'Heraklits Lehre Vom Feuer', Karl Reinhardt

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Heraklits Lehre vom Feuer Author(s): Karl Reinhardt Reviewed work(s): Source: Hermes, 77. Bd., H. 1 (1942), pp. 1-27 Published by: Franz Steiner Verlag Stable URL: http://www.jstor.org/stable/4474680 . Accessed: 27/06/2012 06:26 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Franz Steiner Verlag is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Hermes. http://www.jstor.org

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Heraklits Lehre vom FeuerAuthor(s): Karl ReinhardtReviewed work(s):Source: Hermes, 77. Bd., H. 1 (1942), pp. 1-27Published by: Franz Steiner VerlagStable URL: http://www.jstor.org/stable/4474680 .Accessed: 27/06/2012 06:26

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HERAKLITS LEHRE VOM FEUER

Der Aufsatz von Heinrich Gomperz in dieser Zeitschriftl) lkuBt auf Fort- fiihrung einer Debatte hoffen, die seit allzulangem, wie mir scheint, geruht hat. Die alte Streitfrage, ob Heraklit den Weltbrand lehre, wird zum erstenmal, seit langem, wieder ernst genommen. Die Echtheit, oder vielmehr der Frag- mentcharakter des Fragmentes 66 (natvra y&a -to nv e)eAOov xetvet xal

caTaIaA YeTat), den ich bestritten hatte, wird dabei verteidigt, und zwei Zeugnisse, das des Themistios (8EvreigOev ?ua~ xal be4 irxerat, avpigey8- a8eaOat' nore To ndv abetA.ov) und das des Aristoteles (Phys. III 5; A I0 bei Diels: 'Hea'xAeTo; a7&avra qjlat y2veaOat' rzoe X9e) auf eben dies Fragment zuriickgeftihrt: es drainge sich der Eindruck auf, daB Aristoteles wie Themi- stios dasselbe Fragment gelesen hatten. Damit wird zum ersten Male wieder ein Versuch gemacht, zwischen antiker Interpretation und deren Unterlagen zu scheiden. Eine solche Scheidung wird bei Zeller auch noch in den neuesten Auflagen umgangen. Als entscheidend wird zuletzt doch die erdriickende Masse der Zeugnisse betrachtet.

Allerdings bedarf es, um an das Verhaltnis zwischen Text und Inter- pretation heranzutreten, nun doch etwas umfangreicherer Anstalten. Um uiberhaupt die Moglichkeit des Wissens abzugrenzen, um fragen zu k6nnen: was hat Aristoteles gelesen ? Was Themistios ? bediirfte man einer Geschichte der Heraklit-Auffassungen im Altertum. Man beduirfte dieser Geschichte wie ein Editor der Textgeschichte. Alles Sammeln bleibt vergeblich, Heraklit bleibt uns der doppelt Dunkle, ehe nicht das Medium zwischen ihm und uns, die Tradition des Altertums, erhellt ist. DaB dies in den Vorsokratikern ge- schehen sei, ist ein MiBverstandnis. Das zu leisten, war nicht ihre Absicht. Aber auch die Diels'sche Sonderausgabe des Heraklit von I90I enthalt sich jeder uiberlieferungsgeschichtlichen Erorterung, und die Arbeit der recensio wird mit einem Stillschweigen vollzogen, das sich seiner Autoritat bewuBt

1) Bd. 58 (1923) S. 49. Vorliegender Aufsatz wurde, in ursprfinglicher Fassung, ffir diese Ztschr. kurz danach geschrieben, blieb aber dann liegen, weil ich mich mit dem Ge- danken trug, die Heraklitischen Fragmente mit einem uiberlieferungsgeschichtlichen Kom- mentar versehen herauszugeben. Heute sehe ich, daB ich in absehbarer Zeit dazu doch nicht imstande bin. Als Probe dessen, was mir vorschwebte, lief3 ich in dieser Zeitschrift 63 (I928) S. I07 die Miszelle Xo?Itcov aQXi;yo6; erscheinen. Unterdessen ist die vierte und funfte Auflage der Vorsokratiker erschienen, jedesmal mir uberraschend. Ich hAtte gern mein Material dem Unternehmen zur Verffigung gestellt.

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sein durfte. Und doch bot bereits Paul Wendlands Aufsatz )>Ein Wort des Heraklit im neuen Testament<(, SBBerl. in I898, S. iff., ein Beispiel dafiir, was alles da schlieBlich doch einmal zur Sprache kommen muBte. In den Vorsokratikern wird freilich auch hierauf nicht hingewiesen.

Versuchen wir, uns klarzumachen, was fur Zuge, die wir an Heraklit zu sehen gewohnt sind, fehlen miuBten, wenn zufallig dieser Autor, diese Gat- tung oder Zeit in der Zitatenreihe fehlte. Keineswegs nur einzelne Fragmente, sondern Zulge, sogar ganze Ansichten. So unverandert Heraklit der ,,Dunkle" bleibt, es hat ihn jede Zeit und jeder Kreis doch eben als den Dunklen je nach seiner Art verstanden. Nach diesem Verstandnis richtet sich die Auswahl der Zitate wie die jeweilige Losung ihrer Ratsell).

Es gibt einen Heraklit der Spriuche und der Spruchsammlungen; weit verbreitet, oft mit einem andern untermischt, erscheint er uns am reinsten in dem Florilegium des Stobaios: als der weise Ratgeber, der von der Tugend der Erkenntnis redet, von dem gottlichen Gesetz, von der Vernunft der Seele, die sich selber mehre, von der Trunkenheit und Niichternheit, von dem Charakter als des Menschen Daimon ... Wie man sieht: ein durch Auswahl begrenzter Heraklit. Es gibt einen Heraklit der gefluigelten Worte und ge- fliugelte Worte als Fragmente. Es gibt einen Heraklit der Biographen, pueya- Ao)gcpwv xat vneeon&rv;, und Fragmente anekdotischen Charakters. Und es gibt die Heraklite der verschiedenen Philosophenschulen, neben dem der Skep- tiker vor allem den der Stoiker, den preisenden des Kleanthes, den ergebenen Marc Aurels. Es gibt den Heraklit des Platon: einen paradoxen Aufloser. Es gibt den Heraklit des Aristoteles - er ist teils Physiker, nicht anders als der Heraklit des Theophrast, teils Leugner einer objektiven Wahrheit. Es gibt einen Psychologen Heraklit - etwas von einem neuplatonischen Mystiker, der bei Plutarch und Neuplatonikern erscheint. Aber von keinem dieser Heraklite soll die Rede sein, sondern von dem, der mit den Christen aufkommt.

FaBt man das Zitat, zusammen mit dem Text, in dem es steht, als jene Einheit auf, die es vom Autor aus doch sein muB, so klingt in den Heraklit- zitaten des Klemens von Alexandria ein in der antiken Literatur bisher noch nicht vernommener Ton auf. Auch der Inhalt scheint verwandelt, wenn auch nicht durchaus, so doch zum guten Teile. Weder Anthologisches noch andere Formen des Zitats hatten das bieten konnen. Mag Klemens auch dies und das nur einer der bequemen Anthologien verdanken, so ist doch kein Zweifel, daB er seinen Heraklit gelesen hat. Denn er entdeckt - was ihm kein anderer

1) Die Frankfurter Diss. von Gioia Schubring, Heraklits Lehre vom FluI der Dinge in der Auffassung des Altertums, I924, ist, wie nicht anders zu erwarten, nur eine erste Orientierung, in nur vier maschinengeschriebenen Exemplaren erschienen und zur Kennt- nis der gelehrten Welt nicht gelangt. Das tberlieferungsproblem ist aufgegriffen von E. Weerts, Heraklit und Herakliteer, Klass.-Philol. Studien ed. F. Jacoby, Heft 7, Berlin I926. Derselbe: Platon und der Heraklitismus. Philol. Suppl. 23, I931.

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Autor, keine Anthologie erm6glicht haben k6nnte - er entdeckt in Heraklit zum ersten Male den Propheten. Weil er Christ ist, hat er fur den Propheten- ton das Ohr. Er h6rt aus ihm heraus - mit welchem Recht, stehe dahin - das ihn anheimelnde prophetische Drohen und Schelten. 'Drohen' (iz e t2Aev) 1),

cProphezeien' (,uavteveaOaL), 'Schelten' (e'ntapVetV) wendet er zur Einfuihrung von Heraklitzitaten an, als ob es sich um Paulus- oder Jesaias-Worte handle. Was zitiert wird, richtet sich nach dem Vernehmen dieses Tones, Worte fiber menschliche Verdammnis, Weltgericht und Nahe der Vergeltung. Aber vollends zum Propheten macht den Dunklen fulr christliches Ohr sein Ratsel- stil. Erweist sich doch durch seine Teilhabe an der prophetischen'Verborgen- heit' erst der Pneumatiker2). Kraft seiner Ratselhaftigkeit wird Heraklit zu einer Art von griechischem Jesaias. Durch seine Jesaias-Nahe weist ein Wort sich aus wie das vom Feuer, das nicht untergeht (Fr.i6, Paed. I 2I6 St.): o natbayoyo; av&oi; abetAei bta cHaatycoA?YGV... 7 c); 9xatv HeaxAZet- Tog ... Als Begnadeter der 'barbaros philosophia' hulllt er in sein Dunkel jenes Licht, das erst der Christ gewahr wird. Was er spricht, gerat eschatologisch.

Aus einer ihm ulberlieferten Zitatenreihe zitiert Klemens Fr. 32 und 33 Diels, fiber den einigen Gott: )>4V To' cofOv ,iOVVov Ai'yeaOat ov'x E'OEA xat' eO9Zet Zipv'6 ovoua.( at na'tv. )>vo6Uo; xa' flov)d- netOeaOat evo;.' (Strom. V, II S. 404 St.). Aber angelangt bei Heraklit kann er sich nicht entbrechen, auf die christliche Bedeutung des Ephesiers hinzuweisen, mit einem Zitat, das er nunmehr aus eigenem zufiigt: xdv A6 rldv roiro dvarayav

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)> kXcv Jl)ra axov'etv axovTc(( (Luk. I4, 35), e'Qot; 'v 'b 'cw; 'uqatvo'4uevov zrO; TOi 'EgPeaov- )>atv'veTot axovaavTe; xc)potg 6E'otxaat. gfaTtg avrotatv uaeQrveQl naeo'vTa; azeivat.(( Jene Tauben sind fur Klemens die, die den Propheten nicht vernehmen.

Der gebieterische Stil erscheint als inspiriert. Wer solche Worte redet, fordert Glauben, er bedarf nicht des Beweises, er verurteilt den Beweis. >)Sie wissen nicht zu horen noch zu redena (Fr. Ig D.), wird verstanden als: sie horen nicht, da sie in ihrem Dulnkel den Propheten iiberhoren. Denn sie sind unglaubig (a'tazrot), deshalb verlangen sie Beweise ... Unter den so vielen zu Zeugen gerufenen Griechen wird ihm keiner so wie Heraklit zum Burgen fulr dies Hauptkapitel seiner eigenen Theologie: der Lehre vom Ver- haltnis zwischen ntiaort; und ErrLa ,u2. Heraklit gehort futr ihn nicht nur um einzelner, in diesem Sinne verstandener Sentenzen willen, sondern schon durch seinen Stil zu der erhabenen Gesellschaft derer, die den Prinzipat des Glaubens

1) Vgl. z. B. Klemens Protrept. S. 67, I St.: adCeOAeo yaov av'3i7 6O eogp ijrn ZaXa-

Qlas, zur Einffihrung eines Zitats, und vieles andere mehr. 2) Z. B. Klemens Strom. II S. ii6, 25 St.: daA' o0 ,.dv Td adytov rvev4ua XCeTtex VOt

ceevv6Coa ral T pafOn ToVg OeOa', TovTeaT& rT4; reeQl Ir& nrQop'Teiag enlxQvpeo S niplotO yivovTat. Das Gotteswort aus dem Prophetenmund ist Ratselwort: alvtypa-rwo65 ade&Atgpactv, Protrept. S. 64, I2 St. USW.

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vor dem Wissen und Beweisen proklamieren. Sei der Glaube doch die Grund- lage des Wissens (z. B. Strom. II 4, S. II9 St.). So verurteilt durch die Stimme Heraklits die griechische Philosophie sich selbst. Und je mehr der philosophische Wissensanspruch, als UnglIubigkeit und Taubheit, erst an einem nicht mehr fernen jiingsten Tage sich in seiner ganzen Falschheit offen- baren wird, desto gelaufiger ist Klemens jenes Abspringen - fur Klemens nicht einmal ein Abspringen - von solchen Worten zum juingsten Gericht.

Fr. 2o (Klemens Paed. II S. 20I St.) lesen wir bei Diels und Kranz (so auch bei Snell): H. yov xaxt')cov a(aI3ratbv r1'vyEaV, i&etba6v yen4. o

bCOetv E0)oVcat ,OdQov -r' 9Xetv, udAAov bed advanav'eaOat, xat' naba; xaraAed- 7[ovat ,io'ov; yeveaOat. Diels erklart in seiner Sonderausgabe: ))Das Kolon

,u5AAov be avanav'eaOat (heraklitischer Begriff, s. fr. 84) ist notig wegen xaxt'4Tov des Clem. Der Philosoph berichtigt die Trivialanschauung nach dem von ihm umgedeuteten orphischen Pessimismus.(( Erganzend die Vors.:

))A,ALov be' advaav'eaOat halt Mullach falsch fur einen Zusatz des Clem.e

Doch hiergegen mifllte schon der haufige Gebrauch von ,aAAov be bei Klemens stutzig machen. Zumal liebt er diese Wendung, wo es gilt, ein Wort auf seinen eigentlichen, und das heil3t fur ihn stets christlichen Sinn zuriickzufiihren1). Die Beweislast miuite also dem zufallen, der behauptet, p&AZov be, in einem solchen Sinne - dem der Reduktion auf eine tiefere Wahrheit - sei bereits archaisch. Ich kenne kein Beispiel. Und was soll der Hinweis auf Fr. 84:

iuerapafAAov avanav'erat, oder Fr. iii: xa,uaro; avacavatv, wo der Zusammen- hang doch so ganz anders ist ? Und selbst gesetzt, dies avanav'eaOat ware dasselbe wie die Heraklitische alva'cavat: was soll der Sinn der Parenthese sein? So wenig ich in ,O6eov; 9Xetv die 'Trivialanschauung' zu erkennen vermag, so wenig wird mir aus dem avarav'eaOat ein )>umgedeuteter orphischer Pessimismus< klar. Dagegen kann, was ava7ravteaOat, von Klemens aus be- trachtet, heiBen muB, kein Zweifel sein. Der Mensch, die Kreatur, die Welt befindet sich in Qual und Unruhe bis zur Erlosung, bis zum Endgericht, bis zum ewigen Frieden. Das heiBt ava7avteaOat. So Strom. V S. 409, 8 St.: Xv be 6a1o; xa' b6txa(o; 6tafltarcojtEv, ,uaxaQdetot wiev EvraiOa, paxaaetwheeot

8T teraC ?rv e5vevde aZaAAay 'v, ov3 Xeo'vP TlVl rtnv ei36atuovt'av i'XOvTeg,

dAAa ev aicvt advazav'eaOat vvav,uevot. Oder Strom. S.397, II St.: AetuCcva (gemeint ist die Hadeswiese im Platonischen Er-Mythos) Jg Meeov Xaetov xat 7rrQOanEv xat r6Ov l5aiwv x6oeov, ezrra be #idea; exadarv lv?)acv r6iv erza' (der Planeten), xat racav trxv e'eaalXtV rEvrV e 5 'ro; dvarav- aeC1w aorev'6ovaav. Denn auch hier wird, durch eine heidengnostische Proze-

1) Zu pduAAov 6E eruibrigen sich Belege; Strom. I S. I05, 22 St. Paed. I S. io6, I9 St. usw. - Fur Streichung des ,udAAov auch 0. Gigon, TJntersuch. zu Heraklit, Leipzig I935,

S. I21f., aber mit unzureichender Begriundung: *Der Zusatz diurfte eine alte gelehrte Notiz sein, die etwa aus Frg. 84 in fibergrofer Gelehrsamkeit eine ErklArung beigeben wollte.* Auch dal der Ton 'spbttisch-polemisch' sei, vermag ich nicht zu erkennen.

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dur hindurch, der Er-Mythos christlich eschatologisch umgedeutet. Gar nicht anders ist das avanav'eaOat des Heraklitfragmentes 22 zu verstehen. Kaxtdcwv -r?)v yeveatv hat markionistischen Sinn; und avamav'eaOa& ist christliche Interpretation zu /io'Qovg 'Xctv: christlich ausgedriickt: wie sie geboren sind, so wollen sie von dieser Welt erlost werden. Das Ratselwort vom Lebens- willen als dem Todeswillen wird, indem es als Prophetenwort verstanden wird, von selbst eschatologisch.

Ahnlicher Art diirfte die Crux des Fragments 28 sein (Strom. II S. 33I St.): doxeovra yae o6 6oxtMic6raro; yLvcocaxEt ?V)Aa,aaet8 xa[vT,vrot Xal 6txtl xa-a-

i7Vperat yEv66ov Trexbova; xat ,uadervea. Das sind zwei Satze. Aber welchen Sinn hat ihre Verbindung? Meist versteht man ihr Verhailtnis konzessiv: mag auch der Bewahrteste nur Scheinendes erkennen, so werden deshalb doch die Liigenzeugen ihrer Strafe nicht entgehen. So Diels: )>Denn was der Glaub- wiirdigste erkennt, festhalt, ist nur Glaubenssache. Aber freilich die Luigen- schmiede und ihre Eideshelfer wird doch auch Dike zu fassen wissen.a Ahn- lich Kranz und Snell. Aber wie kann xat devrot xat das heiBen? In spaterer Sprache ist es steigernd, 'atque etiam', heiBt also das Gegenteil von dem, was hier von ihm verlangt wird. Um das auszudriucken, wiirde man ganz andere Verbindungen verwenden. Und archaisch? Wilamowitz fand es als archaisch schon an sich, um der Partikelhaufung willen, so unmoglich, daB er es als 'Sprachfehler' geriigt hat (Hippolytos S. 237). Meines Wissens hat noch keiner durch ein Gegenbeispiel ihn Lilgen gestraft. Nun aber die weitere Frage: angenommen selbst, xat jueVTot xat k6nne so viel wie 'aber freilich auch' in jenem Sinne heiBen: muB dann nicht der erste Satz so anerkennend, positiv gemeint sein, wie der zweite negativ, verwerfend lautet ? Und so faBt man wohl auch das boxgovra so auf wie den 3o'xo; der Dinge bei Xenophanes. Aber dann miuite sich Heraklit selbst mit dem 6oxtA(0hraro; identifizieren: ))zwar, was auch ich wahrnehme, ist nur boxeovra; doch wehe jenen ... !(( Ist das sehr wahrscheinlich? Oder sollen wir mit Wilamowitz konjizieren? Aber ehe wir zu konjizieren anfangen, mit Wilamowitz schon archaisch xat pev oder anderes setzen: ist es nicht der Muihe wert, zum mindesten einmal zu fragen, wiedenn Klemens selber sein Zitat verstanden haben konne ? Auch hier ist sein Thema wiederum die nu'alct;. Nach einem Zitat uiber die nrairtog 0wq aus Empe- dokles zitiert er Paulus I. Kor. 2, 5: >>tva ?7 ntGTzt; ?Cov u j' ev aoqpta avOQCea- ncov(<, rov nC?d6etv E7nayyRAAodevwv, )> aAA' ev d6vavd/1t 6oov,( Znf /Iovf xal

avev rJ3v 7nobetecov 6ta yiptA; ) vg 7daTc&@ acOg etv 6vvauIAv. Und hierauf: )>)oxeovza ya . Folglich hat er den ersten Satz in einem negativen Sinn verstanden. eO 6oxtAuJraro; ist ihm ein Reprasentant der aocp(a av0QCOencovl). Da ihm aus Heraklit Prophetenton entgegenklingt, sind seine meisten Heraklit-

1) Zu 6o0,tiog vgl. Herodot V 62 EO'Vreg av6eQe 6o'tgjot advicaOev Ert. 63 "ovTa

TC)V docrrv aiv6Qa 66t,tov. III 157 av6ea rOv gv HiLoanCa boxtguOcaTov. Demokrit Fr. 67

ToZg oxts5otg uTa-rev'etv. Ahnlich verwerfend auch Heraklit Fr. io8.

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zitate denn auch Worte der Verwerfung. Hat er recht damit ? Ich glaube, ja. Dafur spricht schon das Wortspiel: schon in ihrem Ansehen, ihrer Geltung steckt der Schein oder die Willkuir, wie in &O'xtpo; die bo'ta, nicht anders als wie im uo'eo; wesenhaft die ,uoiea mitenthalten ist und mitbenannt wird (Fr. 25). Dafiur spricht auch das Asyndeton: ytvcibaxet cpv2a'aaet. Denn dies ist nun keineswegs etwa zu trennen in zweierlei Aussagen, wie Wilamowitz annimmt: ))rrove; und ytv(A$cxet, Aacervee; und qvtacaaet entsprechen sich<<. Sondern es steht intensivierend, wie so haufig bei den Tragikern; Asch. Pers. 463 zatovat xeeoxonoiat. Soph. Ant. I037 xee6aiver' E',nwaore. Aias io88 atwv v,Bflaurv. Trach. II89 iVOx8V c6e,ir,xeV. Eur. Her. 602 IA$cov cpovevacov. Eupolis fr. I55 Kock qoQov~atv a6rac4ovatv, usw. Bei Heraklit selbst kehrt dasselbe Asyndeton in Fr. 52 wieder: nratcwv nerceVtcv, wo zu Unrecht natwcov meist mit n7al; verbunden und te-rrev'cov isoliert wird1). Also heift ytv$caxet gv1acavaet: )>alles, auch sein eifrigstes Erkennen und Be- achten((. Als jonische Redeformel hat vortrefflich Diels dies durch Hippokrates T. ltalT. J' c. ii Littr6 II S. 308 erwiesen. Doch auch da steht es nicht un-

bedingt lobend: HvOuev'Oev pELV oV oVix zaaatv .v.. ro'6e ye uv xat' q2vAiaa- aovalt xai ytyvo$axovatv, o6t JeyAeev ftc..v f EEl... 'apvra o3v rav5ra

iuey&Za uae-rv'eta, 06rt ovx 0e0C9; ... Vermutlich stammt es, wie Aeya'Aa pae-rveta, urspriinglich aus der Gerichtssprache.

Spricht aber der erste Satz eine Verwerfung aus, was wird aus dem Ver- haltnis beider Satze zueinander? Wenn ihre Verbindung nicht mehr gegen- satzlich, sondern steigernd wird, gleicht sich dann nicht xat pevrot xal dem spateren Sprachgebrauch so an, wie es dem Heraklit nicht zuzutrauen ist? Mgvrot, ein zweites Zitat desselben Autors anschlieBend, steht so z. B. Protr. S. 38, 27 St. Zwei verschiedene Heraklitzitate hintereinander, indem nur zum zweiten Heraklits Namen genannt wird, im Protr. S. i6, 23 St. Das xa' ,evErot xat, als Steigerung, verbindet nicht im Text des Heraklit die Wahr- nehmung des boxtlAwcraro; mit dem Gericht fiber die Luigen-Schmiede und -Zeugen, sondern im Text des Klemens ein Zitat fiber die ziml;, mit einem Zitat fiber das jfingste Gericht. DaB eins das andere nach sich zieht, wird keinen, der den Klemens nicht nur mit der Brille des Fragmentensammlers liest, befremden. Gewil3 deutet auch das Heraklitwort auf ein Jenseits, wie so manches seiner Worte. Aber der Vollzug der richtenden Dike braucht so wenig wie der Menschen Vorstellung vom Tode (Fr. 27) erst auf einen jfingsten Tag zu warten.

Ffir den Christen freilich steht das richtende Feuer als der Sinn der Prophe- zeiung auBer Frage. So wie Klemens im Protreptikos jenem Fragment von den 'Erwartungen' der Menschen erklarend hinzufuigt (S. i6 St.): OVtO

1) Bei Diels in allen Ausgaben wird interpungiert: aicov nals e'artv nrat'4ov, neTerev'av. So auch im Hippolytos-Text von Wendland. Aber ra4CTwv neTTeVc'V ist ein neues Glied, so dal3 die drei einander entsprechen: n a ;, r a ? ?cov reIcrev'wv, n a 66 g flaa&Aqnl.

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adreAei ra aue ra& Oavarov, rtovrot; uavrv'erat 'or nV~e, so hier: o he yave xat 0o{T0co; E -~; Paefaleov gt2oaoqta; iaOwov nv bta nveQo; xaOaeatv (bekannt ist, daB die Lehre von dem Fegefeuer sich zuerst bei Klemens ausgebildet findet) TCov xaxCi; flepltwxo'rov, 'v iakrreov ExQCatv E'xdaeaav ot wtxol

xaO' ov xai -rdv 5b(w; notov avaatcr&aeOat 6oyuaaTt'ovat, ro5-c' E'xdvo Trv

avaratv r QlXOV v?6 & Jl2drV 7V yv xeovot; Ttat bta nveo6 gaOa- eeaOat xal v'batoi d')E' nw; r lt (Tim. 22 c). Zwar redet Platon nur von einer 'Reinigung' der Erde durch die Sintflut. Doch das braucht den Interpreten ebenso wenig wie die stoische Bedeutung der acvadaraat; als Weltbrand zu bekiimmern. Stammt doch ohnehin das nge xaOaeatov aus den heidnischen Mysterienlehren von dem reinigenden Seelenkreislauf durch die Elementel).

Nun aber die Abfolge der Zeugen: Heraklit, Stoa, Platon. Sie begegnet uns noch einmal in der groBen eschatologischen Digression Strom. II, S. 395 -397 St., aus der wir Fr. 30f. zu zitieren pflegen. Ihre Ausfuihrlichkeit ge- stattet, die entscheidende Frage zu beantworten: durch welche Textstellen sieht Klemens Heraklits Ekpyrosis als Endgericht bezeugt ? Denn alles andere, was er anfiihrt, ist nur Ausdeutung vermeintlichen Prophetenwortes. Die Beantwortung fiihrt zu Hippolytos hinuiber. Stellen wir vorweg fest: Klemens beruft sich fur dies Wichtigste aus seinem ganzen Heraklit nicht etwa auf das unzweideutige Dictum: naxvra rd 7rrv~ e&eA{ov xetvet xat xaxaAqtperat (Fr. 66) - wenn dies wirklich als Zitat zu werten, worilber spater - sondern auf dieselbe, oft zitierte, offenbar beriihmte Stelle, aus der vor den Stoikern schon Theophrast die Heraklitische, Ekpyrosis gefolgert hatte (Diogenes IX 8-9, Diels Fr. A i.). Dank dem wortlichen Zitat des Klemens sind wir in der Lage, diese Folgerung zu kontrollieren2).

Werfen wir erst einen Blick auf den Zusammenhang des Ganzen: eine gnostisch-allegorische Exegese ulber die avaiAyt; oder die Wiedervereinigung der Seele mit ihrem Ursprung, Urgrund, Urbild. Ist die Terminologie auch uiberwiegend stoisch3), ist der Sinn dahinter doch so unstoisch wie m6glich.

1) G. Anrich, Theolog. Abhandlungen, Festgabe fur Jul. Holtzmann I902, S. I02.

E. Norden Verg. Aen. VI S. 3I ff. u. Kommentar zu V. 740f. Um so bedenklicher sind die Folgerungen von Wilamowitz Hippol. S. 237f., wonach zwischen Heraklit und einem Kirchenvater wirklich schon kein Unterschied mehr ubrig bleibt. - Der neutest. locus classicus fftr das Reinigungsfeuer ist Paulus i. Kor. 3, I3. nivY aGi)ovtov als Feuerqual Mt. i8, 28. 25, 4I. Jud. 7. Vgl. Wilh. Bousset, Die Religion des Judentums im spat- hellenistischen Zeitalter, 3. Aufl. I926, S. 279.

2) Gigon ditrfte mit seiner gegenteiligen Meinung (S. 69) wohl allein stehen. Auch Kranz betrachtet selbstverstindlich Fr. 30 und 3I als originalen Wortlaut zu der Para- phrase Theophrasts.

3) Zur Terminologie: avadApyt; 'Himmelfahrt' Klem. Strom. II S. 207, 20 St.; aveA,uipOi Marc. i6, i9. Acta i, 2. Tim. I, 4, i6. - avaaraat; von der 6 xnv'ecoatn Arius Did. Fr. 37 Diels, Chrysipp Fr. 599 Arnim: E'nave)Ooigaa (4 XOW' 'VaL;) eik rTv 7QoToV 4o?EJOvTa Ao'yov xat' ei; vr)v advadaTaactv E'xe6v2v rv notoi.aav EvtaviXv Tov iuyuaTov, xaO' ov ad' av'Ti; uo'vq; ei; av)Tv narAtv ytveTat qd adno>eara'amaac;. - adnoxaOta'vev

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Umrahmt wird das Ganze von einer Allegorie des Er-Mythos, in der man etwas wie von einer Mithras-Gnosis zu erkennen glaubt. Der platonische Er-Mythos, in allegorischer Deutung, wird zum Mittel zoroastrischer Offenbarung. Es gab eine Schrift - eine der frommen Falschungen -, die diese Deutung ihrerseits voraussetzt. Klemens, der sie zur Bestatigung anfiuhrt, kehrt, wie uiblich, das Verhaltnis um, fur ihn ist Platons Quelle eine Offenbarung Zoroasters1).

In der Gnosis spiegelt alles sich in allem. Fest steht hinter allem nur das eine, die Erlosung. Die zwolf Tage, die Er auf dem Scheiterhaufen liegt, bedeuten den Weg durch die zwblf Tierkreiszeichen, den die Seele gehen muB, um die Welt zu uiberwinden, zur ava&Anpt; derselbe Weg fiihrt zur Geburt hinab. Die sanfte Wiese, der Ort der Frommen, deutet auf die Fixsternsphare. Die sieben Tage, die dort zu verweilen sind, bedeuten die sieben Bewegungen der zu durchschreitenden sieben Planeten; der achte Tag, der Tag des Auf- bruchs oder 'Auferstehens', bezieht sich auf das Eingehen in den Himmel. Klemens hat dies wieder, in seiner verzwickten Art, mit einer allegorischen Deutung des 'Tages des Herrn' verbunden. In vier Tagen steigen die Seelen wieder herab: die Vierzahl deutet auf die 'Reise durch die vier Elemente': 7.V b3at Tr6OV Treaaadev crotxeiwv noeetav.

t:ber Kreis und Herkunft dieser Vorstellungen braucht nach Cumont nichts weiter gesagt zu werden. Hingewiesen sei hier nur auf etwas, was uns warnen mag, den allgemeinen Zwang der Zeit zur Allegorik, als ob sie in das Belieben einzelner gestellt ware, zu unterschatzen: )>Daher erklaren sie auch die Arbeiten des Herakles, die zwolf an Zahl sind, da nach tYberwindung und Durchwanderung der zwblf Tierkreiszeichen die Seele erlost wird und befreit von dieser ganzen Welt.# Wir sehen denselben zum Symbol gewordenen Herakles groB abgebildet - auf der Igeler Saule. Das beinahe quadratische Feld des Sockels zeigt vor allem einen Ring, der wie der Rahmen eines Me- daillons das Bild umschliel3t. Der Ring zeigt die zwolf Tierkreiszeichen, als Symbol des Kosmos oder vielmehr seiner Grenzen. Im Innenfeld fahrt He- rakles auf einem Viergespann empor, Athena reicht ihm aus der Hohe hilfreich ihre Hand - dem Sieger der zwblf dOAa, dem Erlosten. Kreis und Feld sind eine Einheit, bildmalBig zugleich wie um der mystischen Bedeutung willen:

christlich eschatologisch Acta i, 6. xara'aTraat als Wiederherstellung des natuirlichen Zustandes Plat. Philol. 46c: aav v7 aaTwra'c ,r E'V 6toq9oQ. o raat; gnostisch Klemens Strom. IIS. I32, 5. I33, 5. 225, 12f.: yeVealV 6E xaca pOoeav Triv Ev xrt'aet

nLoeo?nyov,pgvco yiveaOa advayyx? pueTa navTeAov; btaxtiaecr g xat anoxaTaaTaecoW dXA 6t'; di Nv xa' at EV rv ) xo'aw av u pveue'vat oV'alal Tr olxeto'Tnrt 7eoavE4ovTat.

1) Klemens wei13, daB3 die Sekte des Gnostikers Prodikos sich ruihmte, geheime Schriften des Zoroaster zu besitzen, Strom. II S. 44, 5 St. ZwCodiarer,v 6 TO6v Ma yov Trv He'cranv o' HvOayo'ea; Ct A,oaev <xat> fl4%Aov adnoxev'q'ov; Tavbeo; xoiM6e a' r'V

1eo6tiXov perto'vre; a7Qeaev al xolat xexr?aOat. Vgl. Strom. III, 30. Hilgenfeld, Ketzer-

geschichte S. 552.

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Heraklits Lehre vom Feuer 9

beide erst vereint Symbol der tCberwindung dieser ganzen Welt und ihrer Grenzen. Die vier Windgbtter in den vier Ecken m6gen entweder als Himmels- richtungen die kosmische Region oder den Aufstieg durch die Luft bedeuten, denn durch Luft und Ather geht die Reise.

Nun aber ist an dem mithraischen Charakter dieser Darstellung kaum noch ein Zweifel, unbezweifelt ihr Zusammenhang mit orientalischer Symbolik (vgl. Drexel Rom. Mitt. I920 S. I33ff.). Hinter den gelehrten Exegesen stehen die mystischen Bediirfnisse der Kulte. Der Sinn dieser spatantiken Allegorik ist mit dem des friuhen Hellenismus, der Stoa, nicht zu verwechseln.

In solcher Umgebung steht das Heraklitfragment, bereits fur Klemens fest im Rahmen seines stoischen Kommentars. Eine stoische Exegese liegt zugrunde, die die 'Wandlungen' des Feuers, gleich den Weltperioden des Empedokles, dem stoischen Dogma angeglichen hatte. Durch die neue gno- stische Durchdringung wird dies Ganze wiederum zu einem Sinnbild der Er- losung: im All spiegelt sich die Seele, weniger die individuelle als die Ur-Seele, das Archetyp der Einzelseele. Auch der Gegensatz ad43og-yevv26o' oder

OaeTo's tragt dazu bei, die Deutung anzuregen. 'Physisch', d. h. in physischer Sinnbildlichkeit, erwahnen auch Empedokles und Heraklit den Aufstieg

(advadA7Vt) in der Form der Weltbrandlehre: ov3 naQa'elA,uoat xat TOv

'E6unoxAea, 8g qvatClxco ovthog rn5 TrcV navTrov avaAhyecog pueuvnTat, (1) e&opdvt7g nO-Te 8g xT)roV TroV zvQ ov3alav iaexaapoA);. aaTea-raa o 'He- XAElOg TaaVTi7 E5Ttr Txig 605g. Die ecxnv'ecatg bedeute die avacAi7Vtg, das All den 'Menschen': o'rra) 6' naAtv avaAaupaIverat Xat exrzvQoviat (nebeneinandergesetzt, als ob beides dasselbe ware) ... nzaeanA /ata 6A -rov'-

-Totc %a ol EL oyTrarot TCov rtlXtV 6oyjoaat' ovat nel -re exnvecaeco;

btaAaAf4advovTe; xat xo'o,iov btotxn?aecof xat roV t6bto; notov toa[ov re xat

avOew5rrov (wieder dieselbe Gleichsetzung) xa T rig -rdv 't&r6ov pvy65v nrt-

btajuov27g. Der stoische Weltbrand war bekanntlich eschatologischen Sinnes bar. Wenn er ihn hier empfangt, empfangt er ihn als Sinnbild. Wie als ob es keine Grenze zwischen beidem gabe, wird Eschatologisches mit Kosmo- logischem, Erlosung mit Physik verkniupft durch die Partikeln re und xal'. Symbolik lost logisch-kausale Denkform auf.

Nun aber begibt sich das hochst MiBliche: obwohl Fr. 3I augenscheinlich, wie Klemens bemerkt, eine Erganzung oder nahere Ausfiihrung zu Fr. 30 darstellt, fehlt es doch darin an jedem Hinweis auf die Ekpyrosis. Diels (Sonderausgabe) greift zu der verzweifelten Ausflucht einer Erganzung: ,,Dann dampft es empor und alles geht in das eine Feuer auf.(( Desgleichen die Vors.: )>Der letzte Satz des Zitates, der die Rulckwandlung in das erste Stadium (nUe) brachte, ist im Text ausgefallen.x( Aber in welchem Text? Etwa im Text des Klemens? Der fahrt tort: o6,uocoX 68A 'a' neQI r6v &'2aAcov a-rotlxetv ra avt3a. Also schon Klemens muB das am Gedanken fur ihn Fehlende erganzen. Aber unmoglich konnte er so fortfahren, wenn etwas uiber

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10 Karl Reinhardt

die Riickverwandlung in das Urfeuer bei ihm dazwischen ausgefallen ware. Also befand sich dieser Ausfall schon in der stoischen Vorlage des Klemens? Aber was hinderte dann den Klemens, der den Heraklit doch selbst auch las, das Ausgefallene zu erganzen? Und wo kommen wir am Ende hin, wenn solche Hypothesen uns erlaubt sind? Gar an eine absichtliche Kiurzung oder Unterschlagung des Schlusses zu denken, ist um so unm6glicher, als nicht nur jene Stoiker, sondern erst recht der umdeutende Klemens ja das Ganze nur zitiert um der Ekpyrosis oder Erlosung willen. Das Zitat ist hinzunehmen, wie es dasteht.

Zweite Frage: folgten die Fragmente unmittelbar einander? Offenbar. Denn darauf deutet sowohl der Inhalt wie der AnschluB des Fr. 3I: v ra entqo'fweva. DaB das Verhaltnis beider Fragmente zueinander nicht im Sinne der stoischen Interpretation, also nicht im Sinne eines Gegensatzes, wie der zwischen ewiger, totaler und verganglicher oder partieller Ordnung, zu verstehen ist, diirfte gleichfalls einleuchten. Fr. 3I ist die erhellende Aus- fiihrung zum Paradox des Fr. 30. Nun aber schlieBt Fr. 30 mit: pUrea xat . . .

EdrQa. Und Fr. 3I schlieBt mit: ,e-re'e-at g; r'v avT3v Ao'yov. Folglich ist der Zusammenschluf zur Einheit nicht in der Ekpyrosis zu suchen, sondern in dem MaBgedanken'). Wie sich die Ekpyrosis zum MaBgedanken zu verhalten habe, ist die weitere Frage. Aber es ist unzulassig, in beiden Frag- menten die Erhellung durch den MaBgedanken wegzudeuten, das Aeu-rov zu bagatellisieren, zumal da derselbe MaBgedanke auch noch durch das doppelte Cj,uav inzwischen seine Stiitze erhalt2).

Nun aber ware eine Weltbrandlehre, ulber die der MaBgedanke dominierte, schon an sich nicht leicht verstandlich. Weder die Ekkrisis Anaximanders samt all ihren Fortsetzungen noch die stoische Ekpyrosis verquickt sich mit der Anschauung kosmischer 'MaBe'. Hinzukommt die alte Formel: sv cai eav xac Egrat, Fr. 30. DaB in solcher Verbindung e Tvat, seiner alten, indo- germanischen Bedeutung treu, nicht Kopula ist - wie Heraklit denn auch, dem alten Sprachgebrauch gemaB3, die Kopula zu meiden pflegt - ich wiIBte nicht, wo man das widerlegt hatte3). Zu den von mir Parm. S. I76 zitierten Beispielen kommen hinzu4): Hesiods Kataloge, Helenas Freier, Berliner Klassikertexte V I, 35, v. 75: 6aa ' elart xat &oruo'aa #uAAt 8geaOat. Empe-

') Anders Gigon S. 6i: * So muB grea-^udTea zeitlich aufgefaf3t werden (namlich wegen des de(cowov). Das raumliche gereei-rat in Fr. 3I beweist nichts.# Das ist nicht eben, was man Interpretieren heiB3t.

2) Eine Bagatellisierung des MaL3gedankens liegt wohi vor bei Gigon S. 66: *Aus dem Urmeer sondern sich zu gleichen Teilen (mehr braucht das ,uWav-/I?LaV wohl nicht zu heilen) Erde und nenat4Q.t

3) Die Ewigkeitsformel ist inzwischen anerkannt in der tbersetzung von B. Snell, Heraklit Fragmente griechisch und deutsch, Ernst Heimeran Verlag, 2. Aufi. I940, S. 15.

4) Vgl. dazu nun auch Gigon S. 56; wie ich uberhaupt den prinzipiellen Wert der Gigon'schen Arbeit in ihrer Bereitschaft zum Vergleichen erblicke.

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Heraklits Lehre vom Feuer II

dokles B 21, 9 6'ca '' lv oaa ' eart xal garat. Diog. Laert. I, 33, in dem alten Orakel aus der DreifuBgeschichte: Tac r' 8o'vra ra x' e'aco'1ueva QeO' It eovra,

Plat. Parm. 155d: iv aiea To gv xaltart at' al rat. Plat. Tim. 37e: A'yo,uev yr& 6i5 Jcg ilv ga re xal garatc, xn r (der d(3tog ov'ata) TO !art uOvov xara -rdv )7 oyo'v 7oa?fxet (Platonische Polemik gegen die vorsokratische Ewigkeitsformel). Ein Beispiel freilich gibt es, in dem Kopulativ Prateritum neben Prasens steht, Anaxagoras Fr. B 12 Ende: -reQov b6 oV'3ev Earitv

O',otov ov?3evi, aiA' Jrwv TAeleTa evt, Tavra EvnAoi'aTa gv Exa(f7o'v avr xa' iv. Aber da dient die Doppelung des Verbums keineswegs nur die Ver- starkung, sondern deutet auf den Wechsel: was jetzt Wolke ist, war Wasser: entsprechend dem tCberwiegen in der Mischung. Ganz unmoglich aber ist es, ein adet iv kopulativ zu beziehen'). Zag Idev xat XQo'vog gaav aed, Pherekydes Fr. i usw. 'Aep iv nv~e addtscoov zumal ergabe eine Haufung, die schon fast Tautologie ware2). In der Tat konnten die alten Interpreten, so sehr ihnen auch am Weltbrand lag, doch immer noch griechisch genug, um diese Formel nicht als Kopula zu verstehen. Woraus denn sonst entwickelten die Stoiker bei Klemens sich ihre Bestatigung fur ihren eigenen adbto; xo'ojo;, wenn als Sinn in jenen Worten Heraklits die Ewigkeit nicht fur sie feststand? War nichts weiter ausgesagt als: die Welt ist und bleibt ewig lebendiges Feuer, so hatte das weiter nichts fur sie bedeutet als das Dogma der Ekpyrosis, nach

1) Will man in dem iv ade xa' eman xa' eaat nicht nur eine umstandlichere oder efeierliche' Form der Kopula erkennen, wofur die Belege fehlen, so lA3t sich der Formel, soll sie dennoch Kopula sein, nur Ein Sinn abgewinnen, der an sich wohl m6glich, aber vo sokratischem Denken fremd ist: der Sinn schicksalhafter Determination. Das ist der Sinn der Formel bei Musonius gem rC6v 'Ent;cr4Trov, Stob. Anth. V S. 973 Hense: OT&

TrotaVan Al ToV xOdaov qvcra; xal iv xa' Eatm xa' ecrat xaoX o1x v -re 'AA(; yiyveaOac Ta ytyvo',ueva n Coi VVV EvXev . Da im folgenden die 'Tron' wie 'a?vw xata' in demselben Sinne umgedeutet wird, so ist die Beziehung auf das Heraklitfragment wohl m6glich. Aber dem liegt die stoische Gleichung q,v'at; et,.aete'vq zugrunde, und die verinnerlichte Vergegenwirtigung des Kosmischen im Hinblick auf das Ich scheint spatantik; unvor- sokratisch ist sie jedenfalls durchaus: xaxz OTh Tav'UrT; v75 Qeon4; ... ot juovov ot' avOco3ro& P8TeSA?59aat. .. .aAAa4 nca' Td fela. .dv nQo; Tavta Tl-; 8lXELQ4 TLOiW TOrv vo3v xai

eOeLv gavrdv 9',o'vTa 6E'XeOat T d dvayxala, ncvv S6TQ' c xal /oValtxc; dtafl&aETa rov flOV. Fur Heraklit ist diese Deutung ausgeschlossen, auch schon um der Antithese willen: OVTE Ttr Or V OV IETr aeV0ecov0 v 8Eno0jae. (Die Stelle wie alle anderen schon bei Bywater S. 9.)

2) Gigon gestattet sich einen stilvollen KompromiB (S. 52): *Die feierliche dreiteilige Formel des Seins trennt und verbindet die zwei H5Iften: sie ist sowohl Kopula wie auch Prtdikat des Hauptbegriffs, in einer Art Doppelbezogenheit.* Das 'Feierliche', das 'trennt und verbindet' (wirklich auch 'trennt' ?), die 'Doppelbezogenheit' sind freilich neu. Man mbchte nur wissen, wo es das gibt. - Kranz beschrhnkt sich darauf, auf Zeller- Nestle S. 8I2 zu verweisen. Aber schlagt man nach, so findet sich da fiberhaupt nichts. Auch nicht S. 865. Kranz entscheidet gleichwohl: *Starke Interpunktion nach eaTa& scheint unm6glich.* Allerdings ist Gomperz' Wiederherstellung diesC Ztschr. 58, I923, 49 indiskutabel. Aber was spricht gegen Komma oder Doppelpunkt?

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12 Karl Reinhardt

uiblicher Formel: ex Iveo6 Tra rzavra xat et; 7rie 7.eAeva~v. Hingegen finden sie die Ewigkeit bestatigt - woher anders als aus dieser Formel? a'AA' 6T

WLv d4otov TrOv e r azaag -7 ovaag 16t' zotdv x'acov (nach stoischer Formel: Chrysipp Fr. 526f. Arnim) j&bet, Taveeov nrote! 2' elfV O -TW )>XO,a[OV

<Tov6e> - O'V avwrov a6a'vrcov - OTre ; r oe6iv ovie azvt@Qborv rothjarev, aAA qv act xat gcat xa' Egrat. nv~i a?el0ov, a'bT-o'evov ,'rea xat a7roaflev- VVtEVOV ueTQa.(( O-t 68 Xa yev2Orov xat qOar6ov avrov etvat ieboy'aT-rt:ev, 6OnAO -rTa eXlwpeeo'ueva.

Dieselbe stoische Tradition liegt bei Simplicius vor, de caelo (S. 294

Heiberg): xa' "Hea'x.etro; be bt' aivtylzov v)v E'avroi aocptav exbEQNwv oV Traiha a,neQ OoxEl Toi n0AAOla, car7acvext 6 yoiv exelva rrcov ZeQl yeveacvg, 6g OoxEl, 'rov3 XOapov xat 'arde yeape Jxo'aov rov&e OVTE Tl5 ?e6V OVIo1E

avOecQrv e'ot&aev, a2AA' iv add.(( Dies freilich scheint nach ihm, aber es scheint auch nur, in einem Gegensatz zu stehen zur Weltbrandlehre. Voraus geht: xa' H. be' no-roe [Ev 8xnveoov~Oat Ayet rOv xo'a/iov, noiex 6& ex TOVi

rrveOg avvtaraa0at zdAtv aV'.oxv xaTa Ttva; X dvcov neetdo6ovg, cv ols qnvrt >uL-rQa an-c' vogea aflevvtyVVevo;gx. TaVtTr7; be T7; bo'tn; Viareeov iE/evovro Xal ot ?2CXrwot. Doch wenn Simplicius selber auch mit einer Unter- scheidung zwischen ewiger und verganglicher Welt in einem mehr platoni- sierenden Sinne, auch bei Heraklit, liebaugelt, so zitiert er doch dazu den Alexander, dessen Interpretation mit der des Klemens wieder iibereinstimmt. Auch bei ihm die Unterscheidung zwischen Kosmos in totaler oder gottlicher Bedeutung und als #be '

btax&dajpnat;, nur daB er fur die Allheit, an Stelle des schulmaf3igen stoischen Terminus, den allgemeineren Ausdruck setzt: xaOo'Aov ra 6vTa xa' rTv zov'rcv badra4tv. Aber das '"v ded' versteht auch er nicht anders als Simplicius, Klemens und die Stoiker des Klemens, nicht kopulativ: n7AV 6rt O6 AA)'6aV3eo; flov)o'Juevo rOV Hea'xAetrov yeVnVTOV xat qOaQrov A)Yetv rOv xo'auov iAAC)o adxov'et -ToV xo'auov vvV. OV yae piaXopeva, qpru", AgyeL, cgivs av rp bo'4ac xo'qIov yae, 9n7alv, ev-raiOa oV3 xilv6e Ae',yet -c?)V

btaxdauinat,v, aAAa xaOo')ov Ta ovra xat -rXv otrov btaraAtv, xaO' Iv el; exatreov ev peeLt ? ,ercafo1A roT 2rav-ro6, o-re 1dv et; nvQ, nore' be el;

roy roto'v& ~xocauov. q yQ a rotavT? rov'rov ev udeet ue,TafloA)' xat o

-rotoi-rog xda1uog oV'x ie$aTo' noTe, aAA' '4v ad'. Wie' v del' das Heraklit- zitat noch einmal wiederholt - das also auch schon Alexander in derselben Form gegeben haben muB-, so ist ov-x nje$aro' no-re die Interpretation zu: *WVe vl; -t OV OvT?'e aYVrQOea$rrv 8rrot'laev(. Simplicius iubernimmt das

Heraklitzitat samt Interpretation von Alexander. Nun aber fehlt bei Alexander -rov av'-rov a&ravTcwv. Ebenso bei Plutarch

de anim. procreat. c. 5, S. 1014: zo'acuov ro'vbe, qcalv 'Hea'xAet-o, oVT're rt

OEcov ov're advoeco:rwv -ojrlqev. Da es sich hier um eines der ganz beriihmten Worte handelt, wiegt die ttbereinstimmung der beiden voreinander unab- hangigen Zeugen schwer. Hinzukommt noch ein Grund: wie hatte Alexander

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Heraklits Lehre vom Feuer I3

fiber den Bedeutungsunterschied von xO6a,o; sich in dieser Weise ergehen konnen, indem er erklarte, XOauOV 'covbe sei hier im totalen Sinne zu verstehen, wenn rov av&rv adavrdv-v schon im Text des Heraklit dabei stand? Oder auch gesetzt, die Frage ware fur ihn damit noch nicht entschieden gewesen, wie konnte er diese Bestimmung auslassen, die doch dasselbe unzweideutig aus- spricht, was er selbst nicht ohne Umstand folgert: xo'acuov Etvrai3Oa A)'yet xaOo'Aov xa o'vra?

Andererseits fehlt es in unseren Heraklitzitaten an erklarenden Glossemen nirgends, zumal Klemens liebt es, seine Anfiihrungen mit erkiarenden Appo- sitionen zu durchsetzen. )>odv avrdv adracvrwv( kann also auch Interpretation sein. Nach den Regeln der Rezensio mfiBte es fallen. Wenn dennoch die Edi- toren an ihm festhalten, so ist der Grund wohl erstlich der, daB der Begriff tavTov oder der Gegensatz Ev narvra so gut heraklitisch ist, zweitens jedoch:

wenn gcrrt Kopula und rie adei4zwov Pradikat ist, wie man annimmt, so laBt sich der Hinweis auf die ordnende Identitat in allen Dingen wohl verstehen: als Vorbereitung auf das Pradikat des Feuers, das die Einheit in der Vielheit darstellt, das Beharrende im Wechsel; man erklart also nach Fr. go: nveo; av.raAotf,h a z rav&ra xat nve airavrw)v. Bedeutet dagegen jene Seinsformel die Ewigkeit, so wird der Zusatz rOv av&ov ararvrwjv miiBig, denn die Totalitat schlieBt die Ewigkeit ein. *Diese Weltordnung, die eine und dieselbe ist fulr alle Dinge, war, ist und wird sein immerdarc: das geht kaum an. Ausgezeichnet pal3t dagegen diese nahere Bestimmung zu der Interpretation des Klemens: dV E' ta24; TV; ovaa; ... Ja, sie paBlt zu gut, um nicht dadurch suspekt zu werden').

Das aet, als Band gleichsam gezogen um die Formel sv xat e'rt xat ecat, wird auf's neue aufgegriffen durch die erklarende Apposition: ffe adet')wov. Ahnlich folgt ncat'cov als Apposition dem Pradikate rral; Eactv Fr. 52; na)iv-

Irovo; aeuovia als Apposition zu jenem Wesen, das btapeeouevov ecvTv, 4ooJAoyeet Fr. 5I. In welchem Sinne man Aule'a erklart, entweder: nach be- stimmten ZeitmaBen erglimmend und hinwieder nach (denselben) ZeitmaBen erlkschend, oder: in denselben MaBen dauernd, stets erglimmend wie erloschend wird davon abhangen, in welchem Sinne man -cona( im folgenden versteht2). Im ersteren Falle hieBe es nach Simplicius S. 294 Heiberg: aa1i .tva; XeovCov

xEew'6ov;. Oder nach Theophrasts Paraphrase zu Anaximander (Fr. A ii Vors.): AEYet aE Xeo'vov J; JQau ; r; yevEaecow [xa' *i ovata;g] xai

1) Die Widerlegung, die mir von Zeller-Nestle S. 8I2 zuteil geworden ist, gehbrt zu jenen, die sich durch Erganzen die Sache erleichtern: *Es wAre demnach x6acucv zu erganzen.g NAmlich in meinem Sinne zu rov av?Tov drdtraw. sDiese Erklarung setzt aber voraus, dal3 der Verfasser des Zusatzes xo'auog in verschiedenem Sinne verstanden wissen wollte (edie gleiche Weltordnung fur alle Welten'), was sehr unwahrscheinlich ist.* Bei Gigon S. 5I findet das Anklang.

2) Wenn Diels grammatisch ,pe'Tea fiir ein inneres Objekt erklart, so sagt das leider nichts aus uiber die Bedeutung.

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I4 Karl Reinhardt

r4 qOoadg. Aber bei Anaximander stand im originalen Text nicht ,e'.rea sondern etwas Ahnliches wie: btbo'vat ya'e avra &txpv 'xat rtalV ax2i4Aotl;

.* adbxta; xaTa' Vv Toig Xeo'vov Ta'tv (Fr. B I). Denn auch diesem Satz geht wieder das Entsprechende uber die yevea; und die qOoa` voraus. 'Vergeltung' allerdings ist nicht zu denken ohne Zeit, ja ihr Statthaben uiberhaupt setzt eine Ordnung in der Zeit voraus.

Versteht man pdrea gleichwohl von der Zeit, so gibt es wiederum zwei Mbglichkeiten. Erstens: die Zeit von dem Weltbrand bis zu der vollendeten Weltwerdung ist von der gleichen (gesetzmaBigen) Dauer wie umgekehrt. Dagegen ist einzuwenden: der Begriff einer abstrakten Zeit, wonach sich ein ProzeB3 'bemessen' soll, als reines 'MaB' und nichts von Anschauung noch sonst dabei, ist vorsokratischem Denken unbekannt. Und hier wuirde gar ein ProzeBi gemessen, dessen Dauer ailer Anschauung entzogen ware. Und pu'rea miuiBte das ausdriicken. GewiB kann 1ue"xa auch ein zeitliches Moment enthalten, wie in Fr. 94: iRtog oX xeelv,89aterat ,ute-a, oder wie Diogenes Fr. 3:are 7ravrcov ,Aea 9Xetv, Xetuovog re xat' teovg xat vvxTd; xat nuea; xat veerC6v xat avevucov xa' ev'tov. Aber hier handelt es sich um ein hochst Gegen- wartiges, der Anschauung unmittelbar Gegebenes. Dort dagegen wuirde das 'MaB' sich spannen von der einen, zu erschlieBenden Endzeit, die ein maB- loses Extrem ware, bis zu der anderen, umgekehrten Endzeit und wieder zuriick. Wie anders als das MaB von Sommer und Winter ! Kurz, das 'MaB', als Inbegriff des Kosmos, war aus anderem leichter abzulesen. Vollends Hera- klits Aussagen fiber die Natur - man sehe sie sich an! - sind sonst nur Deu- tungen des Sichtbaren, vor Augen Liegenden, des Weltzustandes, wie er ist. Denn auch Co'Qog Atjuo;, auch xaduaTo; adva&avao; und was dergleichen, sind stets gegenwartige, sogar am eigenen Leib erfahrene Polaritaten der Natur.

Bleibt als die zweite der zwei Moglichkeiten: ptdrea als Etappen einer sukzessiven Hervorbildung und wieder Riickbildung der Welt oder des Feuers zu verstehen. Und in der Tat faBt man auch die rco7rcu im folgenden nicht anders auf. Erste Etappe: Wasser, usw.

Der Gedanke der Etappen oder sukzessiven Entwicklungsstufen ist nun allerdings ein Hauptstuick der milesischen Kosmologie. Die milesische Pa- rallele muBte sich schon dem Theophrast aufdrangen. Auffailend ist nur, daB in den vielerlei Bezeugungen, Exzerpten und Reflexen dieser Grundanschauung, auch noch bei den Spateren, bei den Auslaufern im 5. Jahrhundert, nirgends doch Wort und Begriff jd'rea in ahnlichen Zusammenhangen auftaucht. Und hinzukommt, daB die Deutung der reonai auf sukzessive Weltzustande groBte Schwierigkeiten macht. Welche Verlegenheiten nicht bei Zeller-Nestle S. 865: )>DaB sich diese Worte (Oa'taaaa btaxe'erac. . .) wirklich auf die Ruick- kehr der Erde in Meer bezogen, aus dem sie bei der Weltbildung hervor- gegangen ist, muissen wir Klemens' bestimmter Aussage wohl glauben((, Zeller. Hochst verzwickt sodann: *so daBl seine GroBe zu der, die es (das Meer) als

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Heraklits Lehre vom Feuer I5

Erde hatte, in demselben Verhaltnis steht wie friiher, ehe es Erde wurde((. In welchem 'Verhaltnis' stand denn die Erde zum Meer inzwischen, im Zu- stande der jetzigen Weltordnung? Und was soll die Hervorhebung der Pro- portion (!) in beiden Zwischenzustanden, wo von der Proportion im jetzigen Zustand keine Rede ist? Nicht besser Diels: )>Die Weltzerstorungsepoche durchlauft umgekehrt die drei Stadien der Weltentstehung. Die Erde ver- schwindet (?) zuerst in der allgemeinen Sintflut (?). Das Wasser nimmt wieder denselben Raum ein wie bei der ersten tYberschwemmung (Aoyo; Gesetz, Proportion, MaBverhaltnis). Dann dampft es empor, und alles geht in das eine Feuer auf.(( DaB das Letzte unstatthaft ist, ist oben dar- gelegt. Aber wie kann Diels von 'Pberschwemmung' reden, wo der Text vom 'Wandel' des halben Quantums Meer ('j tav) in Erde redet? tCber- schwemmung heiBt, so viel ich weiB, xaraxAvatoi;. Und wozu die Bemerkung, daB die beiden' tYberschwemmungen' denselben'Raum' einnehmen? Was hin- gegen aus dem Wasser in dem jetzigen Weltzustand geworden ist, hat noch kein Interpret herausgebracht: wo es zur Haifte zu nrrena , zur Halfte zu Erde geworden. War auch das am Ende nur wieder ein hypothetischer Endzustand, und ist die jetzige Welt in eine unsichtbare Luicke da hinein zu konstruieren ? Diese Welt, von der uns Heraklit so GroBes kuindet ? 1)

Alle Schwierigkeiten sind dagegen behoben, wenn man sich entschlieBt, den jetzigen Weltzustand, der bei der Deutung auf die sukzessiven Zustande jeder Benennung sich entzieht, in eben jenen sich gleichbleibenden ceonrai des Feuers zu erkennen, als Verglimmen und Erloschen in den gleichen MaBen. Die Hervorhebung des MaBes kann, als des Beharrenden im Wandel, nicht mehr iiberraschen. Die Praesentia, in der Pradikation wie in 4us-relat, brauchen weder auf Vergangenes noch Zukiinftiges mehr zu weisen, und mit

Qeo'aOev wird nicht, fiber den jetzigen, verschwiegenen Weltzustand hinweg, auf ein zuriickliegendes, transitorisches Zwischenstadium noch einmal zuruick- gegriffen, vielmehr wird im Wandel ein Vorher und ein Nachher verglichen2):

1) Die letzte Behandlung bei Gigon S. 66. Er zieht einen Strich zwischen dem Feuer als a'QX und den Wandlungen des Feuers: *Zwischen Feuer und Meer ist ein Spalt, von Meer zu Erde:geht es normal weiter.(( *Das Meer ist fur Heraklit der Ursprung der Dinge im Kosmos, die innerweltliche (1) aQx. Ein Urmeer und Endmeer, um es allgemein zu sagen, umrahmt das Weltsein.c Aber nLeCOTov koordiniert und kann nicht heilen, daB ein Spalt sei. Vor dem dergestalt umrahmten 'Weltsein' ist wieder mit keinem Wort die Rede. *Auf das Meer folgte die zweite Etappe in zwei Teilen. Aus dem Urmeer sondern sich zu gleichen Teilen (mehr braucht das ' 4av- ' iav wohl nicht zu heiBen) Erde und

nonaTc 'Q.(( Im Text ist von 'Wandel' die Rede, nicht von Sonderung, das hieBe eixxQla;. iZu gleichen Teilen(, als (bersetzung von TO puV fpav r6 d6 tuav, ist unscharf. Es kann nicht bedeuten, einem sich 'aussondernden' Teile von nq8aT eentspricht' ein sich aussonderndes MaB von Erde. Vom Text bleibt das alles weit entfernt. - Zu e; Tov avdov Ao'yov vgl. Herodot I i86 xava Tov agrr6v Ao'yov. Zellers Erklrung viel zu kompliziert.

2) Ebenso die Zerlegung des Werdens bei Melissos Fr. 9: ano'AAvaOa& TO :lvQOEV

o6v . . . o' yaQ xo'aAog 6 neo6aOev EidV ovx ano'AAvra&.

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i6 Karl Reinhardt

das MaB bleibt dasselbe, wie das Meer beweist, wenn auch das Wasser, das aus Erde jetzt 'zerflieBt', zuvor aus Meer zu Erde wurde. Aber nur die Halfte wird zu Erde, da die andere Halfte, als Himmels- oder Gestirnsmaterie, auf- dampft; moglicherweise ist neqarne milesisch. Olov nenar77eo; av')o'; sagt vom Gestirnsfeuer Anaximander. Aber wie man es erklaren mag, es wird ge- wiB das Feurige mit ausgedrtickt. DaB nicht auch von den Gestirnen die Konstanz des MaBes ausgesagt wird wie vom Meer, kann kaum befremden. Oder vielmehr, sie wird ausgesagt, mit aller Deutlichkeit, die sich nur wiunschen laBt - in Fr. 94: 9itog 03 'X efltEeP ?ETaat jue'a ... Die Verbindung zwischen 'MaB' und 'Dike' schliel3t den Ring der Ordnung um die Welt, so wie sie ist, war und immerdar sein wird. DaB das 'MaB' der Sonne (der *mit jedem Tage neuen(, Fr. 6) auf den jetzigen Weltzustand zu beziehen ist, ist nicht zu be- zweifeln. Weshalb soll, was von der Sonne gilt, vom Meer nicht gelten diirfen?

Erkennt man in den'Wandlungen' die gegenwartige Welt, laBt auch die Aussage von ihren Riickverwandlungen nichts mehr vermissen. Erste Rick- verwandlung: -cd 'tav etqar ne. Zweite Ruckverwandlung: Oa)Aaaaa btaXe'erat. *Das Meer geht aus festem in fluissigen Zustand iiber.J 1) A taXelaOat, vom tObergang aus festerem fluissigeren oder leichteren Aggregatzustand, ist milesischer Terminus: Anaximenes Fr. 7 A 6'rav Eig rd deaco'eeov 0 axvO?, nrie ytdveaOat. Fr. 8 A aQatov'jevo; bE xa' taXeo'juevo; (sc. O ane) aWOi1e xai

7CVe. Zu jeder der Teorral, als erstens Meer, als zweitens Erde, wird, als in das gleiche MaB gebannt, der Riickwandel hingefiigt. HQ77arjn (gleichfalls mile- sischer Terminus?) ist allerdings nicht gleichzusetzen mit der Machtigkeit des Urfeuers, wie auch die Sonne nicht, doch als Erscheinungsform des Ur- feuers um etliches doch reiner als Erde oder Meer.

Zur Unterstiutzung seiner Deutung hat Theophrast das Wort von der 0 6; dtvw tad.rw, die eine und dieselbige sei (Fr. 6o), zu Hilfe genommen, indem er avcoi mit der einen, xa-tch mit der anderen Weltperiode gleichsetzte (Diog. I9, 9: xa' rav'rrv obov ent ro xacrwo evat usw. Aetius I 3, II). Die Bezeugungen des 'auf' und 'ab' (bei Bywater Nr. 69) sind zahlreich und prazis genug, um keinen Zweifel zu belassen, daB sie alle auf ein und dasselbe Wort, eben auf Fr. 6o, zuriickgehen. An Deutungen des Ratselwortes kennt das spatere Altertum nicht weniger als funf. i. in dem Sinne: ein Satz laBt sich auch umkehren; so Tertullian adv. Marc. II 28: quod enim ait Heraclitus ille tenebrosus: eadem via sursum et deorsum. 2. Entsprechend dem Ovidischen

1) Diels hatte als Subjekt zu d6aXveeraL das Feuer angenommen: *Es (das Feuer) zerflieBt als Meer.m So die Vors., gegen die Sonderausgabe, in der er als Subjekt das Meer betrachtet hatte. Kranz in der neuesten Aufl. ergAnzt: <yK> 5adAaaaa, um der Uberein- stimmung mit dem Theophrast-Exzerpt Diog. IX 9 willen. So muB3 zu diesem tbel auch noch d&aX?eEral xai pETQEIat verschiedenes Subjekt erhalten: *Die Erde zerflieBt als Meer und dieses (1) erhAlt sein MaB ... .( Die oben aufgefuhrten Schwierigkeiten werden dadurch nicht behoben. 'Meer' als Subjekt auch bei Snell.

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Heraklits Lehre vom Feuer I7

'cuncta fluunt' weist a'vwo xaeic auf die Unbestandigkeit, das Rad der Tyche; so z. B. Lukian vit. auct. C. I3, Marc Aurel 6, 46. Sodann 3. auf die Welt- perioden; 4. auf die Palingenesie der Seelen, indem man den Schlutssel zu dem Heraklitischen Ratselwort in der Platonischen Seelenlehre findet. Der Weg hinauf wird wiedergefunden in der Platonischen aivobo;: rn'v a'vco ava'paatv ... xai Tr)v ctg -ro vorjov ronov yrvX; pvyg a&'vo6ov Politeia 5I7b: -rg; a&vco 6o a.t 'aet5a, daselbst 62IC. Wer die Gleichung zuerst vollzogen haben mag, kann hier nicht untersucht werden, genug, sie wird bestimmend fuPr das Heraklitbild des Plotin (IV 8, I) und seiner Nachfolger, wie das lamblich .r. yvXi;, Stob. I S. 378 Wachsmuth. Am haufigsten jedoch wird &'rw xazt von dem Kreislauf nicht der Seelen, sondern der Materie durch die Elemente, also von dem kontinuierlichen innerkosmischen ProzeB verstanden, makrokos- mischen oder auch mikrokosmischen. Kleomedes S. II2 Ziegler (aus Posei- donios): o'bo yae avco xarco <dt'a>, TqaoV HeQ., bt'A'; rr4; ov'at3a; ree- ireaOa c xaieta,3a62etv neqgvxvia;. Philo de aetern. mundi 2I: Ta crotXeta. .. Ovo1axetv boxo'.ovra aJraOavaTtr(eat boAtxuvovra aet xat T)nv av72nv o6ov awvc xat xaTcr avv?co6 apet-ovca. Aus Philons weiteren Ausfuihrungen, der auch Fr. 76, beziehungsweise Fr. 77 hinzuzieht, ebenso aus Kleomedes' TQeecreaOat scheint sich zu ergeben, daB auch die rgojrat in Fr. 3I so verstanden wurden. Cicero de nat. deor. II 84 (aus Poseidonios): sic naturis is ex quibus omnia constant sursus deorsus uiltro citro commeantibus mundi partium con-

iunctio continetur. Marc Aurel 6, 17: a'vc xarO) xv'xAco (poeai rCov cTotxeG'tV. Derselbe 9, 29: ray-ra ea-rt i oa -roi xo'ajtov 6yxvx)Lta, avco xa-rco, E4 ai~vo; Et;

aicova. Maximus Tyr. or. 41, 4, vom mikrokosmischen ProzeB: ic-raflo,v 06ag atcav xat yeveaeog, aJ2ayq)v O6biCv a'vco xat xa-co, xa-ra -rov 'He., zur xatvoveyta -roi o2ov. Etwas anders angewandt, der FluBlehre in einer ihrer spateren Ausdeutungen angeglichen, bei demselben or. IO, 5 ruv y'a& cJ4ta 'eT xai pe'eeat o?Ec; EV&tl7cov 5t'xnv avco xai xa"o.

Um so erstaunlicher ist, wie unbesehen die neueren Interpreten jene Deutung Theophrasts, die doch nur eine unter fiinfen ist, als allein richtige akzeptieren. Wo doch Theophrast ausdriicklich sagt, daB er nur deute, eins dem anderen gleichsetze, da Heraklit aaqc~6; ov'3ev ex-rtOe-rat. Und muB nicht skeptisch machen, daB derselbe Theophrast, nach eben derselben Methode, auch die 'Eintracht' als die Weltperiode, die zum Weltbrand fiihre, auch die 'Zwietracht' oder den 'Krieg', als die entgegengesetzte Weltperiode, die zur gegenwartigen Welt hinfiihre, deutet? Wahrend doch der wahre Heraklit, von dieser Gleichung weit entfernt, nur die Identitat des einen mit dem anderen behauptet hatte, Fr. 79 (nach Snells tCbersetzung)l): )>Der Krieg fiihrt zusammen, und Recht ist Streit<x? Kein Zweifel, daB nach Theophrast

1) Diels in den frfiheren Ausgaben: )?. . daB der Krieg das Gemeinsame ist und das Recht der Streit((. Kranz in der neuesten Auflage: )sdaB der Krieg gemeinsam (allgemeiny ist und das Recht der Zwist((. Mir unverstandlich.

Hermes 77 2

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i8 Karl Reinhardt

die evavrt'a Heraklits ganz allgemein auf die verschiedenen Weltperioden sich verteilen sollen - hochst bedenklich, oder vielmehr ganz und gar unm6glich: 'r65v 6? evaVrioV td pe'v E' Tv yeveatv a'yov xaAEiaOot now'E{ov xat -etv, TO 6' enfl Tv EX7rVe)v 0,uo2oyiav xati EleqvV, xat TYPv /e-rapo/%iv 060v avco xac-rw, iov -re xo'ruov t'vtearOa xat' av'n?vl). Und was wird aus der Identitat der obo; ia'vw xa6-r? Wie ist sie zu deuten?

Eine Deutung kann nicht unternommen werden, ehe nicht die Vorfrage entschieden ist - man hat sie nirgends noch gestellt - die Frage: ist der eWeg' ein Bild, ein Gleichnis oder eine Lehre? Ich meine: wie der FluB im originalen Heraklit ein Bild oder ein Gleichnis ist und eine 'FluB-Lehre' 2) aus

1) Genau entgegengesetzt bekanntlich Platon Soph. 2 i 2 d, von den 'akuteren' Musen: coTg T ov ztoAAa' Te ca' g evrT&v, e'0ea be xat qt.iia avvyXeTat, im Gegensatz zu den 'sanfteren' Musen, zu der Lehre von den entgegengesetzten Weltperioden des Empe- dokiles. Letzte Deutung der Heraklitischen Gegensatzpaare 'im Einklang mit den Antiken' bei Gigon S. 49f. Platon wird dabei aus den 'Antiken' ausgeschlossen. Gigon erklart: *Die theophrastische Erklarung ist jedenfalls durchaus einleuchtend so zu erganzen: Wenn das Allfeuer als das Eine herrscht, sind die Gegensatze aufgehoben. Dagegen in der entfalteten Menschenwelt herrscht der Polemos (cf. Frg. 53).<( Ich halte den Begriff der 'Aufhebung' der Gegensatze fufr modern. Von einer 'entfalteten Menschenwelt' ist in Fr. 53 keine Rede, die Allgiltigkeit des Satzes, den es ausspricht, zu beschranken, scheint mir Willkuir. Wenn der Polemos der Vater aller Dinge ist, die einen zu Gottern, die andern zu Menschen macht, so herrscht er nicht nur in einer 'entfalteten Menschenwelt'.

2) Die Frage nach der Echtheit des Fr. 9I (Plutarch de Ec. i8) ist ein Uberlieferungs- problem. Das Wort oder die Worte vom Einsteigen in denselben Fluf sind in zwei Fas- sungen uiberliefert, einmal ohne bt; und einmal mit b61. Die ohne 61g sind wo5rtlich, Zitate, Fr. 12 und Fr. 49a, in voneinander unabhangiger Uberlieferung, noora,oi im Plural. Die Fassungen mit 61; spalten sich wiederum in zwei Arme. Der erste Arm geht aus von Platons Kratylos 402a: QLofi aJtxadcov Ta 06vra A.yet ci)s bt eg TOrv avxTov 7ro0auv ovx av 4tflahg;. Dieselbe Fassung, 2. Person Optativ - was niemals Heraklitisch sein kann -

und noTajuo'; im Singular bei Simplikios in Arist. Phys. S. 77, 32 Diels: hv (rvveXi 'o 'v)

6'fHe. 7vitaTo 6ti IOV 'c'; TOv av'To' a v `tg u av 'IAP4va&'. Dasselbe S. I313, II Diels: O'Tl aJet' natvIa Q?C xal 6'rt el TOV avcTov xoTaov ig; oVX av eupalg. Dieselbe Fassung kennt auch Plutarch, woruiber sogleich. Die zweite Form der Fassungen mit d6g hat ein ov3x EgCt zum Pradikat und o-ajuoa; notwendigerweise ebenfalls im Singular. So Aristoteles Metaph. IV 5, S. ioio a I3 Kedifv)o;. . 'HeaXAeldzp tezI,ia W1OVIt

O&t b6'g Tr av'hcj 7torauCo oV'x eaxv e'fpvat. avTog ydg C'OeTo ov'3' ad7a$. Dieselbe Fassung bei Plutarch de sera num. vind. c. I5: rg O'v (nozaAoav) oV' rpi7at 6g E4p4vat und de E c. i8: ro.rayico ya'e oVtX EaTtv ?fplivat b6ig -r aVT3x. Ist dies nun originaler Text oder Tradition?

Mit anderen Worten: gehen die Anfuthrungen, voneinander unabhangig, auf ein und den- selben Satz im Heraklit zuruick, oder ist es mit ihnen wie mit der vom Platonischen Kratylos abhangigen Uberlieferung? Was bei Aristoteles steht, ist nicht Zitat, sondern Anekdote. Die Entscheidung kann nur von einem unzweifelhaften Zitat kommen. Ein solches liegt vor bei Plutarch Quaest. nat. 2 S. 9I2. Aber was ist da kombiniert! Da erscheint rora-

polo, dem ganzen Arm der Uberlieferung zuwider, im Plural, daneben aus Platons Kratylos die 2. Person Opt. und aus demselben auch das bt6, und angefuigt ein Stuick Zitat aus Fr. 12.

Die Anfuigung war notig, da es sich um ein gelehrtes Q?rq7i1a 'uber das Quellwasser und Regenwasser handelt: .,ncorapot; ydaQ 6g ,,cot; avlotg" ovx av e4tfpah, 6g a v 'He., JTeQa yae eCtees vi6ata". Da wird also die Platonische Fassung mit dem Originaltext

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Heraklits Lehre vom Feuer I9

Heraklit erst hat herausgelesen werden konnen, indem man den 'FluB' und das 'Hinzustr6men', das EbQeeelv (Fr. I2; 49a) nicht mehr als Bild, sondern als Lehre nahm, indem das 'FlieBen', statt im Gleichnis, im Wortsinne von der Natur gesagt schien, nach der Deutung Theophrasts und seiner Vorlaufer:

eidv ra 6')a now-auoi5 blixiv: ob so nicht auch der 'Weg', statt Terminus einer Kosmologie zu sein, als den ihn Theophrast verstanden hat, gleichfalls als Bild und Gleichnis zu verstehen ware? Mit andern Worten: gehort das Wort vom 'Weg' in die Reihe der Worte vom Bogen, von der Leier, von der Walker- schraube, vom Meerwasser, von den Arzten, von dem Golde und den Waren, von dem Herrn zu Delphi, von der Kreisperipherie, von den Goldgrabern, von dem Mischtrank, von dem Raucherwerk oder 01? Die Frage stellen heiBt auch fast schon sie bejahen.

Doch noch verstandlicher in seinem allgemeinen Sinne wird das Wort, wenn nicht gesagt wird, daB der Weg bergauf bergab derselbe sei, sondern der Hin- und Herweg. Und eben das heiBt auch in der alteren Sprache, nicht anders als in der spateren, avco xarwj. Wilamowitz hat es gelegentlich zu Euripides Herakles v. 953 bemerkt: ))aYco xa'rco ist nur 'auf und ab', nicht etwa 'trepp auf trepp ab'M. Aristoph. Ach. 22: x-avIo xat XaTC TO aotviov 9EVYovat

TO ue1utA24uievov. Eurip. Fr. 597 N.: ro6v ueiv ya'e (XeaTOv -reo'ov) o?'6etg

(hier in Gansefuil3chen gesetzt) kontaminiert, aus dem Originaltext stammt nora,pot im

Plural und die Begruindung mit yde. Wie ware dies Mixtum mbglich, wenn das Gleichnis

mit dem 61g im Originaltext stand? Ein zweites wortliches Zitat mit 6t; liegt vor bei

Seneca Ep. 58, 23. Der Zusammenhang ist ahnlich wie Plutarch de E c. I8: corpora nostra

rapiuntur fluminum more . . . ego ipse, dum loquor mutari ista mutatus sum. hoc est,

quod ait Heraclitus: )>in idem flumen bis descendimus et non descendimus<. Aber auch

hier wird wieder die Fassung mit dem 'bis', verbunden mit flumen im Singular, mit dem

Originaltext Fr. 49a: Ejptla(vol'v -re xat oVix E',aivoliev, kontaminiert. Man stelle sich

das griechisch vor! Und doch kann nicht bezweifelt werden, daB sich Seneca auf keinen

Text beruft als den von Fr. 49a. Denn wie dort folgt: eTE'v re xat ov'x elTsev, so geht bei

Seneca dem die Bestreitung eines 'Seins' voraus: quaecumque videmus aut tangimus,

Plato in illis non numerat, quae esse proprie putat . . nemo nostrum idem est in senectute

qui fuit iuvenis. . . Wieder erhebt sich die Frage: wie ware das moglich, wenn es eine

Fassung mit dem bt' im originalen Text gegeben hatte ? Zwar ware ein haufigeres Vor-

kommen des Gleichnisses vom Strome in verschiedener Anwendung bei Heraklit wohl

denkbar, aber dann doch wohl, wie Fr. I2 und 49a, mit noTa,uoatrv ebenfalls im Plural.

atsg dagegen vertragt sich mit dem Plural nicht. Nicht zu umgehen ist 6t'g indessen, wo

der Ton atif die Geschwindigkeit gelegt wird. Aber diese Tonverlegung kommt erst auf mit

dem erkenntnistheoretischen Problem des Kratylos. Und Kratylos ist in der Tat der erste

Zeuge dieser Tradition, denn sein ov36' a'nra setzt ein b6; voraus. In spaterer Popular-

Philosophie wird dann das 3ig beliebt um der Verganglichkeit des Daseins willen. Wer

in 61g ein wortliches Zitat erkennt, der fuihre Kratylos zu seinem Text als ersten Zeugen an.

Bei Zeller-Nestle I S. 798 wird das Uberlieferungsproblem nicht anerkannt, und

Kranz zu Fr. 9I beschrankt sich darauf, sich auf Zeller-Nestle zu berufen.

Zum Rest von Fr. 9I vielleicht ein andermal. - tbrigens sehe ich, daB auch in Snells

Heraklit-Ausgabe der Anfang von Fr. 9I inzwischen gestrichen ist.

2*

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20 Karl Reinhardt

av btaatEeyat no-re Aoyot; 6vvatxo, Tov 3' iavow rE xat xarw (rov vo'ov) LoemC

anaeaaacov noAAadxt; Avjua(vexat ('hin und her zerrend'1). Und so spaterhin, so viel ich weiB, durchaus. Und nicht anders durfte aivw xarco auch schon bei dem Heraklit-Imitator de victu zu verstehen sein, I, 5 (Fr. C I): %QEl

be navra . .. avw xarwo auetpof6eva. Denn es wird erklart durch: fotra xedva

Jo&e xat ia&e xelae, wahrend nichts verlautet, das auf einem vertikalen Gegen- satz hinwiese2). Ja, derselbe Autor sucht im i6. Kapt. offenbar das Heraklitische Bild des Weges durch das Bild der Sagenden zu ilberbieten: nte?Ovzwv a'vw

gQtet, xo be xa-rw ... z& ae%v xacr tde'Cerat, xa be a'vo eenet. Die Sage wird nicht hinauf und hinunter, sondern hin und her gefuihrt, ihr eines Ende nimmt zu oder ab, stets umgekehrt zum anderen: so ist auch die Atmung; wie Tod, Nahrung und Geburt, ein mikrokosmisch-makrokosmischer Austausch: ,le(O zotoivVIe; niAEA noti6at3).

Damit wird das Bild des Weges von jenem verengten Anwendungsbereich, den Theophrast ihm angewiesen hatte, wiederum befreit. Die Deutung auch dieses Bildes hat sich jeweils nach dem Sinne gerichtet, der sich dem gesamten Phanomen des Dunklen gegenuiber ergab4). DaB endlich und zuguterletzt die Gnostiker, wie der Gewahrsmann des Hippolytos, das 'avw) xaT-w gnostisch auf den Gegensatz Welt und Erlosung, yeveat; und a?navaat'a usw. deuten, wie ware das anders zu erwarten? 5)

Der interpretatio christiana des Klemens ist die des Hippolytos nachst verwandt. Nach Stil und Umfang ist sein Heraklit-Kapitel wie ein Stulck von einem systematischen Kommentar, das einzige von allem dem vielen dieser Art, das sich erhalten hat. Die Quelle des Hippolytos ist ein mit Sicher- heit nicht zu bestimmender Gnostiker6). Der Gattung nach erinnert das

1) Auch in der Komposition bedeutet ava und carda die Richtung von dem Redenden weg und auf ihn zu, xacre'Qxo1at, avalaivewv xara'nAov; usw. Wie weit eine Vorstellung von Hoch und Tief hereinspielt, ware zu untersuchen. -Fernzuhalten ist natuirlich Td avco xaTco t05aco, Herod. III, 3. Aeschylus Fr. 3II N.

2) Auch in Platons Phileb. 43a: dez y d'navxa Xvo TE c ,acf dEl, und ebenda 43b: at ,uetafloAat xacrco cat 'avw ytyvo'jueva&, heiBft iavw xatrc 'hin und her'. Ebenso Plat. Gorg. 493a: peSTanrbTLev avw xaTco.

8) Anders, mir unverslAndlich, Diels Her.2 S. 69: *Wahrend sie auf die Sa;e drficken,

geht sie bald nach oben, bald nach unter(. - Bei den 'Bohrenden' ist an den Drillbohrer gedacht, der durch einen 'hin und her' laufenden Riemen und Bohrbogen in Rotation versetzt wird.

4) Verfuhr das I9. und 20. Jahrhundert sehr viel anders? Fur Diels wurde Heraklit zu einem 'Aphoristiker' wie Nietzsche (Sonderausgabe, Einl. S. IX) ...

5) Vgl. dazu z. B. R. Reitzenstein Poimandres (I904) S. 89f., die sogenannte Naas- sener-Predigt, Hippolytos S. 88ff. Wendland: 'Qxeavog ... &x naAteeotas areep6,OIevo; aidt, zoTeo 'avw notE xaTw. Der Gegensatz dvco xaccrco begegnet, wie die meisten uibrigen Gegensatzpaare des Hippolytos, bei den Gnostikern haufig.

6) Ich hatte Parm. S. I6I die Gnosis vorgeschlagen, die unter dem Namen des Simon Magus ging. Auf Heraklit beriefen sich u. a. auch die Sethianer.

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Heraklits Lehre vom Feuer 2I

Kapitel an die Art gelehrter Exegesen. Jedesmal folgt auf ein Stuck Behaup- tung als Beleg ein Stuck originalen Textes. Es wird nichts behauptet, was nicht auch belegt wird - allerdings nun mit hochst gnostischer Willkiir. Je groBer die Spannung zwischen dem heidnischen Buchstaben und dem darin ent- deckten christlichen Geist, desto willkommener, denn desto erhabener das Ritsel.

Die Summe christlicher Theologie, die so in Heraklit hineingedeutet wird, gipfelt im Dogma vom jiingsten Gericht. Der erste Satz mit seinem prunken- den Asyndeta steht wie die {berschrift fiber dem Ganzen (Elenchos 9, 9 S. 24I Wendland): 'He. [e'v oi'v 7lV t' Uvat d -or&v btateerov abtat,erov, 'yevrj-ov ayevnrjov, Ovjtodv aOavaTov 2dyov atJSva, zareea viOv, 080v bt'xatovl). Die Ausfuihrung erfolgt zwar nicht ganz in derselben Reihenfolge, aber die Begriindung fuir das letzte Pradikat, fulr Oeov 6i$'atov, steht immerhin am Ende, ? 6, in den Zeugnissen von Gott als Urheber der Auferstehung und vom Feuer als dem Weltgericht. Das erste Pradikatspaar, %tateerodv abtat'Qerov wird aus- gefulhrt ? 2, das vierte, 2oyov aiCova ? 3, das fiinfte, .7areva viOv ? 4 (ahcbov 7raTg ?x'rrv und 7to'Auo; zarvzcov araTn1e 'a-rtv; herausgehort wird aus den angefiihrten Worten nur 7ratg und %ar e), das zweite, yev?pr6v a'ye'v?ov zum Teil zugleich ? 4, zum Teil ? 8. Dazwischen steht noch eine Reihe anderer Pradikate, in der CTlberschrift' nicht aufgezahlt, vor allem, reich belegt, das Pradikatspaar acpavE' 9paveeov c. 9 ? 5 u. 6, c. io ? I. Uns interessiert allein das Eschatologische, von c. io ? 6 an (Fr. 62 Diels): A'yet 68 'o2ooyovueavcwg ro aOavarov civat Ovnr6'v xa' -d Ov-rdv aOa6vatov b6a -rC7v rotov )o'ywv.

WaOcvLarot Or0roi, Ovyro, dOdvarot xA. Woran allerhand Dunkles fiber Auferstehung und Weltgericht sich anschlieBt2). Klar indes ist, daB auch hier wieder, wie schon bei Klemens, zwischen Text und Deutung Reste stoischer Exegesen liegen.

Die Gewaltsamkeiten brauchen uns nicht zu befremden. Sehr viel miB- licher ist, daB unser Deuter seine eigene Regel zu durchbrechen scheint. Denn wahrend sonst, durch ov'ichw mailv eingeleitet, das Zitat jeweils der Wiedergabe seines Sinnes folgt, steht Fr. 66, dies fur ihn doch wichtigste Zitat (wenn es denn ein Zitat ist), ohne jeden Kommentar: radvza yare, qat', -o nCVU ebe&OOv xetve xal xaraqyweat. Hinzukommt, daB nicht einzusehen ist, weshalb dies Fragment nicht als Beleg steht zu dem Satze: AEVycu bE xai roi xoY[ov xotatv xat 7avurcov r&v ev avrco tat nveO6g ytv8aOat A)ywov oViwg.

1) b$xatov <aKbtxov> Diels, gegen die Disposition.

2) Vor Fr. 63 stehe ich ratlos, fiirchte aber, einen Gott als Urheber der Auferstehung da hineinzulesen, weil ein solcher in der Paraphrase des Hippolytos genannt wird, heiBt die Paraphrase uiberschatzen; dem Christen genuigte der christlich-eschatologische Klang von 6covrcv xaw vexecov, das in der Tat ja zugleich christlich ist, um daraus das jiingste Gericht herauszuhoren und zugleich den, der da kommen wird, zu richten uiber die 'Leben- digen und die Toten'.

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22 Karl Reinhardt

Statt dessen dient als Beleg hierfiur das soviel ferner liegende: -a be z' naivTa

otaxt:et Keeavvo'g. Was brauchte man das richtende Feuer in den Blitz hinein- zudeuten, wenn man es so christlich unzweideutig, wie es unzweideutiger nicht denkbar war, im Heraklittext vorfand? Man hat kiirzlich den Versuch gemacht, dies offenbare tVbel durch eine Gewaltskur am Text des Hippolytos zu heilen, doch vergebens'). Der Text hat zu bleiben, wie er dasteht.

tberrascht die Deutung, desto besser. 'ra6e narvra' deutet auf den Kos- mos samt navra ra ev avtcj; oiaxt4et wird als xarevOv'vet erklart2) und aus diesem das 'Richten' herausgehort, im 'Blitz' das christliche 7zrv~ atcovtov wiedererkannt. Hinzugefuigt wird, zur Erklarung des Heraklitischen Feuers, noch einiges Stoische: es sei -c4g btotxraewA-c Tv 6O')wv a'ttov (stoisch)- xaAe2

be c3rd xer auoatvrjv xat xo'eov XenajUoavn be' Ea-ltv btaxo'aUcngl; xaT' avTO'v, N be ex7zrVecatg xoeo; (gleichfalls stoisch)2). Aber damit konnte

der Interpret nicht schlieBen, er muBte hinzufiugen, nicht anders als auch Klemens: die exztvewoatg namlich bedeute das Jiingste Gericht. Und dieser notwendige SchluB steht da, wir haben nur das qrjat'v nicht als Anfuihrung eines Zitates zu verstehen, sondern, wie es so haufig vorkommt, in dem Sinne: )damit meint der Autor: nadvra Yde, ThEa i, rO 7rre EeAoov XetVae xat xaTa-

knpEzat< 3) .

1) H. Frankel vermutet in der neuesten Auflage von Diels-Kranz, daB die Zitate Fr. 64-66 urspriunglich am Rande gestanden und z. T. falsch in den Text eingedrungen seien. Zu begriuiBen ist, daB ilberhaupt AnstoB3 genommen wird. Aber die Losung des Problems ist so nicht moglich. Erstens ist der Hippolytos-Text doch so geordnet, daB man mit der Arbeit eines Redaktors rechnen mfiBte. Zweitens wird auf die Weise, wie Frankel glaubt einrenken kdnnen, die Verrenkung nur noch schlimmer. Ich setze den Text her, wie er ihn haben will:

Aeyet 6E xac -rog xo'qov XQeaitv ac narvrwv rCv Ev aVi3ix (ta' zvedog yveraO AE'Ywv ovxw; 7ravTa yaQ [2qfa] TO nEg ?rerAO6v XetveC xai xaTracbiperat. )Eyet be xac mQo'vl/ov ToVIro evat 10 zrvine xac r45 btooxcreog TUv 0Awv aTrtov, <oViho AE)yov> ia be nacvra otdaxcet xegavvog, IrovvEa't xaTEv6v'vE&, xeQavvov Td niQ Ae)yov ro atcovtov. xaAet b6

avxo XQeapocrv'viv xat' xo'QOV biQiOxV'Vn 6' gaetv b (taxo'anatg xar' acno'v,

Zu zeigen, aus was fur Griunden das unmoglich ist, ware z. B. eine Aufgabe fur eine Seminar6ibung.

2) So schon der Zeushymnus des Kleanthes v. 8: aei CcoovTa xeeavvov. . i av xarevOvvet; xovOv A0,oyov.

3) 0,qa'v, nach einem w6rtlichen Zitat, in der Bedeutung: 'damit meint der Autor', z. B. bei Klemens Strom. I S. iii, i8 St.; Strom. V 3 S. 338 St., nach Empedokles-Zitat. Beispiele werden sich in allen gr6Beren Kommentaren finden, wie in denen des Galen. Auch bei Hippolytos erinnere ich mich, ihm 6fter begegnet zu sein. Ein Beispiel, das ich mir notierte, dirfte schlagend scin, S. 2II, 5 Wendland, zur Erklarung von Empedokles Fr. 6, der viel zitierten Stelle uiber die vier Elemente: Ei ya'e E` oegaev, ov3x av v atoxe

At/lwl xaT?reA 9PO? d ~Coa ... 6a' Tro2o N4aoTnv xaAel -t V'P6w. Auch hier wieder das er- klarende cpi7a?v, mit dem begrulndenden yae, verbunden mit 7aAci. (Ein gleiches Bei- spiel Parm. S. i64.) Ein weiteres Beispiel S. 213, 25 W.: JOcEV 9q2ialv i$ v'baxos ei5 'Yav, E'x 'Ys 6E e'g rOv adQa, als erklarende Paraphrase des Empedokleischen Textes.

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Heraklits Lehre vom Feuer 23

Wie man diesen Satz als heraklitisch hat betrachten konnen, ist ein Ratsel. Man bedenke: dieses All, von dem, wie alle Vorsokr.atiker erst recht auch Heraklit mit solcher Achtung redet, soll verurteilt werden, dieses All soll nicht etwa das Feuer sein, oder zu Feuer werden. Das Feuer soll rich ten iuber das All, Feuer und All etwas Verschiedenes sein. Wie anders als das Wort vom Feuer, gegen das das All getauscht wird wie die Waren gegen Gold. Der Blitz, als Lenker, bleibt dem All doch immanent'). Aber das Feuer soll 'hinzukommen' oder 'heranriicken': *Denn alles wird das Feuer, das heran- riucken wird, richten und verdammenm, Diels. Wie christlich! Wenn das wirk- lich da stand, dann hatten die Kirchenvater recht, dann hilft nichts, dann war Heraklit einer der Ihren.

Nun aber vergleiche man die beiden Satze: )syet 68' xat' xoapov xetalv xat cavvrov -rx?v Ev av'rCw bta' nvo Zyt'veaOat und: 7arvra yac, Trhat, To n1e eLA0o0v

xtveli ;a' xara2ipperat. Das Spannungsverhailtnis, das sonst zwischen Text und Interpretation, sofern sie christlich ist, besteht, hier ist es aufgehoben. Beide Satze besagen in der Tat dasselbe. Fur christliche Ohren ist der zweite Satz, als einziger im ganzen Heraklit - gesetzt, daB der da wirklich stand -

kein Ratsel mehr. Hippolytos hat das gar nicht interpretieren konnen, denn das ist selbst - Interpretation.

'E,dexo,uat, vom 'richtenden Feuer' ausgesagt, welches als Heraklit- Wort solche Pein bereitet, wird, christlich eschatologisch, sinnvoll und ge- liufig; Luc. 2I, 26: a&nod (po3ov xac neoaboxtag TVCov '7rQX1xO/EVCOV T otxov- 4w v'. Jak. 5, I: '2fl Tai; -raAaawiaetag; vgcov Tatg e7 %oiuevat. Sapientia Salomon. I2, 27: bto xac -td re?Qua rI7 xarabltxqj ?' avrovg E'tnA0ev. Und gar bei Hippolytos selbst lesen wir im Epilog, S. 292 Wendland: bt' l? e'rt-

Cv'ewg v'4ea0 -, 1OFVNV rVQog xea&og d^?lv, was nur als Gene- tivus subjectivus aufzulosen ist: zo 7rAV~ E7reOAOv xQtVEl. Das xaTra2rpeTat hat man nun freilich im archaischeni, juristischen Sinne gedeutet wie in Fr. 28, aber dort ist Dike doch ein anderes Subjekt als hier das Feuer, und die Liugen- schmiede- und -zeugen doch ein anderes Objekt als hier das All. KaaAaluflavetv aber kommt zu allen Zeiten in so vielen Verbindungen vor, daB die Erkiarung aus der alten Gerichtssprache allein nicht zwingend ist. )>Das Feuer wird richten und uiberwaltigen(' oder )>wird richten und verschlingen<< ist christlichen Ohren nicht minder gelaufig als EU'.Q(eaOal vom jiingsten Tage: Tertullian de spectac. c. 29f.: ille ttltimus et perpetuus iudtcii dies . . . cum tanta saeculi vetustas et tot eius nativitates u n o i g n e h a u r i e n t u r. Zumal auch von einem Verderben, das hereinbricht, wird es seit Alters gern gebraucht. Am unbequemsten aber duirfte den Verteidigern der Echtheit werden, daB, wie

,E7eQOpevov, so auch xata)pe-tat, im gleichen Futurum, bei Hippolytos

1) Ebenso waltet nach Anaximanders Lehre von der zrt't; und b6tx in der Welt eine ihr immanente 'Gerechtigkeit'.

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auch wieder eschatologisch vorkommt, S. 206, 14 W.: xaTaA1yewrat yae xat TofCov jieyadAr a'yvota... xaTa ipVeTat be ouotco; xat Tov lieyav a'eXovra tri; o,yboa'bo. .. xaci ov'rco; a'btoxaraaaotg gnacat. Gemeint ist die a"'yvota, von der es heiBt: e ca'2et o6 0GE0 sl tOv X6ac,ov 6'ov Trv geyadAqv aiyvotav. Ahnlich S. I58, i9 W.: qOoa4 rtg xa-ca2i7yerat ovx et; ,Iaxeav o-re Tov; alc3vas.

MuB demnach Fr. 66 ilberhaupt gestrichen werden und hort Fr. 3I auf, den Weltbrand zu beweisen, welche Zeugnisse in Form von Anfiihrungen bleiben dann noch iibrig? Fr. go, t620- aJvra1aoql ... ., worin Theophrast - wie vor ihm wohl schon Aristoteles - ein weiteres Zeugnis fuir die Ekpyrosis erblicktel), muB nicht zwingend so verstanden werden. Das Gleichnis besagt nicht, daB periodisch, im Verkehr des Marktes, alle Waren auf der einen Seite sich befanden, auf der anderen alles Gold. Ebensowenig ist die Folgerung des Weltbrandes aus Fr. I0 zwingend. Aber nun bleibt noch Themistios, von dem Gomperz annimmt, er wie Aristoteles muiBte das - von uns soeben ge- strichene - Fr. 66 gelesen haben.

Wieder ist die Frage als ein Vberlieferungsproblem zu stellen. Themistios paraphrasiert Aristot. Phys. III 5, 205 a 3: 'cieQe 'H. qgratv ac&av-a ytvEaOa( nore 7rie. Er steht von selbst damit in einer Kommentatoren-Tradition. In- dessen hat er etwas, was sonst fehlt. Simplikios zu derselben Stelle schreibt (S. 480 Diels): 'Reye yae 'H. ix FIrvoo' ? aougVOV iavra dvi t xa5 ii;

Tofto rzcavra avaAveaOat... cO; H. etdg 7rfQ 2yov (uyerapaAAetv) xai e'x

nvQO; davta. Philoponos zu derselben Stelle (S. 436 Vitelli): Muvi7aOj ya2' "HQUaxXeJrov -r6 nr2 aJQXn)v 108idVOV xal )eyovro; bla Tovro xcat avTa

rorJ ei; avro avaAvO 'aeaOac Eixzrvecoi aeaOat yaQ' zore To E'6Arav. Hingegen hat Themistios (S. 86f. Wallies): 6()aree 'H. -od 7rCQ o5'erat [o'vov arotxedov

xat ex rovrov yeyovevat To 7rav. evreUIev yaQ' rya; xat' 6e8TTeTal

avJu(p'y 'azctOat 7Core ro rav a7rerCo6v, rE816t bta2eAvOn'raet e; TOVTO

i5 ov' xcat iyE'yove. Was ist da passiert ? Hat, hier angelangt, Themistios seinen Heraklit von dem Regal genommen und ihn nachgeschlagen? Wenn er ihn besessen hatte! Was er vor sich hat, ist vielmehr die traditionelle doxogra- phische Formel - der Beispiele sind unzahlige - dieselbe Formel, deren auch die anderen sich bedienen. Nur be de ut e t sie ihm etwas anderes. Woher sein beb(rreraOat, sein ad7retAeZv stammt - wer den Klemens las, der weiB es: aus christlicher Interpretation. Wenn auch selbst Heide in dem christlichen Byzanz des vierten Jahrhunderts, hier ist er, wohl ohne es selbst zu merken, einer christlichen Auffassung von Heraklit erlegen. Das b6et'-rretv, aJ7ecldv

bezeichnet Heraklit als den Propheten. 'A7rtcA6v vovOcrei... xaci T5 'rveit

6c6treTat Tovg avOQcoov; Klemens Protr. S. 8, 3I St., vom Worte der Schrift.

1) Simplikios zu Arist. Phys. S. 24, 4 Diels; Diogenes IX 8 und die bei Bywater S. io zitierten Stellen. Vors. Fr. A 5.

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So bleibt am Ende nur noch Aristoteles: die eben angefiihrte Stelle der Physik, zwar kein Zitat, doch immerhin ein Zeugnis. Um es zu erklaren, gibt es wiederum zwei Moglichkeiten. Entweder hat Aristoteles ein Wort des Heraklit im Auge, das uns unbekannt ist, und das in der ganzen tberlieferung des Altertums zum ganzen Heraklit weder zitiert noch angedeutet wird: das wichtigste, ja das allein unzweifelhafte Zeugnis fur dies doch berulhmteste von allen alten Dogmen, das ein Zufall, eine Liicke in der sonst so reichen tJberlieferung uns entzoge. Oder Aristoteles hat eben das vor Augen, was auch Theophrast, was auch die Stoiker vor Augen hatten, was, sofern es auf den Weltbrand sich bezieht, im allgemeinen uns bekannt sein diirfte. Hier mag jeder sich entscheiden, je nach dem wie er die tYberlieferung einschatzt. Ich kann nicht umhin, das erstere nicht fur wahrscheinlich zu erklaren.

Aber hat man bei Hippolytos den einen Satz zu Unrecht fur ein wort- liches Zitat gehalten, so hat man sich uiber einen anderen, wie mir scheint, doch gar Zii wenig aufgehalten: Aeye bet xac fQoVtlov Toi-ro T etvat -ro VIVQ.

GewiB, was darauf folgt, xa' -g t3totxOa,cw wgOV rS O'2wV ait"ov, ist nur stoisch,

Pharaphrase zu Fr. 64. Aber stoisch ist auch das, was da vom 'Mangel' und von der 'Sattheit' steht, wo doch kein Zweifel ist, daB beides Heraklitische Begriffe sind. DaB Heraklit das Feuer TQgOvtUov genannt hat, wie es von Hippo- lytos bezeugt wird, ist das wirklich so ganz ausgeschlossen, wie es unseren Editionen nach der Fall zu sein scheint ?

Heraklit war in dem Leserkreis um Klemens als heidnischer Zeuge des christlichen Heils bekannt genug, um bei Zitaten von beriihmten Worten seiner Schrift auch ohne Namensnennung erkannt zu werden. So spielt Strom. II S. II4, 2 St. an auf Fr. IOI: a' b av'rot' 'bLraadevot eavrovs

Epvevenxevat fevarrovrat. Strom. II S. I49, 2I auf Fr. I3: XOlQo5 'tlo 'p

5rrtcat' xat xo'sQro (sichtlich ohne Namensnennung). Desgleichen Protr. S. 68, io St.: V's5 ya6Q, cp7v 'a7iiovTa0 flOQPfo'Qp' ,i&aov `

xaoaQc V%art. Auf Fr. 99 spielt an Protr. S. 8o, I St.: xat yae crane 'XAov jnx 06v-o;

evexa rJv 2A)ACOV aarewov vv' 'a& v ra da vra', ov'rco; ed ') rov Ao'yov ̀yvciluEv xtA. Auf Fr. 70 Protr. S. 78,7: xaOane x oi'aveg' r&'aOv'eara' abVe; yevo'[evot an7e'etyav. So kommt auch Fr. 92 ',uatvoeVCO Trouavt' als ge- fluigeltes Wort vor bei Hippolytos S. 96, 6 Wendland. GewiBi sind von diesen geflulgelten Worten einige, wie Fr. IOI, so oft bezeugt, daB weiter nichts dabei zu denken ist. Bei anderen aber, wie z. d. Fr. 99, waren wir niemals im Stande, eine Anspielung auf Heraklit auch nur zu ahnen, wenn nicht zufallig dasselbe Wort an anderer Stelle als Zitat aus Heraklit sich wiederholte. Daraus nun ergibt sich eine nicht ganz angenehme Rechnung: es ist nicht unmoglich, daB bei Klemens und den Kirchenvatern ein paar unbekannte Worte Heraklits als wie in einem groBen Strom herumschwimmen, die aufzufischen uns niemals gelingen wird, es ware denn, daB uns von anderer Seite auf sie hingewiesen wiirde.

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Einem beruihmten Worte anzusehen, daB es beriihmt ist, ist nicht immer leicht. Indessen gibt es ein sicher beruihmtes Wort bei Klemens - wie be- riihmt es war, ersieht man aus der Art, wie es zitiert wird -, das sich einem Urheber bisher nicht hat zuschreiben lassen. Dies Wort ist kein anderes als:

nVQe cpeo'vtuov (oder nV~e 9q9ovobv'))! Die Stellen haben nicht die Philologen, wohl aber die Theologen kingst gesammelt, ohne doch zu wissen, wo mit ihnen hin.

Klemens Paedag. S. 262, I3: in dem Brande von Sodom lasse der Logos einen kleinen Vorgeschmack erkennen von dem kuinftigen Feuer des Gerichtes: oAtyov rt IroV e ov t i O v nV v O e ' v e x V t V o l TqV axo)aatcav ?XA`Zv. Wobei exeivov auf die Bekanntheit des gefluigelten Wortes hinweist. Ausfiihrlicheres fiber die Vorproben des Feuers Protr. S. 4I, 9ff. St.: dies Feuer habe den Heratempel in Argos, den Artemistempel in Ephesos verbrannt... xa rdv ev A eAgol -rog 'Ano'Aiw)vo; teo'reoov q' aae Oiea, 'weta qvtae

fie acopeo vo'v'. Eschatologisches nge gqeo'vtuov, als Fegefeuer, ferner Strom. VII S. 27, 7 St., Eclog. proph. S. I44, 8 St. Von Klemens uiber- nimmt das gefliugelte Wort Origines de orat. S. 390, 7 Koetschau, weiter ge- langt es zu Minucius Felix c. 35 (sapiens ignis), zu Tertullian scorp. 3 und in die Pistis Sophia2). Anrich, der die Stellen zusammenstellt - z. T. nach anderen -, entscheidet sich nicht zwischen den zwei Moglichkeiten, die er annimmt: der, daB Klemens selbst ))den Ausdruck hatte praigen k6nnen((, und der, daB er ))aus stoischen Kreisen stamme< 3). Und doch ist weder das eine noch das andere glaubhaft. Klemens 'pragt' das Wort nicht, und die stoische Theologie, ganz abgesehen davon, daB ihre Formeln uns bekannt sind, genieBt keines solchen Ansehens bei den Christen. Der stoische Terminus ist nge voeQo'v oder reXvcxov4). Fuir rpeo'vtuov beruft sich Klemens selbst auf 'die Propheten', Ecl. proph. S. I44, 8 St.: bto xat fQovtlov eyexat a aea

T-O; neorntaat tovio -to nge. Anrich zeiht ihn deswegen des Irrtums. Doch vergegenwartigt man sich seine Anschauungen von Abkunft und Art der

1) Hi9e 9Qovo6v erinnere ich mich bei Klemens gelesen zu haben, habe aber die Stelle im Laufe der Jahre wieder verloren. Die Variante fQovoiv und aarqgovoiUv wiirde den Varianten cpeoveiv und awoqoveiv in Heraklitfragmenten entsprechen. [S. jetzt auch Diller, d. Ztschr. 76 S. 370.1

2) Carl Schmidt, Koptisch-gnostische Schriften I (I905), S. 49, I. I3; S. I93, 34. (In: Die Griech. christl. Schriftsteller. . hrsg. von der Kirchenvater-Kommission).

3) In: Theologische Abhandlungen fur Heinr. Jul. Holtzmann, Tilbingen u. Leipzig 1902, S. I I7.

4) Bei Philodem de pietate (DDG S. 548b I3, Arnim, Chrys. Fr. 636) nennt Chrysipp den Kosmos 'va -r&Cv gqovtj,cv, aber unter lauter Bestimmungen, fuir die er sich auf Heraklit beruft. - Chrys. Fr. 423 Arnim, Aug. de civ. dei 8, 5: Nam Stoici ignem ... et viventem et sapientem et ipsius mundi labricatorem . . . eumque deum esse putaverunt. Aber da ist nicht sicher, ob neben enpuvxov und xevtFxov nicht voeeo'v gesagt war. Zenon Fr. iii Arnim: rO yade voee6ov xo V voeeov xat TO epvXov xov TOV eI?vVXov xQeT-rroV

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'barbaros philosophia', seine Auffassung von Heraklit als einem Gliede der prophetischen Ur-Tradition gleichsam in partibus infidelium, und erinnert man sich, wie nahe fuir ihn der Dunkle, o yevva7og 'HeaxAetros, dem y:vvaTo; a71oaTro2og, dem Paulus oder dem Jesaias steht, so braucht hier nicht einmal ein Irrtum vorzuliegen1). Denn zu allem andern kommt hinzu das Zeugnis des Hippolytos: Aey'e 68 xat' (mo'VOuovo Tovo et vat rd 7Q. Auch fur Hippo- lytos ist dieses Feuer das des jiingsten Gerichtes. Der Ring duirfte sich schlieBen.

Fuir die Frage nach dem Sinn des Feuers in der Lehre Heraklits ist das hinzugewonnene Fragment nicht ganz belanglos. Entgegen gewissen neueren Tendenzen, systematische Beziuge moglichst von ihm fern zu halten2), er- scheint es als Bindeglied von Wichtigkeit zwischen den drei Aspekten: einem physiologisch-kosmologischen, einem theologischen und einem psychologisch- existenziellen. Ist das Feuer opeovlAov, so gewinnt damit z. B. Fr. II2 einen Hintergrund, den man sonst kaum gewagt haitte zu ahnen: -o' QOvetv

aeetn lieyian ... Auch das xara cpv3atv EXratovTeg daselbst ruickt damit in ein anderes Licht. Wieso die trockene Seele die weiseste und beste heiBen kann (Fr. ii8), erklirt sich jetzt auf eine Weise, die man zwar vermuten konnte, aber umso lieber doch bestatigt findet. 'Das allein Weise' in Fr. 32 ist wieder nicht ohne das 7ve fdovLtuov zu denken. Wasser oder Erde lebt den Tod des Feuers wie im Mikrokosmos so im Makrokosmos (Fr. 62, 76, 77). Der Gedanke ihrer Gleichung erscheint, wenn auch nicht als Kern, so doch als eine condicio sine qua non fur das Denken Heraklits. Doch hier bedeutet dies, zum Unterschied von spateren Erscheinungsformen dieser Gleichung, noch kein Lehrsystem, sondern ein Ratsel, einbezogen in den groBen Griphos, den Homer nicht hatte erraten konnen. Daher Hindeutungen wie in Fr. i6: Ir ,u 6i5vov3).

Leipzig Karl Reinhardt

1) Origenes c. Cels. V I5 schreibt so auch die Lehre vom nvi xaOa'Qatov einigen 'Hellenen' zu; gemeint ist wieder als erster Heraklit: cSa7eQ 'E)AAvwv rt&av go4e (raXa naqa xoig aJQXatoxacrov g5vov; 'EPQalcov Aafloivt) -to' ne ? aOaatov rayex-at t 0a .

Eine xacOaacrtg xoi xo'apov hatten freilich die Ekpyrosis bereits die Stoiker genannt; s. DDG. S. 57I, 20; Arnim Chrys. Fr. 598 (Hippol. Philos. 2I).

2) z. B. Gigon S. 6of. 3) Vom 'Ratsel Heraklits gedenke ich ein andermal zu handeln.