Globale Gerechtigkeit Gerechte Globalisierung · Table A3). Das reichste ... To help offset their...

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1 Renner Institut Wien Soziale Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert Thomas Pogge Leitner Professor of Philosophy and International Affairs, Yale University Globale Gerechtigkeit Gerechte Globalisierung

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Renner Institut WienSoziale Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert

Thomas PoggeLeitner Professor of Philosophy and International Affairs, Yale University

Globale GerechtigkeitGerechte Globalisierung

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Weltarmut heute

Von rund 7 Milliarden Menschen heute sind etwa

868 Millionen unterernährt (FAO 2012),

2000 Millionen ohne Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten(www.fic.nih.gov/about/plan/exec_summary.htm),

884 Millionen ohne sicheres Trinkwasser (WHO/UNICEF 2008, S. 32),

924 Millionen obdachlos (UN Habitat 2003, S. vi),

1600 Millionen ohne elektrischen Strom (UN Habitat, “Urban Energy”),

2500 Million ohne sanitäre Einrichtungen (WHO/UNICEF 2008, S. 7)

796 Millionen Erwachsene Analphabeten (www.uis.unesco.org),

218 Millionen Kinder (im Alter von 5-17) verrichten Lohnarbeit ausserhalb ihres Haushalts, oft unter sklavereiähnlichen Bedingungen: als Soldaten, Prostituierte, Hausangestellte, Landarbeiter, Bauarbeiter, Fabrikarbeiter oder Teppichknüpfer (ILO: The End of Child Labour, Within Reach, 2006, S. 9, 11, 17f.).

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Mindestens ein Drittel aller Todesfälle

ca. 18 (von 58) Millionen im Jahr, 50.000 pro Tag, zur Hälfte von Kindern, gehen auf armutsbedingte Ursachen zurück und wären durch bessere Ernährung, sauberes Trinkwasser, Rehydrierungspräparate, Impfungen und andere Medikamente billig vermeidbar. In Tausenden:

Durchfall (2163) und Unterernährung (487),

Tod von Mutter (527) oder Kind (3180) bei der Geburt,

Kinderkrankheiten (847 — besonders Masern),

Tuberkulose (1464), Meningitis (340), Hepatitis (159),

Malaria (889) und andere Tropenkrankheiten (152),

Atemweginfektionen (4259 — bes. Lungenentzündung),

HIV/AIDS (2040), Geschlechtskrankheiten (128).WHO: World Health Organization, Global Burden of Disease: 2004 Update, Geneva 2008, Table A1, pp. 54-59.

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Millionen von Todesfällen

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Das wenigstverwirklichte Menschenrecht

“Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der für seine und seiner Familie Gesundheit und Wohlbefinden ausreichend ist, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen.”

Artikel 25(1), Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, 1948

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Ungleichheitsspiralen

Die Anfälligkeit von Konkurrenzsystemen für “regulatory capture” kann zu

Ungleichheitsspiralen führen:

Die finanzstärksten Teilnehmer haben die besten Gelegenheiten und Anreize, die

für effizientes Lobbying notwendige Sachkunde und Koordination aufzubringen.

Sie benutzen diese Gelegenheiten, ihren relativen Anteil auszubauen, und

verwenden dann ihren größeren Einfluss dazu, die Spielregeln oder deren

Anwendung noch weiter zu ihren eigenen Gunsten zu verbiegen.

Öffentliche Einrichtungen kommen unter die Kontrolle partikularer und

kurzfristig denkender Teilnehmer, die sich zu diesem Zweck Unterstützung

von Medien und Akademikern besorgen (Käuflichkeit insbesondere von

Wirtschaftswissenschaftlern, die ihr Modell des homo oeconomicus

exemplifizieren).

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Das kostengünstigste Lobbying

zielt ab auf Strukturierung supranationaler/globalerinstitutioneller Regelungen (WTO, G20, EU…) sowie

auf Aufwärtsverlagerung institutioneller Regelungen

von der nationalen auf die supranationale Ebene;

wird von den finanzstärksten Unternehmen und

Individuen betrieben

durch Beeinflussung von Politikern und Beamten der

mächtigsten Staaten, insbesondere den USA.

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Ansteigende Ungleichheit in den USA (1978-2007)

Der Einkommensanteil der ärmeren Hälfte der Bevölkerung fiel von

26.4% auf 12.8%. Der des reichsten Prozents stieg auf das 2.6-fache

von 8.95% auf 23.50%; der des reichsten Zehntelprozents auf das 4.6-

fache von 2.65% auf 12.28%; und der des reichsten

Hundertstelprozents auf das 7-fache von 0.86% auf 6.04% (Saez

Table A3).

Das reichste Hundertstelprozent (14.400 Steuererklärungen, ca.

30.000 Menschen) haben fast halb soviel Einkommen wie die ärmere

Hälfte (156 Millionen) der Amerikaner und etwa 2/3 soviel

Einkommen wie die ärmere Hälfte (3500 Millionen) der Menschheit.

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Supranationale Institutionelle Ordnung

Nationale institutionelle

Ordnungen der Entwicklungsländer

Die unter schwerer Armut leidenden

Menschen

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Supranationale Institutionelle Ordnung

Nationale institutionelle

Ordnungen der Entwicklungsländer

Die unter schwerer Armut leidenden

Menschen

Korruption

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Supranationale Institutionelle Ordnung

Nationale institutionelle

Ordnungen der Entwicklungsländer

Die unter schwerer Armut leidenden

Menschen

KorruptionKlimawandel

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Supranationale Institutionelle Ordnung

Nationale institutionelle

Ordnungen der Entwicklungsländer

Die unter schwerer Armut leidenden

Menschen

KorruptionKlimawandelMedikamente

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Supranationale Institutionelle Ordnung

Nationale institutionelle

Ordnungen der Entwicklungsländer

Die unter schwerer Armut leidenden

Menschen

KorruptionKlimawandelMedikamente

Protektionismus

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Supranationale Institutionelle Ordnung

Nationale institutionelle

Ordnungen der Entwicklungsländer

Die unter schwerer Armut leidenden

Menschen

4 Privilegien

KorruptionKlimawandelMedikamente

Protektionismus

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Supranationale Institutionelle Ordnung

Nationale institutionelle

Ordnungen der Entwicklungsländer

Die unter schwerer Armut leidenden

Menschen

4 PrivilegienArbeitsrecht

KorruptionKlimawandelMedikamente

Protektionismus

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Supranationale Institutionelle Ordnung

Nationale institutionelle

Ordnungen der Entwicklungsländer

Die unter schwerer Armut leidenden

Menschen

4 PrivilegienArbeitsrecht

WaffenhandelKorruptionKlimawandelMedikamente

Protektionismus

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Supranationale Institutionelle Ordnung

Regierungen der mächtigeren Länder

Nationale institutionelle

Ordnungen der Entwicklungsländer

Die unter schwerer Armut leidenden

Menschen

4 PrivilegienArbeitsrecht

WaffenhandelKorruptionKlimawandelMedikamente

Protektionismus

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Supranationale Institutionelle Ordnung

Regierungen der mächtigeren Länder

Nationale institutionelle

Ordnungen der Entwicklungsländer

Konzerne und Bürger der

mächtigeren Länder

Die unter schwerer Armut leidenden

Menschen

4 PrivilegienArbeitsrecht

WaffenhandelKorruptionKlimawandelMedikamente

Protektionismus

Globale Verteilung des Haushaltseinkommens 1988

RichestVentile: 42.87%

Die nächsten zwanzig Prozent 46.63%

Das zweite Viertel 6 97%

Die obersten fünf Prozent

42.87%

2.37%1.16%

Data Branko Milanovic, World Bank

Globale Verteilung des Haushaltseinkommens 2005

RichestVentile: 42.87%

Die nächsten zwanzig Prozent 43.98%

Die obersten fünf Prozent

46.36%

2.14%0.78%

Das zweite Viertel 6.74% Data Branko Milanovic, World Bank

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Tendenz

In nur 17 Jahren haben die reichsten fünf Prozent der Menschheit mehr (3,49%) hinzugewonnen als die ärmere Hälfte am Ende dieser Periode übrig hatte (2,92%).

Das Verhältnis der Durschnittseinkommen der reichsten fünf Prozent und des ärmsten Viertels der Menschheit stieg 1988-2005 von 185:1 auf 297:1.

Wäre der Anteil der ärmeren Hälfte am globalen Haushaltseinkommen konstant geblieben, dann hätte er 2005 um 21% höher (3,53% statt 2,92%) gelegen. Wäre der Anteil des ärmsten Viertels am globalen Haushaltseinkommen konstant geblieben, dann hätte er 2005 um 49% höher (1,16% statt 0,78%) gelegen.

Wären die 3.49% des globalen Haushaltseinkommens, die in Wirklichkeit die reichsten fünf Prozent hinzugewonnen haben, stattdessen der ärmeren Hälfte zugefallen, dann hätte sich deren Anteil auf 7,02% verdoppelt und die Weltarmut hätte schon 2005 beseitigt sein können, wobei die reichere Hälfte

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Die Millennium Entwicklungs“ziele”

Statt einer

unverbindlichen Wunschliste

braucht unsere Welt

verbindliche Verpflichtungenbenannter kompetenter Akteure

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Offizielle Entwicklungshilfe

reicht ganz offensichtlich nicht aus, die mächtigen Zentrifugalkräfte der Weltwirtschaft zu kompensieren.

Insgesamt beträgt die offizielle Entwicklungshilfe nur $120 Milliarden pro Jahr, rund 0,3% des globalen

Haushaltseinkommens.

Davon werden nur $15 Milliarden, etwa 0,04% des globalen

Haushaltseinkommens für “basic social services” ausgegeben,

also für Nahrungssicherheit, Wasser, sanitäre Einrichtungen, sowie grundlegende Gesundheitsfürsorge und Erziehung.

Mainstreaming!

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Institutionelle Reformziele nach 2015

Abschaffung von Konten mit unbekannten Besitzern/Begünstigsten

Alternative Minimalsteuer auf Profite multinationaler Konzerne

Globale Steuer auf handelsverzerrende Subventionen

Steuer auf umwelt- und klimaschädigende Emissionen

Steuer auf Waffenexporte in die Entwicklungsländer

Steuer auf Käufe natürlicher Rohstoffe von unrepräsentativen Herrschern

Nur minimal repräsentative Herrscher sollen ihr Land verschulden dürfen

Option Belohnung neuer Medikamente nach ihren

Gesundheitsauswirkungen

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Post-2015 Institutional Reform Goals

Some jurisdictions facilitate the maintenance of secret bank

accounts whose owners and beneficiaries remain

anonymous. Because such accounts facilitate corruption,

embezzlement, drug trading, terrorism and human

trafficking, governments commit to ending the practice as

soon as reasonably possible by imposing collective sanctions

on the relevant banks and countries.

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Post-2015 Institutional Reform Goals

Firm-internal trade enables multinational corporations to realize

their profits in jurisdictions where tax rates are very low or zero.

To help address the effects of lost corporate tax revenues on poor

populations, multinational corporations will pay to the Human

Development Fund an alternative minimum tax (ATM) equal to

the amount by which all national taxes they pay fall short of a

minimum percentage of their worldwide profits.

This minimum percentage is 5.5% in 2016, rising to 10% in 2025.

Countries commit to cooperate in the enforcement of this ATM

against firms with operations in their jurisdiction.

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Post-2015 Institutional Reform Goals

Protectionist trade barriers distort trade and diminish

trading opportunities for poor populations. To help offset

their effects, affluent countries providing subsidies or export

credits commit to paying a share of the value of such

subventions into a Human Development Fund.

This share is 2% in 2016, rising to 20% in 2025.

YIELD ca. $6 − $60 billion per annum.

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Post-2015 Institutional Reform Goals

Pollution and climate change impose massive costs on

current and future poor populations. To help offset these

effects, all countries pay a fee to the Human Development

Fund insofar as their per capita emissions exceed 4 metric

tons per person per year.

This fee is $0.50 per excess metric ton in 2016, rising to $5

in 2025.

YIELD ca. $7 − $70 billion per annum.

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Post-2015 Institutional Reform Goals

Arms exports into the developing world fuel wars, civil wars

and repression. To help offset these effects, affluent arms

exporting countries commit to paying a share of the value of

such exports into the Human Development Fund.

This share is 5% in 2016, rising to 50% in 2025.

YIELD ca. $1.4 − $14 billion per annum.

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Post-2015 Institutional Reform Goals

The populations of some developing countries suffer massive

natural resource outflows that are not approved by or

beneficial to the population. Any future such exports will

be vetted by a Southern Resource Export Expert Committee

to determine that the export is acceptable to or serves the

interest of the population. When the SREEC finds that

neither condition is met, the buyer must pay 20% of the

purchase price to the Human Development Fund.

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Post-2015 Institutional Reform Goals

The populations of some developing countries are burdened by

large debts accumulated by their rulers for purposes that were

not approved by nor beneficial to the population. Any future

such loan will be recognized as constituting a genuine obligation

of the country only if it was ratified in real time by a Southern

Debt Expert Committee as being acceptable to or serving the

interest of the population. Lenders and their home states commit

not to exert pressure on countries to service debts that earlier

governments incurred without approval from the SDEC.

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Post-2015 Institutional Reform Goals

To stimulate pharmaceutical innovation against the diseases

of the poor and to improve access to advanced medicines,

the Human Development Fund will finance a new facility,

the Health Impact Fund, which will offer to reward any new

medicine according to its health impact provided it is sold at

cost.

The HIF will be funded at initially $6 billion per annum.