konflikt zu lösen, besteht nach Watzlawick darin, das Problem genau zu definieren und nach konstruktiven Lösungen zu suchen.

5.4 Empirische Befunde

Die Betrachtung der Kommunikationswege in einer Organisation ist häufig davon ge-kennzeichnet, dass insbesondere Informationsflüsse und Einflussrichtungen von den obe-ren Hierarchieebenen zu den unteren Hierarchieebenen fokussiert werden. Jedoch sind ebenso die Kommunikationswege von den unteren Hierarchieebenen zu den oberen Hier-archieebenen von Bedeutung, so genannte upward influence-Muster.

Donald Pelz (1952) untersuchte in diesem Zusammenhang die Zufriedenheit der Arbeitnehmer mit dem Handeln ihres Vorgesetzten und der Einflussnahme ihres Vorge-setzten auf weitere höhere Hierarchieebenen. Der fokussierte Kommunikationsweg ist hierbei also nicht top- down zu betrachten, sondern bottom-up. Zunächst wollte Pelz her-ausfinden, welcher Führungsstil die höchste Zufriedenheit bei den Beschäftigten hervor-bringt. Hierbei fand er jedoch heraus, dass weniger die Führungsstile, welche er unter-suchte, einen Einfluss auf die Zufriedenheit haben, sondern vielmehr die Einflussnahme ihres Vorgesetzten auf noch höhere Hierarchieebenen, also die Macht, die ein Vorgesetzter ausüben konnte. Dieser Zusammenhang und die Ergebnisse aus dieser Betrachtungsweise werden auch „Pelz Effekt“ genannt (Pelz 1952).

Diese Befunde zeigen die Wichtigkeit von Netzwerken in Organisationen auf, also den Aufbau von Beziehungen der Führungskraft zu ihren Vorgesetzten und noch weiteren Hi-erarchieebenen. Dadurch entsteht auch bei den Mitarbeitern der Eindruck, dass die Füh-rungskraft nicht nur isoliert arbeitet, sondern durch gute Beziehungen zu ihren eigenen Vorgesetzten auch Ideen des Teams oder der Abteilung auf höheren Ebenen durchsetzen kann.

5.5 Praxisbeispiel

Im Jahre 2005 wird in den Medien weitreichend über die „VW Affäre“ berichtet. Es han-delt sich hierbei um einen Fall der Korruption, Untreue, Betrug und Begünstigungen („Die VW-Affäre im Überblick“ 2013).

Klaus Volkert ist von 1990 bis 2005 Betriebsratsvorsitzender und Mitglied des Auf-sichtsrates der Volkswagen AG. Von VW erhält er Begünstigungen durch die Übernahme von privaten Reisekosten und millionenhohe Honorare. Jedoch gibt das Betriebsverfas-sungsgesetz vor, dass freigestellte Betriebsratsmitglieder in ihrer Tätigkeit nur ein Ge-halt erhalten dürfen, welches ihrer üblichen Stellenbesetzung entspricht (vgl. § 37 Abs. 3 BetrVG). Weitere Zahlungen sind unzulässig. Darüber hinaus wurden nicht nur Klaus Volkert, sondern auch weitere Betriebsratsmitglieder mit Begünstigungen und Angeboten

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49Literatur

von VW bereichert, darunter auch Dienstleistungen von Prostituierten. Die Abrechnungen werden durch die Kostenstelle unter „Vorstand diverses“ verbucht, welche vom Perso-nalvorstand der VW AG, Peter Hartz initiiert wurden („VW-Affäre. Spesen wie ein Top-Manager“, 2005).

Dieser Fall stellt ein negatives Beispiel für Mikropolitik im Unternehmen dar und wirft die Frage auf, warum es immer wieder zu solchen Korruptionsfällen kommt. So postuliert Mauro (1998) beispielsweise, dass allein die Verfügbarkeit von zusätzlichen Belohnungen zu Korruption führen kann. Als weitere Ursachen nennt er zu starke Restriktionen be-zogen auf Handelsgüter und Vorschriften, als auch zu geringe Gehälter. Abgesehen von den strukturellen Faktoren können auch Persönlichkeitsmerkmale, kognitive Strukturen und in spezifischen Situationen gefällte Entscheidungen zur Entstehung von Korruption beitragen (Steßl 2012). Um Korruption entgegenzuwirken, implementieren immer mehr Unternehmen ein sogenanntes Compliance Management. Dazu gehört beispielsweise eine Überwachung der Einhaltung von konzerninternen Richtlinien, sowie das Aufdecken von Korruption (Steßl 2012). Zudem hat sich die Einbindung der HR-Abteilung als sehr er-folgreich bei der Umsetzung von Compliance Maßnahmen erwiesen (Weaver und Trevino 2001).

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51

Organisationskultur

Kai C. Bormann und Jens Rowold

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_6

6

6.1 Einführung

Kulturen gibt es nicht nur in Bezug auf bestimmte Länder oder Ländergruppen. Auch jede einzelne Unternehmung ist als Ganzes als eine Art von Kultursystem zu begreifen. In einer jeden Unternehmung entwickeln sich eigene, unverwechselbare Vorstellungs- und Orientierungsmuster, die das Verhalten der Mitglieder und der betrieblichen Funktions-bereiche nachhaltig prägen. Diese kulturellen Muster leiten nicht zuletzt das Denken und Entscheiden von Akteuren der Unternehmung.

6.2 Begriffsverständnis und Abgrenzung

Das Phänomen der Organisationskultur wird innerhalb unterschiedlicher Forschungsdis-ziplinen thematisiert. In der betriebswirtschaftlichen Literatur herrscht eine funktionalis-tische Herangehensweise vor, bei der nach dem Funktionsbeitrag der Unternehmenskul-tur zum Unternehmenserfolg gefragt wird. Mit dieser Sichtweise ist auch impliziert, dass Unternehmen eine Kultur haben. Dabei ist Kultur als eine organisationale Variable auf-gefasst. Zudem gilt die implizite Annahme, dass Kultur gezielt beeinflusst werden kann. Demgegenüber steht die soziologische, anthropologische Sichtweise auf das Konstrukt Kultur. Hier steht der symbolischer Ansatz im Vordergrund, bei dem die Organisationskul-tur als Weltbild bzw. als Orientierungsmuster von Unternehmen verstanden wird, um sich die Welt verständlich zu machen. Dabei ist das Unternehmen eine Kultur. Generell wird hierbei die Kultur als Symbol oder Metapher verstanden.

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52 6 Organisationskultur

In der wissenschaftlichen Literatur gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen des Terminus Organisationskultur. Vecchio (2006, S. 342) definiert Kultur dabei wie folgt: „The shared values and norms that exist in an organization and that are taught to incoming employees“. Eine sehr nützliche Herangehensweise stammt von Steinmann und Schrey-ögg (2005). Aufgrund der Vielfältigkeit des Betrachtungsobjektes vermeiden sie eine ein-deutige Begriffsdefinition und identifizieren vielmehr unterschiedliche Kernelemente, die mit dem Begriff der Unternehmenskultur verbunden werden (Steinmann und Schreyögg 2005, S. 711–712). Erstens ist die Organisationskultur ein implizites Phänomen bei dem keine separate, quasi physische Existenz vorliegt, sondern die Kultur als Muster dem Handeln zugrunde. Zweitens werden Kulturen gelebt, ihre Orientierungsmuster finden im täglichen Handeln ihren Ausdruck. Drittens bezieht sich die Kultur auf eine gemeinsame Orientierung. Sie ist damit ein kollektives Phänomen, das das Handeln der Mitglieder prägt. Viertens ist Kultur das Ergebnis eines Lernprozesses im Umgang mit internen und externen Problemen. Fünftens repräsentiert die Organisationskulturkultur die „konzep-tionelle Welt“ der Organisationsmitglieder. Sie vermittelt Sinn und Orientierung in einer komplexen Welt. Schließlich wird die Unternehmenskultur in einem Sozialisationsprozess vermittelt, sie wird nur selten bewusst gelernt.

Neben dem Begriff Organisationskultur findet sich in der Literatur auch häufig der Ter-minus des Organisationsklimas wieder. Während die beiden Begriffe zuweilen synonym verwendet werden, wollen wir zwischen beiden unterscheiden. Zu den wichtigen Unter-schieden gehört nach Schilling und Kluge (2004) erstens, dass sich Organisationskultur mehr auf die impliziten (als selbstverständlich angenommenen) Werte und Normen einer Organisation sowie die Art und Weise, wie diese innerhalb der organisationalen Struktu-ren und Prozesse Anklang finden bzw. in den Verhaltensweisen und Denkschemata der Mitglieder Einzug erhalten bezieht. Zweitens umfasst das Organisationsklima bewusste, sichtbare und relativ stabile Organisationsmerkmale. Drittens sind auf der einen Seite die Organisationskultur und das -klima untrennbar miteinander verflochten. Das organisati-onsbezogenes Erleben ist dabei in starkem Maße von der zugrundeliegenden Organisati-onskultur geprägt. Organisationsklima kann damit als eine spezifische Manifestation der Organisationskultur verstanden werden. Schein (1990) beschreibt entsprechend Organisa-tionsklima als sichtbare und zugängliche Manifestation von Kultur.

6.3 Dimensionen der Organisationskultur

Manifestationen von Organisationskultur finden sich auf verschiedensten Ebenen wieder. So sind sowohl die gemeinsame allmorgendliche Kaffeepause als auch der Umgang mit Kollegen, Vorgesetzten und Kunden wichtige Bestandteile der Kultur einer Organisation. Um eine Struktur in die Betrachtung von Teilaspekten einer Organisationskultur zu brin-gen, bietet es sich an, zwischen einzelnen Dimensionen zu unterscheiden. Orientierung schafft hier Schein (1984), der die drei Ebenen Grundannahmen, Normen und Verhal-tensmuster sowie Artefakte, Symbole und Rituale trennt. Die Grundannahmen bilden den

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536.4 Typologien von Organisationskultur

Kern der Organisationskultur. Sie sind kaum sichtbar, liegen dem Handeln unbewusst zu-grunde, und werden als selbstverständlich vorausgesetzt (Schein 1984, S. 3: „… under-lying assumptions, which are typically unconscious but which actually determine how group members perceive, think, and feel“). Grundannahmen lassen sich grob anhand von sieben Charakteristika unterscheiden (Chatman und Jehn 1994): Innovation und Risikobe-reitschaft, Fokus auf Genauigkeit, Ergebnisorientierung, Mitarbeiterorientierung, Team-orientierung, Aggressivität, und Stabilität.

Normen, Verhaltensmuster stellen Wertvorstellungen, Verhaltensstandards und -richt-linien dar. Normen gibt es in jeder Organisation in Bezug auf erstens die Kommunikation, zweitens die Arbeitsabläufe, drittens die Kundeninteraktion sowie viertens das Marketing und die Außendarstellung.

Artefakte, Symbole, Rituale stellen die sichtbarste Manifestation einer Organisations-kultur dar (Schein 1984, S. 3: „visible artefacts“). Beispiele für Artefakte sind unter an-derem die in der Organisation anzutreffenden Strukturen und Hierarchien, die Kleidung, Praktiken (z. B. des Human Resource Management), die verwendete Technologie, Rituale (Begrüßungsstandards) und Zeremonien (Ehrung von Spitzenleistung) sowie die Sprache (Fachsprache, Abkürzungen, Geschichten).

Alle drei grundlegenden Dimensionen der Organisationskultur werden neuen Mitglie-dern der Organisation mit ihrem jeweiligen Eintritt vermittelt. Dies beginnt beim Vorstel-lungsgespräch und wird durch die Kontakte die mit der Einstellung zu tun haben (z. B. erstes Treffen mit Kollegen), fortgeführt. Organisationen nutzen oft das Instrument der Betriebsführung, um Einblicke in die Arbeitsabläufe, aber auch in die Kultur zu ermög-lichen. Eine Organisationskultur hat oft historisch zurückliegende Wurzeln. Unterneh-mensgründer prägen oft Kernaspekte einer Kultur. Durch organisationale Praktiken (z. B. Entlohnung, Leistungsbeurteilung, Beförderung) wird die Kultur stabilisiert. Organisati-onen präsentieren sich dann authentisch, wenn sie Aspekte der Kultur offen nach außen transportieren, z. B. durch soziale Medien im Fall des Personalmarketings oder der Öf-fentlichkeitsarbeit.

6.4 Typologien von Organisationskultur

Wie für jedes Konstrukt gibt es auch für die Organisationskultur unterschiedlichste Typo-logien. Typologien dienen dem Zweck, Alltagserfahrungen zu sortieren. Sie stellen eine grobe Vereinfachung dar. Darin liegen sowohl der Wert als auch die Gefahr von Typo-logien. Sie ermöglichen es, verschiedene Facetten einer Organisationskultur in eine kom-munizierbare „Gestalt“ zu verdichten. Dabei wird nicht die Organisationskultur als Gan-zes erfasst, sondern einzelne (themenbezogene) Facetten der Organisationskultur. Viele Themen dieses Lehrbuchs lassen sich mit dem Konstrukt der Kultur erweitern. So wird innerhalb der Führungsforschung eine Kultur der transformationalen Führung diskutiert. In der Forschung zu Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird von der familienbewussten Unternehmenskultur gesprochen.

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54 6 Organisationskultur

Ein konkretes Beispiel für einen Aspekt der Organisationskultur, ist die Art und Weise, wie mit Fehlern bei der Arbeit umgegangen wird. Schilling (2005) prägte dafür den Be-griff des Organisationalen Lernens aus Fehlern (OLAF). Er entwickelte daraus den Frage-bogen zum Umgang mit Fehlern bei der Arbeit. Erfasst wird dabei das Fehlerlernklima so-wie die Werte und Grundhaltungen, die Mitarbeiter bezüglich des abteilungsspezifischen Fehlerklimas haben. Grundlegend ist dabei die Frage, wie im Unternehmen auf Fehler reagiert wird: Ein konstruktives, positives Lernklima zeigt sich darin, dass aufgetretene Fehler als Lernmöglichkeit verstanden werden. Bei einem negativen Lernklima werden aufgetretene Fehler hingegen vertuscht. Der Fragebogen unterscheidet hinsichtlich vier Inhaltsbereichen (Erkennen von Fehlern, Zuschreibung und emotionale Verarbeitung von Fehlern, Analyse und Korrektur von Fehlern sowie Weitergabe von Wissen aus dem Um-gang mit Fehlern).

Es wird davon ausgegangen, dass ein konstruktives Lernklima auch eine positive Wir-kung für das gesamte Unternehmen hat. Werden beispielsweise Fehler an Produkten noch vor der Fertigstellung entdeckt und diese Fehler dann in den entsprechenden Teams und Gremien offen analysiert, so kann eine Fehlproduktion und ein schlechter Start am Markt verhindert werden. In einer empirischen Studie in einem innovationsorientierten Unter-nehmen aus Deutschland konnten zudem Rowold und Streich (2007) zeigen, dass ein kon-struktives Lernklima in einem positiven Zusammenhang mit a) der subjektiv von den Mit-arbeitern eingeschätzten Innovationsfähigkeit, b) der absoluten Anzahl der eingereichten Erfindungsmeldungen sowie c) der Anzahl der angemeldeten Patente steht. Damit wurde erstmalig nachgewiesen, dass ein konstruktiver Umgang mit Fehlern einen wichtigen Bei-trag zum Unternehmenserfolg leistet. In einer weiteren Studie konnten Putz und Kollegen (Putz et al. 2012) anhand einer Stichprobe von Teammitgliedern aus zwei Unternehmen in Deutschland belegen, dass das Lernklima sich positiv auf subjektive (z. B. Selbstwirksam-keit, Teamleistung) und objektive (z. B. Verkaufszahlen) Leistungsindikatoren auswirkt.

6.5 Funktionen der Organisationskultur

Eine bisher vernachlässigte Betrachtungsweise ist die (ökonomische) Wirkung der Orga-nisationskultur auf die Organisation bzw. welche Rolle sie im organisationalen Geschehen spielt. Selbstverständlich ist diese Auseinandersetzung, gerade aus betriebswirtschaftli-cher und organisationspsychologischer Sicht kein Selbstzweck, sondern dient der Aufde-ckung positiver wie negativer Einflussgrößen der Organisationskultur auf den Erfolg einer Organisation. Grundsätzlich können mehrere Funktionen der Organisationskultur unter-schieden werden. Die erste Funktion ist die Koordinationsfunktion: Die Organisations-kultur wirkt verhaltenssteuernd und vermittelt Richtlinien für das „tägliche Verhalten“ der Mitarbeiter, indem sie Handlungsabläufe festlegt und Handlungsspielräume definiert. So gibt es nach Trice und Beyer (1984) in jeder Organisation Zeremonien und Rituale, die die jeweilige Kultur erkennbar machen und das Handeln und Erleben von Mitarbeitern leiten. Beispiele für Zeremonien sind das Feiern von Höchstleistungen oder eine Abschiedsfeier

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556.5 Funktionen der Organisationskultur

für einen langjährigen, verdienten Mitarbeiter. Ein Beispiel für ein Ritual ist die Begrü-ßung von Mitarbeitern untereinander z. B. distanziert und kurz versus nah und zeitlich ausgedehnt (Händeschütteln, verbale Kommunikation); auch hierin unterscheiden sich Organisationen voneinander.

Die zweite Funktion stellt die Motivationsfunktion dar. Organisationskultur vermittelt Mitarbeitern den Sinn der Arbeit und steigert dadurch deren Leistungsbereitschaft. Es gibt erste empirische Hinweise dazu, dass eine starke Unternehmenskultur die spätere Unter-nehmensperformanz über die Motivation der Mitarbeiter positiv beeinflusst. Zusätzlich zeigten Zahra et al. (2004), dass verschiedene Facetten der Organisationskultur mit dem Ausmaß des individuellen Entrepreneurships (z. B. Entwicklung und Durchführung von innovativen, aber riskanten, Produkten oder Prozessen) der Mitarbeiter zusammenhängt.

Drittens hat die Organisationskultur auch eine Identifikationsfunktion. Die Organisa-tionskultur schafft ein Potenzial für das Zugehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter zur Orga-nisation. Es konnte z. B. belegt werden, dass Personen, die sich bei einem Unternehmen bewerben und die eine hohe Passung zwischen der wahrgenommenen Organisationskultur und ihren persönlichen Vorstellungen angeben, nach ihrer Einstellung beim jeweiligen Unternehmen eine höhere Arbeitszufriedenheit und eine geringer Kündigungswahrschein-lichkeit haben (O’Reilly et al. 1991).

Die vierte und letzte Funktion ist die Profilierungsfunktion. Die Organisationskultur erlaubt dadurch die Abgrenzung zu anderen Organisationen. Dazu ist allerdings in der Regel eine systematische Kulturentwicklung nötig. Unternehmen, die sich durch ihre Kul-tur gegenüber der Konkurrenz profilieren wollen, können dazu folgendes tun: Erstens kann die Unternehmensvision, vor allem vertreten durch die Unternehmensführung, auf die Kultur abgestimmt werden. Jedoch ist es auch nötig, dass alle Manager im Unterneh-men die Unternehmensvision vorleben und dadurch die Kultur stärken. Hierfür können z. B. Personalentwicklungsmaßnahmen unterstützend angeboten werden. Zweitens kann im Rahmen der Personalauswahl und -beschaffung sowie des -marketings in realistischer Art und Weise auf die Unternehmenskultur hingewiesen werden, so dass sich Personen be-werben (und eingestellt werden), die zur Kultur passen (s. o.). Nach Einstellung erfahren neue Mitarbeiter durch die Sozialisiation (z. B. Unternehmensführung, erste Gespräche mit Kollegen, etc.), was die Unternehmenskultur konkret bedeutet.

Grundsätzlich ist zudem die Unterscheidung zwischen einer starker und einer schwa-chen Organisationskultur wichtig (Gordon und DiTomaso 1992; Peters und Waterman 1982). Es wird postuliert, dass starke Kulturen größeren Einfluss auf die Organisations-mitglieder und organisationales Handeln haben (bspw. starke Kultur → niedrigere Fluk-tuation) als schwache Kulturen. Eine Kultur ist dann stark, wenn mehr Mitglieder die Grundwerte („core values“) einer Organisation annehmen und verinnerlichen. Im Um-kehrschluss bedeutet dies, dass bei einer starken Kultur ihr Einfluss auf die Organisation größer ist und die Werthaltungen der Organisationsmitglieder homogener sind. Bei einer starken Organisationskultur bleibt diese im zeitlichen Verlauf stabil.

Eine Reihe von Vorzügen lassen sich bei einer starken Unternehmenskultur beobach-ten. Erstens bietet eine starke Kultur eine Handlungsorientierung. Dabei gibt die Orga-

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56 6 Organisationskultur

nisationskultur den Rahmen vor, wie sich Organisationsmitglieder innerhalb bestimmter Kontexte und Situationen verhalten sollten. Zweitens ermöglicht eine starke Kultur eine Komplexitätsreduktion, denn eine starke Organisationskultur reduziert die Sichtweisen und Interpretationsspielräume, wie bestimmte Ereignisse und Situationen ausgelegt wer-den können. Drittens ermöglicht sie ein effizientes Kommunikationsnetz mit einer raschen Informationsverarbeitung. Eingespielte Strukturen ermöglichen so schnelle und eindeu-tige Weitergabe bestimmter Zeichen und Signale, die schneller sind als bei der formalen Kommunikation. Viertens hilft eine starke Kultur bei der Entscheidungsfindung, denn eine reibungslosere Entscheidungsfindung wird aufgrund gemeinsamer Wertgrundlage und Sprache ermöglicht. Somit werden fünftens auch Pläne und Projekte aufgrund von ge-meinsamen Überzeugungen beschleunigt implementiert. Sechstens sinkt der Kontrollauf-wand, da vieles über indirekte Wege läuft. Ein siebter Vorteil ist eine erhöhte Motivation und Loyalität, da die Organisationskultur Orientierung innerhalb und Zugehörigkeitsge-fühl zu einer Organisation schafft. Insgesamt wächst bei den Mitarbeitern die intrinsische Motivation, sich für die Organisation einzusetzen. Ein letzter Vorteil ist die Stabilität. Eine starke Organisationskultur schafft Verhaltenssicherheit. Aus Sicht der Mitglieder gibt es kaum Anlass, die verinnerlichten Strukturen zu verlassen.

Den Vorteilen steht eine Reihe von negativen Effekten gegenüber. Erstens blockiert eine starke Unternehmenskultur neuer Orientierungen, denn Veränderungen (die oft Ver-änderungen gegenüber der hergebrachten Kultur implizieren) werden als Bedrohung ge-sehen. Somit ergibt eine starke Unternehmenskultur auch Implementierungsbarrieren, denn bei der Umsetzung von Veränderungen sind Umgestaltungen innerhalb bestimmter Prozesse, Abläufe und Strukturen imminent. Eine starke Organisationskultur, geprägt von eindeutigen und verfestigten Zügen, ist hier ein Hindernis. Drittens fixieren sich Mitarbei-ter unter einer starken Kultur auf traditionelle Erfolgsmotive, so dass Skepsis gegenüber neuen Methoden entsteht. Es kann viertens eine kollektive Vermeidungshaltung entste-hen, bei der eine Blockierung neuer Orientierungen sowie eine mangelnde Offenheit ge-genüber Veränderungen und Abweichungen von gewachsenen Denktraditionen entsteht. Fünftens impliziert eine starke Kultur in einigen Fällen ein Kulturdenken. Eine starke Organisationskultur schürt den Konformitätszwang der Mitglieder (vgl. „group think“, Kap. 4). Sechstens bedeute eine starke Kultur oft ein Mangel an Flexibilität im Denken und Handeln.

6.6 Kulturwandel

Wie die Organisation selbst sind auch Organisationskulturen bestimmten Veränderungs-prozessen unterworfen. Bei diesen Veränderungsprozessen lässt sich ein wiederkehrender Ablauf bestimmter Phasen/ein meist ähnlicher Verlauf erkennen. Nach Dyer (1985) lässt sich der Kulturwandel in folgende sechs Phasen unterteilen.

1. Die herkömmlichen Interpretations- und Handlungsmuster führen in eine Krise.

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57Literatur

2. Es tritt Verunsicherung ein. Die Symbole und Riten verlieren an Glaubwürdigkeit, wer-den kritisiert.

3. „Schattenkulturen“ treten hervor oder eine neue Führungsmannschaft versucht, neue Orientierungsmuster aufzubauen.

4. Alte und neue Kulturen kommen in Konflikt.5. Wenn es den neuen Orientierungen gelingt, die Krise zu meistern, werden sie akzeptiert.6. Eine neue Kultur entfaltet sich mit neuen Symbolen, Riten usw.

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59

Arbeits- und Anforderungsanalyse

Claudia Krüger, Angelika Utte und Jens Rowold

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_7

7

7.1 Einführung

Der Arbeits- und Anforderungsanalyse kommt vor allem im Kontext der Besetzung be-ruflicher Positionen eine besondere Bedeutung zu. Sie ermöglicht es, die Zuordnung von Personen zu Arbeitsplätzen zu optimieren, indem sie die Frage nach der „Eignung wofür?“ beantwortet. Die Passung einer Position und eines Individuums wird auch als „person-job fit“ bezeichnet (Edwards 1991). Die Passung von Person und Position gilt als ent-scheidender Einflussfaktor des späteren Berufserfolgs: Je besser die Person zur Position passt, umso effizienter werden die Arbeitsaufgaben erledigt und umso zufriedener und motivierter ist die Person mit ihrer Arbeit. Dadurch profitieren sowohl die Unternehmen als auch die Arbeitnehmer selbst. Aufgrund des höheren Engagements steigen die indivi-duelle Leistung einer Person und somit auch ihr Erfolg und als Konsequenz steigt auch dementsprechend der Unternehmenserfolg.

Es gibt verschiedene Verfahren, um die Merkmale einer Person oder einer Position zu erfassen. Auf der Seite der Person werden häufig Testverfahren wie z. B. Intelligenz-, Persönlichkeitstests und Interesseneinschätzungen (vgl. Kap. 9) sowie Beobachtungsins-trumente wie im Assessment Center (vgl. Kap. 15) genutzt, um die individuelle Ausprä-gung berufsrelevanter Personenmerkmalen zu erfassen. Auf der Seite der Position hin-gegen werden Verfahren der Arbeits- und Anforderungsanalyse genutzt, um die mit einer Position verbundenen Aufgaben und Anforderungen zu erfassen.

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60 7 Arbeits- und Anforderungsanalyse

7.2 Begriffsverständnis

Die beiden Begriffe der Arbeitsanalyse und Anforderungsanalyse werden mancherorts sy-nonym verwendet, an anderen Stellen jedoch differenziert betrachtet. Im Folgenden wer-den die Definitionen der DIN 33430 genutzt, um die Begriffe voneinander abzugrenzen. Entsprechend dieser Definitionen werden sie in diesem Kapitel für unterschiedliche Ana-lyseformen herangezogen.

Die Arbeitsanalyse beschreibt den Arbeitsplatz in Situationsbegriffen, wohingegen bei der Anforderungsanalyse der Arbeitsplatz in Personenbegriffen beschrieben wird (Deut-sches Institut für Normung 2002). Das heißt, die Arbeitsanalyse wird genutzt, um einen Arbeitsplatz z. B. in Hinblick auf die Arbeitsaufgabe, den Produktionsprozess, die Arbeits-aufträge, Teilschritte, das Arbeitsmaterial und den Zeitaufwand zu beschreiben (Schuler und Funke 1995). Die Anforderungsanalyse ermittelt hingegen die Arbeitsanforderungen an den Stelleninhaber, z. B. Fähigkeiten, Fertigkeiten, die eine Person mitbringen muss, um eine gute Arbeitsleistung erbringen zu können.

Die Arbeitsanalyse umfasst eine Vielzahl systematischer Maßnahmen zur Untersu-chung, Dokumentation und Schlussfolgerung bzgl. der Arbeitsaufgaben, -eigenschaf-ten, -handlungen und -zusammenhänge einer Position (Sackett und Laczo 2003). Sie beschreibt somit einen zweckmäßigen Prozess, bei dem die Arbeit betreffende Informa-tionen gesammelt und analysiert werden, um positionsspezifische Merkmale wie bspw. Tätigkeiten, Verantwortlichkeiten, Arbeitsleistung und -ergebnisse detailliert zu erfassen (Farr und Tippins 2010). Zudem werden auch die „psychischen, physischen und sozialen Umfeldbedingungen und Organisationsmerkmale“ untersucht (Deutsches Institut für Nor-mung 2002, S. 18). Eine Arbeitsanalyse kann nicht nur genutzt werden, um einzelne Ar-beitsplätze zu untersuchen, sondern auch Arbeitsplätze von Arbeitsgruppen bzw. Teams. Somit können die Positionen einer gesamten Organisation erfasst und untereinander sowie mit den Positionen anderer Organisationen verglichen werden.

Die Anforderungsanalyse kann auf der Arbeitsanalyse aufbauen oder separat durch-geführt werden. Da sie die Positionsmerkmale in Personenbegriffen, also in Form von Anforderungen an den Stelleninhaber beschreibt, wird sie in der Praxis besonders häufig eingesetzt, um im Kontext der Personalauswahl dazu beizutragen, die Passung zwischen Person und zu besetzender Position (Deutsches Institut für Normung 2002) zu optimie-ren. Darüber hinaus findet sie auch in der Personalentwicklung Anwendung, um die Pas-sung z. B. mit Hilfe von Trainingsmaßnahmen für aktuelle oder künftige Stelleninhaber zu erhöhen. Klassischerweise werden bei der Anforderungsanalyse tätigkeitsspezifische Anforderungen, tätigkeitsübergreifende Anforderungen und das Befriedigungspotenzial der jeweiligen Tätigkeit berücksichtigt. Unter tätigkeitsspezifischen Anforderungen sind individuelle Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse zu verstehen. Bei den tätigkeits-übergreifenden Anforderungen handelt es sich um allgemeine, also positionsunabhängige, erfolgsrelevante Eigenschaften wie z. B. das Entwicklungspotenzial einer Person. Das Be-friedigungspotenzial einer Tätigkeit steht den Interessen, Bedürfnisse und Werthaltungen

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617.3 Methoden und Instrumente

des Positionsinhabers gegenüber. Es stellt einen zentralen Aspekt im Hinblick auf die Zufriedenheit eines Mitarbeiters und seine Bindung an das Unternehmen dar.

Vor allem die tätigkeitsspezifischen Anforderungen verändern sich mit der Zeit auf-grund der oben beschriebenen gesellschaftlichen Prozesse. Um die Passung der positions-spezifischen Anforderungen und den Merkmalen des Stelleninhabers aufrecht erhalten zu können, sollten daher nicht nur einmal sondern wiederholt Anforderungsanalysen durch-geführt werden (Schuler und Funke 1995). Darüber hinaus müssten sich die entsprechen-den Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse auf Seiten des Stelleninhabers in gleicher Weise entwickeln. Gegebenenfalls können hierzu Maßnahmen der Personalentwicklung genutzt werden, in der Regel geschieht dies jedoch ungesteuert durch den kontinuierlichen Wissenserwerb und die neuen Erfahrungen des Stelleninhabers mit den sich verändernden Anforderungen.

7.3 Methoden und Instrumente

Bei der Arbeits- und Anforderungsanalyse werden drei Vorgehensweisen unterschieden (Schuler und Höft 2004): die erfahrungsgeleitet-intuitive Methode, die personenbezogen-empirische Methode sowie die arbeitsplatzanalytisch-empirische Methode. Letztere kann der Arbeitsanalyse zugeordnet werden, wohingegen die beiden erstgenannten Methoden zur Anforderungsanalyse zählen. Zusätzlich können verschiedene Ebenen unterschiede-nen werden, auf denen die Arbeitsanforderungen beschrieben werden, und zwar die Auf-gaben-, Verhaltens- und Eigenschaftsebene. Der o. g. Unterscheidung entsprechend finden sich die Methoden der Arbeitsanalyse vor allem auf der Aufgabenebene. Hier werden die objektiven Tätigkeiten und die damit zusammenhängenden Elemente beschrieben. Auf der Eigenschaftsebene kommt es zu einer Beschreibung der geforderten Fähigkeiten oder Eigenschaften, die für eine erfolgreiche Arbeitsausführung bedeutend sind. Sie wird da-her vor allem bei den Methoden der Anforderungsanalyse berücksichtigt. Auf der Verhal-tensebene werden die von der Person geforderten Verhaltensweisen betrachtet. Sie kann daher sowohl bei der Arbeits- wie auch bei der Anforderungsanalyse eine Rolle spielen.

Im Folgenden werden unterschiedliche Methoden der Arbeits- und Anforderungsana-lyse dargestellt. Welchem Verfahren in der Praxis im Einzelfall der Vorzug zu geben ist, hängt von der jeweiligen Fragestellung ab, z. B. Personalplanung, einzelne Besetzungsent-scheidungen oder Ableitung von Maßnahmen der Personalentwicklung (Nerdinger et al. 2008). Werden sowohl Methoden der Arbeits- wie auch der Anforderungsanalyse genutzt, so ist zuerst eine Arbeitsanalyse durchzuführen, um die stellenspezifischen Aufgaben und Tätigkeiten zu ermitteln. Hieraus können bereits Schlussfolgerungen und Maßnahmen der optimalen Arbeitsgestaltung abgeleitet werden. Geht es um die Passung von Person und Position, so werden in der Regel ausschließlich oder zusätzlich zur Arbeitsanalyse Metho-den der Anforderungsanalyse genutzt.

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62 7 Arbeits- und Anforderungsanalyse

7.3.1 Arbeitsanalyse

Zur systematischen Arbeitsanalyse wird meist die arbeitsplatzanalytisch-empirische Me-thode genutzt, die im Folgenden beschrieben und anhand konkreter Verfahren veranschau-licht wird.

Arbeitsplatzanalytisch-empirische MethodeBei der arbeitsplatzanalytisch-empirischen Methode werden die beruflichen Tätigkeiten und Situationen eines konkreten Arbeitsplatzes systematisch betrachtet. Es wird ermittelt, unter welchen Bedingungen der Stelleninhaber was genau tut. Zudem wird unter dem zeitlichen Aspekt berücksichtigt, wann eine Arbeitstätigkeit verrichtet wird und wie lange sie dauert. Ebenfalls wird erfasst, mit welchen Materialien und Maschinen gearbeitet wird und für welchen Zweck die Tätigkeit ausgeführt wird.

Diese Merkmale der Arbeitstätigkeit werden mithilfe formalisierter Verfahren erfasst. Hierzu zählen vielfältige Methoden wie die Beobachtung der Tätigkeitsausführung, In-terviews bzw. mündliche Befragungen, Fragebogeninstrumente sowie die Analyse von Dokumenten wie etwa dem Arbeitsmaterial (Frieling 1975). Als Quellen dienen somit relevante Dokumente, Experten im Sinne ausgebildeter oder geschulter Arbeitsanalytiker ebenso wie die Stelleninhaber selbst, Kollegen und Vorgesetzte.

Instrumente der arbeitsplatzanalytisch-empirischen Methode

Fragebogen zur ArbeitsanalyseDer Fragebogen zur Arbeitsanalyse (FAA; Frieling und Hoyos 1978), basierend auf dem verbreiteten Position Analysis Questionnaire, (PAQ; McCormick und Jeanneret 1988) nutzt als Betrachtungsperspektive die Verhaltensebene. Er besteht aus insgesamt 221 Items, die zur Beschreibung des Arbeitsverhaltens dienen. Das heißt, es werden in Form eines Beobachtungsinterviews nur beobachtbare Aspekte des Verhaltens abgebildet.

Der FAA ist in vier Dimensionen gegliedert, die jeweils mehrere Subeinheiten umfas-sen. Die Hauptdimensionen sind

1. Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung (z. B. Sinnes- und Wahrneh-mungsprozesse, Denk- und Entscheidungsprozesse)

2. Arbeitsausführung (z. B. Nutzung von Werkzeugen, Anlagen und Apparaturen, Grad der körperlichen Anstrengung)

3. arbeitsrelevante Beziehungen (z. B. persönliche Beziehungen, Kommunikationsfor-men, Weisungsbefugnisse)

4. Umgebungseinflüsse (potenziell belastende Merkmale der Tätigkeit wie Arbeitszeitre-gelungen, Arbeitssicherheit und Unfallgefährdung).

Der FAA zeichnet sich durch eine breite Klassifikation der Arbeitstätigkeiten aus, wobei diese in ähnliche Gruppen zusammengefasst werden. Er ermöglicht den Vergleich unter-

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637.3 Methoden und Instrumente

schiedlicher Tätigkeiten in Hinblick auf das jeweils geforderte Arbeitsverhalten ebenso wie den Vergleich einer Position über die Zeit in Hinblick auf Veränderungen der Ver-haltensanforderungen. Zu den Nachteilen des FAA gehören die sehr abstrakt formulierten Items. Da branchenspezifische Aspekte somit unberücksichtigt bleiben, dient er eher im Sinne eines Breitbandverfahrens (Dunckel 1999).

Job Diagnostic SurveyDer Job Diagnostic Survey (JDS; Hackmann und Oldham 1975; deutsche Version von Schmidt und Kleinbeck 1999) gehört ebenfalls zu den arbeitsanalytischen Fragebogen-verfahren. Er erfasst in erster Linie jedoch nicht einzelne Arbeitstätigkeiten, sondern fünf Merkmale der Arbeitsaufgabe, die sich wesentlich auf die Motivation und die Zufrieden-heit des Stelleninhabers auswirken. Der JDS basiert auf dem Job Characteristics Model (Hackman und Oldham 1980). Dieses Modell wird ausführlich in Kap. 12 zur Motivation erläutert, da im Zentrum die Wahrnehmung und Bewertung des Arbeitsplatzes durch den einzelnen Mitarbeiter steht, nicht objektive Merkmale der Arbeitstätigkeit. Daher wird der JDS stets vom Stelleninhaber selbst bearbeitet. Beim JDS schätzt der Stelleninhaber die Ausprägung der folgenden fünf Merkmale seiner Arbeitstätigkeit mit Hilfe des standar-disierten Fragebogens ein: Anforderungsvielfalt, Ganzheitlichkeit, Bedeutsamkeit (z. B. „Ich empfinde ein hohes Maß an persönlicher Verantwortung für die Arbeit, die ich ver-richte.“), Autonomie und Feedback (z. B. „Meine Vorgesetzten lassen mich sehr oft wis-sen, wie gut ich meine Arbeit mache.“). Anhand der erfassten Ausprägung dieser Merk-male kann das sog. Motivationspotenzial einer Position ermittelt werden (vgl. Kap. 12).

Im Kontext der Arbeitsanalyse kann dieser Index genutzt werden, um Anhaltspunkte zu gewinnen, inwiefern ein Arbeitsplatz zur Motivation und Zufriedenheit der Stelleninhaber beiträgt. Ein geringes Motivationspotenzial kann z. B. die Ursache für höhere Fehlzeiten und Fluktuation sein. Die Ausprägung der einzelnen fünf Merkmale kann darüber hinaus genutzt werden, um konkrete Problemfelder der Arbeitsaufgabe zu erkennen und gezielte Maßnahmen der Arbeitsgestaltung (vgl. Kap. 8) abzuleiten. Der JDS kann für sehr unter-schiedliche Arbeitsplätze verwendet werden, sowohl für Positionen, die vermehrt physi-sche Anforderungen stellen als auch für Positionen, bei denen intellektuelle Fähigkeiten gefordert sind.

7.3.2 Anforderungsanalyse

Auch die Anforderungsanalyse kann mit Hilfe unterschiedlicher Verfahren erfolgen. Die daraus ermittelten Ergebnisse können für Stellenausschreibungen, Personalauswahl und/oder -entwicklung genutzt werden. Im Folgenden werden die erfahrungsgeleitet-intuitive Methode und die personenbezogen-empirische Methode erläutert, jeweils anhand eines konkreten Verfahrens.

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64 7 Arbeits- und Anforderungsanalyse

Erfahrungsgeleitet-intuitive MethodeDie erfahrungsgeleitet-intuitive Methode, auch tätigkeitserfahrungsgeleitete Methode genannt, umfasst eine subjektive Abschätzung der geforderten Personenmerkmale. Auf-grund der Subjektivität bedarf es eines langjährigen Erfahrungswissens der befragten Per-sonen, jedoch keiner systematischen Arbeitsanalyse. Vorteile dieses Vorgehens sind die kostengünstige Durchführung und die plausiblen Ergebnisse. Die Interview-Methode der kritischen Ereignisse ebenso wie verschiedene eigenschaftsorientierte Fragebogenverfah-ren gehören zu dieser Klasse der anforderungsanalytischen Verfahren.

Methode der kritischen EreignisseDie Methode der kritischen Ereignisse (CIT, „critical incident technique“; Flanagan 1954) beschreibt ein konkretes Vorgehen für die Durchführung anforderungsanalytischer Inter-views auf der Verhaltensebene. Befragt werden daher – in der Regel mehrere – Personen, die die auszuführenden Tätigkeiten der Position sehr gut kennen und den Erfolg eines Stelleninhabers beurteilen können, z. B. Vorgesetzte oder Kollegen. Der Interviewer fragt sie nach Situationen oder Ereignissen, die für den Erfolg in dieser Position besonders relevant sind und wie sich ein erfolgreicher bzw. ein nicht erfolgreicher Stelleninhaber in solchen Situationen verhält oder verhalten hat. Erfasst werden somit erfolgskritische Ereignisse und das jeweils erfolgversprechende Verhalten. Hierzu gehören z. B. die Be-wältigung von Problemen, das Treffen von Entscheidungen oder die Verwendungen von Ressourcen.

Die so ermittelten erfolgskritischen Ereignisse werden anhand übergeordneter Dimen-sionen zusammengefasst (z. B. Präsentationen bei Kunden) und in personenbezogene An-forderungsmerkmale übersetzt (z. B. Präsentationsfähigkeit). Im Unterschied zu den stan-dardisierten Fragebögen, wie sie im Folgenden beschrieben werden, geht die CIT somit nicht von einer vorab definierten Liste von Anforderungen aus, sondern ermittelt die für die jeweilige Position erfolgskritischen Merkmale ohne Vorannahmen.

NEO Job ProfilerDer Neo Job Profiler (Costa et al. 1995) erfasst die Anforderungen einer Position an die Persönlichkeit des Stelleninhabers. Die Auswahl der Persönlichkeitsmerkmale entspricht dem Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit (Costa und McCrae 1992b) bzw. dem NEO-Persönlichkeitsinventar nach Costa und McCrae in der revidierten Fassung (NEO-PI-R; Costa und McCrae 1992a; deutsche Version von Ostendorf und Angleitner 2004). Das NEO-PI-R bildet fünf globale Faktoren der Persönlichkeit ab, innerhalb derer jeweils sechs Persönlichkeitsfacetten unterschieden werden:

• Extraversion: z. B. Geselligkeit, Aktivität• Gewissenhaftigkeit: z. B. Ordnungsliebe, Pflichtbewusstsein• Offenheit für Erfahrung: z. B. Offenheit für Phantasie, Offenheit für Handlungen• Verträglichkeit: z. B. Vertrauen, Altruismus• Neurotizismus: z. B. Ängstlichkeit, Impulsivität

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657.4 Empirische Befunde

Bei der Bearbeitung des NEO Job Profiler wird zunächst ermittelt, welche der Facet-ten für eine erfolgreiche Ausführung der Tätigkeit erforderlich sind. Diese ausgewählten, relevanten Merkmale, werden anschließend in eine Rangordnung gebracht. Zusätzlich wird erfragt, in welchem Ausmaß die Eigenschaften erwünscht oder unerwünscht sind. So entsteht ein positionsspezifisches Anforderungsprofil, das sowohl – wie das F-JAS – die Relevanz verschiedener Merkmale abbildet als auch deren geforderte Ausprägungshöhe.

Personenbezogen-empirische MethodeMit der personenbezogen-empirischen Methode werden erfolgskritische Personenmerk-male ermittelt, indem der Zusammenhang zwischen Eigenschaften von Stelleninhabern und der individuellen Leistung der Personen empirisch untersucht wird. Hierzu wird im ersten Schritt ein Befragungsinstrument ausgewählt, das mögliche relevante Eigen-schaften erfasst. Dies können bestehende Persönlichkeitsverfahren wie der oben erwähnte NEO-PI-R sein oder in Anlehnung an das Kompetenzmodell der Organisation entwickel-te 360-Grad-Feedback-Fragebögen (Krumm et al. 2012). Mithilfe solch eines standardi-sierten Instruments werden die Merkmale von Stelleninhabern gleicher oder ähnlicher Positionen erfasst, indem sie selbst, ihre Vorgesetzten und möglicherweise weitere Per-sonengruppen wie Kollegen, Mitarbeiter oder Kunden befragt werden. Je nachdem wie der Erfolg der Personen gemessen wird, können zur Prüfung des statistischen Zusammen-hangs Korrelations- und Regressionsanalysen, Diskriminanzanalysen oder Mittelwertver-gleiche herangezogen werden (vgl. Kap. 24). Zeigt sich bei letzteren zum Beispiel eine höhere Ausprägung eines Merkmals bei High-Performern und eine geringere Ausprägung bei Low-Performern, so erweist sich dieses Merkmal als relevant. Die personenbezogen-empirische Anforderungsanalyse erlaubt es somit, anhand von Zusammenhangsanalysen festzustellen, welche Eigenschaften einer Person erfolgskritische Anforderungen darstel-len.

Die ermittelte Relevanz der Personenmerkmale ist spezifisch für die untersuchte Tätig-keit und die personenbezogen-empirische Analyse daher aufwendig, wenn Anforderungen verschiedener Positionen zu untersuchen sind. Falls jedoch Analysen gleicher oder ähn-licher Positionen aus wissenschaftlichen Studien oder anderen Organisationen vorliegen, können diese Befunde unter Umständen genutzt werden, ohne selbst eine entsprechende Analyse durchführen zu müssen.

7.4 Empirische Befunde

Auf der einen Seite weisen einige empirische Arbeiten daraufhin, dass die Anforderungs-beurteilung und ihre Generalisierbarkeit von verschiedenen Faktoren abhängig ist, wie der Komplexität der Arbeitstätigkeit, dem Befragten selbst sowie seinem Verhältnis zur beschriebenen Position (z. B. Stelleninhaber, Vorgesetzter, Experte). So konnte etwa für diese unterschiedlichen Informantengruppen gezeigt werden, dass ihre Anforderungs-einschätzungen hohe Korrelationen aufweisen, somit ist die absolute Höhe der Anfor-

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66 7 Arbeits- und Anforderungsanalyse

derungen bei Stelleninhabern und Vorgesetzten höher als bei Arbeitsanalytikern (Smith und Hakel 1979). In Hinblick auf das mit Hilfe des JDS ermittelte Motivationspotenzial ergaben sich in der Einschätzung durch Vorgesetzte höhere Werte als durch die Stellen-inhaber selbst (Kiggundu 1980). Allgemein war die Übereinstimmung von Stelleninha-bern und Nicht-Stelleninhabern größer bei wenig komplexen Tätigkeiten (Sanchez et al. 1997). Da Stelleninhaber und Nicht-Stelleninhaber bei der Tätigkeitsbeschreibung durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst werden, sollten sich die Einschätzungen aus diesen unterschiedlichen Quellen ergänzen (Sanchez et al. 1997).

Auch innerhalb der Gruppe der Stelleninhaber lag die Übereinstimmung der indivi-duellen Anforderungseinschätzungen nur im mittleren Bereich (Smith und Hakel 1979). Diese interindividuelle Varianz kann auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden:

• die Komplexität der Tätigkeiten: Je höher die Komplexität, umso geringer der Konsen-sus (Lievens et al. 2010).

• die Art der Tätigkeiten: Je wichtiger ausrüstungsbezogene Tätigkeiten oder Tätigkeiten mit direktem Kontakt, umso größer der Konsensus (Lievens et al. 2010).

• individuelle Wichtigkeitseinschätzung verschiedener Teiltätigkeiten: Verschiedene Au-ßendienstmitarbeiter betonen z. B. eher die reine Verkaufstätigkeiten oder eher planeri-sche, organisatorische Tätigkeiten (Sanchez et al. 1998).

Diese Arbeiten legen also insgesamt nahe, dass Anforderungen sehr spezifisch sind und für jeden Einzelfall erfasst bzw. geprüft werden müssen.

Auf der anderen Seite haben die Arbeiten zur meta-analytischen Validitätsgenerali-sierung die Erforderlichkeit positionsspezifischer Arbeits- und Anforderungsanalysen relativiert. Sie haben gezeigt, dass erfolgskritische Personenmerkmale und somit auch Anforderungen über Positionen hinweg generalisiert werden können. Gewissenhaftigkeit als eines der Persönlichkeitsmerkmale des Fünf-Faktoren-Modells (vgl. Kap. 9) ist mit Berufserfolg verknüpft (Barrick und Mount 1991; Salgado 1997) – und zwar unabhängig von den Anforderungen einzelner Positionen. Die Entscheidung über die Übertragbarkeit dieser Befunde auf den Einzelfall erfordert allerdings wiederum Übersicht und Erfahrung. Daher wird prinzipiell die spezifische Bestimmung der Anforderungen empfohlen (Deut-sches Institut für Normung 2002), auch aufgrund der höheren Validität eignungsdiagnos-tischer Verfahren bei anforderungsanalytischem Vorgehen. Als Methode der Wahl wird heute in den meisten Fällen eines der arbeitsplatzanalytisch-empirischen Verfahren oder der kombinierte Einsatz mehrerer Verfahren angesehen.

7.5 Umsetzung in der Praxis

Da oben bereits konkrete Methoden und Verfahren der Arbeits- und Anforderungsana-lyse vorgestellt wurden, werden an dieser Stelle zum einen verschiedene Funktionen beschrieben, denen die Durchführung einer Arbeits- oder Anforderungsanalyse in der

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677.5 Umsetzung in der Praxis

organisationalen Praxis dienen kann. Zum anderen wird mit O*NET eine Datenbank vor-gestellt, die anforderungsbezogene Informationen für eine Vielzahl von Tätigkeitsklassen zur Verfügung stellt.

7.5.1 Funktionen der Arbeits- und Anforderungsanalyse

Arbeits- und Anforderungsanalysen können unterschiedliche Funktionen erfüllen und da-her in verschiedenen Anwendungsbereichen nutzbringend eingesetzt werden. Die unter-schiedlichen Funktionen werden im Folgenden getrennt für Arbeits- und Anforderungs-analysen betrachtet.

Funktionen der ArbeitsanalyseMithilfe von Arbeitsanalysen können Tätigkeiten in Hinblick auf ihre Ähnlichkeit un-tersucht und auf diese Weise klassifiziert und bewertet werden, sodass Berufsklassen entstehen. Im Zuge der Personalauswahl können Unternehmen die zu besetzende Stelle analysieren und aufgrund der Ergebnisse einer vordefinierten Berufsklasse zuordnen. Die Verwendung von Berufsklassen dient hierbei sowohl Unternehmen als auch Bewerbern zur Orientierung bei den mit der Stelle typischerweise verbundenen Tätigkeiten und An-forderungen.

Auftretende Diskrepanzen zwischen den Merkmalen einer Berufsklasse und denen ei-ner konkreten Stelle, können darüber hinaus Anlass sein, über die Gestaltung der spezifi-schen Stelle nachzudenken. Mit der Anpassung von Stellen ist eine weitere Funktion der Arbeitsanalyse angesprochen. Die arbeitsanalytische Beschreibung eines Arbeitsplatzes kann zur optimalen Arbeitsgestaltung genutzt werden. Dabei kann die Systematik der ar-beitsanalytischen Beschreibung von Aufgaben und Tätigkeiten bereits bei der Planung eines neuen Betriebes genutzt werden, bei der einzelne Arbeitsplätze konzipiert und die damit verbundenen Anforderungen betrachtet werden. Darüber hinaus können bestehende Arbeitsplätze analysiert und zum Beispiel im Sinne einer menschengerechten Arbeits-platzgestaltung sowie im Sinne effizienter Arbeitsprozesse optimiert werden. Umgekehrt kann bei aufgetretenen Leistungsdefiziten eine Arbeitsanalyse helfen, die zugrunde lie-genden Schwachstellen in den Prozessen aufzudecken und Möglichkeiten zu deren Be-seitigung aufzuzeigen. Zur Verbesserung kann die Tätigkeit bspw. umstrukturiert werden, der Arbeitsplatz ergonomischer gestaltet werden, die Arbeitszeit angepasst werden oder es können individuelle Trainings für Mitarbeiter entwickelt werden. Auch Maßnahmen zur Sicherheit am Arbeitsplatz können abgeleitet werden.

Eine weitere wesentliche Funktion erfüllt die Arbeitsanalyse allein durch die Klärung und Offenlegung der mit einer Position verbundenen Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Grenzen. Sie trägt so zur Konfliktvermeidung bei, sowohl zwischen einem Mitarbeiter und seinem Vorgesetzten, als auch zwischen Inhabern ähnlicher und unterschiedlicher Stel-len. Kennen Mitarbeiter von Anfang an die an sie gerichteten Erwartungen, reduziert sich

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68 7 Arbeits- und Anforderungsanalyse

die Anzahl möglicher Konflikte. Die trägt vor allem an Schnittstellen zu reibungsloseren Arbeitsabläufen bei und erhöht somit die Arbeitseffizienz der Organisation.

Funktionen der AnforderungsanalyseDa die Anforderungsanalyse einen Arbeitsplatz in personenbezogenen Begriffen be-schreibt, wird sie vor allem für personenbezogene Zwecke eingesetzt. Hierzu zählen die Anwendungsbereiche der beruflichen Eignungsdiagnostik, bei denen die Passung von Person und Position im Vordergrund steht, wie Personalplanung, Potenzialanalysen und Personalauswahl, aber auch die strategische Personalentwicklung und individuell zuge-schnittene Entwicklungsmaßnahmen.

Bevor es im Sinne der Eignungsdiagnostik zu einem Abgleich von Personenmerkma-len und Anforderungen kommt, werden die mit der zu besetzenden Position verbunde-nen Anforderungen in einem Stellenprofil zusammengefasst und als Stellenausschreibung veröffentlicht. Eine zuvor durchgeführte Anforderungsanalyse erlaubt es der ausschrei-benden Organisation, die positionsspezifischen Anforderungen an den Stelleninhaber zu formulieren, wie die geforderten Qualifikationen, Erfahrungen, Fähigkeiten, Fertigkei-ten, Kenntnisse und weiteren Merkmale wie Persönlichkeitseigenschaften, Motive und Interessen. Je spezifischer diese Anforderungen formuliert werden können, umso besser können potenzielle Bewerber im Sinne einer Selbstselektion abschätzen, was erwartet wird und ob sie für die Stelle geeignet sind. Auf der anderen Seite erleichtern spezifische Anforderungen dem Unternehmen die nachfolgende Eignungsbeurteilung der Bewerber.

Von der anzustrebenden Passung des Stelleninhabers mit den Anforderungen profitie-ren wie eingangs erläutert sowohl die Organisation als auch der Stelleninhaber selbst. Je mehr die Positionsmerkmale den Bedürfnissen und Interessen der Person entsprechen, umso eher kann sie der Tätigkeit motiviert nachgehen, Arbeitszufriedenheit (vgl. Kap. 10) entwickeln, ihre Fähigkeiten entfalten und mittels Leistungserbringung zu beruflichem Erfolg gelangen. Das Unternehmen profitiert durch diesen indirekten Pfad via Arbeitszu-friedenheit zur Leistungserbringung sowie durch die direkte Übereinstimmung von An-forderungen und Fähigkeiten, die den Erfolg begünstigt. Der Anforderungsanalyse kommt somit bei der Stellenbesetzung eine entscheidende Bedeutung zu, indem sie die positi-onsspezifischen Anforderungen im Vorfeld in Personenbegriffen abbildet. Die Analyse erlaubt es zu ermitteln, welche Personenmerkmale relevant sind und welche Ausprägung bestimmter Fähigkeiten und Personeneigenschaften für die Ausübung der Tätigkeit erfor-derlich ist. Darauf aufbauend können bei der Bewerberauswahl bestimmte Testverfahren genutzt werden, um Kandidaten mit den geforderten Fähigkeiten ermitteln zu können (vgl. Kap. 15). Je nach Kontext, können Bewerbern, deren Merkmale nicht zur ausgeschriebe-nen Stelle passen, anderen Positionen angeboten werden, bei der eine größere Passung zur Person vorliegt.

Bei bestehenden Beschäftigungsverhältnissen erweist sich die Anforderungsanalyse als wertvolles Instrument im Kontext der Leistungsbeurteilung (vgl. Kap. 23). Mit Hilfe der Analyse kann festgestellt werden, welche Leistung vom Stelleninhaber erwartet wird. Die Leistung des Mitarbeiters kann dann in Relation zu diesen spezifizierten Anforderungen

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697.5 Umsetzung in der Praxis

bewertet werden, z. B. als „erfüllt die Erwartungen nicht“, „erwartungskonform“ oder „übererfüllt die Erwartungen“. Die Leistungsbeurteilung kann wiederum mit verschiede-nen persönlichen und organisationalen Konsequenzen verbunden sie, wie Lob, Entloh-nung, Beförderung im Fall der Erfüllung oder Überfüllung sowie mit Ursachenanalyse und Maßnahmenableitung im Fall der Nichterfüllung.

7.5.2 Occupational Information Network

Das Occupational Information Network (O*NET; Peterson et al. 2001) bezeichnet eine umfangreiche Internet-Datenbank, in der Informationen zu einer Vielzahl beruflicher Tä-tigkeiten bereitgestellt werden. Die Nutzung dieser frei verfügbaren Informationen stellt somit eine Alternative zur traditionellen unternehmensspezifischen Anforderungsanalyse dar. Zur Unterscheidung von Berufen bzw. Tätigkeiten nutzt O*NET das offizielle Be-rufsklassifikationssystem des U.S. Department of Labor, das ca. 1000 Tätigkeiten unter-scheidet. O*NET wurde aus dem Dictionary of Occupational Titles (DOT) entwickelt, das mit Hilfe verschiedener Prozeduren der Arbeits- und Anforderungsanalyse erstellt wurde. Die meisten Arbeitsbeschreibungen wurden durch Arbeitsanalytiker erstellt, die Stellen-inhaber beobachtet und interviewt haben. Vielfach wurden zusätzlich Informationen der Stelleninhaber selbst mitberücksichtigt.

O*NET verwendet sechs Dimensionen zur Beschreibung von Positionen und Tätigkei-ten, die arbeits- und anforderungsanalytische Herangehensweisen verknüpfen. Jede der Dimensionen umfasst mehrere Unterfacetten (O*Net Resource Center 2013). O*NET-Beschreibungsdimensionen im Sinne einer Arbeitsanalyse (Aufgabenmerkmale):

1. Tätigkeitsanforderungen (occupational requirement): z. B. Arbeitstätigkeiten, Arbeitskontext

2. Tätigkeitseigenschaften (workforce characteristics): z. B. Arbeitsmarktinformationen, Unternehmensperspektive

3. positionsspezifische Informationen (occupation-specific information); z. B. Aufgaben, Arbeitsmittel, Technologien

O*NET-Beschreibungsdimensionen im Sinne einer Anforderungsanalyse (Personenmerk-male):

1. Mitarbeitereigenschaften (worker characteristics): z. B. Fähigkeiten, Werte, Interessen2. Anforderungen an den Mitarbeiter (worker requirements): z. B. Grundfertigkeiten,

funktionsübergreifende Fertigkeiten, Wissen3. Erfahrungsanforderungen (experience requirements): z. B. Training, Erfahrung

Auf der O*NET-Internetplattform können Nutzer kostenfrei Beschreibungen und Anfor-derungen zu einer Vielzahl von Berufen recherchieren. Die verfügbaren Informationen zu

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70 7 Arbeits- und Anforderungsanalyse

Arbeitsaufgaben und -tätigkeiten, zu geforderten Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissensberei-chen und weiteren Aspekten sind für verschiedene Personengruppen hilfreich: HR-Mana-ger können die Informationen etwa im Zuge einer selbst durchzuführenden Arbeits- oder Anforderungsanalyse als Ausgangsbasis nutzen, die dann jeweils nur noch für die kon-kreten Bedingungen geprüft werden muss. Unternehmen können die Informationen wie oben beschrieben zum Beispiel zum Zweck der Arbeitsgestaltung oder zur Formulierung von Stellenausschreibungen nutzen. Einzelpersonen schließlich können die Plattform zur beruflichen Neuorientierung nutzen, um ausgehend von ihren persönlichen Fähigkeiten und Interessen passende Berufe zu finden.

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73

Entlohnung und Arbeitszeitmodelle

Kai C. Bormann

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_8

8

8.1 Einführung

Im folgenden Kapitel geht es um zwei zentrale Merkmale der Arbeitsgestaltung: die Ent-lohnung und die Gestaltung der Arbeitszeit. Die Entlohnung, also die finanzielle Vergü-tung der geleisteten Arbeit, stellt die klassische Form des materiellen Entgelts dar. Die An-stellung eines Mitarbeiters in einem Unternehmen lässt sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht als klassische Transaktion darstellen. Der Mitarbeiter leistet unter Inanspruchnahme seiner persönlichen Ressourcen (physische und kognitive Fähigkeiten, Zeit) Arbeit, wel-che durch das Unternehmen in Form der Entlohnung bzw. Leistungsvergütung entgolten wird (Böhrs 1980). Beide Seiten profitieren. Die Entlohnung kann demnach grundsätz-lich als Vergütung der geleisteten Arbeit verstanden werden. Darüber hinaus kommen ihr weitere wichtige Motivations- und Anreizfunktionen zu. Der Leistungsvergütung kommt in ihrer Ausgestaltung eine Sonderstellung zu, da sie ein Zusammenspiel darstellt von obligatorischen und quasi-obligatorischen Vorgaben (gesetzlich, branchenspezifisch, Ta-rifvereinbarungen mit Gewerkschaften, etc.) einerseits und frei wählbaren Parametern (bspw. Erfolgsbeteiligung) andererseits.

Der zweite zentrale Aspekt des folgenden Kapitels ist die Arbeitszeitgestaltung. Wa-ren in der Vergangenheit mit dem Begriff der Arbeitszeit eng das Verständnis einer 40 h Woche verbunden, lässt sich heutzutage im Zuge der fortschreitenden Dynamik der Ar-beitswelt eine zunehmende Abkehr von dieser klassischen Gestaltung hin zu neuartigen, deutlich flexibleren Strukturen wahrnehmen (Kutscher et al. 1996).

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74 8 Entlohnung und Arbeitszeitmodelle

8.2 Entlohnung

8.2.1 Begriffsverständnis

Entlohnung bezieht sich auf die materielle Gegenleistung, die der Mitarbeiter vom Arbeit-geber für die im Arbeitsvertrag festgelegte Arbeitsleistung erhält (Böhrs 1980). Sie stellt den Oberbegriff dar für sämtliche finanzielle Vergütungsmöglichkeiten – vom tariflichen Lohn, über Sozialleistungen wie Kinderzulagen, bis hin zur Gewinnbeteiligung. Im folgen-den stehen also gerade die materiellen Formen der Entlohnung im Mittelpunkt. Darüber-hinausgehende immaterielle Anreize der Arbeit, wie z. B. Selbstverwirklichung oder Grad der Autonomie, werden an anderer Stelle in diesem Lehrbuch thematisiert (vgl. Kap. 12).

8.2.2 Modelle

Um einen Mitarbeiter für seine geleistete Arbeit finanziell zu entlohnen, gibt es unter-schiedliche Herangehensweisen (Kossbiel 1994). Wichtig ist hier die Frage, was die Be-messungsgrundlage für die Vergütung sein kann. Ist es die Zeit, die die Person bei der Arbeit verbringt, die Qualifikation, die die Person einbringt, die Anforderungen der Posi-tion – in anderen Worten also der ‚Input‘ der Arbeit? Oder ist es der tatsächliche ‚Output‘ also die Leistung der Person? Wie sich zeigen wird, spielen all diese Elemente und noch weitere eine wichtige Rolle. Abbildung 8.1 liefert einen ersten Überblick über die mögli-chen Herangehensweisen.

Eine bis heute immer noch zentrale Komponente der Entlohnung ist der Zeitlohn. Die Höhe der Vergütung richtet sich demnach nach der geleisteten Arbeitszeit. Der Vorteil des Zeitlohns liegt auf der Hand: Er ist leicht erfassbar, klammert allerdings auch wich-tige Merkmale aus. Zum einen fehlt hier jegliche Kopplung an die tatsächlich erbrachte Leistung. Ob ein Mitarbeiter sich Mühe gibt, ob er gute Arbeit leistet, lässt sich bei einem reinen Zeitlohn nicht mit erfassen. Eine gezielte Anreizwirkung bleibt daher aus.

Abb. 8.1 Bemessungsgrundlagen für Löhne. (nach Kossbiel 1994, S. 79)

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758.2 Entlohnung

Den Lohn an den Qualifikationen des Stelleninhabers oder den Anforderungen der Stel-le auszurichten, ist eine weitere Möglichkeit. Hier spielt die Güte der zu leistenden Arbeit eine Rolle. Die Anforderungen an eine Position, also die mit ihr verbundenen Pflichten, die zu tragende Verantwortung und Aufgaben, sind in Bezug auf die Höhe der Entlohnung von Bedeutung. Ähnlich sieht es bei der akademischen bzw. fachlichen Qualifikation der Stelleninhaber aus. Eine wichtige Hürde stellt bei dieser Form der Bemessungsgrundlage allerdings die Eindeutigkeit der Arbeiten und Anforderungen einer Position dar. Gerade in der heutigen Dienstleistungsgesellschaft ist es bisweilen schwer, die detaillierten Anfor-derungen an eine Position zu identifizieren. Außerdem stellt sich hier wie beim einfachen Zeitlohn die Problematik, dass die tatsächliche Leistung unberücksichtigt bleibt.

Die Höhe der Vergütung an der tatsächlichen Leistungserbringung zu orientieren, stellt angesichts der bisherigen Formen der Bemessungsgrundlage eine sinnvolle Alternative dar. In der Theorie wäre es dann möglich, den Lohn an die tatsächlich erbrachte Leistung zu koppeln und eben nicht an die geleistete Arbeitszeit oder die Arbeitsanforderungen. Entsprechend wäre dieser leistungsbezogene Teil der Vergütung ein wichtiges Anreiz- und Motivationsinstrument. Die Schwierigkeit bei der Leistungsvergütung liegt allerdings da-rin, valide Leistungsgrößen festzulegen. Während es bei niedrig komplexen Tätigkeiten, wie Fließbandtätigkeiten in der verarbeitenden Industrie, noch eher möglich ist, Ergebnis-einheiten eindeutig zu identifizieren, sieht es bei den meisten komplexeren Tätigkeiten, insbesondere auch wieder in der Dienstleistung, schwierig aus. Wichtig ist hier in jedem Fall ein gutes Human Resource Management-Leistungsbeurteilungssystem.

In der betrieblichen Praxis stellt es sich heutzutage derart dar, dass beide Herange-hensweisen der Bemessungsgrundlage – sowohl Input als auch Output – von Bedeutung sind. Grundsätzlich kann daher unter folgenden drei Aspekten unterschieden werden: das Grundgehalt, der variable Teil der Entlohnung und die Zusatzleistungen (vgl. auch Bühner 2005).

• Die Basis des Lohngefüges stellt das Grundgehalt dar. Entsprechend der formalen Anforderungen der Arbeitstätigkeit sowie der Qualifikation des Arbeitnehmers ist das Grundgehalt die Kompensation für eine übliche Arbeitsleistung.

• Der variable Teil der Entlohnung hat eine gezielte motivationale Anreizfunktion. Erhält ein Mitarbeiter für das Erreichen bestimmter vorab festgelegter Leistungsziele Gratifi-kationen wie Prämien oder Beteiligungsformen (Beteiligung am Bereichs- oder Unter-nehmenserfolg), ist er motiviert, die benötigte Leistung zu erbringen.

• Die Zusatzleistungen oder Sozialleistungen ergänzen die bisherigen Bestandteile der Vergütung. Sie beziehen sich auf die finanziellen Leistungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund dessen persönlichen, individuellen Sozialstatus zahlt. Zu ihnen zählen Posten wie bspw. Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Lohnfortzahlung im Krank-heitsfall oder die betriebliche Altersvorsorge.

Der Begriff der Leistungsvergütung pointiert insbesondere den variablen Teil der Ent-lohnung (Heneman 2002). Seine Bedeutung steigt sukzessive mit dem hierarchischem

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76 8 Entlohnung und Arbeitszeitmodelle

Level der Betrachtung in Unternehmen. Sobald Mitarbeiter nicht nur Fachaufgaben erfül-len sondern ihnen auch Führungsverantwortung zu Teil wird, ist es eine in der Praxis gän-gige Handhabe, einen Teil der Vergütung an entsprechende Bereichs- oder Teamvorgaben zu koppeln. Diese Leistungsvorgaben mögen in manchen Fällen quantitativer Natur sein (bspw. Absatzvorgaben im Vertrieb), in vielen anderen Fällen allerdings handelt es sich um eher qualitative Ziele (bspw. Umsetzung bestimmter Projekte), da quantitative Ziel-größen fehlen. Im Bereich des Top-Managements gewinnt neben dem fixen Grundgehalt und bereichsbezogenen Parametern gerade auch der Unternehmenserfolg eine wichtigere Bedeutung, da auch letzterer zur Bemessungsgrundlage für variable Leistungszulagen bei-trägt. In Länder wie den USA ist die Leistungsvergütung noch deutlich ausgeprägter als in Deutschland (Murphy 1999). Dennoch lässt sich auch hier eine Zunahme bei der Anwen-dung von Leistungsvergütungssystem attestieren. Generieren mediale Berichte über hohe Boni-Zahlungen an Top-Führungskräfte großes Interesse, macht die Leistungsvergütung tatsächlich nicht mehr als etwa ein Drittel der Gesamtvergütung bei Führungskräften aus (Evers 2001).

Bisher wurde die Thematik der Entlohnung aus einer rein rational-ökonomischen Pers-pektive behandelt. Der Arbeitnehmer wird entsprechend seiner Qualifikation, seiner Leis-tung, seines Sozialstatus sowie den formalen Anforderungen seiner Tätigkeit finanziell entlohnt. Im Folgenden soll das Thema der Motivationswirkung näher beleuchtet werden.

Wann ist ein Arbeitnehmer mit seiner finanziellen Vergütung zufrieden? Intuitiv könnte man von einem einfachen linearen Zusammenhang ausgehen: je höher das Gehalt, des-to zufriedener der Mitarbeiter. Die berufliche Praxis liefert allerdings immer wieder den Nachweis, dass diese einfache Annahme zu kurz greift. In Kap. 10 werden verschiedene arbeitsrelevante Einstellungen detaillierter behandelt werden, die veranschaulichen, dass es neben der finanziellen Entlohnung weitere zentrale Charakteristika einer Arbeitsstelle gibt, die wichtigen Einfluss auf die Zufriedenheit von Angestellten ausüben; so z. B. die Vielfältigkeit der eigenen Arbeitsaufgaben oder der Grad der Autonomie. Ein weiteres Modell, auf das nun im Rahmen der finanziellen Entlohnung vorweg gegriffen werden soll, ist Lawlers Modell zur Arbeitszufriedenheit. Lawler erklärt die (Un-)Zufriedenheit eines Arbeitnehmers durch den Vergleich von erwarteter und tatsächlicher Belohnung der geleisteten Arbeit (Hackman und Lawler 1971). Ist der erwartete Lohn höher als der tat-sächliche entsteht Unzufriedenheit. Ein wichtiges Detail, das durch das Modell besonders pointiert wird, ist der stetige Vergleich mit Referenzpersonen. Ob ein Arbeitnehmer mit der Entlohnung seiner Arbeit zufrieden ist, wird entscheidend dadurch beeinflusst, wie andere Personen, die vergleichbaren Aufgaben nachkommen, vergütet werden. Es geht demnach weniger um die absolute Höhe der Vergütung, vielmehr steht die Relation zu Referenzpersonen im Mittelpunkt.

Wichtig ist also die wahrgenommene Gerechtigkeit bei der Verteilung der Vergütung. In der Fachliteratur wird dieser Sachverhalt insbesondere unter dem Aspekt der distri-butiven Gerechtigkeit thematisiert. Dieser folgend „wird die Verteilung von Ergebnissen dann als gerecht wahrgenommen, wenn das Verhältnis des eigenen Beitrags zum eigenen Ertrag dem von Vergleichspersonen entspricht“ (Maier et al. 2007, S. 98). In Bezug auf

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778.2 Entlohnung

die Entlohnung lassen sich Aspekte der distributiven Gerechtigkeit unter verschiedenen Gesichtspunkten diskutieren:

• Anforderungsgerechtigkeit: Wie bereits vorgestellt, sollte eine Person entsprechend der Anforderungen der Position vergütet werden. Gerechtigkeit spielt hier eine Rolle, als dass Positionen mit viel Verantwortung, umfangreichen Pflichten und Aufgaben besser vergütet werden sollten, als solche mit niedrigeren Anforderungen;

• Kompetenzgerechtigkeit: Hier stehen die persönlichen Qualifikationen im Vorder-grund. Eine Person mit besseren Qualifikationen (bspw. hinsichtlich Bildungsgrad, fachliche Qualifikation, Berufserfahrung, etc.) sollte eine höhere Entlohnung erhalten als eine andere mit niedrigeren;

• Leistungsgerechtigkeit: Nicht nur die ‚Inputfaktoren‘ der Arbeit, wie Anforderungen und Kompetenzen, können hinsichtlich ihrer Gerechtigkeit diskutiert werden, selbst-verständlich auch der ‚Output‘ der Arbeit. Leistung als zentrales Maß der Arbeitsgüte sollte ein wichtiger Faktor sein. Leistungsstärkere Mitarbeiter sollten mehr verdienen als leistungsschwächere;

• Soziale Gerechtigkeit: Auch der persönliche Sozialstatus spielt gerade in Deutschland bei der wahrgenommenen Fairness von Entlohnung eine wichtige Rolle. Personen, die bspw. Familienmütter oder -väter sind, werden bei betriebsbedingtem Personalabbau per Gesetz bevorzugt behandelt. So sind sie z. B. schwerer kündbar als Personen ohne vergleichbare Bindungen.

• Personalmarktgerechtigkeit: Waren bei den bisherigen Gerechtigkeitsfacetten andere Personen der Bezugspunkt, bezieht die Personalmarktgerechtigkeit Bereiche außerhalb der eigentlichen Unternehmung mit ein. Mitarbeiter sollten entsprechend ihrer Stellung am Arbeitsmarkt entgolten werden (bspw. branchenspezifisch).

• Erfolgsgerechtigkeit: Gerade die Finanzkrise 2008 und die immer währende Debatte um hohe Boni-Zahlungen an Top-Führungskräfte nährt die Diskussion um Erfolgsge-rechtigkeit von Bezahlungen. Leisten einfache Mitarbeiter durch Lohnkürzungen und Kurzarbeit ‚ihren‘ Beitrag zum Überstehen einer unternehmerischen Krise, steigt die Unzufriedenheit, wenn sie in Zeiten unternehmerischer Prosperität unberücksichtigt bleiben.

8.2.3 Empirische Befunde

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist viel zur Rolle der Vergütung im Arbeitskontext geforscht worden. So verstehen Neuberger und Allerbeck (1978) Lohn-zufriedenheit als elementaren Bestandteil von Arbeitszufriedenheit. Da Arbeitszufrieden-heit meta-analytisch eng mit beruflicher Leistung in Verbindung steht (Judge et al. 2001), könnte zunächst von einer ebenfalls engen Beziehung zwischen Lohnzufriedenheit und beruflicher Leistung ausgegangen werden. Verschiedene empirische Arbeiten stützen diese These (Currall et al. 2005; Iaffaldano und Muchinsky 1985; Kinicki et al. 2002;

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78 8 Entlohnung und Arbeitszeitmodelle

Williams et al. 2006). Es finden sich allerdings ebenso Studien, die dieser positiven Lohn-Leistung Verbindung widersprechen (Motowidlo 1982).

Der Leistungsvergütung liegt die Annahme zu Grunde, dass entsprechende materielle Anreize tatsächlich zu verbesserter Leistung führen. Doch auch hier sind die Befunde bis-weilen wenig eindeutig. Verschiedene Arbeiten zeigten einen positiven Leistungseffekt von Leistungsvergütungssystemen (Dressler 1998; Lazear 1999), während andere den ent-gegengesetzten Effekt auswiesen (Gneezy und Rustichini 2000; Heneman 1990; Pearce et al. 1985).

8.2.4 Umsetzung in der Praxis

Ein sehr anschauliches Beispiel für eine Entlohnung entsprechend der Qualifikation der Stelleninhaber stellt der öffentliche Dienst dar. Hier findet sich eine Vielzahl von zum Teil sehr unterschiedlichen Berufsgruppen, von einfachen Hilfsarbeiten, über Physiotherapeu-ten und Altenpflegern, bis hin zu Lehrern und Wissenschaftlern. Tabelle 8.1 zeigt eine Reihe von Eingruppierungsbeispielen.

Tab. 8.1 Entgeltstufen im öffentlichen Dienst. Siehe http://oeffentlicher-dienst.infoE 1 bis E 4 Beschäftigte mit einfachen TätigkeitenE 1 Bote

KüchenhilfeE 4 JustizhelferE 5 bis E 8 Abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Aus-

bildungsberuf und entsprechenden TätigkeitenE 6E 7

KinderpflegerHeilerziehungspflegehelferAltenpflegehelferErgotherapeutHeilerziehungspflegerLogopädePhysiotherapeutAltenpfleger

E 9 bis E 12 Bachelor oder abgeschlossene Fachhochschulausbildung (Dip-lom) und entsprechende Tätigkeiten

E 9 Diplom-Ingenieure (FH)E 11 Lehrer an Grund-, Haupt-, Real- und Gesamtschulen

Lehrer im Bereich Sekundarstufe I im SeiteneinstiegE 12 Lehrer im Bereich Sekundarstufe II im SeiteneinstiegE 13 bis E 15 Wissenschaftliches Hochschulstudium (Diplom oder Master)E 13E 14

Diplom-Ingenieure (Univ.)Lehrer an Gymnasien, Gesamtschulen und FörderschulenWissenschaftliche Mitarbeiter (Doktoranden) an UniversitätenPost-Doc-Stellen an Universitäten

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798.3 Arbeitszeitmodelle

Wie der Tabelle zu entnehmen ist, erfolgt die Einordnung entsprechend der formalen Qualifikation. Die niedrigsten Beispiele stellen einfache Anlerntätigkeiten dar, ohne ent-sprechende berufsqualifizierende Anforderungen, gefolgt von klassischen Ausbildungsbe-rufen. Die nächst höheren Tätigkeiten erfordern eine abgeschlossene Fachhochschulaus-bildung bzw. ein abgeschlossenes Bachelorstudium. Diplom- und Masterabschlüsse eines wissenschaftlichen Hochschulstudiums qualifizieren für die höchsten Entgeltgruppen.

Ein klassisches Beispiel für leistungsbezogene Vergütung, dass gerade auch Studieren-den bekannt ist, ist die Arbeit in Call-Centern (bspw. zur Kundenberatung, -betreuung und -befragung, Bundesanstalt für Arbeit 2004). Insbesondere Meinungsforschungsinstitute beschäftigen viele Call-Center-Agenten, deren Aufgabe es ist, per Telefonansprache, Teil-nehmer für Umfragen zu akquirieren. Ist der fixe Stundenlohn hier traditionell eher ge-ring, haben Call-Center Agenten die Möglichkeit, durch erfolgreiche Durchführung einer Befragung einen variablen Zuverdienst zu generieren. Diese zusätzliche Vergütung ist entsprechend leistungsgebunden und dient als gezielter materieller Anreiz (Hirth 2000).

8.3 Arbeitszeitmodelle

8.3.1 Begriffsverständnis

Neben der Entlohnung ist die Arbeitszeit ein zweites zentrales Merkmal der Arbeitsge-staltung. Arbeitszeit bezieht sich dabei auf die Anzahl der Stunden, die ein Angestellter wöchentlich bei seiner Arbeit verbringt. Arbeitszeit ist allerdings nicht mit der klassischen ‚40-h Arbeitswoche‘ gleichzusetzen. In der Tat gibt es eine Reihe von unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen, die den Interessen von sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern entgegenkommen.

8.3.2 Modelle

Verschiedene Beschäftigungsformen, die mit unterschiedlichen Arbeitszeitformen einher-gehen, gibt es in Deutschland in einer beachtlichen Vielfalt. In einem ersten Schritt einer systematischen Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex bietet sich eine Unter-scheidung an zwischen klassischen Arbeitszeitmodellen einerseits und aktuellen Trends der Arbeitszeitgestaltung andererseits.

Traditionelle ModelleTraditionelle Modelle der Arbeitszeitgestaltung umfassen neben dem klassischen ein-schichtigen und starren Modell weitere Varianten, wie z. B. Schichtarbeit, Wochenendarbeit, Teilzeit- und Gleitzeitarbeit (Glaubrecht et al. 1985; Lukas 2012). Auf jede einzelne dieser Formen soll in der Folge kurz eingegangen werden.

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80 8 Entlohnung und Arbeitszeitmodelle

• Einschichtige starre Arbeitszeit: Dieses Arbeitszeitmodell ist die Form, die dem Ver-ständnis einer 40-h Woche sehr nahe kommt. Arbeitnehmer verbringen eine vertrag-lich verankerte Dauer pro Woche an ihrem Arbeitsplatz. Dieses Modell ist starr, da Beginn und Ende der täglichen Arbeit nicht variieren. Die tatsächliche Dauer der Wo-chenarbeitszeit kann dabei allerdings von Branche zu Branche und von Bundesland zu Bundesland variieren. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt bspw. bei Angestellten im öffentlichen Dienst 38,5 h und bei hessischen Landesbeamten 42 h. Die starre Arbeits-zeit ist bis heute die dominierende Form der Arbeitszeitgestaltung. Die hier dargestellte Reinform wird in der Praxis allerdings durch weitere Modelle ergänzt

• Gleitzeitarbeit: Gleitzeitarbeit ist in den meisten Fällen eine Ergänzung zur starren ein-schichtigen Arbeit. Gleitzeit bedeutet, dass Beginn und Ende der täglichen Arbeit nicht fix vorgegeben sind. Vielmehr haben Arbeitnehmer in gewissem Maße die Möglich-keit, die Arbeitszeit selbst einzuteilen. Unterschieden wird dabei in der Regel zwischen Kernzeiten, die den Großteil der täglichen Arbeitszeit ausmachen und in denen An-wesenheitspflicht herrscht, und den Gleitzeitspannen. Die gesamte Wochenarbeitszeit bleibt im Vergleich zum starren und einschichtigen Modell gleich.

• Schichtarbeit: Verschiedene Beschäftigungszweige erfordern fortlaufenden Betrieb rund um die Uhr. Beispiele sind das Gesundheitswesen (bspw. Pflege und Versorgung von Patienten in Krankenhäusern) oder die verarbeitende Industrie (bspw. Fertigungs-straßen in der Automobilindustrie). Hier ist es die betriebliche Herausforderung, die Besetzung der notwendigen Arbeitsplätze 24 h am Tag zu garantieren. Hier setzt die Schichtarbeit an. Üblicherweise wird die Arbeitszeit in mehrere gleichlange Schichten aufgeteilt (bspw. à 3 Stunden), so dass die individuelle Arbeitszeit in diesem Arbeits-zeitmodell der der vorherigen Modelle weitestgehend entspricht.

• Wochenendarbeit: Eng gekoppelt an die Schichtarbeit ist die Wochenendarbeit. Da bspw. der Service in Krankhäusern auch an Wochenenden aufrecht gehalten werden muss, wird das Personal auch für Samstage und Sonntage eingeteilt. Diese Mehrbelas-tung der Arbeitnehmer wird durch entsprechende Freistellung an anderen Tagen kom-pensiert, so dass auch hier eine vertraglich oder tariflich verankerte Regelarbeitszeit nicht überschritten wird.

• Teilzeitarbeit: Man spricht dann von Teilzeitarbeit, wenn weniger als die eigentliche Vollzeit gearbeitet wird. D. h. Teilzeit kann in den verschiedensten Formen praktiziert werden. Gängige Formen sind die sogenannten ‚halben‘ oder ‚Halbtagsstellen‘ die auf 50 % der Vollzeitarbeit ausgerichtet sind. Darüber hinaus sind jedoch jegliche Beschäf-tigungsverhältnisse zwischen einem und 99 % der Vollarbeitszeit als Teilzeitstellen zu verstehen.

Aktuelle Trends der ArbeitszeitgestaltungOhne Zweifel überwiegen die zuvor dargestellten Arbeitszeitmodelle auch noch heute (und zukünftig) in der betrieblichen Praxis. Nichtsdestotrotz sollen in der Folge drei wei-tere Modelle vorgestellt werden, die die Arbeitszeitgestaltung zunehmend prägen (Seifert 2005): Home Office, Kurzarbeit und Sabbaticals.

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818.3 Arbeitszeitmodelle

• Home Office: Home Office, zu Deutsch Heimarbeit, beschreibt ein Arbeitsmodell, bei dem Arbeitnehmer Teile Ihrer Arbeit von zu Hause erledigen können. Arbeitszeit ist so nicht mehr ausschließlich an den faktischen Arbeitsplatz gebunden. Insbesondere mit der fortschreitenden technischen Entwicklung im Bereich des elektronischen Arbeits-platzes und der Möglichkeiten des Internets, hat sich der Einsatz von Home Office Arbeit vervielfältigt. In vielen Anwendungsbereichen stellt das Home Office allerdings nur eine Ergänzung zur klassischen Büroarbeit vor Ort dar.

• Kurzarbeit: Ähnlich wie die Wochenend- und Schichtarbeit ist auch die Kurzarbeit betriebsbedingt. Sie beschreibt eine vorübergehende Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit mit einhergehender Gehaltskürzung. Sie bietet sich gerade in Phasen kon-junktureller Schwächen als Alternative zu betriebsbedingten Kündigungen an.

• Sabbaticals: Ein Sabbatical beschreibt ein Arbeitszeitmodell, bei dem der Arbeitneh-mer durch Lohnverzicht oder Aufbau von Überstunden Anspruch auf Freizeit erwirbt. In einem möglichen Szenario arbeitet ein Arbeitnehmer drei Jahre voll, bekommt in dieser Zeit aber nur 75 % des eigentlichen Gehalts ausgezahlt. Im vierten Jahr nimmt die Person ihr Sabbatical, d. h. sie arbeitet nicht, erhält dennoch weiterhin 75 % des vol-len Gehalts. Sabbaticals gibt es in sehr unterschiedlichen Formen und sie haben ihren Ursprung in den USA. In Deutschland findet man sie insbesondere an Universitäten (hier in der Form von Forschungssemestern von Professoren, in denen sie von Lehrver-pflichtungen befreit sind) aber zunehmend auch in anderen Bereichen, wie bspw. bei Lehrern in Schulen.

8.3.3 Empirische Befunde

Auch im Bereich der Arbeitszeitmodelle gibt es empirische Forschung, die die Vor- und Nachteile der einzelnen Modelle untersuchen. So untersuchten bspw. Hill et al. (2003) die Nutzung unterschiedlicher Arbeitszeitmodelle und -formen hinsichtlich ihres Einflusses auf arbeitsrelevante Kriterien (bspw. Leistung, Motivation, Zufriedenheit) sowie Fami-lienvereinbarkeit (bspw. Work Life Balance). Sie zeigten, dass klassische einschichtige Büroarbeitszeit negativ verbunden ist mit beiden Kriterien, während die Nutzung des Home Offices sowohl die Arbeitsmotivation als auch die Familienvereinbarkeit fördert. In einer anderen Studie untersuchte Gaziel (1995) die Effekte von Sabbaticals bei Lehrern. Es konnte gezeigt werden, dass eine Inanspruchnahme zu gestiegener Identifikation, ver-ringertem Stress-Risiko und verringerten Kündigungsabsichten führt.

8.3.4 Umsetzung in der Praxis

Bereits im Zuge der Schilderungen zu den einzelnen Arbeitszeitmodellen wurden prakti-sche Anwendungsfälle wiederholt am Rande thematisiert. So findet man Schicht- und Wo-chenendarbeit insbesondere in der Industrie und dem Gesundheitswesen. Gleitzeitmodelle

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82 8 Entlohnung und Arbeitszeitmodelle

gibt es in vielen behördlichen Einrichtungen und Sabbatical-Regelungen gerade im Bil-dungskontext. In der Folge soll der Blick ausführlicher auf insbesondere zwei Praxisbei-spiele der Arbeitszeitverkürzung bzw. Kurzzeitarbeit gerichtet werden.

Eines der bekanntesten Beispiele der Arbeitszeitverkürzung in Deutschland war die Einführung der Vier-Tage-Woche bei Volkswagen Anfang der 1990er. Aufgrund einer glo-balen Rezession stand Volkswagen 1993 vor der Herausforderung, umfangreiche Spar- und Umstrukturierungsmaßnahmen durchzuführen. Dabei wählte man allerdings nicht den konventionellen Weg des Personalabbaus. Vielmehr wurde in Zusammenarbeit von Konzernleitung und Gewerkschaften ein differenziertes Modell einer unternehmenswei-ten Flexibilisierung und Reduzierung der Arbeitszeit installiert, das als die Vier-Tage-Wo-che bekannt werden sollte (Haase und Kuhn 1995). So wurde bspw. die wöchentliche Ar-beitszeit von vormals 36 auf 28,8 h ohne entsprechenden Lohnausgleich reduziert. Weitere Maßnahmen beinhalteten die Flexibilisierung der Arbeit (bspw. Versetzungen in andere Werke), Unterbrechung der Beschäftigung zur Weiterqualifizierung oder der stufenweise Eintritt in bzw. Austritt aus dem Arbeitsleben. Mit diesen Maßnahmen gelang es dem VW Konzern, die wirtschaftliche Krise mit sozialverträglichen Maßnahmen zu überstehen (Schenk und Gabriel 2003). Ein ähnliches, aber deutlich breiter angelegtes Bild zeichnete sich in Deutschland ab Herbst 2008. Die globale Finanzkrise drückte zunehmend auch auf die Realwirtschaft. In vielen Unternehmen fielen die notwendigen Aufträge weg. Ein in dieser Zeit flächendeckend eingesetztes Instrument war die Kurzarbeit. Auch hier konnte durch eine vorübergehende Reduzierung und Flexibilisierung der wöchentlichen Arbeits-zeit von Massenentlassungen abgesehen werden (Bornewasser 2013).

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85

Personeneigenschaften

Claudia Krüger, Sandra Flasche und Jens Rowold

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_9

9

9.1 Einführung

In der beruflichen Praxis fällt immer wieder auf, dass verschiedene Mitarbeiter – ob-wohl sie über die gleiche Ausbildung bzw. die gleichen Bildungsabschlüsse verfügen – unterschiedliches Verhalten zeigen und unterschiedlich gute Leistungen erbringen. Bei Versicherungsmaklern kann, zum Beispiel, die Leistung des am wenigsten produktiven Mitarbeiters zur Leistung des produktivsten Mitarbeiters im Verhältnis von 1:14 stehen (McCormick und Tiffin 1974).

Um die zukünftige Leistung eines potenziellen neuen Mitarbeiters schon bei seiner Be-werbung einschätzen zu können, beschäftigen sich Organisationen mit Fragen wie

• Welche individuellen Verhaltens- und Leistungsdispositionen sind für arbeitsbezogene Fragestellungen von Bedeutung?

• Worin unterscheiden sich Durchschnitts- und Spitzenkräfte voneinander?• Inwiefern können Arbeitsleistung, Motivation oder Arbeitszufriedenheit durch die in-

dividuellen Merkmale von Personen erklärt werden? Und: Sind diese Merkmale aus-reichend stabil, sodass Vorhersagen über künftiges Verhalten möglich sind?

Es handelt sich um ein Phänomen der menschlichen Wahrnehmung, das Verhalten einer anderen Person unbewusst auf deren stabile Merkmale zurückzuführen, um die Umwelt als vorhersagbar zu erleben. Auch wenn dabei der Einfluss der jeweiligen Situation häufig unterschätzt wird (fundamentaler Attributionsfehler, siehe z. B. Hannover und Kühnen 2002; Ross et al. 1977), haben sich Personenmerkmale in den letzten Jahrzehnten als rele-vante Einflussgröße des beruflichen Erfolgs erwiesen. Inzwischen wird von einer interak-tionistischen Perspektive ausgegangen, die beide Einflussfaktoren (Situation und Person) in ihrer Relevanz für das Verhalten einer Person berücksichtigt.

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86 9 Personeneigenschaften

9.2 Begriffsverständnis

Dispositionen sind „angeborene und/oder erworbene Verhaltens-, Einstellungs- und Leis-tungsbereitschaften, die relativ stabile und konsistente psychische Merkmale darstellen“ (Schaper 2007, S. 219). Das heißt, nur diejenigen psychologischen Merkmale können zur Verhaltensvorhersage herangezogen werden, die die folgenden drei Eigenschaften auf-weisen:

− Stabilität: Die Personenmerkmale eines Individuums sind zu verschiedenen Zeitpunk-ten bzw. über längere Entwicklungsperioden hinweg stabil (z. B. Roberts und DelVec-chio 2000) für die Big Five-Faktoren der Persönlichkeit (vgl. Kap. 9.3.2).

− Konsistenz: Personenmerkmale bewirken, dass sich eine Person in unterschiedlichen Situationen ähnlich oder gleichartig verhält (z. B. agiert sie in Gegenwart fast aller Menschen, die ihr begegnen, arrogant).

− Variabilität: Personen unterscheiden sich in den Ausprägungen ihrer Personenmerkma-le und diese interindividuellen Unterschiede führen zu unterschiedlichem Verhalten.

Nur wenn die persönlichen Dispositionen eines Menschen über die Zeit hinweg stabil sind, das Verhalten in verschiedenen Situationen konsistent beeinflussen sowie in einer großen interindividuellen Bandbreite auftreten, können sie sinnvoller Weise als Kriterien zur Verhaltensvorhersage herangezogen werden.

Das tatsächlich von einer Person gezeigte Verhalten hängt von drei Einflussgrößen ab. Erstens muss ein Individuum – um sich überhaupt in einer bestimmten Weise verhalten zu können – über die dafür notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie das dazu nötige Wissen ( Können) verfügen. Zweitens muss die Person die besagte Verhaltensweise auch zeigen wollen, d. h. es müssen passende Verhaltensmotive, Persönlichkeitseigenschaf-ten und Werte angesprochen werden bzw. vorhanden sein, die die Handlungsbereitschaft ( Wollen) einer Person aktivieren. Drittens müssen die äußeren Rahmenbedingungen, wie z. B. die aktuelle Situation, die einer Person zugeteilten Befugnisse oder technische Gege-benheiten, das Zeigen der besagten Verhaltensweise ermöglichen bzw. erlauben ( Dürfen). Nur wenn alle drei Bedingungen vorliegen, kommt es zu einem bestimmten Verhalten. Es besteht also eine multiplikative Verknüpfung zwischen Können (K), Wollen (W) und Dürfen (D) (vgl. z. B. Bullinger et al. 2009):

Ist folglich eine der Einflussgrößen nicht gegeben bzw. gleich Null (z. B. wenn ein Mit-arbeiter eine Aufgabe erfüllen will und dazu auch die benötigten Fähigkeiten besitzt, ihn aber technische Schwierigkeiten an der Aufgabenausführung hindern), wird auch das an-gestrebte Verhalten nicht gezeigt.

Verhalten K W D= × ×

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879.3 Modelle

9.3 Modelle

9.3.1 Intelligenz

Nicht nur für den privaten Alltag sondern auch für das Arbeitsleben eines jeden Indivi-duums hat die Intelligenz eine zentrale Bedeutung. Sie bestimmt, ob ein Mitarbeiter eine zugewiesene Aufgabe erfolgreich bewältigen kann und ist der stärkste Prädiktor für den Lernerfolg, den Wissenserwerb und den allgemeinen Berufserfolg (vgl. Ones et al. 2010).

Trotz der großen Bedeutung dieses Konstrukts für die Forschung und die betriebliche Praxis wurde lange diskutiert, was genau unter der Intelligenz eines Menschen zu verste-hen sei. Schließlich wurde von 52 internationalen Experten die folgende sehr breitgefasste Definition formuliert, die auf die Bedeutsamkeit von Intelligenz in nahezu allen Lebens-bereichen verweist (Gottfredson 1997, S. 13):

Ebenfalls kontrovers diskutiert wurde die Frage, ob Intelligenz ein eindimensionales Konstrukt ist oder mehrere voneinander abgrenzbare Fähigkeiten umfasst. Im Folgenden werden verschiedene Ansätze zur Strukturierung abgrenzbarer kognitiver Fähigkeitsbe-reiche vorgestellt.

Im Jahre 1904 gelang es Spearman (1904), den sogenannten g-Faktor der Intelligenz ( general intelligence factor) aus den Korrelationen unterschiedlicher Intelligenz-Maße zu extrahieren. Aktuelle Befunde bestätigen, dass der g-Faktor ca. 50 % der Varianz in den Ergebnissen von Fertigkeits- und Intelligenztests erklären kann (Lubinski 2004). In der Zwischenzeit wurde die strukturelle Zusammensetzung von Intelligenz fortwährend untersucht. Im Jahre 1993 stellte Carroll sein Three-Stratum-Modell (Carroll 1993) vor, das die kognitiven Fähigkeiten von Menschen in einer Hierarchie anordnete und die ge-nerelle Befähigung eines Individuums – über Kategorien der breiteren und spezifischeren Fähigkeiten – an die Spitze dieser Hierarchie stellte. Neben diesen Inhaltsbereichen wird in den meisten Intelligenzmodellen außerdem zwischen der verbalen/linguistischen, der quantitativen/numerischen und der räumlichen/mechanischen Intelligenz unterschieden.

So bedient sich auch das Berliner Intelligenzstrukturmodell (BIS; Jäger et al. 1997) dieser strukturellen Unterteilung von Intelligenz. Das BIS gliedert die allgemeine Intel-ligenz anhand von Operationen und Inhalten. Bei den Operationen werden die Bereiche Bearbeitungsgeschwindigkeit, Merkfähigkeit, Einfallsreichtum und Verarbeitungskapazi-tät unterschieden, während bei den Inhalten zwischen figural-bildhaften, verbalen und numerischen Inhalten differenziert wird. Jede Intelligenzleistung kann demnach als eine

Intelligenz ist eine sehr allgemeine psychische Kompetenz, die u. a. die Fähigkeit umfasst zu schlussfolgern, zu planen, Probleme zu lösen, abstrakt zu denken, kom-plexe Ideen zu verstehen, schnell zu lernen und aus Erfahrung zu lernen.

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88 9 Personeneigenschaften

Kombination einer Operation und eines Inhalts angesehen und in eines der Kombinations-felder der in Abb. 9.1 dargestellten Raute eingeordnet werden.

Ein nach wie vor populäres Konzept, vor allem im Hinblick auf die altersabhängige In-telligenzentwicklung, ist die Unterscheidung zwischen fluider (gf) und kristalliner (gc) In-telligenz nach Cattell (1971). Unter der fluiden Intelligenz eines Menschen werden dabei seine grundlegenden, angeborenen Fähigkeiten des Verstandes und die damit verwandten, höheren mentalen Prozesse (z. B. Auffassungsgabe, Verarbeitungsgeschwindigkeit von Informationen) verstanden. Sie dient z. B. dem logischen Denken oder der Lösung von Problemen. Mit dem Begriff der kristallinen Intelligenz wird das Ausmaß der Wissens-basis eines Menschen bezeichnet, die er sich im Laufe seines Lebens angeeignet hat (z. B. Vokabeln, geschichtliches Wissen, aber auch z. B. Verhaltensweisen).

Zur Messung von Intelligenz steht heute eine Vielzahl standardisierter Tests zur Verfü-gung (Beispiele vgl. Kap. 15). Charakteristisch für Intelligenztests ist, dass sie maximales Verhalten messen (Wozu ist ein Mensch – im Rahmen seiner Intelligenz – maximal fähig?) und den Intelligenzquotienten (IQ) als individuelles Maß der Intelligenz verwenden. Typi-sche Aufgaben in Intelligenztests sind z. B. das Finden von Analogien, die Fortführung von Zahlenreihen oder Matrizen. Bei der Messung des IQ wird davon ausgegangen, dass Intel-ligenz mit einem Mittelwert von 100 normalverteilt ist. Der IQ eines Menschen, der z. B. anhand der Ergebnisse eines Intelligenztestes berechnet wurde, muss folglich immer in Re-lation zum genormten Durchschnittswert der jeweiligen Population interpretiert werden.

Figural-bildhaft

Verbal

I N H A L T E

Numerisch

Bearbeitungs-geschwindigkeit

Merkfähigkeit

Einfallsreichtum

Verarbeitungs-kapazität

Allgemeine Intelligenz

O P E

R A

T I O

N E

N

Abb. 9.1 Das Berliner Intelli-genzstrukturmodell (BIS; nach Jäger et al. 1997)

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899.3 Modelle

9.3.2 Persönlichkeit

Neben der Intelligenz ist die Persönlichkeit eines Menschen ein Personenmerkmal, das sein Verhalten und seine Leistung entscheidend beeinflusst. Unter Persönlichkeitseigen-schaften, deren Kombination die Persönlichkeit (von lat. persona = Rolle, Charakter, Maske) eines Menschen ausmacht, versteht man „relativ breite und zeitlich stabile Dis-positionen zu bestimmten Verhaltensweisen, die konsistent in verschiedenen Situationen auftreten“ (vgl. Stemmler et al. 2011). Das aktuell in der internationalen Forschung am weitesten verbreitete und einflussreichste Persönlichkeitsmodell ist das Fünf-Faktoren-Modell (Goldberg 1993; Wiggins 1973).

Das Fünf-Faktoren-ModellDas Fünf-Faktoren-Modell (FFM) der Persönlichkeit beschreibt fünf sehr grundlegende und breit angelegte Persönlichkeitseigenschaften, die sogenannten fünf Faktoren oder auch „Big Five“. Die Entwicklung des FFM geht auf den lexikalischen Ansatz zurück, der davon ausgeht, dass sich alle relevanten Persönlichkeitsmerkmale in unserer Sprache wie-derfinden, und zwar in Form von Wörtern, die benutzt werden, um Personen zu beschrei-ben. Die immense Anzahl solcher Begriffe konnte mittels explorativer Faktoranalysen auf eine überschaubare Anzahl sog. Dimensionen reduziert werden. So haben sich schließlich fünf Faktoren als zentrale Dimensionen der Persönlichkeit herauskristallisiert: Neuroti-zismus, Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für Erfahrungen.

Die hohe Akzeptanz des FFM ist u. a. auf seine Robustheit gegenüber Erfassungs- und Analysemethoden und seine Unabhängigkeit von Sprache und Kultur zurückzuführen. In der heutigen Forschung wird das FFM vor allem dazu genutzt, um Einzelbefunde (z. B. zur Validität verschiedener Persönlichkeitsmaße) in Meta-Analysen zu strukturieren. Die Ergebnisse zeigen zum Beispiel, dass der Faktor Gewissenhaftigkeit in einem positiven Zusammenhang mit diversen Erfolgskriterien einer Vielzahl unterschiedlicher Berufe steht und dass insbesondere Extraversion förderlich für die erfolgreiche Bewältigung von Führungs- und Vertriebsaufgaben ist (Barrick und Mount 1991; Salgado 1997).

Kritisiert wurden die geringe Anzahl der Faktoren im FFM sowie deren inhaltliche Breite (Hough 1992), die sich darin zeigt, dass jeder der fünf globalen Faktoren mehrere engere Unterfacetten beinhaltet (siehe z. B. Nusbaum und Silvia 2011 zum Offenheits-Faktor ). Das Dilemma um die Wahl der „richtigen“ Abstraktionsebene zur Beschreibung und Messung von Persönlichkeitsmerkmalen wird als Bandbreiten-Fidelitätsdilemma be-zeichnet. Zur Vorhersage von Verhalten oder Berufserfolg sollten Prädiktor und vorher-zusagendes Kriterium auf gleicher Abstraktionsebene liegen, d. h. ähnlich homogen oder heterogen sein ( Bandbreiten-Ähnlichkeit, siehe z. B. Hogan und Roberts 1996). Für ein breites heterogenes Kriterium wie den allgemeinen Berufserfolg sind globale Persönlich-keitsfaktoren wie die Big Five daher angemessen, während zur Vorhersage spezifischer Verhaltensweisen engere Persönlichkeitsfacetten nützlicher sind.

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90 9 Personeneigenschaften

Tabelle 9.1 gibt einen Überblick über die verschiedenen Facetten der fünf Faktoren, charakterisierende Adjektive für geringe oder hohe Ausprägungen der jeweiligen Dimen-sion sowie je ein Beispielitem aus dem NEO-FFI, ein Persönlichkeitstest zur Erfassung der fünf Faktoren (Borkenau und Ostendorf 2008; Costa und McCrae 1992).

Das typische FFM-Profil einer Führungskraft zeigt eine hohe Ausprägung der drei Fak-toren Extraversion, Offenheit für Erfahrungen sowie Gewissenhaftigkeit, während Neu-rotizismus und Verträglichkeit eher niedrig ausgeprägt sind (Howard und Howard 2002).

PersönlichkeitsmessungUm die individuellen Ausprägungen der Persönlichkeitsdimensionen eines Menschen zu erfassen und auf diese Weise, zum Beispiel, seine Eignung für eine bestimmte Aufgabe bzw. seine Erfolgsaussichten in einem bestimmten Job einzuschätzen, können verschie-dene Erfassungsmethoden und Messinstrumente eingesetzt werden. Im Unterschied zur Intelligenzmessung, die das maximale Verhalten misst, wird bei der Messung von Persön-lichkeit das typische Verhalten einer Person ermittelt.

Tab. 9.1 Die Faktoren des Fünf-Faktoren-ModellsFaktor/Facetten Geringe Ausprägung Hohe Ausprägung Beispiel-ItemNeurotizismusÄngstlichkeit, Reiz-barkeit, Impulsivität

Selbstbewusst, belast-bar, stressresistent

Reizbar, besorgt, nervös

„Ich fühle mich oft angespannt und nervös“

ExtraversionGeselligkeit, Durch-setzungsfähigkeit, Aktivität

Zurückhaltend, in sich gekehrt, gern allein

Lebhaft, kontaktfreu-dig, gesprächig

„Ich bin ein fröhli-cher, gut gelaunter Mensch“

VerträglichkeitVertrauen, Freimü-tigkeit, Altruismus, Bescheidenheit

Durchsetzungsstark, selbstbezogen, wettbewerbsorientiert

Mitfühlend, koopera-tiv, altruistisch

„Ich versuche zu jedem, dem ich begegne, freundlich zu sein“

GewissenhaftigkeitOrdnungsliebe, Pflichtbewusstsein, Leistungsstreben

Nachlässig, unstruktu-riert, gleichgültig

Sorgfältig, diszipli-niert, zuverlässig

„Ich bin eine tüchtige Person, die ihre Arbeit immer erledigt“

Offenheit für ErfahrungenOffenheit für Phanta-sie/ Ästhetik/Gefühle/Handlungen/Ideen

Bodenständig, traditionsbewusst, bewahrend

Wissbegierig, kreativ, veränderungsbereit

„Ich habe oft Spaß daran, mit Theorien oder abstrakten Ideen zu spielen“

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919.3 Modelle

Die am häufigsten verwendete Methode ist die Selbstbeschreibung (self report) mittels Persönlichkeitsfragebögen mit standardisierten, Likert-skalierten Items. Die Antworten des Befragten auf die standardisierten Items werden als Indikator für die Ausprägungen der entsprechenden Persönlichkeitseigenschaften genutzt. Kreuzt ein Befragter beispiels-weise bei der Aussage „Ich bin ein fröhlicher, gut gelaunter Mensch“ (Borkenau und Os-tendorf 2008) auf einer Skala von 0 („Starke Ablehnung“) bis 4 („Starke Zustimmung“) eine 3 an, schätzt er sich damit als eher extravertiert ein. Alle Antworten auf Items, die zur selben Skala (z. B. Extraversion) gehören, werden anschließend zu einem Skalenwert aufsummiert und mit den Skalenwerten anderer Teilnehmer verglichen (Normierung). Verfahren der Selbstbeschreibung ermöglichen eine reliable Messung von Persönlich-keitsmerkmalen (Viswesvaran und Ones 2000) und die durch sie generierten Messwerte können als Prädiktoren erfolgsrelevanter Größen herangezogen werden (z. B. Ones et al. 2005).

Neben der Einschätzung durch die zu beurteilende Person selbst ist auch die Fremdbe-schreibung, d. h. die Einschätzung einer Person durch relevante Bezugspersonen, eine ver-breitete Vorgehensweise bei der Persönlichkeitsbeschreibung. Sie wird z. B. in 360 Grad-Feedback-Prozessen, bei denen es um die Erfassung des Führungsverhaltens eines Vor-gesetzten aus verschiedenen Perspektiven geht, eingesetzt. Die aus Fremdbeschreibungen resultierenden Persönlichkeitsausprägungen korrelieren nur mittel stark mit denjenigen der Selbstbeschreibung – stärker bei eher sichtbaren Merkmalen wie Extraversion, weni-ger z. B. bei Emotionaler Stabilität – und lassen so Raum für die inkrementelle Validität der Fremdbeschreibung über die Selbstbeschreibung hinaus, die inzwischen vielfach be-legt wurde (meta-analytisch zuletzt von Connelly und Ones 2010).

Das Interview, welches im Grunde auch eine Selbstbeschreibung darstellt, aber we-niger standardisiert ist als die Beantwortung eines Fragebogens, gilt als die mit Abstand am häufigsten eingesetzte Methode zur Persönlichkeitsdiagnose in der Personalauswahl (Huffcutt et al. 2001; vgl. Kap. 15, u. a. zur Validität von Interviews). Korrelationen mit standardisierter Selbstbeschreibung sind jedoch nur gering bis mittel hoch (.19 bis .49 für das FFM; Barrick et al. 2000).

Innerhalb von Assessment Centern (AC; vgl. Kap. 15), welche unter anderem der Ein-schätzung von Persönlichkeitseigenschaften der Teilnehmer dienen, werden zunehmend standardisierte Fragebögen eingesetzt. Ursprünglicher Kern von ACs waren Simulationen, in denen dem Teilnehmer eine Situation präsentiert wird, die eine Aufgabe enthält, die den positionsspezifischen Anforderungen des zu besetzenden Arbeitsplatzes entspricht.

9.3.3 Motive & Interessen

Auch die Motive und Interessen eines Menschen beeinflussen sein Handeln, sein Verhal-ten und seine Leistungsbereitschaft. Der Begriff der Motive soll an dieser Stelle nur kurz dargestellt werden. Zur ausführlichen Erläuterung von Motiven siehe Kap. 12.

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92 9 Personeneigenschaften

MotiveUnter Motiven sind die Wünsche eines Individuums in Bezug auf Zustände, die erreicht oder vermieden werden sollen, zu verstehen (Winter et al. 1998). Motive können somit mit dem Wollen aus der im Abschnitt zum Begriffsverständnis erläuterten Formel gleich-gesetzt werden. Dieser Formel zur Folge ist das Wollen, d. h. das Motiv, eine entscheiden-de Voraussetzung für eine erfolgreiche Leistungserbringung. Motive weisen inhaltliche Überlappungen mit Persönlichkeitskonstrukten auf und so werden durch die entsprechen-den Messverfahren oft sowohl individuelle Ausprägungen von Persönlichkeitsmerkmalen als auch Motive erfasst.

Motive, die für den beruflichen Lebensbereich von besonderer Relevanz sind, sind das Leistungs-, das Macht- und das Anschlussmotiv. Insbesondere das Leistungsmotiv (nach McClelland 1961) hat eine zentrale Rolle in der Motivforschung gespielt. Personen mit einem hohen Leistungsmotiv haben ein starkes Bedürfnis, Leistung zu erbringen und eigene Leistungen kontinuierlich zu verbessern, zeigen eine ausgeprägte Anstrengungs-bereitschaft und bevorzugen Situationen, in denen sie durch den Einsatz ihrer Fähigkeiten Erfolge erzielen können. Die Anforderungen des Manager-Berufs (z. B. Stress und Wett-bewerb) begünstigen den Erfolg leistungsmotivierter Personen. Menschen mit einem star-ken Leistungsmotiv werden von ihren Mitarbeitern jedoch nicht unbedingt als gute Füh-rungskräfte wahrgenommen, insbesondere dann nicht, wenn das Bestreben, selbst gute Leistungen zu zeigen, höher ist als das Motiv, die Leistungen anderer (z. B. der eigenen Mitarbeiter) zu fördern.

InteressenDie Interessen eines Menschen spielen vor allem in der Berufsberatung eine zentrale Rolle. Ihre Relevanz im Berufskontext ergibt sich aus der Überlegung, dass Menschen zufriedener und produktiver sind, wenn sie Tätigkeiten nachgehen, die ihren Interessen entsprechen. Interesseneinschätzungen werden in der Personalauswahl bislang deutlich seltener herangezogen als Intelligenz- und Persönlichkeitstests, obwohl sie inkrementelle Validität für verschiedene Berufserfolgskriterien über Intelligenz und bestimmte Persön-lichkeitseigenschaften mitbringen (Van Iddekinge et al. 2011).

Die am weitesten verbreitete Taxonomie im Hinblick auf Interessen ist die Typolo-gie von Holland (1997), die Interessen von Personen anhand von sechs Dimensionen be-schreibt (auch RIASEC-Modell nach der engl. Bezeichnungen der Dimensionen): rea-listisch (R), forschend (I), künstlerisch (A), sozial (S ), unternehmerisch (E) und tradi-tionell (C). Das Interessenmuster eines Menschen kann somit in Form eines Hexagons beschrieben werden. In analoger Weise können auch Tätigkeiten und Aufgaben, die an einem Arbeitsplatz zu verrichten sind, anhand dieser Dimensionen beschrieben werden. Durch einen gezielten Abgleich der Ausprägungen der Dimensionen kann die angestrebte Passung von Person und Tätigkeit sichergestellt werden.

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939.3 Modelle

9.3.4 Werte

Werte bezeichnen stabile und individuelle „Überzeugungen einer Person oder einer Grup-pe [darüber], was als wünschenswert [bzw. richtig oder falsch] erachtet wird“ (Weinert 2004, S. 169). Werte dienen dem Individuum als allgemeine Standards zur Bewertung von Dingen, Personen, Verhaltensweisen und Ereignissen (Farr und Tippins 2010) und haben somit Einfluss auf dessen Verhalten. Sie können sowohl explizit wahrgenommen werden und damit dem Menschen bewusst sein als auch latent bzw. unterbewusst bestehen. Oft kommen Werte abstrakten Zuständen gleich, wie z. B. Gerechtigkeit oder Toleranz, die von einer Person als bedeutsam verstanden werden und deren Sicherung oder Verwirkli-chung ihr deshalb am Herzen liegt (Schuler und Sonntag 2007). In Abgrenzung zu ande-ren Personenmerkmalen werden Werte als übergeordnete, eher abstrakte Ziele angesehen, denen sich der Mensch als Orientierungsmaßstab und -richtlinie für sein Leben bedient.

Die von einer Person vertretenen Werte werden individuell nach ihrer Wichtigkeit ge-ordnet, d. h. jeder Mensch verfügt über ein individuelles Wertesystem bzw. eine persön-liche Wertehierarchie. Diese beschreibt die Anordnung der individuellen Werte auf einem Kontinuum relativer Bedeutung (Rokeach 1973).

Schwartz (1990; 1992) formuliert in den 1990er Jahren eine Wertestruktur, das Circum-plex-Modell, anhand dessen die individuellen Gewichtungen und Prioritäten im Wertesys-tem eines Menschen beschrieben werden können. Das Modell umfasst zehn Wertetypen, die anhand von zwei übergeordneten Dimensionen strukturiert werden können, die jeweils zwei Gegenpole beinhalten: Offenheit für Wandel vs. Bewahrung des Bestehenden und Selbstüberwindung vs. Selbststärkung. Der Name des Modells leitet sich von seiner üb-lichen Darstellungsweise in der Form eines Kreises ab. Wie in Abb. 9.2 veranschaulicht, hängen die Werte, die in der Kreisstruktur nahe beieinander stehen, positiv miteinander zusammen, während die Werte, die sich direkt gegenüber stehen, negativ miteinander kor-relieren.

Jeder Wertetyp lässt sich anhand von einzelnen Werten, die ihm zugeordnet werden können, genauer beschreiben. So sind zum Beispiel soziale Macht, Reichtum, Anerken-nung, Autorität und Ansehen Beispiele für den Wertetyp Macht, während der Wertetyp Güte/Wohlwollen durch Werte wie Liebe, Freundschaft, Hilfsbereitschaft und Ehrlichkeit gekennzeichnet ist.

Neben der Strukturierung bzw. Kategorisierung der individuellen, persönlichen Werte liegt der Verdienst von Schwartz und Kollegen vor allem in der Erarbeitung von Werte-dimensionen auf kultureller Ebene. Nach Schwartz und Sagiv (1995) können Kulturen anhand von sieben kulturellen Dimensionen hinsichtlich ihrer Werte beschrieben und ver-glichen werden. Das Modell von Schwartz stellt daher die umfassendste Wertetypologie auf Individual- und Kulturebene dar (vgl. Farr und Tippins 2010).

Werte sind valide in der Vorhersage spezifischer Einstellungen, Wahrnehmungen, Ver-haltensweisen und Entscheidungen (Maio et al. 1996; Ravlin und Meglino 1987; Rokeach 1973).

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94 9 Personeneigenschaften

9.4 Empirische Befunde

9.4.1 Alters- und Geschlechtseffekte von Intelligenz und Persönlichkeit

Im Hinblick auf Intelligenz als allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit bestehen keine geschlechtsspezifischen Unterschiede (Ployhart und Holtz 2008). In einzelnen Subtests (z. B. Leseverstehen, mentale Rotation oder Lösen von mathematischen Problemen; siehe Hyde 2005) zeigten sich jedoch geschlechtsspezifische Unterschiede, die zur Benachteili-gung einer der Geschlechtergruppen in Auswahlsituationen führen können.

Die kognitive Leistungsfähigkeit nimmt mit dem Alter ab. Dies geschieht jedoch in unterschiedlich starkem Maße für die verschiedenen Facetten von Intelligenz: Während insbesondere die fluide Intelligenz und die Geschwindigkeit der kognitiven Verarbeitung im Alter i.d. R abnimmt (Salthouse 1996; Schaie 2005), bleiben wissens- und erfahrungs-basierte Aspekte der kognitiven Fähigkeiten wie die kristalline Intelligenz auch im Alter stabil oder können sogar zunehmen (Denney 1982).

Studien zeigen, dass die Geschlechtsunterschiede im Hinblick auf Persönlichkeits-merkmale im Vergleich zu den individuellen Variationen innerhalb der Geschlechter eher gering ausfallen (Costa Jr. et al. 2001). In Selbsteinschätzungen schreiben sich Frauen eine höhere Ausprägung in Neurotizismus, Verträglichkeit, Wärme und Offenheit für Gefühle zu, während Männer höhere Werte in Durchsetzungsvermögen und Offenheit für Ideen aufweisen (Costa Jr. et al. 2001).

Abb. 9.2 Die 10 Wertetypen des Circumplex-Modells (nach Schwartz 1992; Schwartz und Bilsky 1990)

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959.5 Umsetzung in der Praxis

Die grundlegenden Persönlichkeitseigenschaften eines Menschen bleiben ab dem 20. Lebensjahr relativ stabil (McCrae und Costa Jr. 2003).

9.4.2 Erfolgsrelevanz von Intelligenz und Persönlichkeit

Die Clusterbildung psychologischer Merkmale und deren meta-analytische Auswertung (vgl. Kap. 9.3.2) hat es ermöglicht, über Einzelstudien hinaus generalisierbare Ergebnisse zur Validität von Intelligenz und Persönlichkeit zu ermitteln. So konnte gezeigt werden, dass Intelligenz den Hauptprädiktor für Berufserfolg bildet mit einer durchschnittlichen Validität von r = .51 (vgl. Schmidt und Hunter 1998 sowie Kap. 15). Da Persönlichkeits-merkmale mit der kognitiven Leistungsfähigkeit weitgehend unkorreliert sind, können valide Persönlichkeitsmerkmale wie Gewissenhaftigkeit oder Emotionale Stabilität in-krementelle Anteile zur Vorhersage des Berufserfolgs über Intelligenz hinaus beisteuern (inkrementelle Validität).

Weiterhin konnte gezeigt werden, dass differenzielle Zusammenhänge zwischen den einzelnen Faktoren des FFM und einzelnen Erfolgskriterien bestehen sowie dass unter-schiedliche Validitäten in verschiedenen Berufsgruppen vorliegen. Gewissenhaftigkeit wurde als vielversprechender Prädiktor für den allgemeinen Berufserfolg identifiziert (.23), da diese Eigenschaft über alle Berufsgruppen hinweg positiv mit den Erfolgskri-terien korreliert (Barrick und Mount 1991). Positive Korrelationen von Extraversion und Offenheit für Erfahrungen mit dem Berufserfolg sowie eine negative Korrelation von Neurotizismus mit Berufserfolg konnten von Judge et al. (2002) nachgewiesen werden, während kein Zusammenhang zwischen Verträglichkeit und Berufserfolg ermittelt werden konnte. Als förderlich für einen möglichst großen Trainingserfolg stellten sich insbeson-dere Extraversion (.26) und Offenheit für Erfahrungen (.25) heraus (Barrick und Mount 1991). In der Berufsgruppe der Manager zeigten sich positive Zusammenhänge zwischen Gewissenhaftigkeit (.22) sowie Extraversion (.18) mit allen untersuchten Berufserfolgs-kriterien (Barrick und Mount 1991).

9.5 Umsetzung in der Praxis

Aufgrund der Stabilität der hier vorgestellten Personenmerkmale werden sie vor allem im Kontext der Personalauswahl genutzt, um die Passung von Person und Position zu optimieren. Die Eignungsuntersuchung von Personen im Hinblick auf künftige Anforde-rungen wird als Potenzialanalyse bezeichnet. Um z. B. das Potenzial von erfolgreichen Fachkräften im Hinblick auf Führungspositionen zu untersuchen, werden von Unterneh-men sogenannte Development Center durchgeführt. Diese umfassen verschiedene Metho-den wie Assessment Center-Übungen, Interviews, Fragebögen und Tests zur Erfassung der individuellen Ausprägung stabiler Leistungs- und Verhaltensdispositionen wie Intel-ligenz, Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Leistungsmotivation, Einfühlungsvermögen,

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96 9 Personeneigenschaften

Durchsetzungsstärke und Belastbarkeit. Das Potenzial einer Person ergibt sich aus dem Zusammenspiel dieser beruflichen Eignungsvoraussetzungen und kann z. B. in einem in-dividuellen Gutachten festgehalten werden.

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99

Arbeitsrelevante Einstellungen

Carolin Abrell, Jens Rowold und Sandra Flasche

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_10

10

10.1 Einführung

Einstellungen von Individuen spielen für das Human Resource Management eine ent-scheidende Rolle. Wie zufrieden sind die Mitarbeiter einer Organisation? Wie stark fühlen sie sich an die Organisation gebunden? Da arbeitsrelevante Einstellungen eng mit indivi-dueller Arbeitsleistung zusammenhängen, sind diese Fragen von hoher Relevanz für jede Organisation, deren Augenmerk auf dem Human Capital liegt. Die Aufgabe des Human Resource Managements besteht darin, arbeitsrelevante Einstellungen zu messen (z. B. durch Mitarbeiterbefragungen) und Maßnahmen zur Erhaltung sowie Verbesserung positi-ver Einstellungen gegenüber der Organisation umzusetzen (z. B. durch die Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsbedingungen, gerechter Lohnsysteme oder die Schulung von Führungskräften).

10.2 Begriffsverständnis

Nach Eagly und Chaiken ist eine Einstellung „…eine psychologische Tendenz, die dadurch zum Ausdruck gebracht wird, dass eine bestimmte Entität [Person, Objekt, Aktivität] mit einem bestimmten Ausmaß an Zustimmung oder Ablehnung bewertet wird“ (1993, S. 1). Einstellungen sind also immer Bewertungen, die subjektiver Natur sind, also z. B. die individuelle Bewertung des eigenen Arbeitsplatzes, der Führungskraft oder der Kollegen. Drei wichtige Eigenschaften sind Einstellungen zu eigen: Erstens sind sie zeitlich relativ stabil, können aber aktiv verändert werden. Zweitens liegen sie auf einem Kontinuum von sehr negativ bis sehr positiv. Drittens beziehen sie sich auf Personen, Objekte, Aktivitäten, gegenüber denen die Person irgendeine Art von Gefühlen oder Überzeugung hat.

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100 10 Arbeitsrelevante Einstellungen

Wie werden Einstellungen gebildet und wie können sie verändert werden? Die Einstellungen eines Menschen werden durch eine Vielzahl unterschiedlicher Einflüsse gebildet und verändert. Sowohl biologische Einflüsse als auch individuelle Erfahrungen wurden als Bestimmungsfaktoren für die Einstellungen einer Person identifiziert (Stroebe, Jonas & Hewstone 2003). So tragen z. B. der individuelle Geschmack und die Vorlie-ben sowie die Persönlichkeit eines Menschen zur Einstellungsbildung bei. Außerdem können Einstellungen als Reaktion auf Argumente oder andere Informationen bezüglich des Einstellungsobjektes entstehen und verändert werden. Möchte eine Person, z. B. zu einer bestimmten Gruppe der Gesellschaft gezählt werden, nimmt sie dazu häufig deren Einstellungen und Ansichten an (Funktion der sozialen Identität). Die Übernahme von Einstellungen relevanter Bezugspersonen (Modelllernen), die kognitive Annahme von Einstellungen durch inhaltliche Argumente (persuasive Kommunikation) und die Bildung von Einstellungen durch eigene, emotionale Erfahrungen mit dem Einstellungsobjekt (Konditionierung) sind weitere, wichtige Prozesse in der Einstellungsbildung und -ver-änderung. Ebenso können Änderungen des eigenen Verhaltens zu Einstellungsänderungen führen.

Wie ist der Zusammenhang zwischen Einstellung und Verhalten? Wie sich aus der dreidimensionalen Definition der Komponenten von Einstellungen bereits erkennen lässt, weisen die Einstellungen einer Person einen Zusammenhang mit deren Verhalten oder Verhaltensabsicht gegenüber dem Einstellungsobjekt auf. Einstellungen gelten dabei als Prädiktor für zukünftiges Verhalten, können also herangezogen werden, wenn das Ver-halten einer Person vorhergesagt oder abgeschätzt werden soll. Ist das Verhalten jedoch einzig und allein von Einstellungen abhängig? Eine Möglichkeit, diesen Zusammenhang zu beschreiben, liefert die Theorie des geplanten Verhaltens von Ajzen (2005). Diese geht davon aus, dass die Intention einer Person, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, der wich-tigste Bestimmungsfaktor für jene besagte Handlung ist. Ajzen stellt daher die folgenden drei Faktoren in den Fokus, die als Determinanten für die Bildung einer bestimmten Ver-haltensintention eines Menschen identifiziert werden:

1. Einstellungen gegenüber dem Verhalten: Wie beurteilt eine Person selbst die Ausfüh-rung eines bestimmten Verhaltens? Ist sie diesem Verhalten gegenüber positiv oder negativ eingestellt?

2. Subjektive Norm: In wie weit nimmt eine Person sozialen Druck wahr, ein bestimm-tes Verhalten zu zeigen oder nicht zu zeigen? Was halten wichtige und nahestehende Bezugspersonen der Person von diesem Verhalten?

3. Wahrgenommene Verhaltenskontrolle: Wie beurteilt eine Person ihre Selbstwirksam-keit bezüglich des Verhaltens bzw. ihre Fähigkeit und Möglichkeit, das besagt Ver-halten zeigen zu können? Wird die Ausführung des geplanten Verhaltens einfach oder schwer?

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10110.4 Wichtige arbeitsrelevante Einstellungen

10.3 Funktionen von Einstellungen

Nach Stroebe, Jonas und Hewstone (2003) erfüllen Einstellungen die folgenden drei Funktionen:

Wissensfunktion Die Wissensfunktion wird von den meisten Einstellungen ausgeübt. In dieser grundlegendsten Aufgabe helfen Einstellungen uns dabei, die Informationsverar-beitung zu steuern und zu organisieren, indem sie die Beurteilung von Gegenständen, Personen und Ereignissen festsetzen. So vereinfachen Einstellungen unsere Umwelt, z. B. dadurch, dass wir nicht mehr jedes Mal von Neuem überlegen müssen, wie wir uns verhal-ten, wenn wir mit einem bestimmten Gegenstand oder einer bestimmten Person konfron-tiert werden. Wenn ich beispielsweise einen Politiker grundsätzlich ablehne (Einstellung), muss ich mir nicht noch weitere Informationen über sein Wahlprogramm besorgen. Meine Meinung über ihn steht fest.

Instrumentelle Funktion Diese Funktion von Einstellungen hilft dabei, das Verhalten so zu steuern, dass Belohnungen maximiert und Bestrafungen minimiert werden, also positive Ergebnisse erreicht und negative Folgen vermieden werden. Demzufolge sind Menschen Gegenständen oder Personen gegenüber eher zustimmend oder ablehnend ein-gestellt – je nachdem mit welchen Konsequenzen jene verbunden sind. Beispielsweise beginne ich mich für Fußball zu interessieren und Spiele zu verfolgen (Einstellung), da ich so die Zustimmung meines Freundeskreises bekomme, mehr mitreden kann und stärker integriert werde.

Funktion der sozialen Identität Hiermit wird die Funktion einer Einstellung beschrie-ben, die Wertvorstellungen einer Person auszudrücken und die Identifikation mit einer bestimmten Bezugsgruppe zu begründen. Einstellungen dienen dazu, den Werten und der Persönlichkeit eines Menschen Ausdruck zu verleihen, was wiederum soziale Konsequen-zen zur Folge hat. Indem eine Person bestimmte Einstellungen bildet und sie nach außen hin zeigt, identifiziert sie sich mit bestimmten Bezugsgruppen. Indem ich beispielsweise die Einstellungen und Ansichten einer politischen Partei annehme und teile, identifiziere ich mich als Mitglied oder Anhänger dieser sozialen Gruppe.

10.4 Wichtige arbeitsrelevante Einstellungen

10.4.1 Arbeitszufriedenheit

Einer aktuellen Studie zur Folge ist die Arbeitszufriedenheit der Arbeitnehmer in Deutsch-land, vor allem in den alten Bundesländern, seit den letzten 25 Jahren deutlich gesunken (Bohulskyy et al. 2011). Während 1984 noch Durchschnittswerte von 7,6 Punkten (auf einer 11er Skala von 0 = „ganz und gar unzufrieden“ bis 10 = „ganz und gar zufrieden“) ge-

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102 10 Arbeitsrelevante Einstellungen

messen wurden, ist der Wert bis 2009 auf 6,8 Punkte abgefallen. Damit liegt Deutschland mittlerweile unter dem Durchschnittswert aller europäischen Länder.

Die Definition von Arbeitszufriedenheit (AZ) beinhaltet, wie Menschen über ihre Ar-beit und deren unterschiedliche Aspekte denken und fühlen (Spector 1997). Sie ist das Ausmaß, in dem Personen ihren Job positiv (Zufriedenheit) oder negativ bewerten (Unzu-friedenheit). Mitarbeiter, die eine hohe Ausprägung von AZ haben, haben positive Emp-findungen und Meinungen bezüglich ihres Jobs. AZ besteht aus mehreren Dimensionen bzw. setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen, so wie auch ein Job bezüglich diverser Facetten bewertet werden kann. Faktoranalytische Untersuchungen stellten fol-gende, typische Elemente heraus, mit denen Mitarbeiter zufrieden oder unzufrieden sein können: Be- und Entlohnung, Supervision bzw. Führungsstil, Organisation und Organisa-tionsleitung, Beförderungsmöglichkeiten, das Verhältnis zu Mitarbeitern und Kollegen, und die allgemeinen Arbeitsbedingungen (Spector 1997).

Relevanz von Arbeitszufriedenheit Die Tatsache, ob Mitarbeiter zufrieden oder unzu-frieden in ihrem Job sind, hat verschiedene, wichtige Konsequenzen für den Erfolg einer Organisation. Dabei hat AZ unterschiedlich starke Auswirkungen auf die einzelnen Verhal-tensweisen, Einstellungen und Arbeitsergebnisse von Mitarbeitern. Zum Beispiel werden Absentismus und Fluktuation von Mitarbeitern negativ von einer hohen AZ beeinflusst, Fluktuation mit r = − 0.40 (Mobley 1977) deutlich höher als Absentismus mit r = − 0.09 (Hackett und Guion 1985). Je zufriedener also ein Mitarbeiter mit seinem Job ist, desto weniger Fehlzeiten lassen sich bei ihm verzeichnen und desto unwahrscheinlicher wird er die Organisation verlassen wollen. Mittlere Zusammenhänge mit Korrelationen zwischen 0.31 und 0.54 (Hoffman et al. 2007; LePine et al. 2002) konnten auch zwischen AZ und dem Organizational Citizenship Behavior (freiwilliges, über den Vertrag hinausgehendes Arbeitsengagament, OCB) festgestellt werden. Ein zufriedener Mitarbeiter zeigt außer-dem weniger destruktives Verhalten ( r = − 0.28 bis − 0.51; Mitra, Jenkins und Gupta 1992) und eine tendenziell höhere Arbeitsleistung (r = 0.30; Judge et al. 2001). Der stärkste, posi-tive Zusammenhang mit r = 0.60 besteht zwischen AZ und der Verbundenheit zur Organi-sation, dem Organisationalen Commitment (Meyer et al. 2002).

Lawlers Modell der Determinanten der AZ Das Facet Satisfaction Modell von Edward E. Lawler (1973) beschreibt den Prozess, durch den Arbeitszufriedenheit oder –unzufrie-denheit entsteht (Abb. 10.1). Dabei kommt es nach Lawler auf die individuelle, subjektive Wahrnehmung eines Mitarbeiters an: Die Menge der Belohnungen (z. B. Gehalt, Anerken-nung, Weiterbildung), die er seiner Meinung nach erhalten sollte/müsste und als angemes-sen ansieht und erwartet (A), wird dabei der Menge der Belohnungen, die er tatsächlich erhält, gegenübergestellt (B). Die Auffassung oder Vorstellung darüber, welches Maß an Entlohnung er erhalten müsste, wird durch 1) die subjektiv wahrgenommene, persönliche Investition in die Arbeit (z. B. Arbeitsleistung, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Erfahrung, Alter), 2) spezielle Charakteristiken des Jobs (z. B. Schwierigkeitsgrad, übernommene

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10310.4 Wichtige arbeitsrelevante Einstellungen

Verantwortung) und 3) die wahrgenommenen Investitionen und Ergebnisse relevanter Bezugspersonen beeinflusst.

Die Wahrnehmung der tatsächlich erhaltenen Belohnung der Arbeit bestimmt sich, auf der einen Seite, durch das faktisch erhaltene Resultat oder erreichte Ergebnis, und, auf der anderen Seite, durch die wahrgenommenen Ergebnisse und Resultate von relevanten Bezugspersonen, oder Menschen, die in ähnlichen Berufen und Positionen arbeiten, mit denen sich der Mitarbeiter vergleicht. Werden schließlich A und B vom Mitarbeiter mit-einander verglichen, kommt es zu folgenden Konsequenzen:

• A = B Der Input-Output-Vergleich resultiert in einer wahrgenommenen Gleichheit.− Das Ergebnis ist Arbeitszufriedenheit.

• A > B Der Mitarbeiter empfindet, dass er weniger belohnt wird, als eigentlich ange-bracht wäre.− Dieses wahrgenommene Ungleichgewicht resultiert in einer Unzufriedenheit mit

der Arbeit.• A < B Schuldgefühle, Unbehagen und Ungleichheit entstehen, wenn ein Mitarbeiter

− Denkt, dass er mehr bekommt, als er verdienen sollte.

Weitere Einflussfaktoren auf die Arbeitszufriedenheit Wann und wo sind Arbeitneh-mer am zufriedensten mit ihrer Arbeit und durch welche Einflussfaktoren wird der Grad der AZ bestimmt? – Im Allgemeinen zeigt sich, dass Menschen in weißen, europäischen Kulturen, mit höherem Alter und akademischer Bildung, die einen angesehenen Beruf ausüben und dort ein hohes Einkommen haben, am zufriedensten mit ihrer Arbeit sind.

••

•••••••

Abb. 10.1 Lawlers Modell der Determinanten der Arbeitszufriedenheit. (Nach Lawler 1973)

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104 10 Arbeitsrelevante Einstellungen

Obwohl Frauen im Beruf oft z. B. bezüglich des Gehalts oder der Stellung benachteiligt sind, sind sie nicht weniger zufrieden mit ihrer Arbeit als Männer (Clark 1996). Ein Grund dafür könnte sein, dass die Erwartungen, die Frauen an ihre Arbeit stellen, generell nied-riger sind als die von Männern.

Weitere, spezifische Einflussgrößen auf die AZ eines Mitarbeiters (Spector 1997) sind die Aufgabencharakteristika (vgl. JCM Kap. X; r = 0.20 bis 0.34), die organisationalen Bedingungen, wie z. B. die Bezahlung ( r = 0.15, s. Judge et al. 2010), die Beziehung zu den Kollegen (r = 0.30), Rollenkonflikte ( r = − 0.20 bis − 0.40) und Konflikte zwischen der Arbeit und dem Familienleben ( r = − 0.40 für Männer und r = − 0.02 für Frauen).

10.4.2 Organisationales Commitment

Das Organisationale Commitment (OC) ist definiert als das Ausmaß, in dem ein Arbeit-nehmer sich mit einer bestimmten Organisation und ihren Zielen identifiziert und sich wünscht, auch in Zukunft ein Teil dieser Organisation zu sein (Blau und Boal 1987). Die-ser Zustand kann weiterhin dadurch charakterisiert werden, dass der Mitarbeiter einen starken Glauben an die Ziele und Werte der Organisation hat, sich verstärkt für die Orga-nisation einsetzen will, und sich wünscht, in der Organisation zu bleiben (Mowday et al. 1979).

Das 3-Komponenten-Modell des OC Es gibt drei verschiedene Komponenten der Ver-bundenheit mit der Organisation, die durch jeweils unterschiedliche Denkweisen über bzw. Einstellungen zur Organisation und zur Arbeit in ihr gekennzeichnet sind. Erstens wird beim emotionalen bzw. affektiven Commitment das Commitment hier als emotionale Verbundenheit mit der Organisation verstanden, die sich dadurch auszeichnet, dass sich der Mitarbeiter mit der Organisation identifiziert, sich für sie engagiert und ihm die Zuge-hörigkeit Freude bereitet (Meyer & Allen 1990). Folgende Indikatoren weisen auf ein emotionales Commitment des Mitarbeiters hin:Er glaubt sehr stark an die Werte und Ziele der Organisation, er ist bereit, sich für die Organisation anzustrengen und zu engagieren und er wünscht sich, weiterhin ein Teil der Organisation zu sein und bleibt in der Organi-sation, weil dies sein Wunsch und Wille ist (Meyer & Allen 1990).

Dem affektiven Commitment gegenüber ist das abwägende (continuance) Commitment („perceived costs“) gegenüberzustellen. Die Entstehung von Commitment kann auch da-durch begründet werden, dass ein Mitarbeiter die Kosten, die mit einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in der Organisation und eines damit verbunden Arbeitsplatz-wechsels entstehen, vermeiden will (Meyer & Allen 1990). Diese Art des Commitments entsteht also, wenn eine Fortführung der Beschäftigung für den Mitarbeiter einen höheren Nutzen oder Vorteil verglichen mit der Beendigung der Beschäftigung mit sich bringt, und/oder ein Verlassen der Organisation mit Kosten oder dem Wegfall von erworbenen Vergünstigungen (z. B. Betriebsrente, Gehaltszulage für spezifisches Wissen) verbunden ist. Abwägendes Commitment basiert folglich auf sehr rationalen, ökonomischen Überle-

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10510.4 Wichtige arbeitsrelevante Einstellungen

gungen und kann als Kosten-Nutzen-Analyse interpretiert werden: Ein Mitarbeiter bleibt in einer Organisation, weil es sich nach Abwägung der Kosten und des Nutzens im Ver-gleich zu einem Organisationswechsel für ihn lohnt und er ein Bleiben deshalb als not-wendig erachtet.

Die dritte Facette des Commitments ist das normative Commitment. Bei diesem An-satz geht es um eine Art des Commitments, die dadurch entsteht, weil der Mitarbeiter sich der Organisation gegenüber verpflichtet und verantwortlich fühlt (Meyer und Allen 1990). Commitment begründet sich hier aus der moralischen Verpflichtung heraus, sich so zu verhalten, wie es den Zielen und Werten der Organisation entspricht. Mitarbeiter, die normatives Commitment zeigen, handeln und verhalten sich in Übereinstimmung mit den Zielen und Werten der Organisation, weil sie glauben, dass dies richtig und erwartungs-konform ist. Sie bleiben in der Organisation, weil sie sich dazu verpflichtet fühlen.

Relevanz von OC Das organisationale Commitment eines Mitarbeiters beeinflusst meh-rere wichtige und organisational relevante Kriterien. Erstens beeinflusst es die Absicht eines Stellenwechsels: Allen drei Formen des OC ist die verstärkte Bindung bzw. Ver-bundenheit zwischen dem Mitarbeiter und der Organisation gemeinsam, die die Wahr-scheinlichkeit dafür senkt, dass der Mitarbeiter nach alternativen Arbeitsplätzen Ausschau hält und eine eventuelle Kündigung in Betracht zieht (Meyer und Allen 1990). So konnte z. B. ein negativer Zusammenhang von − 0.18 zwischen dem abwägenden Commitment und der Absicht eines Stellenwechsels festgestellt werden (Meyer et al. 2002). Ein starkes emotionales OC macht eine Kündigungsintention sogar noch unwahrscheinlicher (− 0.56).

Zweitens senkt das Commitment die Fehlzeiten. Zwischen einer hohen Ausprägung des affektiven Commitments und den Fehlzeiten eines Mitarbeiters konnte ein negativer Zusammenhang (− 0.15) nachgewiesen werden (Meyer et al. 2002). Je stärker sich ein Mitarbeiter also emotional mit der Organisation verbunden fühlt, desto geringer ist die Anzahl der Tage, an denen er fehlt bzw. krankfeiert. Drittens fördert das Commitment die Arbeitsleistung. So bewirken affektives (0.16) und normatives (0.06) Commitment eine gesteigerte Leistung auf Seiten des Mitarbeiters (Meyer et al. 2002).

Einflussfaktoren auf Organisationales Commitment Ob und wie stark sich ein Mit-arbeiter mit seiner Organisation verbunden fühlt, hängt von diversen Persönlichkeits-merkmalen, Umweltfaktoren und Merkmalen seiner Tätigkeit ab. Eine Meta-Analyse von Mathieu und Zajac (1990) ergab, dass das OC eines Arbeitnehmers höher ist, je länger der Mitarbeiter bereits in der Organisation ist (rt = 0.17), je vielfältiger die Aufgabenstellung ist (rt = 0.21), je weniger Rollenkonflikte erlebt werden (rt = − 0.27), je besser der Füh-rungsstil des Vorgesetzten ist (rt = 0.29 bis rt = 0.45, vgl. Kap. 17), je mehr Zusammenhalt es unter den Kollegen gibt (rt = 0.15), und je geringer der Stress ausfällt (rt = − 0.33).

EXKURS: Beispiel einer Maßnahme zur Stärkung des organisationalen Commit-ments In einer Studie von Peterson und Luthans (2006) konnte eine Stärkung des OC der Mitarbeiter durch die Integration nicht-finanzieller Anreize und Belohnungen seitens

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106 10 Arbeitsrelevante Einstellungen

des Vorgesetzten nachgewiesen werden. In 21 Burger King Restaurants wurde ein Teil der Manager trainiert, ihren Mitarbeitern regelmäßiges Feedback zur ihrer Leistung und positive, soziale Anerkennung zu geben (vgl. Kap. 17). Zu den ergriffenen Maßnahmen gehörte, u. a., dass die Manager einzelnen Mitarbeitern oder ganzen Abteilungen Lob für erwünsche Verhaltensweisen und Erfolge aussprachen, ihnen auf wöchentlicher Basis eine schriftliche Mitteilung darüber machten, wie die Abteilung sich bezüglich erwünschter Verhaltensweisen entwickelte, oder ein postergroßes, für jeden sichtbares Plakat über die Erfolge der einzelnen Mitarbeiter berichtete. Die Untersuchung kam schließlich zu dem Ergebnis, dass ein positiver Zusammenhang zwischen sozialer Anerkennung, Feedback und Lob der Führungskraft und dem OC der Mitarbeiter besteht. Die Restaurants, deren Manager soziale und öffentliche Anerkennung und Bestätigung aussprachen, verbesserten die Verbleibrate der Mitarbeiter um 13 % – mehr als die Restaurantes, in denen finanzielle Anreize eingesetzt wurden (Peterson und Luthans 2006).

10.4.3 Organizational Citizenship Behavior

Unter Organizational Citizenship Behavior (OCB) versteht man freiwilliges, selbstbe-stimmtes Verhalten von Mitarbeitern, das sich positiv auf die Funktionsfähigkeit der Orga-nisation auswirkt und im Rahmen des formalen Anreizsytems weder direkt noch indirekt berücksichtigt wird (Organ 1988). Nach Organ (1988) besteht OCB aus fünf Dimensio-nen: Altruismus (Hilfeleistungen für KollegInnen, KundInnen und Vorgesetzte), Gewis-senhaftigkeit (besonders sorgfältige Erfüllung der Aufgaben), arbeitsrelevante Höflichkeit (z. B. Handlungen, die die Arbeit von anderen betreffen oder beeinflussen, zuvor mit den betroffenen Kollegen absprechen), Sportsmanship (gelassenes Ertragen von Ärgernissen, die unweigerlich aus der Zusammenarbeit entstehen), und Bürgertugenden (Teilhabe am „öffentlichen Leben“ der Organisation). Podsakoff und MacKenzie (1997) konnten in einer Meta-Analyse bestätigen, dass OCB die Effektivität einer Organisation positiv be-einflusst. Die Dimension des Altruismus wurde dabei als besonders leistungserhöhend herausgestellt, während für z. B. Sportsmanship oder Bürgertugenden schwächere Zu-sammenhänge festgestellt wurden.

10.5 Exkurs: Der psychologische Vertrag

Die Mitarbeiterin einer Marketingabteilung sieht auf die Uhr – schon nach 19:00 Uhr, eigentlich Zeit nach Hause zu gehen. Morgen steht eine wichtige Präsentation an, sie ent-scheidet sich zu bleiben und der Präsentation noch den letzten Schliff zu geben. Diese oder ähnliche Situationen spielen sich ständig in Organisationen ab. Warum macht die Mitar-beiterin Überstunden, obwohl diese in ihrem Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich vorgese-hen sind? Und obwohl auch die Ziele, die in ihrer jährlichen Zielvereinbarung definiert sind, längst erfüllt sind?

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10710.5 Exkurs: Der psychologische Vertrag

Ursache dieses Verhaltens ist der sogenannte „psychologische Vertrag“ zwischen der Arbeitnehmerin und der Organisation. Dieser beinhaltet nach Schein (1970) wechselseiti-ge implizite Angebote und Erwartungen, die über den juristischen Arbeitsvertrag hinaus-gehen. Das heißt, der formale Arbeitsvertrag wird ergänzt oder sogar überlagert durch ein wechselseitiges Austauschverhältnis. Der Arbeitnehmer erbringt Leistungen, die über das geforderte Maß hinaus gehen (z. B. unbezahlte Überstunden), da er im Gegenzug von der Organisation beispielsweise Gestaltungsspielraum erhält und Verantwortung übertragen bekommt.

Der psychologische Vertrag wird meist nicht explizit formuliert; vielmehr basiert er auf mündlichen Äußerungen der Führungskraft oder Regeln, die sich über eine lange Zeit als Teil der Unternehmenskultur etabliert haben (die Grundsteine des psychologischen Vertrages, der ja aus wechselseitigen Erwartungen besteht, werden somit bereits im Vor-stellungsgespräch gelegt, denn hier werden gegenseitige Erwartungen geklärt). Psycholo-gische Verträge haben das Ziel, Verlässlichkeit zwischen Arbeitnehmer und Organisation herzustellen, Leistungsmaßstäbe zu klären und Unsicherheiten zu reduzieren.

Auf Seiten der Organisation sind es die mehr oder weniger vorhandenen impliziten Faktoren, die die arbeitsbezogenen Einstellungen, wie die Arbeitszufriedenheit und die emotionale Bindung des Mitarbeiters an das Unternehmen, beeinflussen (z. B. Arbeitsbe-dingungen, Autonomie, Karrierechancen, Feedback, Entwicklungsmöglichkeiten, Schutz vor Über- oder Unterforderung, Arbeitsplatzsicherheit, positives Führungsverhalten etc.), und die auf die eine Seite der Waagschale gelegt werden. Auf der anderen Seite erfüllen die Arbeitnehmer ihrerseits ihren „Vertrag“, indem sie loyal sind, dem Unternehmen treu bleiben, positiv über das Unternehmen reden oder eben gesteigerten Arbeitseinsatz zeigen.

Der psychologische Arbeitsvertrag ist dann intakt, wenn die Waage ausgeglichen ist, d. h. beide Seiten gleich stark investieren. Von beiden Seiten kann es zu einem Bruch des psychologischen Vertrages kommen; hierbei ist es von Seiten des Human Resour-ces Managements wichtig darauf zu achten, dass Veränderungen im Unternehmen von den Mitarbeitern nicht als ein solcher Bruch wahrgenommen werden. Ändert sich die (wahrgenommene) Investition des Unternehmens (z. B. Verringerung der Arbeitsplatzsi-cherheit aufgrund von Restrukturierungsmaßnahmen, Überforderung durch Einführung neuer Technologien), kommt es auf Seiten der Mitarbeiter ebenfalls zu einer Reduktion der Investition: der Einsatz wird zurückgefahren, die Loyalität sinkt und es kann zu inne-ren Kündigungen kommen (Kirpal und Biele Mefebue 2007).

Neben der grundsätzlichen Berücksichtigung der Faktoren, die positive arbeitsbezo-gene Einstellungen wie z. B. das Organizational Citizenship Behavior hervorrufen, ist es daher wichtig für Führungskräfte zu explizieren, welche Bestandteile der psychologische Vertrag jedes einzelnen Arbeitnehmers hat. Denn dieser kann – da er größtenteils impli-zite emotionale Faktoren enthält – für jeden Mitarbeiter anders aussehen. Um auf das Eingangsbeispiel zurückzukommen – sind es die Autonomie und Karrieremöglichkeiten, die die Marketingmitarbeiterin von ihrer Organisation erwartet, um weiterhin diesen Ein-satz zu zeigen? Oder legt sie Wert auf die Sicherheit ihres Jobs? Für die Entstehung und Aufrechterhaltung jedes psychologischen Vertrages ist es daher wichtig, in regelmäßigen

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108 10 Arbeitsrelevante Einstellungen

Abständen, zum Beispiel im Rahmen eines Mitarbeitergesprächs, über dessen Bestand-teile zu sprechen und (auf Seiten der Organisation) bei allen zur Verfügung gestellten Investitionen darauf zu achten, dass diese gerecht verteilt werden. Akteure des Human Re-source Managements können zudem durch Mitarbeiterbefragungen unternehmensweit In-formationen über die in diesem Kapitel vorgestellten Einstellungen erhalten, um wichtige Hinweise zum Ist-Stand des psychologischen Vertrages zu erhalten. Im Anschluss daran können ggf. Maßnahmen zur Verbesserung (z. B. Trainings für Führungskräfte zur Schu-lung der Mitarbeiterorientierung und -Unterstützung, vgl. oben) durchgeführt werden.

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111

Organizational Health und Work-Life-Balance

Susanna M. Krisor und Jens Rowold

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_11

11

11.1 Einführung

Mitarbeiter sind für ein Unternehmen die Voraussetzung für hohe Leistung und Unterneh-menserfolg. Die zunehmende Leistungsverdichtung und geringere Anzahl an Neueinstel-lungen führen dazu, dass zwar kurzfristig Personalkosten gesenkt werden, aber gleichzeitig immer mehr Arbeit auf immer weniger Arbeitnehmer verteilt wird. Dies führt langfristig zu einer enormen Dauerbelastung wichtiger Mitarbeiter, die schwer zu ersetzen sind.

Im Zuge des demografischen Wandels ist das Ziel für Arbeitgeber, möglichst leistungs-fähige Mitarbeiter auszuwählen, diese langfristig an das Unternehmen zu binden und die-se auch langfristig leistungsfähig – und damit gesund – zu erhalten. Werden Mitarbeiter krank, ist dies mit hohen Folgekosten (z. B. Arbeitsunfähigkeitskosten) für das Unter-nehmen und in der Regel Mehrarbeit für die Kollegen verbunden. Die meisten Arbeits-unfähigkeitstage gehen auf Muskel/Skelett-, Atemwegs- und psychische Erkrankungen zurück (Meyer et al. 2011). Ausfallzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen sind meis-tens andauernder (Böhm und Cordes 2010). Zudem sind Krankheitskosten vom Alter der Erwerbstätigen abhängig und werden durch das zunehmende Durchschnittsalter der Be-legschaft steigen (Böhm und Cordes 2010).

Obwohl ständige Restrukturierungen, Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und die Konkurrenz untereinander zunehmen, gibt es auch positive Eigenschaften und Erlebens-qualitäten, die mit der Arbeit einhergehen. Erwerbsarbeit hat also zwei Seiten („Janusge-sicht“) (Mohr und Rigotti 2009): Vorrangig nehmen viele Arbeitnehmer durch ihre Arbeit eine Belastung wahr, die Stress erzeugt. Nach Schuler (2007) hat die Erwerbsarbeit aber auch für die psychische Gesundheit wichtige psychosoziale Funktionen, deren Bedeut-samkeit gerade dann offensichtlich wird, wenn Menschen nicht arbeiten: 1) Aktivität und Kompetenz, 2) Zeitstrukturierung, 3) Kooperation und Kontakt, 4) Soziale Anerkennung und 5) Persönliche Identität.

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112 11 Organizational Health und Work-Life-Balance

11.2 Begriffsverständnis

Organisationale Gesundheit kann sich zum einen auf die organisationale Ebene beziehen und ein Unternehmen beschreiben, welches sich auf verändernde Rahmenbedingungen zeitnah einstellen kann und so als Organisation überlebensfähig und profitabel bleibt (vgl. Resilienz: Scharnhorst 2007; vgl. Merkmale einer gesunden Organisation: Comelli und von Rosenstiel 2003). Meistens bezieht sich organisationale Gesundheit allerdings auf die Gesundheit und Gesunderhaltung von Mitarbeitern. Ziel ist es, dass Menschen dafür sorgen, sich körperlich, psychisch und sozial wohlzufühlen und dadurch handlungs- und leistungsfähig sind und bleiben (vgl. Faltermaier 2009). Die wohl bekannteste aber auch umstrittenste Definition der WHO von 1946 lautet: „Gesundheit ist ein Zustand des voll-ständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ Was genau mit dem Gesundheitsbegriff gemeint ist, wird nach wie vor diskutiert (siehe Faltermaier 2009; Greiner 1998) und ist von verschiedenen Themenkomplexen geprägt (z. B. Positiver vs. Negativer Gesundheitsbegriff, Gesundheit als Zustand oder Prozess etc.). So ist zusätzlich zur Betrachtung von Gesundheit als ak-tueller Zustand, wie ihn die WHO beschrieb, Gesundheit als Prozess zu verstehen (Udris et al. 1994). D. h. Gesundheit ist nicht einfach, sondern ist in gewissem Maße, durch jeden Einzelnen selbst beeinflussbar. So unterscheiden sich Menschen in ihrem Gesundheitsver-halten und ihrer Gesundheitskompetenz (siehe Boneva et al. 1998; Deutscher Bundestag 2006; Graeff 1997). Nachdem sich die Gesundheitsexperten lange Zeit mit der Entstehung und Behandlung von Krankeiten beschäftigt haben, fragt man sich durch den Einfluss von Antonovsky (1979; 1997; Konzept der Salutogenese) inzwischen auch, wie Gesund-heit (in der weiteren Definition über die bloße Abwesenheit von Krankheit hinaus) ent-steht und gefördert werden kann. Antonovsky führte das Konzept des Kohärenzsinns ein, welches besagt, dass Menschen, die die Welt als verstehbar, handhabbar und bedeutsam erleben, eine bessere psychische Gesundheit haben. Inzwischen wurde dieses Konzept auf den Arbeitskontext übertragen (Lee et al. 2012). Es gibt insgesamt eine Vielzahl an positiven und negativen Einflussfaktoren der Arbeit auf die Gesundheit (eine Übersicht zeigt Tab. 11.1).

11.3 Modelle

Belastungs-Beanspruchungsmodell (vgl. Rohmert und Rutenfranz 1975)Arbeitswissenschaftlich wird differenziert nach allen von außen (exogene) auf den Men-schen einströmenden Einflüssen (Belastungen aus der Arbeitsaufgabe: z. B. hohe Anforde-rungen an die Informationsverarbeitungskapazität; Belastungen aus der Arbeitssituation: Lärm, Schadstoffe), die als Belastung bezeichnet werden. Es gibt quantifizierbare Belastungen wie z. B. Lautstärke sowie nicht-quantifizierbare Belastungen wie z. B. soziale Stressoren oder Verantwortung. Ausschlaggebend für die Auswirkungen auf das

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113

Quellen von Stres-soren & Ressourcen

Stressoren Ressourcen Beispiele im Arbeitskontext

Arbeitsaufgabe Quantitative Über- oder UnterforderungQualitative Über- oder UnterforderungEmotionsarbeit

Entscheidungs- & Handlungsspielräume, Kontrolle, AutonomieFeedback, Anforderungsvielfalt

Beispiel: Mitarbeiter, welche nicht mehr benötigt werden aber denen aufgrund rechtli-cher Gegebenheiten nicht gekündigt werden kann, werden sämtliche Auf-gaben und die Möglichkei-ten des sozialen Kontakts entzogen (z. B. durch Abschieben in Einzel-büros). Aus der Unter-forderung resultiert Stress, welcher bis zum Burnout führen kann

Physikalische Arbeitsumgebung

z.B. Lärm, Staub, Hitze, Schmutz etc.

Gesundheitsorientierte Gestaltung von Bild-schirmarbeitsplätzen, Ergonomisch einge-richtete Arbeitsplätze

Beispiel: Bei Standarbeits-plätzen in der Produktion sind Monitore häufig für kleinere Personen zu hoch angebracht, nicht verstell-bar oder angeordnet wie bei einem Sitzarbeitsplatz, während überwiegend im Stehen gearbeitet wird. Dies kann sowohl zu Belastungen des Nacken-Schulterbereichs als auch des Rückens führen

Zeitliche Arbeitsbedingungen

Schicht- und NachtarbeitArbeit auf AbrufLänge der Arbeitszeit

Flexible, lebens-phasenorientierte ArbeitszeitenAusreichende Regenerationsphasen

Beispiel: Bei Lebenspha-senorientierten Arbeitszei-ten wird Rücksicht auf die jeweilige Lebenssituation des Mitarbeiters genom-men, um Stress vorzu-beugen. Dies geschieht beispielsweise durch die Möglichkeit flexibler Arbeitszeiten bei Mit-arbeitern mit Kleinkindern oder pflegebedürftigen Familienangehörigen

(Fortsetzung)

Tab. 11.1 Überblick über potenzielle Stressoren und Ressourcen der Arbeit. (Modifiziert und erweitert nach Udris und Frese 1999 sowie Bauer und Jenny 2007)

11.3 Modelle

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114 11 Organizational Health und Work-Life-Balance

Individuum sind die Dauer und die Höhe der Belastung, der das Individuum ausgesetzt ist. Belastungen treten simultan oder sukzessiv auf (Ducki 2000). Beanspruchungen re-sultieren aus dem persönlichen Empfinden dieser Belastungen des einzelnen Individuums in Abhängigkeit von dessen Eigenschaften (z. B. negative Affektivität, siehe Eschenbeck 2009) und Ressourcen (z. B. körperlich, psychisch, sozial). D. h. es können sich durchaus zwei Beschäftigte in derselben Situation befinden, die der eine als sehr belastend und der

Quellen von Stres-soren & Ressourcen

Stressoren Ressourcen Beispiele im Arbeitskontext

Soziales Umfeld RollenkonflikteRollenambiguitätVerhalten von Vor-gesetzten/Kollegen, z. B. Führung oder Mobbing

Soziale UnterstützungAnerkennung & WertschätzungGesundheitsförderli-che FührungWork-Life-Balance/Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Beispiel: Rollenambigui-tät ist oft ein Auslöser für Stress und kann bis zum Burnout führen. An den Mitarbeiter werden hierbei widersprüchliche Erwartungen gestellt, so dass seine Rolle nicht klar definiert ist und von anderen so auch nicht klar wahrgenommen werden kann. Dies kann zum Bei-spiel bei Mittlern zwischen Führungs- und Mitarbei-terebene der Fall sein

Organisatorische Arbeitsbedingungen

Arbeitsunterbre-chungenRegulationsbehinde-rungen

Interne Teamre-geln (wie z. B. keine E-Mails nach 19.00Uhr verschicken, sondern Outlook timen)

Beispiel: ständiger Email-kontakt mit den Kolle-gen, bzw. „Flurfunk“ via Skype etc. während der Arbeitszeit führt zu Unter-brechungen und kann zu erhöhtem Stress und weni-ger effizienter Nutzung der Arbeitszeit führen

Berufsstatus und -karriere

Eintritt in das BerufslebenVeränderungenAntizipation von Arbeitslosigkeit und Arbeitsplatzunsi-cherheitKurzarbeit

Weiterbildungs- und KarrieremöglichkeitenBeschäftigungsfähig-keit

Beispiel: Durch häufigen Wechsel von Arbeitsort, -zeit und -bedingungen sind Kurz- und Leiharbei-ter häufig stärkeren kör-perlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt als regulär Angestellte. Die vorhandene Angst vor Arbeitsplatzverlust wird noch gestärkt durch den aufkommenden Stress durch die schlechten Arbeitsbedingungen

Tab. 11.1 (Fortsetzung)

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11511.3 Modelle

andere als weniger belastend empfindet. Beanspruchungen können physiologisch (Herz-rate, Puls, Cortisollevel) gemessen werden. Psychologische Indikatoren werden meist über Fragebogenverfahren operationalisiert (z. B. Irritationsskala von Mohr et al. 2005).

Transaktionales Stressmodell nach LazarusWie kommt es zu der individuellen Einschätzung einer (nicht-)belastenden Situation? Stress entsteht, wenn Individuen die an sie gestellten Anforderungen mit denen ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht bewältigen können (Semmer 1994). Greif (1991, S. 13) spezifiziert den Stress-Begriff wie folgt: „Stress ist ein subjektiv intensiv unan-genehmer Spannungszustand, der aus der Befürchtung entsteht, dass eine stark aversive, subjektiv zeitlich nahe (oder bereits eingetretene) und subjektiv lang andauernde Situation sehr wahrscheinlich nicht vollständig kontrollierbar ist, deren Vermeidung aber subjektiv wichtig ist“. Nach Lazarus (1991) geschieht dieser Bewertungsprozess in zwei Schritten: 1) Sieht sich jemand mit einer neuen Situation konfrontiert, so bewertet er nach dieser Theorie zuerst, ob die Situation für ihn eine Bedrohung, einen Verlust/Schaden oder eine (positive) Herausforderung darstellt (primary appraisal). Anschließend beurteilt er, ob er die nötigen Ressourcen (z. B. Kompetenzen) hat, um die Situation zu meistern ( secondary appraisal). In der Praxis erfolgen die beiden Bewertungsschritte unmittelbar, d. h. nicht unbedingt zeitlich nacheinander. Im Laufe der Zeit kann es auch zu Neubewertungen ( re-appraisal) von Situationen kommen, wenn man z. B. inzwischen zahlreiche Erfahrun-gen mit schwierigen Kunden gesammelt hat. Wie mit der wahrgenommenen Situation schließlich umgegangen wird und ob dieses Verhalten erfolgreich war, ist abhängig von der konkreten Situation und individuellen Eigenschaften. Nach der Theorie verhalten sich Individuen entweder emotions- oder problembezogen. Im Gegensatz zum Belastungs-Be-anspruchungsmodell werden in diesem Stressmodell auch innere (endogene, personale) Stressoren einbezogen. Außerdem geht das Modell über einfache Ursache-Wirkungszu-sammenhänge hinaus und berücksichtigt auch Zwischenschritte, die durchaus durch Res-sourcen beeinflussbar sind (siehe Abb. 11.1).

Abb. 11.1 Das transaktionale Stressmodell nach Lazarus. (Nach Bamberg et al. 2003)

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116 11 Organizational Health und Work-Life-Balance

Effort reward imbalance modelDarüber hinaus entstehen im Arbeitskontext sowohl physische als auch psychische Ge-sundheitsbeeinträchtigungen durch ein Ungleichgewicht (Gratifikationskrise) zwischen der investierten Arbeitsleistung und den dafür erhaltenen Belohnungen (Anerkennung, Arbeitsplatzsicherheit, Aufstiegschancen). Nach Siegrist (1996) führt eine Kombination aus hohen Anforderungen und im Verhältnis dazu niedrigen Belohnungen zu Gesund-heitsbeeinträchtigungen (extrinsische ERI Hypothese). Zudem gibt es Beschäftigte, deren stabile Eigenschaft (overcommitment) dazu führt, dass sie sich übermäßig stark für ihren Beruf verausgaben, was ebenfalls zu einer Beeinträchtigung der Gesundheit führt (in-trinsische ERI Hypothese). Die dritte Annahme dieser Theorie besagt, dass jemand der ein schlechtes Verhältnis aus Anforderungen und Belohnungen erlebt und dazu noch sehr stark an seine Arbeit gebunden ist, einen deutlich schlechteren Gesundheitszustand auf-weisen sollte. Bei immer stärkeren Anforderungen an Arbeitnehmer und jährlich höheren Zielvereinbarungen sollten daher alle Akteure des Personalmanagements auf angemesse-ne Belohnungen hinsichtlich persönlicher Anerkennung durch Führungskräfte, bestmög-liche Arbeitsplatzsicherheit sowie verlässliche Personalentwicklungschancen und -pläne achten. Kritisch an diesem Modell ist, dass es auf bestimme Prädiktoren von Gesundheit beschränkt ist, die nicht für alle Erwerbstätigkeiten gleichermaßen Einfluss auf die Ge-sundheit von Erwerbstätigen haben.

Job Demands-Resources model (Megginson und Clutterbuck 2008; Nemanich und Keller 2007)Dem eben genannten Kritikpunkt soll mit dem Job Demands-Resources (JD-R) Modell begegnet werden. Dieses Modell lässt sich auf verschiedene gesundheitsbezogene Ein-flussfaktoren sowie positive und negative Indikatoren von Gesundheit anwenden. Das JD-R Modell unterscheidet Eigenschaften einer Arbeitstätigkeit grundsätzlich in Anforde-rungen und Ressourcen (Nemanich und Keller 2007; Woehr et al. 2011). Diese Unterschei-dung hat den Vorteil, dass es durch verschiedenste Anforderungen und Ressourcen, die in dem Modell anwendbar sind, auf unterschiedlichste organisationale Rahmenbedingungen angepasst werden kann. Arbeitsanforderungen sind physische, psychische, soziale oder organisationale Eigenschaften einer Arbeitstätigkeit, die den Einsatz von physischen und bzw. oder mentalen Anstrengungen erfordern, die wiederum mit Beanspruchungen ein-hergehen (z. B. Arbeitsdruck, der Umgang mit schwierigen Kunden, etc.; Hibbard 2007; Woehr et al. 2011). Ressourcen der Arbeit sind dagegen solche physischen, psychischen, sozialen oder organisationalen Aspekte, die 1) funktional für die berufliche Zielerreichung sind, 2) beanspruchende Arbeitsanforderungen senken oder 3) persönliches Wachstum und Entwicklung fördern (z. B. Anerkennung durch die Führungskraft, Autonomie in der Arbeitszeitgestaltung; Hibbard 2007; Woehr et al. 2011). Eine zweite grundsätzliche An-nahme des JD-R Modells ist, dass beruflicher Stress oder Burnout dann entsteht, wenn die Arbeitsanforderungen hoch und die Arbeitsressourcen gleichzeitig begrenzt sind. Weiter wird postuliert, dass die Arbeitsressourcen den belastenden Einfluss der Arbeitsanforde-rungen auf das Wohlbefinden und das Arbeitsengagement abschwächen können (Bakker et al. 2003; Nusbaum und Silvia 2011).

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11711.4 Empirische Befunde

Work-Domain-BalanceDas Thema der Work-Life-Balance gewinnt zunehmend an Bedeutung. Diese Begrifflich-keit wird häufig kritisiert, da die Arbeit einen wichtigen Teil des eigenen Lebens ausmacht und daher nicht von diesem zu trennen ist. Ebenso wie der Teil des Lebens, der keine Erwerbsarbeit darstellt, beinhaltet jeder Lebensbereich (domain) positive wie negative Erlebensaspekte (vgl. Mohr und Rigotti 2009). Zur Nicht-Erwerbsarbeit zählt bspw. die Hausarbeit, die nicht für jeden gleichzusetzen ist mit selbstbestimmter, erfüllender Frei-zeit. Diese erfüllende Freizeit kann aber beispielweise durch die Ausübung ehrenamtli-cher Tätigkeiten stattfinden, d. h. die Arbeit dem Leben gegenüberzustellen macht keinen Sinn. Desweiteren ist mit Balance eigentlich Integration gemeint. Es geht nämlich eben nicht darum persönliche begrenzte Ressourcen (Zeit, persönliches Engagement etc.) auf jeden Bereich genau gleich, sondern angemessen zu verteilen. Angemessen heißt zum einen entsprechend der eigenen Prioritäten, die sich über verschiedene Lebensphasen ver-ändern können, und zum anderen nicht über die natürlichen und persönlichen Grenzen der Möglichkeiten zur zeitlichen Planung anstehender Arbeit hinaus. Es gibt zum einen natürliche Grenzen, aber auch individuelle Grenzen, die bei der erfolgreichen Integration der Lebensbereiche beachtet und akzeptiert werden müssen. In diesem ständigen Prozess der Integration geht es darum, „positive Erlebensqualitäten in den verschiedenen Lebens-bereichen zu maximieren und negative Erlebensqualitäten zu minimieren“ (Wiese 2007, S. 246) sowie Anforderungen und Ressourcen in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen (Mohr und Rigotti 2009). Zu den für viele Menschen relevanten Lebensbereichen zählen die Erwerbs- und Hausarbeit, Beziehungen zu Kindern, (Ehe-)Partnern, Familienangehö-rigen und Freunden, Hobbies, Sport, Gesundheit sowie Ehrenämter (Gonin et al. 2007). Fraglich ist wie man seine Ressourcen auf diese Bereiche verteilt und ob dies mit den eigenen Lebenszielen übereinstimmen. Gelingt die angemessene Verteilung der Rollen nicht, so kommt es zu Rollenkonflikten. Es wird angenommen, dass sich die Bereiche gegenseitig sowohl negativ als auch positiv beeinflussen können. Beispielsweise kann der Beruf das Familienleben beeinträchtigen ( Beruf-Familie Konflikt), wenn ein Elternteil Überstunden machen muss und deshalb nicht zur Theateraufführung des Kindes gehen kann. Andersherum kann das Familienleben das Berufsleben beeinträchtigen ( Familie-Beruf-Konflikt), wenn z. B. ein Erwerbstätiger im Büro die ganze Zeit an seine kranke Mutter zu Hause denken muss (vgl. Bellavia und Frone 2005; Wiese 2007). Allerdings gibt es auch positive Effekte durch die Ausübung mehrerer Rollen, bspw. können Kom-petenzen aus dem einen Bereich im anderen Bereich genutzt werden, Misserfolge können kompensiert werden und positive Stimmungen aus dem einen Lebensbereich in den ande-ren mitgenommen werden (Wiese et al. 2010).

11.4 Empirische Befunde

Es gibt einige Studien, die die Bedeutsamkeit des Verhaltens der Führungskräfte für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter belegen. Eine Studie von Rowold und Heinitz (2008) zeig-te, dass Mitarbeiterorientierung (vgl. Kap. 17) im Gegensatz zu Aufgabenorientierung

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118 11 Organizational Health und Work-Life-Balance

negativ mit dem Stresserleben zusammenhängt. Hinsichtlich der transaktionalen Führung (vgl. Kap. 17) zeigte sich, dass die Facette aktives Fehlermonitoring positiv mit dem Stresserleben korreliert. Bezüglich der transformationalen Führung fanden Rowold und Heinitz (2008) in ihren Studien unterschiedliche Befunde. Dies ist ggf. zu erklären, wenn die einzelnen Facetten der transformationalen Führung untersucht werden. Beispielsweise zeigten Franke und Felfe (2001), dass vor allem individuelle Zuwendung einen negati-ven Zusammenhang mit der wahrgenommenen Beanspruchung aufweist. Zudem gibt es Studien, die einen gesundheitsbezogenen Führungsstil untersuchen. Bspw. fanden Gurt, Schwennen und Elke (2011) keinen direkten Einfluss des gesundheitsbezogenen Füh-rungsstils auf die psychische Beanspruchung der Mitarbeiter, jedoch auf eine gesundheits-orientierte Unternehmenskultur.

Führungskräfte haben außerdem einen Einfluss auf die Work-Life-Balance ihrer Mit-arbeiter. Vor allem durch ihre Vorbildrolle und ihre Leistungsziele machen Sie ihren Mit-arbeitern deutlich, was sie von ihnen erwarten. Gerade das Konflikterleben zwischen Be-ruf und Familie hängt mit verschiedenen Gesundheitsindikatoren zusammen (Üsdiken und Leblebici 2001). Hinsichtlich der familienbewussten Maßnahmen und der familien-bewussten Organisationskultur hat sich gezeigt, dass vor allem zwei Facetten der fami-lienbewussten Organisationskultur wirksam sind: Das familienbewusste Management im Sinne verständnisvoller Führungskräfte bindet die Mitarbeiter emotional an das eigene Unternehmen und die familienbewusste Arbeitszeit verringert das Konflikterleben zwi-schen Beruf und Familie sowohl bei Mitarbeitern mit Kindern als auch mit pflegebedürf-tigen Angehörigen (Krisor et al. 2011).

11.5 Umsetzung in der Praxis

Im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sind häufig die folgenden Akteu-re anzutreffen: Betriebsarzt, Schwerbehindertenfachdienst, Soziale Dienste, Betriebsrat, Personalabteilung und Führungskräfte. Zudem gibt es Kooperationen mit externen Part-nern, z. B. Krankenkassen oder Unfallversicherungen.

Die Maßnahmen des BGMs unterscheiden sich in Verhaltens- vs. Verhältnispräventi-onen. Da es wie bereits erwähnt sowohl negative als auch positive Einflussgrößen gibt, ist das Ziel des BGMs negative Faktoren abzubauen ( korrektiv) und positive Faktoren aufzubauen oder zu verstärken ( prospektiv). Dies kann zum einen umgesetzt werden auf der individuellen Mitarbeiterebene ( verhaltensorientiert), also z. B. durch die Teilnahme an einem Seminar zum Stressabbau oder durch ein Gesundheitskompetenztraining. Maß-nahmen, die sich auf die organisationale Ebene ( verhältnisorientiert) beziehen, sind z. B. die ergonomische Arbeitsplatzgestaltung oder das Einrichten eines Gesundheitszirkels. Inzwischen gibt es eine Fülle an möglichen Maßnahmen. Bestenfalls werden die Maß-nahmen in einem Unternehmen evidenzbasiert abgeleitet, damit sie zu den Bedürfnissen der Unternehmenszielgruppe passen und dann auch wirken können. Zur Erleichterung der Nachhaltigkeit von Trainings zum Thema „Gesunde Führung“ wird beispielsweise

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119

Telefon-Coaching eingesetzt, um Führungskräfte bei der Umsetzung im betrieblichen All-tag zu unterstützen (Hammes et al. 2011).

Gesundheitszirkel sind ein wichtiges Instrument für die Organisationsentwicklung. In diesen Zirkeln treffen sich Mitarbeiter regelmäßig, um Arbeitssituationen und -bedingun-gen in Bezug auf die Beeinträchtigung der eigenen Gesundheit zu diskutieren und zu analysieren. Gemeinsam sollen daraufhin Lösungsideen und Verbesserungsvorschläge er-arbeitet werden. Grundlage stellen hierbei häufig Auswertungen aus betrieblichen Umfra-gen dar, welche über den Krankheitsstand der Belegschaft Auskunft geben. Die Gruppen setzen sich aus Mitarbeitern und Führungskräften sowie Vertretern von Betriebsräten, dem Arbeitsschutz und Medizinern zusammen. Die Themenerarbeitung erfolgt sehr punktuell auf ein spezielles Thema bezogen und kann strukturelle sowie verhaltensbezogene Verän-derungen umfassen (Bengel und Jerusalem 2009). Problembereiche, welche einen krank-machenden Einfluss auf die Belegschaft haben können, sind bspw. Arbeitsplätze ohne ergonomischen Hintergrund, das falsche Führungsverhalten, der fehlende Einbezug bei betrieblichen Umstrukturierungen oder Veränderungen die den eigenen Arbeitsplatz be-treffen sowie die Unzufriedenheit mit der Arbeitsorganisation im Allgemeinen.

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123

Motivation

Susanna M. Krisor und Jens Rowold

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_12

12

12.1 Einführung

„Jeder vierte Beschäftigte hat innerlich gekündigt – Führungskräfte in der Pflicht: Gehalt und Aufgabe sind nicht maßgeblich für die emotionale Mitarbeiterbindung“ – so lautet der Titel der im März 2012 herausgegebenen Pressemitteilung des Beratungsunternehmens Gallup, welches seit einigen Jahren jährlich einen Engagement-Index der Erwerbstätigen in Deutschland bestimmt (Gallup 2012). Über die letzten zehn Jahre ist der Prozentanteil der Arbeitnehmer/innen, die sich stark emotional an ihr Unternehmen gebunden fühlen (s. affektives Commitment, s. Kap. 10), mit aktuell 14 % sehr stabil geblieben. Mangelnde Bindung führt neben dem Dienst nach Vorschrift (63 % geringe emotionale Bindung) und der innerlichen Kündigung (23 % keine emotionale Bindung) langfristig zu mehr Fehl-tagen, weniger engagiertem Arbeitseinsatz und somit zu hohen Folgekosten für die Unter-nehmen. In Unternehmen gibt es verschiedenste Ansatzpunkte, die es zu beachten gilt, wenn die Motivation der Belegschaft bewusst positiv beeinflusst werden soll. Zunächst sollte klar sein, was Motivation ist und wie diese entstehen kann. Als Gründe für eine niedrige Bindung werden fehlende Anerkennung und fehlendes konstruktives Feedback genannt – Themen, die seit Jahr(zehnt)en in der Personalarbeit bekannt sind und trainiert werden, in der praktischen Umsetzung aber anscheinend nach wie vor zu kurz kommen. Motivationstheorien geben Aufschluss darüber, welche Prozesse und Inhalte motivierend wirken und dass Individuen interindividuell differenziert gelobt werden sollten. Auch das Interesse für Mitarbeiter als (ganzheitlicher) Mensch sowie die Förderung der persönli-chen Entwicklung sollte sowohl durch die Führungskräfte als auch durch die Organisation unterstützt werden (siehe Work-Life-Balance, s. Kap. 11), um engagierte Mitarbeiter zu binden. Dies erfordert von Führungskräften theoretisches Know-How über Motivation, aber auch Zeit um dem Mitarbeiter Interesse und Einfühlungsvermögen zukommen zu lassen.

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124 12 Motivation

12.2 Begriffsverständnis

Motive Motive stellen dasjenige dar, was Menschen als erstrebsam ansehen. Motive be-stimmen somit das Ziel einer Person. Sie können grundsätzlich materiell (Gehalt, Fir-menwagen) oder immateriell (persönliche Anerkennung durch den Chef, potenzielle Karrierechancen) sein. Ihren Ursprung haben Motive, unter anderem, in der genetischen Veranlagung des Menschen (z. B. das Bedürfnis nach Erholung oder Nahrungsaufnahme), aber sie sind auch durch Lernerfahrungen und das kulturelle Umfeld geprägt. Zum Bei-spiel gelten in Deutschland verbesserte Arbeitsbedingungen als motivierend, und Urlaubs-tage oder die Auszeichnung zum Mitarbeiter des Monats als weniger motivierend. In den USA hingegen wirkt diese Auszeichnung neben Aktienoptionen durchaus motivierend, während verbesserte Arbeitsbedingungen oder zusätzliche Aus-/Weiterbildungschancen als weniger motivierend wahrgenommen werden (vgl. Gunkel 2006).

Anreize Damit Motive zu einem auf das Motivziel ausgerichteten Verhalten führen, braucht es motivspezifische Signale ( Anreize), die einer Person aufzeigen, wie sie durch ein bestimmtes Verhalten ihr konkretes Motiv befriedigen kann. Führungskräfte soll-ten in diesem Zusammenhang darauf achten, die „richtigen“ Anreize zu setzen, die zum erwünschten Mitarbeiterverhalten führen. Da es in der Praxis kaum möglich ist, individu-elle Belohnungs- und Vergütungssysteme einzuführen, die den Motiven jedes Angestellten gerecht werden, kommt Motivierungsprozessen im Arbeitskontext eine große Bedeutung zu. Die gezielte Auswahl von Personal und eine passgenaue Entwicklung von Aufstiegs- und Karrierechancen sind somit wichtige Aufgaben der Personalentwicklung(-sabteilung), die es dem Unternehmen erleichtern, Mitarbeitermotive durch Anreize zu erreichen.

Motivation Motivation entsteht, wenn ein Anreiz wahrgenommen wurde und Menschen nun ihre Kräfte aktivieren, um ein bestimmtes Motivziel zu erreichen. Die Stärke der Motivation ist abhängig von der Ausprägung des Motivs und der Attraktivität des Anrei-zes. Die entstandene Motivation nimmt Einfluss auf die „Richtung, Intensität und Aus-dauer eines Arbeitsverhaltens“ (Kanning und Staufenbiel 2012, S. 160).

• Richtung: Führt das motivierte Verhalten zu höherer oder niedrigerer Arbeitseffizienz und -effektivität? Das heißt: Werden organisationale Zielsetzungen durch ein bestimm-tes Verhalten umgesetzt oder verhindert?

• Intensität: Wie viel Einsatz bringt der Mitarbeiter in sein Arbeitsverhalten ein?• Ausdauer: Bleibt der Mitarbeiter engagiert, wenn sich die Zielerreichung schwierig

darstellt?

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12512.3 Modelle

12.3 Modelle

Modelle zur Arbeitsmotivation lassen sich in inhalts- und prozesstheoretische Modelle grob klassifizieren (Campbell und Pritchard 1976). Inhaltstheoretische Modelle beziehen sich auf den Inhalt der Motive, also die Frage nach dem „Was“, das einen Menschen motiviert. Diese Frage ist im organisationalen Kontext von zentraler Bedeutung für die Ableitung von Human Resource Management-Implikationen. Andererseits stehen inhalts-theoretische Modelle immer vor der Herausforderung, den geeigneten Spezifikationsgrad zwischen der Erstellung von langen, zu spezifischen Motivlisten und zu verallgemeinern-den, groben Klassifikationen zu finden.

Prozesstheoretische Modelle beschäftigen sich mit dem „Wie“, durch das Motivation zustande kommt und dann in motivationale und volitionale Handlungen übergeht. Hier geht es also nicht um einzelne, ganz konkrete Motive, sondern darum, wie Erwartungen entstehen, dass durch bestimmte Verhaltensweisen bestimmte Bedürfnisse befriedigt wer-den können und welche Aspekte eine Rolle spielen, sodass diese kognitiven Erwartungen auch in tatsächliches Verhalten übergehen.

12.3.1 Inhaltstheoretisches Modell

Theorie der gelernten Bedürfnisse (McClelland 1985) McClelland sieht als Quelle von Bedürfnissen vor allem die Lernerfahrungen im kulturellen Umfeld an. Er meint, dass das-jenige Verhalten von Menschen stärker gezeigt wird, welches in vorherigen Lernerfahrun-gen belohnt wurde. Nach McClelland gibt es drei, nicht bewusste Schlüsselbedürfnisse. Dazu zählen das Bedürfnis nach:

1. Leistung (need for achievement, n-Ach). Dieses Bedürfnis bewirkt im Verhalten der Person eine Bemühung um stetige Leistungsverbesserung und ist daher bedeutsam für die Entwicklung von u. a. innovativem Verhalten.

2. Affiliation bzw. Zugehörigkeit (need for affiliation, n-Aff). Dieses Bedürfnis bewirkt im Verhalten ein Bemühen um Gruppen- oder Zweierbeziehungen, die möglichst gut zusammenarbeiten und -halten.

3. Macht (need for power, n-Pow). Dieses Bedürfnis führt in Organisationen zu stärke-rem Wettbewerbs- und Konkurrenzverhalten, aber auch zu höherem Durchsetzung- svermögen.

12.3.2 Prozesstheoretische Modelle

Zielsetzungstheorie Eine in der Praxis wohl am hilfreichsten Theorien ist die Zielset-zungstheorie von Locke und Latham (1990; 2002). Motivierende Ziele sollten so gesetzt werden, dass sie bzgl. ihrer Schwierigkeit den Mitarbeiter weder über- noch unterfordern. D. h. bei Kenntnis des Leistungsniveaus des Mitarbeiters würde man Ziele so heraus-

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126 12 Motivation

fordernd stellen, dass sie etwas über dem bisherigen Leistungsniveau liegen, aber nicht zu hoch. Außerdem ist bei der Zielsetzung auf Präzision zu achten. Ziele sollten mög-lichst spezifisch und wenig abstrakt bzw. allgemein sein. Nur dann weiß der Mitarbeiter genau, was von ihm erwartet wird und hat eine realistische Chance, dieses Ziel auch zu erreichen. Es muss also klar sein, woran Mitarbeiter und Führungskraft erkennen, dass das Ziel erreicht wurde (bspw. auch genaue Zahlenvorgaben). Durch diese Zielsetzung werden vermittelnde Mechanismen aktiviert, die zur Leistung führen. Die Setzung eines Ziels bestimmt zunächst die Richtung des Verhaltens, das ein Mitarbeiter nach der Zielset-zung zeigen sollte, und steuert somit dessen Aufmerksamkeitsprozesse. Zudem bestimmt das Ziel, wie stark die Intensität des Verhaltens – wie z. B. das Ausmaß der Anstrengung – sein sollte, um das Ziel erreichen zu können. Weiter wirkt die Zielsetzung durch ein erhöhtes Maß an Ausdauer und dem Bemühen um aufgabenorientierte Strategien. D. h. die Mitarbeiter priorisieren bspw. mögliche Strategien und überlegen gemeinsam, wie sie möglichst effektiv zum Arbeitsergebnis kommen können.

Ob diese Wirkmechanismen tatsächlich funktionieren, hängt von verschiedenen Fak-toren ab. Zum Beispiel ist es für die Zielerreichung wichtig, dass die Ziele überhaupt von dem Mitarbeiter akzeptiert werden können. Wenn diese nicht partizipativ festgelegt wurden, so sollten sie dennoch für den Mitarbeiter nachvollziehbar sein. Je stärker Mitar-beiter sich den Zielen verbunden fühlen ( Zielcommitment), desto stärker werden sie sich für die Zielerreichung anstrengen. Sehr förderlich für die Zielerreichung ist außerdem, wenn die Mitarbeiter genügend Feedback über den Stand der Zielerreichung von ihren Führungskräften bekommen. D. h. nicht erst am Ende der Terminabgabefrist sollte ein Mitarbeiter wissen, ob er eine Aufgabe gut gemacht hat oder nicht, sondern auch während der Zielerreichung kann positives Feedback v. a. für unsichere Personen hilfreich sein. Für die Führungskraft liegt der Vorteil in dem Kenntnisstand des Arbeitsprozesses und der Arbeitsweise des Mitarbeiters und vor allem in der Möglichkeit, die vermittelnden Wirkmechanismen noch beeinflussen zu können, z. B. die Richtung der Zielerreichungs-bemühungen.

Darüber hinaus ist es häufig sinnvoll, Zwischenziele zu setzen. Dies ist v. a. der Fall, wenn Ziele ansonsten sehr distal, also über einen langen Zeitraum hinweg, angesetzt sind, oder von sehr komplexer Natur sind. Über eine lange zeitliche Spanne kann es zu Moti-vationsverlusten kommen, daher sollten Ziele bestenfalls für einen überschaubaren Zeit-raum gesetzt werden. Sind Ziele zu komplex, so erfordert dies von den Mitarbeitern einen großen Aufwand, die eigenen Routinefähigkeiten auszubauen und sich ggf. mit anderen Mitarbeitern strategisch günstig abzusprechen und zu koordinieren. Daher ist es auch für sehr komplexe Ziele günstig, Zwischenziele zu setzen.

Dieser Aspekt findet im Management by Objectives ( MbO; Drucker 1954) Berück-sichtigung. Hier werden Unternehmensziele für ein Geschäftsjahr von der obersten bis auf alle unteren Hierarchieebenen herunter gebrochen. Wichtig ist, dass die obersten abs-trakten Ziele in kleinere spezifische Ziele unterteilt werden und die Mitarbeiter neben den vorgegebenen, strategischen Zielen auch eigene Ziele formulieren können. Das bloße Er-reichen einer Zielsetzung wird von Mitarbeitern bei motivierenden Zielen als belohnend

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12712.3 Modelle

wahrgenommen (intrinsische Motivation), kann aber auch durch externe Anreize geför-dert werden (extrinsische Motivation). Die wichtigsten Aspekte der Zielsetzungstheorie sind in Abb. 12.1 in ihrem Zusammenwirken dargestellt. Die Umsetzung des MbO erfolgt in der Praxis im Mitarbeitergespräch zu Zielvereinbarungen.

Job-Characteristics-Modell Das Job-Characteristics-Modell (JCM, Hackman und Lawler 1971) beschreibt, wie die Arbeit selbst motivierend gestaltet werden kann. Im Fokus steht dabei die Wahrnehmung und Bewertung der Mitarbeiter hinsichtlich des Moti-vationspotenzials ihres Arbeitsplatzes. Wichtig ist, dass das Modell nicht darauf abzielt, zu bewerten, wie motiviert einzelne Mitarbeiter generell sind, sondern vielmehr, wie stark der Arbeitsplatz motivieren kann. Als Merkmal des Mitarbeiters wird dessen Wachstums-bedürfnis (growth need) berücksichtigt, weil eine starke Ausprägung dieses Bedürfnis-ses zu stärkeren Bewertungen und Reaktionen der folgenden fünf Aufgabendimensionen führen.

Ein Arbeitsplatz, der ein hohes Motivationspotenzial (MP) aufweist, ist nach dem JCM gekennzeichnet durch eine hohe Ausprägung der Dimensionen Autonomie, sach-liche Rückmeldung sowie Anforderungsvielfalt, Ganzheitlichkeit und Bedeutsamkeit. Mit Autonomie ist gemeint, dass der Arbeitnehmer einen Entscheidungs- und Handlungsspiel-raum hat, um die Erledigung der Aufgabe selbst zu gestalten. In dem auf dem Modell basierenden Fragebogeninstrument ( Job Diagnostic Survey, JDS, Hackmann und Oldham 1975) lautet ein Item der Autonomie-Skala z. B. „Meine Arbeit gibt mir beträchtliche Ge-legenheit, selbst zu entscheiden, wie ich dabei vorgehe.“ Rückmeldung ist hier anders zu verstehen als das klassische Feedback, das bspw. eine Führungskraft seinem Mitarbeiter gibt. Hier ist die Rückmeldung durch die Arbeitsaufgabe selbst gemeint. D. h. kann der Mitarbeiter anhand der Aufgabenerledigung selber sehen, wie weit er die Aufgabe bereits

Abb. 12.1 Grundlegende Elemente der Zielsetzungstheorie (nach Locke und Latham 2002)

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128 12 Motivation

erledigt hat und wie gut er dies erfüllt hat. Ein Beispielitem des JDS ist: „Bei der Ausfüh-rung meiner Arbeit kann ich gut feststellen, wie gut ich arbeite.“ Mit Anforderungsviel-falt ist gemeint, wie abwechslungsreich die Arbeit gestaltet ist und ob die Tätigkeit ver-schiedene Fähig- und Fertigkeiten des Mitarbeiters aktiviert. Ein Item dieser Skala lautet: „Meine Arbeit verlangt von mir den Einsatz einer Vielzahl von verschiedenen, komplexen Fähigkeiten mit hohen Anforderungen.“ Darüber hinaus ist für das MP wichtig, ob die Aufgabe die Bearbeitung eines vollständigen Produktes umfasst oder lediglich zur Er-stellung eines größeren Ganzen dient ( Ganzheitlichkeit). D. h. weiß der Mitarbeiter wozu er arbeitet und was das Endresultat ist? Diese Facette wird bspw. wie folgt erfasst: „Mei-ne Arbeit gibt mir die Möglichkeit, eine angefangene Arbeit auch zu Ende zu bringen.“ Außerdem wird beurteilt, ob die Arbeitnehmer das Gefühl haben, dass ihre Arbeitstätig-keit einen Einfluss auf das Leben und die Arbeit anderer Menschen hat (Bedeutsamkeit). Ein Beispielitem lautet: „Die Art und Weise wie gut ich meine Arbeit mache, beeinflusst viele Leute.“ Jede dieser fünf Aufgabendimensionen wird mit drei Items erhoben und anschließend zu dem Motivierungspotenzial (motivating potential score) der Arbeitstätig-keit multiplikativ verrechnet. Hierbei ist zu beachten, dass die Ausprägungen von An-forderungsvielfalt, Ganzheitlichkeit und Bedeutsamkeit zusammen gemittelt werden und erst dann in die Gleichung eingehen, d. h. dass bzgl. des MP Autonomie und sachlicher Rückmeldung eine größere Bedeutung zukommt.

Diese fünf Dimensionen sind für die Motivierung, Arbeitszufriedenheit und Arbeits-qualität bedeutsam, weil sie entscheidende psychologische Zustände beeinflussen. Eine hohe Ausprägung an Anforderungsvielfalt, Ganzheitlichkeit und Bedeutsamkeit führt dazu, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitstätigkeit als wichtig und sinnhaft erlebt. Eine hohe Ausprägung an Autonomie steht in Zusammenhang mit einer erlebten Verantwor-tung für die Arbeitsergebnisse und die Rückmeldung gibt dem Arbeitnehmer Auskunft über den Stand der Arbeitsergebnisse.

Hat man das MP eines Arbeitsplatzes identifiziert, so kann man es mit anderen Arbeits-plätzen vergleichen und ggf. den Arbeitsplatz motivierender gestalten.

Arbeitsengagement Im Sinne der positiven Psychologie widmet sich dieses Kapitel weder dem zu vermeidenden Burnout oder der Arbeitssucht, sondern einem wünschens-werten Erleben der Motivation, nämlich dem Arbeitsengagement. Das Engagement bei der Arbeit ist ein positiver, erfüllender, emotional-motivierender Zustand eines arbeits-bezogenen Wohlbefindens (Bakker und Leiter 2010). Dieses Wohlbefinden entsteht aus dem Zusammenspiel von drei Aspekten: Vitalität, Hingabe und Absorption (Schaufeli und Bakker 2003). Vitalität meint hier ein Gefühl der Energie und mentalen Widerstandsfähig-keit während der Arbeit, welches dazu führt, dass man einiges in die Erfüllung der Arbeits-aufgabe investiert und auch dann engagiert bleibt, wenn es Hindernisse zu überwinden gilt (Schaufeli und Bakker, 2003). Hingabe erleben Arbeitnehmer, wenn sie völlig in einer Arbeitsaufgabe engagiert sind und Enthusiasmus, Inspiration und Stolz erleben (Schaufeli und Bakker 2003). Absorption beschreibt die völlige Konzentration auf und Vertiefung in die Arbeitsaufgabe, so dass die Zeit wie im Flug vergeht und es schwerfällt, mit der Arbeit aufzuhören (Schaufeli und Bakker 2003).

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12912.4 Empirische Befunde

Arbeitsengagement wird als gegensätzlich, aber unabhängig von Burnout konzeptio-nalisiert (Schaufeli und Bakker 2003) und ist eng mit der Arbeitsleistung verbunden (Sa-lanova et al. 2005; Xanthopoulou et al. 2005). Arbeitsengagement wird häufig im theore-tischen Rahmen des Job Demands-Resources Modell (JD-R Modell, Abb. 12.2) erklärt, in dem Arbeitsressourcen nicht nur das Erschöpfungserleben verringern, sondern auch zu Arbeitsengagement und dadurch zu positiven Leistungsindikatoren führen. Für die unter-nehmerische Praxis ist es daher wichtig, Ressourcen zur Verfügung zu stellen oder zu ermöglichen, wie z. B. soziale Unterstützung, abwechslungsreiche Tätigkeiten oder an-gemessenes Feedback, um Arbeitsengagement zu fördern.

12.4 Empirische Befunde

Theorie der gelernten Bedürfnisse (McClelland 1985) Eine Studie von Boneva et al. (1998) zeigte, dass Studenten aus bspw. Albanien und Slowenien, die nach ihrem Stu-dienabschluss auswandern wollten, signifikant höhere Ausprägungen des Leistungs- und Machtmotivs hatten als die, die in ihren Ländern bleiben wollten. Dieser Effekt ist von der wirtschaftlichen Stärke des Landes abhängig. Dieses Muster ist also spezifisch für wirt-schaftlich schwächere Regionen und es wird vermutet, dass es in wirtschaftlich stärkeren Regionen eher umgekehrt ist.

Führungskräfte haben nach dieser Theorie klassischerweise ein hoch ausgeprägtes Macht- und Leistungsmotiv und ein niedrig ausgeprägtes Anschlussmotiv.

Zielsetzungstheorie Die Annahmen der Zielsetzungstheorien wurden vielfach empirisch geprüft. Insgesamt zeigt sich, dass Menschen bis zur Leistungsgrenze überwiegend theo-riekonform mit einer Zunahme an Leistung bei ansteigender Zielschwierigkeit reagieren. Außerdem zeigt sich, dass mit spezifischen und konkreten Zielen eine deutlich höhere Leis-tung erzielt werden kann als mit ungenauen und unspezifischen Zielen (Hoch et al. 2009).

Abb. 12.2 Das Job Demands-Resources Modell (nach Hakanen und Roodt 2010)

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130 12 Motivation

Job-Characteristics-Modell Die Meta-Analyse von Boonzaier et al. (2001) bestätigt die Faktorstruktur der fünf Dimensionen bezüglich der revidierten Fassung des JDS, d. h. die ursprünglichen fünf Dimensionen der motivierenden Arbeitsgestaltung lassen sich empirisch bestätigen. Es lässt sich auch bestätigen, dass die Selbstauskunft der Arbeitneh-mer über die Arbeitsmerkmale grundsätzlich valide ist. Allerdings scheint es nach dieser Meta-Analyse sinnvoller zu sein, einen additiven Index aus den Item-Antworten anstatt der vorgeschlagenen multiplikativen Verknüpfung zu bilden. Der Zusammenhang des JCM zu Variablen wie Arbeitszufriedenheit, Zufriedenheit mit der eigenen Entwicklung (growth) sowie internaler Arbeitsmotivation lässt sich gut bestätigen. Die Vermittlung die-ses Zusammenhangs durch psychologische Zustände lässt sich nicht eindeutig nachwei-sen. Auch die Wirkung der verschiedenen Zustände scheint unterschiedlich stark zu sein. Beispielweise scheint die erlebte Bedeutsamkeit der eigenen Arbeit wesentlich wichtiger zu sein als das Wissen über den aktuellen Stand der Arbeitsergebnisse.

Arbeitsengagement Die negativen Zusammenhänge zwischen Arbeitsengagement und Burnout lassen sich empirisch bestätigen (Halbesleben 2010). Ebenso finden sich konsis-tente positive Beziehungen zwischen Ressourcen wie z. B. Autonomie, soziale Unterstüt-zung, Selbstwirksamkeit und Optimismus, und Arbeitsengagement. Darüber hinaus zeigte sich, dass eine allgemeine Beanspruchung im Sinne von Arbeitsanforderungen tendenziell negativ mit dem Arbeitsengagement zusammenhängt. Spezifischere Beanspruchungen, wie das Beruf-Familie bzw. Familie-Beruf Konflikterleben, sind in Bezug auf die Gesamt-skala des Arbeitsengagements eher positiv mit dieser assoziiert. Dieser Zusammenhang sollte allerdings noch weiter auf rekursive Effekte hin untersucht werden, da durch das hohe Arbeitsengagement bspw. der Beruf das Privatleben beeinträchtigen könnte, ande-rerseits man eventuell weniger Arbeitsengagement zeigt, wenn dieses Konflikterleben vorliegt. Insgesamt waren die Zusammenhänge zwischen Arbeitsanforderungen und Arbeitsengagement deutlich schwächer als die Zusammenhänge zwischen Arbeitsressour-cen und Arbeitsengagement, was den Annahmen der Theorie entspricht (vgl. Abbildung 12.2 oben). Auch die positiven Konsequenzen des Arbeitsengagements, wie stärkeres Commitment, höhere Leistung, besserer Gesundheitszustand und niedrigere Fluktuation, lassen sich bestätigen (Halbesleben 2010). Insgesamt wird diese Theorie heutzutage viel-fach in der Forschung untersucht (vgl. Bakker und Leiter).

12.5 Umsetzung in der Praxis

In der Umsetzung in die Praxis wird relativ häufig auf die Zielsetzungstheorie zurückge-griffen. Diese wird in Mitarbeitergesprächen umgesetzt, deren Ziel die Motivation und Entwicklung des Mitarbeiters ist. Daher sollen diese hier in Anlehnung an Hossiep et al. (2008) dargestellt werden. Ausgangspunkt eines Mitarbeitergesprächs ist eine Zielverein-barung, in dessen Mittelpunkt die Erfüllung der Aufgabe steht. Der Schwerpunkt basiert bei diesem Gespräch auf der Mitarbeiterführung und soll dazu dienen, dass der Vorgesetz-

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13112.5 Umsetzung in der Praxis

te und der Mitarbeiter ihre Standpunkte austauschen können. Mit diesen Eigenschaften ist das Mitarbeitergespräch (MAG) abzugrenzen von einem Leistungsbeurteilungsgespräch, welches als Ausgangspunkt die Tätigkeitsbeschreibung hat und in dessen Mittelpunkt der einzelne Mitarbeiter steht. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Personalauswahl bzw. -platzierung und soll vor allem dem Mitarbeiter den Standpunkt des Vorgesetzten näher bringen.

Das MAG ist sowohl für den Mitarbeiter, die Führungskraft als auch das Unternehmen förderlich. Der Mitarbeiter gewinnt Feedback über seine bisherige Leistung und weitere Entwicklungsmöglichkeiten. Zudem kann er selbst im MAG auf die bevorstehende Ziel-setzung einwirken und diese mitgestalten. Abschließend hat er gemeinsam mit seinem Vorgesetzten verbindliche Ziele festgeschrieben, an denen er sich bei der Arbeit orientie-ren kann. Durch den partizipativen Teil des MAG erhöht die Führungskraft die Bindung des Mitarbeiters an die Ziele und bekommt so einen Einblick in die Meinung des Mit-arbeiters, z. B. die Abschätzung seiner Fähigkeiten, eigene Lösungsideen oder bisherige Hindernisse bei der Arbeit. Somit kann das Gesamtunternehmen von der Zusammenarbeit der beiden Personen und deren Ideenentwicklung profitieren. Wie auch beim MbO be-reits angesprochen wurde, können in einem solchen Gespräch die herunter gebrochenen, strategischen Ziele abgeleitet und angepasst werden. Allerdings liegt der Erfolg für alle drei Parteien in der erfolgreichen Kommunikation zwischen diesen (vgl. Kap. 5.2.1 zu Kommunikation).

Der Ablauf des MAG startet mit einer Vorbereitung, also sowohl der Terminierung als auch der Vorbereitung durch die Führungskraft, die sich ihrer Ziele und Kommunikation vorab sehr deutlich bewusst werden sollte und zu diesem Zweck den Gesprächsablauf pla-nen sollte. Das MAG selber ist in der Regel auf ca. zwei Stunden angelegt. Da es hier zu einem Austausch kommen sollte und auch der Mitarbeiter seine Vorstellungen beitragen sollte, ist es förderlich, wenn der Redeanteil des Mitarbeiters mit ca. 60 % überwiegt. Das Gespräch beginnt mit der Kontaktaufnahme durch die Begrüßung und den Gesprächsein-stieg. Danach beginnt die Informationsphase, in der sich Führungskraft und Mitarbeiter über ihre Ziele und Themen des Gesprächs austauschen sollten. In der Argumentations-phase wird die Beurteilung der Zielerreichung des abgelaufenen Geschäftsjahres und ggf. die Ausschüttung der damit zusammenhängenden Boni besprochen. Dieser Teil sollte mit der Einschätzung durch den Mitarbeiter beginnen. Auch bei unterschiedlichen Ansichten über diese Einschätzung sollte die Führungskraft mit dem Mitarbeiter diesen Teil im Kon-sens beenden, um die Offenheit für die neuen Ziele zu gewährleisten. Gibt es Abweichun-gen der Einschätzungen, so sollte die Führungskraft diese genauer erklären und an kon-kreten Beispielen verdeutlichen. In dieser Phase wird ggf. auch Entwicklungspotenzial für die kommenden Ziele deutlich. Danach erfolgt in der Beschlussphase die Ableitung und Festlegung der Ziele und deren Feststellungskriterien für das kommende Geschäftsjahr. Auch in dieser Phase ist es für das Ziel-Commitment förderlich, erst den Mitarbeiter seine Vorschläge nennen zu lassen und diese in die eigenen Vorstellungen zu integrieren. Die beschlossenen Ziele sollten den S-M-A-R-T-Kriterien (spezifisch, messbar, attraktiv, rea-listisch, terminiert) entsprechen. Nach der Planung der Ziele sollten auch noch potenzielle

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132 12 Motivation

Entwicklungs- und Unterstützungsmaßnahmen mit dem Mitarbeiter gemeinsam festgelegt werden, um sicherzustellen, dass er alles Nötige (Kompetenzen, aber auch Sachmittel) zur Verfügung hat, um die Ziele auch erreichen zu können. Bzgl. der Entwicklung des Mitar-beiters sind die folgenden Entwicklungsrichtungen möglich: 1) Exploration: Passend zu den Werten und Interessen des Mitarbeiters können neue Aufgabengebiete identifiziert werden, 2) laterales job rotation: der Wechsel auf eine andere, aber hinsichtlich der Quali-fizierungsvoraussetzungen und der Entlohnung gleichartige Position im Unternehmen, 3) job enrichment: z. B. durch Projektarbeit wird die aktuelle Tätigkeit durch anspruchsvol-lere Aufgaben angereichert, 4) job enlargement: z. B. durch Anreicherung der aktuellen Tätigkeit durch gleichwertige, nicht anspruchsvollere Aufgaben, 5) Downshifting: aus pri-vaten Gründen will der Mitarbeiter unter seinem bisherigen Anspruchsniveau arbeiten, 6) Arbeitsumfeldwechsel: Wechsel z. B. des Vorgesetzten oder des Geschäftsbereichs sowie 7) Beförderung: vertikale Bewegung im Unternehmen. Sowohl die Sach- als auch die Entwicklungsziele müssen schriftlich festgehalten werden. Abschließend geht die Füh-rungskraft in eine Nachbereitungsphase, in der sie reflektiert, welche der vor dem MAG geplanten Ziele erreicht wurden und welche Gründe es hat, dass sie andere ggf. nicht erreicht hat. Der Einsatz des MAG als Führungsinstrument sollte, wie alle anderen Per-sonalmaßnahmen, evaluiert werden. Bezüglich des MAG kann man sowohl eine Ziel-, Prozess-, Input-, Output- oder Outcome-Evaluation nutzen.

Häufige Gesprächsformen des MAG sind das Feedbackgespräch, das Beurteilungsge-spräch, das Personalentwicklungsgespräch, das Konfliktlösungsgespräch, das Rückkehr-gespräch oder das Austrittsgespräch.

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Page 145: Human resource management by jens rowold

135

Personalmarketing

Carolin Abrell und Jens Rowold

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_13

13

13.1 Einführung

In Zeiten, in denen Unternehmen hart um die Gewinnung und Bindung von Potenzialträ-gern und qualifizierten Fachkräften kämpfen müssen, spielt die Attraktivität der Unterneh-mung in den Augen der aktuellen und potenziellen Mitarbeiter eine entscheidende Rolle.

Personalmarketing als Bestandteil des Human Resources Management verfolgt somit genau wie das klassische Marketing das Ziel, die Organisation und deren Produkte in ganzheitlicher Weise auf die Bedürfnisse der Abnehmer (hier: potenzielle und aktuelle Mitarbeiter) auszurichten und damit dessen Attraktivität zu steigern. Der Schwerpunkt des Personalmarketings und die damit verbundene Vielzahl von Maßnahmen wird dadurch deutlich: Der Mitarbeiter wird weniger als „Ressource“ gesehen, sondern repräsentiert vielmehr einen Kunden, den es von Seiten der Organisation zu überzeugen, zu begeistern und langfristig zu binden gilt. Im folgenden Kapitel wird zunächst auf den Begriff des Per-sonalmarketings eingegangen und welche Aufgaben und Ziele damit verbunden werden. Anschließend werden Modelle und Maßnahmen des Personalmanagements vorgestellt. Den Abschluss des Kapitels bilden konkrete Beispiele eines zeitgemäßen Personalma-nagements.

13.2 Begriffsverständnis

Es existieren verschiedene Definitionen des Begriffs Personalmarketing. Simon et al. (1995) definieren es als:

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136 13 Personalmarketing

Die Orientierung der gesamten Personalpolitik eines Unternehmens an den Bedürfnissen gegenwärtiger (interner) und künftiger (externer) Mitarbeiter mit dem Ziel, gegenwärtige Mitarbeiter zu halten, zu motivieren und neue Mitarbeiter zu gewinnen.

Zusammengefasst ist modernes Personalmarketing demnach zu verstehen als

1. ganzheitliches Zusammenspiel aller Personalmaßnahmen/ der Personalpolitik2. professionelle, zielorientierte und langfristig geplante Aktivitäten3. orientiert an den Bedürfnissen der internen und externen Kunden, d. h. zukünftiger und

aktueller Mitarbeiter

Personalmarketing ist weit mehr als das Formulieren attraktiver Stellenanzeigen. Nach Felser (2010, S. 3) sollte „…das Personalmarketing als Leitbild, Denkweise oder Ori-entierungsrahmen in allen Feldern der Personalwirtschaft präsent (sein)“. Das bedeutet, dass Personalmarketing die Ziele sowie eine inhaltliche Richtung aller Personalaktivitäten (Personalbeschaffung, Personalauswahl, Personalentwicklung, Personaladministration etc.) steuert, die Durchführung und Ausgestaltung der einzelnen Maßnahmen jedoch in den jeweiligen Verantwortungsbereichen verbleibt. Dieser übergeordnete Orientierungs-rahmen bedarf einer professionellen, zielorientierten und langfristigen Planung, um sich in allen Aktivitäten nicht nur kurzfristig, sondern nachhaltig und nachvollziehbar für die jeweiligen Zielgruppen widerzuspiegeln.

Personalmarketing lässt sich im Hinblick auf die jeweilige Zielgruppe unterscheiden zwischen internem und externem Personalmarketing. Das interne Personalmarketing spricht aktuelle Mitarbeiter, das externe Personalmarketing potenzielle zukünftige Arbeit-nehmer an. In Anbetracht einer solchen Differenzierung unterscheiden sich auch die Ziele des internen und externen Personalmarketings.

13.3 Ziele des Personalmarketings

Übergeordnetes Ziel des Personalmarketings ist es, die Arbeitgeberattraktivität des Unter-nehmens zu steigern – das Unternehmen positioniert sich als eigenständige Marke, die Marketingmethode lautet „Employer Branding“. Die Markenbildung eines Unterneh-mens bezieht sich dabei nicht nur auf die Unterscheidung seiner Produkte von denen der Konkurrenz, sondern wird auch immer stärker zum Wettbewerbsvorteil hinsichtlich der Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber (Backhaus and Tikoo 2004). Das Unter-nehmen muss sich als Marke positiv von Mitbewerbern abheben um im Rennen um die besten Mitarbeiter zu gewinnen. Employer Branding wird definiert als die Identität eines Unternehmens als Arbeitgeber. Es vermittelt dessen Wertesystem, Regeln und Verhaltens-weisen mit dem Ziel, aktuelle und potenzielle Mitarbeiter zu begeistern, zu motivieren

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13713.3 Ziele des Personalmarketings

und an das Unternehmen zu binden (The Conference Board 2001). An diesem überge-ordneten Ziel des Employer Branding richten sich auch alle Ziele und Maßnahmen des internen und externen Personalmarketings aus (Abb. 13.1). Darüber hinaus haben internes und externes Personalmarketing sowohl einen wechselseitigen Einfluss und bestimmen das Markenimage der Organisation.

Beim externen Personalmarketing steht die Gewinnung von potenziellen neuen Mit-arbeitern im Vordergrund. Das Unternehmen soll von geeigneten Bewerbern als attrak-tiver Arbeitgeber wahrgenommen werden. Die Steigerung des Bekanntheitsgrades sowie die Verknüpfung des Unternehmens mit positiven (attraktiven) Alleinstellungsmerkmalen des Unternehmens (Trost 2009) führt zu einer Steigerung der Anzahl von Eigenbewerbun-gen, die das Bewerberpotenzial sicherstellen und zu einer Senkung der Recruitingkosten führen. Darüber hinaus wird sichergestellt, dass Kosten aufgrund von Verzögerungen bei der Nach- oder Neubesetzung von Stellen vermieden werden.

Die Ziele des externen Personalmarketings („Attraction – Personalgewinnung“) sind a) Schaffung eines positiven Arbeitgeberimages, b) Steigerung des Bekanntheitsgrades des Unternehmens, c) Sicherstellung eines ausreichenden Bewerberpotenzials, d) Senkung von Recruitingkosten, sowie e) Sicherstellung von reibungslosen Nach- und Neubeset-zungen

Das interne Personalmarketing verfolgt das Ziel, im Unternehmen vorhandene Mit-arbeiterressourcen zu binden und die Wechselbereitschaft der Mitarbeiter zu verringern, um langfristig auf einen stabilen Personalstamm von Fach-, aber auch von Führungskräf-ten zurückgreifen zu können. Maßnahmen in diesem Bereich zielen auf die Festigung von Commitment und Loyalität der vorhandenen Mitarbeiter durch eine Steigerung der Arbeitszufriedenheit.

Die Ziele des internen Personalmarketings („Retention – Personalbindung“) sind a) Steigerung des Commitments gegenüber der Organisation, b) Senkung der Fluktuationsrate, c) Sicherstellung der Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber, sowie d) Aufbau eines Pools von potentiellen Nachwuchs-Führungskräften.

Abb. 13.1 Internes und exter-nes Personalmarketing

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138 13 Personalmarketing

13.4 Maßnahmen des Personalmarketings

Alle Maßnahmen des internen und externen Personalmarketings richten sich am Employer Branding aus und kommunizieren dessen Werte und Absichten nach innen und außen. Grundsätzlich dienen alle Maßnahmen des internen Personalmarketings genauso dem ex-ternen Personalmarketing und umgekehrt. Darüber hinaus kann internes wie externes PM nur dann effektiv sein, wenn die Inhalte an beide Zielgruppen stimmig und authentisch kommuniziert werden und wenn die Botschaften Teil der jeweils anderen Realität sind. Das bedeutet, dass ein nach außen kommuniziertes Bild (z. B. Verfügbarkeit von Weiter-bildungs- und Karrieremöglichkeiten) im Unternehmen auch tatsächlich umgesetzt sein muss, da sonst Unzufriedenheit entsteht. Gleichzeitig haben Maßnahmen des internen Personalmarketings (z. B. Angebote der flexiblen Arbeitszeitgestaltung) auch eine Wir-kung nach außen (externes Personalmarketing), z. B. indem Mitarbeiter anderen von ihren Erfahrungen mit ihrem Arbeitgeber erzählen. Dies kann sowohl formell (z. B. durch Mit-arbeiter-Berichte in Print- und Online-Medien sowie sozialen Medien – z. B. facebook) oder informell (Mund-zu-Mund-Propaganda) geschehen.

Im Folgenden werden exemplarisch einige Maßnahmen des Personalmarketings vor-gestellt. Die Gliederung richtet sich nach dem Verlauf eines „Arbeitnehmerlebens“, d. h. von der Kontaktaufnahme über das Bewerbungsverfahren bis hin zur Einarbeitung und Weiterentwicklung eines Mitarbeiters einer Organisation.

13.5 Externes Personalmarketing – Personalgewinnung

Imagekampagnen auf der Basis von ZielgruppenanalysenEine hohe Bekanntheit verbunden mit einem positiven Image des Unternehmens führt zu einer Erhöhung der Bewerberanzahl,u. a. auch durch Initiativbewerbungen, insgesamt also zu einer Effizienzsteigerung und Kostensenkung des Personalgewinnungsprozesses. Durch Imagekampagnen sollen der Bekanntheitsgrad sowie die Attraktivität eines poten-ziellen Arbeitgebers gesteigert werden. Im Unterschied zum aktiven Recruiting wird hier keine spezifische Stelle ausgeschrieben, sondern ganz im Sinne des Employer Branding die Marke des Unternehmens und dessen positive Attribute verbreitet. Ziel dieser Image-kampagnen ist es, Unternehmenswerte glaubwürdig zu vermitteln und relevante Zielgrup-pen möglichst großflächig anzusprechen. Imagekampagnen werden mit Hilfe von Print- und Onlinemedien (Anzeigen, lokale und überregionale Nachrichten, Beiträge in Diskus-sionsforen, Themen-Blogs, Microblogging etc.) verbreitet.

Darüber hinaus können die Inhalte (= Werte) von Imagekampagnen auch durch die Präsenz und Initiative des Unternehmens überall dort, wo potenzielle Mitarbeiter auf das Unternehmen stoßen könnten, vermittelt werden (z. B. Fachtagungen, (Job) Messen, universitäre oder schulische Veranstaltungen (Sponsoring etc.), Zusammenarbeit mit Vereinen, Interessengruppen und Initiativen).

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13913.5 Externes Personalmarketing – Personalgewinnung

Vor allem Unternehmen, die durch Ihre Produkte Kontakt mit Endverbrauchern haben, können auf einen hohen Bekanntheitsgrad und damit eine hohe Anzahl von Initiativbewerbungen zurückgreifen. Durch Imagekampagnen lässt sich diese Bekanntheit nutzen, um die positive Bewertung des Unternehmens als Arbeitgeber zu verbessern.

RecruitingViele Unternehmen sind aufgrund ihres Tätigkeitsbereiches/ihrer Branche/ihrer Kunden und der Anforderungen an ihre Arbeitskräfte (z. B. IT-Experten) (zusätzlich) auf aktives Recruiting angewiesen. Unabhängig vom Bekanntheitsgrad des Unternehmens hat aktives Recruiting immer den Vorteil, passende Bewerber gezielt anzusprechen und einen vorse-lektierten, also passenderen Bewerberpool zur Besetzung einer offenen Stelle heranziehen zu können. Im Folgenden werden einige aktive Recruiting Maßnahmen vorgestellt.

1. Stellenanzeigen Stellenanzeigen beinhalten die Beschreibung der zu besetzenden Stelle vor dem Hin-

tergrund der Unternehmensmerkmale (→ Employer Branding) sowie die Erwartungen an die Qualifizierung der Bewerber.

Eine Studie des Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS – Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und Otto-Friedrich-Universität Bam-berg) aus dem Jahr 2011 (von Stetten et al. 2011), bei der die Top-1.000-Unternehmen aus Deutschland befragt wurden, zeigt, dass bei großen Unternehmen die online-Medien im Vergleich die größte Bedeutung für das Recruiting haben: 87 % der offenen Stellen werden auf der eigenen Webseite und 61,2 % in Internet-Stellenbörsen ausge-schrieben, hingegen nur 20,2 % in Printmedien und 21,9 % der Stellenanzeigen werden an die Agentur für Arbeit gemeldet. Daraus folgt, dass 71,8 % aller Einstellungen auf eine Stellenanzeige im Internet zurückzuführen sind (Weitzel et al. 2011).

In Bezug auf die Effektivität von Internet-Stellenbörsen zeigt die aktuelle Nielsen-Stu-die (ACNielsen GesmbH 2011), dass die Portale Monster und Stepstone die erste Wahl für Arbeitssuchende unter den zur Verfügung stehenden Portalen sind. Auch das Web 2.0 wird als Plattform des externen Personalmarketings genutzt. Unternehmen pos-ten ihre Stellenanzeigen oder sonstige Veranstaltungen in sozialen Netzwerken (Xing, Facebook, LinkedIn), Blogs oder Microblogs (z. B. Twitter).

2. Personalmessen Externes Personalmarketing wird auch durch die Präsenz von Unternehmen auf Job-

Messen umgesetzt. Regionale wie überregionale Unternehmen nutzen Jobmessen, um potenzielle Bewerber kennenzulernen und direkt anzusprechen. Damit kombiniert die Job-Messe sowohl Maßnahmen zur Steigerung des Bekanntheitsgrades und der Arbeit-geberattraktivität als auch aktives Recruiting, da Bewerber sich nicht nur über die aus-stellenden Unternehmen informieren, sondern direkt vor Ort Bewerbungsgespräche führen können. Die Effektivität von Personalmessen wird von Unternehmen als durch-schnittlich effektiv angesehen, da die Kosten hier im Vergleich zum Nutzen sehr hoch

Page 150: Human resource management by jens rowold

140 13 Personalmarketing

ausfallen (Weitzel et al. 2011). Zielgruppen des Recruitings auf Personalmessen sind vorrangig Universitäts-Absolventen.

3. Externe Personalberater Viele Unternehmen greifen bei der Personalgewinnung auf externe Personalberatungen

zurück. Ziel ist vorrangig die Gewinnung von Fach- und Führungskräften. Der Trend, Recruiting externen Anbietern in die Hände zu legen, ist steigend, so stieg der Gesamt-umsatz der Personalberaterbranche im Jahr 2010 um 18,2 % auf 1,30 Mrd. Euro (BDU 2011). Personalberater übernehmen als Dienstleister entweder den gesamten Recruiting-Prozess (Schaltung von Stellenanzeigen + Vorselektion der Bewerber + Bewerbungsge-spräche) oder nur einen Teil davon. Neben den „klassischen“ Recruitingmethoden wie Stellenanzeigen verfügen Personalberater meist über eine Datenbank attraktiver Kan-didaten für eine Position, die genutzt wird, um diese Personen gezielt anzusprechen. Dieses unter der wenig schmeichelhaften Bezeichnung „Headhunting“ oder vornehmer „Executive Search“ geführte Vorgehen zielt vorrangig auf hoch qualifizierte Spitzen-kräfte ab, die aus einer bestehenden Position „abgeworben“ werden sollen.

4. Empfehlung durch Mitarbeiter Die Empfehlung potenzieller Bewerber durch aktuelle Mitarbeiter beurteilen Unter-

nehmen als positives Personalmarketingkonzept. Dies ist verständlich vor dem Hinter-grund des guten Kosten-Nutzen-Verhältnisses dieser Maßnahme. Kosten entstehen nur dann, wenn Mitarbeiterempfehlungen mit einer Prämie belohnt werden, demgegenüber stehen die Kosteneinsparungen bei Recruitingmaßnahmen und häufig eine erfolgreiche Passung von Bewerber und Unternehmen. Dies liegt vor allem daran, dass der Bewer-ber durch seinen Bekannten, der bereits beim Unternehmen angestellt ist, bereits einen wichtigen „Insider-Blick“ auf die tatsächlichen Arbeitgebermerkmale werfen konnte. Das Personalmarketing im Sinne der Vermittlung eines authentischen positiven Images hat der Bekannte bereits für sein Unternehmen übernommen.

5. Aufbau eines Talent-Pools Ein in den Augen von Unternehmen sehr erfolgreiches Mittel des externen

Personalmarketings ist die frühzeitige Gewinnung von Mitarbeitern durch Unternehmenspraktika, Werksstudententätigkeiten oder Zusammenarbeit im Rahmen des Studiums (duales Studium oder Zusammenarbeit bei Abschlussarbeit o.ä.). Praktikantenprogramme sind laut der Studie der CHRIS (von Stetten et al. 2011) sogar die von Unternehmensvertretern am positivsten beurteilte Personalmarketingmaßnahme. Der Erfolg der zeitweiligen Zusammenarbeit mit potenziellen zukünftigen Mitarbeitern ist nicht verwunderlich, da das Unternehmen mit einem relativ kleinen Kostenaufwand (Vergütung des Praktikanten/Diplomanden/Werksstudenten, Arbeitsplatzausstattung) vieles gewinnt: Neben der Arbeitskraft des Praktikanten wird der potenzielle zukünftige Arbeitnehmer an das Unternehmen gebunden, indem er mit dem Unternehmen unmittelbar bekannt gemacht wird und dessen Identität hautnah kennen lernt. Durch positive Erfahrungen im Sinne von Arbeitserfolgen, Lernzuwachs und sozialem Austausch mit Kollegen entwickelt der zeitweilige Mitarbeiter bereits in einer prägenden Phase der Orientierung (Studium/in der Schulzeit) eine positive Bindung

Page 151: Human resource management by jens rowold

14113.6 Internes Personalmarketing – Personalbindung

zum Unternehmen und identifiziert sich als Teil der Organisation. Nach Abschluss des Studiums/der Ausbildung ist es deshalb wahrscheinlich, dass er sich bei „seinem“ Unternehmen wieder bewirbt. Positiver Nebeneffekt für die Unternehmen: Der zukünftige Mitarbeiter ist der Belegschaft bereits bekannt, er kennt die internen und externen Arbeitsabläufe und benötigt somit weniger Einarbeitungszeit, was wiederum zu einer Reduktion von Kosten für das Unternehmen führt.

Exkurs: Externes Personalmarketing – AuswahlprozessAuch der Personalauswahlprozess (vgl. Kap. 15) selbst stellt ein Instrument des externen Personalmarketings dar. Dies umfasst sowohl alle Aktivitäten des Prozesses selbst (In-terview, ggf. Assessment Center etc.) als auch den administrativen Prozess im Kontakt mit dem Bewerber (Schnelligkeit der Rückmeldung auf eine Bewerbung, Informationen zum Unternehmen im Vorfeld zum Interview, Ansprechpartner, Art und Weise der Rück-meldung). Die Akzeptanz von Auswahlverfahren spielt eine entscheidende Rolle bei der Gewinnung von Mitarbeitern. Die Akzeptanz wird auch als soziale Valididät bezeichnet und betont die Sichtweise des Bewerbers, und ob dieser mit der Teilnahme am Auswahl-verfahren zufrieden ist. Dadurch sollte das Auswahlverfahren immer auch als Teil des Per-sonalmarketings angesehen werden. Umfangreiche Forschung belegt, dass mit steigender sozialer Validität von Auswahlverfahren erstens die Attraktivität des jeweiligen Unterneh-mens als Arbeitgeber sowie zweitens die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich ein Stellenange-bot anzunehmen, steigt (Chapman et al. 2005). Diese beiden Effekte der sozialen Validität sind gerade in Branchen mit Fachkräftemangel sehr relevant.

Nach Schuler (Schuler 2001) lassen sich verschiedene Verfahren nach ihrer Beliebtheit in eine Reihenfolge bringen: 1. Vorstellungsgespräch; 2. Arbeitsprobe; 3. Praktikumsleis-tung; 4. Zeugnisnoten; 5. psychologischer Test; 6. Lebenslauf; 7. Schriftproben; 8. Los-verfahren (siehe hierzu auch Kapitel: Recruiting).

13.6 Internes Personalmarketing – Personalbindung

Ziel des internen Personalmarketings ist die Sicherstellung der Zufriedenheit und der emotionalen Bindung der Mitarbeiter, die bereits im Unternehmen beschäftigt sind. Sind Mitarbeiter zufrieden und emotional an das Unternehmen gebunden, sinkt die Fluktuations- und Abwesenheitsrate (Tett and Meyer 1993) und steigt die Leistung (Judge et al. 2001). Darüber hinaus sind die Mitarbeiter gesünder (Faragher et al. 2005) und leisten mehr, als eigentlich von ihnen erwartet wird (Williams and Anderson 1991). Daraus folgt, dass auch das Personalmarketing das übergeordnete Ziel verfolgt, Kosten zu reduzieren und Gewinne zu steigern. Als internes Personalmarketing werden demnach alle Maßnahmen bezeichnet, die die Arbeitszufriedenheit und die emotionale Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen direkt oder indirekt positiv beeinflussen. ( siehe auch Kapitel: Arbeitsrelevante Einstellungen).

Page 152: Human resource management by jens rowold

142 13 Personalmarketing

OnboardingDas interne Personalmarketing beginnt am ersten Tag des Mitarbeiters im Unternehmen. Auch hier gilt, dass der erste Eindruck einer der wichtigsten ist, deshalb sollte in das sogenannte „Onboarding“ des Mitarbeiters investiert werden. Wichtig ist hier ein „Willkommensritual“ (Schüller and Fuchs 2009), wie z. B. eine Betriebsführung, das Informieren aller Mitarbeiter über den neuen Kollegen (per E-Mail, bei Meetings etc.), sowie die Begrüßung/der Empfang am ersten Arbeitstag durch den Vorgesetzten und ein Einführungsprogramm z. B. durch einen Paten (dies kann ein Kollege aus dem eigenen Team oder aus einem anderen Team sein). Ziel des Onboardings ist es, die vorhandene positive Wahrnehmung des Unternehmens in den Augen des neuen Mitarbeiters zu bestätigen (analog zur sogenannten „Kaufbestätigung“ im Produktmarketing).

MitarbeiterbindungEine Reihe von Attraktivitätsfaktoren beeinflussen die Zufriedenheit und die Bindung an das Unternehmen und können durch Human Resource Management-Maßnahmen im Sin-ne eines internen Personalmarketings unterstützt werden. Erstens führt ein positives Un-ternehmensimage (Wer sind wir und wofür stehen wir?) zu einer Mitarbeiterbindung. Es werden z. B. Veranstaltungen, Workshops oder Visualisierungen der unternehmensspezifi-schen Kultur, Vision oder der Werte durchgeführt. Zweitens fördert die Vielfalt der Aufga-ben die Bindung des Mitarbeiters. Klassische Maßnahmen wie z. B. das Job Rotation oder Job Enrichment sind als Beispiele zu nennen (vgl. Kap. 12). Eine dritte Möglichkeit stellt die Anreizgestaltung dar. Neben materiellen Anreizen (Grundgehalt, Bonussysteme: Leis-tungsorientierte Bezahlung, Firmenwagen, Altersvorsorge) sind immateriell Anreize (Lob und Anerkennung innerhalb oder außerhalb des Teams: Bspw. „Mitarbeiter des Monats“) gleichwertig effektiv. Viertens stellen ansprechende Aus- und Weiterbildungsmöglichkei-ten eine wichtige Motivationsquelle dar, ebenso wie Entwicklungs- und Karrierechancen.

13.7 Umsetzung in der Praxis – Fallbeispiel

Am Lufthansa-Konzern lässt sich beispielhaft zeigen wie professionelles Personalmarke-ting aussehen kann und welche Mittel moderne Unternehmen ausschöpfen, um hochquali-fizierte Mitarbeiter auf sich aufmerksam zu machen und langfristig zu binden.

Seit 2002 werden über die Imagekampagne „Be Lufthansa!“ (Lufthansa 2011) firmen-charakteristische Werte wie Sicherheit, Zuverlässigkeit, Innovation und Verantwortung kommuniziert mit dem Ziel, die Lufthansa als unverkennbare Marke und hochattraktiven Arbeitgeber zu positionieren. Dabei wird insbesondere das Internet als Kommunikations-medium genutzt. Das Herz der Kampagne, die sich sowohl an aktuelle als auch potenti-elle Mitarbeiter richtet, ist ein separates Berufsinformations- und Bewerbungsportal, das sämtliche personalrelevanten Informationen online verfügbar macht: Hier werden nicht nur aktuell zu vergebende Stellen und Ausbildungsplätze im „Karriere Cockpit“ inseriert, sondern der Besucher kann sich auch einen umfassenden Überblick über Berufsbilder und

Page 153: Human resource management by jens rowold

143Literatur

Anforderungsprofile verschaffen, sich über den allgemeinen Bewerbungsablauf und ggf. den Status seiner persönlichen Bewerbung informieren, sich auf Eignungstests vorberei-ten und laufend aktualisierte Nachrichten über Jobmessen und andere Firmenevents erhal-ten. Darüber hinaus bietet das Portal vielfältige Informationen über das Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber ( Employer Branding) und nutzt hierzu u. a. Video-Botschaften verschiedener Mitarbeiter des Konzerns („Warum es Spaß macht, bei Lufthansa zu ar-beiten“). Das Bewerberportal „Be Lufthansa!“ findet sich ebenfalls als Facebook-Seite, wo im Wesentlichen ähnliche Informationen abgerufen werden können (Facebook 2011). Zusätzlich haben Nutzer hier die Möglichkeit, individuell und gezielt Fragen zu stellen oder sich mit anderen Bewerbern auszutauschen. Während der Fokus des Karriereportals auf der Rekrutierung neuer, qualifizierter Mitarbeiter bzw. der Karriereplanung bereits im Unternehmen angestellter Mitarbeiter liegt, können sich Flugbegeisterte auf dem Brand-Channel der Lufthansa auf youtube.com Videos zum Einsatz des neuen Airbus A380, verschiedene Werbeclips und Mitschnitte diverser Firmenveranstaltungen und Aktionen ansehen und so einen lebendigen Eindruck von Arbeitsklima und Unternehmenskultur bekommen.

Daneben präsentiert sich die Lufthansa sehr ausführlich auf den Seiten externer online-Stellenbörsen wie z. B. www.stellenboersen.de. Auch hier finden Interessenten neben ak-tuellen Stellen eine umfangreiche Konzernbeschreibung, Berufsdarstellungen, Angaben zur Vergütung und aktuelle Meldungen zu bewerbungs- und stellenrelevanten Aktionen wie z. B. Schülerinformationstage.

Das Unternehmen gibt eine eigene Mitarbeiterzeitung heraus, um seine Angestellten über aktuelle Prozesse im Unternehmen zu informieren. Der „Lufthanseat“ kann als Print und online bezogen werden.

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Personaleinsatz und Personalfreisetzung

Carina Cohrs

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_14

14

14.1 Einführung

Die Personaleinsatzplanung nimmt in gesamtunternehmerischer Sichtweise eine wichtige Funktion ein. Sie hat Einfluss auf die Planung des Personalbedarfs in qualitativer, quanti-tativer, örtlicher und zeitlicher Hinsicht (Tiedtke 2007). Damit steht sie auch im Zusam-menhang mit der Personalbeschaffung. So müssen zum Beispiel die vorhandenen Stellen mit geeigneten neuen Mitarbeitern besetzt werden, wenn im Unternehmen nicht genügend Mitarbeiter vorhanden sind. Sind umgekehrt Arbeitnehmer mit den geforderten Fähigkei-ten nicht auf dem freien Markt verfügbar müssen interne Mitarbeiter durch entsprechende Personalentwicklungsmaßnahmen geschult werden. Ebenso steht die Personaleinsatz-planung im Zusammenhang mit der Produktionsplanung. Ist die Vorgabe beispielsweise am Tag 100.000 Schrauben zu produzieren, so müssen entsprechend viele Mitarbeiter in der Produktion eingesetzt werden. Diesbezüglich besteht auch eine enge Beziehung zur Organisationsplanung. Plant die Unternehmensführung beispielsweise betriebliche Um-strukturierungen, müssen diese mit einer entsprechenden Planung des Personaleinsatzes abgestimmt werden. Wichtiger Bestandteil einer fundierten Personaleinsatzplanung ist zu-dem auch die Arbeits- und Anforderungsanalyse. Diese stellt den ersten Schritt dar, wenn es darum geht betriebliche Positionen mit geeigneten Mitarbeitern zu besetzen. Sie dient dazu, die Anforderungen der Stelle zu definieren, die dann im späteren Verlauf mit den Qualifikationen des potentiellen oder aktuellen Stelleninhabers abgeglichen werden (vgl. Kap. 7). Ziel ist dabei eine optimale Passung von Person und Tätigkeit zu erreichen. Zu-dem spielt im Prozess der Personaleinsatzplanung auch die Arbeitsgestaltung eine Rolle, denn die Arbeitsbedingungen müssen so gestaltet sein, dass es auch Mitarbeiter mit ent-sprechenden Qualifikationen gibt, die die Stelle besetzen können.

Page 156: Human resource management by jens rowold

146 14 Personaleinsatz und Personalfreisetzung

Im zweiten Teil des Kapitels werden die Maßnahmen der Personalfreisetzung näher betrachtet. Diese spielt im Rahmen der Personalplanung ebenfalls eine wichtige Rolle. So kann es beispielsweise vorkommen, dass sich Unternehmen aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtsituation von Mitarbeitern trennen müssen. Die verschiedenen Strategien zur Per-sonalfreisetzung sind dabei Gegenstand des vorliegenden Kapitels.

14.2 Personaleinsatz

14.2.1 Begriffsverständnis

Personaleinsatzplanung meint die Zuordnung von Beschäftigten, auf die im Betrieb ver-fügbaren Arbeitsplätze. Die Zuordnung kann aus quantitativer, qualitativer, zeitlicher oder örtlicher Sicht geschehen (Olfert und Rahn 1999). Generell ist das Ziel der Personalein-satzplanung eine optimale Passung von Mitarbeiter und Tätigkeit herzustellen. Die He-rausforderung besteht dabei darin, dass Mitarbeiter entsprechend ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten denjenigen Arbeitsplätzen zugeordnet werden müssen, dessen Anforderun-gen sie optimal begegnen können. Zu diesem Zweck findet ein Abgleich der Qualifika-tionen des Mitarbeiters mit den Anforderungen der zu besetzenden Stelle statt. Betrachtet man die Personaleinsatzplanung dabei aus quantitativer Sicht, ist das Ziel, alle im Unter-nehmen verfügbaren Stellen mit geeigneten Mitarbeitern zu besetzen. Gibt es in einem Unternehmen beispielsweise drei Positionen im Bereich der Buchhaltung, gilt es diesen Positionen drei geeignete Mitarbeiter zuzuordnen. Dabei spielen auch qualitative Aspekte eine Rolle. So müssen die Stellen mit Personen besetzt werden, die auch Erfahrung in der Buchaltung haben und somit die Anforderungen der Position optimal bewältigen können. Ziel der qualitativen Personalplanung ist somit zu planen, welche Mitarbeiter mit einem bestimmten Qualifikationsprofil aktuell und in Zukunft benötigt werden. Ebenso spielen zeitliche und örtliche Aspekte eine Rolle. So müssen die Mitarbeiter auch bereit sein in der entsprechenden Stadt, an der sich die zu besetzende Position befindet, zu arbeiten bzw. die Arbeitszeitbedingungen zu akzeptieren.

14.2.2 Modelle

Der Ablauf der Personaleinsatzplanung lässt sich in einem Prozess beschreiben (Abb. 14.1). In einem ersten Schritt werden dabei die Anforderungen der zu besetzenden Position er-mittelt. Dazu wird zunächst eine Arbeits- und Anforderungsanalyse (vgl. Kap. 7) durch-geführt. Im nächsten Schritt lässt sich aus der Arbeits- und Anforderungsanalyse eine kon-krete Stellenbeschreibung ableiten. Diese umfasst alle im Rahmen der Arbeitsaufaugabe auszuführenden Tätigkeiten, die Ziele, die mit ihr verfolgt werden, die Befugnisse, die ein Mitarbeiter in ihrem Rahmen hat sowie die Einordnung der Position in die Hierarchie des Unternehmens (Olfert und Rahn 1999). Anschließend wird ein Anforderungsprofil

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14714.2 Personaleinsatz

erstellt, das alle für die Position erforderlichen fachlichen Kompetenzen und verhaltens-bezogenen Merkmale umfasst. Dieses wird im letzten Schritt mit dem Qualifikationsprofil des Bewerbers bzw. Stelleninhabers abgeglichen. Ergibt sich bei diesem Vergleich, dass die Anforderungen größer sind als die Qualifikationen, folgt daraus, dass der Bewerber abgelehnt wird bzw. Personalentwicklungsmaßnahmen eingeleitet werden müssen, um die Kompetenzen des aktuellen Stelleninhabers zu erweitern. Übersteigen umgekehrt die Qualifikationen die Anforderungen, ist eine Erweiterung der Arbeitstätigkeit im Sinne von Job Enlargement bzw. Job Enrichment oder eine Beförderung bzw. Versetzung des Mit-arbeiters anzudenken.

Im Folgenden sind die einzelnen Komponenten des Prozesses kurz dargestellt. Auf die Arbeits- und Anforderungsanalyse wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen. Eine ausführliche Beschreibung befindet sich in Kap. 7. Aus diesem Grund wird zunächst die Stellenbeschreibung näher erläutert.

StellenbeschreibungDie Inhalte der Stellenbeschreibung lassen sich auf drei Ebenen beschreiben. Dem Ins-tanzenbild, dem Aufgabenbild und dem Leistungsbild (Henze und Kammel 2001). Das Instanzenbild spiegelt dabei wieder, wie die Position ins hierarchische Gefüge des Unter-nehmens einzuordnen ist. Es umfasst sowohl die genaue Bezeichnung der Position, als auch die Kommunikationswege zu anderen Positionen. Eine genaue Bezeichnung der Position, insbesondere auch die genaue Rangbezeichnung ist notwendig, da mit der Rang-bezeichnung auch häufig eine Einstufung in eine bestimmte Lohngruppe einhergeht. Zu-dem lassen sich daraus auf Kompetenzen und Befugnisse schließen, die der Stelleninhaber besitzt. Beispiele für Rangbezeichnungen sind Assistent, Abteilungsleiter, Gebietsleiter oder auch Bereichsleiter.

Das Aufgabenbild umfasst alle Aufgaben, die mit der entsprechenden Position einher-gehen. Die Aufgaben sollten präzise formuliert werden. Bedeutsam ist auch, dass wirklich alle Aufgaben, die die Stelle umfasst, mit in die Stellenbeschreibung aufgenommen wer-den, egal wie häufig die Tätigkeit ausgeführt wird. Eine detaillierte Positionsbeschreibung

Abb. 14.1 Prozess der Personaleinsatzplanung

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148 14 Personaleinsatz und Personalfreisetzung

gibt dem Stelleninhaber zudem einen Rahmen, bis wohin sein Aufgabenbereich reicht und erleichtert ihm somit seine Arbeit zu gestalten.

Die Anforderungen, die die Position an den Stelleninhaber stellt, werden im Leistungs-bild formuliert. Die Anforderungen lassen sich aus der Arbeits- und Anforderungsanalyse ableiten und werden kurz und präzise in der Stellenausschreibung formuliert.

AnforderungsprofilIm Rahmen eines Anforderungsprofils werden die fachlichen Kompetenzen und verhal-tensbezogene Merkmale zusammengefasst, die für die Ausführung einer Tätigkeit erfor-derlich sind. Sie beschreiben, welche Anforderungsmerkmale die entsprechende Stelle besitzt. Dabei ist zu beachten, dass die Anforderungsmerkmale sehr konkret und insbe-sondere verhaltensbezogen formuliert werden. So wäre z. B. „Kommunikationsfähigkeit“ allein keine ausreichende Anforderungsbeschreibung. Eine korrekte Beschreibung für Kommunikationsfähigkeit wäre z. B. „überzeugendes Argrumentieren“ oder „sicheres Auftreten“. Neben der Definition auf Verhaltensebene können Anforderungen aber auch fachliche Kenntnisse umfassen. So sind gängige Formulierungen beispielsweise „ein ab-geschlossenes Studium“ oder „mindestens 3 Jahre Berufserfahrung“. Das Anforderungs-profil kann als Ergänzung der Stellenbeschreibung betrachtet werden.

QualifikationsprofilDas Qualifikationsprofil gibt einen Überblick über die Qualifikationen des (potentiellen) Stelleninhabers. Diese können sowohl fachliche als auch persönliche Kompetenzen um-fassen. Um einen Überblick über die Qualifikationen zu bekommen, können beispielswei-se Analysen verschiedenster Dokumente, z. B. von Zeugnissen, durchgeführt werden oder auch Interviews bzw. berufsspezifische Tests durchgeführt werden. Die Erstellung eines Qualifikationsprofils dient dazu die Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Bewerbers bzw. Stelleninhabers mit den Anforderungen der Stelle abzugleichen.

14.2.3 Empirische Befunde

Die empirische Forschung im Bereich Personalplanung konzentriert sich hauptsächlich auf verschiedene statistische Modelle zur Zuordnung von Mitarbeitern zu Arbeitsplätzen. Dabei ist zu beachten, dass eine rein qualitative Methodik nicht ausreicht, um eine optima-le Entscheidung zu treffen. Auch sogenannte „weiche“ Faktoren, wie z. B. Teampassung oder individuelle Interessen und Karriereziele sollten Berücksichtigung finden. Dennoch bieten quantitative Messmethoden eine gute Möglichkeit zur Optimierung, Orientierung und Abschätzung des Personalbedarfs. Ein wichtiges Instrument im Rahmen der Perso-naleinsatzplanung stellt die Erstellung von Dienstplänen dar. Dienstpläne liegen in einer Vielzahl von Berufsgruppen vor, wie Beispielsweise im Bereich der Altenpflege, Kran-kenhäusern, im Fertigungsbereich oder auch im Polizeidienst.

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14914.2 Personaleinsatz

Mit der Implementierung eines neuen Dienstplansystems beschäftigten sich Taylor und Huxley bereits in ihrer Untersuchung im Jahre 1989. Gegenstand der Untersuchung war die Einführung eines neuen Systems zur Erstellung von Dienstplänen und eine Umstel-lung des Schichtsystems von 5*8 h wöchentlicher Arbeitszeit auf 4*10 h wöchentlicher Arbeitszeit im San Francisco Police Department (SFPD). Vor der Einführung des neuen Systems wurden die Schichtpläne noch per Hand erstellt. Dies führte dazu, dass auf Än-derungen weniger schnell reagiert werden konnte und die Erstellung der Dienstpläne sehr viel Zeit in Anspruch nahm. Bedeutsam bei der Einführung eines computergestützten Sys-tems zur Erstellung von Schichtplänen ist, dass das System genau den Anforderungen des Unternehmens entsprechen muss. Das SFPD benötigte beispielsweise ein System, das die Daten aus einem bereits vorhandenen Programm bei der Erstellung der Schichtpläne mit berücksichtigen sollte. In dem bereits bestehenden System wurden Einsatzzeiten oder auch Anzahl der eingehenden Notrufe erfasst. Zudem sollte die Erstellung eines Dienstplanes nicht länger als 30 min dauern und Änderungen innerhalb von einer Minute übernommen sein. Die Benutzeroberfläche des Programms sollte des Weiteren leicht zu bedienen sein. Anhand dieser Kriterien wurde ein entsprechendes Programm erstellt. Mit Hilfe des neuen Programms war es nun möglich verschiedene Szenarien durchzuspielen. So zeigte sich beispielsweise, dass es effektiver ist die Mitarbeiter an vier Tagen 10 h arbeiten zu lassen, als an fünf Tagen acht Stunden. Zudem ist es effektiver die Streifenwagen zu Zeiten, in denen in der Regel weniger Einsätze vorkommen nur mit einer Person zu besetzen und zu Stoßzeiten, wie z. B. nachts, mit zwei Mitarbeitern zu besetzen. Die Untersuchung zeigt, dass durch eine effektive Dienstplangestaltung deutliche Personalkosten eingespart werden können. So konnte das SFPD $ 11 Mio. pro Jahr an Personalkosten einsparen. In Notfallsituationen konnte durch die effektivere Planung zudem schneller reagiert werden. Diese Studie zeigt, dass es sinnvoll ist, die eigene Personalplanung genau zu hinterfragen und die Gestaltung von Dienstplänen zu optimieren.

14.2.4 Umsetzung in der Praxis

Ein Bereich, in dem die Personaleinsatzplanung ein häufig diskutiertes Thema darstellt, ist der Gesundheitssektor. In Zeitungen sind oftmals Berichte über Behandlungspannen zu finden, die auf Übermüdung von Ärzten zurückzuführen sind. Aus diesen Gründen kommt der Personaleinsatzplanung eine bedeutsame Rolle zu. Als Praxisbeispiel soll an dieser Stelle die Personaleinsatzplanung in der zentralen Notaufnahme (ZNA) näher betrachtet werden. In der ZNA werden Patienten behandelt. 20 % der Patienten werden durch den Rettungsdienst in die Notaufnahme gebracht, die anderen 80 % der Patienten werden von ihrem niedergelassen Arzt in die Notaufnahme überwiesen bzw. kommen eigeninitiativ (Gries et al. 2010). Um die Patienten hinsichtlich ihrer Erkankungsschwere zu kategori-sieren, werden in manchen Kliniken, wie z. B. auch im Klinikum Fulda, spezielle Systeme eingesetzt. Demnach werden Patienten mit besonders schweren Erkrankungen der Kate-gorie Rot zugeordnet und Patienten mit leichteren Beschwerden der Kategorie grün (Gries

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150 14 Personaleinsatz und Personalfreisetzung

et al. 2010). Dies bedeutet für die ZNA wiederrum, dass Patienten der roten Kategorie vorrangig behandelt werden müssen und man nicht einfach nach dem zeitlichen Eintreffen der Patienten gehen kann. Zudem lässt die Kategorisierung auch auf die Behandlungs-dauer schließen. So besteht beispielsweise ein Zusammenhang zwischen der Schwere der Erkrankung und der Behandlungsdauer (Gries et al. 2010). Zudem gibt es gerade in der ZNA große Schwankungen in der Anzahl der Patienten, da diese je nach Krankheitsbild auf andere Stationen weiterverlegt werden. Zur Berechnung des Personalschlüssels sind daher das Patientenaufkommen an den verschiedenen Wochentagen sowie die Tages-zeit relevant. So treffen beispielsweise 70 % der Patienten außerhalb der gewöhnlichen Arbeitszeiten von 07:30–16:30 Uhr ein (Gries et al. 2010, S. 72). Die bisher genannten Einflussgrößen müssen bei der Berechnung des Personalschlüssels berücksichtigt werden. Dementsprechend kann man den quantitativen ärztlichen Personalbedarf pro Stunde mit einer Formel ermitteln. Dieser ergibt sich aus dem Produkt der Zahl der neu eintreffenden Patienten pro Stunde und dem Zeitbedarf zur Behandlung. Dieser wird mit 30 min ver-anschlagt, somit wird die Zahl der eintreffenden Patienten pro Stunde mit 0,5 multipliziert (Gries et al. 2010, S. 74).

Dennoch reicht eine quantitative Planung des Personalbedarfs nicht aus, um den Ein-satz des Personals optimal zu planen. Es müssen darüber hinaus noch qualitative Aspekte in Betracht gezogen werden. Die Herausforderung in der ZNA besteht darin, dass Patien-ten mit ganz unterschiedlichen Beschwerden behandelt werden müssen. In Deutschland gibt es bisher jedoch keinen Facharzt für Notfallmedizin. Das Personal der ZNA setzt sich im Allgemeinen aus Chirurgen, Internisten oder Anästhesisten zusammen. Diese werden dann teilweise von Assistenten aus verschiedenen Fachabteilungen unterstützt (Gries et al. 2010, S. 76). Es bietet sich dabei an, einen Personalpool zusammenzustellen, in dem alle Ärzte bzw. Assistenten aufgenommen werden, die von ihren Qualifikationen her zur Ar-beit in der ZNA geeignet sind (Gries et al. 2010). Die Zusammenstellung eines solchen Pools bietet ein solides Fundament, um auch langfristig eine optimale Behandlung von Patienten in der ZNA sicherzustellen und auf längere Sicht den Personaleinsatz optimal zu planen. Eine gute Personalplanung ist wiederrum eine Voraussetzung für die Zufriedenheit der Mitarbeiter und die Behandlungsqualität (Gries et al. 2010).

14.3 Personalfreisetzung

14.3.1 Begriffsverständnis

Zur Freisetzung von Personal kommt es, wenn ein Personalüberschuss vorliegt. Letzteres bedeutet, dass mehr Mitarbeiter im Unternehmen angestellt sind, als tatsächlich benötigt werden. Ziel ist es dann im Rahmen der Personalfreisetzung, den Überhang zu beseitigen. Die Ursachen für einen Personalüberschuss sind vielfältig. Man kann grundsätzlich zwi-schen personenbedingten und unternehmensbedingten Ursachen unterscheiden.

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15114.3 Personalfreisetzung

Im Folgenden sind exemplarisch einige Beispiele für mögliche Ursachen eines Perso-nalüberhangs aufgeführt.

Personenbedingte Ursachen• Mangelnde Leistung• Fehlverhalten (z. B. Alkoholmissbrauch, unentschuldigtes Fehlen, ständige Verspätun-

gen, Weitergabe von vertraulichen Informationen, Diebstahl, etc.)

Unternehmensbedingte Ursachen• Konjunktur-, struktur-, saisonalbedingte Absatzrückgänge• Fusionen• Umstrukturierungen/ Reorganisationen• Rationalisierungen• Konkurs• Verlagerung des Produktionsstandortes

Exkurs außerordentliche KündigungDie außerordentliche Kündigung wird auch als fristlose Kündigung bezeichnet (vgl. Rabe v. Pappenheim 2012, S. 247). Gemäß § 626 BGB können alle Dienstverhältnisse sowohl vom Arbeitnehmer als auch vom Arbeitgeber aus wichtigem Grund außerordentlich ge-kündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt dann vor, wenn dem Arbeitnehmer eine weitere Ausübung seiner Tätigkeit im Unternehmen nicht länger zugemutet werden kann. Der Mitarbeiter hat beispielsweise andere Mitarbeiter bestohlen und wurde offensichtlich als Täter identifiziert. Damit ist das Vertrauen zu den Kollegen gebrochen und eine Zusam-menarbeit unter solchen Umständen wäre nur noch sehr schwer möglich. Im Gegensatz zur ordentlichen Kündigung ist bei der außerordentlichen Kündigung keine Kündigungs-frist einzuhalten.

Zu beachten ist, dass Personalfreisetzung nicht zwingend mit Personalabbau gleich-zusetzen ist. Personalfreisetzung kann sowohl andere reaktive Maßnahmen, wie z. B. Kurzarbeit oder Umschulung als auch antizipative Maßnahmen, wie z. B. Einstellungs-stopp umfassen. Entscheidend ist dabei jedoch nicht die Art der Maßnahme, sondern der Zeitpunkt zu der sie eingesetzt wird. So kann ein Einstellungsstopp beispielsweise reaktiv sein, wenn bereits ein Personalüberbedarf festgestellt wurde. Andererseits kann er antizi-pativ sein, wenn sich eine Wirtschaftskrise anbahnt und abzusehen ist, dass die Umsätze des Unternehmens sinken werden.

Wichtig: Die Rolle des Betriebsrates bei KündigungenIn Unternehmen, in denen einen es einen Betriebsrat gibt, gilt gemäß § 102 I 1 BetrVG. dass der Betriebsrat vor jeder Kündigung durch den Arbeitgeber anzuhören ist. Eine Kündigung ist gemäß § 102 I 3 BetrVG; Rdnr. 953 ff. unwirksam, wenn Sie ohne den Betriebsrat ausgesprochen wird.

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152 14 Personaleinsatz und Personalfreisetzung

14.3.2 Modelle

Im Folgenden sind verschiedene Maßnahmen dargestellt, die Alternativen zur Entlassung von Mitarbeitern im Falle eines Personalüberhanges liefern. Diese Maßnahmen kann man in vier übergeordnete Bereiche unterteilen: qualitative, quantitative, zeitliche und örtliche Maßnahmen (Abb. 14.2). Diese Unterteilung ist kein starres Konstrukt, vielmehr gehen die einzelnen Dimensionen fließend ineinander über. So kann beispielsweise „Aus- und Weiterbildung“ einerseits eine qualitative Maßnahme darstellen, nämlich dann, wenn die Mitarbeiter durch die Weiterbildungsmaßnahme neue Qualifikationen erwerben, anderer-seits kann „Aus- und Weiterbildung“ aber auch eine örtliche bzw. quantitative Maßnahme darstellen. Dies ist dann der Fall, wenn die Mitarbeiter durch ihre neu erworbenen Qua-lifikationen in einer anderen Abteilung eingesetzt werden (örtlich) und dadurch die Mit-arbeiterzahl in der ursprünglichen Abteilung reduziert wird (quantitativ).

Qualitative MaßnahmenQualitative Maßnahmen zur Reduktion eines Personalüberschusses umfassen Maßnahmen der Personalentwicklung u. a. Aus-und Weiterbildung. Im Allgemeinen dienen Sie dazu, Mitarbeiter weiter zu qualifizieren. Der Vorteil dieser Maßnahme besteht darin, dass Mit-arbeiter durch ihr größeres Qualifikationsportfolio flexibler im Unternehmen eingesetzt werden können. So kann es beispielsweise vorkommen, dass in einem Unternehmen im Bereich Controlling ein Personalüberschuss herrscht, die Buchhaltung im Gegensatz dazu aber unterbesetzt ist. Durch Umschulung der überschüssigen Mitarbeiter aus dem Bereich Controlling, können ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben und gleichzeitig kann der Personal-bedarf in der Buchhaltung gedeckt werden. Wichtig dabei ist, dass die Mitarbeiter gezielt weitergebildet werden und die Weiterbildungsmaßnahmen im Idealfall vorgenommen wer-den, bevor ein Personalfreisetzungsbedarf entsteht, um dann gezielter reagieren zu können.

Abb. 14.2 Übersicht über die Maßnahmen zur Reduktion des Personalbestands

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15314.3 Personalfreisetzung

Quantitative MaßnahmenIm Rahmen der quantitativen Maßnahmen wird eine Reduktion des Personalüberhangs durch Personalabbau angestrebt. Dabei stellt die Entlassung nicht die einzige Möglichkeit dar. Im Folgen wird ein Überblick über die verschiedenen quantitativen Maßnahmen zur Personalfreisetzung gegeben.

EinstellungsstoppZiel des Einstellungsstopps ist die Reduktion des Personalbestands durch natürliche Fluk-tuationen. Damit ist gemeint, dass sich der Personalbestand durch Kündigungen von Mit-arbeitern, Krankheit, Verrentung etc. von allein reduziert. Die dadurch frei werdenden Stellen werden dann nicht durch neue Mitarbeiter nachbesetzt. Man kann zwischen ver-schiedenen Formen des Einstellungsstopps unterscheiden (Holtbrügge 2010). Beim gene-rellen Einstellungsstopp werden gar keine neuen Personen mehr eingestellt. Dies ist zwar der effektivste Weg Personalkosten einzusparen, allerdings bringt er auch verschiedene negative Konsequenzen mit sich. Kündigt beispielsweise ein Mitarbeiter in einem Projekt-team und die Stelle wird nicht nachbesetzt, müssen die anderen Mitarbeiter die zusätzlich anfallende Arbeit übernehmen und werden dadurch stärker belastet. Als weitere Option gibt es den qualifikationsbezogenen Einstellungsstopp. In einem solchen Fall dürfen be-sonders wichtige Positionen, wie z. B. Spezialisten- oder Führungspositionen besetzt wer-den. Als dritte Möglichkeit gibt es noch den modifizierten Einstellungsstopp. Bei dieser Form des Einstellungsstopps wird für jede zu besetzende Position detailliert geprüft, ob ein Ersatzbedarf besteht. In Bezug auf Einstellungsbeschränkungen hat der Betriebsrat gemäß § 91 bzw. § 106 BetrVG Unterrichtungs- bzw. Beratungsrechte.

OutplacementHeutzutage ist der Einsatz von Outplacements zunehmend beliebter, da die Arbeitswelt immer dynamischer wird und Umstrukturierungen in Unternehmen immer häufiger wer-den. Hinter dem Begriff Outplacement steht im Allgemeinen eine externe Beratungsagen-tur, die Unternehmen im Rahmen des Personalfreisetzungsprozesses unterstützt (Heinz-mann 2003). Dazu gehören die Vorbereitung der Trennung und deren Umsetzung. Den betroffenen Mitarbeiter bietet ein Outplacement in erster Linie die Möglichkeit, die Tren-nung zu bewältigen und die Entlassung als eine Möglichkeit zum beruflichen Neubeginn wahrzunehmen (Aquilanti und Leroux 1999). Zudem werden den betroffenen Mitarbei-tern neue Perspektiven für die eigene Karriereplanung eröffnet, z. B. durch die, während der im Outplacement durchgeführten Stärken-Schwächen-Diagnostik. Teilweise werden die Personen solange von der Outplacement Beratung betreut, bis sie wieder eine neue Stelle gefunden haben (Heinzmann 2003). In seltenen Fällen ist der Outplacement-Bera-ter Angehöriger des betroffenen Unternehmens. Da die Beratung unter Umständen recht kostspielig ist, wird diese Möglichkeit hauptsächlich Mitarbeitern aus dem Top Manage-ment eröffnet (Stroebe 1993).

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154 14 Personaleinsatz und Personalfreisetzung

Nichtverlängerung von befristeten ArbeitsverträgenEine einfache Form, den Personalbestand zu reduzieren, ist die Nichtverlängerung von befristeten Arbeitsverträgen. Diese Maßnahme ist weniger gut steuerbar, da das Auslaufen der Verträge genau mit dem Zeitpunkt zusammenfallen muss, zu dem der Personalüber-hang besteht. Daher ist diese Maßnahme eher antizipativ einzusetzen, wenn beispielswei-se abzusehen ist, dass sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens aufgrund einer anstehenden Konjunktur in nächster Zeit verschlechtern wird.

EntlassungenWird das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber beendet, spricht man von einer Entlassung. Dies ist die sozial härteste Methode, um den Personalbestand zu reduzieren. Für verschiedene Personengruppen gibt es dabei einen gesetzlich vereinbarten Kündigungsschutz. Dazu zählen u. a. Schwangere, Personen in Elternzeit und Schwerbe-hinderte. Bei einzelfallbezogenen Kündigungen ist zu beachten, dass vor der Kündigung eine Abmahnung auszusprechen ist. In Sonderfällen ist auch eine fristlose Kündigung möglich (§ 626 BGB). Dies ist dann gegeben, wenn dem Mitarbeiter eine Fortsetzung der Arbeitstätigkeit bis zum Ende der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Besteht ein dauerhafter Personalüberhang, ist es unter Umständen notwendig, ganze Gruppen von Personen zu entlassen. Ein solcher Fall würde dann eine gruppenbezogene Entlassung oder auch Massenentlassung darstellen. Von einer Massenentlassung spricht man dann, wenn innerhalb eines Zeitraums von 30 Kalendertagen in der Regel 5–10 % der Belegschaft entlassen werden (§ 17 Kündigungsschutzgesetz). In diesem Fall ist es sinnvoll mit den Mitarbeitervertretern bzw. dem Betriebsrat einen Sozialplan zu vereinba-ren. Weist sonst ein gekündigter Mitarbeiter nach, dass die Auswahl nicht nach sozialen Kriterien erfolgt ist, ist die Kündigung unwirksam (§ 1 KSchG). Der Sozialplan dient ge-mäß § 112 Abs. 1 S.2 BetrVG dazu, den Nachteil, den ein Arbeitnehmer durch den Verlust seines Arbeitsplatzes hat, auszugleichen bzw. abzumildern. Da keine gesetzliche Rege-lung zum Inhalt des Sozialplans vorliegt, bestimmen der Betriebsrat und der Arbeitgeber, welche Nachteile über den Sozialplan ausgeglichen werden sollen. Mögliche Inhalte des Sozialplans sind dabei die Berechnung bzw. Fälligkeit der Abfindung, Regelungen zum Resturlaub/Urlaubsgeld oder auch die Regelungen zur Sozialauswahl. Bei letzteren wird festgelegt, welche Mitarbeiter von der Entlassung betroffen sind. Soziale Kriterien, die im Rahmen der Sozialauswahl Berücksichtigung finden, sind u. a. die Dauer der Betriebszu-gehörigkeit, das Lebensalter, das Schwerbehindertenrecht und Unterhaltspflichten. Ziel der Aufstellung eines Sozialplans ist, das derjenige Mitarbeiter entlassen werden soll, den der Verlust seines Arbeitsplatzes am wenigsten hart trifft. Dem Sozialplan vorangeschaltet ist häufig die Aushandlung eines Interessensausgleichs mit dem Betriebsrat. Der Interes-sensausgleich schafft Regelungen darüber, ob, wann und wie die Betriebsänderung durch-geführt wird. Es geht dabei also nicht um den Ausgleich von Nachteilen. Dies ist eher Hauptgegenstand des Sozialplans. Als Betriebsänderung gelten gemäß § 111 Satz 1 Be-triebsverfassungsgesetz (BetrVG) Stilllegung, Verlegung des Betriebs oder von wesent-lichen Betriebsteilen, Zusammenschlüsse bzw. Spaltungen von Betrieben, grundlegende

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15514.3 Personalfreisetzung

Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder die Einführung neuer Ar-beitsmethoden. Zudem ist zu beachten, dass jede Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit gemeldet werden muss, bevor sie vorgenommen wird (§ 17 KSchG).

AufhebungsverträgeIm Rahmen von Aufhebungsverträgen wird das Arbeitsverhältnis im Gegensatz zur Kün-digung von beiden Seiten, also von Arbeitnehmer und Arbeitgeber beendet (Holtbrüg-ge 2010). Der Vorteil für den Arbeitgeber besteht darin, dass er den gesetzlichen Kündi-gungsschutz umgeht und auch Mitarbeiter entlassen kann, die bei einer Sozialauswahl aus dem Raster der zu freisetzenden Personen gefallen wären. Für Arbeitnehmer können unter Umständen jedoch Nachteile entstehen, z. B. dass sie von der Bundesagentur für Arbeit zunächst mit einer Sperrfrist belegt werden. In dieser Zeit haben sie kein Recht Bezüge zu beziehen. Auf der anderen Seite hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit flexibler auf neue Jobangebote zu reagieren, da er keine Kündigungsfrist mehr zu berücksichtigen hat.

Zeitliche AnpassungsmaßnahmenDie Reduktion eines Personalüberhangs ist auch durch die Gestaltung der Arbeitszeit möglich. Die gängigsten Methoden sind dabei die Verkürzung der Arbeitszeit, Überstun-denabbau oder die Anmeldung von Kurzarbeit. Von Kurzarbeit spricht man bei einer vor-rübergehenden Verringerung der Arbeitszeit. Der Betrieb kann durch die Anordnung von Kurzarbeit Lohnkosten einsparen. Bei der Einführung von Kurzarbeit sind verschiede-ne rechtliche Grundlagen zu berücksichtigen. So hat der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von Kurzarbeit. Aus Arbeit-nehmerperspektive bedeutet Kurzarbeit erhebliche Einkommenseinbußen. Das Arbeits-förderungsgesetz (AFG) besagt diesbezüglich, dass die Agentur für Arbeit teilweise den Einkommensausfall, der durch die Kurzarbeit entsteht, zu begleichen hat. So wird bei einem vorübergehenden Arbeitsausfall 60 % der Nettoentgeltdifferenz von der Agentur für Arbeit für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten (§ 177 Abs. 1 SGB III), im Aus-nahmefall bis zu 24 Monaten (§ 182 Abs. 1 Nr. 3 SGB III), übernommen. In der Praxis ist die Einführung von Kurzarbeit eine gängige Methode, um Personalkosten einzusparen. So schickte beispielsweise Autobauer Opel Anfang 2010 ca. 12.000 seiner Mitarbeiter in die Kurzarbeit (Schwarz 2010) und auch Daimler schickte Anfang 2008 ca. 20.000 Mitarbei-ter in Kurzarbeit (Autokrise: Daimler beschließt Kurzarbeit für 20.000 Mitarbeiter 2008).

Örtliche MaßnahmenÄhnlich wie bei der Aus- und Weiterbildung geht es bei den örtlichen Maßnahmen darum, den Personalüberhang zu reduzieren ohne den Personalbestand zu reduzieren. Dies kann beispielsweise durch betriebliche Umstrukturierungen oder auch Versetzungen geschehen. Von einer Versetzung spricht man gemäß § 95 Abs. 3 BetrVG, wenn eine erhebliche Än-derung des Arbeitsbereiches vorliegt, eine ortsfremde Tätigkeit aufgenommen wird, die über einen Monat dauert oder sich die Arbeitsbedingungen erheblich ändern. Beispiels-weise wird ein Mitarbeiter bei einer Versicherung nun nicht mehr im Innendienst, sondern

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156 14 Personaleinsatz und Personalfreisetzung

im Außendienst eingesetzt. Dies entspräche einer Änderung des Arbeitsbereiches. Er hat nun zudem auch Schichtdienst, was einer Änderung der Arbeitsbedingungen entspräche. Voraussetzung für eine Versetzung ist, dass die Mitarbeiter ähnliche Qualifikationen be-sitzen und dass der Zeitpunkt des Freistellungsbedarfs mit dem des Einstellungsbedarfs in einem bestimmten Bereich des Unternehmens übereinstimmt. Zudem muss der Betriebs-rat gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG über die Versetzung informiert werden, bevor diese stattfindet. Er hat zudem das Recht, Einspruch gegen die Versetzung zu erheben.

14.3.3 Empirische Befunde

Wie in Abschn. 3.2 bereits erläutert wurde, gewinnt der Einsatz von Outplacement-Cen-tern immer mehr an Bedeutung. Schätzungsweise sogar 75 % aller großen Unternehmen nutzen die Hilfe von Outplacement-Beratungen (Doherty et al. 1993). Da der Einsatz von Outplacements mitunter recht kostspielig sein kann, gewinnt die Kosten-Nutzen-Analyse eine große Bedeutung. Auf den Nutzen von Outplacements für die Arbeitnehmer fokus-sierte sich Westaby im Jahre 2004 im Rahmen seiner Langzeitstudie. Genauer gesagt, wurde die Wirkung verschiedener Formen von Outplacement-Centern auf verschiedene Wiedereinstellungskriterien betrachtet. Diese Forschungsfrage zielt darauf ab, dass es auf dem Beratungsmarkt sehr viele Beratungen gibt, die Outplacements anbieten. Die ange-botenen Outplacement-Programme unterscheiden sich dabei jedoch inhaltlich sehr stark voneinander. Manche sind nur eintägige Gruppenveranstaltungen andere wiederrum bie-ten eine umfassende Beratung und spezielle Ressourcen. Um die Frage nach der Effek-tivität der unterschiedlichen Formen von Outplacements zu beantworten, wurden in der Untersuchung von Westaby insgesamt 1880 Manager befragt, die nach Ihrer Entlassung an einem Outplacement teilnahmen. Die Ergebnisse zeigen dabei, dass Teilnehmer, die an einem Programm mit intensiver persönlicher Beratung und speziellen Ressourcen, wie z. B. E-Mail Zugang oder eigenem Büro, teilnahmen, am Ende zwar länger brauchten, um eine neue Anstellung zu finden, dafür aber die Wahrscheinlichkeit einer Neuanstellung größer war. Zudem erhielten Sie im Schnitt ein höheres Gehalt, als Teilnehmer der Basis Programme. Die längere Dauer bis zur Wiedereinstellung ist nach Critchley (1996) dar-auf zurückzuführen, dass die umfassenden Programme von der Dauer her nicht begrenzt waren und zudem die Mitarbeiter bessere Ressourcen zur Jobsuche zur Verfügung gestellt bekamen. Für die Praxis bedeuten diese Befunde, dass die Effektivität von Outplacement-Maßnahmen stark von deren Qualität abhängt.

14.3.4 Umsetzung in der Praxis

Wie bereits in Abschn. 3.2 aufgezeigt wurde, stellt die Einführung von Kurzarbeit eine gängige Methode dar, um einen Personalüberhang zu reduzieren. An dieser Stelle las-sen sich verschiedene Beispiele von Unternehmen erläutern, die in Zeiten von Rezession,

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157Literatur

Kurzarbeit anordneten. In der Automobilbranche wird diese Maßnahme besonders häufig genutzt. Exemplarisch soll nun näher auf die Einführung der vier Tage Woche bei der Volkswagen AG im Jahre 1993 eingegangen werden. Der Konzern wurde von der Wirt-schaftskrise regelrecht überrascht. Berechnungen zufolge bestand in den sechs nieder-sächsischen Werken plötzlich ein Personalüberschuss von ca. 30.000 Mitarbeitern. Da man die Region nicht schwächen wollte, erarbeiteten VW und die IG Metall an einer sozialverträglichen Lösung, um Personalkosten einzusparen (Schenk 2003). So kam es zur Einführung der vier Tage Woche. Das Konzept beinhaltete dabei eine Reduktion der wö-chentlichen Arbeitszeit von im Schnitt 36 h auf 28,8 h (Schenk 2003). Demnach bedeutet der Begriff Vier-Tage-Woche nicht, dass nur an vier Tagen die Woche gearbeitet wird, son-dern er impliziert vielmehr eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit. Im Rahmen des Sparprogramms von VW wurden insbesondere der individuelle Lebenszyklus, die Ein-kommenssituation sowie ein neues Verständnis von Zumutbarkeit berücksichtigt. Letzte-rer Begriff meint, dass die Mitarbeiter Versetzungen und Verkürzungen ihrer Arbeitszeit ohne entsprechenden Lohnausgleich in Kauf nehmen mussten. Die Einkommenssituation wurde dahingehend berücksichtigt, dass Mitarbeiter mit einem hohen Einkommen stärker von der Arbeitszeitverkürzung betroffen waren als Mitarbeiter mit einem sehr niedrigen Einkommen. Zudem wurde berücksichtigt in welcher Phase des Lebenszyklus sich ein Mitarbeiter befand. So wurden die Arbeitszeitkürzungen eher bei Berufseinsteigern und Personen, die kurz vor der Rente standen vorgenommen. Mitarbeiter, die hingegen eine Familie zu versorgen hatten, waren weniger stark betroffen (Haase und Kuhn 1995). Ins-gesamt konnten durch diese Sparmaßnahmen die Arbeitsplätze der Mitarbeiter gerettet und zugleich Kosten eingespart werden. Dieses Maßnahmenpaket stellte einen Meilen-stein in der Arbeits- und Personalpolitik dar.

Literatur

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Autokrise: Daimler beschließt Kurzarbeit für 20.000 Mitarbeiter. (8. Dez. 2008). Spiegel online. Verfügbar unter: http://www.spiegel.de/wirtschaft/autokrise-daimler-beschliesst-kurzarbeit-fu-er-20–000-mitarbeiter-a-595030.html. Zugegriffen: 24. April. 2013.

Critchley, R. (1996). The challenges of retrenchment at executive level. Practicing Manager, 17, 43–46.

Doherty, N., Tyson, S., & Viney, C. (1993). A positive policy? Corporate perspectives on redundan-cy and outplacement. Personnel Review, 22, 45–53.

Gries, A., Michel, A., Bernhard, M., & Martin, J. (2011). Personalplanung in der zentralen Notauf-nahme. Optimierte Patientenversorgung rund um die Uhr. Anaesthesist, 60(1), 71–78.

Haase, P., & Kuhn, T. (1995). Neue Arbeitsmodelle bei der Volkswagen AG. In R. Wunderer & T. Kuhn (Hrsg.), Innovatives Personalmanagement. Theorie und Praxis unternehmerischer Perso-nalarbeit, 263–286. Berlin: Luchterhand.

Heinzmann, S. (2003). Outplacement. Bern: Verlag Huber.Henze, J., & Kammel, A. (2001). Personalwirtschaftslehre 1 (7. Aufl.). Bern: Haupt.Holtbrügge, D. (2010). Personalmanagement (4. Aufl.). Heidelberg: Springer.

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158 14 Personaleinsatz und Personalfreisetzung

Olfert, K., & Rahn, H.-J. (1999). Einführung in die Betriebswirtschaftslehre (5. Aufl.). Ludwigs-hafen (Reihn): Friedrich Kiehl Verlag GmbH.

Rabe v. Pappenheim, H. (Hrsg.) (2012). Lexikon Arbeitsrecht. Heidelberg: Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH.

Schenk, S. (2003). Menschen teilen Arbeit. Sozialethische Überlegungen zum Volkswagen-Modell der 4-Tage Woche. Münster-Hamburg-London: LIT Verlag.

Schwarz, H. (17. Mai. 2010). Jeder zweite Opelaner arbeitet kurz. Süddeutsche. Verfügbar unter: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/produktion-gedrosselt-jeder-zweite-opelaner-arbeitet-kurz-1.74141. Zugegriffen: 25. April. 2013.

Stroebe, F. (1993). Outplacement – Manager zwischen Trennung und Neuanfang. Frankfurt a. M: Campus-Verlag.

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Personalauswahl

Carina Cohrs und Christina Block

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_15

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15.1 Einführung

Organisationen versuchen stets gutes und qualifiziertes Personal für sich zu gewinnen. Um vakante Stellen neu zu besetzen werden deshalb Verfahren eingesetzt, mit deren Hilfe geprüft werden soll, ob eine Passung zwischen der ausgeschriebenen Stelle und dem Be-werber besteht. Je nach Person und Tätigkeit gibt es beträchtliche Leistungs- und Anforde-rungsunterschiede, welche definiert und erhoben werden müssen (Nerdinger et al. 2008).

Die wissenschaftlich fundierte Personalauswahl ist ein Kernbereich der Personalpsy-chologie und weist eine lange Forschungstradition auf. Beispielsweise wurde bereits im alten China ca. 1100 v. Chr. systematisch eine Auswahl von Anwärtern für das höhere Be-amtenamt durchgeführt: Ähnlich eines Assessment-Centers mussten die Bewerber für das künftige Amt verschiedene Übungen (u. a. Reiten, Bogenschießen, Schreiben, Rechnen und Musizieren, s. Dubois 1966). durchlaufen und mit Erfolg abschließen. In den 20er Jahren wurde das Assessment-Center in professioneller Form für die Auswahl der Offizie-re beim deutschen Militär eingesetzt. Durch den 2. Weltkrieg wurde diese Methode über England auch in den USA als Auswahlinstrument etabliert und so Schritt für Schritt auch in anderen Bereichen eingesetzt (Sarges 2001).

15.2 Begriffsverständnis

Im Rahmen der Personalauswahl werden durch verschiedene Methoden und Instrumente Bewerber für die Besetzung einer Stelle in einer Organisation selektiert. Die Techniken zur Auswahl des geeignetsten Bewerbers beziehen sich auf zuvor durchgeführte Anfor-derungsanalysen bzgl. der Eigenschaften der zu besetzenden Stelle. Als wesentliches Element der Personalauswahl kann die Eignungsdiagnostik (siehe 3. Modell) angebracht werden (Kauffeld und Grohmann 2011).

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160 15 Personalauswahl

Der Prozess der Personalauswahl besteht aus unterschiedlichen Schritten. Zunächst muss anhand einer Anforderungsanalyse (siehe Kap. 7) definiert werden, welche Anfor-derungen an den Bewerber gestellt werden. Parallel werden durch das Personalmarketing Bewerber durch Stellenanzeigen gewonnen. Diese Bewerber werden dann durch das Per-sonalauswahlverfahren anhand von Techniken selektiert, die auf der Analyse der Anforde-rungen an die Stelle beruhen. Am Ende wird der beste Bewerber für die Stelle ausgewählt und eingestellt.

15.3 Modelle

Ein wichtiges Modell zur Einordnung verschiedener Instrumente der Eignungsdiagnostik stellt der trimodale Ansatz von Schuler (2001) dar. Hierbei typologisiert Schuler (2001) eigenschaftsorientierte, simulationsorientierte und biographieorientierte Verfahren, wel-che folgend erläutert werden.

15.3.1 Eigenschaftsorientierte Verfahren

Die eigenschaftsorientierten Verfahren sollen Aufschluss darüber geben, über welche persönlichen Ausprägungen eine Person unabhängig vom Berufskontext verfügt. Dieser Ansatz ist insbesondere von der Persönlichkeitspsychologie geprägt (Asendorpf 1999, 2007). Hierbei werden für die zu besetzende Stelle und Tätigkeit Anforderungen an den Bewerber abgeleitet (siehe Kap. 7) und mit diagnostischen Verfahren erhoben. Die typi-sche Methode zur Erhebung der eigenschaftsorientierten Verfahren ist somit der Test. Die Möglichkeiten zur Erhebung persönlicher Ausprägungen sind vielfältig. Verwendung in der Berufsdiagnostik finden insbesondere Tests zur Ermittlung von Intelligenz und ihren spezifischen Ausprägungen, Konzentrationstests, motorische und sensorische Leistungs-tests, Wissenstests oder auch die Ermittlung von Persönlichkeitsmerkmalen, die als andau-ernd und stabil gelten und mithilfe von Persönlichkeitsverfahren erhoben werden (Lienert und Raatz 1998).

Die kognitiven Fähigkeitstests werden im Allgemeinen auch als Intelligenztests be-zeichnet. Zu den am Häufigsten verwendeten Tests in der Berufseignungsdiagnostik ge-hören der Intelligenz-Struktur-Test (IST) sowie der Aufmerksamkeits-Belastungs-Test d2 (ABT d2) und der Wilde-Intelligenz-Test (WIT) (Schorr 1991).

15.3.2 Intelligenz-Struktur-Test

Der IST ist ein Intelligenztest, welcher auf einem mehrdimensionalen Konzept beruht. Erstmals wurde dieser von Amthauer (1953) entwickelt. Die Verbesserung des Tests führte über den IST-70 und den IST-2000 zu dem aktuellen IST 2000R (Amthauer 2001). Hierbei

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können elf Fähigkeiten ermittelt werden: 1) die verbale Intelligenz, 2) die figural-räum-liche Intelligenz, 3) die rechnerische Intelligenz, 4) die figurale Merkfähigkeit, 5) das schlussfolgernde Denken, 6) das verbale Wissen, 7) das figural-bildhafte Wissen, 8) das numerische Wissen und 9) das allgemeine Wissen sowie 10) fluide Intelligenz und 11) kristalline Intelligenz. Je nach Anforderungen können bei diesem Intelligenztest einige Module hinzugenommen oder weggelassen werden. Je nach Modul besteht der Test bei-spielsweise aus Aufgaben der Satzergänzung oder das Finden von Analogien und Gemein-samkeiten in Wortreihen oder der Anordnungen von Figuren und Würfeln die gedanklich aus verschiedenen Perspektiven zusammengesetzt oder auseinandergeschnitten werden müssen sowie aus Rechenaufgaben und Zahlenreihen oder das Einprägen und Wieder-geben von Figurenpaaren und Wörtern. Die Reliabilität für die einzelnen Skalen liegt zwischen .87 und .96 (Cronbach’s Alpha) und auch die Validität weist konvergente und diskriminante Gültigkeit auf (Amthauer 2001).

15.3.3 Aufmerksamkeits-Belastungs-Test d2

Der ABT d2 ist ein Test zur Ermittlung der individuellen Konzentrationsfähigkeit sowie Aufmerksamkeitsspanne und kann in der Eignungsdiagnostik angewandt werden. Hierbei wird die Sorgfalt und Geschwindigkeit im Arbeitsverhalten gemessen. Der ABT d2 ist ein standardisierter „Durchstreichtest“, welcher in weniger als zehn Minuten durchgeführt werden kann. Der Test besteht aus Buchstabenreihen mit den Buchstaben d und p. Diese Buchstaben sind jeweils mit Strichen versehen. Die Aufgabe besteht darin in wenigen Sekunden jeden Buchstaben d durchzustreichen, welcher mit zwei Strichen versehen ist. Fehler sollten hierbei möglichst vermieden werden. Somit unterscheidet er sich von den Tests zur allgemeinen Intelligenzerhebung (z. B. IST oder WIT). Cronbach’s Alpha liegt zwischen .95 und .98. Auch die Gültigkeit wurde durch verschiedene Validitätsmessungen belegt (Brickenkamp 2002).

Neben der Erhebung der Intelligenz werden auch Tests genutzt, die Ausprägungen der Persönlichkeit messen. Grundlage dieser Tests ist das Fünf-Faktoren-Modell (FFM) von Thurstone (1938), bestehend aus den Faktoren Neurotizismus, Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit . Auf diesem Modell aufbauend wurden Persön-lichkeitstests entwickelt, wie das NEO-FFI sowie der LMI für die Erhebung der Leis-tungsorientierung bzw. -motivation.

15.3.4 NEO-Fünf-Faktoren-Inventar

Das NEO-FFI ist ein Test zur Erhebung von Persönlichkeitsmerkmalen bei Jugendlichen und Erwachsenen auf fünf Skalen nach dem Fünf-Faktoren-Modell. Es wurde von Costa und McCrae (1992) entwickelt und von Borkenau und Ostendorf (1993) ins Deutsche übersetzt. Der Einsatz des NEO-FFI ist nicht speziell berufsbezogen, kann jedoch zur Dia-

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162 15 Personalauswahl

gnostik hinzugezogen werden. Die internen Konsistenzen (Cronbach’s Alpha) der Skalen liegen zwischen .72 und .87.

15.3.5 Leistungsmotivationsinventar

Das LMI ist ein Test zur Anwendung bei Jugendlichen ab 16 Jahren zur Berufsdiagnos-tik und Personalentwicklung sowie der Persönlichkeits- und Motivationsforschung. Das LMI enthält 17 Dimensionen zur Leistungsorientierung mit besonderem Augenmerk auf Aspekte der beruflichen Relevanz: Beharrlichkeit, Dominanz, Engagement, Erfolgszu-versicht, Flexibilität, Flow, Furchtlosigkeit, Internalität, Kompensatorische Anstrengung, Leistungsstolz, Lernbereitschaft, Schwierigkeitspräferenz, Selbstständigkeit, Selbstkon-trolle, Statusorientierung, Wettbewerbsorientierung und Zielsetzung. Cronbach’s Alpha liegt zwischen .68 und .86 (Schuler et al. 2000).

15.3.6 Simulationsorientierte Verfahren

Wenn es um die Erfassung von konkreten Verhaltensweisen geht, kommen simulations-orientierte Verfahren zum Einsatz. Sie dienen dazu Situationen möglichst dem späteren Beruf entsprechend abzubilden. Es soll dabei von dem Verhalten des Bewerbers in der Simulation auf sein späteres Verhalten im Beruf geschlossen werden. Simulationsorien-tierte Verfahren werden insbesondere im Rahmen von Assessment Centern eingesetzt. Unter dem Begriff Assessement Center versteht man eine „multiple Verfahrenstechnik, zu der mehrere eignungsdiagnostische Instrumente oder leistungsrelevante Aufgaben zu-sammengestellt werden“ (Schuler 2000; S. 118). In der Definition von Sarges (2001) wird dabei noch genauer auf die einzelnen Bestandteile des Assessment Centers eingegangen. Demnach sind Assessment Center „Gruppenprüfverfahren, in denen mehrere Kandidaten (meist 8–12) von mehreren geschulten Beobachtern (meist 4–6 Linienführungskräfte hö-herer Hierarchiestufen) in einer Vielzahl von Beurteilungssituationen (Übungen, Tests, Interview etc.) über einen längeren Zeitraum (meist 1–3 Tage) im Hinblick auf wichtige Managementkriterien nach festgelegten Regeln beurteilt werden“ (Sarges 2001, S. 1).

Die Durchführung eines Assessment Centers ist recht aufwändig und erfordert einen nicht zu unterschätzenden Zeitaufwand. Darum ist eine genaue Planung im Vorfeld der Durchführung unerlässlich. Von Bedeutung ist dabei, dass die Anforderungen so definiert sind, dass sie konkreten Verahltensweisen entsprechen, damit sie am Ende auch messbar sind (Höft und Funke 2001, S. 166). So würde als Anforderung „gutes Kommunikations-verhalten“ alleine nicht ausreichen. Eine konkrete Anforderung wäre z. B. „zeigt im Ge-spräch aktives Zuhören“.

Wie bereits erwähnt sollten in einem AC hauptsächlich simulationsorientierte Verfah-ren eingesetzt werden. Im Folgenden soll auf drei simulationsorientierte Verfahren exem-plarisch eingegangen werden.

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16315.3 Modelle

15.3.7 Gruppendiskussion

Die Gruppendiskussion wird von Unternehmen sehr häufig bei Assessment Centern ein-gesetzt (Schuler und Höft 2004b). Im Rahmen der Gruppendiskussion sollen zumeist sechs Personen eine gemeinsame Lösung zu einem vorgegebenen Thema finden. Dabei ist zwischen Diskussionen mit festen Rollen und ohne vorgegebene Rollen zu unterscheiden (Schuler und Höft 2004b). Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass viele Bewerber gleichzeitig beobachtet werden können und dass man die Bewerber im direkten Vergleich zu anderen Bewerbern sieht. Zudem ist der Konstruktionsaufwand relativ gering und die Durchführbarkeit recht einfach (Obermann 2009). Trotz dieser ökonomischen Aspekte, bringt der Einsatz von Gruppendiskussionen nicht nur Vorteile mit sich. Eine zu spezi-alisierte Themenwahl kann beispielsweise Teilnehmer benachteiligen, die weniger Vor-kenntnisse in dem geforderten Bereich mitbringen (Obermann 2009). So wird also eher spezialisiertes Fachwissen anstelle von Argumentationsttärke gemessen. Damit kommt es zur Überlappung von verschiedenen Fähigkeiten. Bei Gruppendiskussionen mit Rol-len kann die Rollenverteilung an sich auch zur Benachteiligung von Teilnehmern führen. Ebenso haben Bewerber, die an sich sehr kommunikativ sind und schnell etwas zu jegli-chen Themen beitragen können, Vorteile. Bewerber, die eher zurückhaltend sind und län-ger brauchen, um Argumente zu generieren sind eher im Nachteil (Obermann 2009). Des Weiteren weisen Gruppenübungen eine sehr hohe Reaktivität auf. Die Teilnehmer bilden Hypothesen über vermeintliche Anforderungen, die mit der Übung gemessen werden sol-len und verhalten sich dementsprechend. Dies führt dann häufig zu fehlerhaften Aussagen (Obermann 2009). Diese Summe der Nachteile führt insgesamt zu einer eher geringen Reliabilität (Gatewood et al. 1990) und Validität (Schuler and Höft 2004b).

15.3.8 Präsentation

Präsentationen werden zumeist in Form einer Einzelarbeit durchgeführt. Die Aufgabe der Bewerber besteht in der Regel darin, mit Hilfe von vorgegebenen Unterlagen einen Ein-zelvortrag zu einem bestimmten Thema aufzubereiten, Lösungsansätze zu entwickeln und anschließend vorzutragen (Eck et al. 2010). Es gibt

nativ auch noch andere Variationen bei denen die Teilnehmer einen Vortrag zu einem selbst gewählten Thema halten oder die Präsentation in Kombinationen mit anderen Übungen durchgeführt wird. Häufig schließt sich eine Präsentation z. B. an eine Grup-pendiskussion an. Wie auch bei der Gruppendiskussion gilt es im Vorfeld genau die An-forderungen zu analysieren, die mit der Durchführung einer Präsentation erfasst werden sollen (Eck et al. 2010). Zu beachten ist zudem, dass Bewerber, die sprachlich begabter sind, ebenso wie bei der Gruppendiskussion, auch bei dieser Aufgabenart Vorteile ha-ben (Obermann 2009). Des Weiteren kann es auch bei der Präsentation leicht zu einer Überlappung von Anforderungen kommen. Dies ist dann der Fall, wenn beispielsweise die Vorbereitungszeit zu kurz gewählt ist. Somit wird dann häufig eher Stressresistenz

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164 15 Personalauswahl

gemessen als z. B. die Fähigkeit neue Informationen zu strukturieren. Informationen zu den Gütekriterien in Bezug auf Präsentationen sind fast ausschließlich nur in der Untersu-chung von Schuler et al. (1995) zu finden. Dort zeigten sich Beurteilerübereinstimmungen zwischen.41 und.68. Die hinsichtlich eines beruflichen Leistungskriteriums erfasste Va-lidität lag bei.29. Um Reaktivität zu vermeiden, ist es wichtig, die Bewerber im Vorfeld über die Bewertungskriterien aufzuklären (Eck et al. 2010).

15.3.9 Fallstudie

Im Rahmen einer Fallstudie bekommen die Bewerber eine Situation aus dem beruflichen Alltag entweder mündlich oder schriftlich geschildert. Zumeist impliziert die Situations-schilderung, dass eine Lösung für ein bestimmtes Problem gefunden werden muss. Da-bei ist weniger entscheidend, wie die Lösung des Problems letztendlich aussieht, sondern der Lösungsweg ist von Bedeutung (Obermann 2009). Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die Aufgabenstellung so zu gestalten, dass mehrere Lösungen des Problems möglich sind. Bei dieser Aufgabenform stehen somit analytische, organisatorische und fachliche Kompetenzen im Vordergrund (Eck et al. 2010). Die Fallstudien können entweder als Einzel- oder Gruppenaufgabe eingesetzt werden. Generell geht es bei Fallstudien darum, den Berufsalltag möglichst genau abzubilden (Eck et al. 2010). Ein Problem besteht dabei darin, festzustellen, welche Kompetenzen nun genau zu Gelingen bzw. Misslingen des Bewerbers bei der Aufgabenbearbeitung beigetragen haben (Obermann 2009).

15.3.10 Validität des Assessment Centers

Dadurch, dass im Rahmen eines ACs verschiedenste Verfahren der Personalauswahl ein-gesetzt werden können, liegt der Schluss nahe, dass ACs naturgemäß auch eine hohe Va-lidität (also einen hohen Zusammenhang zur späteren beruflichen Leistung) aufweisen müssten. Die einschlägigen empirischen Untersuchungen zeigen jedoch, dass dies nicht der Fall ist. In der Studie von Thornton et al. (1992) zeigte sich ein mittlerer Validitäts-koeffizient von.37. Dies ist mitunter nicht mehr, als bestimmte Einzelverfahren aufweisen. Dabei stellt sich nun die Frage nach den Ursachen. Zum einen zeigt sich, dass ACs eine geringe Konstruktvalidität aufweisen (Schuler 2000). Das bedeutet zum einen, dass die Beurteiler keine eindeutige Differenzierung zwischen den Anforderungen bei einer Auf-gabe vornehmen. Die unterschiedlichen Anforderungsdimensionen korrelieren also sehr hoch. Zum anderen korrelieren die gleichen Anforderungsdimensionen über verschiedene Aufgaben hinweg sehr niedrig. Dennoch gibt es Möglichkeiten die Validität eines AC zu erhöhen. So wirkt sich beispielsweise der Einsatz von Psychologen als Beurteiler validi-tätserhöhend aus oder auch die Hinzunahme von psychologischen Tests (Schuler 2000). Generell sollten Beurteiler vor einem Assessment Center hinsichtlich der Bewertungs-skalen geschult werden.

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15.3.11 Biographieorientierte Verfahren

Die Verfahren innerhalb des biographieorientierten Personalauswahlprozesses versuchen „die in der Vergangenheit erzielten Resultate (früher gezeigtes Verhalten und erzielte Ergebnisse) für die Prognose zukünftigen Verhaltens zu verwenden“ (Schuler und Höft 2004b, S. 310). Als wohl bekanntestes biographieorientiertes Instrument können die Be-werbungsunterlagen angebracht werden. Häufig werden Daten über die Bewerber auch über biographische Fragebögen erhoben. Das Einstellungsinterview ist ebenfalls ein weit verbreitetes Instrument zur Personalauswahl. Insbesondere das multimodale Einstellungs-interview (MMI) ist hierbei von anderen Varianten, wie z. B. dem offenen und unstruktu-rierten Interview abzugrenzen.

15.3.12 Bewerbungsunterlagen und Referenzen

Schuler et al. (2007) geben in ihrer Untersuchung an, dass je nach Bewerbergruppe zwi-schen 92,7 % (techn. Praktikanten) und 99,1 % (kaufm. Auszubildende) der befragten Un-ternehmen die Sichtung und Auswertung von Bewerbungsunterlagen als eines der zent-ralen Instrumente zur Personalauswahl ansehen. Es ist demnach nicht bedeutsam, ob es sich bei der vakanten Stelle um einen Ausbildungsplatz oder eine zu besetzende Führungs-position handelt. Somit sind Bewerbungsunterlagen als primärer Anknüpfungspunkt zur ersten Selektion der Bewerber anzusehen. Oftmals sind die eingereichten Unterlagen der erste Kontakt zwischen dem Bewerber und dem Unternehmen. In den meisten Fällen dient die Sichtung der Bewerbungsunterlagen nicht der endgültigen Entscheidungsfindung über die Besetzung der freien Stelle, sondern vielmehr dazu ungeeignete Bewerber aus dem folgenden mehrstufigen Prozess auszuschließen.

Zunächst werden Vollständigkeit und die Erfüllung von formalen Voraussetzungen überprüft. Vollständige Unterlagen umfassen Anschreiben, Lebenslauf, Abschluss- und Arbeitszeugnisse. Das Lichtbild gilt ebenfalls als typisches Element einer Bewerbung. Aufgrund des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) darf dies jedoch nicht mehr direkt vom Unternehmen angefordert werden, um mögliche Diskriminierung einzu-dämmen. Auch Studien belegten bereits, dass die Attraktivität als eine Determinante für die positive Beurteilung einer Bewerbung Einfluss besitzt und somit intuitive Entschei-dungsprozesse unterstützt werden (Schuler und Berger 1979).

Formale Fehler sind in Bewerbungen oftmals Kriterien für eine Absage, jedoch gilt bei fehlerfreien Bewerbungen insbesondere der inhaltliche Aspekt, wie z. B. die bisher ge-sammelten Erfahrungen (Machwirth et al. 1996). Die durchschnittliche Zeit zur Sichtung der Unterlagen liegt nach Seibt und Kleinmann (1991) bei 10 min. In diesem Zeitfenster kann nicht gewährleistet werden, dass die vollständige Bewerbung mit allen eingereichten Unterlagen geprüft wird.

Die Validität der Bewerbungsunterlagen ist je nach Element einzeln zu betrachten. Die alleinige Sichtung der Einzelnoten im Zeugnis vermindert die Vorhersagewahrscheinlichkeit bezüglich des Ausbildungserfolges. Diese Korrelationen zeigen eine abnehmende Tendenz

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166 15 Personalauswahl

mit zunehmender Zeitintensität zwischen dem Schul- bzw. Studienabschluss und der Be-rufstätigkeit. Eine Vorhersage wird somit schwieriger. Jedoch gelten Zeugnisnoten dennoch als valideste Einzelkomponente in Bewerbungsunterlagen (Roth et al. 1996). Als besserer Prädiktor zum Ausbildungserfolg wird die Gesamtnote des Abschlusszeugnisses betrachtet.

Lebensläufe gelten neben den Zeugnissen als weiteres wichtiges Element einer Be-werbung. Primär können hierbei bisherige Stationen im Arbeitsleben dokumentiert wer-den. Die Dauer und Art der Berufserfahrung verbunden mit dem Berufserfolg weist eine Korrelation von .27 auf. Hingegen steigt die Validität auf einen Wert von .43 bei dem Zu-sammenhang zwischen dem Berufserfolg und der Menge an Berufserfahrung (Quinones et al. 1995). Gesicherte Werte können nicht direkt angegeben werden und weisen in der Regel einen großen Spielraum auf, sodass keine gezielte Aussage über die Validität der Lebensläufe getroffen werden kann. Auch wenn die Validität keine gänzlich geklärte Fra-ge darstellt, ist die Akzeptanz des Auswahlverfahrens mithilfe von Bewerbungsunterlagen bei Unternehmen sowie Bewerbern hoch.

Arbeitszeugnisse sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil um vergangene Arbeitssi-tuationen in Bewerbungen zu dokumentieren. Diese geben Auskunft über Verhalten und Fähigkeiten sowie ausführende Tätigkeiten und Engagement des Bewerbers. Über die Va-lidität von Arbeitszeugnissen kann keine genaue Aussage getroffen werden. Der Inhalt ist nicht immer eindeutig interpretierbar. Praktiker schätzen den Stellenwert von Arbeitszeug-nissen als eher gering ein und geben an, dass auch Bewerber mit schlechten Arbeitszeug-nissen aufgrund ihrer Qualifikationen zum Bewerbungsgespräch eingeladen werden. Im Allgemeinen dienen Arbeitszeugnisse vorrangig als Material, um das Bewerberinterview vorzubereiten (Schwarb 1990). Bei der Besetzung von Stellen höherer Hierarchiestufen sind Referenzen von größerer Bedeutung. Hier werden auch persönliche Meinungen von früheren Arbeitgebern eingeholt. Die Validität liegt bei einem Wert von .26 (Hunter und Hunter 1984; Moser und Rhyssen 2001).

Insgesamt leidet die Validität und Reliabilität der Bewerbungsunterlagen und Referen-zen aufgrund der fehlenden Standardisierung. Aussagen werden persönlich vom Bewerber getroffen. Hierbei ist gänzlicher Freiraum gegeben, die Bewerbung zu gestalten oder In-formationen hinzuzufügen bzw. wegzulassen.

15.3.13 Einstellungsinterview

Das Interview stellt zur Personalauswahl eine Gesprächssituation dar, an welcher neben dem Bewerber weitere wichtige Repräsentanten des Unternehmens teilnehmen. Neben der Sichtung der Bewerbungsunterlagen ist das Interview die verbreitetste Methode im Prozess der Personalauswahl. Der Bewerber sowie Unternehmensvertreter wollen hierbei spezifische Informationen erhalten. Diese betreffen zum einen relevante stellenbezogene Daten und Auskünfte über den Bewerber persönlich. Insbesondere Informationen, welche aus den Bewerbungsunterlagen nicht ersichtlich sind, aber auch darauf aufbauend erfragt werden können, wie z. B. Interessen, Fähigkeiten, Fertigkeiten oder situationsspezifische

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16715.3 Modelle

Verhaltensweisen. Zum anderen werden darüber hinaus Informationen über die Orga-nisation und die vakante Stelle diskutiert bzw. dargestellt (Schuler und Marcus 2006). Das Aufeinandertreffen mit unternehmerischen Vertretern ist häufig der erste persönliche Kontakt von dem Bewerber zu dem Unternehmen. Zu beachten ist, dass nicht nur das Un-ternehmen zukünftige Beschäftigte sorgfältig auswählt, sondern auch der Bewerber eine eigene Selektion vornimmt und unter Umständen ein erster negativer Eindruck seitens des Unternehmens zu einem Prozess der Selbstselektion des Bewerbers führt. Als besonders positiv wird der Aspekt empfunden, dass die Akzeptanz eines Einstellungsinterviews sei-tens des Bewerbers sowie der Organisation als besonders hoch erscheinen. Das persönli-che Gespräch wird als sehr aussagekräftig für den weiteren Auswahlprozess empfunden.

Das Interview kann als völlig freies Gespräch, aber auch teilstrukturiert oder standar-disiert und somit vollstrukturiert durchgeführt werden. Je strukturierter das Einstellungs-interview durchgeführt wird, umso wahrscheinlicher ist es, aussagekräftige Werte über den zukünftigen Erfolg eines Bewerbers in einem Unternehmen bzw. durch die mögliche Stellenbesetzung zu erhalten. Wiesner und Cronshaw (1988) stellten in einer Metaanalyse eine Validität von .13 für unstrukturierte Interviews fest. Vollstrukturierte Einstellungs-interviews weisen einen höheren Validitätskoeffizienten von .40 auf. Huffcutt und Arthur (1994) untersuchten ebenfalls Interviews nach ihrem Strukturierungsgrad und erfassten eine Validität von .20 bei unstrukturierten und.56 bei strukturierten Interviews.

Eine besonders hervorzuhebende Variante der strukturierten Interviews stellt das Multi-modale Interview (MMI) nach Schuler (1992) dar. Dieses ist in acht Komponenten geglie-dert, wobei jedoch drei dieser Komponenten nicht in die Bewertung einfließen und dazu dienen sollen, den Bewerber zu informieren bzw. einen natürlichen Gesprächsverlauf her-zustellen. Die übrigen fünf Komponenten dienen der Urteilsbildung über den Bewerber. Tabelle 15.1 beschreibt die einzelnen Phasen innerhalb des Interviews.

Tab. 15.1 Ablauf des MMI. (nach Schuler 1992)I. Gesprächsbeginn Freundliche Begrüßung um eine offene Atmosphäre zu schaffen;

Bewerber wird auf das Interview vorbereiten; keine BewertungII. Selbstvorstellung des Bewerbers

Bisheriger Werdegang; zukünftige Impressionen etc.; Bewertung erfolgt aufgrund von anforderungsbezogenen Dimensionen

III. Berufsorientierung und Organisationswahl

Standardisierte Fragen zur Berufs- und Organisationswahl; Bewer-tung erfolgt aufgrund von verhaltensverankerten Skalen

IV. Freier Gesprächsteil Offene Fragen bezogen auf die Selbstdarstellung sowie den Bewer-bungsunterlagen; Bewertung erfolgt auf summarischer Basis

V. Biographiebezogene Fragen

Abgeleitet aus anforderungsspezifischen Dimensionen; Bewertung erfolgt auf Grundlage von verhaltensverankerten Einstufungsskalen

VI. Realistische Tätigkeitsinformationen

Interviewer informiert über relevante Daten bzgl. der vakanten Stelle und der Organisation; keine Bewertung

VII. Situative Fragen Situationsspezifische Fragen; Bewertung anhand einer verhaltens-verankerten Skala

VIII. Gesprächsabschluss Fragen seitens des Bewerbers klären; weiteres Vorgehen bespre-chen; keine Bewertung

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168 15 Personalauswahl

Besonders hervorzuheben ist, dass das MMI konstruktorienterte, simulationsorienterte und biografieorientierte Ansätze integriert und die Bewertung dimensionsbezogen sowie summarisch vollzogen wird. Die Validität des MMI als Prädiktor für zukünftigen Berufser-folg wird nach Schuler und Moser (1995) mit einem Wert zwischen .30 und .50 angegeben.

15.4 Empirische Befunde

Bray und Grant (1966) untersuchten Mitte der 60er Jahre die Möglichkeit, durch das Assessment-Center das Leistungsvermögen von Managern der American Telephone and Telegraph Company (AT&T) vorherzusagen. Insbesondere die Nutzung von Methoden, welche die Leistung eines Kandidaten durch Aufgaben und Übungen in einem situati-ven Kontext ermitteln, galt als neuer innovativer Ansatz. Frühere Studien bestätigten die Gültigkeit einer Vorhersage für die Leistung durch die Methode des Assessment-Centers (Holt und Luborsky 1958; Kelly und Fiske 1951; Kelly und Goldberg 1959; OSS Assess-ment Staff 1948). Trankell (1959) und Albrecht et al. (1964) berichteten ebenfalls über hohe Korrelationen zwischen den Ergebnissen des Assessment-Centers und der gezeigten Leistung der Kandidaten über die Zeit hinweg. Allerdings variieren diese Studien in ihren genutzten Instrumenten innerhalb der Durchführung des Assessment-Centers, ohne dass den einzelnen Methoden (z. B. Interview, Tests, Bewerbungsunterlagen oder Übungen) relative Werte zur Gültigkeit zugesprochen werden konnten. Darüber hinaus waren die Beurteiler in den bisherigen Studien keine trainierten Personen, sodass die Bewertung der Kandidaten durch z. B. fehlende Objektivität und Standardisierung zu schwanken drohte (Bray und Grant 1966).

Bray und Grant (1966) untersuchten Männer ( N = 422) von sechs AT&T Tochterunter-nehmen, welche eine Stelle in leitender Position besetzten. Sie untersuchten insgesamt 25 Charakteristika (unter anderem Flexibilität, Organisationsfähigkeit, Sicherheitsbedürfnis und Stressresistenz) der Teilnehmer. Diese wurden während des Durchlaufens des Assess-ment-Centers von unabhängigen und trainierten Personen bewertet. Die Aufgaben um-fassten ein Interview, eine situative Übung, eine Gruppendiskussion sowie verschiedene Tests über die persönlichen Eigenschaften sowie das Leistungsvermögen des Kandidaten. Die Durchführung unterlag einem standardisierten Ablaufplan. Bray und Grant (1966) fanden heraus, dass die 25 erhobenen Charakteristika zu acht Faktoren zusammengefasst werden können (z. B. Arbeitsmotivation, Intellektuelle Fähigkeiten, Administrative Fä-higkeiten) und hierbei der erste Faktor, die generelle Leistungsfähigkeit, 26 % der Varianz des Leistungsvermögens aufklärt. Hierbei können insbesondere die situativen Übungen und die schriftlichen Leistungstest Vorhersagen über das Leistungsvermögen der Kan-didaten treffen, wohingegen Informationen über die bisherige Laufbahn des Kandidaten weniger Vorhersagewahrscheinlichkeit aufwiesen.

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16915.5 Umsetzung in der Praxis

15.5 Umsetzung in der Praxis

Um zu untersuchen inwieweit sich die praktische Umsetzung des Assessment-Centers auf die in der Forschung kommunizierten und empfohlenen Qualitätskriterien stützt, befrag-ten Kanning et al. (2007) deutsche Großunternehmen. Der Fokus der Untersuchung liegt bei Assessment-Centern im Einsatz der Personalauswahl sowie Personalentwicklung. Hierbei wurden drei Standards untersucht: Die AC-Konstruktion, die AC-Übungen und die AC-Durchführung. Die befragten Unternehmen (N = 97) hatten mindestens 5000 Mit-arbeiter und konnten 11 Branchen zugeordnet werden.

Die Ergebnisse der Untersuchung von Kanning et al. (2007) zeigen auf, dass das AC etwa gleichhäufig zur Personalauswahl und zur Personalentwicklung eingesetzt wurde. Pro Jahr wurden in Extremfällen bis zu 500 ACs für die Personalauswahl und 175 ACs für die Personalentwicklung eingesetzt (Median: ca. 7 ACs pro Jahr und Unternehmen). Üblicherweise werden hierbei pro Assessment-Center acht Kandidaten eingeladen, bei der Personalauswahl sind es in den meisten Fällen externe Bewerber und hierbei insbe-sondere Führungskräfte und Trainees; bei der Personalentwicklung sind es am häufigsten ACs für Führungskräfte. Bezüglich der AC-Konstruktion stellte sich heraus, dass 97 % der Unternehmen Anforderungsanalysen erstellen. Die Schulung von Beobachtern, welche in 75–95 % der Fälle durchgeführt wird, gewähreistet eine Einführung in die Materialen, Vermittlung von Maßstäben zur Bewertung sowie Hinweise auf Beobachterfehler. Jedoch schulen nur etwa 52 % der befragten Unternehmen ihre Beobachter praktisch. In der Hälf-te der befragten Unternehmen bekommen die Beobachter bereits vor Durchführung des ACs Informationen über die Teilnehmer. Die AC-Übungen bestehen im Durchschnitt aus fünf Teilen, am häufigsten werden hierbei Gruppendiskussionen, Rollenspiele, Präsentati-onen und Interviews durchgeführt. Seltener werden Fallstudien oder Konstruktionsübun-gen angewendet.

Bei der AC-Durchführung ergab sich, dass der Einsatz von Psychologen in der Be-obachterrolle bei 76 % der Unternehmen vollzogen wurde. Die unabhängige Bewertung der Teilnehmer können 40 % der Unternehmen nicht sicherstellen und lassen auch Be-einflussungen durch den Austausch zwischen Beobachter und Teilnehmer außerhalb der AC-Übungen in die Bewertung einfließen. Ein ausführliches Feedbackgespräch nach der AC-Teilnahme gewährleisten 97 % der befragten Unternehmen, hingegen wird eine Eva-luation des Assessment-Centers nur in wenigen Fällen (25 %) durchgeführt.

Aus diesen Ergebnissen lässt sich schließen, dass insbesondere Großunternehmen in Deutschland häufig Assessment-Center für die Personalauswahl sowie Personalentwick-lung nutzen, jedoch zum Teil die qualitativen Anforderungen aus der Forschung unbe-rücksichtigt bleiben. Im Besonderen ist bedenklich, dass Vorinformationen über die Kandidaten an den Beobachter weitergeleitet werden, denn so kann eine fokussierte und objektive Bewertung des Verhaltens des Teilnehmers nicht sichergestellt werden. Auch der kommunikative Austausch zwischen Beobachter und Teilnehmer zwischen z. B. den AC-Übungen gilt als Möglichkeit der Verzerrung der Bewertung sowie die gegenseitige Beeinflussung der Beobachter untereinander.

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170 15 Personalauswahl

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173

Personalentwicklung

Susanna M. Krisor, Jens Rowold und Christina Block

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_16

16

16.1 Einführung

Die Personalentwicklung ist ein Teilgebiet des strategischen Personalmanagements in Unter-nehmen. Bühner (2005, S. 95) beschreibt den Begriff als eine „planmäßige Erweiterung der fachlichen, methodischen, sozialen und persönlichen Qualifikationen“ eines jeden Mitarbei-ters, welche unter Berücksichtigung und mit dem Fokus auf individuelle sowie organisa-tionsspezifische Ziele umgesetzt werden. Unternehmen benötigen qualifiziertes Personal um die bestmögliche Arbeitsleistung sicherzustellen sowie weitläufig über Humankapital um wettbewerbs- und marktfähig zu bleiben. Deshalb sollten Organisationen auf eine fundierte Personalauswahl Wert legen und gezielt vorhandenes Personal weiterentwickeln, fördern und qualifizieren. Somit kann sich das Know-how im Unternehmen den sich verändernden Umweltbedingungen anpassen. Personalentwicklung ist also u. a. ein Teil der Organisations-entwicklung (Rosenstiel et al. 2005) und sorgt für die dauerhafte Lernfähigkeit eines Unter-nehmens. Aber auch für den einzelnen Mitarbeiter ist die eigene Personalentwicklung im Rahmen der Laufbahngestaltung und Fortbildung entscheidend. Neben der Ausweitung der eigenen Beschäftigungsfähigkeit (Employability), der Weiterentwicklung im Unternehmen sowie der eigenen Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt können gezielte PE-Maßnahmen die Motivation der Mitarbeiter beeinflussen und ihre Loyalität zum Unternehmen stärken.

16.2 Begriffsverständnis

„Die PE bezeichnet Lehr-/Lernprozesse, die von Organisationen systematisch geplant und durchgeführt werden, um die berufliche Qualifikationen oder Kompetenzen ihrer Mitglieder zu erhalten, zu erweitern und zu verbessern“ (Rosenstiel et al. 2005, S. 403).

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174 16 Personalentwicklung

Verglichen mit der Organisationsentwicklung ist das Ziel der PE also die Förderung des Verhaltens und Wissens von einzelnen Individuen, die der Organisation zugehörig sind (Schermuly et al. 2012).

Ryschka und Tietze (2011) beschreiben einen ganzheitlichen und organisierten Ablauf der PE anhand des Prozessmodells der Personalentwicklung (Abb. 16.1). Aufbauend auf den strategischen Unternehmenszielen können somit spezifische Maßnahmen konzeptio-niert und durchgeführt werden.

Zunächst muss eine systematische Erhebung von Kompetenzen, die die Grundlage für die Bestimmung des PE-Bedarfs darstellt, durchgeführt werden. Bei dieser Analyse soll festgestellt werden, welche Qualifikationen grundsätzlich im Unternehmen gebraucht werden. Dies geschieht in Abhängigkeit von den übergeordneten Zielen der Organisati-on und ihrer Lernkultur. Ohne Einbeziehung dieser grundlegenden Überlegungen können die PE-Maßnahmen „andernfalls wenig Akzeptanz und Unterstützung bei Führungskräf-ten und Mitarbeitern finden“ (Ryschka und Tietze 2011, S. 23). Aufbauend wird mittels der Aufgabenanalyse erhoben, welche Anforderungen und Tätigkeiten auf verschiedenen

Abb. 16.1 Prozessmodell der Personalentwicklung. (Nach Ryschka und Tietze 2011)

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17516.2 Begriffsverständnis

Ebenen der Organisation benötigt werden. Weiterführend wird die Passung zwischen An-forderungen, Tätigkeiten und Aufgaben sowie den zugehörigen Kompetenzen erhoben. Dadurch entsteht ein umfassender Überblick über Tätigkeiten in der Organisation und den zugehörigen Fähig- und Fertigkeiten. Abschließend wird durch die Personalanalyse erfasst wo bereits qualifiziertes Personal im Einsatz ist und welches Personal in welchem Rahmen neu geschult oder gefördert werden muss. Resultierend stellt die PE-Bedarfsana-lyse einen Ist-Soll-Vergleich dar. Dieser Vergleich geschieht entweder ergebnis-, tätig-keits- oder merkmalsorientiert. Eine ergebnisorientierte Analyse ermittelt die Erfüllung von Zielvereinbarungen, Kennziffernanalysen oder Benchmarks. Eine tätigkeitsorientierte Analyse basiert auf Arbeits- und Anforderungsanalysen (vgl. Kap. 7). Bei einer merkmals-orientierte Analyse wird davon ausgegangen, dass bestimmte berufsbezogene Persönlich-keitseigenschaften im Zusammenhang mit der Erfüllung von (z. B. verhaltensbezogenen) Arbeitsanforderungen stehen (vgl. Kap. 9). Besteht eine Differenz zwischen Soll- und Ist-Zustand, so müssen zunächst die Ursachen ermittelt werden. Sind diese geklärt kann bestimmt werden, ob PE-Maßnahmen auf diese Differenzen Einfluss nehmen und eine Verbesserung herbeizuführen möglich und effizient ist.

Aus der Bedarfsermittlung wird eine Konzeption der PE ausgearbeitet. Diese beschreibt die angestrebten Lehr- und Lernziele. Die wichtigsten Merkmale sind die Lerninhalte und –aufgaben. Nach der Bestimmung dieser muss eine angemessene Reihenfolge ausgearbei-tet und in Zusammenhang mit geeigneten Techniken und Methoden gebracht werden. Zahlreiche PE-Instrumente geben die Möglichkeit die gesetzten Ziele in geeigneter Form kreativ zu gestalten (Becker 2005). Sonntag (2002) unterteilt die Inhalte der PE-Ziele in Wissensvermittlung, Verhaltensmodifikation sowie Persönlichkeitsentwicklung. Im Be-reich der Wissensvermittlung stehen Ziele, die sich auf konkretes Faktenwissen (deklara-tives Wissen), Wissen über den Ablauf bestimmter Arbeitsschritte (prozedurales Wissen) oder Wissen über das Lernen selbst (Metawissen) im Vordergrund. Bezüglich der Verhal-tensmodifikation wird häufig bspw. das adäquate Verhalten im Umgang mit Kunden, Füh-rungsverhalten, Stressbewältigung oder Kommunikationsverhalten trainiert. Bezogen auf die Persönlichkeitsentwicklung handelt es sich häufig um längerfristige Interventionen oder Coachings, um berufsbezogene Persönlichkeitseigenschaften weiterzuentwickeln. Je nach Inhalt sollte das PE-Ziel möglichst exakt beschreiben, welches Ergebnis nach der PE-Maßnahme erreicht werden soll. Zu dieser Definition sollte bestimmt werden, wie das beobachtbare Zielverhalten aussieht, unter welchen Bedingungen dieses Verhalten gezeigt werden kann und nach welchem Beurteilungsmaßstab es bewertet werden soll (Mager 1969). Neben der Planung der Maßnahmen muss hier auch eine ressourcenorientierte Pla-nung und Zieldefinition vollzogen werden. Dies beinhaltet anfallende Kosten, verfügbare Räume und Personal sowie Zeit. Wenn die Ziele definiert wurden, wird die Interventions-maßnahme ausgewählt und gestaltet bzw. extern beauftragt. Vor der Durchführung der Intervention sollten die Evaluationskriterien in Bezug auf die PE-Ziele festgelegt werden. Anschließend erfolgt die Durchführung der PE-Maßnahme oder die Implementierung der PE-Konzeption im Unternehmen.

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176 16 Personalentwicklung

Abschließend ist insbesondere auf den Transfer und der PE-Maßnahme zu achten, denn ohne erfolgreiche Anwendung und Sicherung des Gelernten ist eine zukünftige Nutzung im Unternehmen nicht möglich. Unter Transfer wird die Übertragung des Gelernten aus der Intervention in den Arbeitsalltag verstanden. D. h. eine Intervention ist erst dann er-folgreich, wenn die Teilnehmer das zu lernende Verhalten nicht nur in der Trainingssi-tuation, sondern auch in der realen Umgebung ihrer Arbeit umsetzen können. Durch die vorherige Konzeption der PE-Maßnahme unter Beachtung geeigneter Methoden und Inst-rumente soll die Transfersicherung bereits beeinflusst werden. Jedoch muss auch rückwir-kend nach der Durchführung der Maßnahme besondere Achtung auf die Transferleistung gelegt werden.

Grundsätzlich hängt der Erfolg eines Trainings erst einmal davon ab, ob die Teilneh-mer überhaupt etwas lernen wollen oder dazu gedrängt werden. Um Lernmotivation zu erhalten sollte die Kommunikation angebotener PE-Maßnahmen an die gängigen Motiva-tionstheorien (siehe Kap. 12) angelehnt werden und z. B. der eigene Nutzen der besuchten Maßnahme sowie die Bedeutsamkeit für das Unternehmen deutlich gemacht werden. Als transferförderlich gelten Gestaltungsaspekte, die größtmögliche Übereinstimmung von Eigenschaften der Trainings- und der Arbeitssituation vereinbaren. Hierzu zählt das Ler-nen von allgemeinen Grundprinzipien, die Verdeutlichung der Inhalte durch arbeitsnahe Beispiele, Feedback über den Lernstand sowie Ideensammlungen über den Umgang mit Umsetzungsschwierigkeiten. Aber auch die Lernenden selbst können Merkmale aufwei-sen, die für den Transfer des Gelernten dienlich sind. Zum Beispiel sind eine hohe Leis-tungsmotivation (siehe Kap. 15) sowie die Persönlichkeitseigenschaft der Extraversion (Rowold 2007) Faktoren, welche positiv mit der Transfersicherung und -leistung korrelie-ren. Zudem kann die Arbeitsumgebung selbst darauf einwirken, ob ein Trainingsteilneh-mer das Gelernte anwenden kann oder darf.

Solga (2011) beschreibt darauf aufbauend das Transfermanagement als Lösung einer langzeitorientierten Sicherung des Gelernten. „Der Begriff des Transfermanagements ist mit der Vorstellung verbunden, daß sich Lerntransfer in großem Umfang managen, also planen, kontrollieren (evaluieren) und organisieren läßt“ (Lemke 1995, S. 5). Eine Trans-ferleistung kann nicht vorausgesetzt werden und muss proaktiv als wichtiger Aspekt in die Personalentwicklung einfließen. Dieser Einfluss kann innerhalb des Transfermanage-ments auf zwei Ebenen stattfinden. Zum einen die PE-Maßnahme und ihre Gestaltung (Lernfeld) und im Weiteren innerhalb der Arbeitsumgebung des Mitarbeiters (Funktions-feld). Die Gestaltung des Lernfeldes nimmt insbesondere innerhalb der PE-Konzeption eine wichtige Rolle ein und beeinflusst diese. Die bedeutende Transferleistung muss nach der Maßnahme abgerufen werden. Hierbei kann nur noch das Funktionsfeld direkt beein-flusst werden. Wesentlich hierfür sind insbesondere die Führungskräfte im Unternehmen. Diese sollten Gelegenheiten bieten Erlerntes anwenden zu können und gezielt Aufgaben delegieren, welche neues Wissen erfordern sowie Hilfestellung und Unterstützung bieten (Ryschka und Tietze 2011).

Auch die lernspezifische Organisationskultur in der Organisation ist von hoher Be-deutung für einen erfolgreichen Transferprozess. "Operativ zeigt sich Lernkultur in den

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17716.2 Begriffsverständnis

vielfältigen Formen des individuellen, gruppenbezogenen und organisationalen Lernens“ (Sonntag und Stegmaier 2005, S. 23). Hierzu zählt die Bereitstellung von ausreichenden Ressourcen für den Lernprozess, beispielsweise auch die Möglichkeit, über Fehler bei der Arbeit zu reflektieren und diese Erfahrungen an z. B. Kollegen weitegeben zu können (vgl. Kap. 6). Auch können hier flache Aufbaustrukturen, flexible Arbeitszeitbedingun-gen und Anreizgestaltung der Organisation genannt werden. In diesem Zusammenhang werden auch die Mitarbeiter mit ihren Einstellungen und Erwartungen und die PE-Maß-nahme stark beeinflusst. Kauffeld et al. (2008) erläutern primäre Merkmale, welche zu positiven Transferbedingungen führen. Innerhalb der Organisation sollten Offenheit für Veränderung und kontinuierliches Feedback als grundlegende Aspekte gelten sowie die positive Wirksamkeit des Erlernten. Es wird die aktive Unterstützung von Kollegen und Vorgesetzten erwartet und eine andauernde Möglichkeit das neue Wissen anzuwenden. Ebenfalls werden negative Folgen bei Nichtanwendung als wichtigen Aspekt für die Transferleistung verstanden. Die Teilnehmer definieren sich hierbei über die individuelle Selbstwirksamkeitsüberzeugung und somit der Überlegung, ob sie den geforderten An-forderungen gewachsen sind. Auch die persönliche Leistungsverbesserung und der Grad der Anstrengung hat Einfluss auf die Sicherung des Gelernten. Weiter sollten die Ergeb-niserwartungen transparent kommuniziert werden, um dadurch klare Zielvorgaben und Zielanforderungen zu definieren. Als besonders wichtiges Merkmal der Teilnehmer stellt sich die Motivation zum Lerntransfer dar. Hierbei müssen Barrieren abgebaut und die individuelle sowie organisationale Sinnhaftigkeit in den Vordergrund gerückt werden. Zu-sammenfassend muss also aktiv der Nutzen für die Arbeitstätigkeit und die Organisation aufgezeigt, die Transfererwartungen klar kommuniziert und die Transfererfolge verstärkt werden. Außerdem sollte der Transfererfolg in das Feedback einfließen und Transferpläne oder -verträge geschlossen werden.

Das Prozessmodell der Personalentwicklung schließt mit der Evaluation der Interven-tion ab. Die Evaluation dient als Erfolgs- und Qualitätskontrolle der PE-Maßnahme. Sie wirkt hierbei auf alle zuvor getätigten Schritte im Prozessmodell ein (Hochholdinger et al. 2007). Sie kann durch Erhebungsmethoden aufzeigen, ob und inwieweit die gesetzten Zie-le erreicht und die Differenzen im Ist-Soll-Abgleich vermindert wurden. Möglichkeiten diese Faktoren zu erheben sind z. B. Zufriedenheits- oder Kostenanalysen (siehe Kap. 19).

PE lässt sich weiter systematisieren nach einer Untergliederung nach Staufenbiel (1999). Zunächst nach der Ebene, also ob z. B. bei einem Individuum, einem Team oder einer ganzen Organisationseinheit ansetzt wird. Die Ausweitung auf eine ganze Orga-nisationseinheit umfasst neben der Qualifizierung einzelner Mitarbeiter z. B. auch die Umstrukturierung der Aufbaustruktur eines Unternehmens oder das Schaffen von neuen Stellen oder Arbeitsbereichen. Der Fokus innerhalb der klassischen PE liegt jedoch auf Individuen und Teams.

Weiter umfasst PE verschiedene Aktivitäten wie z. B. die Bedarfsanalyse, Interven-tionen zur Ausbildung bzw. Wiedererlangung, Verbesserung, Erhaltung oder Anpassung der Kompetenzen sowie die Evaluation der Interventionen. Diese beziehen sich auf di-verse Qualifikationen wie bspw. fachliche oder überfachliche kognitive Kompetenzen,

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178 16 Personalentwicklung

Motivation, Gesundheit, soziale Kompetenzen oder Einstellungen. Diese Kompetenzen können z. B. durch Trainings zu verschiedenen Zeitpunkten geschult werden: 1) in Vor-bereitung auf den neuen Job (into-the-job, z. B. Trainee-Programm), 2) job-begleitend (along-the-job, z. B. Karrierecoaching) oder 3) zur Vorbereitung auf die Beendigung des Jobs (out-of-the-job, z. B. Ruhrstandsvorbereitung). Darüber hinaus können die Interven-tionen nach deren Ort der Durchführung unterschieden werden: am Arbeitsplatz selbst (on-the-job, z. B. „learning by doing“ durch neue Aufgaben), innerhalb der Organisation (near-the-job, z. B. die Lern(werk)statt), außerhalb der Organisation (off-the-job, z. B. klassisches Fortbildungsseminar in einem Seminarhotel) oder an einer Kombination die-ser Orte. Die Ziele der PE-Maßnahme können divers sein, wie z. B. die Qualifikations-anpassung, Implementierung einer neuen Unternehmensstrategie, Einführung einer neuen Technologie oder Vorbereitung auf eine neue Führungsaufgabe.

Die Maßnahmen der PE werden nach Bühner (2005) untergliedert in stellengebun-dene, stellenübergreifende sowie stellenungebundene Maßnahmen. Diese Personalent-wicklungsmaßnahmen können auch als Instrumentarium zur Umsetzung der PE-Ziele betrachtet werden. Stellengebundene PE-Maßnahmen stellen sicher, dass die Ausführung der Tätigkeit am Arbeitsplatz mit den nötigen Kompetenzen verbunden ist. Da Entwick-lungspotentiale und –bedürfnisse oft nicht genügend berücksichtigt werden, können durch stellengebundene PE-Maßnahmen insbesondere fachliche und methodische Kompetenzen gefördert werden. Neben dem oben genannten Training-on-the-job und dem damit fokus-sierten situativen Lernen sind weitere häufig genutzte Instrumente das Job Rotation, das Job Enlargement und das Job Enrichment.

Job Rotation bezeichnet einen systematischen Arbeitsplatztausch, welcher zeitlich terminiert ist und nach einem vorgegebenen Plan verläuft. Vernetztes Denken und die eigene Persönlichkeitsentfaltung soll somit gefördert werden. Job Rotation wird als er-fahrungsbasiertes Instrument der PE verstanden (Gerster und Sternheimer 1999). Job Enlargement bezeichnet die Arbeitsplatzerweiterung eines Mitarbeiters. Hiermit ist eine horizontale Ausrichtung gemeint, welche gleichartige Tätigkeitsinhalte innerhalb bspw. einer Abteilung im Unternehmen anspricht. Dies führt zu der Befähigung auch andere Aufgaben innerhalb der Abteilung zu übernehmen und eine ausgedehnte Perspektive des Gesamtprozesses zu erlangen. Die Vielfältigkeit des Aufgabenbereiches wird erhöht, je-doch das Inhaltsniveau beibehalten. Das Job Enrichment benennt die Arbeitsbereicherung durch die Ausdehnung des Inhaltniveaus auf weitere Funktionen auf vertikaler Ebene. Hierbei werden nicht nur die Tätigkeit innerhalb der Abteilung einbezogen, sondern es findet eine Verknüpfung mit übergeordneten Funktionen des Unternehmens statt. Dies kann die Planung, Steuerung und Überwachung der Leistungserstellung sein und befähigt die Mitarbeiter ihre Arbeit an übergeordneten Erfordernissen auszurichten (Bühner 2005).

Als stellenübergreifende PE-Maßnahmen können bspw. Qualitätszirkel angeführt wer-den. In diesem werden moderierte Diskussionen über einen aktuellen Problemfall geführt und versucht Lösungsansätze zu entwickeln. Zum einen wird hier das Know-how und Expertenwissen verschiedener Mitarbeiter genutzt, wodurch Synergien entstehen und der Prozess erleichtert wird, und zum anderen erhalten die Mitarbeiter durch die Interaktion

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17916.2 Begriffsverständnis

die Fähigkeit neue Perspektiven einzunehmen und Probleme aus verschiedene Betrach-tungswinkeln zu systematisieren. Stellenungebundene PE-Maßnahmen umfassen meist Lehrgänge die theoretisches Wissen zur Vorbeitung der Aufnahme einer neuen Aufgabe vermitteln sollen. Hierbei sind bspw. die Vorbereitungen für eine Auslandsentsendung aufzuführen. Anhand von Fallbeispielen oder Planspielen und Rollenspielen können Situ-ationen simuliert werden. Aber auch Vorträge und allgemeine Informationsveranstaltun-gen gehören zu dem Spektrum der stellenungebundenen Maßnahmen. Durch die passive Lernmethode ergibt sich eine starke Diskrepanz in der Möglichkeit das Gelernte in einen Prozess zu transferieren und nachhaltig anzuwenden.

Neben der Einordnung von Bühner gibt es auch noch weiterführende PE-Instrumen-te, welche häufig Anwendung in Organisationen finden. Das Mitarbeitergespräch (vgl. Kap. 12), die Zielvereinbarung (Management by Objectives), und das Coaching stellen sich als effektive Möglichkeiten des PE-Instrumentariums dar, aber auch der Führungsstil innerhalb der Organisation hat großen Einfluss auf die arbeitsweise der Mitarbeiter.

Sonntag (1999) definiert Coaching durch die Möglichkeit Problemlösestrategien mithilfe eines externen Gesprächspartners zu vermitteln und Hilfestellungen zu geben, wenn neue Aufgaben vorbereitet werden müssen, private Probleme entstanden sind oder eine Situationsanalyse definiert werden soll. Die Untergliederung findet in Einzelchoa-ching, Gruppencoaching, Teamchoachig und Kollegiales Coaching statt. Hierbei kann die Durchführung intern durch eine geschulte Fachkraft oder extern durch eine Fachperson stattfinden (Lippmann 2006). Das Einzelcoaching betrifft zumeist Führungskräfte, wel-che ein vertrauliches Anliegen mit einem Coach diskret diskutieren wollen. Die Inhalte können beruflich aber auch privat sein. Das Gespräch fördert Offenheit und die Spezi-alisierung auf ein bestimmten Themenschwerpunkt. Das Gruppencoaching bezeichnet die Hilfestellung von mehreren Personen zur gleichen Zeit. Diese sind zumeist in einem ähnlichen beruflichen Kontext eingebettet, durch die gleiche oder ähnliche Rolle im Un-ternehmen oder den Beruf. Auch ähnliche Problemstellungen können Ansatz für ein Grup-pencoaching sein und als sinnvolle Alternative zum Einzelcoaching herangezogen werden (Lippmann 2006). Das Teamcoaching ist an Arbeitsgruppen oder Teams gerichtet. Diese unterscheiden sich zu einer Gruppe darin, dass sie für einen gewissen Zeitraum miteinan-der arbeiten und somit eine institutionelle Verbindung zueinander aufweisen. Darüber hi-naus arbeiten sie grundsätzlich für dasselbe Ziel und haben oftmals eine eigene Gruppen-dynamik und –kultur, welche im Coaching berücksichtigt werden müssen. Das kollegiale Coaching beschreibt eine gesonderte Variante des Gruppencoachings. Hierbei reflektieren Gruppen selbstwirksam eigene Fragestellungen ohne einen externen Fachmann darin zu integrieren (Lippmann 2006).

Eine Verbindung zwischen dem Teamcoaching und dem kollegialen Coaching findet durch das Kreative Team Coaching (KTC) statt (Rowold 2008). Bei dieser Coaching-methode steht jeder Teilnehmer nacheinander als Akteur im Mittelpunkt und schildert möglichst umfassend seine Situation. Die Gruppe gibt dazu Feedback und Anregungen. Die anderen Teilnehmer übernehmen die Rolles des Coaches. Zusätzlich haben die Coa-ches abwechselnd die Rollen des Moderators, des Schreibers und des Prozessbeobachters.

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180 16 Personalentwicklung

Jeder Akteur unterstreicht seine Beschreibung der Situation durch eine bildliche Darstel-lung, die vor der ersten KTC-Runde angefertigt wird. Jede KTC-Runde wird durch den Moderator geleitet und startet mit der Darstellung des Aktuers. Nach der Darstellung der Situation durch den Akteur hält sich dieser im Hintergrund zurück und hört den Coa-ches zu, wie sie Assoziationen, Gefühle und Gedanken zu der präsentierten Darstellung sammeln. Der Schreiber hält diese an einem FlipChart fest. Anschließend entwickelt die Gruppe der Coaches aus den gesammelten Eindrücken ein Schlüsselthema. Dieses ist eine Zusammenfassung der Essenz aller Eindrücke und gibt eine positive Entwicklungsrich-tung an. Abschließend sammelt die Gruppe der Coaches mögliche Lösungsideen, die dem Akteur helfen könnten seine Situation zu meistern. Zum Abschluss einer KTC-Runde re-flektiert der Prozessbeobachter, inwieweit sich das Thema im Gruppenprozess gespiegelt hat und jeder Einzelne als auch die Gruppe gemeinsam ihre Rollen erfüllt haben. Ggf. werden Verbesserungshinweise für das nächste KTC gegeben. Danach tritt der Akteur wieder in die Runde und gibt ein Feedback. Nachfolgend finden weitere KTCs mit rotie-renden Rollen statt. Nachdem jeder Teilnehmer einmal Akteur war, überlegt sich dieser, welche der entwickelten Lösungsideen zu ihm passen und erstellt einen Maßnahmenplan zur Umsetzung.

Die Vorteile des KTCs sind, dass jeder Experte für seine Sitution ist, bestimmte Lö-sungsideen erst durch die gemeinsame Zusammenarbeit in der Gruppe entstehen, ein Per-spektivenwechsel stattfindet und jeder Teilnehmer in jeder KTC-Runde etwas dazu lernen kann.

16.3 Modelle

Die Personalentwicklung versucht das zielgerichtete Lernen direkt und aktiv zu beein-flussen und mit geeigneten Instrumenten effektiv zu gestalten. Hierbei greift die PE mit ihren fundierten Interventionen auf die Erkenntnisse des Lernens zurück und versucht eine andauernde Veränderung im Verhalten herbeizuführen (Robbins und Judge 2012).

Das übergeordnete Ziel der PE sind der Aufbau, die Beibehaltung sowie der Ausbau beruflicher Handlungskompetenzen. Das Vorhandensein dieser Kompetenzen wird in der konkreten Anwendung und Ausführung von Tätigkeiten sichtbar. Kauffeld (2006) unter-scheidet unter beruflicher Handlungskompetenz die Bereiche 1) Fachkompetenz, d. h. spezifisches Wissen oder Fähigkeiten über fachspezifische Ausdrücke, Handlungen, Pro-zesse oder Aufgaben, 2) Methodenkompetenz, d. h. theoretisches und praktisches Wissen über die Anwendung bestimmter Techniken oder Herangehensweisen, die arbeitsbezoge-ne Tätigkeiten strukturieren, 3) Sozialkompetenz, d. h. die Fähigkeiten im sicheren und angemessenen Umgang mit anderen Personen und 4) Selbstkompetenz, d. h. das Wissen und die Fähigkeit eigene Verhaltensmuster zu (er)kennen und bei der Arbeit zielorien-tiert beeinflussen zu können. Diese Kompetenzen können sowohl formell in gezielten PE-Maßnahmen wie z. B. Trainings oder auch informell z. B. bei Meetings (weiter)entwickelt werden. Auch das Entstehen von Communities of Practice innerhalb einer Organisation

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18116.3 Modelle

führt zu informellen Lernprozessen. Diese autonomen und freiwilligen Gruppen sind für Unternehmen nicht direkt von Nutzen, da die Mitarbeiter aufgrund eigener Motivation an den Treffen teilnehmen und sich für verschiedene Themen einsetzen und Problemlö-sungen suchen. Der indirekte Nutzen besteht in der aktiven und zwanglosen Mitarbeit innerhalb einer solchen Gruppe. Communities of Practice fördern das informelle Lernen durch die Zusammenarbeit verschiedener und zum Teil unbekannter Persönlichkeiten, die Möglichkeit neue Aufgaben und Funktionen zu übernehmen sowie neue Themen zu bear-beiten. Beobachtungen und Erfahrung können so in neuer Form gesammelt werden.

Die soziale Lerntheorie (Robbins und Judge 2012) beschreibt wie das sichtbare Verhal-ten von Menschen Einfluss hat und insbesondere im beruflichen Kontext einen Lernprozess auslösen kann (soziales Lernen). Hierbei dienen Kollegen und Vorgesetzte als Vorbilder. Es folgen der Vergleich und die Reflektion des eigenen Verhaltens und auf Wunsch einer Verhaltensänderung, die Imitation. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Imitation folgt, de-terminieren insbesondere die Faktoren der Aufmerksamkeit, des Erinnerungsvermögens, der Einübung und der Verstärkung. Der Aufmerksamkeitsprozess ist von Notwendigkeit, um ein Verhalten überhaupt imitieren zu können. Hierbei kann bspw. das aufmerksame Beobachten von verschiedenen Situationen erkennen lassen, wann ein geändertes Verhal-ten gezeigt werden sollte. Das Erinnerungsvermögen determiniert die Möglichkeit auch in Zukunft Verhalten zu imitieren. Hierbei werden die wichtigsten Aspekte z. B. Art, Ort und Kontext des auftretenden Verhaltens im Gedächtnis gespeichert und können bei einer ähnlichen Situation hervorgerufen werden. Das Ausprobieren der Verhaltensänderung und die Anpassung bei Fehlverhalten sind unter dem Begriff der Einübung zusammengefasst. Das Beobachten allein stellt keine angemessene Umsetzung sicher, sodass die eigene Ver-haltenskorrektur und erneutes Beobachten vonnöten sind. Wird eine Verhaltensimitation durch z. B. Anerkennung oder positives Feedback von Kollegen verstärkt, erhöht sich im Folgenden die Wahrscheinlichkeit dieses auch zukünftig zu zeigen.

Zwei grundlegende Theorien der Lernpsychologie stellen das klassische und das ope-rante Konditionieren dar. Das Konditionieren bezeichnet zunächst die Ausbildung oder Einstellung bestimmter Eigenschaften. Die Psychologie versteht darunter das Erlernen von Reiz-Reaktions-Mustern. Wenn ein bestimmter Reiz gegeben ist, reagiert der Orga-nismus mit einer bestimmten Reaktion.

Die klassische Konditionierung wird in diesem Zusammenhang auch Signallernen oder respondentes bzw. reaktives Konditionieren genannt. Sie gehört zu den einfachsten Lernarten und ist auch schon bei niedrigen Organismen möglich. Pawlow (1985) gilt als Entdecker des klassischen Konditionierens, wobei bestimmte Reaktionen auf bestimmte Reize folgen. Pawlow führte hierzu ein Experiment mit einem Hund durch. Zunächst dient Futter für den Hund als unkonditionierten Reiz bzw. Stimulus (UCS ). Die unkonditionier-te Reaktion (UCR) bzw. der angeborene Auslöser des Hundes ist beginnender Speichel-fluss. Als neutraler Stimulus (NS ) diente eingeschaltetes Licht. Dieser Stimulus führte ohne das Futter zu keinem bzw. nur geringem Speichelfluss des Hundes. Nun wird nach dem Einschalten des Lichtes dem Hund direkt das Futter angeboten. Dieser Vorgang wird mehrmals wiederholt. Durch diese Wiederholung findet die Konditionierung statt. Das

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182 16 Personalentwicklung

Einschalten des Lichtes verändert sich vom neutralen Stimulus (NS ) zum konditionierten Reiz (CS ) und der Speichelfluss folgt ohne Anbieten des Futters, als konditionierte Re-aktion (CR).

Das operante Konditionieren, auch instrumentelles Lernen bzw. Lernen durch Ef-fekt genannt, beschreibt konditionierte Reaktionen, welche nicht von einem speziellen Reiz ausgelöst werden, aber in den alltäglichen Verhaltensweisen einen hohen Stellenwert einnehmen (Mazur 2006). Hierbei wird eine zukünftige Auftrittswahrscheinlichkeit von Verhaltensweisen durch Ereignisse bestimmt und führt somit zu einer Verhaltensänderung aufgrund von den angenommenen Folgewirkungen eben dieser Ereignisse.

Darauf aufbauend untersuchten Holland und Skinner (1974) Formen der Verstärkung und Bestrafung, um gewünschtes Verhalten direkt beeinflussbar zu machen. Wird ein Reiz oder Stimulus bei bestimmten Verhalten präsentiert, wie z. B. ein positives Feedback oder eine Belohnung bei Imitationsverhalten, ist von einer Zunahme des gezielten Verhaltens auszugehen. Es entsteht eine positive Verstärkung. Eine negative Verstärkung beschreibt die Zunahme eines bestimmten Verhaltens durch das Weglassen bzw. das Wegnehmen eines Stimulus. Im beruflichen Kontext ist die negative Verstärkung von hoher Bedeutung. Innerhalb von Fort- und Weiterbildungen kann dieses Prinzip Anwendung finden. Es wer-den positive Entwicklungen durch Verhaltensänderungen aufgezeigt. Wird also z. B. eine bestimmte neue Arbeitsweise erlernt oder ein neues Programm verwendet, treten als Re-sultat bestimmte Fehler nicht mehr auf oder die Zusammenarbeit in einer neuen Arbeits-gemeinschaft erleichtert sich. Auch im Arbeitsalltag kann die negative Verstärkung einen positiven Effekt bewirken. Kommt ein Mitarbeiter grundsätzlich 30 min zu spät hat dieses Fehlverhalten eine Bestrafung zur Folge (siehe positive Bestrafung) z. B. ein negatives Feedback oder ablehnendes Verhalten von Kollegen und Vorgesetzten. Wenn dieser Mit-arbeiter nun aber nur 20 min zu spät kommt sollte die Bestrafung, im Sinne der negativen Verstärkung, wegfallen. Die negative Verstärkung beschreibt somit das Wegfallen eines negativ erachteten Reizes und führt zu einer Verstärkung des neu gezeigten und erlernten Verhaltens. Die (positive) Bestrafung (Typ I) präsentiert einen unangenehmen Stimulus beim Auftreten von unerwünschtem Verhalten. Dies hat zur Folge, dass das unerwünschte Verhalten abnimmt. Der Stimulus kann bei der Bestrafung z. B. negatives Feedback oder der Auftrag zur Erledigung einer unwillkommenen Aufgabe sein. Die negative Bestrafung (Typ II) wird auch Entzug genannt. Hierbei wird beim Auftreten von unerwünschtem Ver-halten ein bestimmter positiver Reiz weggenommen bzw. weggelassen, um das gezeigte Verhalten zu vermindern. Hiermit angesprochen sind bspw. der Wegfall von Privilegien oder die Eingrenzung von Freiheiten. Grundlegend kann bei den vier verschiedenen Typen festgelegt werden, dass die Verstärkung primär angewandt werden sollte, um neues und gewünschtes Verhalten zu bestärken und zu belohnen. Durch die Formen der Bestrafung wird zunächst eine bestimmte Verhaltensweise vermindert, jedoch findet hier kein Prozess statt, der ein neues und erforderliches Verhalten entwickeln lässt.

Wird ein gewünschtes Verhalten kontinuierlich und positiv verstärkt kann der sog. Kor-rumpierungseffekt hervorgerufen werden. Dieser Effekt beschreibt die Verdrängung der intrinsischen Motivation zugunsten des Auftretens des neuen Reizes. Wird also ein ge-

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18316.5 Umsetzung in der Praxis

wünschtes Verhalten aus eigenem Verlangen heraus gezeigt und darüber hinaus belohnt, führt dies beim Wegfall der Belohnung bzw. des zusätzlichen positiven Stimulus zu einer Reduzierung des zuvor freiwillig gezeigten Verhaltens. Die intrinsische Motivation wird von einer anders ausgerichteten Motivation überdeckt bzw. verdrängt.

16.4 Empirische Befunde

Es liegen inzwischen mehrere Metaanalysen vor, die einen positiven Nutzen für Personal-entwicklungsmaßnahmen hinsichtlich verschiedener organisational relevanter Kriterien belegen. Erstens kommen Arthur und Kollegen (Arthur et al. 2003) zu dem Schluss, dass unterschiedlichste Arten von Maßnahmen den Wissenszuwachs, das Verhalten sowie die Leistung der Trainierten im mittleren bis starken Ausmaß verbessern. Zudem untersuchten Crook et al. (2011) in einer Metaanalyse bestehend aus 66 Studien die Aussage, ob Hu-mankapital in Beziehung zu einer besseren Unternehmensleistung steht. Die Ergebnisse beider Metaanalysen zeigen auf, dass eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Mitar-beiter im Unternehmen einen positiven Effekt auf das Humankapital hat. Insbesondere der Schwerpunkt auf erfahrungsbasiertes Wissen und weiterführende Trainings können gezielt im Unternehmen eingesetzt werden.

16.5 Umsetzung in der Praxis

Wichtige Akteure der PE in der Praxis sind die Unternehmensleitung, die Personalent-wicklungsabteilung, die Führungskräfte, der Betriebsrat und die Mitarbeiter. Die Unter-nehmensleitung bestimmt auf Basis der strategischen Ausrichtung des Unternehmens die Rahmenbedingungen für die Aktivitäten der PE-Abteilung, also sowohl die inhaltliche Schwerpunktlegung, die finanziellen Mittel, den Stellewert der PE-Abteilung im Unter-nehmen und durch Vorbildverhalten die PE-Kultur. Die Personalentwickler des Unter-nehmens sind für die komplette PE-Umsetzung verantwortlich, dabei sind sie vor allem Schnittstellen-Partner für den Bedarf verschiedener Geschäftsbereiche, der Führungskräf-te und der Mitarbeiter. Zur Umsetzung der PE-Maßnahmen werden interne oder externe Trainer engagiert. Die Führungskräfte können im Rahmen der Mitarbeiterentwicklung durch Karriereplanung und das Einräumen von Freiheiten und Herausforderungen im Ar-beitsalltag die PE operativ umsetzen. Aber auch die Mitarbeiter sind nicht bloß passiv einer PE ausgesetzt. Sie sollten sich selbst mit ihren eigenen PE-Zielen auseinandersetzen, ihre Entwicklungsfelder entdecken und die angebotenen Maßnahmen für sich effektiv nut-zen. Häufig werden PE-Maßnahmen auch mit dem Betriebsrat abgestimmt.

In der Praxis hat es sich zur langfristigen Umsetzung von Führungskräfteentwicklung als sehr wirksam herausgestellt, zu dem Ziel-Führungsverhalten, z. B. die transforma-tionale Führung (s. Kapitel 17), zunächst ein 360°-Feedback einzuführen (Abrell et al. 2011). Dadurch kann erreicht werden, dass das Zielverhalten deutlich und die Wichtigkeit

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184 16 Personalentwicklung

des Verhaltens für die Organisation unterstrichen wird. Durch die Daten der mit dem 360°-Feedback verbundenen Mitarbeiterbefragung werden anschließend Feedbackbe-richte erstellt, die den Führungskräften verdeutlichen 1) was unter dem Begriff und den Facetten der transformationalen Führung zu verstehen ist, 2) inwieweit die jeweilige Füh-rungskraft dieses Verhalten im Benchmark zur eigenen Organisation und zu vergleich-baren Organisationen zeigt sowie 3) inwieweit Selbst- und Fremdbild übereinstimmen und was diese Übereinstimmung bedeutet. Dieser Bericht ist sehr dienlich damit die Füh-rungskräfte bereits im Training wissen wo sie stehen und in welchen Bereichen neue Ideen zur Verbesserung vonnöten sind. Hinsichtlich des Trainings ist es sinnvoll eine Mischung zwischen wissenschaftlich fundierter Theorie, Erfahrungsaustausch und konkreter Ideen-sammlung zu wählen. Am Ende des Trainings sollten sich die Führungskräfte zwei ganz konkrete Ziele einschließlich konkreter Umsetzungsmaßnahmen überlegt haben. Jeweils nach drei Monaten finden dann KTCs statt, um die Führungskräfte langfristig bei der Ver-besserung ihres Führungsverhaltens zu unterstützen (Kursawe 2012).

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187

Personalführung: Verhaltensbezogene Ansätze

Lars Borgmann und Jens Rowold

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_17

17

17.1 Einführung

Vorstellungen von (Personal-)Führung sind bereits sehr alt, trotzdem begann die wissen-schaftliche Betrachtung und Untersuchung psychologischer Führung erst im 20. Jahrhun-dert. „Leaders […] and their actions have the potential to change the course of history“ (Judge et al. 2006, S. 203). Führungskräfte stellen demnach Einflussgrößen dar, die we-sentlichen Einfluss auf den Erfolg einer Organisation haben. Durch effektive Führung können bis zu 45 % der organisationalen Leistungsfähigkeit erklärt werden. Gute und rich-tige Führung sollte sich dabei nicht ausschließlich an Leistungskriterien, Unternehmens-zielen und Erfolgsmaßen ausrichten. Vor allem sollte mit Führung stets der Anspruch ver-knüpft sein, Humanziele zu verfolgen und den Mitarbeitern zu nutzen. Eine Vielzahl von Definitionen und Konzeptionen ist vorgeschlagen worden, die versuchen das Phänomen Führung zu beschreiben und zu erklären. Dieses Kapitel fokussiert auf die verhaltensbe-zogene Ansätze in der Führung, die davon ausgehen, dass bestimmte beobachtbare Ver-haltensweisen einer Führungskraft positive Konsequenzen haben.

17.2 Begriffsverständnis

House und Javidan (2004) beschreiben organisationale Führung generell als Fähigkeit eines Individuums, andere zu beeinflussen, zu motivieren und zu befähigen, etwas zur Effektivität und zum Erfolg der Organisation beizutragen. Führung beschreibt einen Pro-zess, bei dem intentional Einfluss auf die zu führenden Personen genommen wird, deren Aktivitäten in der Gruppe oder Organisation zu leiten und zu strukturieren sind. Anton-akis et al. (2004) identifizieren in ihren Beiträgen über bestehende Führungstheorien und -definitionen im Wesentlichen vier zentrale Elemente, die der Mehrzahl der Definitionen

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188 17 Personalführung: Verhaltensbezogene Ansätze

von Führung gemein sind. Demnach beschreibt Führung erstens als einen Prozess, der zweitens die Einflussnahme von Menschen auf Menschen beinhaltet und drittens in einem Gruppenkontext stattfindet, damit viertens ein gemeinsames Ziel erreicht wird.

17.3 Modelle

Die Vielzahl der Definitionen lässt sich unter anderem auf die verschiedenen Trends und Blickwinkel in der Historie der Führungsforschung zurückführen. In den 50er und 60er Jahren richtete sich der Blick weg von den stabile Eigenschaften der Führungskräfte (vgl. Kap. 9) hin zu spezifischen Verhaltensweisen der Führung. Fokus ist das Verhalten der Führungskraft, dieses wirkt direkt auf andere Menschen ein, d. h. im Verhalten des Vorge-setzten realisiert sich Führung. Diese Verhaltensweisen bilden ein konstantes, situational invariantes behaviorales Muster, das als Führungsstil definiert wird.

Der verhaltensorientierte Ansatz legt das Augenmerk auf der Modifizierbarkeit des Handelns und lenkte bis Ende der 60er Jahre die Aufmerksamkeit verstärkt auf das Verhal-ten und auf die verschiedenen Verhaltensstile der Führungskraft. Als wegweisend gelten Studien der Ohio State University (Fleishman 1953), die faktorenanalytisch zwei Dimen-sionen von Führungsverhalten ermittelten. Diese Dimensionen lassen sich als Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung beschreiben.

Mitarbeiterorientierung beschreibt primär personenbezogenes Führungsverhalten, welches von Vertrauen und Achtung der Mitarbeiter geprägt ist. Aufgabenorientierung dagegen bezeichnet vornehmlich aufgabenbezogenes und sachliches Führungsverhalten. Im Vordergrund steht bei aufgabenorientierter Führung das Streben nach Erreichung der Leistungsziele. Der Vorgesetzte bestimmt Aktivitäten der Gruppe, legt Zeitgrenzen und Vorgehensweisen fest.

Blake und Mouton (1964) entwickelten den Ansatz der Ohio-Studien weiter und pos-tulieren in ihrem Verhaltensgitter ( managerial grid, vgl. Abb. 17.1), dass sich diese bei-den Orientierungen im Führungsverhalten ergänzen: Aufgaben- und mitarbeiterorientierte Verhaltensdimensionen stellen die x- und y-Achsen (mit jeweils neun Stufen) eines Ko-ordinatensystems dar. Das Verhaltensgitter ist der Einfachheit halber in fünf wesentliche Bereiche unterteilt. Führungsverhalten, welches sowohl von einer hohen Aufgaben- als auch von einer hohen Mitarbeiterorientierung geprägt ist („Typ 9.9 Teammanagement“) ist nach Blake und Mouton (1964) das effizienteste Führungsverhalten, da es in jeder Si-tuation zum Erfolg führen sollte.

17.3.1 Charismatische Führung

In charismatischen Konzeptionen wird Führung als Prozess verstanden, bei dem der Füh-rende das Commitment und die Bedürfnisse der Mitarbeiter durch Visionen und sinnstif-tendes Verhalten stimuliert. Charisma (griechisch für „Gottesgabe“) wird definiert als be-

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18917.3 Modelle

sondere Gabe/Fähigkeit/Eigenschaft, durch die sich eine Person von anderen unterscheidet. Beispiele sind u. a. Martin Luther King, Mahatma Gandhi, John F. Kennedy. In der Theorie zur charismatischen Führung von Conger und Kanungo (1987) wird der Führungskraft von den Geführten Charisma auf Basis ihres Verhaltens, ihrer Expertise und situationaler Variablen zugeschrieben. Charismatische Führer zeichnen sich demnach vor allem dadurch aus, dass sie eine Vision für die Geführten entwickeln und kommunizieren, ein persön-liches Risiko eingehen, ein Gespür für die Bedürfnisse der Mitarbeiter zeigen und ein un-konventionelles Verhalten an den Tag legen. Durch die persönliche Weiterentwicklung der Mitarbeiter werden diese in die Lage versetzt, das gemeinsame Ziel zu erreichen.

17.3.2 Transaktionale und Transformationale Führung

Bei den transformationalen oder auch „neo-charismatischen“ Führungstheorien rücken die praktischen, verhaltensorientierten Aspekte noch stärker in den Mittelpunkt. Das Paradigma der transaktionalen und transformationalen Führung stellt gegenwärtig das am häufigsten untersuchte Führungskonstrukt dar (Judge und Piccolo 2004). Das heutige Verständnis transaktionaler und transformationaler Führung basiert im Wesentlichen auf den Ansätzen des Historikers und Politikwissenschaftlers James MacGregor Burns (1978) der in seinem Buch „Leadership“ politische Führungskräfte beschreibt. Seine qualitati-

Abb. 17.1 Der Managerial Grid (nach Blake und Mouton 1964)

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190 17 Personalführung: Verhaltensbezogene Ansätze

ve Analyse zahlreicher Biografien von Politikern und deren Führungsstilen brachte zwei Führungsstile hervor, die er als transaktionale und transformationale Führung bezeichnete.

Der Unterschied zwischen transaktionaler und transformationaler Führung liegt in der Art der (Austausch-)Beziehung von Führungskraft und Geführtem. Während transakti-onal Führende vorrangig durch ihr Streben nach klar definiertem und reguliertem Wert-austausch (Transaktion) mit dem jeweiligen Mitarbeiter ( z. B. Leistung gegen Gehalt) ge-kennzeichnet sind, zeigen transformationale Führungskräfte den Mitarbeitern einen Sinn auf, der über kurzfristige Ziele hinausgeht und auf intrinsische Bedürfnisse (vgl. Kap. 12) abzielt. Transformationale Führungskräfte motivieren ihre Mitarbeiter dadurch, dass sie attraktive Visionen vermitteln, überzeugend kommunizieren, wie Ziele gemeinsam er-reicht werden können, selber als Vorbild wahrgenommen werden und die Entwicklung der Mitarbeiter unterstützen (Bass 1985). Dabei werden vor allem die Werte und Motive der Geführten beeinflusst. An die Stelle kurzfristiger, egoistischer Ziele treten langfristige, übergeordnete Werte und Ideale. Das Selbstkonzept wird stabilisiert, sodass Selbstvertrau-en und Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter steigen (Shamir et al. 1993). Im Gegensatz zur transaktionalen Führung wird das rationale Kalkül der Austauschbeziehung aufgehoben und letztlich mehr Leistungsbereitschaft hervorgerufen, als zuvor erwartet wurde.

Ein zentrales Postulat der transaktionalen und transformationalen Führungstheorie ist der sogenannte Augmentations-Effekt, das heißt die Annahme, dass transformationale Führung über die transaktionale Führung hinaus für die Vorhersage von Leistung einen Beitrag leistet. Der Augmentationseffekt konnte bislang in den meisten Studien repliziert werden (Judge und Piccolo 2004), sodass insgesamt festgehalten werden kann, dass trans-formationale Führung effektiver zu sein scheint als transaktionale Führung und stärkere Zusammenhänge zu Kriterien wie Zufriedenheit oder Arbeitsengagement aufweist.

17.3.3 Das „Full Range of Leadership“-Modell

Um die Konzepte transaktionaler und transformationaler Führung weiterzuentwickeln, entwarfen Avolio und Bass (1991) das „Full Range of Leadership“- Modell (FRLM). Das ursprüngliche Modell transaktionaler und transformationaler Führung wurde um die Lais-sez-faire-Führung ergänzt, die sich im Wesentlichen dadurch auszeichnet, dass aktives Führungsverhalten vermieden wird.

Laissez-faire bezeichnet das Verhalten einer Führungskraft, die jegliche Führungsverant-wortung vermeidet. Es beschreibt den am wenigsten aktiven Führungsstil innerhalb des FRLM und stellt weder einen transformationalen noch einen transaktionalen Führungsstil dar (Judge und Piccolo 2004). Dieser (Nicht-)Führungsstil charakterisiert sich durch ma-ximale Ineffektivität, da anstehende Aufgaben nicht bewältigt werden und bei Problemen oder Konflikten der Mitarbeiter in der Regel weder interveniert noch entschieden wird.

Nach einer kritischen Analyse des FRLM (re-)definierten Podsakoff und Kollegen (Podsakoff et al. 1990; vgl. Heinitz und Rowold 2007) sechs Dimensionen der transfor-

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19117.3 Modelle

mationalen Führung. Diese sechs Dimensionen können als aktuelle Weiterentwicklung des FRLM angesehen werden. Im Folgenden werden die sechs Dimensionen definiert.

Vorbildfunktion Führungskräfte sind hinsichtlich ihres jeweiligen Verhaltens immer auch Vorbilder für ihre Mitarbeiter. Aus der sozialen Lerntheorie (Bandura 1977) ist bekannt, dass Menschen in sozialen Kontexten (z. B. Arbeit) voneinander lernen, wenn bestimm-te Bedingungen gegeben sind (z. B. Attraktivität des Rollenmodells). Transformationale Führungskräfte sollten zudem ihr Handeln konsistent zu ihren Worten („walk the talk“) ausführen. Dadurch werden auch Werte vorgelebt, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von Mitarbeitern übernommen werden.

Zukunftsvision Transformationale Führungskräfte identifizieren Chancen für positive Ver-änderungen und formulieren daraus eine emotionale gefärbte Vision der Zukunft. Diese Chancen können sich aus einer Analyse der Gegenwart oder Zukunftstrends, oder aber aus bisherigen Erfolgen ergeben. Sie ist abstrakt (manchmal bildhaft) genug formuliert, um unterschiedliche (im Idealfall geteilte) Werte und Ziele einzelner Mitarbeiter zu berück-sichtigen und gleichzeitig Gemeinsamkeiten zu betonen. Gemeinsame Erfahrungen (z. B. wichtige Erfolge in der Vergangenheit) können einer Führungskraft helfen, gemeinsame Werte zu identifizieren und ein Wir-Gefühl im Team (s. u.) entstehen zu lassen. Diese Vi-sion wird kontinuierlich emotional kommuniziert und vorgelebt, nicht zuletzt um Orien-tierung für die Zukunft zu bieten. Vielen Führungskräften fällt es schwer, ihre jeweilige Vision emotional und gleichzeitig authentisch zu verkörpern und zu kommunizieren, ob-wohl dies im Sinne der sozialen Lerntheorie (vgl. Kap. 16) sehr wichtig für die Effektivität der transformationalen Führung ist. Im Idealfall vermittelt eine Vision den Mitarbeitern die Gründe und Bedeutungen für das eigene Tun, so dass Hoffnung, Vertrauen, Begeiste-rung und Zuversicht vermittelt wird.

Individuelle Unterstützung Im Mittelpunkt dieses Aspekts steht die individuelle Behand-lung des einzelnen Mitarbeiters. Individuelle Betrachtung beschreibt das Ausmaß, in wel-chem der Führende die individuellen Bedürfnisse seiner Teammitglieder erkennt und res-pektiert. Zentral ist ein Führungsverständnis, das individuelle Unterschiede berücksichtigt und jeden Mitarbeiter individuell fördert. Transformationale Führungskräfte verstehen sich als Coach oder Mentor ihrer Mitarbeiter und erkennen deren individuelle Bedürfnisse und Motive nach Leistung und Wachstum an.

Förderung von Gruppenzielen Zur Überwindung von egoistischen Tendenzen und zur För-derung der gegenseitigen Unterstützung von Teammitgliedern fördern transformationale Führungskräfte Gruppenziele. Gemeinsame Interessen, aber auch Erlebnisse (Identitäts-bildung) werden hervorgehoben. Zudem wird verdeutlicht, wie und warum alle Teammit-glieder auf dasselbe Ziel hin arbeiten. Idealerweise entsteht so ein positives Wir-Gefühl.

Intellektuelle Anregung Hierbei stimuliert die Führungskraft die Kreativität ihres Teams, indem festgefahrene Annahmen hinterfragt, Risiken bewusst eingegangen und konstruk-

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192 17 Personalführung: Verhaltensbezogene Ansätze

tive Ideen der Gruppe geschätzt und respektiert werden. Fehler werden toleriert und nicht öffentlich kritisiert. Auch wenn die Ideen der Mitarbeiter von den Vorstellungen der Füh-rungskraft abweichen, werden die Mitarbeiter aufgefordert, sich zu beteiligen und selber Ideen einzubringen. Durch dieses Verhalten wird die Kreativität der Mitarbeiter angeregt.

Hohe Leistungserwartung Transformational Führende erwarten von allen Mitarbeitern hohe Leistungen. Diese Erwartungen werden dabei begründet. Vertrauen in die Leistungs-fähigkeit wird rational und emotional vermittelt.

Transaktionale Führung Zusätzlich zu den sechs Dimensionen der transformationalen Führung wird die Dimension Bedingte Belohnung innerhalb der transaktionalen Führung mit in das Modell von Podsakoff aufgenommen. Diese Dimension beschreibt Führungs-kräfte, die Anforderungen, Aufgaben und entsprechende Belohnung der Mitarbeiter in Übereinstimmung bringen. Es werden Belohnungen in Aussicht gestellt, wenn die Er-wartungen der Führungskraft erfüllt werden und der Mitarbeiter die vereinbarte Leistung erbringt. Die kontingente Belohnung von Mitarbeitern entsprechen dabei dem Prinzip des operanten Lernens (vgl. Kap. 16).

Insgesamt können diese sieben Dimensionen der transformationalen und transaktio-nalen Führung auf zwei Achsen – Effektivität und Aktivität – abgebildet werden. Abbil-dung 17.2 zeigt, dass die verschiedenen transformationalen Führungsstile eine hohe Akti-vität erfordern, gleichzeitig aber auch die höchste Effektivität aufweisen. Transaktionale

Abb. 17.2 Das „Extended Full Range of Leadership“-Modell

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19317.3 Modelle

Verhaltensweisen sind dementsprechend weniger effektiv, setzen aber auch ein geringeres Maß an Aktivität voraus (Judge et al. 2006). Für die Praxis hat sich das „Transformational Leadership Inventory“ (TLI) von Podsakoff (Podsakoff et al. 1990, deutsche Version von Heinitz und Rowold 2007) bewährt. Dieses Fragebogeninstrument kann die genannten sieben Dimensionen messgenau und valide erfassen und somit eine Grundlage für Perso-nalentwicklungsmaßnahmen (vgl. Kap. 16) darstellen.

Eine optimale Balance von Führungsverhaltensweisen zeigt sich daran, dass transfor-mationale Verhaltensweisen das Auftreten transaktionaler Führung überwiegen und Lais-sez-faire nur sehr selten vorkommt.

17.3.4 Instrumentelle Führung

Das FRLM wurde zwar kontinuierlich empirisch bestätigt, dennoch postulierten verschie-dene Autoren konzeptionelle Schwächen und inhaltliche Lücken und bezweifeln, dass das Modell des „Full Range of Leadership“ tatsächlich das ganze Spektrum des Führungs-verhaltens abbildet (Graen et al. 2010). So sehen Antonakis und House (2004; Antonakis et al. 2002) die strategischen und aufgabenorientierten Entwicklungen, die Führungskräfte im Unternehmen vollziehen (vgl. Kap. 3), anhand des FRLM nicht erfasst. Auf verschie-dene theoretische Modelle wie bspw. die klassische Aufgabenorientierung gestützt schlu-gen sie vor, das FRLM durch die instrumentelle Führung zu erweitern. Instrumentelle Führung lässt sich durch vier Dimensionen beschreiben:

Umfeldanalyse Die Führungskraft sucht, mit dem Wissen um Stärken und Schwächen der eigenen Arbeitsgruppe, in der externen und internen Umwelt nach Chancen und Risiken. Es handelt sich um ein strategisches Verhalten der Führungskraft, das darauf zielt, länger-fristig bessere Voraussetzungen für eine optimale Leistung der Arbeitsgruppe zu finden.

Strategie Basierend auf einer Vision wird eine Strategie zur Erreichung dieser Vision for-muliert. Dabei werden Ziele und Unterziele sowie Richtlinien definiert. Das strategische instrumentelle Führungsverhalten konkretisiert also die Vision für die einzelnen Mitarbei-ter.

Weg-Ziel-Unterstützung Die Führungskraft steht dem Mitarbeiter beim Erreichen seiner Ziele unterstützend zur Seite. Hierbei ermöglicht – bzw. erleichtert – die Verhaltensweise der Führungskraft dem Mitarbeiter die Erreichung seiner Ziele. Im Speziellen gibt die Führungskraft eine klare Richtung ("Weg") vor, stellt Ressourcen bereit, räumt Hinder-nisse aus dem Weg und hilft, die Ziele des Einzelnen klar zu definieren.

Ergebnis-Feedback Die Führungskraft beobachtet den Arbeitsfortschritt und gibt kons-truktives Feedback zum aktuellen Stand der Leistungserbringung. Ziel ist es, dass die

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194 17 Personalführung: Verhaltensbezogene Ansätze

Führungskraft die einzelnen Gruppenmitglieder im Sinne des unterstützenden Lernens längerfristig entwickelt.

Antonakis und House (2004; Antonakis et al. 2002) schlagen aufgrund der Konzep-tionierung der instrumentellen Führung vor, das FRLM zu dem sogenannten extended FRLM (eFRLM) zu erweitern. In dem eFRLM (Abb. 17.2) sind damit klassische Ansätze wie z. B. die Aufgabenorientierung in das FRLM integriert.

17.4 Empirische Befunde

17.4.1 Befunde Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung

In den letzten 50 Jahren wurden hunderte Studien durchgeführt, die den Zusammenhang von bestimmtem Führungsverhalten und verschiedensten Indikatoren effektiven Füh-rungsverhaltens untersuchten. Die Relevanz der beiden Dimensionen (Mitarbeiter und Aufgabenorientierung) wurde in zahlreichen Untersuchungen empirisch validiert. In der aktuellsten Metaanalyse von Judge und Kollegen wurden moderate bis starke Zusammen-hänge von r = .29 (Aufgabenorientierung) und r = .48 (Mitarbeiterorientierung) mit Füh-rungsergebnissen wie Arbeitsleistung und -zufriedenheit gefunden (Judge et al. 2004).

17.4.2 Befunde charismatische Führung

Mehrere Studien konnten zeigen, das charismatische Führung positive Konsequenzen auf Seiten der Mitarbeiter (z. B. Arbeitszufriedenheit) und der Organisation (z. B. Fehlzeiten, s. Rowold und Laukamp 2009) hat. Der Zusammenhang zwischen charismatischer Füh-rung und Indikatoren von Führungserfolg gilt offenbar insbesondere unter hohem Stress oder Unsicherheit, in Krisenzeiten, bei ideologischen oder strategischen Themen, sowie bei Mitarbeitern, die Führung benötigen (vs. selbständige, kritische, unabhängige Mitar-beiter).

17.4.3 Befunde transformationale, transaktionale und instrumentelle Führung

Zahlreiche Studien konnten bestätigen, dass transformationale Führung einen positiven Einfluss auf organisational relevante Kriterien wie etwa Arbeitszufriedenheit oder Com-mitment zeigt. Es finden sich vor allem Effekte auf die emotionale Verbundenheit mit dem Unternehmen (affektives Commitment; s. Meyer et al. 2002) und die Bereitschaft, sich zusätzlich zu engagieren (Organzational Citizenship Behavior – OCB, vgl. Kap. 10). Vor allem bei Leistungsmaßen wie OCB, die besonders motivationalen Einflüssen der Mit-arbeiter unterworfen sind, finden sich Zusammenhänge mit transformationaler Führung.

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19517.5 Umsetzung in der Praxis

Zudem wirkt transformationale Führung auch auf objektive Leistungsmaße wie z. B. auf den Verkaufserfolg bei Mitarbeitern von Finanzdienstleistern (Geyer und Steyrer 1998) oder den abteilungsspezifischen Umsatz in einem Transportunternehmen (Rowold und Heinitz 2007). Mehrere Metaanalysen zur transformationalen Führung konnten bislang stabile und generalisierbare Zusammenhänge mit organisationalen Kriterien der Effektivi-tät transformationaler Führung bestätigen (Dumdum et al. 2002; Judge und Piccolo 2004). Dabei zeigten sich substantielle Zusammenhänge zwischen transformationaler Führung und der Leistung der Führungskräfte (.45 < r < .80). Außerdem stand transformationale Führung eng mit der Leistung, Arbeitszufriedenheit, Commitment und der Anstrengungs-bereitschaft der geführten Mitarbeiter in Beziehung (.31 < r < .77).

Erste Arbeiten legen nahe, dass die Instrumentelle Führung eine valide Ergänzung zum FRLM darstellt (Antonakis und House 2004). Zudem konnte anhand mehrerer Studien gezeigt werden, dass instrumentelle Führung positiv mit objektiven und subjektiven Kri-terien in Beziehung steht (Rowold in review).

17.5 Umsetzung in der Praxis

Insbesondere die transformationale und transaktionale Führung haben in der Praxis Ver-breitung erfahren. Zum einen nutzen Führungskräfte bestimmte Techniken und Instru-mente, wie bspw. das Mitarbeitergespräch, zum anderen kann Führung im Rahmen der Personalentwicklung (s. Kap. 16) trainiert oder auch in der Personalauswahl (s. Kap. 15) diagnostiziert werden.

Mitarbeitergespräche Als eines der wichtigsten institutionalisierten Instrumente der Füh-rung gilt das Mitarbeitergespräch. Es fördert die Beziehung von Vorgesetzten und Mitar-beitern, da es Offenheit und gegenseitiges Verständnis fordert und die Zusammenarbeit erleichtert. Typische Inhalte des Mitarbeitergesprächs sind Zielvereinbarungen, Leis-tungsbeurteilungen, Karriereplanung, Forderung und Potenzialentwicklung oder Kon-fliktmoderation. Diese Inhalte entsprechen jedoch eher der transaktionalen Führung. Die Führungskraft kann Elemente der transformationalen Führung mit integrieren, indem z. B. individuelle Ziele aus der Vision abgeleitet werden.

Führungskräftetraining Es gibt aktuelle Belege sowohl aus den USA (Barling et al. 1996) als auch aus Deutschland (Abrell et al. 2011) dafür, dass transformationale Führung in zweitägigen Führungskräfteseminaren erfolgreich trainiert werden kann. In Führungskräf-teseminaren können die Teilnehmer ihre Ziele und Kompetenzen in einem geschützten Rahmen reflektieren, Entwicklungspotenziale aufdecken und Ihre Fähigkeiten als Füh-rungskraft verstärken.

Ryschka und Kollegen (Ryschka et al. 2011) beschreiben beispielhaft folgende Inhalte eines zweitägigen Führungstrainings: Zunächst sollte eine selbstkritische Auseinanderset-zung mit den Führungsanforderungen und Ableitung von individuellen Entwicklungsbe-

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196 17 Personalführung: Verhaltensbezogene Ansätze

darfen erfolgen. Dies wird häufig mit einem dem Training vorgeschalteten 360°-Feedback gemacht (vgl. Kap. 16 und 23). Dann sollten Maßnahmen zur stärkeren Wahrnehmung eines z. B. mitarbeiterorientierten Führungsstils abgeleitet werden. Als praktische Übung im Training werden zudem häufig Rollenspiele zum Thema „Mitarbeitergesprächen“ o.ä. durchgeführt. Dadurch kann das neu gelernte Verhalten eingeübt werden. Außerdem wird der Errfahrungsaustausch der teilnehmenden Führungskräfte stimuliert, in dem z. B. Gruppendiskussionen durchgeführt werden. Dadurch kann ein neues und vertieftes Ver-ständnis des Trainingsinhalt erreicht werden. Anschließend können die Führungskräfte ihren jeweiligen Etnwicklungsbedarf erneut vor Augen führen und konkrete Ziele ggf. anpassen.

Personalauswahl Auch im diagnostischen Bereich spielt Führung eine wichtige Rolle, wenn z. B. Fachkräfte sich auf eine Führungsposition bewerben. In diesem Fall kann transformationale Führung beispielsweise in Assessment-Center Übungen oder Interviews (s. Kap. 15) erhoben und bei der Auswahl von Führungskräften berücksichtigt werden. Dazu werden beispielsweise Rollenspiele druchgeführt, so dass geschulte Beoabachter das potentiell transformationale Verhalten bewerten können.

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199

Personalführung II: alternative Ansätze

Kai C. Bormann

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_18

18

18.1 Einführung

Im vorangegangenen Kapitel lag der Schwerpunkt auf verhaltensbezogenen Modellen er-folgsrelevanter Führungsstile (bspw. transformationale Führung). Das nun folgende Kapi-tel vertieft die Thematik weiter, indem zum einen der Führungskontext, also die Situation als äußerer Rahmen, als mögliche Einflussgröße diskutiert wird. Zum anderen soll die Interaktion, insb. die Beziehung zwischen Führendem und Geführtem näher beleuchtet werden. Zusätzlich soll außerdem das Begriffsverständnis dahingehend erweitert werden, als dass eine mögliche Kategorisierung verschiedener Führungsmodelle vorgestellt wird.

18.2 Begriffsverständnis

In der Literatur zur Führungsforschung hat sich eine Kategorisierung zwischen verschie-denen Führungsansätze etabliert. So lässt sich bspw. zwischen verhaltenstheoretischen und situationalen Führungsansätzen unterscheiden (zum Überblick: Day und Antonakis 2012; Yukl 2009). Bereits die Bezeichnung der einzelnen Kategorien impliziert den Fokus bzw. den Schwerpunkt, den die zugeordneten Modelle und Theorien verfolgen.

Verhaltenstheoretische AnsätzeDie Grundannahme dieser Ansätze ist, dass Führungserfolg abhängig ist von bestimm-ten Verhaltensweisen, die ein Führungskraft zeigt. Die Verhaltensweisen sind dabei er-folgsrelevant und unabhängig von der Person des Führenden und der konkreten Situation. Gerade letzteres impliziert, das verhaltenstheoretische Ansätze erfolgreich sind in prin-zipiell jeder Führungssituation. Klassische Theorien, die eindeutig dieser Kategorie von

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200 18 Personalführung II: alternative Ansätze

Führungsansätzen zugeordnet werden können, sind bspw. die Mitarbeiter- und Aufgaben-orientierung, die bereits im vorangegangenen Kap. 17 vorgestellt worden sind.

Situationale FührungsansätzeObwohl die empirische Validierung bspw. der Unterscheidung mitarbeiter- und aufgaben-orientierter Führung möglich war (Fleishman 1953), kritisierten verschiedene Autoren die vermeindliche Universalität der Ansätze (Fiedler 1967; Hersey und Blanchard 1974). Ent-gegen der Annahme, dass bestimmte Führungsverhaltensweisen situationsübergreifend erfolgsrelevant sind, entwickelten sich parallel alternative Herangehensweisen, die das Zusammenspiel von Führung und Führungssituation in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen. Eine der zentralen Theorien der situationalen Ansätze ist Fidlers Kontingenztheo-rie, die im Laufe dieses Kapitels noch ausführlicher thematisiert werden soll.

Sowohl die verhaltenstheoretischen als auch die situationalen Führungsansätze haben in der Vergangenheit Phasen des Aufschwungs und Phasen der Vergessenheit erfahren. In aktuellen Ansätzen der Führung lassen sich interessanterweise Elemente beider Bereiche wiederfinden. Es stellt sich dabei allerdings derart dar, dass es bisweilen nicht möglich ist, Führungsmodelle eindeutig einer der Kategorien zuzuordnen. So thematisiert die trans-formational Führung zwar eindeutig zentrale Führungsverhaltensweisen, was sie zur ver-haltenstheoretischen Kategorie zuspricht. Zum anderen dokumentiert die umfangreiche empirische Forschung zu moderierenden Einflüssen auf die Effekte transformationaler Führung das faktische Eingeständnis, dass auch der Führungskontext einen Einfluss hat. Insgesamt lassen sich aktuelle Führungsmodelle daher als Hybridansätze, also als Kombi-nation verschiedener Perspektiven, verstehen (Bryman 1992; Sashkin 2004).

18.3 Modelle

KontingenztheorieDie Kontingenztheorie von Fiedler (1967) erklärt Führungserfolg als Zusammenspiel zwi-schen Führungsverhalten und der Führungssituation. Das Modell legt die Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung zu Grunde, berücksichtigt darüber hinaus aber noch verschiedene Merkmale des Kontextes: so z. B. das Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbei-tern, die Aufgabenstruktur und die Positionsmacht der Führungskraft.

Die Führungsvariablen Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung werden nach Fiedler als stabile Merkmale einer Führungskraft verstanden. D.h. eine Führungskraft führt ent-weder mitarbeiter- oder aufgabenorientiert und passt das Führungsverhalten nicht ent-sprechend den Anforderungen der Situation an. Welcher der beiden Basisstile einer Füh-rungskraft zugeordnet ist, lässt sich mit Hilfe des Fragebogens zum sog. „least preferred coworker (LPC)“ ermitteln. Dieser erfasst anhand von 16 gegensätzlichen Adjektivpaaren (bspw. freundlich – unfreundlich, langweilig – interessant, unterstützend – feindselig), wie eine Führungskraft den von ihr am wenigsten geschätzten Mitarbeiter beschreibt. Je positiver der entsprechende Mitarbeiter beschrieben wird, desto größer ausgeprägt ist die

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20118.3 Modelle

Mitarbeiterorientierung einer Führungskraft. Ist die Beschreibung entsprechend negativer, desto stärker wird aufgabenorientiert geführt.

Wie erfolgreich der einzelne Führungsstil ist, bedingt nach der Kontingenztheorie die konkrete Situation. Fiedler identifiziert dabei drei Merkmale, die von wesentlicher Be-deutung sind: Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitern (Atmosphäre inner-halb des Teams; Ausmaß an Vertrauen, Loyalität und Respekt von Mitarbeitern gegen-über der Führungskraft), Aufgabenstruktur (Klarheit und Eindeutigkeit der Arbeitsziele und entsprechend strukturierten Arbeitsaufgaben und -schritten) und Positionsmacht der Führungskraft (legitimer Einfluss der Führungskraft auf Mitarbeiter; Verfügungsmacht bzw. Weisungsbefugnisse bezüglich Verteilung von Ressourcen, Personalentscheidungen, etc.). Das Zusammenwirken von Situationsmerkmalen und dem etwaigen Führungsstil der Führungskraft bedingt letztendlich die Effektivität von Führungsverhalten. Da durch die Kombination der Situationsvariablen eine Vielzahl möglicher Szenarien entsteht, ver-anschaulicht Abb. 18.1 idealtypisch die (In-)Effektivität der beiden Führungsverhaltens-weisen Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung.

Die Abbildung zeigt, dass je nach Eigenschaften der Situation die beiden Führungsstile unterschiedlich effizient sind. So stellt es sich so dar, dass gerade in sehr günstigen (alle drei Situationsmerkmale hoch ausgeprägt) wie ungünstigen (alle drei Situationsmerkmale niedrig ausgeprägt) Situationen ein aufgabenorientierter Führungsstil den größten Füh-

Abb. 18.1 Interaktion von Führungsverhalten und Situation. (Nach Fiedler 1967)

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202 18 Personalführung II: alternative Ansätze

rungserfolg verspricht. Demgegenüber bietet sich ein mitarbeiterorientierter Stil in mittel-günstigen Situationen an.

Kritik an der Kontingenztheorie gibt es bis heute zahlreiche. Aspekte, die dabei re-gelmäßig aufgegriffen werden, sind die bisweilen schwache theoretische Herleitung des Modells (Gebert und von Rosenstiel 2002), die Operationalisierung des Basisführungsstils über den LPC-Wert (Schriesheim et al. 1979) oder die vermeintlich willkürliche Wahl der Situationsmerkmale (Scholz 2000). Der Verdienst Fiedlers Kontingenztheorie liegt dennoch bis heute darin, die Führungssituation mit einzubeziehen. Entsprechend kann die aktuell vielfältige Forschung zu moderierenden Einflüssen auf die Effekte von Führung (bspw. bei der transformationalen Führung; Avolio et al. 2004) durchaus als Weiterführung der Kontingenztheorie interpretiert werden.

Leder-Member ExchangeBis hierhin wurde das Thema Führung vor allem hinsichtlich relevanter Führungsverhal-tensweisen und situativer Einflussgrößen behandelt. Ein anderer bisher vernachlässigter Blickwinkel auf die Dyade Führungskraft und Mitarbeiter ist die Interaktion zwischen beiden Seiten. Die Theorie des Leader-Member-Exchange (LMX), frei übersetzt der Aus-tausch zwischen Führendem und Geführten, setzt an eben dieser Stelle an (Graen und Uhl-Bien 1995; Liden et al. 1997; Schyns 2004).

Behandelt eine Führungskraft alle ihr unterstellten Mitarbeiter gleich? Dem Leader-Member Exchange folgend muss diese Frage eindeutig mit nein beantwortet werden. Die Grundannahme der Theorie ist, dass eine Führungskraft zu jeder ihr unterstellten Person eine individuelle Beziehung aufbaut und eingeht. Da die zu Verfügung stehenden Res-sourcen einer Führungskraft, allen voran die Zeit, begrenzt sind, unterscheiden sich die Beziehungen zu den einzelnen Mitarbeitern hinsichtlich ihrer Qualität. Zu manchen Mit-gliedern, der sog. In-Group, besteht eine stärkere Beziehungen, zu anderen, der sog. Out-Group, eine schwächere. Im Falle der In-Group, besteht in den Worten der LMX-Theorie ein stärkerer Austausch zwischen beiden Parteien. Dieser kommt dadurch zum Ausdruck, dass diesen Mitarbeitern mehr Aufmerksamkeit der Führungskraft zu Teil wird und ihnen mehr Vertrauen und Loyalität entgegengebracht wird. Außerdem genießen sie bestimmte Privilegien, wie bspw. die Ausführung anspruchsvollerer und attraktiverer Arbeitsaufga-ben. Bei Personen der Out-Group sind all diese Merkmale deutlich geringer ausgeprägt (Liden und Graen 1980; Liden et al. 1993).

18.4 Empirische Befunde

Befunde KontingenztheorieEmpirische Forschung zu Fiedlers Kontingenztheorie zum Führungserfolg steht seit je-her vor der Herausforderung, dass gerade die diversen Kombinationen der verschiede-nen situativen Einflussfaktoren schwer operationalisierbar bzw. abbildbar sind. Nichts-destotrotz findet sich eine Reihe von empirischen Arbeiten, die sich der Überprüfung der

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20318.4 Empirische Befunde

Kontingenztheorie erfolgreich angenommen haben. Von besonderer Bedeutung sind da-bei meta-analytische Studien, die den umfassendsten Überblick der Relationen liefern. Mehrere Arbeiten (Ayman et al. 1995; Peters et al. 1985; Schriesheim et al. 1994; Strube und Garcia 1981) konnten die grundsätzlichen Annahmen, also den Einfluss der Situ-ation, des Modells bestätigen, allerdings beziehen sich die bestätigenden Befunde da-bei meist auf einzelne Bausteine. D. h. eine vollständige Unterscheidung der insgesamt acht unterschiedlichen Situationskategorien, die Fiedler in seinem Modell postuliert, war nicht möglich. Neben solchen meta-analytischen Befunden, die die Kontingenztheorie in Grundzügen bestätigen, lassen sich jedoch auch wiederholt Arbeiten finden, die die empi-rische Gültigkeit wesentlich kritischer diskutieren. In den mittlerweile mehr als 40 Jahren Forschung zur Kontingenztheorie bleibt das Modell aktuell, da es zum einen durch die Beleuchtung des Führungskontexts einen wichtigen Beitrag leistet. Wie bereits erläutert, lässt sich aktuelle Forschung zu moderierenden Einflüssen auf den Führungserfolg von bspw. transaktionalen oder transformationalen Verhaltensweisen auf Grundannahmen der Kontingenztheorie zurückführen.

Befunde Leder-Member ExchangeDie organisationswissenschaftliche Literatur liefert eine Vielzahl von Studien zum Lea-der-Member Exchange, die insbesondere die Wirkung auf organisationsrelevante Krite-rien untersuchen. Auch hier bieten Meta-Analysen den besten Überblick. Gerstner und Day (1997) untersuchten die Effekte von LMX über 79 Studien hinweg. Sie berichten bedeutsame positive Zusammenhänge mit wichtigen Kriterien wie Arbeitszufriedenheit, beruflicher Leistung oder Commitment der Mitarbeiter. In anderen Worten heißt das, je besser die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ist, also je eher ein Mit-arbeiter der In-Group angehört, desto zufriedener und besser ist er bei der Arbeit. In einer zweiten Meta-Analyse untersuchten Ilies et al. (2007) den Zusammenhang zwischen LMX und Extra-Rollen Verhalten (bspw. Organizational Citizenship Behavior) der Mitarbeiter. Letztere beziehen sich auf all die Verhaltensweisen einer Person, die positiven Einfluss auf die Organisation haben, dabei allerdings nicht in formalen Dienstpflichten festge-halten sind (bspw. kooperatives Verhalten). Auf Basis von 50 unabhängigen Stichproben berichten Ilies und Kollegen bedeutsame positive Zusammenhänge zwischen LMX und den Kriterien. D.h. also, je besser die Austauschbeziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ist, desto eher unterstützen sich bspw. Mitarbeiter untereinander. Diese umfas-senden Befunde untermauern Graen und Uhl-Biens (1995) These, dass eine Führungskraft bemüht sein sollte, zu möglichst vielen Mitarbeitern eine gute Beziehung aufzubauen. Wie eine Führungskraft das schaffen kann, ist ebenfalls erforscht worden. So untersuch-ten bspw. Wang et al. (2005) den Zusammenhang zwischen transformationaler Führung, LMX und den organisationsrelevanten Kriterien Leistung und Organizational Citizenship Behavior. Die Untersuchung zeigte, dass transformationales Führungsverhalten einer Füh-rungskraft zu einer besseren Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter führen, was wiederum zu gestiegener Leistung und gestiegenem Extra-Rollen Verhalten (OCB, bspw. Unterstützung von Kollegen, s. Kap. 10) führt.

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204 18 Personalführung II: alternative Ansätze

18.5 Umsetzung in der Praxis

KontingenztheorieEinige anschauliche Beispiele, die die Bedeutung der Situation bzw. des Kontextes ver-deutlichen, bietet der deutsche professionelle Fußball. Auch Teamsport lässt sich durch das Verhältnis zwischen Trainer und Spieler grundsätzlich als Setting für organisationale Führungsfragestellungen verstehen. Obwohl sich Trainer aus der Ferne kaum als stark mitarbeiter- oder aufgabenorientiert beschreiben lassen, bietet sich der Fußballsport den-noch auch an dieser Stelle an, um sich die Relevanz der äußeren Rahmenbedingungen zu veranschaulichen.

Nehmen wir zum Einstieg das Beispiel der sog. „Feuerwehrmänner“. Dieser Begriff hat sich in Deutschland als Bezeichnung für die Art von Trainern etabliert, die wiederholt akut abstiegsgefährdete Mannschaften gerade gegen Ende einer laufenden Saison über-nommen haben und es schafften, den drohenden sportlichen Abstieg zu verhindern. Eng verbunden mit dem Begriff des Feuerwehrmanns in Deutschland sind (ehemalige) Trainer wie Jörg Berger oder Peter Neururer. Die negative Kehrseite des Begriffs des Feuerwehr-manns liegt allerdings auch darin, dass solche Trainer meist nicht in der Lage waren, den kurzfristigen Erfolg in einen längerfristigen umzuwandeln, was sie vermeintlich auf ihre Kompetenz in Krisenmomenten reduziert.

Veranschaulichen wir nun die Kontingenztheorie detaillierter anhand eines Fußballbei-spiels. Aufgrund schlechter sportlicher Leistungen befindet sich eine Mannschaft kurz vor Saisonende am Tabellenende. Der rettende Klassenerhalt hängt von den letzten Spielen ab. Ob die Mannschaft in der Lage ist, die erforderliche Leistung zu erbringen, um doch noch die Abstiegsplätze zu verlassen, ist aufgrund der insgesamt schlechten Saisonleis-tung fraglich (schwach ausgeprägte Aufgabenstruktur). Die Last der sportlichen Talfahrt wirkt sich auch auf das Verhältnis zwischen Trainer und Spielern aus, das seit Antritt des Trainers schlecht ist. Der Trainer selbst hat dabei hohe Positionsmacht, da er mit seinen Entscheidungen festlegt, welche Spieler in den Schlüsselspielen zum Einsatz kommen und welche Taktik gespielt wird. Vor dem Hintergrund dieser Situation verspricht Fiedlers Kontingenztheorie einen größeren Nutzen aufgabenorientierter Führungsverhaltenswei-sen (bspw. die Formulierung klarer Ansagen, Folgeleistung und Gehorsam einfordern).

Leder-Member ExchangeDie Grundannahme der LMX Theorie ist eine naheliegende: Eine Führungskraft pflegt nicht zu allen Mitarbeitern eine gleichwertige Beziehung. Zu manchen besteht eine engere Beziehung, zu anderen eine weniger enge. Entsprechend der Beziehung erfolgt auch die Verteilung von Lob, Anerkennung und Aufmerksamkeit der Führungskraft. Dass dieser soziale Austausch aus unternehmerischer Perspektive erfolgskritisch ist, haben, wie be-reits erörtert, unterschiedliche empirische Studien eindrucksvoll untermauert. Aus einer praxisorientierten Sicht stellt sich nun die Frage, wie diese Befunde genutzt werden kön-nen. Eine zentrale Quintessenz ist dabei die, dass eine Führungskraft bemüht sein sollte,

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205Literatur

zu möglichst vielen Mitarbeitern eine qualitativ hochwertige Beziehung aufzubauen. Ein mögliches Instrument zur Erreichung dieses Ziels kann die transformationale Führung sein. Wie bspw. die Studie von Wang et al. (2005) zeigte, führt transformationales Füh-rungsverhalten dazu, dass die Mitarbeiter ihre Beziehung zur Führungskraft positiver wahrnehmen. Transformationale Verhaltensweisen wiederum sind erlernbar, wie bereits in Kap. 17 dargelegt. Es empfiehlt sich, dass insbesondere die Facette der individuellen Unterstützung hier von Bedeutung ist. Ob ein Mitarbeiter die Beziehung zu seiner Füh-rungskraft als hochwertig einschätzt, wird davon abhängen, inwieweit letzter in der Lage ist, auf die Wünsche und Bedürfnisse des Einzelnen einzugehen, Lob auszusprechen und Anerkennung zu vermitteln.

Eine weitere Möglichkeit, die positiven Implikationen des Leader-Member Exchanges zu nutzen, bezieht sich aus einer organisationsstrukturellen Perspektive auf den Faktor Zeit. Kann eine Führungskraft zwar die eigenen zeitlichen Ressourcen nur begrenzt auf-teilen, stützen empirische Befunde, dass mit zunehmender Dauer der Zusammenarbeit zwischen Führungskraft und Mitarbeiter die Qualität der Beziehung steigt (Wayne et al. 1997). Es wäre daher ein Mittel, sich darum zu bemühen, Arbeitsgruppen über einen län-geren Zeitraum intakt zu halten, um mittel- bis langfristig die positiven Effekte der Zu-sammenarbeit zu realisieren. Ebenso ist es sinnvoll, die Teamgröße zu berücksichtigen. Steigt die Anzahl der Mitarbeiter, so sinkt die Zeit, die die Führungskraft mit jedem ein-zelnen Mitarbeiter im Durchschnitt interagieren kann. Entsprechend schwerer wird es, eine qualitativ hochwertige Beziehung zu den einzelnen Personen aufzubauen.

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Human Resource Management Controlling

Jens Rowold

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_19

19

19.1 Einführung

Unternehmen stehen vor immer komplexeren Herausforderungen. Einerseits erhöhen ak-tuelle Entwicklungen wie die Globalisierung und zunehmende internationale Konkurrenz den Kostendruck. Dadurch erscheinen Human Resource Maßnahmen wie Personalent-wicklung auf den ersten Blick als zu vermeidender Kostenfaktor. Andererseits werden in bestimmten Branchen (z. B. IT-Unternehmen) gute Fachkräfte zunehmen seltener und der demografische Wandel tut sein Übriges, damit sich Unternehmen immer mehr in ei-nem „war for talents“ befinden. Um gute Fachkräfte an das Unternehmen zu binden und deren Abwanderung an andere Unternehmen zu verhindern, sollten Unternehmen in ihre Mitarbeiter investieren – z. B. in Form von Weiterbildungsmaßnahmen, individuelle Kar-rierepläne, usw. Vor diesem komplexen Entscheidungs- und Handlungsfeld des Human Resource Managements werden Forderungen nach Controllinginstrumenten sowohl sei-tens der Unternehmensleitung als auch von anderen Entscheidungsträgern immer häufi-ger. Ziel dieses Controllingbereichs ist es, Kennzahlen über den Wert eines Mitarbeiters für das Unternehmen zu erhalten, und Maßnahmen hinsichtlich deren Strategierelevanz, Effizienz, Effektivität, etc., zu bewerten, die diesen Wert steigern können.

19.2 Begriffsverständnis

Human Resource Controlling überwacht und berichtet Kenngrößen des Human Resour-ce Managements, um letztendlich einen strategischen relevanten Beitrag zur Wertschöp-fungskette zu leisten. Es geht dabei über das Controlling aus anderen, klassischen Be-reichen von Wirtschaftsunternehmen hinaus. Nach Bröckermann (2003) hat das Control-ling im Bereich Human Resources vier Hauptfunktionen: a) Informationsfunktion (u. a.

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208 19 Human Resource Management Controlling

Bereitstellung von personalbezogenen Kenngrößen), b) Steuerungsfunktion (Abgleich der Unternehmensstrategie mit Maßnahmen des Human Resource Managements), c) Planungs- (Welche Maßnahmen sollten ergriffen werden?) und Kontrollfunktion (Sind die durchgeführten Maßnahmen so verlaufen, wie geplant?) und d) Servicefunktion (Be-schreibung des Beitrags einzelner Human Resource Maßnahmen u. a. zum Gesamtbei-trag). Darüber hinaus gibt es jedoch noch weiter reichende Funktionen: e) Führungskräfte, die in der Regel seitens ihrer beruflichen Ausbildung wenig Wissen im Bereich Human Resources haben, werden durch die Bereitstellung und Diskussion von Kennziffern aus dem Human Resource Controlling auf die strategische Bedeutung dieser Kennziffern und damit einhergehend auch auf den Nutzen von Maßnahmen des Human Resource Manage-ments hingewiesen. Die Erfahrung zeigt, dass die Wichtigkeit von „weichen“ Indikatoren wie Motivation der Mitarbeiter von Führungskräften in der Regel stark unterschätzt wird. Wenn es dem Human Resource Controlling gelingt, positive Zusammenhänge zwischen Motivation und Leistungsindikatoren der Mitarbeiter aufzuzeigen, hat jede Führungskraft einen weiteren Hebel zur Steigerung der Leistung. Schließlich stellt f) die Früherkennung von Chancen und Risiken eine weitere Funktion des Human Resource Controllings dar. Denn wenn Prognosen über die Entwicklung von z. B. dem Wissensstand der Belegschaft erstellt werden, können rechtzeitig Trainings zur Erweiterung oder Aktualisierung durch-geführt werden, bevor das Wissen der Mitarbeiter veraltet ist und dadurch ein strategischer Nachteil entsteht. Dieser letzte Punkt stellt eine Verknüpfung der Funktionen b) und c) dar.

Idealerweise wird beim Human Resource Controlling ein enger, theoretisch fundierter und empirischer Zusammenhang zwischen den Kenngrößen (z. B. Fluktuation) einerseits und der Unternehmensleistung andererseits nachgewiesen.

Bereits vor Entscheidungen des Managements sollte das Human Resource Controlling Kenngrößen regelmäßig überwachen und erfassen. Nur so ist gewährleistet, dass bei ei-ner Vielzahl von relevanten Kenngrößen kurzfristige Entscheidungen getroffen werden können. Während (oder unmittelbar vor) wichtigen Entscheidungen sollten die entspre-chenden Kenngrößen aufbereitet und für die jeweilige Fragestellung und Zielgruppe ver-dichtet werden. Dies kann auch beinhaltet, dass die regulären Kenngrößen mit anderen, z. B. unternehmensrelevanten Daten (z. B. Umsatz in Abteilung X) in Beziehung gesetzt werden. Hierzu sind Grundkenntnisse in Inferenzstatistik (z. B. Korrelation, vgl. Kap. 24) unerlässlich. Der Vorteil dieser statistischen Auswertungen besteht darin, dass vormals getrennt betrachte Teilziele des Unternehmens (z. B. Fluktuationsquote senken, Unter-nehmenserfolg steigern) nun durch das Human Resource Controlling explizit verbunden werden und gemeinsam betrachtet und entschieden werden. Dadurch, dass Kenngrößen unterschiedlicher Teilziele gemeinsam in einen Entscheidungsprozess eingehen, werden sie a) ausgewogen untereinander und b) ganzheitlich im Sinne der Relativierung zu ande-ren (Teil-)Zielen des Unternehmens gewürdigt. Dies hilft Entscheidungsträgern letztend-lich, bessere Entscheidungen zum Nutzen des Unternehmens zu fällen.

Im Human Resource Controlling werden zahlreiche Kenngrößen fokussiert, die zwar einerseits als „weiche“ Kriterien (z. B. Arbeitszufriedenheit, vgl. Kap. 10) dargestellt werden können, jedoch andererseits einen Einfluss auf objektive, „harte“ Kriterien (z. B.

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20919.3 Modelle

Produktionszahlen eines Mitarbeiters) haben. Dadurch wird ein ganzheitlicheres und umfassenderes Bild der jeweiligen Arbeitsprozesse gezeichnet, welches mehr Chancen auf Verbesserung sowohl für das Unternehmen als auch für den Arbeitnehmer beinhaltet. Implizit hebt daher ein Human Resource Controlling die Bedeutung der Beschäftigten für die Wertschöpfungskette hervor. Je mehr dabei Indikatoren verwendet werden, die direkt mit dem Unternehmenserfolg in Beziehung stehen oder die in monetären Einheiten ausgedrückt sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Human Resource Management als Partner auf Augenhöhe mit der Geschäftsführung etablieren kann.

19.3 Modelle

19.3.1 Ansätze aus der Praxis

Es liegen inzwischen eine Vielzahl von Kennzahlen-Taxonomien im Bereich des Human Resource Controllings vor. Je nach unternehmensspezifischem Produktions- oder Dienst-leistungsprozess ergeben sich aus Sicht der Praxis für das jeweilige Controlling unter-schiedliche Kennzahlen, die einen sinnvollen Beitrag zur Überwachung, Planung und Steuerung leisten können. In der Praxis haben sich Taxonomien von Kennzahlen bewährt, die in unterschiedlichen Phasen der Mitarbeiterauswahl, des Mitarbeitereinsatzes und der Mitarbeiterfreisetzung relevant sind (Klingler 2005; Schulte 1989).

Planung und Beschaffung von Personal. Aus strategischen Zielen sollten Indikato-ren wie der zukünftige Bedarf von Mitarbeitern bestimmt werden. Gleichzeitig müssen wichtige Kernmerkmale wie der Bildungsstand und demographische Kenngrößen berück-sichtigt werden, um einen effizienten Einsatz des zukünftigen Personals zu ermöglichen. Aktuell werden Diversity-Indikatoren (Altersstrukturanalysen) zunehmend relevanter, die bestimmen können, wie heterogen und kulturell vielfältig z. B. Arbeitsteams zusam-mengesetzt sind. Um an das benötigte Personal heranzukommen, müssen die dafür nöti-gen Personalauswahl-Instrumente (vgl. Kap. 15) möglichst effizient und effektiv geplant und durchgeführt werden. Aus den bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen lassen sich z. B. das multimodale Interview oder bestimmte Formen des Assessment-Centers sowie – je nach Berufstyp – unterschiedliche Persönlichkeitstests zur validen Auswahl von Bewerbern nutzen. In den unterschiedlichen Methoden der Personalauswahl werden letztendlich Informationen über a) die potentielle Eignung der Bewerber sowie b) das Leistungspotenzial gesammelt. Die Prognose des Potenzials ist u. a. durch Persönlich-keits- und Intelligenzmerkmale, aber auch durch bisherige Berufserfahrungen möglich. Ebenfalls in den der eigentlichen Tätigkeit des einzustellenden Personals vorgeschalteten Bereich fällt das Personalmarketing, welches möglichst effizient ein positives Image des Unternehmens für zukünftige Bewerber aufbauen sollte, und somit langfristig geeignete Bewerber anziehen sollte.

Personaleinsatz. Um ausgewählte Bewerber möglichst produktiv einzusetzen, sollte u. a. deren Leistung, Fluktuation und Krankenstand gemonitort werden. Daneben können

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210 19 Human Resource Management Controlling

„weiche“ Indikatoren wie commitment und Arbeitszufriedenheit (s. Kap. 10) wichtige In-formationen über leistungs- und unternehmensrelevante innere Prozesse des jeweiligen Arbeitnehmers liefern. Diese Klasse von Indikatoren wird in den meisten mittelständi-schen und großen Unternehmen i. d. R durch jährliche Mitarbeiterbefragungen erhoben (vgl. Kap. 22). Anschließend können die Ausprägungen dieser Indikatoren mit a) internen Benchmarks (z. B. Vergleich zu bisherigen Ausprägungen, Vergleich zwischen verschie-denen Beschäftigten-Gruppen oder Abteilungen) und/oder b) externen Benchmarks (Ver-gleich zu konkurrierenden Unternehmen) in Beziehung gesetzt werden.

Personalentwicklung. Maßnahmen zur Kompetenzerweiterung stellen vor dem Hin-tergrund der zunehmenden Komplexität der Arbeitswelt und der immer kürzeren Halb-wertszeit des Wissens oft einen strategischen Vorteil für Unternehmen dar. Jedoch sind mit diesen Maßnahmen auch einerseits direkte (z. B. Entwicklungskosten) und indirekte Kosten (Abwesenheit der Trainingsteilnehmer) verbunden. Daher ist Controlling gerade in diesem Bereich sehr wichtig (Bsp. vgl. unten). Eine genaue Analyse welche Mitarbei-ter zu welchem Zeitpunkt welche Personalentwicklungsmaßnahmen bekommen, ist daher entscheidend. Ergebniskriterien können dabei einerseits die verbesserte Leistung der Trai-ningsteilnehmer, aber auch deren commitment gegenüber Veränderungsprozessen oder deren Beschäftigungsdauer im Unternehmen sein. Eine besondere Herausforderung stellt in diesem Zusammenhang die langfristig vorbereite Auswahl und Entwicklung von Nach-wuchs-Führungskräften dar. Hierfür müssen geeignete Potenzialanalysen mit verschiede-nen Experten geplant und durchgeführt werden, um faire Entscheidungen zu ermöglichen.

Personalfreistellung. Aus reinen Kostengesichtspunkten sollten Kennzahlen wie die Kosten für das Outplacement (z. B. Austritts-Interview) erhoben werden. Besonders wich-tig sind Kennziffern wie die Fluktuations- oder Kündigungsquote, da Unternehmen in bestimmten Branchen Interesse daran haben, die Leistungsträger zu behalten. Sorgfältige Analysen über die Gründe des freiwilligen Austritts aus der Organisation können daher längerfristig zu Maßnahmen genutzt werden, die key performer im Unternehmen halten. Für das Unternehmensimage relevant sind Kennzahlen wie etwa der Anteil der nach dem Austritt wieder beschäftigten Mitarbeiter. Diese Kennziffern sind auch für die Politik und für Gewerkschaften interessant.

In der Praxis werden die bisher genannten Indikatoren häufig isoliert voneinander be-trachtet, um Entscheidungen vorzubereiten. So reicht es in der Regel aus, sich die Kos-ten und den Nutzen von mehreren Personalmarketing-Maßnahmen anzuschauen, um eine Entscheidung für eine dieser Maßnahmen zu fällen. Jedoch bietet die Verknüpfung von mehreren Indikatoren weitere wichtige Erkenntnisse für das jeweilige Unternehmen. Birri (2011) empfiehlt z. B., das Potenzial von Mitarbeitern aus den Personalauswahlverfah-ren mit der aktuellen Leistung zu verknüpfen. Dadurch wird anhand einer Matrix für je-den Mitarbeiter ersichtlich, welche Maßnahmen für diesen ergriffen werden sollten: Für Mitarbeiter mit geringem Potenzial und geringer Leistung sollte überlegt werden, welche alternative Tätigkeit (intern oder extern) zu einer höheren Leistung führen könnte. Ist die Leistung und das Potenzial hoch, so kann über eine Beförderung nachgedacht werden. In der Gruppe derjenigen, die ein hohes Potenzial haben, aber eine geringe Leistung zeigen,

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21119.3 Modelle

kann wiederum überlegt werden, welche Art von Personal- (z. B. Coaching durch Vorge-setze) oder Organisationsentwicklung (z. B. bessere Ausstattung mit Ressourcen) für eine Leistungssteigerung sinnvoll sein könnten.

19.3.2 Ansätze aus der Wissenschaft

Bisher wurden Taxonomien des Human Resource Controllings aus der Praxis dargestellt. Leider gibt es bisher nur unzureichend wissenschaftlich fundierte Theorien oder elabo-rierte und empirisch ausreichend abgesicherte Modelle. Dem gegenüber legte die Arbeits-gruppe um Scholz mit Ihrem Human Capital Ansatz ein differenziertes und gleichermaßen praktikables System für Controllingzwecke vor (Scholz et al. 2006). Grundsätzlich wird dabei postuliert, dass der Unternehmenswert sich einerseits aus dem Bilanzvermögen (z. B. Finanzanlagen, Wert der Maschinen) und dem sonstigen immateriellen Vermögen (z. B. Wert der Kundenbeziehungen) zusammensetzt. Darüber hinaus leistet jedoch auch das Humankapital einen Beitrag zum Unternehmenswert. Zum Humankapital zählen zen-trale Kenngrößen des Human Resource Managements, wie etwa a) das Wissen bzw. die intellektuellen Fähigkeiten der Mitarbeiter, b) deren Fähigkeiten, c) Kreativität und d) Motivation. Diese Kenngrößen werden – z. B. nach der „Saarbrückener Formel“ – jeweils im Wesentlichen multiplikativ verknüpft, um den Gegenwert zu berechnen, den die jewei-lige Mitarbeiterschaft für das Unternehmen darstellt (Scholz und Stein 2007; Scholz et al. 2006).

Im Rahmen des Human Resource Controlling können auch mehrere der oben ange-sprochenen, in der Praxis häufig verwendeten Indikatoren – sowie deren Verknüpfung – genutzt werden. Das aus Kap. 12 bekannte Job Characteristics Model (JCM) ist hierfür ein gutes Beispiel. Im JCM werden Input-Merkmale des Arbeitsplatzes (z. B. die Quali-tät des Feedbacks) mit Output- bzw. Ergebnisgrößen (z. B. Arbeitsmotivation) in Bezie-hung gesetzt. Da das JCM wissenschaftlich sowohl theoretisch als auch empirisch gut abgesichert ist, kann es für die Controllingpraxis genutzt werden, indem z. B. Treiber für die Arbeitszufriedenheit erst durch das JCM identifiziert werden und anschließend durch z. B. Befragung von Vorgesetzten regelmäßig kontrolliert werden, um einer Absenkung der Motivation vorzubeugen.

19.3.3 Vertiefung: Controlling von Personalentwicklungsmaßnahmen

In der Unternehmenspraxis weit verbreitet ist das inzwischen als nicht mehr angemessen anzusehende Modell der Trainingsevaluation von Kirkpatrick (1998). Erstes Kriterium soll die subjektive Zufriedenheit des Trainingsteilnehmers sein. Dies wird in der Regel durch einfache Zufriedenheits-Fragebögen (happiness-sheets) am Ende des Trainings ge-messen. Zweites Kriterium ist dessen Lernerfolg (Messung z. B. durch Tests am Ende des Trainings). Schließlich soll ein Training bewirken, dass sich das Verhalten des Teil-

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212 19 Human Resource Management Controlling

nehmers verbessert. Dies kann z. B. durch Verhaltensbeobachtungen bei der Arbeit nach dem Training (z. B. durch Beobachtung durch den Vorgesetzten) erfasst werden. Schließ-lich soll sich ein Training auch in unternehmensrelevanten Ergebnissen niederschlagen. So erwartet die Unternehmensführung in der Regel, dass Mitarbeiter, die z. B. zu einem Training zur Verbesserung der Kundenorientierung geschickt werden, dem Unternehmen später höhere Umsätze garantieren, weil Kunden beim Unternehmen mehr Produkte er-werben. Kirkpatrick ging davon aus, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen den vier Ebenen gibt. Verschiedene Studien konnten nachweisen, dass diese Zusammenhänge empirisch nicht haltbar sind (Alliger et al. 1997).

Ein wissenschaftlich besser abgesichertes Modell zum Controlling des Erfolgs von Personalentwicklungsmaßnahmen stellen Baldwin und Ford (1988) vor. Demnach wird zwischen dem (kurzfristigen) Lernen und Behalten nach dem Training auf der einen sowie dem (längerfristigen) Umsetzen und Generalisierung des Gelernten auf der anderen Seite unterschieden. Darüber hinaus unterstreichen Baldwin und Ford (1988), dass der Erfolg von zahlreichen Merkmalen des Lernenden (z. B. Alter), der Organisation (z. B. Unter-stützung durch Vorgesetzte) sowie der Personalentwicklungsmaßnahme (z. B. verwendete Methoden) abhängt.

Während die bisher vorgestellten Modelle auf Kriterien Bezug nehmen, die spezifisch für Personalentwicklungsmaßnahmen sind (z. B. Lernerfolg), gibt es darüber hinaus Me-thoden und Instrumente, die auf globalere und daher im Unternehmen besser kommu-nizierbare Indikatoren fokussieren. Als Beispiel für diese Art von Methoden wird daher exemplarisch die Kosten-Nutzen-Analyse von PE-Maßnahmen skizziert. Grundsätzlich wird bei einer Kosten-Nutzen-Analyse der Nutzen einer durchgeführten Maßnahme in monetären Einheiten bestimmt, und davon die entstandenen fixen (z. B. Trainingsent-wicklung) und variablen (z. B. Verpflegung für Trainingsteilnehmer) Kosten abgezogen. Dabei ist der Nutzen relativ schwer zu schätzen. Zentrales Element fast aller Formeln zur Bestimmung des Nutzens ist eine multiplikative Verknüpfung a) der Anzahl der Trai-ningsteilnehmer N, b) der Effekt des Trainings, sowie c) der Standardabweichung der Teilnehmerleistung SDy . Der Effekt des Trainings wird dabei in der statistischen Einheit d, also in Standardeinheiten, ausgedrückt. Dieser Wert sollte empirisch anhand einer Trai-ningsevaluation (z. B. „Wie stark verbessert sich die Leistung der Trainingsteilnehmer (in monetären Einheiten) durch das Training, im Vergleich zu einer Gruppe von Beschäftig-ten, die nicht am Training teilnehmen?“) bestimmt werden, und nur zur Not durch Werte aus der empirischen Literatur (s. z. B. Arthur et al. 2003) geschätzt werden. Die Standard-abweichung der Leistung wird in monetären Einheiten ausgedrückt. Sie ist durch eine deskriptive Analyse zu bestimmen, bei der die jeweiligen monetären Werte (aus Unterneh-menssicht) der Trainingsteilnehmer vor dem Training eingehen. Zusammenfassend lässt sich der Nutzen einer Maßnahme wie folgt darstellen:

(19.1)Nutzen NSD d variable Kosten fixe Kosteny= − −

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21319.4 Empirische Befunde

Diese Formel stellt jedoch eine starke Vereinfachung dar. Weitere Kenngrößen wie Zins-satz, Steuern, zeitlich Entwicklung, etc., können nach aktuellen Erkenntnissen mit berück-sichtigt werden und tragen zu einer genaueren und realistischeren Schätzung des Nutzen einer Personalentwicklungsmaßnahme bei. Ein empirisches Beispiel aus der Unterneh-menspraxis mit genauer Darstellung von zusätzlichen Kenngrößen findet sich in Rowold und Steinhardt (2007).

19.4 Empirische Befunde

Das Human Resource Controlling hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten eindrucksvol-le und praxisrelevante Erkenntnisse darüber gewonnen, welche Maßnahmen des Human Resource Managements zum Unternehmenserfolg beitragen und welche nicht. Bassi und McMurrer (2007) geben einen Überblick und fassen die erfolgsrelevanten Maßnahmen unter fünf Kategorien zusammen. Erstens zahlen sich Maßnahmen im Bereich Führung mittel- und langfristig aus. So lohnen sich insbesondere Personalentwicklungsmaßnah-men im Bereich Kommunikation, Partizipation, und Feedback. Zweitens rentieren sich Maßnahmen, die Mitarbeitern erlauben ihre Arbeit optimal auszuführen, wie z. B. ange-messene zeitliche Regelungen für das Ausführen der Tätigkeit (z. B. work-life balance, vgl. Kap. 11) sowie angemessen gestaltete Arbeitsplätze (technische Ausstattung, etc.). Drittens rentiert sich die Beschäftigung mit dem Thema Wissen bzw. Wissensmanage-ment; hierzu zählt die leichte Verfügbarkeit von Informationen für Mitarbeiter sowie die regelmäßige Aktualisierung des Wissens und der Kompetenzen der Mitarbeiter (z. B. durch Personalentwicklung). Viertens ist eine Betonung auf laufende Optimierung wich-tig. Ein Beispiel hierfür ist die Diagnose und Wertschätzung von Höchstleistungen (z. B. durch Leistungsbeurteilungen). Schließlich kann durch die Förderung des Lernens im weitesten Sinne ein wichtiger Beitrag zum Unternehmenserfolg geleistet werden. Maß-nahmen in diesem Bereich könnten a) die Förderung von neuen Ideen (z. B. durch ein betriebliches Vorschlagswesen), b) die Verzahnung von Karriereplänen der Mitarbeiter und den Angeboten seitens der Personalentwicklung sowie c) das Vorleben der Lern- und Entwicklungsorientierung durch Vorgesetzte sein.

Zahlreiche Studien und mehrere Meta-Analysen belegen darüber hinaus eindrucksvoll, wie wirksam Personalentwicklungsmaßnahmen für Fachkräfte in Wirtschaftsunterneh-men sind. So wurde bereits in den 80er Jahren festgestellt, dass insbesondere Trainings einen starken positiven Effekt auf Produktivitätsindikatoren in Unternehmen haben (Guz-zo et al. 1985). In einer umfangreichen Meta-Analyse konnte gezeigt werden, dass Trai-ningsmaßnahmen sowohl auf der Ebene des Verhaltens (dritte Ebene nach Kirkpatrick, s. o.) und der Ebene der Ergebnisse (vierte Ebene, s. o.) starke positive Effekte zeigen (durchschnittliches d = 0.62) (Arthur et al. 2003).

Von besonderem Interesse erscheint zudem das Human Resource Controlling von Führungskräfte-Entwicklungsmaßnahmen zu sein, da diese in der Regel teurer sind als Maßnahmen für Fachkräfte. Aktuelle Kosten-Nutzen-Analysen, die für den Bereich Füh-

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214 19 Human Resource Management Controlling

rungskräfte-Entwicklung durchgeführt wurden, belegen die Effektivität dieser Maßnah-men (Avolio et al. 2010). Voraussetzung für einen hohen monetären Nutzens dieser Maß-nahme sind: a) möglichst große Effektstärke der durchgeführten Maßnahme, b) möglichst geringe Kosten der Maßnahme, c) hohe Motivation der Teilnehmer, d) Unterstützung der Teilnehmer durch das Top-Management. Kosten-Nutzen-Analysen sollten einerseits vor der Durchführung (zur Schätzung des zu erwartenden monetären Nutzens) durchgeführt werden. Dazu können aus der empirischen sozialwissenschaftlichen Forschung Kenn-größe wie die Effektstärke von bestimmten Maßnahmen verwendet werden. Andererseits sollten die im eigenen Unternehmen durchgeführten Maßnahmen eigenständig evaluiert werden, so dass möglichst realistische Kenngrößen in die Kosten-Nutzen-Analyse einflie-ßen können. Insgesamt helfen Kosten-Nutzen-Analysen somit bei Entscheidungen über die Investition in die Ressource Personal.

19.5 Umsetzung in der Praxis

Wie unter Abschn. 3 beschrieben, finden eine Vielzahl von Indikatoren im Human Re-source Controlling ihre Berücksichtigung. Bei der Umsetzung in der Praxis gibt es eine Reihe von Herausforderungen, die ähnlich zu denen in anderen Controlling-Bereichen sind. Zunächst gilt es, sich als aktiver und gut vernetzter Controller zu positionieren. Da-für sind zum einen gute soziale Fähigkeiten, aber auch das beständige Überzeugen von der Sinnhaftigkeit und dem Nutzen der jeweiligen Controllingaufgaben nötig. In dieser Hin-sicht ist der Human Resource Controller immer auch in einer Rolle als Trainer unterwegs, der Zusammenhänge zwischen verschiedenen Prozessen, der Unternehmensstrategie und einzelnen Indikatoren aufzeigt. Zudem sollte er versuchen, ein nachhaltiges commitment für die Unterstützung aller Beteiligten zu gewinnen. Oft begegnen dem Human Resour-ce Controller Misstrauen oder Unverständnis, da von Nicht-Experten Controlling häu-fig als externe Kontrolle mit dem alleinigen Ziel der Effizienz aufgefasst wird. Andere, strategisch wichtige Ziele des Controllings müssen dagegen erst oft durch persönliche Überzeugungsarbeit kommuniziert werden. Nur dann werden auch die entscheidenden Informationen von allen Beteiligten an das Controlling weitergeleitet, insbesondere auch Informationen, die vertraulicher oder sensibler Natur sind. Letztendlich bewegt sich der Human Resource Controller immer auch in Urteils- und Entscheidungsprozesse hinein, bei denen es um die Verteilung von Ressourcen im Unternehmen geht. Daher haben alle Beteiligten Interesse daran, sich diese Ressourcen – und damit Macht und Einfluss – zu sichern. Controller können nur dann die Rationalität und die Qualität der Entscheidungen durch ihre Analysen steigern, wenn sie zuvor ihre Analyseprozesse und deren Zielsetzung transparent gemacht haben. Dabei sind auch Fragen wie die nach dem Datenschutz zu klä-ren. In diesem Zusammenhang ist der Controller oft in Gespräche mit dem Betriebsrat, der Personalabteilung, der Geschäftsführung, und weiteren Beteiligten verwickelt, bei denen in der Regel bereits vor dem Controllingprozess grundlegende Entscheidungen über das Controlling getroffen werden (müssen). Ziel sollte es sein, den Controllingprozess stra-

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215Literatur

tegisch auszurichten, auf die Mitarbeit von allen Beteiligten bauen zu können, möglichst alle relevanten Daten zu bekommen, die Rechte der einzelnen Beteiligten zu wahren, um letztendlich optimale Voraussetzungen für die jeweiligen Controllinganalysen und damit der betreffenden Entscheidung zu gewährleisten.

Auch auf Seite der methodischen Herausforderungen erwarten den Controller einige Aufgaben. Für jeden strategisch wichtigen Indikator muss von ihm zumindest verstanden werden, in welcher Form die Daten vorliegen (Skalierung, Periodizität, etc.), und wie die-se statistisch weiter verarbeitet werden können (z. B. Mittelwert, Korrelation). Oft können zwei unterschiedliche Datenarten nicht ohne vorherige Datenaufbereitung miteinander in Beziehung gesetzt werden. So können z. B. Ergebnisse aus qualitativen Interviews (z. B. über die Zufriedenheit mit der Bezahlung) nicht mit quantitativen Daten (z. B. Anzahl der Fehltage pro Jahr) in Beziehung gesetzt werden, ohne vorher z. B. die qualitativen Da-ten in Häufigkeiten umzuwandeln. Schließlich gibt es bei der Datenanalyse selbst genau diejenigen Probleme, mit denen jeder empirisch arbeitende Sozial- oder Wirtschaftswis-senschaftler vertraut ist: Welche Art von Daten erlaubt welche Schlussfolgerungen? Wann kann von einem kausalen Zusammenhang gesprochen werden? Wie beeinflussen subjek-tiv gefärbte Urteile der Befragten (z. B. Gefühle) die Datenqualität und was kann dagegen unternommen werden? Ab wann rechtfertigt eine höhere Datenqualität (inkl. der damit verbundenen Kosten) eine höherwertige Urteilsqualität? Diese und weitere Fragen sind bereits bei der Planung von Controllinganalysen zu klären, nicht zuletzt, um die Entschei-dungsträger und allen anderen Beteiligten im Unternehmen in den Controllingprozess mit einzubeziehen.

Literatur

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Avolio, B. J., Avey, J. B., & Quisenberry, D. (2010). Estimating return on leadership development investment. Leadership Quarterly, 21(4), 633–644.

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216 19 Human Resource Management Controlling

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Schulte, C. (1989). Personal-Controlling mit Kennzahlen. München: Vahlen.

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217

Operative Aufgaben des Human Resource Management

Carina Cohrs und Christina Block

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_20

20

20.1 Einführung

Die Personalverwaltung konzentriert alle wichtigen administrativen, der Personalwirt-schaft zugehörigen, Aufgaben und Maßnahmen im operativen Geschäft der Personalabtei-lung im Unternehmen. Personalreferenten beschäftigen sich täglich mit der Durchführung meist routinierter Aufgabenstellungen. Im Gegenzug zur strategischen Ausrichtung, be-deutet die operative Arbeit die kurzfristige Durchführung von Aufgaben, welche sich aus den strategischen Zielen ableiten lassen (Bühner 2005).

Im Allgemeinen umfasst das operative Human Resource Management zunächst die Verwaltung von Personalakten zur Dokumentation relevanter Unterlagen eines Beschäf-tigten. Darüber hinaus werden Eintritt und das Ausscheiden von Mitarbeitern bearbeitet und Arbeitszeiten festgehalten (auch Fehlzeiten und Urlaubszeiten), aber auch Tätigkeiten bzgl. der Entgeltabrechnung und der Sozialverwaltung gehören zu den operativen Auf-gaben der Personalverwaltung. Durch die dauerhafte und standardisierte Dokumentation verschiedener Inhalte können Statistiken erhoben werden, welche beispielsweise Informa-tionen über den Krankheitsstand in einer Abteilung liefern können (Bühner 2005).

Nach Olfert (2010) lässt sich die Administration des operativen Geschäfts in verschie-dene Hauptaufgaben gliedern. Die beschaffungsbezogenen Aufgaben beinhalten die An-fertigung und Veröffentlichung von internen und externen Stellenausschreibungen sowie die Annahme und Bearbeitung von Bewerbungen; einsatzbezogene Aufgaben bedingen die Planung vom Eintritt neuer Mitarbeiter sowie die Dokumentation und Bearbeitung von Mehrarbeit; entlohnungsbezogene Aufgaben beziehen sich auf die Ermittlung von Ent-gelten; die stetige Interaktion mit den Beschäftigten sowie die Führung der Personalakte und Weitergabe von neuen verfügbaren Informationen (z. B. bzgl. neuen Regelungen im Arbeitsschutz) werden in den betreuungsbezogenen Aufgaben zusammengefasst; entwick-lungsbezogene Aufgaben beinhalten die Anfertigung und Abwicklung von Fortbildungs-

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218 20 Operative Aufgaben des Human Resource Management

angeboten und Umschulungen; freistellungsbezogene Aufgaben integrieren Maßnahmen zur Abwicklung von Kurzarbeit, Versetzung und der Kündigung.

Diese Tätigkeiten sind gekennzeichnet durch verschiedene Herausforderungen, welche eine gute Umsetzung und Realisation in der Praxis bedürfen, um eine effiziente Aufgaben-erledigung zu gewährleisten (Bartscher et al. 2012):

Transparenz Ansprechpartner, Prozesse und Verantwortlichkeiten werden festgelegt und kommuniziert. Somit können diese im Unternehmen wahrgenommen werdenZ. B. können Bewerbungsunterlagen direkt an den zuständigen Referen-ten weitergeleitet werden, wenn im Unternehmen (z. B. über das Intranet) diese jeweiligen Aufgabenbereiche transparent vermittelt werden.

Flexibilität Die Anforderung an die Personalreferenten auf Wünsche und Anliegen der Mitarbeiter schnell zu reagieren. Dieser Anspruch wird zunehmend größer

Kundennähe Die Verbindung von Personalreferent zu den Mitarbeitern wird enger, sodass auf kurzfristige Anfragen passgenauer reagiert werden kann

Problemorientierung Bearbeitungsmöglichkeiten werden geschaffen, welche übergreifend eingesetzt werden und sicherstellen, dass individuelle Lösungen margina-lisiert und Arbeitsprozesse standardisiert werdenZ. B. kann die SAP-Software dazu genutzt werden, Aufgaben im ganzen Unternehmen zu optimieren und somit eine Grundlage geben, dass alle Mitarbeiter dieselben Arbeitsschritte verfolgen und keine eigenen Metho-den entwickeln

Integration Aufgabenstellungen sollen funktional ausgerichtet und in den Kontext des Unternehmens angepasst werden. Doppelarbeiten sollten somit mög-lichst vermieden werden. Dies bedeutet, dass Prozesse dem Arbeitsalltag der Personalreferenten transformiert werden. Z. B. dadurch, dass die Post immer morgens sortiert wird, um die Bearbeitung der Aufträge während des Tages zu gewährleisten

Vernetzung Durch die Zusammenarbeit verschiedener Abteilungen werden schnellere Alternativen zur Problemlösung geboten. Dies bedeutet, dass auch über-greifend mit anderen Abteilungen zusammengearbeitet werden sollte, um Schnittstellen im Unternehmen optimal nutzen zu können. Z. B. können die Personalabteilung und das Rechnungswesen einen gemeinsamen Arbeitsprozess bzgl. Personalabrechnungen entwickeln

Vermittlungsfähigkeit Die Herausforderung der Verbesserung von Koordination und Umset-zung gestellter Aufgaben der administrativen Personalarbeit. Z. B. kann durch den Aufbau der Personalabteilung die Delegation von Aufgaben vereinfacht werden oder auch die Zusammenarbeit der Personalreferenten untereinander durch gegenseitige Zuhilfenahme

Je nach Unternehmensgröße, Funktionszuweisung und Positionierung der Personalabtei-lung oder Führungsstils des Top-Managements variiert die Zuständigkeit einer Personal-abteilung bzgl. der erwähnten Aufgabenstellungen. Häufig sind Personalreferenten nicht für alle Aufgaben zuständig, sondern führen nur einzelne Aufgaben durch. Entsprechend dieser Aufteilung ist die Aufbauorganisation des Unternehmens (Abb. 20.1).

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21920.1 Einführung

Die funktionsbezogene Organisationsstruktur beinhaltet die Gliederung des Personal-wesens in die verschiedenen Teilbereiche wie Personalplanung, Personalbeschaffung, Personalentwicklung etc. Dadurch wird spezielles Wissen gebündelt und kann anforde-rungsgerecht der Aufgabe entsprechend abgerufen werden, jedoch führt diese Organisa-tionsform dazu, dass Mitarbeiter nicht nur einen Ansprechpartner haben, sondern sich dem Anliegen gerecht einer Person zuwenden müssen (Bartscher et al. 2012).

In der objektbezogenen Organisationsstruktur werden der Personalabteilung entweder Unternehmensbereiche oder Mitarbeitergruppen zugeordnet. Dadurch haben Mitarbeiter einen bestimmten und beständigen Ansprechpartner in der Personalabteilung, welcher personifizierte Anliegen entgegen nimmt, Wünschen versucht gerecht zu werden und diese bearbeitet. Hierbei verwaltet der Referent zumeist Informationen über viele Mitar-beiter aus einer bestimmten Abteilung im Unternehmen, um somit eine gute Vernetzung zu gewährleisten und mit den Führungskräften des zuständigen Unternehmensbereiches in stetigem Kontakt zu bleiben. Dadurch kann ein besserer Überblick über bedeutende Informationen, neue Regelungen und Veränderungen sowie Aktualität des Status quo der Personalangelegenheiten gegeben werden. Nachteilig wirkt die Anforderung an die Re-ferenten ein Experte in allen Angelegenheiten zu sein. Dies kann zu längeren Prozess-durchläufen führen und somit die Bearbeitungszeit eines Auftrages oder einer Anfrage verlängern (Bartscher et al. 2012).

Als Mischform lässt sich die divisionale Organisationsform beschreiben, welche ver-sucht die Kriterien der funktionalen und der objektbezogenen Perspektive miteinander zu vereinen. Hierbei werden den zuständigen Personalreferenten sowohl ein Fachgebiet (z. B. Personalentwicklung) und die zu betreuenden Mitarbeiter in diesem Fachgebiet (z. B. technische Mitarbeiter) zugewiesen. Dadurch kann insbesondere eine hohe Trans-parenz und Kundennähe, aber auch Flexibilität erreicht werden (Bartscher et al. 2012).

Referenten der operativen Personalarbeit müssen ein breit gefächertes Wissen auf allen Gebieten der Personalverwaltung vorweisen. Darüber hinaus müssen sie sich auch mit den rechtlichen Aspekten auseinandersetzen und ihre Arbeit den Anforderungen anpassen. Als Hilfestellung dient ihnen dabei das Computerprogramm SAP, welches Arbeitsschritte ver-einfacht und viele Möglichkeiten bietet Anfragen schnell und bedarfsgerecht zu bearbei-ten. Hervorzuheben ist insbesondere die Karriereplanung als Teilaspekt des operativen Human Resource Management. Dieser wird gesondert als wichtige Aufgabenstellung zur administrativen Personalarbeit herausgestellt und neben den nötigen Rahmenbedingungen (Personalakte, rechtliche Aspekte, SAP) zur erfolgreichen Personalarbeit im Folgenden dargestellt (siehe Absatz Nachfolgeplanung).

Abb. 20.1 Überblick über Aufbauorganisationen. (Nach Bartscher et al. 2012)

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220 20 Operative Aufgaben des Human Resource Management

20.2 Personalakte

Begriff und InhaltDie Personalakte ist eine Sammlung von Dokumenten über einen Arbeitnehmer, welche einem betriebsorganisatorischen Zweck unterliegen und stetig aktualisiert werden (Mül-ler-Hagen und Nipperdey 1973). In den meisten Unternehmen ist die Führung einer Per-sonalakte üblich und wird in Papierform oder digitaler Form gehalten. Der Arbeitgeber entscheidet hierbei, welche Unterlagen dienlich sind und in die Personalakte aufgenom-men werden sollen. Zumeist handelt es sich hierbei um rechtlich und praktisch relevante Dokumente, wie die Bewerbungsunterlagen mit Zeugnissen und Lebenslauf, der Arbeits-vertrag, der Sozialversicherungsausweis, Lohn- und Gehaltsbescheinigungen, aber auch Informationen über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses, wie inhaltliche Arbeitsschwer-punkte, Fort- oder Weiterbildungen, Mitarbeitergespräche, Bewertungen, Versetzungen und Beförderungen, Personalentwicklungspläne, Schriftwechsel die den Arbeitnehmer betreffen oder auch Problemsituationen, Fehlzeiten und Abmahnungen (Müller-Hagen und Nipperdey 1973). Personalfragebögen dürfen nur in die Personalakte aufgenommen werden, wenn diese vom Betriebsrat Zustimmung erhalten haben. Dies gilt nicht nur für die Zunahme in die Personalakte, sondern im Allgemeinen für die Durchführung von Per-sonalbefragungen im Betrieb (§ 94 BetrVG). Dokumente, welche nicht direkt und maß-geblich mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, aber weitere persönliche Daten des Arbeitnehmers offenbaren, dürfen nicht in die Personalakte aufgenommen werden. Eine strikte Abgrenzung der Maßgeblichkeit bzw. Notwendigkeit zur Eingrenzung der Dokumentation persönlicher Daten ist hierbei jedoch schwerwiegend und rechtlich nicht klar definiert (Gerhardt 1975). Arbeitsrechtliche Regelungen bestimmen nur wie mit der Personalakte umgegangen werden muss, jedoch besteht keine Pflicht eine Akte anzulegen. Eine Ausnahme besteht lediglich durch das Bundesbeamtengesetz, welches das Anlegen und die Verwaltung einer Personalakte für Beamten vorschreibt und bestimmten Regeln unterzieht.

Die gesammelten Informationen sind zweckmäßig um sich einen Überblick über ei-nen betreffenden Arbeitnehmer zu verschaffen und die Grundlage zu geben, um Ent-scheidungssituationen zu erleichtern. Sie muss hierbei als Hilfsfunktion bzw. Werkzeug betrachtet werden, um die operative Personalarbeit zu vereinfachen. Der Arbeitgeber ist hierbei verpflichtet dafür zu sorgen, dass die Informationen wahrhaftig sind, damit ein ungefälschtes Bild des Arbeitnehmers zu gewährleisten ist. Darüber hinaus müssen die Daten sachbezogen verwaltet und dokumentiert werden, um Werturteile möglichst zu ver-meiden (Gerhardt 1975).

Umgang des Arbeitnehmers mit der PersonalakteDer Arbeitnehmer hat das Recht sich jederzeit über den Inhalt seiner Personalakte zu in-formieren und diese einzusehen (§ 83 Abs. 1 BetrVG). Der Arbeitgeber darf hierbei keine, den Arbeitnehmer betreffenden Dokumente, woanders als in der Personalakte aufbewah-ren, da somit das Einsichtsrecht angetastet werden würde und der Arbeitnehmer keinen

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22120.2 Personalakte

Überblick über die tatsächlich gesammelten Dokumente hätte. Der Inhalt der Personalakte ist vor Dritten zu schützen. Die Einsicht ist auf den Arbeitnehmer beschränkt und unter-liegt nicht der Verpflichtung eines besonderen Anlasses. Auf Wunsch kann ein Betriebs-ratmitglied zur Einsicht in die Personalakte hinzugezogen werden, wobei die Pflicht zum Stillschweigen besteht. Neben dem Arbeitnehmer selbst ist die Personalabteilung eben-falls berechtigt auf die Personalakten zuzugreifen, jedoch müssen diese mit strengster Ver-traulichkeit die Daten und Informationen verwalten (Müller-Hagen und Nipperdey 1973).

Die Akteneinsicht ist in den meisten Unternehmen allgemein geregelt und unterliegt bestimmten Zeiten. Der Arbeitnehmer darf sich Notizen oder Abschriften bzw. Kopien anfertigen.

Durch einen freien und unkomplizierten Zugang zu der eigenen Personalakte wird das Vertrauen zum Arbeitgeber gestärkt. Der Arbeitnehmer hat durch diese Transparenz die Möglichkeit die Perspektive des Arbeitgebers einzunehmen. Dies stärkt zusätzlich die Bindung zum Unternehmen und die Zusammenarbeit (Müller-Hagen & Nipperdey 1973). Darüber hinaus gilt das Einsichtsrecht auch dem Schutz und der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit (§ 75 BetrVG) und ist somit inbegriffen des Fürsorgerechts vom Arbeitge-ber (§ 241 BGB; § 75 BetrVG) gegenüber dem Arbeitnehmer (Gerhardt 1975).

Neben dem Recht der Einsichtnahme kann der Arbeitnehmer darüber hinaus Erklä-rungen in die Personalakte aufnehmen lassen (§ 83 Abs. 2 BetrVG). Dieses Recht dient dem Zweck mögliche falsche Interpretationen von Dokumenten zu vermeiden oder zu korrigieren. Sie ist ein wichtiges Korrelat, um getätigte Aussagen zu neutralisieren oder zumindest die Möglichkeit zu geben, die eigene Sicht des Ereignisses anzuführen. „Die Erklärung des Arbeitnehmers kann in Ergänzungen, Berichtigungen, aber auch Meinungs-äußerungen bestehen“ (Müller-Hagen & Nipperdey 1973, S. 15) diese müssen aber zwin-gend mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen. Üblich für die Zunahme von Er-klärungen in die Personalakte sind Fälle, bei welchen der Arbeitnehmer keine Tatsachen-verschiebung realisieren kann, wie eine negative Leistungsbeurteilung oder Fehlverhalten am Arbeitsplatz. Eine Erklärung bzgl. eines solchen Ereignisses stellt die persönliche Sicht des Arbeitnehmers dar und kann bspw. Gründe für das Fehlverhalten aufzeigen. Die Gegendarstellung des Arbeitnehmers kann Bedeutsam sein, insbesondere wenn eine Situation zur Entscheidungsgrundlage zukünftiger Maßnahmen werden kann oder die Be-arbeitung von Vorgängen die den Arbeitnehmer betreffen von verschiedenen Personen durchgeführt werden.

Entnahme von DokumentenDie Entnahme von Dokumenten aus der Personalakte steht dem Arbeitgeber frei, er darf diese jedoch nicht an anderer Stelle aufbewahren, sondern muss die entnommenen Doku-mente vernichten. Der Arbeitnehmer hat keinen klar geregelten Anspruch auf Entfernen oder Berichtigen von Daten seiner Personalakte. Die individualrechtlichen Vorschriften der §§ 81 bis 85 BetrVG regeln keine Berichtigungsrechte. Jedoch ist der Arbeitgeber rechtlich verpflichtet die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu schützen (§ 75 BetrVG). Falsche, ungerechte oder abwertende Urteile können auf Verlangen des Arbeitnehmers aus der Personalakte entfernt werden. Dies gilt auch für Angaben, welche nicht nachweislich

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222 20 Operative Aufgaben des Human Resource Management

einen Wahrheitsgehalt aufweisen und nur Vermutungen oder Anschuldigungen darstellen. Wird also die Persönlichkeit des Arbeitnehmers durch bestimmte Inhalte oder Bemer-kungen in der Personalakte angetastet, kann eine Berichtigung stattgegeben werden. Eine unbegründbare Veranlassung zur Berichtigung oder Entfernung von Dokumenten besteht in keinem rechtlichen Zusammenhang (Geulen 1984).

Umgang nach Beendigung des ArbeitsverhältnissesNach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht kein Recht mehr auf Einsicht in die Personalakte oder Beifügung einer Erklärung von Seiten des Arbeitnehmers. Dieser kann jedoch verlangen bestimmte Dokumente aus der eigenen Personalakte ausgehändigt zu bekommen, wie z. B. originale Zeugnisse oder Urkunden, die Lohnsteuerkarte und andere Schriftstücke und Arbeitspapiere, welche unangefochten im Eigentum des Arbeitnehmers stehen. Der Arbeitgeber darf beim Ausscheiden eines Mitarbeiters die gesammelten Infor-mationen archivieren und musste diese nicht vernichten. Bei einer möglichen Wiederauf-nahme in die Organisation können die Daten wiederverwendet werden (Gerhardt 1975).

20.3 SAP ERP HCM

Das operative Personalmanagement wird zunehmend durch die Unterstützung von spezi-fischen Computerprogrammen vereinfacht. In großen Unternehmen wird die operative Personalarbeit üblicherweise mit dem SAP ERP HCM-Modul unterstützt. SAP betitelt das deutsche Unternehmen (SAP AG), welches die Software herstellt. Die Abkürzung steht für ‚Systeme, Anwendungen und Produkte in der Datenverarbeitung‘. ERP steht für Enterprise-Resource-Planning und bezeichnet die Aufgabe eines Unternehmens die ver-schiedenen Geschäftsprozesse optimal miteinander zu verbinden und zu steuern. Durch ERP-Systeme werden häufig Zusammenarbeit und Kommunikation verschiedener Ge-schäftsbereiche miteinander gestärkt und verbessert (Abb. 20.2).

Neben dem Modul für die Personalwirtschaft (HCM: Human Capital Management) bietet die Software auch Module für weitere Unternehmensbereiche an, wie z. B. Marke-ting (CRM: Customer Relationship Management), Beschaffung (SRM: Supplier Relation-ship Management), Logistik (SCM: Supply Chain Management) oder Produktentwick-lung (PLM: Product Lifecycle Management) (Edinger et al. 2009).

Abb. 20.2 Überblick über die bereichsübergreifenden Module von SAP

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22320.3 SAP ERP HCM

Das Modul HCM (Abb. 20.3) besteht aus verschiedenen Komponenten, welche für unterschiedliche Bereiche der Personalwirtschaft von Bedeutung sind und je nach Not-wendigkeit für das Unternehmen integriert werden können.

Die Kernkomponente des SAP ERP HCM bildet das Workforce Process Management. In diesem sind die Personaladministration (Verwaltung und Pflege von Personalstamm-daten), das Organisationsmanagement (Abbildung eines Organigrams und Zuweisung von Mitarbeitern), die Zeitwirtschaft (Erfassung von Zeitdaten und Schichtplänen, Führen von Zeitkonten), die Personalabrechnung (Auszahlungen, Errechnung von Lohn und Gehalt, Abbildung von Pfändungen), die Verwaltung internationaler Einsätze (Prozessabbildung von der Planung bis zur Beendigung) und die Verwaltung von Arbeitgeberleistungen (Ab-bildung der Modelle für betriebliche Renten oder andere Sozialleistungen) zusammen-gefasst.

Eine weitere Komponente stellt das Talent Management dar. Inbegriffen ist hierbei das SAP E-Recruiting (Personalbeschaffung, Kommunikation mit Bewerbern), die Nachfol-geplanung (Identifikation geeigneter Mitarbeiter), die Aus- und Weiterbildung (Seminar-katalog des Unternehmens, Organisation und Verwaltung), das Performancemanagement (Abbildung von Mitarbeitergesprächen, Zielvereinbarungen und Beurteilungen) und das Vergütungsmanagement (Unterstützung von verschiedenen Entlohnungsformen und Bo-nusprogrammen).

Als weitere Komponenten beinhaltet SAP ERP HCM außerdem das Workforce Plan-ning & Analytics (Hochrechnung von Personalkosten aus der Personalplanung und der Personalkostenplanung sowie –analyse) und das Workforce Deployment (quantitative und qualitative Personaleinsatzplanung). Für den öffentlichen Dienst sind darüber hinaus noch die zugeschnittenen Komponenten Stellenwirtschaft und Dienstpostenverwaltung (Bewirtschaftung von Haushalten, Drittmittelverwaltung, Planstellenplanung) verfügbar (Edinger et al. 2009).

Die Komponenten sind in vielen Sprachausführungen und entsprechenden Währungen verfügbar. Global agierende Konzerne können so weltweit mit nur einer Software arbeiten und die Zusammenarbeit verschiedener Geschäftseinheiten, über mehrere Länder hinweg, vereinfachen. Auch rechtliche Regelungen sind in dem HCM-Modul integriert, sodass die Einhaltung lokaler Vorschriften automatisch über die Software übernommen wird. Darüber hinaus wird die Software den Ansprüchen des Unternehmens angepasst, sodass Prozesse einheitlich abgebildet werden und mit der operativen Personalarbeit abgestimmt sind (Edinger et al. 2009).

Abb. 20.3 Komponenten der HCM Moduls

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224 20 Operative Aufgaben des Human Resource Management

20.4 Nachfolgeplanung

Die Nachfolgeplanung ist ein wichtiges Werkzeug für die Arbeit im Personalwesen. Sie ist als Schnittstelle zwischen Personalbedarfsplanung und Personalentwicklung des ope-rativen Human Resource Management zu verstehen (Bartscher et al. 2012). Es gibt viele Methoden und Herangehensweisen, die der Nachfolgeplanung zuzuordnen sind. Diese fördern die nachhaltige Planung und Neubesetzung von vakanten Stellen, sodass diese möglichst fortlaufend mit einer Nachfolge besetzt werden können und die Nachfrage zum richtigen Zeitpunkt gedeckt ist. Dies dient der Prävention von unnötig langen Perioden mit unbesetzten Stellen und der Minimierung der Nachfolgezeit für Fach- und Führungskräfte (Ringo et al. 2008).

Eine optimale Nachfolgeplanung erfordert eine langfristige Organisation. Auf zukünf-tige Veränderungen, z. B. aufgrund von Personalfreisetzung, sollte möglichst schnell eine Lösung gefunden werden. Insbesondere die Nachfolgeplanung auf der Managementebene verlangt eine langfristige Orientierung bzgl. neuen, engagierten und talentierten Mitar-beitern, da hier in hohem Maße Wissen gebündelt wird, auf welches im Unternehmen langfristig nicht verzichtet werden kann. Die Mitarbeiter der operativen Personalarbeit be-schäftigen sich in diesem Zuge speziell mit der Gewinnung von akademischer Exzellenz, um nachhaltig eine stetige Vollbesetzung auf der Managementebene zu gewährleisten und Experten im Unternehmen zu bündeln. Um die Nachfolgeplanung in diesem Bereich er-folgreich umzusetzen werden verschiedene Methoden und Instrumente genutzt, einige der gängigsten Vorgehensweisen werden im Folgenden aufgezeigt (Bartscher et al. 2012).

KompetenzmanagementDas Kompetenzmanagement lässt sich als Grundlage und Voraussetzung für das Gelingen erfolgreicher Nachwuchsplanung einordnen. Es gilt als Kernaufgabe für eine wissensori-entierte und lernfähige Organisation und Unternehmensführung. Hierbei werden Kompe-tenzen der Mitarbeiter zu einem Faktor der Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmensintern sollte die Verteilung transparent gemacht werden, sodass eine ganzheitliche Nutzung und Entwicklung der Kompetenzen möglich ist und Ziele der Organisation mit den Zielen der Mitarbeiter kongruent sind (North und Reinhardt 2005). Nur so können Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter optimal genutzt werden. Das Kompetenzmanagement hat Anknüpfungspunkte in vielen Aufgabenbereichen der operativen Personalarbeit, wie beispielsweise der Personalplanung, Personalentwicklung, Karriereplanung und auch der Nachfolgeplanung sowie Nachwuchsförderung.

Nach Kauffeld (2006) sind die Grundkompetenzen eines Mitarbeiters gegliedert in 1) Fachkompetenz, 2) Methodenkompetenz, 3) Sozialkompetenz und 4) Selbstkompetenz (vgl. Kap. 16). In der Nachfolgeplanung ist es von Bedeutung diese Kompetenzen zu fördern, zu entwickeln und auch bei der Personalauswahl als zentrale Komponente zu betrachten. Eine Möglichkeit für ein Unternehmen geeigneten Nachwuchs zu fördern ist das so genannte Talent-Management.

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22520.4 Nachfolgeplanung

KarriereplanungAls Instrument der Nachwuchsförderung und –planung ist die Karriereplanung ein wich-tiger Aspekt innerhalb des operativen Human Resource Managements. Die Karrierepla-nung ist ebenso ein Teil der strategischen und somit langfristigen Personalplanung. Als Basis dienen Mitarbeiterbeurteilungen, welche Aufschluss auf den Tätigkeitshorizont ei-nes Mitarbeiters geben und darlegen, wann z. B. Personalentwicklungsmaßnahmen (sie-he Kap. 16), wie Weiterbildungen oder Tätigkeitserweiterungen, erfolgen sollten (Gonin et al. 2007).

Als besonders wichtiger Ansatzpunkt der Karriereplanung, und hierbei speziell für die Nachwuchsförderung, ist die Laufbahngestaltung. Die individuelle Laufbahngestaltung legt langfristig angesetzte Positions- bzw. Stellenwechsel dar. Für die Nachfolgeplanung ist dies entscheidend um zeitlich terminierte Stationen aufzuzeigen und eine Annahme zu treffen, wann eine Kompetenzerweiterung und neuer Wissenserwerb erfolgen sollte. Dies-bezüglich sind in der Laufbahngestaltung nicht nur die verschiedenen Positionen und Stel-len gekennzeichnet, sondern darüber hinaus auch individuelle Weiterbildungsangebote in-tegriert, welche den Nachwuchs nachhaltig auf die zukünftigen Stellen vorbereiten sollen. Für die Personalarbeit bedeutet dies eine vorausschauende Methode zu entwickeln, um die Stellenbesetzung optimal umzusetzen. Für den Nachwuchs ist eine Karriereplanung und Laufbahngestaltung wichtig um Erwartungen seitens des Unternehmens zu verstehen und diesen gerecht werden zu können (von Rosenstiel 2006). Darüber hinaus können diese als Zielvorgabe verstanden werden, seitens des Unternehmens und des Mitarbeiters.

Talent-ManagementDie Consulting Group und der Weltverband der Vereinigung für Personalführung (2008) zeigen in ihrer Studie auf, dass das Talent-Management zukünftig von hoher Bedeutung für Unternehmen sein wird, um geeignete Akademiker zu rekrutieren. Ritz und Sinel-li (2010) definieren Talent-Management als Konzept und Maßnahme einer Organisation sich gegenwärtig und zukünftig mit der Gewinnung, Entwicklung und Erhaltung von Mit-arbeitern auseinanderzusetzen, welche die zentralen Schlüsselkompetenzen für die Unter-nehmung und die zu besetzende Stelle aufweisen und somit als wertvolle Arbeitskraft (Talent) eingeordnet werden können. Jede Personalabteilung arbeitet auf einer kompe-tenzorientierten Grundlage und beurteilt Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Verhaltensweisen (Lichtsteiner 2006). Dies zeigt die enge Verknüpfung zwischen Talent-Management und Kompetenzmanagement sowie der operativen Personalarbeit auf. Darüber hinaus sind die Modelle des Kompetenzmanagements als Basis für den Prozess des Talent-Managements zu verstehen, da dieser somit objektiv, messbar, standardisiert und transparent durchge-führt werden kann (Kayser et al. 2007; Sanne 2004). Somit kann die Bindung an ein Unternehmen frühzeitig gefördert und das Risiko einer Fehlbesetzung minimiert werden.

Nach Ringo et al. (2008) bietet das Talent-Management verschiedene Schwerpunkte zur Umsetzung von unternehmerischen Strategien, wie z. B. die Unterstützung der Unter-nehmensziele, die Bindung, Entwicklung und der Einsatz von Talenten, die Steigerung der Unternehmensattraktivität und die Bewältigung der Nachfolgeplanung.

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226 20 Operative Aufgaben des Human Resource Management

Eine Zuhilfenahme in diesem operativen Arbeitsprozess ist die Talent-Management Komponente des SAP ERP HCM Moduls (siehe Abschnitt SAP ERP HCM). Mit Hilfe dieser Komponente können die Kompetenzen und Leistungen der Mitarbeiter analysiert werden. Zudem kann die Effizienz der durchgeführten Weiterbildungsprogramme über-prüft und Lücken in der Nachfolgeplanung aufgezeigt werden. Auch gibt die Komponente einen Überblick über Talent-Management-Programme aus und stellt so eine umfassende Perspektive der Abläufe sicher (Bartscher et al. 2012; Edinger et al. 2009).

Zur Gewinnung von talentiertem Nachwuchs organisieren Unternehmen oftmals spe-zielle Veranstaltungen, um das Interesse von möglichen Bewerbern zu steigern und eine leichte Kontaktaufnahme zu ermöglichen. Eine weit verbreitete Möglichkeit unter Un-ternehmen sind hierbei bspw. die so genannten Bewerbertage. Diese dienen dem Unter-nehmen dazu, Nachwuchs unverbindlich kennen zu lernen und auf Eignung zu prüfen. Der potentielle Nachwuchs erhält im Gegenzug einen Überblick über die Organisation, die Kultur und auch die Aufstiegschancen des Unternehmens. Darüber hinaus wird ein Kontakt zu Unternehmensvertretern aufgebaut. Diese Form der Rekrutierung von Talen-ten wird von vielen Großunternehmen mindestens einmal jährlich durchgeführt und stößt auch unter Hochschulabsolventen auf große Beliebtheit. Besonders die Möglichkeit des persönlichen Kontaktaufbaus mit Unternehmensvertretern und Führungskräften sowie die unverbindliche Atmosphäre steigert das Interesse für solche Veranstaltungen (Knapp 2010).

Das Trainee-Programm ist eine der klassischen Möglichkeiten eines Berufseinstiegs in ein Unternehmen. Mit Trainee werden junge Hochschulabsolventen bezeichnet, welche ein systematisches Programm (Trainee-Programm) in einem Unternehmen durchlaufen, um anschließend eine Führungsposition besetzen zu können (Becker 2008). Hierbei ist das Trainee-Programm jedoch keine Garantie für die zukünftige Besetzung einer Stelle auf leitender Ebene. Nesemann (2012, S. 38) erläutert den Begriff wie folgt: „Trainee-Pro-gramme vermitteln Hochschulabsolventen im Rahmen einer berufsvorbereitenden Aus-bildung im Unternehmen die erforderlichen fachlichen, methodischen und sozialen Kom-petenzen und bieten die Möglichkeit, (die wesentlichen Aspekte von) Strategie, Struktur, Prozesse und Kultur des Unternehmens kennenzulernen.“

Ein Trainee durchläuft in der Regel während seiner (Ausbildungs-) Zeit, von 12 bzw. bis zu 24 Monaten, verschiedene Abteilungen im Unternehmen, welche aufeinander ab-gestimmt sind. Auch werden spezielle Seminare und Veranstaltungen organisiert, was den Trainees den Aufbau und die Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen vereinfachen soll. Das gesamte Programm ist hierbei in den meisten Fällen nicht willkürlich festge-legt, sondern verläuft nach einem strukturierten Plan. Nach einer Studie von Kloke (2009) stehen insbesondere die fachliche Qualifizierung und Weiterbildung der Hochschulab-solventen im Fokus des Trainee-Programms. Erhebungen von Kloke (2009) und Saner (2009) sowie Zimmermann (2002) ergaben, dass die Förderung von Selbstständigkeit, Eigeninitiative, Teamorientierung, Problemlösungskompetenz, Kommunikationsfähig-keit, Entscheidungskompetenz und Entscheidungsumsetzung, die am stärksten zu för-dernden Sozialkompetenzen ausmachen und für die erfolgreiche Arbeit im Unternehmen

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22720.4 Nachfolgeplanung

unabdingbar sind (Nesemann 2012). Bei Großunternehmen wird häufig auch interkultu-relles Wissen als weiterer Aspekt der Sozialkompetenz angeführt. Die Umsetzung ist auf praktischer Ebene nur möglich, wenn Unternehmen länderübergreifend Standorte haben und den Trainee für einige Zeit an einen anderen Standort einsetzen können. Ist dies nicht möglich kann interkulturelles Wissen im Trainee-Programm z. B. durch Seminare oder Workshops vermittelt werden. Dennoch gilt zu beachten, dass Trainee-Programme keines-wegs immer standardisiert ablaufen. Da der Begriff Trainee kein geschützter Begriff ist, verbirgt sich dahinter oft nicht mehr als ein schlecht bezahlter Direkteinstieg. Daher ist aus Sicht des Bewerbers unbedingt darauf zu achten, wie das Trainee-Programm aufgebaut ist bzw. wie viel Raum zum Lernen vom Unternehmen gewährt wird.

Trainee-Programme bieten aus Unternehmersicht eine Möglichkeit der langfristigen Bindung von Hochschulabsolventen an ein Unternehmen, denn durch die ganzheitliche Ausbildung und den systematischen Aufbau des Programms findet eine Sozialisation und Anpassung an das Unternehmen statt. Dies bedeutet, dass die Kultur, Werte, Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Prozesse der Organisation angenommen und verstanden werden und der Trainee sich befähigt seine Rolle diesem Verständnis zu integrieren und als Mit-glied des Unternehmens zu handeln (Louis 1980; Schein 1988). Besonders positiv hervor-zuheben ist die Möglichkeit der Personalreferenten, das Programm den Bedürfnissen des Unternehmens und des Trainees anzupassen und zu transformieren. Um diese Bedürfnisse nachvollziehen zu können ist der Trainee oftmals mit einem Mentor verbunden. Was unter einem Mentoring-Programm zu verstehen ist, wird im Folgenden erläutert.

Das Mentoring bezeichnet eine wechselseitige Austauschbeziehung, in der insbeson-dere der Wissenszuwachs und der Lernprozess einer unerfahrenen Person (z. B. Trainee) durch die Unterstützung einer erfahrenen Person (z. B. Abteilungsleiter) ausgebildet wer-den soll (Megginson und Clutterbuck 2008). Prägnant an dem Mentoring-Programm ist die asymmetrische Verteilung an Wissen. Der Mentor soll die Rolle des „Ratgebers“ oder „Beraters“ einnehmen und u. a. durch die eigenen Erfahrungen, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kompetenzen den Wissenstransfer der unerfahrenen Person verstärken. Darüber hin-aus gelten Mentoren als Vorbild. Mentoren sind hilfreich in der Weitergabe von relevan-tem Wissen für das Prozessverständnis im Unternehmen, für das Kulturverständnis und angemessene Verhaltensannahmen, z. B. welches Auftreten gegenüber Kunden angemes-sen ist. Persönliche sowie fachliche Problemstellungen sollten in der Austauschbeziehung angesprochen und gelöst werden. Auch gelten Mentoren als Bindeglied zu möglichen Netzwerkverbindungen. Z. B. wollen Trainees ihre eigenen Netzwerke zu Unternehmen und Personen aufnehmen, ein Mentor kann diesbezüglich oftmals Hilfestellungen geben (Rotering-Steinberg 2007).

Müller et al. (2007) stellten in diesem Zusammenhang fest, dass Mentees (die unerfah-rene Person) überdurchschnittlich schnell Wissen und Kompetenzen erwerben und diese umsetzen können sowie überproportional in Netzwerken integriert werden. Richard et al. (2009) stellten durch die Befragung von 200 Angestellten verschiedener Unternehmen fest, dass Mentoring einen positiven Zusammenhang zu einer emotionalen Bindung zum Unternehmen steht und einen negativen Zusammenhang zu dem Bedürfnis aufzugeben

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228 20 Operative Aufgaben des Human Resource Management

oder sogar das Unternehmen zu verlassen. Außerdem wurde ein positiver Zusammenhang zur organisationalen Sozialisation festgestellt (Thomas und Lankau 2009). Nach Studien von Rotering-Steinberg (2007) sowie Benabou und Benabou (2000) konnte empirisch be-legt werden, dass auch das Kommunikationsverhalten und die Vermittlung von weiteren Sozialkompetenzen durch das Mentoring in besonderer Weise gefördert und ausgebildet werden. Außerdem wurde eine positive Wirkung auf die Attraktivität eines Unternehmens durch das Bestehen eines Mentoring-Programms festgestellt (Allen und O’Brien 2006).

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231

Aktuelle HR-Trends: Managing Diversity, demographischer Wandel und Wissensmanagement

Susanna M. Krisor, Sandra Flasche und Tobias Antonik

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_21

21

21.1 Einführung

Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit zwei Trends bzw. Herausforderungen, mit deren Bewältigung sich das Human Resource Management aktuell konfrontiert sieht.

Zum einen zeigt sich, dass sich die Geburtenrate in Deutschland konstant auf niedri-gem Niveau hält, während die Menschen insgesamt einer steigenden Lebenserwartung entgegensehen (Heinze und Naegele 2008). Die dadurch hervorgerufene stetige Alterung der Gesellschaft und der zahlenmäßige Rückgang in der Gesamtbevölkerung, insbeson-dere nach 2025 und 2030 (Heinze und Naegele 2008), stellt auch die Unternehmen vor vollkommen neue Herausforderungen. Der Situation alternder Belegschaften und der Ver-knappung junger Nachwuchskräfte muss mit neuen Konzepten und Maßnahmen begegnet werden, um die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter nachhaltig zu fördern und lang-fristig zu erhalten, und das vorhandene Erwerbspotenzial auch zukünftig optimal auszu-schöpfen (Pfister 2008). Die Rekrutierung hochqualifizierter Fach- und Führungskräfte wird durch die demographischen Veränderungen in Zukunft zwangsläufig schwieriger werden, sodass zunehmend auf Arbeitskräfte auf internationaler Ebene zurückgegriffen wird oder Positionen verstärkt mit jenen Menschen besetzt werden, deren Erwerbspo-tenzial heute noch unzureichend ausgeschöpft wird, wie z. B. Frauen, Migranten oder ältere Menschen über 50 (Langhoff 2009; Pfister 2008). So sehen sich Unternehmen nicht nur mit einer steigenden Altersvielfalt der Mitarbeiter, sondern auch mit einer erhöhten kulturellen Vielfalt einer immer „bunter“ werdender Belegschaften konfrontiert, in de-nen unterschiedliche und sich verändernde Wertesysteme aufeinander treffen. Im ersten Teil dieses Kapitels soll deshalb neben der Problematik des demographischen Wandels auch das Management einer sich ethnisch, kulturell und alterstechnisch immer weiter aus-differenzierenden Belegschaft im Unternehmen, das sogenannte Diversity Management, diskutiert werden.

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232 21 Aktuelle HR-Trends: Managing Diversity, demographischer …

Zum anderen ist zu beobachten, dass das wertvolle Know-How und Erfahrungswissen älterer, langjähriger Mitarbeiter oft mit ihnen das Unternehmen verlässt, wenn sie aus der Organisation ausscheiden, um ihre verdiente Pension anzutreten. Negative Folgen für die organisationale Effektivität und betriebliche Prozessabläufe lassen dann oft nicht lange auf sich warten. Umso wichtiger ist es deshalb, Plattformen für einen innerbetrieblichen Wissensaustausch zu schaffen, sodass ältere Mitarbeiter ihr Wissen rechtzeitig an jüngere weitergeben können und es so dem Unternehmen erhalten bleibt (Pfister 2008). Dies ist nur ein Beispiel unter vielen, bei dem die große Bedeutung und Wichtigkeit der Ressource Wissen deutlich wird. Der zweite Teil dieses Kapitels beschäftigt sich deshalb mit dem Begriff des Wissensmanagements, welchem in Theorie und Praxis eine immer größer wer-dende Bedeutung zukommt.

21.2 Managing Diversity und demographischer Wandel

21.2.1 Begriffsverständnis: Demographischer Wandel und Diversity Management

Unter dem Begriff des demographischen Wandels versteht man allgemein die Verände-rung der Zusammensetzung der Altersstruktur einer Gesellschaft (Wunderer und Dick 2006). Im Falle der derzeitigen Entwicklung in Deutschland meint man damit, dass einer wachsenden Anzahl älterer Menschen eine stetig sinkende Zahl junger Menschen gegen-übersteht (Gessler und Stübe 2008). Die Alterspyramide dreht sich also Schritt für Schritt um (Wunderer and Dick 2006).

In Unternehmen führt der demographische Wandel, der sich in den nächsten Jahr-zehnten noch verstärken wird, u. a. zu immer älter werdenden Belegschaften, Engpässen an qualifizierten Mitarbeitern auf dem Arbeitsmarkt und einem wachsenden Mangel an Nachwuchskräften (Deller et al. 2008; Bundesministerium des Innern 2011).

Unter Diversity Management wird die Gesamtheit aller Maßnahmen verstanden, die als Management- oder Führungsaufgabe darauf abzielen, dass die Verschiedenheit (lat. diversitas: Verschiedenheit, Unterschiedlichkeit) personaler Art zwischen den Organisa-tionsmitgliedern als eigenständiger Wert erkannt und in ihren Potenzialen für den Erfolg einer Organisation genutzt wird (Jung et al.1997). Die Unterschiede, die dabei eine Rolle spielen, können sich dabei sowohl auf das Alter der Mitarbeiter – daher der enge Bezug zur Thematik des demographischen Wandels -, aber auch auf die ethnische Herkunft, das Geschlecht oder den Bildungsstand sowie verhaltensbezogene Aspekte (wie z. B. Lebens-stile oder Gesundheitsverhalten) beziehen.

Die Aufgaben des Diversity Managements sind es, u. a., die im Unternehmen zuneh-mende Vielfalt und die daraus resultierenden Potentiale produktiv zu nutzen und einzu-setzen (Langhoff 2009) sowie eine Geisteshaltung zu fördern, die von Offenheit, Respekt und Wertschätzung von Individualität geprägt ist (Gessler und Stübe 2008). So wird durch das Diversity Management in vielen Organisationen, z. B. eine ausgewogene personale

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23321.2 Managing Diversity und demographischer Wandel

Heterogenität als unverzichtbar für die Innovationsfähigkeit des Unternehmens begriffen und das Bewusstsein für den erheblichen Einfluss von Unterschiedlichkeit auf das tägliche Miteinander geschärft (Gessler und Stübe 2008; Langhoff 2009).

21.2.2 Ausgewählte Modelle und Theorien zum Bereich Demographischer Wandel und Diversity Management

Die Theorie des demographischen ÜbergangsDie Theorie des demographischen Übergangs, die sich usprünglich aus reinen Beschrei-bungen der demographischen Veränderungen seit Beginn der Industrialisierung durch Thompson (1929) entwickelte (Weeks 2012), beschreibt die Stufen des Übergangs von hohen zu niedrigen Geburten- und Sterberaten in westlichen Gesellschaften und sucht Erklärungsansätze für diese Entwicklungen. Dabei wird eine erste Phase des demogra-phischen Übergangs (Entwicklungen bis ca. 1960er Jahre) von der an dieser Stelle für unsere Thematik relevante zweite Phase unterschieden. Diese Theorie des zweiten demo-graphischen Übergangs verfolgt das Ziel, zu erklären, welche Entwicklungen, insbeson-dere welcher einschneidender Wandel in der Familien- und Haushaltsstruktur seit dem 2. Weltkrieg, zur heutigen Situation des demographischen Wandels geführt haben.

Lesthaeghe und Neels (2002) sehen, u. a. folgende demographische und gesellschaftli-che Veränderungenals Gründe für die gesunkenen Geburtenraten:

• Wertewandel: Werte wie individuelle Autonomie, Freiheit, Selbstverwirklichung und Anerkennung werden immer wichtiger, auch für Frauen; Rückzug von Kirche und Staat als moralische Instanzen

• Angleichung der Rollen von Mann und Frau; wirtschaftliche Autonomie der Frau• Sinkende Heiratsneigung, vermehrte Scheidungen, längeres Wohnen im elterlichen

Haushalt, vermehrt nicht-eheliche Lebensgemeinschaften• Frauen sind durchschnittlich älter, wenn sie ihr erstes Kind bekommen; die Fertilität

sinkt mit steigendem Alter; steigende gewollte Kinderlosigkeit

Wie ist eine große kulturelle, ethnische oder altersbedingte Vielfalt unter den Mitarbeitern einer Organisation für die Funktionsfähigkeit und den Erfolg einer Organisation eigentlich generell zu bewerten? Im Folgenden sollen theoretische Ansätze dargestellt werden, die auf Vor- und Nachteile von Verschiedenheit eingehen und unterschiedliche Herangehens-weisen bzw. Blickwinkel des Diversity Managements erläutern.

Choi und Rainey (2010) stellen zwei grundlegende Perspektiven heraus, mit denen Verschiedenheit innerhalb der Belegschaft einer Organisation betrachtet werden kann:

• Die eine sagt, basierend auf Informations- und Entscheidungstheorien, dass Organisa-tionen, die sich durch eine Vielfalt der Organisationsmitglieder auszeichnen, von einer

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234 21 Aktuelle HR-Trends: Managing Diversity, demographischer …

größeren Bandbreite an Ideen, Fähigkeiten und Kenntnissen profitieren und daher über verbesserte Möglichkeiten und Ressourcen zur Problemlösung und Entscheidungsfin-dung verfügen.

• Die andere Perspektive sagt, basierend auf Theorien der sozialen Kategorisierung und der sozialen Identität (Turner 1987) sowie des Ähnlichkeits-Attraktionsparadigmas von Byrne (1971), dass Vielfältigkeit in Organisationen zu hohen Kosten der Koordi-nation und Konfliktlösung führen kann.

Diversity Management-Typologie nach Ely und Thomas (2001)Ely und Thomas (2001) identifizierten drei Paradigmen, mit denen das Diversity Manage-ment im Unternehmen verankert werden kann. Organisationen können aus recht verschie-denen Gründen eine Diversifizierung der Belegschaft fördern, je nachdem mit welcher Perspektive sie auf die Verschiedenheit und deren Vorzüge schaut.

• Eine Organisation, die die Integration-and-Learning-Perspektive angenommen hat, schätzt eine vielfältige Belegschaft als wichtig und unerlässlich ein, da Verschiedenheit hier als Ressource für Lernprozesse und adaptive Veränderung gesehen wird. Einsich-ten, Fähigkeiten und Erfahrungen, die Mitarbeiter aus verschiedenen kulturellen Iden-titätsgruppen entwickelt haben, werden als potenziell wertvolle Ressourcen angesehen, die die Arbeitsgruppe verwenden kann, um z. B. Produkte, Strategien und Geschäfts-praktiken zu überdenken und zu überarbeiten, um so einen stetigen Fortschritt zu errei-chen. Verschiedenheit wird gefördert, da sie, z. B. durch möglichst viele verschiedene Blickwinkel auf Probleme und Sachverhalte, die bestmöglichen Lösungen und die best-mögliche Entwicklung der Organisation unterstützt.

• Die Access-and-Legitimacy-Perspektive basiert auf der Idee, durch eine kulturell mög-lichst vielseitige Organisationsgestaltung Zutritt zu möglichst vielen Kundengruppen zu erhalten. Da die Märkte und Geschäftspartner eines Unternehmens oft aus Mitglie-dern vieler verschiedener kulturellen Gruppierungen bestehen, versuchen Unterneh-men häufig, dass Teile der eigenen Belegschaft die ethnische Zusammensetzung im Markt widerspiegelt, um so Legitimität in diesem Marktsegment aufzubauen. Diversity wird in diesen Unternehmen eher als Mittel zum Zweck betrachtet.

• Bei der Discrimination-and-Fairness-Perspektive hingegen wird kulturelle Vielfalt als Selbstzweck gesehen. Durch einen starken Glauben an Verschiedenheit als moralischer Imperativ, der Gerechtigkeit und eine faire Behandlung aller Menschen sicherstellt, fokussiert die Organisation ihre Aktivitäten darauf, gleiche Chancen für alle bei der Einstellung und Beförderung zu bieten, Vorurteile zu unterdrücken und Diskriminie-rung auszuschalten.

21.2.3 Empirische Befunde

Welchen Einfluss haben ein ausgeprägtes Diversity Management und ein offener Um-gang mit Verschiedenheit auf die Attraktivität des Unternehmens bei Arbeitnehmern?

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23521.2 Managing Diversity und demographischer Wandel

Exemplarisch soll an dieser Stelle eine Studie von Walker et al. (2012) vorgestellt werden, die untersucht hat, ob und inwieweit, z. B. Hinweise auf eine aktive Anerkennung und wertschätzende Nutzung von Vielfalt auf Recruitment-Websites (z. B. durch Fotos von Mitarbeitern verschiedener ethnischer Herkunft oder explizit kommunizierte Ziele und Initiativen im Rahmen des Diversity Managements) die Gründlichkeit der Verarbeitung der präsentierten Informationen sowie die wahrgenommene Attraktivität der Organisation beeinflussen. Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass Websites von Arbeitgebern, die Hinweise auf eine diversifizierte Belegschaft und deren Management enthielten, grö-ßeres Interesse bei potenziellen Arbeitnehmern weckten und eine gründlichere Betrach-tung und Evaluation der Inhalte und des Unternehmens, sowie ein besseres Behalten der Informationen auslösten. Da dies bei Befragungsteilnehmern unterschiedlicher ethnischer Herkunft der Fall war, verdeutlicht die Studie von Walker et al. (2012), dass die Wert-schätzung und das Management von Vielfalt in einer Organisation sowie deren externe Kommunikation sehr wichtig ist, um sich von anderen Wettbewerbern abzugrenzen und, unter anderem, auch den Prozess der Selbst-Selektion potentieller Arbeitnehmer zu unter-stützen.

21.2.4 Umsetzung in der Praxis

Durch den demographische Wandel und die zunehmende Diversifizierung der Belegschaf-ten sehen sich Unternehmen mit den Herausforderungen tiefgreifender Veränderungen konfrontiert. Vor allem das Personalmanagement muss durch diese Prozesse umdenken und sich strategisch neu ausrichten. Einige konkrete Maßnahmen des sogenannten Age Managements, welches, nur die Altersvielfalt der Beschäftigten im Fokus, als Teilbereich des Diversity Managements gesehen werden kann, sollen im Folgenden kurz beschrieben werden.

Ein erster und entscheidender Schritt stellt die Bestandsaufnahme der Ist-Situation der unternehmensinternen Altersstuktur dar. Eine solche Altersstrukturanalyse untersucht die demografische Zusammensetzung im Unternehmen und identifiziert Chancen und Risi-ken, die sich daraus ergeben können. So kann z. B. der Bedarf an neuen Arbeitskräf-ten oder an erforderlichen Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen abgeschätzt werden, um diesbezügliche Maßnahmen längerfristig und exakter zu planen (Deller et al. 2008).

Durch die Entwicklungen im Zuge des demographischen Wandels geraten ältere Arbeit-nehmer stärker in den Fokus der betrieblichen Einstellungspolitik. Besonders wichtig ist es, dabei die Erwartungen und Motive dieser Gruppe zu berücksichtigen und diese bei der Personalbeschaffung gezielt anzusprechen. Um Produktivitätseinbußen, die durch den höheren Krankheitsstand bei älteren Mitarbeitern und deren bisher niedrige Beteiligung an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen entstehen könnten, möglichst gering zu hal-ten, muss die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit insbesondere älterer Mitarbeiter, z. B. durch Kompetenzerhaltungs- und –entwicklungsmaßnahmen, ein betriebsinternes Ge-sundheitsmanagement oder eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung, gefördert werden.

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236 21 Aktuelle HR-Trends: Managing Diversity, demographischer …

Außerdem sollte bei allen Beschäftigten auf eine regelmäßige Weiterbildung wertgelegt werden, um ein dauerhaftes – lebenslanges – Lernen zu ermöglichen. Dadurch sind auch ältere Arbeitnehmer an das Lernen gewöhnt und haben weniger Akzeptanzprobleme neue Erkenntnisse in ihr bisheriges Handeln einfließen zu lassen oder sich ggf. zu ihrem Verhal-ten Feedback geben zu lassen. Flexible Arbeitszeitmodelle, die den verschiedenen Bedürf-nissen junger wie auch älterer Mitarbeiter gerecht werden, sowie ein effektives Wissens-management, durch das das erfahrungsbasierte Wissen und Know-How der älteren Arbeit-nehmer frühzeitig gesichert und weitergegeben werden kann, sind weitere Maßnahmen des Personalmanagements in der Umsetzung des Age Managements (Deller et al. 2008).

Die Charta der Vielfalt und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)Viele Organisationen sind sich der heutigen hohen Relevanz und Einflussstärke von Viel-falt, aber auch den Verpflichtungen und zu ergreifenden Maßnahmen, die damit einher-gehen, bewusst und wollen sich aktiv zur Förderung von Verschiedenheit, auch in den Köpfen der Gesellschaft, verpflichten.

Im Jahr 2006 haben Daimler, BP Europa SE, die Deutsche Bank und die Deutsche Telekom die Charta der Vielfalt ins Leben gerufen, die heute bereits von mehr als 1250 Organisationen unterzeichnet wurde (www.charta-der-vielfalt.de; Charta der Vielfalt e. V. 2012b). Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel als Schirmherrin will diese Unternehmensin-itiative die Anerkennung, Wertschätzung und Integration von Verschiedenheit und Vielfalt in den Unternehmenskulturen fördern. Der Text der Charta stellt die vielfältigen Potenti-ale, Fähigkeiten und Talente von Mitarbeitern in den Fokus und betont, dass deren aktive Förderung und Nutzung eine erhöhte Innovationsfähigkeit und Kreativität, wirtschaftliche Vorteile sowie positive Auswirkungen auf das Image des Unternehmens zur Folge haben. Die Unterzeichner verpflichten sich zur Umsetzung eines Betriebsklimas, das von Akzep-tanz, Vertrauen, gegenseitiger Wertschätzung und Vorurteilsfreiheit geprägt ist.

Doch nicht nur freiwillige Initiativen privater Unternehmen fordern diese Werte. Auch die deutsche Gesetzgebung hat die Bedeutsamkeit dieser Thematik erkannt. So ist, eben-falls seit 2006, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft, dessen erklärtes Ziel es ist, die „Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Her-kunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen“ (§ 1; Deutscher Bundestag 2006). Unternehmen werden durch das Gesetz verpflichtet, Benachteiligungen bei Stel-lenausschreibungen aber auch in bestehenden Arbeitsverhältnissen auszuschließen, aktiv gegen Diskriminierungen vorzugehen und eine Beschwerdestelle für die Arbeitnehmer einzurichten.

Eine beispielhafte Umsetzung eines erfolgreichen Diversity Managements in der Praxis soll im Folgenden anhand der SAP AG dargestellt werden (Charta der Vielfalt e. V. 2012a). Die SAP AG beschäftigt insgesamt ca. 15.000 Mitarbeiter aus über 75 verschiedenen Na-tionen und gehört zu den Organisationen, die die Charta der Vielfalt unterzeichnet haben. Im Unternehmen werden deshalb zahlreiche Maßnahmen und Aktionen im Rahmen eines sehr ausgeprägten Diversity Managements ein- und umgesetzt. Neben monatlich tagenden

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23721.3 Wissensmanagement

Diversity-Foren werden Diversity Trainings (z. B. Beratungen und Coachings zur Stär-kung der interkulturellen Kompetenz und Diversity Awareness) angeboten oder jährlich stattfindende Diversity-Wochen im globalen Rahmen mit einem großen kulturellen Aben-devent und thematischen Diskussionsforen abgehalten. Darüber hinaus haben sich diverse Netzwerke und Vereine innerhalb der Organisation gebildet, wie z. B. Cultures@SAP, bei dem Mitarbeiter verschiedener Nationalitäten und Kulturen regelmäßig Stammtische oder kulturelle Veranstaltungen organisieren.

21.3 Wissensmanagement

21.3.1 Begriffsverständnis

Wissensmanagement (WM) kann nach der Definition von Robbins und Judge (2009) ver-standen werden als Prozess des Organisierens und Verteilens des kollektiven Wissens der Organisation, sodass die richtigen Informationen die richtigen Leute zur richtigen Zeit erreichen. Etwas umfassender hat Willke (2001) den Begriff erfasst: „Wissensmanage-ment meint die Gesamtheit organisationaler Strategien zur Schaffung einer intelligenten Organisation“ (S. 39).

Diese Definition umfasst drei verschiedene Ansatzpunkte des Wissensmanagements: 1) die Mitglieder, die über individuelle Kompetenzen und eine spezifische Ausbildung verfügen, und diese durch ihre Lernfähigkeit weiter ausbauen können, 2) die Organisation als System, für die die Schaffung, Nutzung und Entwicklung der kollektiven Intelligenz und des „collective mind“ im Fokus steht, sowie 3) die technologische Infrastruktur, d. h. ob, wie und wie effizient die Organisation eine zu ihrer Operationsweise passende Kom-munikations- und Informationsinfrastruktur nutzt (Willke 2001).

Wichtig für das Themengebiet des Wissensmanagements ist die begriffliche Abgren-zung des individuellen Wissens vom kollektiven, organisationalen Wissen. Individuelles Wissen ist an Personen gebunden und stellt die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkei-ten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen, dar. Es umfasst sowohl theoreti-sche Kenntnisse, als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Folglich kann es durch die Förderung individueller Kompetenzen, durch eine gezielte Ausbildung und die Lernfähigkeit der Mitglieder weiterentwickelt und ausgebaut werden (für eine tiefergehende Betrachtung des individuellen Lernens s. Kap. 16). Das individuelle Wissen aller Organisationsangehörigen macht zusammen mit der kollektiven Wissensbasis des Unternehmens die organisationale Wissensbasis aus, auf die die Organisation zur Lösung von Aufgaben zurückgreift (Probst et al. 1997). Unter organisationalem Lernen versteht man dann die Veränderung der organisationalen Wissensbasis, die Schaffung des kollek-tiven Bezugsrahmens sowie die Erhöhung der organisationalen Problemlösekompetenz (Sarges und Scheffer 2008).

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238 21 Aktuelle HR-Trends: Managing Diversity, demographischer …

21.3.2 Ausgewählte Modelle

Bausteine des WissensmanagementNach Probst et al. (1997) besteht das organisationale Wissensmanagement aus folgenden Faktoren und Funktionen, die miteinander zusammenhängen und in Interaktion stehen:

• Wissensziele identifizieren: Wissensmangement dient als Planungsinstrument im nor-mativen (z. B. Innovationsgeist in der Unternehmenskultur), strategischen (z. B. Orga-nisationsstrukturen ans WM anpassen) oder operativen Bereich (z. B. Leistungs- und Kooperationsverhalten) des Unternehmens.

• Wissensidentifikation: Eine der zentralen Aufgaben des WM ist es, zu erfassen, wer über welches Wissen verfügt, wie die Wissensbestände zusammenhängen, in welcher Form das Wissen vorliegt und wie Wissenslücken geschlossen werden können.

• Wissenserwerb: Wie werden fremde Wissensbasen (z. B. durch Kooperation mit ande-ren Unternehmen) angezapft und wie wird das Wissen der Stakeholder (z. B. Lieferan-ten oder Kunden) ins Unternehmen geholt?

• Wissensentwicklung: Neues Wissen wird durch eine bewusste Produktion bisher noch nicht bestehender Fähigkeiten in der Organisation selbst generiert, z. B. indem inno-vative Produkte intern entwickelt werden („organisationales Lernen“) (Wilkesmann 2004).

• Wissensverteilung: Wissensnetzwerke (z. B. durch Intranet oder Sozialisierung) wer-den geschaffen und die Teilungsbereitschaft von Wissen wird erhöht, damit alle Orga-nisationsmitglieder auf alle relevanten Daten zugreifen können (Wilkesmann 2004).

• Wissensnutzung: Die Arbeitsbedingungen müssen so beschaffen sein, dass sie die Nut-zung der für alle zugänglichen Daten sicherstellen und sich auf die Rezeptionsgewohn-heiten der Mitarbeiter beziehen (Wilkesmann 2004).

• Wissensbewahrung: Die Sicherung des Wissens z. B. durch Erstellung von Wissensdo-kumenten, Einrichtung eines elektronischen Gedächtnisses oder Nutzung organisatio-naler Routinen ist essentiell für ein erfolgreiches WM.

• Wissensbewertung: Das immaterielle Gut „Wissen“ muss anhand spezieller Indikatoren gemessen werden. Wissensbilanzen werden erstellt (Sind Wissensziele erreicht?), um die Investitionen in das WM zu bewerten (Wilkesmann 2004).

Als die zwei wichtigsten Funktionen des organisationalen WMs lassen sich die Generie-rung von neuem Wissen („organisationales Lernen“) sowie die Speicherung (vorwiegend durch elektronische Datenbanken) und Nutzung von Daten herausstellen (Wilkesmann 2004).

Das Modell der Wissensumwandlung nach Nonaka und Takeuchi (1997)Wissen lässt sich in explizites und implizites Wissens differenzieren. Während explizites Wissen in formaler, systematischer Sprache widergegeben werden kann (z. B. in E-Mails

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23921.3 Wissensmanagement

oder dem Intranet) und dadurch einfach zu kommunizieren, zu teilen und zu erhalten ist, stellt sich die Erfassung des impliziten Wissens weitaus komplexer dar. Dieses Erfah-rungswissen ist zu einem hohen Grad personengebunden und kontextspezifisch, da es durch in der Praxis gemachte Erfahrungen generiert wird und tief im Handeln verankerte Handlungsmuster umfasst. Gemeinhin auch als „Know-How“ bezeichnet, lässt es sich nur schwer formalisieren und kommunizieren.

Da vor allem auch implizites Wissen erfolgskritisches Wissen darstellt und einen gro-ßen Teil des organisationsweiten Wissens ausmacht (80 %; Bullinger et al. 1999), ist es von entscheidender Bedeutung, dieses durch ein geeignetes Wissensmanagement inner-halb der Organisation zu bewahren und anderen Mitgliedern zugänglich zu machen. Daher bedarf es einerseits entsprechender Maßnahmen, die die Weitergabe impliziten Wissens ermöglichen, andererseits ist es aber nach wie vor das Ziel, sowohl explizites als auch implizites Wissen in die jeweils andere Form umzuwandeln. Im Folgenden sollen die vier Formen Sozialisation, Externalisierung, Kombination und Internalisierung der Wissens-umwandlung nach Nonaka (1997) erläutert werden:

Sozialisation meint die Übertragung impliziten Wissens von einer Person auf eine an-dere. Beispielsweise könnte ein kurz vor der Pension stehender Key Account-Manager sein Wissen über die wichtigsten Kunden des Unternehmens an seinen jüngeren Nachfol-ger weitergeben. So könnte der erfahrene Mitarbeiter über Expertise, Werte oder besonde-re Gewohn- und Eigenheiten der einzelnen Geschäftskontakte aufklären, deren Kenntnis die Interaktion mit diesen erheblich vereinfacht, Konflikten vorbeugt und sich letztendlich auch auf die Zufriedenheit des Geschäftspartners auswirkt. Die Sozialisation erfolgt vor-nehmlich durch Beobachtung und Nachahmung in der Praxis.

Im Zuge der Externalisierung gilt es, das erlangte implizite Wissen zu artikulieren, um es anderen zugänglich zu machen und damit die bestehende Wissensbasis zu erweitern. So könnte der neue Key Account-Manager sein erworbenes Wissen in Form von kur-zen Kundenprofilen niederschreiben und es seinem Team so auch in expliziter Form zur Verfügung stellen. Um das Wissen externalisieren zu können, bedarf es des Dialogs und der kollektiven Reflexion. Auch Metaphern oder Analogien sind ein beliebtes Mittel, um schwer greifbare Zusammenhänge zu verdeutlichen und der Allgemeinheit verständlich zu machen.

Die Kombination neu gewonnenen und bereits vorhandenen expliziten Wissens kann den Nutzen und die Verbreitung des neuen Wissens fördern. Die Kundenprofile könn-ten, zum Beispiel, mit vergangenen Aufträgen und Absatzzahlen oder der Dauer der Geschäftsbeziehung in Verbindung gebracht werden und so auch von Interesse für das Top-Management oder die gesamte Marketingabteilung sein. Durch bestimmte Medien, Besprechungen oder Dokumente kann die Kombination vorangetrieben werden. Sie ist insbesondere in großen Organisationen wichtig, in denen das Lernen durch Sozialisation nicht mehr möglich ist.

Schlussendlich muss auch explizites Wissen von den Mitgliedern verinnerlicht werden. Die Internalisierung beschreibt genau diesen Vorgang, bei dem durch „Learning by do-ing“ und viel Übung das explizite in implizites Wissen umgewandelt wird. In Bezug auf

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240 21 Aktuelle HR-Trends: Managing Diversity, demographischer …

das Beispiel würde dies bedeuten, dass die Mitarbeiter die neuen Kundenprofile bei ihrer täglichen Arbeit, z. B. zur Vorbereitung auf ein Kundengespräch, nutzen und deren Inhalte so in ihren Wissensbestand übergehen. Für ein erfolgreiches und effizientes Wissensma-nagement wird die Umsetzung aller vier zuvor genannten Formen der Wissensumwand-lung vorausgesetzt.

21.3.3 Umsetzung in der Praxis

Wie kann der ständige Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitern, die Umwandlung des Wissens und letzten Endes auch dessen Erhalt aktiv im Unternehmen gefördert und umgesetzt werden? Durch welche Strukturen und Methoden wird das organisationale Ler-nen begünstigt?

Um ein Unternehmen zu einer lernenden Organisation weiterzuentwickeln und das WM erfolgreich zu verankern, ist die Schaffung einer entsprechenden Strategie und Un-ternehmenskultur unabdingbar (s. Kap. 6). Das Management muss sein Commitment ge-genüber kontinuierlichem Lernen explizit betonen und Führungskräfte müssen durch ihr eigenes Handeln vorleben, dass die Fähigkeiten, Risiken einzugehen und Fehler zuzu-geben (s. Kap. 17) wünschenswerte Eigenschaften sind. Vor allen Dingen muss Zeit zur Verfügung gestellt werden, die für das WM nutzbar ist. Sie sollten außerdem zu fachlichen Konflikten und Diskussionen ermutigen, um so – durch die sich durch Widersprüche, Konflikte und Dilemmata ergebenden Synergien – bessere, intelligentere Lösungen zu finden, als es für jeden Mitarbeitern im Einzelnen möglich gewesen wäre. Die Unterneh-menskultur sollte so gestaltet sein, dass sie das Erhalten und das Teilen von Informationen und Wissen fördert, schätzt und belohnt, auf die Schaffung neuen Wissens ausgerichtet ist und die Angestellten zur Nutzung der Mechanismen des WM motiviert. Eine lebendige Feedback- und Erzählkultur (s. Kap. 6) über erfolgreiche Wissenskooperationen sollte ebenso Bestandteil einer offenen Wissenskultur sein wie die Ermutigung zu innovativem, kreativem Denken und der kontinuierlichen Suche nach Verbesserungen. Zudem ist häu-fig eine Umorganisation der Organisationsstruktur von Nöten. Flache Hierarchien, die Zusammenlegung von Abteilungen oder der verstärkte Einsatz interdisziplinärer Teams können Interdependenzen zwischen den Arbeitskräften fördern und Grenzen reduzieren. Formale und bürokratische Strukturen sind dagegen eher hinderlich (Robbins und Judge 2009). Geeignete Kommunikations- und Informationsstrukturen müssen zur Verfügung stehen, die alle nützlichen und relevanten Informationen gut organisiert und leicht zugäng-lich bzw. abrufbar bereitstellen, um einen „information overload“ zu vermeiden.

Erfolgreich umgesetzt hilft das Wissensmanagement Wettbewerbsvorteile aufzubauen bzw. zu erhalten und die Unternehmensperformance zu verbessern. Durch einen einfachen und schnellen Zugang zum organisationsweiten Wissen werden Synergien gefördert und Wissensbeschaffungsprozesse verkürzt.

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24121.3 Wissensmanagement

Durchführung eines WissensauditsEin erster Schritt zu einem effektiven Wissensmanagement in der Praxis ist die Durch-führung eines Wissensaudits. Diese Methode bietet einen strukturierten Überblick über das organisationale Wissen und die qualitativen und quantitativen Eigenschaften verschie-dener Wissensblöcke. Des Weiteren dient es auch zur Identifikation der Wissensquelle, also der Träger des Wissens, und zur Erfassung impliziten Wissens. Mittels eines solchen Wissensaudits soll also überprüft werden, welches Wissen in der Organisation oder einer bestimmten Abteilung benötigt wird, welches bereits verfügbar oder an gewissen Stellen noch nicht vorhanden ist und für wen dieses Wissen notwendig ist. Somit ist ein Wissens-audit essentiell, um effektive Methoden zur Speicherung und Verteilung des Wissens zu implementieren, oder einen Veränderungsbedarf aufzudecken.

Liebowitz et al. (2000) stellen drei wesentliche Schritte des Wissensaudits heraus: In einem ersten Schritt erfolgt eine Bestandsaufnahme des gegenwärtig vorhandenen Wis-sens. Im Zuge dieser werden Wissensquellen, -flüsse, die Rahmenbedingungen sowie durch das Umfeld bedingte Einflussfaktoren festgestellt. Zudem muss implizites und ex-plizites Wissen identifiziert und lokalisiert werden, um die Wissensträger zu ermitteln. Mit den gewonnen Informationen kann in der Folge eine sogenannte „knowledge map“ erstellt werden, welche das Wissen klassifiziert und den Wissensfluss innerhalb der Organisation abbildet. Diese Wissenskarte verbindet außerdem Themen, Menschen, Dokumente, Ideen sowie Verbindungen zu externen Ressourcen, um den Zugang zu dem benötigten Wissen zu vereinfachen und es schneller zu finden.

Der zweite Schritt baut direkt auf dem ersten auf und soll die gesammelten Informa-tionen dahingehend analysieren, Lücken aufzudecken und zu evaluieren, welches spezi-fische Wissen fehlt und wer dieses benötigt, um die Geschäftsziele zu erreichen. Somit wird fehlendes Wissen und der Wissensbedarf identifiziert. Im dritten Schritt gilt es, aus den gewonnen Erkenntnissen Handlungsempfehlungen für das Management abzuleiten. So werden ein Überblick über den gegenwärtigen Zustand gegeben und Verbesserungs-möglichkeiten aufgezeigt.

Die Erhebung der relevanten Informationen kann durch Fragebögen und/oder Durch-führung von Interviews erfolgen. Hierbei sollte den Probanden möglichst viel Freiraum gelassen und die Fragen sehr offen gestellt werden, da sich die Anforderungen und der Bedarf an Wissen von Mitarbeiter zu Mitarbeiter stark unterscheiden können.

Konkrete Maßnahmen des WMs in der PraxisNach der Durchführung eines solchen Wissensaudits sollten natürlich entsprechende Maß-nahmen aus den neuen Erkenntnissen abgeleitet werden, die die ausgemachten Schwach-stellen im Wissensmanagement ausbessern. Im Folgenden sollen anhand eines fiktiven Unternehmens konkrete, beispielhafte Aktivitäten des WM erläutert werden. An dieser Stelle soll die besondere Bedeutung des WM im Lichte des demographischen Wandels und damit die essentielle Verbindung zwischen beiden Themengebieten im Fokus stehen.

Angenommen, die Ingenieure eines fiktiven Luftfahrtunternehmens, der Flight AG, in führenden Positionen erreichen gemeinsam ein Durchschnittsalter von 47 Jahren. Sie ver-

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242 21 Aktuelle HR-Trends: Managing Diversity, demographischer …

fügen sowohl über explizites Wissen, wie Fakten über Bestandteile eines Triebwerks und deren technische Daten, als auch über implizites Wissen, wie bspw. welche Teamzusam-menstellung für welchen Auftrag am besten geeignet scheint, oder wie mit Ausnahmesitu-ationen oder Engpässen bei der Produktion umzugehen ist. Aufgabe des Wissensmanage-ments ist es nun, dieses erfolgskritische Wissen durch entsprechende Maßnahmen und Strategien frühzeitig zu sichern (Deller et al. 2008) und somit auch nach altersbedingtem Ausscheiden der Führungskräfte im Unternehmen zu behalten.

Zu diesem Zwecke können verschiedene Programme eingerichtet werden, die den un-terschiedlichen Anforderungen von explizitem und implizitem Wissen gerecht werden und Wissensverluste verbeugen. Dabei versteht sich von selbst, dass das Wissen aus mehre-ren Jahrzenten Berufserfahrung nicht innerhalb einiger Tage gesichert und weitergegeben werden kann (Beck und Sommer 2007). Langfristiges und kontinuierliches Dokumentie-ren, Speichern und Austauschen von Wissen ist hier der einzige Weg zum Erfolg.

Patenmodelle und Mentoring stellen hier eine von vielen möglichen Maßnahmen dar. Diese setzen bereits bei der Einarbeitung von neuen Mitarbeitern an, indem jedem von ihnen ein erfahrener, meist älterer Mitarbeiter zur Seite gestellt wird, dessen Aufgabe es ist, „den Mitarbeiter mit der neuen Arbeitsumgebung, seinen Kollegen und wichtigen Gesprächspartnern bekannt zu machen, ihn in seine Aufgaben einzuweisen sowie ihn mit den geschriebenen (expliziten) und ungeschriebenen (impliziten) Verhaltensregeln des Unternehmens vertraut zu machen“ (Deller et al. 2008, S. 183). Dabei sind neben der fachlichen, der Sozial- und Methodenkompetenz eines Mentors auch Sympathie, Vertrau-en und Respekt zwischen Mentor und Mentee wesentlich für den Erfolg der Maßnahme (vgl. Kap. 20). So könnten die erfahrenen Ingenieure der Flight AG neu ins Unternehmen kommenden Mitarbeiter als Paten zur Seite stehen und in regelmäßigen Gesprächen ihre berufspraktischen Kenntnisse und praktische Erfahrungen weitergeben.

Viele, vor allem größere Unternehmen setzen zur Wissenssicherung und –weitergabe heute außerdem vermehrt auf Web-2.0-Technologien (Beck und Sommer 2007). Unter Social Software versteht man dabei Web-basierte Anwendungen, die Personen und Grup-pen miteinander vernetzen und somit als Teil des soziotechnischen Systems die mensch-liche Kommunikation, Interaktion und Zusammenarbeit unterstützen (Back et al. 2009). Wikis und Weblogs sind besonders geeignet, um informelles Wissen und persönliche Er-fahrungen unmittelbar aus dem Arbeitsprozess heraus zu dokumentieren und für andere zur Verfügung zu stellen. Ein unternehmensinternes Wiki funktioniert dabei genauso wie die Online-Enzyklopädie Wikipedia: Jeder Mitarbeiter kann alle Inhalte sowohl auf- und abrufen als auch ändern; Beiträge, die unvollständig oder fehlerhaft sind, können von an-deren Mitarbeitern verbessert und aktualisiert werden; Artikel können über Links mitein-ander verbunden werden und so ein Wissensnetzwerk entstehen lassen (Back et al. 2009). Ebenso regen sogenannte Weblogs (kurz Blogs) den aktiven Informationsaustausch an. Ein Blog ist eine Webseite, auf der regelmäßig und in chronologischer Reihenfolge In-halte in Form von Bildern, Texten oder Videos veröffentlich („gepostet“) werden, die von anderen Lesern kommentiert werden können (Back et al. 2009). Beide Instrumente könn-ten von den Mitarbeitern der Flight AG aktiv genutzt werden, um das explizite wie auch

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243Literatur

implizite Wissen der Unternehmensmitglieder, besonders auch das langjährige, erfolgskri-tische Erfahrungswissen der Ingenieure, zu dokumentieren, aufzubereiten, abzuspeichern und als Lernbasis für z. B. neue Mitarbeiter zu nutzen.

Literatur

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Page 251: Human resource management by jens rowold

245

Mitarbeiterbefragungen und Beobachtungsverfahren

Carina Cohrs

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_22

22

22.1 Einführung

In Unternehmen spielt Feedback auf allen Ebenen eine wichtige Rolle. Mitarbeiterbe-fragungen bieten eine wichtige Quelle, um betriebliche Prozesse zu optimieren. Denn die Mitarbeiter sind es, die das Unternehmen eigentlich am besten kennen. Die Mitarbeiter-befragung als Survey-Feedback Verfahren ist dabei ein gutes Instrument, um die Mei-nungen, Einstellungen und Wünsche der Mitarbeiter adäquat zu erfassen. Die Wurzeln der Survey-Feedback Prozesse liegen bei Kurt Lewin und sind Teil der Aktionsforschung (Müller et al. 2007). Demnach sind Personen, die die Daten erfassen, diese diskutieren und anschließend daraus Aktionen ableiten Teil des betreffenden Systems und keine, wie sonst in der Forschung üblich, Außenstehenden. Sie sind sozusagen aktiv an den Veränderungs-prozessen beteiligt. In Bezug auf Mitarbeiterbefragungen bedeutet dies, dass alle Ebenen des Unternehmens die Möglichkeit haben sich aktiv an den Veränderungen zu beteiligen. Was wiederum später zu höherem Commitent führt. In vielen Organisationen sind Instru-mente, wie z. B. das 360-Grad Feedback für Führungskräfte keine Seltenheit mehr. Trotz ihrer wichtigen Bedeutung Mitarbeiterbefragungen dagegen weniger stark verbreitet. Dies hat unterschiedliche Gründe. Zum einen sind Befragungen in der Durchführung recht auf-wändig, zum anderen sind Veränderungen in bestimmten Bereichen von der Unterneh-mensführung auch gar nicht gewünscht.

Im Folgenden wird zunächst der Begriff Mitarbeiterbefragung näher erläutert und der Prozess der Planung einer Befragung beschrieben. Abschließend wird auf empirische Aspekte eingegangen, sowie die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung anhand zweier Praxisbeispiele dargestellt.

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246 22 Mitarbeiterbefragungen und Beobachtungsverfahren

22.2 Begriffsverständnis

Gemäß Müller et al. (2007, S. 6) sind Mitarbeiterbefragungen „schriftliche, anonym durchgeführte Vollerhebungen mit einem standardisierten Erhebungsinstrument, das hauptsächlich geschlossene Items enthält“. Die Mitarbeiterbefragung als Feedbackinstru-ment ermöglicht dabei eine bottom up Beurteilung. Sie liefert den Führungskräften eines Unternehmens ein Meinungsbild der Mitarbeiter zu bestimmten Themen. Andererseits bietet die Mitarbeiterbefragung, kurz MAB, den Mitarbeitern die Möglichkeit ihre Mei-nung zu bestimmten betrieblichen Themen anonym zu äußern. Wichtig bei der Definition des Begriffs Mitarbeiterbefragung ist die Abgrenzung zu anderen Befragungen, die im organisationalen Kontext mitunter durchgeführt werden. Demnach ist die MAB eher als ein Führungsinstrument zu betrachten und wird in den meisten Fällen von der Unterneh-mensführung in die Wege geleitet (Müller et al. 2007). Eine detaillierte Begriffsdefini-tion findet sich bei Bungard (2005). Demnach weisen Mitarbeiterbefragungen bestimmte Merkmale auf. So ist die Befragung z. B. anonym, da die Mitarbeiter die Möglichkeit haben sollen, ihre Meinung offen und ohne Angst vor Konsequenzen zu äußern. Zudem werden die Ergebnisse am Ende in zusammengefasster Form offen gelegt, damit keine Rückschlüsse auf einzelnee Personen mehr möglich sind. Die Teilnahme an der Befragung ist zudem freiwillig. Mitarbeiterbefragungen werden zumeist mit dem Ziel durchgeführt „Einstellungen, Wünsche und Erwartungen“ (Bungard 2005, S. 163) gezielt zu erheben, um anschließend die erforderlichen Veränderungsmaßnahmen abzuleiten. Wichtig ist da-bei, dass die Mitarbeiter spüren, dass die Befragung auch Konsequenzen hat und ihre Kritik nicht einfach unbeachtet verpufft.

Somit wird ersichtlich, dass Mitarbeiterbefragungen verschiedene Funktionen erfüllen (Abb. 22.1). Diese lassen sich grob in Diagnostische und Interventionsfunktionen unter-teilen (Müller et al. 2007, S. 9). Die Funktionen werden im Folgenden näher erläutert.

Abb.22.1 Funktionen der Mitarbeiterbefragung (nach Bungard 2005 #6110: 9; Jöns 1997 #6112: 18)

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24722.2 Begriffsverständnis

22.2.1 Diagnostische Funktion

Die Mitarbeiterbefragung dient dazu Meinungen, Wünsche, Erwartungen oder auch Stim-mungen von Mitarbeitern zu bestimmten Themen zu erfassen. Ziel ist es, dass die Mitar-beiter, ohne negative persönliche Konsequenzen befürchten zu müssen, frei ihre Meinung äußern können. Diese diagnostische Funktion von Mitarbeiterbefragungen lässt sich noch weiter in eine Analyse-, Evaluations- und Kontrollfunktion ausdifferenzieren.

AnalysefunktionDie MAB als Analyseinstrument dient u. a. der Erfassung von verschiedenen sogenannten weichen Faktoren. Dazu zählen z. B. Arbeitszufriedenheit oder auch Organisationskultur (s. Kap. 6). Darüber hinaus können auch Informationen über das von den Mitarbeitern erlebte Verhalten von Führungskräften gewonnen werden. Des Weiteren kann die MAB zur Analyse von Stärken und Schwächen innerhalb der Organisation genutzt werden. So können beispielsweise Informationen über fehlende/bereichernde Weiterbildungsmög-lichkeiten, zu hohen/geringen Arbeitsaufwand oder auch ein mangelndes/gutes Wissens-management gewonnen werden. Neben dieser allgemeinen betrieblichen Analyse können Mitarbeiterbefragungen aber auch zu ganz konkreten Themen oder Projekten durchge-führt werden, wie z. B. zum Thema Mobilität oder Gesundheitsprävention.

EvaluationsfunktionIm Gegensatz zu einer Analyse wird eine Evaluation immer nach der Durchführung einer bestimmten Maßnahme durchgeführt. Beispielsweise bei größeren Managementprojek-ten, wie z. B. der Einführung eines neuen Zeiterfassungssystems, kann im Nachhinein mit Hilfe einer Befragung erfasst werden, ob sich das neue System bewährt hat.

KontrollfunktionMitarbeiterbefragungen sind zudem ein nützliches Instrument, um den Erfolg von umge-setzten Maßnahmen zu überprüfen. Hat beispielsweise eine Führungskraft ein spezielles Training zum Thema Mitarbeiterführung erhalten, kann mithilfe einer MAB erfasst wer-den, ob die Führungskraft die neu erlernten Kompetenzen erfolgreich umsetzt.

22.2.2 Interventionsfunktion

Genau genommen stellt eine Befragung an sich schon eine Intervention, einen Art Ein-griff in das Organisationssystem dar. Dadurch, dass die Mitarbeiter zu bestimmten The-men befragt werden, beschäftigen sie sich genauer mit diesen Themen und können sich eine Meinung dazu bilden. Des Weiteren sind Mitarbeiterbefragungen auch ein Indikator dafür, welche Themen dem Management wichtig ist. Dies ist z. B. an der Menge der Fragen ersichtlich, die zu einem bestimmten Thema gestellt werden. Andererseits kann

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248 22 Mitarbeiterbefragungen und Beobachtungsverfahren

das Management mit der thematischen Auswahl der Fragen auch Interesse für bestimmte Thematiken bei den Mitarbeitern wecken (Müller et al. 2007, S. 10).

Im weiteren Verlauf sind die Ergebnisse der MAB auch Grundlage für Workshops zu Veränderungsprozessen. Diese werden dann zwar nicht direkt von den Mitarbeiter initi-iert, sondern vom Management, dennoch ist es wichtig, dass die Veränderungen von den Mitarbeitern mit getragen und akzeptiert werden. Dennoch ist es kritisch, Mitarbeiterbe-fragung als Instrument zur Partizipation von Mitarbeitern zu sehen. Einerseits werden die Mitarbeiter zwar zu ihrer Meinung befragt. Andererseits sind sie aber häufig nicht an der Planung von konkreten Veränderungsmaßnahmen beteiligt (Müller et al. 2007). Die MAB dient jedoch als Mittel zur Kommunikation. Probleme werden mit Hilfe der Befragung thematisiert und die Hemmschwelle auch im Nachhinein über bestimmte schwierige The-men zu sprechen sinkt (Domsch und Ladwig 2000).

22.2.3 Formen der Mitarbeiterbefragung

Neben den Funktionen, die eine MAB erfüllt, lassen sich verschiedene Formen der MAB unterscheiden.

In Tab. 22.1 wird ersichtlich, dass es die eine und immer gleiche MAB nicht gibt. Viel-mehr lassen sich verschiedene Formen von Mitarbeiterbefragungen je nach Bedarf und Anforderungen des entsprechenden Unternehmens unterscheiden. So können beispiels-weise Befragungen zu bestimmten Themen oder umfassende Befragungen zu verschie-denen Themen durchgeführt werden. Was allen Befragungen jedoch gemein sein sollte, ist die Gewährleistung von Anonymität. Ist diese nicht gewährleistet kann es schnell zu einer Verfälschung der Ergebnisse kommen, da Mitarbeiter aus Angst vor negativen Kon-sequenzen nicht bereit sind ehrlich und offen zu antworten. Zudem sollten Befragungen kontinuierlich durchgeführt werden, um eine gewisse Vergleichbarkeit der Ergebnisse her-zustellen und Entwicklungsprozesse abzubilden.

22.3 Modelle

Die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung sollte im Vorfeld sehr genau geplant wer-den. Der dreiphasige Planungs- und Durchführungsprozess nach Domsch und Ladwig (2000) wird im Folgenden erläutert.

Phase 1: Planung Im ersten Schritt der Planungsphase muss zunächst definiert werden, welches Ziel mit der Durchführung der Befragung verfolgt werden soll. Je nachdem von wem (Management, Personalabteilung etc.) die Umfrage initiiert wurde, wird eine Steue-rungsgruppe gegründet, die sich mit der Durchführung des Projektes beschäftigt. Wichtig ist dabei, dass die Befragung nicht losgelöst stattfindet, sondern dass ein Bezug zu bereits bestehenden Projekten und auch der Unternehmensphilosophie bzw. der Unternehmens-strategie erkennbar ist.

Page 255: Human resource management by jens rowold

24922.3 Modelle

Im zweiten Schritt der Planungsphase wird eine Entscheidung hinsichtlich einer ersten Grobplanung des Projektes getroffen. Es wird ein erster vorläufiger Projektplan erstellt. Dieser enthält erste Timings sowie Angaben über den zu erwartenden Arbeitsaufwand. Zu einer genauen Kostenplanung ist es wichtig, die potentiellen Kosten (z. B. Beratungs-unternehmen, Datenauswertung, Präsentation, Personalkosten) dem zu erwartenden Nut-zen (z. B. Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen, Senkung der Fluktuation) gegen-überzustellen. Dieser erste Planungsentwurf wird dann dem Management präsentiert und im besten Fall abgesegnet. Ist dies nicht der Fall, müssen noch etwaige Korrekturen vor-genommen werden.

Im dritten Schritt der Planungsphase geht es in die Detailkonzeption des Projektes. Die im vorherigen Schritt erstellte Grobplanung wird konkretisiert und anschließend wieder dem Management zur Genehmigung präsentiert. Zudem wird die Arbeitnehmervertretung

Tab. 22.1 Formen der MAB (nach Domsch und Ladwig 2000, S. 4)Beschreibungsmerk-male (Auswahl)

Ausprägungen (Auswahl)

Ziele der MAB Messung von allgemeiner Zufriedenheit/Betriebsklima

Einsatz als TQM Instrument

Organisationsent-wicklung

Integration in strategisches Management

Initiator Unternehmensleitung/ Personalbereich

Arbeitnehmerver-tretungen

Gemeinsame Initiative verschiedener Unternehmensbe-reiche

Inhalt MAB zu verschiedenen Themen Befragung zu einem spezifischen Thema (z. B. Arbeitszeitmodelle)

Verbindlichkeit Freiwillige Teilnahme (sollte die Regel sein)

Vom Unternehmen vorgeschrieben/ umfassend initiiert

Informations-erfassung

Schriftliche (per Fragebogen in Papierform oder Online)

Mündlich (unab-hängiger Intervie-wer/ Workshop)

Teils mündlich/schriftlich

Standardisierung Vollstandardisiert halbstandardisiert Nur freie Antworten

Häufigkeit einmalig Regelmäßig (z. B. alle 6 Monate)

Fallweise (z. B. dann wenn betriebliche Veränderungen anstehen

Feedback Ergebnisse nur an die Unter-nehmensleitung/Führungskräfte/Personalbereich

Gesamtergebnis an alle, Bereichs-ergebnisse nur an den jeweiligen Bereich

Völlige Trans-parenz aller Ergebnisse

Reichweite Befragung an allen Standorten (national oder international)

Befragung nur an einem bestimmten Standort

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250 22 Mitarbeiterbefragungen und Beobachtungsverfahren

über die geplante MAB in Kenntnis gesetzt. In dieser Phase entsteht schon ein erster Ent-wurf eines Fragebogens. In ersten Tests wird vorab schon einmal geprüft, wie geeignet er für die Befragung ist. Je nachdem wie der Pretest ausfällt, müssen die Fragen ggf. noch einmal angepasst werden. Inhaltlich muss an dieser Stelle beachtet werden, dass der Fra-gebogen nicht zu viele Items umfassen sollte. Gemäß Domsch und Ladwig (2000) sollte der Bogen ca. 60 Fragen umfassen und die Beantwortung nicht länger als 50 min in An-spruch nehmen. Ansonsten kann es dazu führen, dass die Mitarbeiter erst gar nicht bereit sind, an der Befragung teilzunehmen oder nach der Hälfte der Frage, die Beantwortung abbrechen. Zudem sollten die Fragen eindeutig sein und die Möglichkeit bieten, konkrete Handlungsmaßnahmen daraus abzuleiten (Bungard 2005).

Phase 2: Durchführung In der Durchführungsphase geht es im ersten Schritt darum, die Mitarbeiter über die anstehende Befragung zu informieren. Ziel ist es, dass möglichst viele Mitarbeiter an der Befragung teilnehmen, um am Ende auch repräsentative Ergeb-nisse zu erzielen. Demnach empfiehlt es sich die Befragung kräftig zu bewerben. Dies kann in Form von ansprechenden Plakaten, Newslettern, Beiträgen in der Unternehmens-leitung, Intranet oder auch direkt durch die Vorgesetzten geschehen. Auch an dieser Stelle empfiehlt es sich ein detailliertes Konzept zu entwickeln, wie genau die Befragung bewor-ben werden soll.

Highlight der Durchführungsphase ist die tatsächliche Durchführung der Befragung. Je nachdem, ob die Befragung online oder im Paper Pencil Format erfolgt, muss sicherge-stellt werden, dass alle Mitarbeiter Zugang zu der Befragung haben. Weiterhin sollte auch während des Befragungszeitraums immer wieder an die Befragung erinnert und die Mit-arbeiter zur Teilnahme aufgerufen werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist zudem, dass bei Paper Pencil Formaten eine anonyme Rückgabe der Bögen ermöglicht werden sollte.

Nachdem der Befragungszeitraum beendet ist, gilt es im nächsten Schritt, die Ergebnis-se angemessen zu präsentieren. Doch bevor den Mitarbeitern ein Gesamtergebnis kommu-niziert werden kann. Müssen die Bögen zunächst ausgewertet werden und die Ergebnisse in anschaulicher Form aufbereitet und dem Management präsentiert werden.

Phase 3: Maßnahmenableitung Nachdem die Befragung abgeschlossen ist und die Ergeb-nisse bekannt sind, gilt es nun entsprechende Maßnahmen abzuleiten. Nachdem die Ergeb-nisse und deren mögliche Konsequenzen in ausreichendem Maße vom Management bzw. dem Steuerungskreis analysiert und ggf. mit externen Benchmark Werten verglichen wurden, muss in einem ersten Schritt ein detaillierter Aktionsplan erstellt werden. Dieser beinhaltet Informationen darüber, wann, vom wem, welche Maßnahme umgesetzt werden soll.

Im zweiten Schritt werden die Maßnahmen dann realisiert und ggf. Change Prozesse eingeleitet. Ist z. B. in der Befragung offenbart worden, dass die Mitarbeiter unzufrieden mit dem aktuellen Arbeitszeitmodell sind, wäre die Einführung eines neuen Modelles eine adäquate Maßnahme.

Am Ende steht dann schlussendlich die Erfolgskontrolle. Demnach ist es notwendig den Change Prozess weiter zu überwachen und Zwischenergebnisse immer wieder zu diskutieren und Prozesse ggf. anzupassen. Im Optimalfall wird nach einem bestimmten

Page 257: Human resource management by jens rowold

25122.4 Empirische Modelle

Zeitraum eine erneute MAB durchgeführt, um zu prüfen, ob Veränderungen seit der letz-ten Befragung stattgefunden haben.

Dieses Prozessmodell verdeutlicht, dass der Begriff MAB nicht nur die Durchführung einer Befragung allein umfasst, sondern noch wesentlich mehr Maßnahmen mit ihr ver-bunden sind. Die konkrete Planung der Befragung sowie die Umsetzung, der anschließend abgeleiteten Maßnahmen, sind von genauso hoher Bedeutung, wie die Befragung an sich.

22.4 Empirische Modelle

An dieser Stelle, sollen die Gütekriterien der MAB näher betrachtet werden. Spricht man von Gütekriterien, so sind in der empirischen Forschung vor allem Reliabilität und Validi-tät (vgl. Kap. 24) gemeint. In Bezug auf die MAB reichen diese beiden Aspekte jedoch nicht aus (Bungard 2005). So sind Reliabilitätsaspekte aus Sicht der Unternehmen im

Exkurs: Rechtliche BedingungenBei Mitarbeiterbefragungen sind zwei rechtliche Aspekte zu berücksichtigen, das Bundesdatenschutzgesetz und die Beteiligungsrechte des Betriebsrats (Müller et al. 2007).

Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)Das BDSG wurde formuliert, um „den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch

den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird“ (§ 1 Abs. 1 BDSG). Das Gesetzt greift dann, wenn personenbe-zogene Daten erhoben bzw. weiterverarbeitet werden. In Bezug auf die MAB würde das Gesetzt allerdings nicht greifen, wenn absolut keine Zuordnung der Ergebnisse zu bestimmten Personen möglich ist. Gemäß Müller et al. (2007) gilt zudem, dass „bei Vorliegen von weniger als 10 Antwortbögen pro Gruppe (z. B. weibliche Füh-rungskräfte) keine gesonderte Auswertung erfolgt“ (Müller et al. 2007, S. 22). Auf-grund dieser rechtlichen Einschränkungen empfiehlt es sich, bei der Planung einer MAB grundsätzlich immer einen Datenschutzbeauftragten hinzuzuziehen.

Beteiligungsrechte des BetriebsratsGemäß §87 Abs. 1 Nr. 1 und 6 § 93 Betriebsverfassungsgesetzt (BetrVG) hat

der Betriebsrat bei Mitarbeiterbefragungen ein Informations-und Beratungsrecht, aber kein Mitbestimmungsrecht. Das heißt, dass der Betriebsrat frühzeitig über die anstehende MAB und deren Inhalte informiert werden muss. Legt der Betriebsrat ein Veto gegen die Befragung ein, kann diese nicht gegen seinen Willen durchge-führt werden. Zudem weisen Müller et al. (2007) auch darauf hin, dass es durch-aus sinnvoll sein kann, den Betriebsrat mit in die Planungen einzubeziehen, da er zumeist einen sehr guten Überblick über die Themen hat, die die Mitarbeiter derzeit bewegen.

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252 22 Mitarbeiterbefragungen und Beobachtungsverfahren

Rahmen von Mitarbeiterbefragungen dann wenig relevant, wenn zu einem Thema ledig-lich eine Frage gestellt wird. Im Gegensatz dazu sind bei Konstrukten wie z. B. Commit-ment immer mehrere Fragen zu stellen, so dass das Gütekriterium Reliabilität relevant ist.

Da jedes Unternehmen thematisch und situational bedingt andere Anforderungen an die MAB stellt, kann der Einsatz von vorgefertigter, wissenschaftlich validierten Bögen schwierig zu sein. Diese Instrumente sind dann mit eigenständig konstruierten Instrumen-ten zu ergänzen. Eine Überprüfung der Validität dieser neuen Instrumente sollte jedoch dann durch das jeweilige Unternehmen erfolgen. Wird z. B. die Zufriedenheit mit dem Kantinenessen durch drei neu konstruierte Fragen erfasst, so sollte eine Validitätsprüfung durchgeführt werden, indem z. B. der Zusammenhang des Mittelwert der drei Items mit anderen, organisational relevanten Konstrukten (z. B. allg. Arbeitszufriedenheit, work-life-balance, Commitment) empirisch überprüft wird.

Des Weiteren ist der Aspekt der Trennschärfe der Items bei MAB in einigen Fällen zu vernachlässigen (Bungard 2005). Antworten beispielsweise 95 % der Befragten, auf die Frage, ob ihnen das Kantinenessen schmeckt mit „ja“ ist dies eine sehr wertvolle Informa-tion. Im Rahmen der Trennschärfenanalyse würde ein solches Item allerdings aussortiert werden (vgl. Kap. 24).

Bedeutsamer in Bezug auf Mitarbeiterbefragungen sind weitere Gütekriterien (Bun-gard 2005). So ist es z. B. wichtig, dass die Fragen relevant sind. Sie müssen die Ziele, die mit der MAB verfolgt werden abbilden und auch solche Themen aufgreifen, zu denen Mitarbeiter gern ihre Meinung äußern würden. Außerdem müssen die Fragen eindeutig und gut verständlich formuliert sein. Des Weiteren spielt das Veränderungspotential eine wichtige Rolle. Demnach müssen aus den Fragen direkt Handlungsmöglichkeiten ableit-bar sein. Es macht wenig Sinn nach Dingen zu Fragen, die nicht verändert werden kön-nen bzw. aus unternehmenspolitischer Sicht gar nicht verändert werden sollen. Als dritter wichtiger Punkt ist zudem die Akzeptanz von Bedeutung. Gemäß Bungard (2005, S. 170) ist sie das „zentrale Gütekriterium“. Wie die MAB von den Mitarbeitern akzeptiert wird, ist ganz einfach an der Beteiligungsrate ablesbar. Faktoren, die zu einer höheren Akzep-tanz unter der Belegschaft führen, sind die Gewährung von Anonymität, Transparenz des Befragungsprozesses sowie die Zusicherung der Veröffentlichung der Ergebnisse.

22.5 Umsetzung in der Praxis

Im Folgenden wird ein unternehmensspezifisches Beispiele betrachtet, bei dem eine MAB erfolgreich umgesetzt wurde. Es handelt sich um das Projekte „Gesundheit gewinnt“ von Prof. Dr. Peter Nieder, Universität der Bundeswehr Hamburg (aus Domsch und Ladwig 2000, S. 319–332).

Die Beiersdorf AG ist ein weltweiter Kosmetikersteller mit über 150 Standorten und ca. 17.000 Mitarbeitern. Der Hauptsitz des Unternehmens ist in Hamburg. In Deutschland arbeiten rund 6.000 Beschäftigte (http://www.beiersdorf.de).

Page 259: Human resource management by jens rowold

253Literatur

Das Projekt zur betrieblichen Gesundheitsvorsorge „Gesundheit gewinnt“ lief im Zeit-raum von 1991–1995 und wurde von der AOK Hamburg zusätzlich unterstützt. Mit einer breit angelegten MAB wollte man sich einen Überblick über die aktuelle Gesundheits-situation der Mitarbeiter im Unternehmen verschaffen. Ziele des Projektes waren, den Krankenstand und die damit verbundenen Kosten zu reduzieren, die Arbeitszufriedenheit zu steigern und die Mitarbeitermotivation zu erhöhen. Zudem sollte auf Basis der Ergeb-nisse der Befragung ein Gesamtkonzept zur betrieblichen Gesundheitsförderung entwi-ckelt werden. Für die Befragung wurden vier verschiedene Quellen genutzt:

1. 30 innerbetriebliche Experten, wie z. B. Betriebsärzte sollten den aktuellen Gesund-heitsstaus der Mitarbeiter einschätzen.

2. Eine umfassende Befragung aller Beschäftigten zu Themen, wie z. B. Belastung & Beanspruch am Arbeitsplatz, Wahrnehmung der aktuellen präventiven Maßnahmen im Unternehmen oder auch die Bereitschaft an betrieblichen Fördermaßnahmen zu Erhal-tung oder Verbesserung der Gesundheit teilzunehmen.

3. Durchführung einer Gruppendiskussion mit jeweils 10–15 Teilnehmern zur Analyse der Arbeitssituation. Die Diskussion diente dazu, Verbesserungsvorschläge zu erarbei-ten, wie man die Arbeitssituation optimieren kann.

4. Auswertung der im Jahr 1991 vorliegenden Arbeitsunfähigkeitsbeschreibungen.

Die Datenerhebung über diese verschiedenen Kanäle ermöglichte die Sammlung von objektiven und subjektiven Informationen. Auf Basis der vorliegenden Daten wurde ein umfassender Gesundheitsbericht für die Hamburger Standort der Beiersdorf AG erstellt. Zudem wurden Aufgrund der Analyse der Daten aus der MAB spezifische Maßnahmen zur Gesundheitsförderung abgeleitet. Sowohl die gesamte Befragung als auch die daraus abgeleiteten Maßnahmen wurden von den Mitarbeitern gut angenommen und eine nach-haltige Verbesserung des Krankenstandes konnte erreicht werden.

Literatur

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Page 260: Human resource management by jens rowold

255

Leistungsbeurteilung

Carolin Abrell, Jens Rowold und Sandra Flasche

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_23

23

23.1 Einführung

Die Beurteilung der Arbeitsleistung von Mitarbeitern spielt in Organisationen eine wich-tige Rolle. Die Leistungsbeurteilung ist ein wichtiger Baustein, um eine realistische Pla-nung und Zielsetzung von unternehmerischen Entscheidungen vorzunehmen sowie den unternehmerischen Erfolg, der zu immer größeren Anteilen von der Arbeitsleistung der Mitarbeiter abhängt, sicherzustellen. Um dieses übergeordnete Ziel zu erreichen, hat die Leistungsbeurteilung im Arbeitskontext verschiedene unmittelbare Funktionen. So ist sie Grundlage für allgemeine Entscheidungen des Human Resource Managements, wie zum Beispiel für Beförderungen, Versetzungen und Kündigungen. Sie dient der Identi-fizierung des Personalentwicklungsbedarfs und ermöglicht eine Leistungsrückmeldung an die Mitarbeiter zur Leistungsverbesserung. Auch stellt die Leistungsbeurteilung die Grundlage für Entlohnungsentscheidungen, wie zum Beispiel Grundgehaltserhöhungen, Auszahlung variabler Anteile, sonstige Leistungen etc., dar. Im folgenden Kapitel wird die Leistungsbeurteilung im organisatorischen Kontext dargestellt, d. h. es werden die vielfältigen Funktionen der Leistungsbeurteilung in Unternehmen beschrieben und die verschiedenen Methoden und Quellen zur Durchführung der Leistungsbeurteilung sowie wichtige Aspekte, die sich für die Umsetzung der Leistungsbeurteilung in der unterneh-merischen Praxis ergeben, dargestellt.

Page 261: Human resource management by jens rowold

256 23 Leistungsbeurteilung

23.2 Begriffsverständnis

Die berufliche Leistung von abhängig Beschäftigten lässt sich als Beitrag zu den Zie-len einer Organisation definieren. Die Beurteilung der Arbeitsleistung ist kein passiver Messvorgang, sondern hat immer auch den Charakter einer Intervention, da den Er-gebnissen der Leistungsbeurteilung auch immer – implizit oder explizit – Maßnahmen folgen.

Leistung entsteht nach Campbell et al. (1993) aus dem Zusammenspiel von deklara-tivem Wissen (Inhalts- oder theoretisches Wissen) und prozeduralem Wissen (Ausfüh-rungs- oder praktisches Wissen) sowie der Motivation, die Leistung zu erbringen. Die Elemente sind multiplikativ verknüpft (vgl. Abb. 23.1), d. h. jedes Element muss in einer Mindestausprägung vorhanden sein, damit ein Mensch Leistung erbringen kann.

Bei der Leistungsbeurteilung müssen zwei grundlegende Dimensionen von Leistung berücksichtigt werden: Die aufgabenbezogene Leistung und die umfeldbezogene Leistung (Borman und Motowidlo 1993).

Bei der aufgabenbezogenen Leistung geht es um die Leistung eines Mitarbeiters bezüg-lich jener Tätigkeiten, die zum formalen Gegenstand der Arbeit gehören, d. h. direkt er-gebnisbezogen und jobspezifisch sind. Welche Leistungen dabei genau von den jeweiligen Mitarbeitern erwartet und gefordert werden, wird in der Stellenbeschreibung bzw. den Er-gebnissen der Arbeitsanalyse (und ggf. auch im Arbeitsvertrag) festgelegt. Determinanten, die die Leistungserbringung bzw. den Leistungserfolg beeinflussen sind die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie die Erfahrung eines Mitarbeiters.

Die Leistungsbeurteilung eines Mitarbeiters sollte aber nicht nur an der unmittelbar auf-gabenbezogenen Leistung festgemacht werden. Leistungen, die bei Tätigkeiten erbracht werden, die über die formalen Arbeitsinhalte hinausgehen und so indirekt ergebnisunter-stützend sind, werden als umfeldbezogene Leistungen bezeichnet. Zu diesem Leistungsbe-reich gehören bei Führungskräften z. B. Verhaltensweisen, welche die Aufrechterhaltung guter Arbeitsbeziehungen zum Ziel haben, und bei Nicht-Führungskräften beispielsweise Handlungen, bei denen sie andere unterstützen oder mit anderen zusammenarbeiten. De-terminiert wird die Leistung in dieser tätigkeitsübergreifenden Dimension durch die Per-sönlichkeit und individuelle Motivation des Mitarbeiters. Beispielsweise gehört hierzu die Unterstützung von neuen Teammitgliedern, sodass diese eine optimale Leistung erbringen können.

Abb. 23.1 Multiplikative Verknüpfung der Leistungskomponenten. (nach Campbell et al. 1993)

Page 262: Human resource management by jens rowold

25723.3 Modelle

23.3 Modelle

Wie bereits in der Einführung dieses Kapitels beschrieben, erfüllt die Leistungsbeurtei-lung diverse, für den Unternehmenserfolg und die Unternehmenseffektivität, essentielle Funktionen und Zwecke. Im Folgenden sollen daher die wichtigsten Aufgabenbereiche der Leistungsbeurteilung kurz dargestellt werden (vgl. Marcus und Schuler 2006).

Zunächst hilft die Leistungsbeurteilung bei interpersonalen Entscheidungen. Die Leis-tungsbeurteilung hilft auf kollektiver Ebene bei der Entgeltfindung sowie bei Entschei-dungen über Beförderungen oder Kündigungen auf der Grundlage unzureichender bzw. herausragender Leistungen. Zweitens wirkt die Leistungsbeurteilung bei intrapersonalen Entscheidungen mit. Auf individueller Ebene dient die Leistungsbeurteilung als Grundla-ge und Voraussetzung für das Geben von Feedback an den Mitarbeiter. Sie dient somit zu dessen Beratung und Verhaltenssteuerung sowie zur Identifizierung individueller Stärken und Schwächen, welche als Basis zur Konzeption von Personalentwicklungsmaßnahmen genutzt werden. Drittens trägt die Leistungsbeurteilung zur Erhaltung des (Organisations-) Systems bei. Nur mit Wissen über den aktuellen Leistungsstand sowie die individuelle Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter kann eine Organisation eine effiziente und präzise Per-sonalplanung vornehmen als auch den Organisations- und Personalentwicklungsbedarfs planen, die Personalpolitik und Zielerreichungsgrade evaluieren und die Autoritätsstruk-tur erhalten. Schließlich ist die Leistungsbeurteilung eine der wesentlichen Grundlagen bzw. ein Instrument der Dokumentation. Die Ergebnisse der Leistungsbeurteilung dienen zum Beispiel sowohl als Kriterien für Validierungsstudien (Erfolg bestimmter Personal-auswahlverfahren) als auch zur Dokumentation und Legitimation personeller Entschei-dungen und deren Begründungen gemäß rechtlicher und tariflicher Anforderungen.

Weitere Funktionen, die der Leistungsbeurteilung zugeschrieben werden, sind, 1) dass sie dazu beiträgt, die Führungskompetenz und -qualität im Unternehmen zu verbessern, 2) dass sie – als Anreizsystem verstanden – die Motivation der Mitarbeiter zur Leistungs-erbringung erhöht und 3) dass sie ein hilfreiches Instrument bei der Validierung von Eig-nungstests darstellt (Krohne und Hock 2007).

Die Leistungsbeurteilung fungiert als übergeordneter Begriff von verschiedenen Be-schreibungsebenen der beruflichen Leistung. Eine Leistungsbeurteilung kann demnach auf verschiedenen Ebenen (in Abhängigkeit von den Zielen der Leistungsbeurteilung) – auf den Ebenen Potenzial, Verhalten und Ergebnisse – erfolgen.

Wird die berufliche Leistung auf der Ebene des Potenzials beschrieben, stehen die Eignung eines Mitarbeiters für spezifische Aufgaben sowie dessen Fähigkeiten und Quali-fikationen als Prädiktoren für sein zukünftiges Verhalten und seine zukünftige Leistung im Fokus. Auf der Ebene des Verhaltens wird die Leistung anhand des in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens während des Arbeitsprozesses evaluiert (z. B. Wie freundlich und kundenorientiert agiert ein Mitarbeiter im Verkaufsgespräch?). Eine Beurteilung der Leis-tung anhand der Ergebnisse, die aus der Arbeit eines Mitarbeiters hervorgegangen sind, basiert hingegen auf den konkreten Resultaten der Arbeitstätigkeit (z. B. Verkaufszahlen, Kundenzufriedenheit, produzierte Menge).

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258 23 Leistungsbeurteilung

Den unterschiedlichen Ebenen der Beurteilung können unterschiedliche Beurteilungs-verfahren zugeordnet werden. So spricht Schuler (1991) von den drei Ebenen Potenzial-beurteilung, Day-to-day-Feedback (zur Verhaltensbeurteilung) und der Regelbeurteilung (Ergebnisbeurteilung).

Bei der Potenzialbeurteilung stehen die Einschätzung der Fähigkeiten des Mitarbei-ters und die Prognose des Verhaltens und der Leistungen, die er in Zukunft erbringen wird, im Mittelpunkt. Eine solche Beurteilung des Potenzials und der Qualifikation eines Mitarbeiters wird häufig in Eignungsdiagnosen oder Assessment-Centern vorgenommen (z. B. zur Identifikation des Bewerbers, der am besten für eine neu zu besetzende Stelle geeignet ist).

Persönliche Gespräche zwischen Führungskraft und Mitarbeiter sowie eine gezielte in-dividuelle Unterstützung des Mitarbeiters durch den Vorgesetzten sind tagtäglich anwend-bare Instrumente ( Day-to-day-Feedback), um das Verhalten des Mitarbeiters zu steuern bzw. zu korrigieren und den Lernprozess beim Mitarbeiter anzustoßen und voranzutrei-ben. Bei dieser täglichen Interaktion kann der Vorgesetzte gleichzeitig das Verhalten des Mitarbeiters beobachten und bewerten.

Die Regelbeurteilung findet kontinuierlich in bestimmten zeitlichen Abständen statt und wird in Beurteilungsgesprächen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter sowie an-hand systematischer Beurteilungsverfahren umgesetzt. Sie dient in erster Linie der Leis-tungseinschätzung und Ergebnisbewertung (Hat ein Mitarbeiter in der vergangenen Pla-nungsperiode quantitativ und qualitatitv gute Leistung erbracht? Inwieweit konnte er seine Zielvorgaben erreichen?), aber auch der Formulierung und Vereinbarung neuer persönli-cher Ziele (Zielvereinbarungen). In einigen Unternehmen werden auch Aspekte der Kar-riereplanung mit in diese Form des Gesprächs eingebracht.

Um eine Beurteilung durchführen zu können, müssen im Vorfeld Kriterien festgelegt werden, anhand derer die Leistung eingeschätzt werden kann. Auf den verschiedenen Be-urteilungsebenen lassen sich subjektive und objektive Kriterien voneinander unterschei-den, die beispielhaft in Tab. 23.1 aufgeführt sind.

Objektive und subjektive Kriterien ergänzen sich wechselseitig und werden daher in der Praxis auch gemeinsam eingesetzt. Die subjektiven Kriterien werden durch subjektive Quellen erhoben. Diese Quellen der Beurteilung sind:

• Der direkte Vorgesetzte: Er ist die wichtigste Beurteilungsquelle in der Praxis und es entspricht den Konventionen in hierarchischen Organisationen, dass ein Mitarbeiter durch die ihm direkt übergeordnete Person beurteilt wird. Probleme können dabei 1) durch die mangelnde Gelegenheit zur direkten Verhaltensbeobachtung seitens der Füh-rungskraft, 2) durch eine mangelnde Vertrautheit der Führungskraft mit den Aufgaben des Mitarbeiters sowie 3) durch ein mikropolitisches Vorgehen des Vorgesetzten beim Beurteilungsprozess entstehen.

• Gleichgestellte: Eine Beurteilung der Leistung einer Person durch einen direkten Kol-legen/Gleichgestellten ist oft problematisch, da Rollenkonflikte häufig zu einer Ver-zerrung der Beurteilung führen.

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25923.3 Modelle

• Mitarbeiter (Aufwärtsbeurteilungen): Die Bereitschaft von Mitarbeitern, die Leistung ihres eigenen Vorgesetzten einzuschätzen und zu beurteilen, hängt in erster Linie von der Anonymität ihrer Person im Beurteilungsprozess ab.

• Der Beurteilte selbst: Während ein Vorteil bei Beurteilungen der eigenen Person ist, dass die Einschätzung viel differenzierter als bei Fremdbeurteilungen ausfällt, ist ein großer Nachteil, dass diese sehr anfällig für absichtliche Verzerrungen sind (z. B. weil man sich selbst in einem guten Licht darstellen möchte).

• Kunden: Die Beurteilung eines Mitarbeiters durch Kunden, die dessen Verhalten im Arbeitsprozess z. B. schon mehrmals beobachten konnten, scheitert i. d. R. an der man-gelnden Bereitschaft letzterer.

• Vorgesetzte höherer Hierarchieebenen: Diese subjektive Quelle wird insbesondere zur Kontrolle von Vorgesetztenbeurteilungen mit einbezogen. Oft haben Vorgesetzte höhe-rer Hierarchiestufen aber nur sehr selten die Gelegenheit, das Verhalten eines Mitarbei-ters direkt zu beobachten.

Grundsätzlich muss bei der Leistungsbeurteilung darauf geachtet werden, dass die Be-urteilungskriterien die Leistung auch tatsächlich messen, d. h. adäquat abbilden. Der De-finition der „richtigen“ Leistungskriterien kommt daher eine entscheidende Bedeutung zu.

Tab. 23.1 Subjektive und objektive Leistungskriterien der drei BeschreibungsebenenSubjektiv Objektiv Ebene

Verhalten Subjektive Verhaltens-be-obachtungen, z. B.Teamfähigkeit

Anzahl KundenkontakteAnzahl Termine mit KundenAnzahl gewünschter/unerwünschter Verhal-tensweisen (z. B. Pünkt-lichkeit, Ordentlichkeit)Arbeitszeit

Day-to-day-Feedback

VerhandlungsgeschickAuftreten/KommunikationGewissenhaftigkeit

Ergebnisse Kundenzufriedenheit Stückzahl RegelbeurteilungQualität UmsatzSelbstbild/Fremdbild Anzahl VerträgeZielerreichung Zielerreichungsgrad

in Bezug auf objektiv messbare Daten (z. B. Gewinn)Fehlzeiten

Potential Biographie Eignungsdiagnose (Assessment-Center etc.)Einstellungen Prozedurales Wissen

Motivation Deklaratives WissenPersönlichkeit (Intelligenz)Belastbarkeit Zeitmanagement

Organisationsfähigkeit

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260 23 Leistungsbeurteilung

Aufgrund des komplexen Charakters des Konstrukts der beruflichen Leistung ist die Definition von Beurteilungskriterien, welche die Berufsleistung eines Beschäftigten voll-ständig und umfassend abbilden, so gut wie unmöglich (John und Maier 2007). Die Güte bzw. die Eignung eines Kriteriums für die Beurteilung einer speziellen Berufsleistung lässt sich anhand dreier Kennzeichen des Zusammenhangs zwischen Leistung und Krite-rium beschreiben (Marcus und Schuler 2006). Erstens beschreibt die Kriteriumskontami-nation den Teil des Kriteriums, der etwas anderes als das zu messende Leistungskonstrukt erfasst. Werden z. B. die Umsatzzahlen einer Führungskraft zur Beurteilung ihrer beruf-lichen Leistung herangezogen, ist dieses Kriterium insoweit kontaminiert, als dass der aktuelle Umsatz auch durch andere Einflussfaktoren (z. B. Konjunktur, Konkurrenz), als nur durch die persönliche Leistung der Führungskraft, erklärt werden kann.

Zweitens meint Kriteriumsrelevanz die Überschneidung zwischen der erfassten Leis-tung (über ein definiertes Leistungskriterium) und der tatsächlichen Leistung. Bezogen auf das Beispiel bedeutet dies, dass der Umsatz einer Führungskraft in der Tat ein relevan-ter Indikator für ihre Leistung ist. Jedoch stellen Umsatzzahlen nicht die ganze Leistung einer Führungskraft dar. Diese muss zusätzlich Mitarbeiter zum Erfolg führen und ausbil-den, Kontakte (zur Gewinnung von wichtigen Informationen) aufbauen und pflegen usw. Diese Beispiele verdeutlichen, dass der Indikator „Umsatz“ defizient ist. Die Kriteriums-defizienz ist also der Anteil an der beruflichen Leistung, der von dem jeweiligen Leis-tungskriterium nicht berücksichtigt wird. Ein Kriterium ist umso besser zur Abbildung der tatsächlichen Leistung geeignet, je größer die Kriteriumsrelevanz, d. h. die Schnittmenge zwischen Kriterium und Berufsleistung, ist.

Bei jeder Leistungsbeurteilung spielt neben der Relevanz der Kriterien auch die be-urteilende Person selbst eine wichtige Rolle. Die Qualität und Genauigkeit der Beurteilung hängt bei den häufig eingesetzten subjektiven Kriterien maßgeblich von der Fähigkeit der Beurteiler ab, die Leistung adäquat einzuschätzen. Dies wird vor allem dann ersichtlich, wenn man sich die möglichen Verzerrungseffekte bei der Leistungsbeurteilung vor Augen führt. Grundsätzlich lassen sich die folgenden Beurteilerfehler identifizieren (Bortz und Döring 2002):

• Unter dem Halo-Effekt (halo error) wird die Tendenz verstanden, eine Person aufgrund eines bestehenden Gesamteindrucks hoch oder niedrig in allen Dimensionen zu be-urteilen: Der Hallo-Effekt verhindert damit, zwischen mehreren Beurteilungsdimen-sionen (z. B. soziale Kompetenz, Produktivität) zu differenzieren (Viswesvaran et al. 2005).

• Die Tendenz, alle zu beurteilenden Personen systematisch höher oder niedriger als eigentlich berechtigt einzustufen, wird als Milde-Härte-Fehler (leniency-severity er-ror) bezeichnet. Mitarbeiter, die vorher von ihren Kollegen positiv beurteilt wurden, werden diese eher milde beurteilen (Taggar und Brown 2006).

• Der Urteilsfehler der zentralen Tendenz (central tendency) bezeichnet die Tendenz, alle zu beurteilenden Personen im mittleren Bereich der Urteilsskala einzustufen, d. h. ext-reme Bewertungen zu vermeiden.

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26123.4 Umsetzung in der Praxis

• Die Beeinflussung der Bewertung einer zu beurteilenden Person durch die vorherige Beurteilung einer besonders leistungsstarken oder leistungsschwachen Person wird als Kontrast-Effekt (contrast effect) bezeichnet. Es ist inzwischen empirisch belegt, dass Urteiler weniger dem Kontrast unterliegen, wenn vorher deutlich gemacht wird, dass die Beurteilungsqualität mit (persönlichen) Konsequenzen verbunden ist (Palmer und Feldman 2005).

Die Bewertungs- und Beurteilungsfähigkeiten von Managern und Führungskräften, die ihre Mitarbeiter regelmäßig bezüglich ihrer Leistung in verschiedenen Bereichen ein-schätzen müssen, können durch spezielle Beurteilertrainings verbessert werden. In einer Studie zum Erfolg von Managertrainings zur Minimierung von Beurteilungsfehlern (Lat-ham et al. 1975) konnte insbesondere der positive Effekt von Intensiv-Workshops für zu-künftige Bewerter nachgewiesen werden. Bei diesen Workshops konnten die Teilnehmer durch das Beobachten und Bewerten von Videoaufnahmen sowie einem anschließenden Feedback zur Genauigkeit ihrer Bewertung die „richtige“ Beurteilung von Mitarbeitern üben. Reine Vorträge über die diversen Bewertungsfehler hatten dagegen keine Wirkung.

23.4 Umsetzung in der Praxis

In der Praxis lassen sich verschiedene methodische Verfahren unterscheiden, mit denen eine Beurteilung von Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterleistungen vorgenommen werden kann (vgl. z. B. Schuler und Sonntag 2007; Mentzel et al. 2008). Beim Einstufungsverfahren, das in der heutigen Beurteilungspraxis dominiert, werden Personen zuerst unabhängig voneinander anhand vorher festgelegter Kriterien auf metrischen Skalen eingeschätzt und erst danach miteinander verglichen (z. B. wird die Pünktlichkeit eines Beschäftigten durch die Beantwortung der Frage „Kommt der Mitarbeiter pünktlich zur Arbeit?“ auf einer Skala von „fast nie“ 1) bis „fast immer“ 5) beurteilt).

Zweitens werden beim Rangordnungsverfahren mehrere Mitarbeiter – ihrer relativen Stellung zu den anderen Beurteilten nach – in Bezug auf ihre Gesamtleistung oder ein-zelne Beurteilungskriterien von den Beurteilenden in eine Rangfolge gebracht. Der Be-urteiler wird also zu einem direkten Vergleich bzw. einer direkten Gegenüberstellung der zu Beurteilenden gezwungen (z. B. werden fünf Mitarbeiter einer Abteilung von ihrem Vorgesetzten in Bezug auf ihre Kontaktfähigkeit die Plätze 1 bis 5 einer Rangordnung zu-gewiesen). Drittens sollen bei Auswahl- und Kennzeichnungsverfahren die Beurteiler ent-weder angeben, ob vorgegebene Aussagen auf die beurteilte Person zutreffen oder nicht, oder sie müssen aus vorgegebenen Aussagen eine zutreffende auswählen (z. B. soll der Beurteilende entscheiden, ob die Aussage „Der Mitarbeiter geht unbefangen auf andere zu“ auf den zu Beurteilenden zutrifft). Die Wertigkeit der Aussagen wird dabei vorher festgelegt und ist den Beurteilenden nicht bekannt. Schließlich wird viertens bei dem, an der Zielerreichung orientierten Verfahren die Leistung eines Mitarbeiters anhand des Gra-des der Zielerreichung durch einen Soll-Ist-Vergleich bewertet (z. B. findet ein Abgleich

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262 23 Leistungsbeurteilung

der festgelegten Soll-Verkaufszahlen mit den am Ende der Beurteilungsperiode vorliegen-den IST-Verkaufszahlen statt). Grundgedanke bei diesem Beurteilungsverfahren ist die Steuerung der Mitarbeiter durch Ziele, die direktiv verordnet oder partizipativ vereinbart werden können (Management-by-Objectives).

Die Konstruktion und Einführung eines Beurteilungssystems in einer Organisation er-fordert ein hohes Maß an Planung. Folgende Schritte empfehlen sich bei der Implemen-tierung (vgl. Schuler 1991): Zunächst sollten in einem ersten Schritt in einer Bestandsauf-nahme die im Unternehmen bereits vorhandenen Beurteilungsverfahren und bestehenden Rahmenbedingungen analysiert werden. Danach sollten die Funktionen und Ziele, die das zu entwickelnde Beurteilungssystem haben soll, mit allen beteiligten Parteien gemeinsam und einvernehmlich formuliert und festgelegt werden ( Zielformulierung). Drittens wer-den in einer Kosten-/Nutzen-Kalkulation die Kosten, die die Implementierung des Beurtei-lungssystems verursacht (Investition), dessen voraussichtlichen Nutzen (siehe Funktionen der Leistungsbeurteilung) gegenübergestellt. In einem nächsten Schritt gilt es, die Ziel-gruppen des Beurteilungssystems (Wer sind die Beurteiler und wer die zu Beurteilenden?) zu bestimmen. Fünftens ist für den, bei der Leistungsbeurteilung durchzuführenden, Soll-Ist-Vergleich von Verhalten und Leistung eine Arbeitsanalyse Voraussetzung, bei der die wesentlichen Aufgaben und Tätigkeiten sowie wichtige Anforderungen der jeweiligen Positionen im Unternehmen definiert werden. Sechstens müssen relevante Beurteilungs-kriterien (z. B. Kundenorientierung), die für die Leistungsbeurteilung herangezogen wer-den sollen und die anhand der Arbeitsanalyse entwickelt werden können, bestimmt werden. Anschließend müssen, abhängig von den angestrebten Zielen des Beurteilungssystems, die einzusetzenden Methoden und Skalierungsverfahren ausgewählt werden. Achtens werden bei der Skalenkonstruktion (z. B. die für Auswahl- und Kennzeichnungsverfahren) Einzel-aussagen gesammelt und den Beurteilungskriterien zugeordnet. Eine statistische Kontrolle der inhaltlichen Konsistenz der Skalen findet außerdem statt. Vor der Nutzung des Beurtei-lungssystems sollte – anhand einer repräsentativen Gruppe – das Beurteilungssystem er-probt bzw. getestet werden ( Probeverwendung), bevor es auf gesamtorganisationaler Ebe-ne eingesetzt wird. In einem Beurteilertraining werden zudem die zukünftigen Beurteiler in der Anwendung der Methoden und Verfahren des Beurteilungssystems geschult.

Führungskräftebeurteilung durch das 360-Grad-FeedbackFührungskräfte, die typischerweise hohe und komplexe Herausforderungen zu bewältigen haben, sind auf Rückmeldungen zur eigenen Leistung und Verhalten angewiesen, um sich reflektieren und entwickeln zu können. Dazu wird in Unternehmen häufig die Methode des 360°-Feedback eingesetzt. Hierbei erhält die Führungskraft eine Rückmeldung von seinen unterstellten Mitarbeitern und von sich selbst (‚180°-Feedback‘), aber ggf. auch von Kol-legen, Kunden, Zulieferern, Geschäftspartnern und Personen aus Politik und Wirtschaft (‚360°-Feedback‘). Bei dem 360-Grad-Feedback handelt es sich daher um eine multiper-spektivische Kompetenzeinschätzung, bei der die Beurteilung einer Person, insbesondere einer Führungskraft, von verschiedenen relevanten Gruppen aus dem Arbeitsumfeld vor-genommen wird. Dabei werden der Selbsteinschätzung der Fokusperson (= Führungskraft)

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26323.4 Umsetzung in der Praxis

die (Leistungs-) Einschätzungen von Gruppen aus dem Arbeitsumfeld in Bezug auf tätig-keitsbezogene Kompetenzen gegenübergestellt.

Eine besondere Form des 360-Grad-Feedbacks stellt das TLI-360-Grad-Feedback für Führungskräfte dar. Dabei wird das Führungsverhalten eines Managers anhand des Trans-formational Leadership Inventory (TLI; (Heinitz und Rowold 2007)), ein Instrument zur Erfassung und Evaluation transformationaler und transaktionaler Verhaltensweisen (vgl. Kap. 17), eingeschätzt. Der TLI umfasst sieben Dimensionen von Führungsverhalten: Sechs beschreiben den transformationalen Führungsstil, der darauf abzielt, die Motive und Einstellungen von Mitarbeitern durch eine inspirierende und motivierende Zukunftsvision zugunsten des Wohles der gesamten Organisation umzuwandeln (= zu transformieren) und eine Dimension bildet die transaktionale Führung ab, bei der der wirtschaftliche Aus-tausch (= Transaktion) zwischen Führungskraft und Mitarbeiter im Rahmen einer Quid-pro-quo-Beziehung im Fokus steht. Mittels eines schriftlichen Fragebogens, in dem die Ausprägungen der TLI-Facetten durch die Beantwortung von insgesamt 26 Items gemes-sen werden, findet eine Befragung sowohl der Führungskraft selbst wie auch der ihr unter-stellten Mitarbeiter und ihres Vorgesetzten statt (2 Perspektiven = 180-Grad-Feedback). Nach Auswertung der Antwortdaten aller Beteiligten wird für die Führungskraft ein Füh-rungsstilbericht angefertigt, welcher Profile der Stärken und Schwächen im Hinblick auf ihr Führungsverhalten sowie Gegenüberstellungen ihrer Selbsteinschätzung mit den Ein-schätzungen von mehreren Mitarbeitern (dargestellt wird der Mittelwert) im Hinblick auf die Ausprägungsgerade der transaktionalen und insbesondere transformationalen Führung beinhaltet. Ein Beispiel für solch einen Bericht kann im Internet heruntergeladen werden. Ein zusätzlicher Vergleich wird durch die Integration von Benchmarks der Führungskräfte vergleichbarer Unternehmen sowie der eigenen Organisation ermöglicht. Abbildung 23.2

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Benchmark gesamt

Benchmark vergleichbarer Organisa�onen

Benchmark Ihrer Organisa�on

Selbsteinschätzung

Einschätzung durch Ihre Mitarbeiter

Abb. 23.2 Die verschiedenen Perspektiven des TLI-180-Grad-Feedbacks

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264 23 Leistungsbeurteilung

zeigt ein Beispiel für die Diagramme im Führungsstilbericht, die die Einschätzungen der verschiedenen Perspektiven abbilden.

Zur Wirksamkeit des 360°-Feedbacks konnte eine Meta-Analyse belegen, dass die be-rufliche Leistung durch die Bewertung im 360°-Feedback – insbesondere durch die Mit-arbeitereinschätzung, nicht jedoch durch die Selbsteinschätzung – vorhergesagt werden kann (Smither et al. 2005). Zudem erhöht sich die Wirksamkeit des 360°-Feedbacks (im Sinne einer positiven Verhaltensveränderung der Führungskräfte), wenn es mehrmals (typi-scherweise im Abstand von jeweils einem Jahr) durchgeführt wird (Seifert und Yukl 2010).

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265

Statistische Grundlagen

Mathias Diebig

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6_24

24

24.1 Einführung

Die Bewertung der Qualität empirischer Studien setzt ein gewisses Verständnis für grund-legende statistische Verfahren voraus. Zur Beurteilung, ob Ergebnisse einer Untersuchung eine hinreichend große Aussagekraft und Übertragbarkeit besitzen, ist eine genaue Aus-einandersetzung mit der in der Untersuchung verwendeten Methodik von zentraler Bedeu-tung. Ein kritisches Hinterfragen der Merkmale einer Untersuchung, wie Aufbau, Design, Auswertungsmethoden und der Art der Interpretation von Ergebnissen, steht zu jeder Zeit im Vordergrund des empirischen Handels. Statistische Verfahren bilden, neben dem As-pekt der Qualitätsbeurteilung anderer Studien, die Grundlage zur Durchführung eigener wissenschaftlicher Untersuchungen und besitzen in allen Phasen empirischer Forschung große Relevanz.

Ziel dieses Kapitels ist es, ein Verständnis für statistische Methoden zu schaffen, damit die in diesem Buch berichteten empirischen Studien nachvollzogen werden können. Wei-terhin soll dieser Beitrag in einer kurzen Einführung die zentralen statistischen Verfahren beschreiben, die notwendig sind, um andere Untersuchung kritisch zu hinterfragen und auch eigene Untersuchungen auswerten zu können. An dieser Stelle sei allerdings darauf hingewiesen, dass dieser Beitrag nur einen beschreibenden Überblick zu den angespro-chenen Themenfeldern geben kann, und dass zum tieferen Verständnis auf Lehrbücher zur statistischen Datenauswertung verwiesen wird (Bortz 2005; Bühner 2011; Field 2009).

Dieses Kapitel gliedert sich in vier Abschnitte: Nach einer kurzen Abgrenzung von Alltagsforschung zu wissenschaftlicher Forschung, folgt im zweiten Abschnitt eine Auflistung der zentralen Phasen der Durchführung empirischer Untersuchungen. Im Fol-genden wird die Phase Statistische Auswertung detailliert beschrieben, indem zuerst zent-

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266 24 Statistische Grundlagen

rale Punkte der Item- und Skalenanalyse vorgestellt und anschließend Aspekte des Hypo-thesentestens im Rahmen der Fragebogenanalyse behandelt werden.

Bevor die unterschiedlichen Phasen wissenschaftlicher Untersuchungen dargestellt werden, wird an dieser Stelle die Notwendigkeit nach strikten methodischen Vorgehens-weisen herausgearbeitet, um zu verdeutlichen, inwiefern wissenschaftliches Vorgehen alltagstheoretischen Mutmaßungen überlegen ist. Im Kontext der Forschung in Organisa-tionen wird versucht Verhalten von Personen zu beschreiben, zu erklären und vorherzusa-gen. Dabei zielen Untersuchungen häufig darauf ab Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge aufzuzeigen und deren Gesetzmäßigkeiten zu überprüfen. Das Problem bei sogenannten Alltagstheorien besteht in der Regel darin, dass alltägliche Vermutungen meistens durch kognitive Fehler verzerrt werden. Diese Fehler betreffen die Wahrnehmung, das Erinnern, das logische Denken oder den Umgang mit Wahrscheinlichkeiten. Beispielsweise neigt man eher dazu, den Einfluss von Persönlichkeitseigenschaften auf das Verhalten anderer systematisch zu überschätzen und den Einfluss äußerer, situativer Faktoren zu unterschät-zen (sogenannter fundamentaler Attributionsfehler). So erklärt man sich den verschosse-nen Elfmeter im Fußball eher mit der Unfähigkeit des Schützens, als mit den äußeren Fak-toren, die sehr wohl einen entscheidenden Einfluss auf den Schuss gehabt haben könnten, wie beispielsweise der nasse Rasen oder der kaputte Fußballschuh. Dieses Beispiel soll die Notwendigkeit klar definierter Methoden, welche einen objektiven Zugang zu wissen-schaftlichen Fragestellungen ermöglichen, verdeutlichen. Der Kerngedanke beim wissen-schaftlichen Vorgehen zeichnet sich durch das Anwenden von nachvollziehbaren metho-dischen Werkzeugen aus, um den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess zu objektivieren, d. h. von den subjektiven Gedanken des untersuchenden Wissenschaftlers abzugrenzen und dadurch Fehler oder kognitive Verzerrungen zu vermeiden. Statistik beschäftigt sich in diesem Kontext mit Fragen zur Erhebung, Beschreibung sowie Analyse und Interpreta-tion von empirisch gewonnenen Daten und dem Testen von Hypothesen.

24.2 Phasen empirischer Untersuchungen

Das Vorgehen bei empirischen Untersuchungen folgt einem immer gleichen Prozess, wel-cher sich in zumindest sechs Phasen gliedern lässt. Zunächst wird eine Forschungsfrage entwickelt und darauf aufbauend Hypothesen abgeleitet, welche wiederum messbar ge-macht werden (operationalisiert). Anschließend werden Daten erhoben, anhand derer man die aufgestellten Hypothesen überprüft. Die Daten werden weiterhin ausgewertet und die Ergebnisse anschließend interpretiert. Im Folgenden werden die sechs Phasen empirischer Untersuchungen in Anlehnung an Bortz (2005) sowie Eid, Gollwitzer und Schmitt (2010) ausführlicher dargestellt:

1. Entwicklung einer Forschungsfrage An erster Stelle im Prozess der empirischen Forschung steht die Entwicklung einer Fra-

gestellung. Dieser Punkt beinhaltet im Besonderen die systematische Sichtung bereits verfügbaren Wissens, d. h. die Überprüfung der Literatur, welche in einem Zusammen-

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26724.2 Phasen empirischer Untersuchungen

hang zum inhaltlichen Schwerpunkt des Forschungsinteresses steht. Eine Durchsicht von Literaturdatenbanken nach thematisch übereinstimmenden Forschungsbeiträgen, wie etwa Zeitschriftenartikeln oder Buchbeiträgen, zur Abgrenzung der inhaltlichen Fragestellung ist an dieser Stelle unumgänglich. Vertiefend ermöglicht die weitere Suche in den Literaturverzeichnissen von weit verbreiteten Forschungsbeiträgen eine Erweiterung der zu sichtenden Literatur. Analog hierzu bietet es sich an, in umgekehrter Richtung zu suchen, d. h. man sucht nach Artikeln, welche jene zentralen Forschungs-beiträge zitieren. Ziel dieser Phase ist eine Eingliederung der Fragestellung in einen wissenschaftlichen theoretischen Rahmen.

2. Hypothesenbildung In der darauffolgenden Phase finden eine genaue Benennung der Theorie sowie eine

exakte und präzise Ableitung der zu untersuchenden Hypothesen aus der Theorie statt. Die wichtigsten Merkmale einer guten Theorie sind Präzision, Informationsgehalt, logi-sche Konsistenz, empirische Überprüfbarkeit sowie Sparsamkeit. Diese Eigenschaften lassen sich ebenso auf die Anforderungen an Hypothesen übertragen. Aufbauend auf den Überlegungen einer Theorie können Vermutungen über Zusammenhänge oder Wirkweisen getroffen werden. Diese Vermutungen bezeichnet man als Hypothesen. Hypothesen werden geprüft, um die vor einer Untersuchung getätigten Vorhersagen mit Ergebnissen empirischer Studien zu verglichen. Die Ergebnisse lassen Schlüsse über die Beibehaltung oder Ablehnung einer Hypothese zu. Insofern überprüft man, ob und inwieweit sich die aufgestellten Hypothesen in der Realität bewähren. Eine Hypothese gilt dann als wissenschaftlich, wenn sie empirisch überprüfbar, allgemein-gültig, in Form eines Konditionalsatzes formuliert (wenn-dann- oder je-desto-Struktur) und falsifizierbar ist. Die Schwierigkeit liegt nun darin, die theoretisch hergeleiteten Annahmen so zu formulieren, dass diese konkret und empirisch zu untersuchen sind.

3. Operationalisierung In dieser Phase werden Aufbau und Ablauf einer Untersuchung festgelegt und die zen-

tralen Untersuchungsvariablen bestimmt. Weiterhin wird der zu untersuchende Perso-nenkreis festgelegt, welcher kontaktiert wird, um an der Untersuchung teilzunehmen. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden nicht alle Personen dieses Personenkreises teil-nehmen, sondern nur ein Teil. Man spricht in diesem Fall von einer Stichprobe. Weiter-hin legt man an dieser Stelle den genauen Ablauf der Untersuchung fest. Man definiert welche Merkmale anhand welcher Instrumente erhoben werden und präzisiert die zu untersuchenden Variablen. Der letzte Aspekt beschäftigt sich mit dem Begriff Opera-tionalisierung. Dieser bezeichnet die Messbarmachung von Aussagen einer Hypothese. Man spricht von einer Quantifizierung oder auch Umwandlung von Beobachtungen in messbare Größen. So lässt sich beispielsweise die Körpergröße eines Menschen sehr leicht operationalisieren. Hierzu braucht man lediglich die Größe mittels eines Maßban-des zu messen und kann für jede Person einen Wert in einer vorab definierten Einheit (Meter) bestimmen. Anders verhält es sich bei Merkmalen, welche nicht direkt beob-achtbar sind, beispielsweise das Konstrukt Arbeitszufriedenheit. Bei diesem Beispiel ordnet man diesem nicht-beobachtbarem Konstrukt beobachtbare Größen, auch Indi-

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268 24 Statistische Grundlagen

katoren genannt, zu. Aus diesen Indikatoren ergibt sich anschließend ein empirischer Messwert, welcher das nicht-beobachtbare Konstrukt widerspiegelt. Beispielsweise erfasst man die Arbeitszufriedenheit über Fragen zur Zufriedenheit von Arbeitnehmern über die Bezahlung, die Arbeitsbedingungen, die Kollegen oder Vorgesetze. Aus der Summe dieser Merkmale bildet man einen Wert für die Arbeitszufriedenheit eines Mit-arbeiters, man operationalisiert Arbeitszufriedenheit.

4. Datenerhebung Nach Festlegung der Fragestellung, der Hypothesen und des Designs der Untersuchung,

folgt die Phase der Datenerhebung. Hierfür stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Gewinnung von Beobachtungen zur Verfügung. Im organisationalen Kontext greift man am Häufigsten auf Fragebögen zurück. Diese sind ökonomisch in Durchführung, zeitlichem Aufwand und Kosten. Mittels Fragebögen kann man, beispielsweise compu-tergestützt in kurzer Zeit und mit relativ wenig Aufwand große Stichproben erreichen. Es gibt jedoch zahlreiche andere Möglichkeiten Beobachtungen methodisch zu sam-meln. Andere Möglichkeiten sind mündliche Befragungen, beispielweise in Form von Interviews, Beschäftigung mit Arbeitsmaterial, die Auswertung von Dokumenten oder verschiedenste Testverfahren. Neben den Erhebungsmethoden kommen unterschiedli-chen Personengruppen als Quelle für Daten in Frage. Man befragt Stelleninhaber, Vor-gesetze, Experten, Mitarbeiter, Kunden oder zieht (arbeitsbezogene) Dokumente heran. Je nachdem, ob man alle in Rede stehenden Variablen zu einem Zeitpunkt erfasst, spricht man von einem Querschnittsdesign, wohingegen bei mehreren Untersuchungs-zeitpunkten in zeitlicher Abfolge vom Längsschnittdesign die Rede ist.

5. Statistische Auswertung Nachdem die Erhebungsphase abgeschlossen ist und alle angefallenen Daten doku-

mentiert und zusammengefügt wurden, beginnt die Phase der Datenauswertung. In dieser Phase werden unterschiedliche Schritte durchgeführt. Im ersten Schritt werden die Daten auf Vollständigkeit geprüft. Dies umfasst die Suche nach fehlenden Werten, Ausreißern oder Extremwerten. Anschließend werden die Daten in Vorbereitung auf die Analysen aufbereitet. Dies umfasst das Umkodieren von Variablen, die Berech-nung von Skalenwerten oder das Zusammenfassen von Variablen. In einem nächsten Schritt werden die Daten auf deskriptiver Ebene beschrieben, d. h. man berechnet für die demographischen Variablen, welche Informationen über die Zusammensetzung der Stichprobe liefern, Mittelwerte, Standardabweichungen, Minimal- und Maximalwerte sowie prozentuale Häufigkeiten. Auf Ebene der Untersuchungsvariablen führt man ebenso deskriptive Analysen durch, welche im folgenden Abschnitt näher erläutert wer-den. Nach der Aufbereitung und Beschreibung der Daten folgt das Hypothesentesten. Hier werden inferenzstatistische Verfahren angewendet, um die aufgestellten Hypothe-sen zu überprüfen.

6. Interpretation der Ergebnisse In der letzten Phase empirischer Untersuchungen werden die wesentlichen Ergebnisse

der Auswertung zusammengefasst und hinsichtlich der Fragestellung bewertet. Dieser

Page 274: Human resource management by jens rowold

26924.3 Statistische Auswertung

Punkt schließt eine Entscheidung über das Beibehalten oder Ablehnen der Hypothe-sen ein. Neben diesen Überlegungen werden die Ergebnisse in den Forschungskontext integriert, interpretiert und mit anderen, auf die eigene Fragestellung übertragbaren Ergebnissen, verglichen. Hier werden auch mögliche Störeinflüsse und Grenzen der eigenen Untersuchung benannt. Abschließend werden Implikationen für weitere For-schung sowie ein Bezug zur Praxis aufgeführt.

Nach dieser kurzen Darstellung des Forschungsprozesses folgt im nächsten Abschnitt ein vertiefender Einblick auf die Phase der statistischen Auswertung. Es sollen Methoden vorgestellt werden, sodass deren Grundprinzipien nachvollziehbar sind und die eigene Durchführung mittels Statistikprogrammen ermöglicht wird. Für ein tieferes Verständnis empfiehlt sich ein Blick in die im Literaturverzeichnis genannten Statistiklehrbücher, da Aspekte wie statistische Voraussetzung, Berechnungsformeln und Herleitungen der unter-schiedlichen Methoden in diesem Beitrags nicht aufgeführt werden.

24.3 Statistische Auswertung

Der folgende Abschnitt gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil erfolgt eine Einführung in die zentralen Begrifflichkeiten und Aspekte, welche bei einer deskriptiven Auswertung einer Fragebogenumfrage von Bedeutung sind. In diesem Abschnitt steht die Vorstellung derjenigen statistischen Kennwerte im Vordergrund, die zur Bewertung eines Fragebogens betrachtet werden sollten. Im zweiten Abschnitt werden erste inferenzstatistische Metho-den vorgestellt, die bei einer Fragebogenanalyse eine Auswertung in Richtung der zuvor aufgestellten Hypothesen ermöglichen.

24.3.1 Item- und Skalenanalyse

Bei der Durchführung von empirischen Untersuchungen bezeichnet man die Informations-quellen als statistische Einheiten oder auch Merkmalsträger. In wirtschafts- und sozial-wissenschaftlichen Untersuchungen sind Merkmalsträger in der Regel Personen. Der Zu-sammenschluss aller Merkmalsträger, von denen Informationen gesammelt werden, ergibt eine Stichprobe. Die Information, die man bei einer statistischen Einheit erhebt, bezeichnet man als Beobachtung, die Gesamtheit aller Beobachtungen bei der Informationssammlung als Daten. Normalerweise werden die anfallenden Daten in Statistikprogrammen in einer Personen-Merkmals-Matrix angeordnet, d. h. eine Zeile enthält alle erhobenen Informatio-nen einer Person (vgl. Tab. 24.1). Die Spalten dieser Matrix stellen Variablen dar.

Per Definition sind Variablen Merkmale, welche über statistische Einheiten variieren können. Die Werte, die eine Variable annehmen kann, heißen Ausprägungen. Man unter-scheidet qualitative und quantitative Variablen, je nachdem, ob die Ausprägungen einer Variable die Stärke des Merkmals beschreiben oder nicht. Dabei beschreiben quantitative

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270 24 Statistische Grundlagen

Variablen das Ausmaß eines Merkmals, wie etwa im obigen Beispiel die Variable Alter. Qualitative Variablen können hingegen unendlich viele nicht geordnete Kategorien ent-halten, wie zum Beispiel die Variablen Geschlecht oder Familienstand, und beschreiben nicht die Stärke eines Merkmals. Synonym verwendet man häufig den Begriff kategoria-le Variablen für qualitative Variablen. Weiterhin unterscheidet man Variablen nach der möglichen Anzahl an Merkmalsausprägungen. Ist diese Menge endlich, spricht man von diskreten Variablen. Kann diese Menge alle möglichen Werte eines Intervalls annehmen, spricht man von stetigen Variablen. In Zusammenhang mit der obigen Personen-Merk-mals-Matrix sind die Variablen Geschlecht und Familienstand beide qualitativ und diskret, die Variable Alter quantitativ und stetig.

In der Regel ordnet man bestimmten Merkmalen Zahlen zu. Diese Zuordnung nennt man Skala. Es lassen sich insgesamt vier unterschiedliche Skalen unterscheiden: Nomi-nal-, Ordinal-, Intervall- und Verhältnisskala. Der Nominalskala werden verschiedene Ausprägungen ohne Wertigkeit zugeordnet, z. B. die Variable Geschlecht oder Familien-stand. Hier ordnet man beispielsweise bei der Variable Geschlecht der Ausprägung männ-lich eine 1 zu und der Ausprägung weiblich eine 2. Diese Zuordnung geschieht zufällig und könnte auch genau andersherum vorgenommen werden. Bei nominalskalierten Va-riablen lassen sich keine sinnvollen Ordnungen herstellen, d. h. die zugeordneten Zahlen drücken keine Wertigkeit aus. Bei ordinalskalierten Variablen spiegeln Ausprägungen hin-gegen eine Wertigkeit wider, anhand derer die Merkmalsträger in eine Rangreihe gebracht werden können. Beispielsweise lassen sich die Ausprägungen der Variable Arbeitszufrie-denheit zwischen den Bereichen „überhaupt nicht zufrieden“ und „sehr zufrieden“ mittels der Zuweisung von Zahlen ordnen. Zu beachten ist jedoch, dass die Abstände zwischen den einzelnen Ausprägungen nicht interpretierbar sind. Die in der wirtschafts- und so-zialwissenschaftlichen Forschung am häufigsten auftretende Skala ist die Intervallskala. Diese liefert Informationen über Unterschiede zwischen Merkmalsträgern, z. B. Intelli-genz oder Temperatur in Grad Celsius. Bei intervallskalierte Variablen lässt sich die Dif-ferenz zwischen zwei Messwerten interpretieren. So kann man sagen, dass die Differenz zwischen einer Person mit einem IQ-Wert von 100 und einer Person mit einem IQ-Wert von 110 genauso groß ist wie die Differenz zwischen zwei Personen mit den IQ-Werten 80 und 90. Allerdings besitzen intervallskalierte Variablen keinen natürlichen Nullpunkt. Auf der Verhältnisskala hingegen können Ausprägungen zueinander in Verhältnis gesetzt werden, da ein Nullpunkt existiert, z. B. bei den Variablen Alter oder Einkommen. So-mit lassen sich bei Variablen mit Verhältnisniveau direkte Vergleiche von Messwerten abbilden. Häufig verfließen die Grenzen zwischen Intervall- und Verhältnisskalen und man verzichtet auf eine eindeutige Trennung. Allgemein spiegelt das Skalenniveau einer

Merkmalsträger Geschlecht Familienstand AlterPerson A Männlich Ledig 32Person B Weiblich Verheiratet 29Person C Weiblich Geschieden 37

Tab. 24.1 Personen-Merkmals-Matrix

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27124.3 Statistische Auswertung

Variablen den Informationsgehalt der Messung wider. Dieser steigt von Nominal- zu Ver-hältnisskalenniveau an.

Nachdem man die Daten erhoben, die gewonnen Informationen in die Form einer Per-sonen-Merkmals-Matrix übertragen sowie die Daten auf Vollständigkeit hin überprüft und eventuell neue Skalenwerte berechnet hat, empfiehlt sich zunächst eine Betrachtung der Variablen auf Ebene der Häufigkeiten. Die Häufigkeitsverteilung einer Variablen liefert einen Überblick über die Häufigkeit der Ausprägung in einer Stichprobe. Dabei unter-scheidet man zwischen absoluter und relativer Häufigkeit. Die absolute Häufigkeit einer Ausprägung spiegelt die Anzahl der Merkmalsträger wider, bei denen die Ausprägung vorkommt. Die relative Häufigkeit einer Merkmalsausprägung hingegen gibt den Anteil der Merkmalsträger an, bei denen die Ausprägung vorkommt. Die relative Häufigkeit kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen, welche häufig in Prozent ausgedrückt werden.

Zur Veranschaulichung der Ergebnisse der Häufigkeitsanalyse eignet sich neben der einfachen tabellarischen Darstellung der Häufigkeiten eine Aufbereitung in Form von Grafiken. Bei diskreten Variablen mit wenigen Ausprägungen empfehlen sich Kreis- oder Balkendiagramme. Ein Kreisdiagramm stellt die Häufigkeit der Ausprägungen durch die Fläche im Kreis dar. Das Kreisdiagramm eignet sich zur Abschätzung der Anteile einzel-ner Merkmalsausprägungen in Relation zu allen gegebenen Antworten. Beim Balkendia-gramm zeigt die Höhe der Balken deren Häufigkeit an. Die Balken berühren sich unter-einander nicht. Das Balkendiagramm ermöglicht einen Vergleich der Häufigkeiten zwi-schen den unterschiedlichen Ausprägungen eines Merkmals. Bei qualitativen Variablen mit vielen Ausprägungen ist ein Histogramm zur grafischen Darstellung am geeignetsten. Hierbei fasst man die Werte der Ausprägungen zu Klassen zusammen, welche als Säule im Histogramm dargestellt werden und die Häufigkeit der Klassen repräsentieren. Bei einem Histogramm lassen sich Rückschlüsse auf die Form der Verteilung ziehen. Man kann ablesen, ob es sich um eine symmetrische Verteilung der Variablen handelt oder ob die Verteilung schief ist. Bei der Schiefe einer Verteilung unterscheidet man zwischen rechts- oder linksschiefen Verteilungen. Bei linksschiefen Verteilungen liegen die meis-ten Werte im unteren Merkmalsbereich. Eine besondere Bedeutung wird der Normalver-teilung beigemessen (vgl. Abb. 24.1). Man kann beobachten, dass die größten Häufig-keiten in der Mitte der Merkmalsausprägung liegen, wohingegen die Häufigkeiten zum Rand hin abnehmen. Die Normalverteilung ist symmetrisch und besitzt nur ein Maximum (Unimodalität). Man nimmt an, dass die meisten psychologischen Konstrukte einer Nor-malverteilung folgen. Die Normalverteilung ist eine notwendige Voraussetzung für viele statistische Verfahren.

Zur Beschreibung von Verteilungen nutzt man neben der grafischen Veranschauli-chung auch statistische Kennwerte. Von zentraler Bedeutung sind die Maße der zentralen Tendenz. Dabei handelt es sich um den Modalwert, den Median und den Mittelwert. Der Modalwert ist der am Häufigsten auftretende Wert bei einer Variablen. Es kann vorkom-men, dass es mehrere Werte sind, die gleichhäufig vorkommen, in diesem Fall spricht man von Bimodalität. Der Modalwert ist robust gegenüber Ausreißern und entspricht immer einem tatsächlich beobachteten Wert. Er berechnet sich durch den Vergleich der absolu-

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272 24 Statistische Grundlagen

ten Häufigkeiten einer Variablen, wobei der Modalwert derjenige Wert mit der größten absoluten Häufigkeit ist. Der Median hingegen teilt die Beobachtungen in zwei Hälften, d. h. mindestens 50 % der Beobachtungen sind kleiner oder gleich dem Median und min-destens 50 % größer oder gleich diesem Wert. Der Median berechnet sich, indem man alle beobachteten Werte zunächst der Größe nach ordnet. Bei einer ungeraden Anzahl an Messwerten zählt man nun die unteren 50 % der Werte ab, d. h. der Median ist der Werte an der Position n/2. Hat man fünf Beobachtungen mit den Ausprägungen 1, 1, 4, 5, 8, dann ist der Median entsprechend der Wert an Position drei ( n = 5; 5/2 = 2,5; aufgerundet 3) also der Wert 4. Bei gerader Anzahl an Beobachtungen ist der Median der Mittelwert der beiden Beobachtungen die an Position n/2 und ( n/2) + 1 liegen. Nimmt man beim vorangegangenen Beispiel den Wert 9 hinzu und betrachtet die Rangfolge 1, 1, 4, 5, 8, 9, so ist der Median der Mittelwert aus den beiden Werten von Position drei und vier, also Median = (4 + 5)/2 = 4,5. Der Median ist robust gegenüber Ausreißern und muss nicht zwingend einem beobachteten Wert entsprechen. Der Median ist gleichzeitig ein Spezial-fall der sogenannten Quantile. Quantile teilen die beobachteten Daten allgemein in zwei Hälften, wobei diese im Gegensatz zum Median nicht unbedingt gleich groß sein müssen. Informationen über die Verteilung einer Variablen gibt der sogenannte Interquartilabstand, welcher sich als Differenz aus dem 0,75- und dem 0,25-Quantil berechnet. Analog spricht man von der Spannweite einer Verteilung, wenn man die Differenz aus dem Maximum und dem Minimum der beobachteten Werte bildet. Dabei ist das Maximum der größte vorkom-mende Wert und das Minimum der kleinste. Das dritte Maß der zentralen Tendenz ist der Mittelwert, auch arithmetisches Mittel oder Durchschnittswert genannt. Dieser Berechnet sich aus der Summe aller Beobachtungen geteilt durch deren Anzahl. Der Mittelwert ist das am häufigsten verwendete Maß der zentralen Tendenz und im Gegensatz zu den bei-den anderen Maßen empfindlich gegenüber Ausreißern. Eine Berechnung der Maße der zentralen Tendenz ist nur bei quantitativen Variablen, die mindestens ordinalverteilt sind, zulässig. Stellt man die drei Maße der zentralen Tendenz in Beziehung, kann man ablesen,

Abb. 24.1 Grafische Darstellung der Normalverteilung und eines Histogramms

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27324.3 Statistische Auswertung

ob eine Verteilung symmetrisch oder schief ist. Dazu bedient man sich der sogenannten Lageregeln. Bei einer symmetrischen Verteilung ergeben sich für die drei Maße annähernd gleich große Werte. Wohingegen bei einer rechtsschiefen Verteilung Modus und Median größer sind als der Mittelwert und bei einer linksschiefen Verteilung Modus und Median kleiner sind als der Mittelwert.

Weitere wichtige Verteilungskennwerte sind Varianz und Standardabweichung, wel-che zur Beschreibung der Streuung bzw. Variabilität von Daten dienen. Die Berechnung beider Streuungsmaße ist nur für quantitative Variablen sinnvoll. Die Varianz der Beob-achtungen gibt die mittlere quadratische Abweichung der Beobachtungen von ihrem Mit-telwert an. Sie berechnet sich als Summe aus den quadrierten Differenzen zwischen den einzelnen Beobachtungen und dem Mittelwert geteilt durch die Anzahl der Werte. Die Standardabweichung berechnet sich als die positive Wurzel aus der Varianz. Allgemein erfasst die Standardabweichung die Streuung der Werte um deren Mittelwert. Besteht kei-ne Streuung, ist also die Standardabweichung gleich Null, sind alle beobachteten Werte gleich. Je mehr die beobachteten Werte um den Mittelwert streuen, desto größer ist auch die Standardabweichung. Die Standardabweichung ist zur Beschreibung der Verteilung besser geeignet als die Varianz.

Nachdem die zentralen Kennwerte zur Beschreibung einer Verteilung vorgestellt wur-den, werden an dieser Stelle nochmals die Besonderheiten der Normalverteilung aufge-führt. Betrachtet man beispielsweise die IQ-Skala, welche einen Mittelwert von 100 und eine Standardabweichung von 15 aufweist, so kann man ableiten, dass die durchschnitt-liche Ausprägung des IQ in der Population den Wert 100 Punkte besitzt und die Werte durchschnittlich symmetrisch im Bereich von 15 Punkten um diesen Mittelwert streuen. Unter Bezug auf die sogenannte 68-95-99-Regel kann man nun angeben, mit welcher Wahrscheinlichkeit Beobachtungen innerhalb bestimmter Grenzen zu lokalisieren sind. Es zeigt sich, dass 68 % der möglichen Werte zwischen dem Mittelwert + oder – eine Standardabweichung liegen. 95 % der möglichen Werte liegen zwischen dem Mittelwert + oder – zwei Standardabweichungen und 99 % der möglichen Werte zwischen dem Mittel-wert + oder – drei Standardabweichungen. Die 68-95-99-Regel erlaubt Schlüsse über die Wahrscheinlichkeit des Auftretens bestimmter Werte.

In Bezug auf die Fragebogenanalyse gibt es nun weitere Kennwerte, die für die Be-urteilung auf Ebene der Items wichtig sind: die Itemschwierigkeit und die Trennschärfe. Die Itemschwierigkeit bezeichnet die relative Häufigkeit mit der Studienteilnehmer auf das betreffende Item antworten. Bei Leistungstests spiegelt die Schwierigkeit die Wahr-scheinlichkeit wider, die richtige Lösung zu geben. Bei Persönlichkeitstests oder ähnli-chen Fragebögen bei denen eine Klassifikation der Antworten in die Kategorien richtig oder falsch nicht möglich ist, zeigt die Schwierigkeit die relative Häufigkeit an, eine hö-here Merkmalsausprägung zu erreichen. Die Schwierigkeit berechnet sich als Quotient aus der Anzahl der Personen, die das Item im Sinne der Merkmalsausprägung beantwortet haben, und der Anzahl aller Personen multipliziert mit 100. Zu beachten ist, dass hohe Werte für die Itemschwierigkeit für eine niedrige Schwierigkeit und niedrige Werte für eine hohe Schwierigkeit der Aufgabe stehen. Für Persönlichkeitsfragebögen werden in

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274 24 Statistische Grundlagen

der Regel mittlere Schwierigkeiten der Items erwartet, d. h. Werte zwischen 0,20 und 0,80. Werte Außerhalb dieses Bereiches eignen sich für eine Differenzierung zwischen Personen mit extremen Merkmalsausprägungen. Allerdings führen diese Koeffizienten zu einer Verschlechterung der Homogenität und der Trennschärfe des Tests. Die Trennschärfe bezeichnet die Korrelation (allgemein Zusammenhang) eines Items mit dem Summenwert der Skala zu dem das Item zugeordnet wird. Dies kann ein ganzer Test oder auch eine bestimmte Auswahl an Items eines Tests sein, die eine Skala bilden. Beispielsweise wird das Commitment eines Arbeitnehmers in der theoretischen Einteilung nach Meyer et al. (2002) in die drei Dimensionen affektives, normatives und abwägendes Commitment ein-geteilt. Die Trennschärfe kann – analog zur Korrelation – Werte zwischen − 1 und 1 anneh-men. Je höher die Trennschärfe eines Items, desto größer der Zusammenhang zwischen Item und der zugehörigen Skala. In der Regel bezeichnet man Werte der Trennschärfe, in Anlehnung an die Konventionen für die Korrelation nach Cohen (1988), welche kleiner als 0,30 sind als niedrig. Trennschärfen zwischen 0,30 und 0,50 werden als mittel einge-stuft und Werte größer 0,50 als hoch. Betrachtet man den Zusammenhang zwischen der Trennschärfe und der Itemschwierigkeit, so gehen mittlere Werte für die Itemschwierig-keit mit hohen Trennschärfen einher, während extreme Werte für die Schwierigkeit mit mäßigen Werten für die Trennschärfe einhergehen. Weitere Informationen zu den bisher vorgestellten Kennwerten der Itemanalyse finden sich bei Amelang und Schmidt-Atzert (2006).

Neben den bisher vorgestellten Kennwerten gibt es zur Beurteilung von Messverfahren drei zentrale Kriterien, die sogenannten Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validi-tät. Die Objektivität steht für das Ausmaß, in dem die Ergebnisse eines Tests unabhängig von der Person des Untersuchungsleiters sind. Die Objektivität bezieht sich dabei auf die drei Phasen Durchführung, Auswertung und Interpretation der Ergebnisse. Die Reliabilität oder auch Zuverlässigkeit beschreibt die Genauigkeit mit der ein Test eine Merkmalsdi-mension erfasst. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten die Reliabilität eines Verfahrens zu bestimmen. An dieser Stelle wird jedoch nur die Methode der Konsistenzanalyse näher erläutert. Die interne Konsistenz eines Tests oder einer Skala stützt sich auf die Korrelation der Items untereinander. So kann es sein, dass der Gesamtfragebogen zum Commitment eine eher durchschnittliche interne Konsistenz aufweist, während die einzelnen Skalen für sich genommen sehr gute Werte für die interne Konsistenz besitzen. Dies ist in der Regel zu erwarten, da intendiert ist, dass Items einer Skala auch das gleiche Merkmal erfassen, wohingegen der gesamte Test unterschiedliche Dimensionen eines Konstrukts erfassen soll, welche sich untereinander stark unterscheiden können. Das am häufigsten verwen-dete Verfahren zur Schätzung der internen Konsistenz im Sinne der Reliabilität ist die Berechnung von Cronbachs Alpha. Cronbachs Alpha kann theoretisch Werte zwischen − 1 und 1 annehmen, wobei negative Werte äußerst selten vorkommen und mit 0 gleichgesetzt werden. Inhaltlich interpretiert man diese Werte als völlig unreliabel. Bei den allgemeinen Konventionen für die Interpretation von Cronbachs Alpha stehen Werte unter 0,80 für eine niedrige Reliabilität. Werte zwischen 0,80 und 0,90 für eine mittlere Reliabilität und Werte größer 0,90 für eine gute Reliabilität. Häufige Erklärungen für niedrige Reliabili-

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27524.3 Statistische Auswertung

täten sind eine geringe Anzahl an Items, kleine Stichproben oder geringe Trennschärfen. Das dritte Gütekriterium, die Validität, gibt an, ob ein Test wirklich das misst, was er zu messen beabsichtigt. Man unterteilt das Kriterium der Validität in drei Validitätsarten: Inhalts-, Kriteriums- und Konstruktvalidität. Inhaltsvalidität bezeichnet die Genauigkeit, mit der ein Konstrukt durch einen Test abgebildet wird. Die Inhaltsvalidität wird meis-tens nicht numerisch bestimmt, sondern anhand logischer Überlegungen beispielsweise durch Expertenbeurteilungen abgeleitet. Die Konstruktvalidität hingegen beschreibt den Zusammenhang zwischen dem Ergebnis in einem Test und einem anderen Kriterium von dem angenommen wird, dass es das zu messende Konstrukt optimal abbildet. Die Krite-riumsvalidität wird anhand der Korrelation geschätzt. Beispielsweise validiert man einen Fragebogen zum Führungserfolg mit dem Kriterium der Erfolgsbeurteilung durch einen Experten oder Vorgesetzten. Man unterteilt die Kriteriumsvalidität in Abhängigkeit des Zeitpunkts an dem die Übereinstimmung zwischen Test und Kriterium gemessen wird. So spricht man von Vorhersage- und Übereinstimmungsvalidität. Die dritte Art der Validität, die Konstruktvalidität, wird als Zusammenfassung aller Validitätsarten beschrieben. Häu-fig unterscheidet man bei der Bestimmung der Konstruktvalidität zwischen konvergenter und diskriminanter Validität. Zur Bestimmung der Konvergenz werden Zusammenhänge mit Tests ermittelt, die auf gleiche Merkmalsbereiche ausgerichtet sind. Zur Beurteilung der Diskriminanz werden Zusammenhänge mit Test unterschiedlicher Inhaltsbereiche be-stimmt, wobei möglichst niedrige Zusammenhänge erwartet werden. Somit versucht man auf der einen Seite eine Abgrenzung zu unterschiedlichen Verfahren und gleichzeitig einen Zusammenhang mit ähnlichen Verfahren nachzuweisen. Der Multitrait-Multimethod-An-satz nach Campbell und Fiske (1959) gilt als die Methode der Wahl zur Bestimmung der Konstruktvalidität. Eine detailliertere Darstellung der unterschiedlichen Validitätsarten findet sich bei Bühner (2011) sowie bei Amelang und Schmidt-Atzert (2006).

Tabelle 24.2 fasst die möglichen Schritte zur beschreibenden Analyse eines Fragebo-gens zusammen.

Weitere Informationen zur Berechnungen der hier vorgestellten statistischen Kennwer-te mittels SPSS findet man bei Bühner (2011) und bei Field (2009).

24.3.2 Hypothesentesten

Im vorigen Abschnitt wurden vorrangig statistische Kennwerte eingeführt, welche pri-mär zur deskriptiven Beschreibung einer einzelnen Variablen herangezogen werden. Im Folgenden werden nun Verfahren erläutert, welche zur gleichzeitigen Beschreibung von mehreren Variablen eingesetzt werden, sowie Verfahren, welche auf inferenzstatistischer Ebene eine Überprüfung von Hypothesen ermöglichen.

Zunächst soll an dieser Stelle der Grundgedanke des statistischen Hypothesentestens kurz dargestellt werden. Im Mittelpunkt des Hypothesentestens steht der Vergleich zwi-schen dem, was bei Gültigkeit einer Hypothese erwartet wird, und dem, was tatsächlich beobachtet wird. Stimmen die Beobachtungen mit den Erwartungen überein, so wird die

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276 24 Statistische Grundlagen

aufgestellte Hypothese beibehalten. Gibt es keine Übereinstimmung, so wird die Hypo-these verworfen. Entscheidend ist nun, ab wann die Beobachtungen stark genug von den Erwartungen abweichen, dass man eine Hypothese verwerfen kann. Hierfür unterscheidet man zwei Arten von Hypothesen: die Nullhypothese und die Alternativhypothese. Die Alternativhypothese beinhaltet eine auf theoretischen Überlegungen basierende meist innovative Annahme. Beispielsweise könnte man ableiten, dass das Führungsverhalten eines Vorgesetzen die Arbeitszufriedenheit seines Mitarbeiters beeinflusst. Man testet diese Annahme gegen die Nullhypothese, dass kein Zusammenhang zwischen Führungs-verhalten und Arbeitszufriedenheit besteht. Um diese Annahme zu überprüfen wird eine (Test-)Statistik berechnet. Errechnet sich nun aus den Beobachtungen einer Datenerhe-bung ein Wert für die Teststatistik, der bei Gültigkeit der Nullhypothese sehr unwahr-scheinlich ist, so wird die Nullhypothese abgelehnt und die Alternativhypothese ange-nommen. Die Wahrscheinlichkeit, ab der man die Nullhypothese ablehnt, bezeichnet man als Signifikanzniveau, welches meist auf 0,05 festgelegt wird. Der Wert der Teststatistik ab dem man die Nullhypothese verwirft, wird als kritischer Wert bezeichnet. Mittels sta-tistischer Tests prüft man, ob ein in einer Stichprobe gefundenes Ergebnis unter Gültig-keit der Nullhypothese hinreichend wahrscheinlich ist oder nicht. Bei der Durchführung statistischer Testverfahren mit Computerprogrammen wird häufig ein p-Wert angegeben. Dieser Wert bezeichnet die Wahrscheinlichkeit für den aus den Daten berechneten Wert der Teststatistik unter Gültigkeit der Nullhypothese. Je geringer dieser p-Wert ausfällt, desto wahrscheinlicher ist die Ablehnung der Nullhypothese. Unterschreitet der p-Wert das Signifikanzniveau, verwirft man die Nullhypothese. Allgemein können beim Hypo-thesen folgende zwei Fälle eintreten: 1) Die Nullhypothese wird abgelehnt, obwohl sie tatsächlich wahr ist. 2) Die Nullhypothese wird beibehalten, obwohl sie eigentlich falsch ist. Tabelle 24.3 veranschaulicht die Fehler, welche beim Hypothesentesten auftreten kön-

Tab. 24.2 Typischer Ablauf einer deskriptiven FragebogenanalyseSchritt Analyse Grundgedanke der Analyse1 Berechnung der absoluten und relativen

Häufigkeiten der einzelnen VariablenEntdecken fehlender Werte und Gewinnung von Informationen über demographische Variablen

2 Grafische Darstellung der Variablen (in Abhängigkeit des Skalenniveaus)

Veranschaulichung der Häufigkeiten und erste Informationssammlung bezüglich der Verteilung der Variablen

3 Berechnung der Maße der zentra-len Tendenz sowie Berechnung von Streuungsmaßen

Überprüfung, ob sich einige Kennwerte im Extrembereich befinden und ggf. Über-prüfung der sprachlichen Formulierung der Items4 Berechnung von Trennschärfe und

Itemschwierigkeit5 Berechnung der Reliabilität Überprüfung der Messgenauigkeit des ein-

gesetzten Fragebogens/Skala6 Berechnung der Validität Überprüfung der inhaltlichen Güte des

Fragebogens

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27724.3 Statistische Auswertung

nen. Optimal wäre es, die Wahrscheinlichkeiten für den Fehler 1. Art und den Fehler 2. Art gleichzeitig möglichst gering zu halten. Dies ist jedoch nicht möglich, da eine Verklei-nerung der Wahrscheinlichkeit für den Fehler 1. Art die Wahrscheinlichkeit für den Fehler 2. Art erhöht und umgekehrt. Beim Testen wird der Fehler 1. Art durch das Signifikanz-niveau kontrolliert. Dies liegt daran, dass ein Fehler 1. Art schwerere Konsequenzen als ein Fehler 2. Art bedeuten würde. Man denke in diesem Fall an die Zulassung eines neuen Medikaments, deren Wirksamkeit man annimmt (Entscheidung für Alternativhypothese), obwohl es in Wirklichkeit gar nicht wirkt (Wahrer Zustand ist Nullhypothese) und zusätz-lich schwere Nebenwirkungen verursacht. Die (statistische) Power ist die Wahrschein-lichkeit für die Annahme der Alternativhypothese, wenn diese tatsächlich richtig ist. Die Power sollte mindestens 0,80 betragen, da die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler 2. Art dann höchstens 0,2 beträgt und mit hoher Wahrscheinlichkeit eine falsche Nullhypothese auch tatsächlich abgelehnt wird. Die Konvention trägt dem Umstand Rechnung, dass man nicht gleichzeitig beide Fehlerwahrscheinlichkeiten minimieren kann. Bei der Planung einer Untersuchung sollte man darauf achten, dass der bei der Auswertung verwendete Test eine ausreichend große Power besitzt. Die gewünschte Power lässt sich meist durch die Verwendung einer großer Stichproben erzielen.

Bivariate Statistik bezeichnet das gleichzeitige Betrachten von zwei Variablen mit dem Ziel etwas über die Beziehung beider Variablen zu erfahren. D.h. es soll geprüft werden, ob ein Zusammenhang zwischen den Variablen besteht oder ob das Auftreten von Werten der einen Variable mit dem Auftreten von Werten der anderen Variable einhergeht. Vermu-tet man, dass eine Variable eine andere beeinflusst, so bezeichnet man die beeinflussende Variable als unabhängige Variable (UV) oder auch Prädiktor und die beeinflusste Variable als abhängige Variabel (AV) oder auch Kriterium. Zur Grafischen Veranschaulichung des Zusammenhangs zwischen zwei Variablen eignet sich ein Streudiagramm. Dabei werden die Wertepaare der beiden Variablen in einem Koordinatensystem angeordnet. In der Re-gel zeichnet man die UV auf der horizontalen Achse und die AV auf der vertikalen Achse ein. Zum Verständnis des bedeutendsten Zusammenhangsmaßes für zwei Variablen, der Korrelation, ist eine kurze Erklärung der Kovarianz sinnvoll. Die Kovarianz bringt die Stärke eines Zusammenhangs zweier Variablen numerisch zum Ausdruck und zeigt die Richtung des Zusammenhangs an. Die Kovarianz berechnet sich als Summe der Produkte aus den Abweichungen der beiden Variablen zu deren Mittelwerten geteilt durch die An-zahl der berücksichtigten Merkmalsträger. Die Kovarianz ist allerdings numerisch schwer

Tab. 24.3 Hypothesentesten und FehlerEntscheidungNullhypothese Alternativhypothese

Wahrer Zustand Nullhypothese 1 − α αFehler 1. Art

Alternativhypothese β 1 − βFehler 2. Art Power

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278 24 Statistische Grundlagen

zu interpretieren. Besteht kein linearer Zusammenhang zwischen den Variablen, ist die Kovarianz gleich 0. Besteht ein gleichsinniger linearer Zusammenhang, ist die Kovarianz positiv und besteht ein gegensinniger linearer Zusammenhang, ist die Kovarianz negativ.

Ein Zusammenhangsmaß, welches leichter zu interpretieren ist, ist die Korrelation. Die Korrelation erlaubt eine numerische Beschreibung von Richtung und Stärke des Zu-sammenhangs zweier Variablen, die mindestens Intervallskalenniveau aufweisen sollten. Die Korrelation ist definiert als die normierte Kovarianz und errechnet sich aus der Ko-varianz von zwei Variablen geteilt durch das Produkt von deren Standardabweichungen. Die Korrelation kann Werte zwischen − 1 und + 1 annehmen. Je stärker ein Zusammen-hang zwischen zwei Variablen, desto näher liegt der Wert der Korrelation bei 1 oder ent-sprechend − 1 (Abb. 24.2 stellt die Korrelation zwischen zwei Variablen grafisch dar). Die Korrelation ist Null, wenn kein linearer Zusammenhang besteht. Nach Cohen (1988) bezeichnet eine Korrelation von r = 0,10 einen geringen Zusammenhang, ein Wert von r = 0,30 einen mittleren Zusammenhang und ein Wert von r = 0,50 einen großen Zusam-menhang. Zu beachten ist, dass bei der Korrelation nicht zwischen AV und UV unterschie-

Abb. 24.2 Streudiagramm für die Korrelationskoeffizienten r = 1; r = 0; r = − 1

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27924.3 Statistische Auswertung

den wird, d. h. Korrelation ist nicht mit Kausalität gleichzusetzen. So kann beispielsweise eine perfekte Korrelation zwischen dem Arbeitsengagement und der Arbeitszufriedenheit bestehen. Betrachtet man allerdings nur den Korrelationskoeffizienten, kann man daraus keine kausalen Schlüsse ableiten. Es kann nicht festgestellt werden, ob große Arbeitszu-friedenheit zu mehr Arbeitsengagement führt oder eben viel Arbeitsengagement zu mehr Arbeitszufriedenheit. Grundlegende Voraussetzung für Kausalität sind: 1) Ursache und Wirkung müssen miteinander kovariieren. 2) Die Ursache geht der Wirkung zeitlich vo-raus. 3) Es gibt keine Alternativerklärungen oder Drittvariablen, die den Zusammenhang beeinflussen.

Bezugnehmend auf das Hypothesentesten bei korrelativen Zusammenhangshypothe-sen, überprüft man, ob eine Korrelation von Null verschieden ist. Gängige Statistikpro-gramme liefern diese Information bei der Berechnung von Korrelationen automatisch mit.

Ein Verfahren, welches auf korrelativen Zusammenhängen aufbaut und gleichzeitig eine Unterscheidung zwischen unabhängiger und abhängiger Variable vornimmt, ist die lineare Regression. Die Beziehung zwischen einer UV und einer AV wird durch eine Re-gressionsgerade beschrieben. Man spricht auch von einer Regression von Kriterium (AV) auf den Prädiktor (UV). Es hängt von der inhaltlichen Fragestellung ab, welche Variable UV und welche AV ist. Die Regression erlaubt Vorhersagen von Werten des Kriteriums durch den Prädiktor. Das Grundprinzip der linearen Regression ist die Festlegung einer Geraden, welche so nah wie möglich an den Punkten in einem Streudiagramm liegt und die Vorhersagefehler möglichst minimiert. Die Regressionsgerade ist nach folgendem Prinzip aufgebaut: Vorhergesagter Wert der abhängigen Variable = Steigungskoeffizient × Wert der unabhängigen Variabel + Konstante (Achsenabschnitt). Führt man zum Beispiel eine Regression von Arbeitszufriedenheit (gemessen per Fragebogen auf einer 5 stufigen Skala) auf persönliche Freiräume im Arbeitsalltag (gemessen per Fragebogen auf einer 5 Stufigen Skala) durch, könnte sich folgende Regressionsgerade ergeben: Arbeitszufrie-denheit = 0,3 × persönliche Freiräume + 2. Dabei gibt der Wert 0,3 den standardisierten β-Koeffizienten der Regressionsgerade (Steigung) an und 2 die Konstante (Achsenab-schnitt). Inhaltlich bedeutet diese Gleichung, dass bei Veränderung der Variable persönli-che Freiräume um einen Wert, sich gleichzeitig die Arbeitszufriedenheit um durchschnitt-lich 0,3 Standardabweichungen verändert. Bevor man diese Gerade interpretiert, muss vorab geprüft werden, ob das Regressionsmodell überhaupt einen signifikanten Beitrag leistet. In Statistikprogrammen wird zunächst die Korrelation zwischen der AV und der UV angegeben, diese sollte statistisch unterschiedlich von Null sein, damit eine inhaltliche Interpretation sinnvoll ist. Ansonsten würde man seine aufgestellte Hypothese verwerfen. Gleichzeitig wir der sogenannte Determinationskoeffizient angegeben (R2), welcher ein Maß für die Güte des Regressionsmodells ist. Der Wert errechnet sich aus dem Quadrat der Korrelation. Die Werte für R2 liegen zwischen 0 und 1. R2 gibt die Varianz der durch die Regressionsgerade vorhergesagten Werte im Verhältnis zur Gesamtvarianz der AV an. Je näher R2 an 1 liegt, umso besser erklärt das aufgestellte Regressionsmodell die Daten. Häufig gibt man den Wert für R2 in Prozent an.

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280 24 Statistische Grundlagen

Nimmt man mehrere unabhängige Variablen in die Regressionsgleichung auf, spricht man von multipler Regression. Analog zur einfachen linearen Regression erweitert sich die Gleichung um weitere Prädiktoren, welche zur Vorhersage des Kriteriums herangezo-gen werden. In diesem Fall werden in Statistikprogrammen für jede UV eigene standardi-sierte -Gewichte angegeben und gleichzeitig wird errechnet, ob diese von 0 verschieden sind, d. h. ob einzelne UVs einen signifikanten Beitrag zur Vorhersage der AV leisten. Einige Statistikprogramme geben neben den standardisierten β-Gewichten auch unstan-dardisierte b-Gewichte an. Der Vorteil der standardisierten β-Gewichten liegt darin, dass man diese untereinander vergleichen kann, da sie auf die gleiche Metrik transformiert wurden. D. h. man kann anhand der Größe der β-Gewichte ablesen, welcher Prädiktor den größten Einfluss auf das Kriterium ausübt. Bei unstandardisierten b-Gewichten ist dieser Vergleich unzulässig.

Bevor man eine Regression rechnet, sollte man zuerst die Voraussetzung für die Be-rechnung der Regression prüfen. Wichtige Modellvoraussetzung der Regression ist das Vorliegen von normalverteilten Prädiktoren und Kriterien. Ein mögliches Verfahren zur Prüfung auf Normalverteilung ist der Kolmogorov-Smirnov-Test (K-S-Test). Die Null-hypothese des K-S-Tests besagt, dass die vorliegenden Daten einer Normalverteilung fol-gen. Folglich möchte man die Nullhypothese nicht verwerfen, weshalb man häufig das Signifikanzniveau beim K-S-Test auf 10 % setzt. Bei der Fragebogenanalyse ist daher die Überprüfung auf Normalverteilung bei den zentralen unabhängigen und abhängigen Variablen unerlässlich. Eine Prüfung der Normalverteilungsannahme auf Itemebene ist hingegen wenig sinnvoll, da einzelne Items häufig schiefe Verteilungen aufweisen. Die zweite wichtige Voraussetzung der Regression ist die Kollinearität. Kollinearität bedeu-tet in Bezug auf die unabhängigen Variablen in der Regression, dass diese nicht bzw. sehr niedrig miteinander korrelieren. Liegt keine Kollinearität vor, d. h. die UVs korre-lieren sehr hoch miteinander, führt die Schätzung der Regressionsgewichte zu sehr hohen β-Parametern, welche häufig nicht signifikant werden. Ein weiterer häufig diskutierter As-pekt der multiplen Regression ist das Verhältnis zwischen der Anzahl unabhängiger Vari-ablen zur Anzahl der Untersuchungsteilnehmer. Allgemein steigt mit der Anzahl der UVs auch die Wahrscheinlichkeit, dass keine Kollinearität vorliegt. Daneben ist festzuhalten, dass mehr Untersuchungsteilnehmer eine genauere Vorhersage des Modells ermöglichen. Von Daumenregeln zur Bestimmung der Stichprobengröße ist abzuraten, zielführender ist eine genaue Berechnung der Auswirkungen auf die statistische Power (Maxwell 2000).

Bei der theoriegeleiteten Fragebogenanalyse versucht man den Einfluss von Drittva-riablen zu bestimmen, welche den Zusammenhang zwischen zwei anderen Variablen be-einflussen. Zwei zentrale Drittvariablen sind Moderatoren und Mediatoren (Baron und Kenny 1986; vgl. Abb. 24.3). Eine Moderatorvariable beeinflusst den kausalen Zusam-menhang zwischen unabhängiger Variable und abhängiger Variable. Der Moderator spezi-fiziert die Bedingungen, unter denen ein Zusammenhang zwischen UV und AV auftritt. Moderatorvariablen können, wenn sie nicht beachtet oder betrachtet werden, einen Zu-sammenhang zwischen zwei Variablen verdecken. Dies ist dann der Fall, wenn sich Ef-fekte gegenseitig aufheben. Beispielsweise wird der Einfluss transformationaler Führung

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28124.3 Statistische Auswertung

(UV) auf die Arbeitszufriedenheit (AV) durch die Erfahrung der Führungskraft moderiert. Je größer die Erfahrung der Führungskraft, desto stärker ist der Einfluss von transforma-tionaler Führung auf die Arbeitszufriedenheit. Statistisch prüft man, ob Moderation vor-liegt, indem man eine Regression von AV auf UV, dem Moderator und dem Produktterm (UV × Moderator) rechnet. Bevor man den Produktterm zwischen UV und Moderator bildet, müssen beide Variablen zunächst z-standardisiert werden. z-Standardisierung be-deutet, dass die ursprünglich Variable in eine neue Variable transformiert wird. Hierfür errechnet man die Differenz zwischen dem beobachteten Wert und dem Mittelwert einer Variablen und dividiert diese durch die Standardabweichung. z-standardisierte Variablen folgen einer Normalverteilung mit einem Mittelwert von 0 und einer Standardabweichung von 1. Ist nun im Regressionsmodell das β-Gewicht des Produktterms signifikant, liegt Moderation vor. D. h. der Zusammenhang zwischen AV und UV hängt von der Ausprä-gung des Moderators ab.

Bei der Mediation wirkt eine unabhängige Variable über den Mediator auf eine ab-hängige Variable. Der Mediator beinhaltet den generativen Mechanismus über den die UV auf die AV wirkt. Beispielsweise wird der Einfluss von transformationaler Führung auf Arbeitszufriedenheit durch das Vertrauen zu dem Vorgesetzten mediiert. Zur Über-prüfung, ob Mediation vorliegt, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Zunächst müssen alle Variablen miteinander korrelieren. D. h. es muss ein signifikanter Zusammen-hang zwischen UV und AV, zwischen UV und Mediator sowie zwischen Mediator und AV bestehen. Anschließend bezieht man in ein Regressionsmodell die UV und den Mediator als Prädiktoren sowie die AV als Kriterium ein. Ist hier nun unter Einbezug der Mediator-variable der Zusammenhang zwischen UV und AV geringer als der alleinige Zusammen-hang zwischen UV und AV, so spricht man von Mediation. D.h. die UV leistet unter Ein-

Abb. 24.3 Pfaddiagramm zur Veranschaulichung von Moderation und Mediation

Page 287: Human resource management by jens rowold

282 24 Statistische Grundlagen

bezug des Mediators keinen spezifischen Beitrag zur Vorhersage der AV. Es können drei unterschiedliche Fälle bei der Regression von AV auf UV und Mediatorvariable auftreten:

1. Ist das β-Gewicht der UV nicht signifikant sowie gleich Null und ist gleichzeitig das β-Gewicht des Mediators signifikant, spricht man von vollständiger Mediation.

2. Ist das β-Gewicht der UV nicht signifikant, jedoch deutlich größer als 0 bei signifikan-tem β-Gewicht des Mediators, spricht man von partieller Mediation.

3. Ist das β-Gewicht der UV signifikant, sinkt es aber bei gleichzeitig signifikantem Medi-ator stark ab, muss hier mittels Sobel-Test auf partielle Mediation geprüft werden.

Eine detaillierte Beschreibung der Überprüfung auf Moderation bzw. Mediation sowie des Sobel-Tests inklusive beispielhafter Durchführung mittels SPSS findet sich bei Bühner und Ziegler (2009).

Literatur

Amelang, M., & Schmidt-Atzert, L. (2006). Psychologische Diagnostik und Intervention (4. Aufl.). Heidelberg: Springer.

Baron, R. M., & Kenny, D. A. (1986). The moderator–mediator variable distinction in social psy-chological research: Conceptual, strategic, and statistical considerations. Journal Of Personality And Social Psychology, 51, 1173–1182.

Bortz, J. (2005). Statistik für Sozialwissenschaftler (6. Aufl.). Berlin: Springer.Bühner, M. (2011). Einführung in die Test- und Fragebogenkonstruktion (2., aktualisierte Aufl.).

München: Pearson Studium.Bühner, M., & Ziegler, M. (2009). Statistik für Psychologen und Sozialwissenschaftler. München:

Pearson Studium.Campbell, G. T., & Fiske, D. W. (1959). Convergent and discriminant validation by the multitrait-

multimethod matrix. Psychological Bulletin, 56, 81–105.Cohen, J. (1988). Statistical power analysis for the behavioral sciences (2. Aufl.). Hillsdale: Law-

rence Erlbaum Associates.Eid, M., Gollwitzer, M., & Schmitt, M. (2010). Statistik und Forschungsmethoden. Weinheim: Beltz.Field, A. (2009). Discovering statistics using SPSS (3. Aufl.). Thousand Oaks: Sage Publications, Inc.Maxwell, S. E. (2000). Sample size and multiple regression analysis. Psychological Methods, 5,

434–458.Meyer, J. P., Stanley, D. J., Herscovitch, L., & Topolnytsky, L. (2002). Affective, continuance, and

normative commitment to the organization: A meta-analysis of antecedents, correlates, and con-sequences. Journal of Vocational Behavior, 61, 20–52.

Page 288: Human resource management by jens rowold

283

Sachverzeichnis

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015J. Rowold, Human Resource Management, DOI 10.1007/978-3-662-45983-6

AAbhängigkeit, 42, 44Absentismus, 102Alter, 94, 111Anforderungsanalyse, VI, 59, 60, 63, 67, 68,

69, 145, 146, 159Anforderungsprofil, 65, 143, 146Anforderungsvielfalt, 63, 113, 127Anreize, 74, 78, 105, 124, 127, 142Anschlussmotiv, 129Arbeitsanalyse, 59, 60, 62, 63, 67, 69, 146, 262

Fragebogen, 62Arbeitsgestaltung, 61, 63, 67, 70, 73, 79, 130,

145Arbeitsgruppe, 32, 179, 193, 211Arbeitsleistung, 28, 30, 60, 74, 75, 85, 99, 173,

255Arbeitsplatzsicherheit, 107, 116Arbeitszeit, 2, 9, 73, 75, 79Arbeitszeitgestaltung, 73, 79, 80, 116Arbeitszufriedenheit, VIII, 28, 55, 68, 76, 77,

85, 101, 102, 103, 128, 130, 141, 203, 247, 267, 270, 276, 281

Assessment Center, 59, 91, 95, 141, 162Validität, 164

Attributionsfehler, 266Aufgabenorientierung, 117, 188, 194, 200Aufgabenstruktur, 200Auswertung, statistische, 269Autonomie, 11, 63, 76, 127, 130, 233

BBedeutsamkeit, 63, 87, 111, 127, 128Beförderung, 42, 43, 69, 210, 257Belohnungsmacht, 42

Benchmark, 175, 184, 210Berufserfolg, 59, 66, 87, 89, 95, 166, 168Bestrafung, 182Bestrafungsmacht, 41, 42Betriebsrat, 118, 153, 154, 155, 183, 214Beurteilerfehler, 260Beurteilertraining, 261, 262Beurteilerübereinstimmung, 164Bewerbungsunterlagen, 165, 220

Reliabilität, 166Validität, 165

Big Five, 89Blog, 242Burnout, 116, 128, 130

CCharisma, 188Coaching, VI, 175, 179

kollegiales, 179Commitment, 10, 29, 104, 105, 130, 137, 188,

203, 210, 214, 274abwägendes, 104, 274affektives, 123, 194normatives, 105organisationales, 104

Compliance, 44, 49Controlling, 3, 23, 152, 207, 208, 210, 211Critical incident technique, 64

DDelegation, 36, 218Disposition, 86, 89Diversifikationsstrategie, 17Diversity, 12, 209

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284 Sachverzeichnis

Management, 231, 232, 233, 234Training, 237

EEignungsdiagnostik, 68, 159, 160, 161Einstellungsinterview, V, 3, 165, 166, 167Employer Branding, 136, 138Engagement, 59, 123, 128Entlohnung, VI, 69, 73, 74, 75, 76, 78, 79, 102Entwicklungspotenzial, 60, 131, 195Evaluation, 3, 23, 175, 177, 235, 247, 263Extraversion, 64, 89, 90, 91, 95

FFachkompetenz, 180Fallstudie, 164, 169Faulenzen, soziales, 34Feedback, 35, 63, 91, 106, 107, 123, 126, 127,

129, 131, 169, 176, 177, 179, 181, 182, 193, 236, 240, 245

360-Grad, 245, 262Day-to-day, 258

Fehler, 45, 54, 118, 161, 165, 177, 182, 192, 277

kognitiver, 266Fehlzeiten, 63, 102, 105, 220Fluktuation, 55, 63, 102, 130, 137, 141, 209Fragebogen zur Arbeitsanalyse (FAA), 62Fremdbeschreibung, 91Führung

charismatische, 194instrumentelle, 193, 194transaktionale, 194transformationale, 12, 194, 195, 205

Führungskraft, 10, 35, 36, 44, 48, 90, 99, 106, 107, 116, 126, 127, 131, 187, 189, 190, 199, 202, 262

Führungsstil, VIII, 12, 29, 48, 102, 105, 118, 179, 188, 190, 192, 199, 218, 263

Fünf-Faktoren-Modell, 64, 66, 89, 161

GGanzheitlichkeit, 11, 63, 127Gefühle, 6, 25, 26, 27, 28, 31, 35, 44, 90, 94,

99, 180Gerechtigkeit, 76, 77, 93Geschäftsbereichsstrategie, 17Gestik, 26, 27, 47Gesundheit, VII, 27, 111, 112, 116, 117, 178

organisationale, 112Gewissenhaftigkeit, 64, 66, 89, 90, 95, 106,

161Globalisierung, 9, 207Gruppenarbeit, 32Gruppendenken, 30, 34Gruppendiskussion, 34, 163, 168, 169, 196

HHandlung, 5, 9, 27, 43, 125, 180Handlungskompetenz, 180Human Resource Controlling, 209, 213Human Resource Management-Strategie, 20Hypothese, 163, 266, 267

Überprüfung, 275

IIdentität, soziale, 100, 101Innovation, 12, 142Intelligenz, 87, 88, 92, 94, 95, 160, 161

kollektive, 237Intelligenztest, 87, 88, 160Interessen, 8, 10, 19, 31, 40, 60, 68, 69, 79, 91,

92, 132, 148, 191Internalisierung, 239Internationalisierung, 1Interview, 62, 64, 91, 141, 166, 167, 241, 268

multimodales, 209Investitionsstrategie, 17Itemschwierigkeit, 273Item- und Skalenanalyse, 269

JJob

Characteristics Model, 11, 63, 127, 130Diagnostic Survey, 63, 127enlargement, 132Enlargement, 147, 178enrichment, 132Enrichment, 142, 147, 178rotation, 132Rotation, 142, 178

KKarrierechancen, 107, 124, 142Karriereplanung, 143, 153, 183, 195, 219, 224,

225, 258Kognition, 28

Page 290: Human resource management by jens rowold

285Sachverzeichnis

Kohärenzsinn, 112Kohäsion, 32Kommunikation, VII, 9, 26, 32, 35, 39, 44, 45,

46, 47, 53, 131, 242, 248externe, 235

Kompetenzmodell, 65Kompetenz, soziale, 2, 178, 260Komplexität, VI, 2, 5, 8, 12, 31, 43, 65, 66, 210Konditionierung, 100

klassische, 181operante, 182

Konflikt, 25, 29, 30, 31, 35, 48, 68, 118, 190Kontrollüberzeugung, 43Kooperation, 7, 17, 25, 32, 111, 118Kooperationsstrategie, 17Kosten-Nutzen-Analyse, 213Kreatives Team Coaching (KTC), 179Kriteriumsvalidität, 275Kultur, 51, 55, 56, 89, 103, 142, 227

LLaissez-faire, 190, 193Leader-Member Exchange, 202, 205Lebenslauf, 220Leistung, VII, 23, 28, 33, 42, 59, 65, 68, 74,

75, 77, 81, 85, 89, 105, 106, 107, 111, 125, 126, 131, 168, 183, 187, 190, 192, 203, 212, 256, 261

mangelnde, 151Leistungsbeurteilung, VII, 23, 68, 131, 195,

221, 255, 259Leistungsmotiv, 92, 129Leistungsmotivation, 95, 162, 176Leistungsvergütung, 73, 75, 78Lernen, 87, 175, 180, 212

organisationales, 54, 177Lernkultur, 176Lerntheorie, soziale, 181Likert-Item, 91Lob, 69, 106, 142, 204Loyalität, 8, 56, 107, 137, 173, 201

MMacht, 8, 9, 39, 41, 42, 43, 125Machtmotiv, 129Managing Diversity \t Siehe Diversity Manage-

ment, 231Mentoring, 227Meta-Analyse, 89, 105, 106, 130, 203, 213, 264Methode der kritischen Ereignisse, 64

Methodenkompetenz, 1, 180, 242Mikropolitik, 42, 49Milde-Härte-Fehler, 260Mimik, 26, 27, 47Mitarbeiterbefragung, VII, 13, 108, 184, 210,

245, 246Formen, 248

Mitarbeitergespräch, 108, 127, 130, 179, 195, 220

Mitarbeiterorientierung, 53, 108, 117, 188, 201Motiv, VII, 10, 31, 68, 91, 124, 125, 190, 191Motivation

extrinsische, 127intrinsische, 56, 127, 183

Motivationspotenzial, 63, 127

NNachfolgeplanung, 223, 224, 225Netzwerk, 48, 227, 237

soziales, 139Neurotizismus, 64, 89, 90, 94, 95, 161Norm, 52Nullhypothese, 277

OOccupational Information Network, 69Offenheit für Erfahrungen, 34, 89, 90, 95Organisationales Lernen aus Fehlern (OLAF),

54Organisation, lernende, 240Organisationsentwicklung, 31, 119, 173, 211Organisationsklima, 52Organisationskultur, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 118,

176, 247Organizational Citizenship Behavior, 29, 102,

203Organizational Citizenship Behavior), 106

PPartner, strategischer, 2Personalakte, 217, 220Personalauswahl, 1, 3, 67, 91, 95, 131, 141,

159, 164, 165, 166, 169, 173, 195, 196Personalbeschaffung, 136, 145, 219, 235Personalentwicklung, VII, 3, 60, 68, 136, 145,

152, 169, 173, 176, 180, 210, 211Personalmarketing, V, 53, 135, 136, 137, 138,

140, 141, 160, 209Personalplanung, 3, 61, 68, 146, 148, 219, 257

Page 291: Human resource management by jens rowold

286 Sachverzeichnis

Personalstrategie, 19Personenmerkmal, 59, 65, 86Persönlichkeit, 6, 27, 31, 34, 64, 86, 89, 90, 91,

94, 95, 100, 209, 221, 256Politik, 39, 42, 210, 262Positionsmacht, 41, 200

QQualifikationsprofil, 146, 148Qualitätszirkel, 178

RRegression, 280Reliabilität, 161, 163, 251, 274Resilienz, 112Ressource, V, VI, 15, 17, 19, 20, 113, 116, 135,

177, 232Ritual, 52, 53Rollenkonflikt, 30, 104, 258Rollenspiel, 169, 196

SSAP, 2, 219, 222, 236Selbstbeschreibung, 91Selbstkompetenz, 180Selbstverwirklichung, 7, 8, 11, 233Sicherheit, 27, 67, 107, 142, 168Sozialisation, 6, 227, 239Sozialkompetenz, 180, 227Stabilität, emotionale, 95Stellenausschreibung, 63, 148, 217, 236Stellenbeschreibung, 146, 147, 256Stellenprofil, 68Strategie, 16, 17, 18, 19, 20, 126, 146, 193, 225Strategieentwicklung, 23Stress, 81, 105, 111, 115, 116, 175, 194Stressor, 112, 113, 115Studie, empirische, 265SWOT-Analyse, 21Symbol, 52

TTalent-Management, 224, 225Teamarbeit, 31, 32Teamcoaching, 179

Teamentwicklung, 31, 35Technologie, neue, 1Testverfahren, 59, 68

statistische, 276Trainee-Programm, 226Training, VI, 23, 67, 176, 212, 213, 247Transfer, 176, 177Trennschärfe, 273, 274

UUnternehmenspolitik, 39Unternehmensstrategie, 18

VValidität, 66, 89, 95, 141, 161, 164, 166, 251,

274Veränderungsprozess, 56, 210, 245, 248Verhandlung, 26Verstärkung, 181, 182Verträglichkeit, 64, 89, 90, 94, 95, 161Vier-Ohren-Modell, 41, 44Vision, 31, 36, 142, 188, 190, 191, 193, 195Vorbild, 118, 181, 190, 227

WWerte, 6, 9, 32, 52, 66, 86, 93, 104, 138, 142,

190, 227, 233, 268Wir-Gefühl, 32, 35, 191Wissensaudit, 241Wissensmanagement, 20, 236, 237, 241, 242Work-Life-Balance, 117

X

Y

ZZeremonien, 53, 54Zeugnis, 148, 165, 220Zielerreichung, 8, 10, 23, 124, 126, 131, 257,

261Zielsetzung, 29, 32, 124, 126, 129, 162, 255Zugehörigkeit, 35, 55, 125