Eine heimliche Messe als Tribut · chen Musik im Kyrie, einem Ausschnitt des Gloria und im Sanctus,...

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1 HMA 1951834 Frank Martin and Olivier Messiaen have few musical features in common, but their faith overrides the fundamental differences between them and makes them two of the most important Christian composers of the twentieth century. Martin’s Mass for unaccompanied double choir is the profoundly ecumenical profession of faith of a fervent Christian of our time. As to the Cinq Rechants, Messiaen’s last a cappella work, its composer rightly thought it ‘one of [his] best works’. Frank Martin (1890-1974) Messe pour double chœur a cappella Songs of Ariel Olivier Messiaen (1908-1992) Cinq Rechants O sacrum convivium Eine heimliche Messe als Tribut Im Jahr 1966 veröffentlichte Frank Martin (1890-1974) in Genf eine Schrift, ein berufli- ches Credo in knappen, wohlüberlegten Worten mit dem unmißverständlichen Titel Responsabilité du compositeur (Die Verantwortung des Komponisten) 1 . Im Alter von fünf- undsiebzig Jahren erläuterte der schweizerische Komponist seinem Publikum, welche Bewandtnis es mit dem geistig-sittlichen Anspruch hat, den er zur Richtschnur seines gesamten Schaffens gemacht hatte: “Ich bin davon überzeugt, daß jedes Kunstwerk, das diesen Namen verdient, Träger einer ethischen Aussage ist. [...] Welcher Art auch immer die seelischen, geistigen, sinnlichen Regungen des Künstlers sein mögen, die in sein Werk einfließen, mag es auch Angst oder Verzweiflung sein..., das Werk muß immer von jener Selbstbefreiung, jener Sublimierung gekennzeichnet sein, die in uns eine vollendete Form entstehen läßt... Denn Schönheit trägt in sich eine Kraft, die unseren Geist befreit, wie auch immer der Ausdruck beschaffen sein mag, der in ihr Gestalt annimmt, auch dann, wenn in ihr etwas zum Ausdruck kommt, das man mit Worten nicht sagen kann.” Zwischen 1922 und 1926 hatte Martin – im Sinne einer Pflichtübung – an der Komposi- tion einer katholischen Messe gearbeitet (er, der Sohn eines kalvinistischen Pfarrers), einer recht nüchternen, gregorianischen Komposition, aufgelockert allenfalls durch einen Hauch Ravelschen Einflusses. “Ich betrachtete sie als eine Sache zwischen Gott und mir.” Nun, diese «Sache» lag vierzig Jahre lang in der Schublade, erst am 2. November 1963 wurde sie in Hamburg erstmals aufgeführt 2 , und bis sie im Druck erschien, vergin- gen noch einmal mehr als zehn Jahre... Daß dieses Werk so lange unter Verschluß blieb, aber auch seine späte Anerkennung, ist allein aus der Geschichte zu erklären... In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen machte sich in Europa ein ausgeprägter Nihilismus breit, noch verstärkt durch die Machtergreifung der totalitären Parteien, denen nichts ferner lag als geistig-religiöse Werte...; ganz anders lagen die Dinge Anfang der 1960er Jahre, als das 2. Vatikanische Konzil einberufen wurde, dessen Zielsetzung der unver- krampften ökumenischen Haltung des Komponisten so sehr entgegenkam 3 . Nach den religiös motivierten Kompositionen der letzten Kriegsjahre (In terra pax, 1944; Golgatha, 1945-48) und der Nachkriegszeit (Le Mystère de la Nativité, 1957-59) hatte Frank Martin verständlicherweise den Wunsch, auch seine ältere Messe à huit voix aus den 1920er Jahren in dieses christliche Gesamtwerk aufzunehmen, das er in der Folge noch um zwei weitere Kompositionen vergrößerte, Pilate (1964) und das wundervolle Requiem (1971-72), das zu den schönsten Werken der europäischen Kirchenmusik des 20.Jahrhunderts zählt. Diese Messe à double choeur a cappella, im Prinzip ein liturgisches Werk, umfaßt die fünf Teile des römischen Ordinariums und knüpft bewußt an die gregorianische Tradition an. Diese in einem einfachen diatonischen und modalen, meist homophonen Stil geschrie- bene Komposition läßt kaum etwas von der persönlichen Eigenart des Musikers erken- nen, der offensichtlich bemüht war, als Person hinter seinem Werk zurückzutreten. Obwohl sich mühelos ausgeprägte Stilanleihen nachweisen lassen (bei der mittelalterli- chen Musik im Kyrie, einem Ausschnitt des Gloria und im Sanctus, bei der Renaissance- musik im Benedictus, wie auch einige für die Barockmusik typische rhythmische Ele- mente hier und da...), bewahrt die klare Formgebung das Werk von dem Eindruck des

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HMA 1951834

Frank Martin and Olivier Messiaen have few musical features in

common, but their faith overrides the fundamental differences

between them and makes them two of the most important

Christian composers of the twentieth century. Martin’s Mass for

unaccompanied double choir is the profoundly ecumenical

profession of faith of a fervent Christian of our time. As to the Cinq

Rechants, Messiaen’s last a cappella work, its composer rightly

thought it ‘one of [his] best works’.

Frank Martin (1890-1974)

Messe pour double chœur a cappella

Songs of Ariel

Olivier Messiaen (1908-1992)

Cinq Rechants

O sacrum convivium

Eine heimliche Messe als Tribut

Im Jahr 1966 veröffentlichte Frank Martin (1890-1974) in Genf eine Schrift, ein berufli-ches Credo in knappen, wohlüberlegten Worten mit dem unmißverständlichen Titel Responsabilité du compositeur (Die Verantwortung des Komponisten) 1. Im Alter von fünf-undsiebzig Jahren erläuterte der schweizerische Komponist seinem Publikum, welche Bewandtnis es mit dem geistig-sittlichen Anspruch hat, den er zur Richtschnur seines gesamten Schaffens gemacht hatte: “Ich bin davon überzeugt, daß jedes Kunstwerk, das diesen Namen verdient, Träger einer ethischen Aussage ist. [...] Welcher Art auch immer die seelischen, geistigen, sinnlichen Regungen des Künstlers sein mögen, die in sein Werk einfließen, mag es auch Angst oder Verzweiflung sein..., das Werk muß immer von jener Selbstbefreiung, jener Sublimierung gekennzeichnet sein, die in uns eine vollendete Form entstehen läßt... Denn Schönheit trägt in sich eine Kraft, die unseren Geist befreit, wie auch immer der Ausdruck beschaffen sein mag, der in ihr Gestalt annimmt, auch dann, wenn in ihr etwas zum Ausdruck kommt, das man mit Worten nicht sagen kann.”Zwischen 1922 und 1926 hatte Martin – im Sinne einer Pflichtübung – an der Komposi-tion einer katholischen Messe gearbeitet (er, der Sohn eines kalvinistischen Pfarrers), einer recht nüchternen, gregorianischen Komposition, aufgelockert allenfalls durch einen Hauch Ravelschen Einflusses. “Ich betrachtete sie als eine Sache zwischen Gott und mir.” Nun, diese «Sache» lag vierzig Jahre lang in der Schublade, erst am 2. November 1963 wurde sie in Hamburg erstmals aufgeführt 2, und bis sie im Druck erschien, vergin-gen noch einmal mehr als zehn Jahre... Daß dieses Werk so lange unter Verschluß blieb, aber auch seine späte Anerkennung, ist allein aus der Geschichte zu erklären... In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen machte sich in Europa ein ausgeprägter Nihilismus breit, noch verstärkt durch die Machtergreifung der totalitären Parteien, denen nichts ferner lag als geistig-religiöse Werte...; ganz anders lagen die Dinge Anfang der 1960er Jahre, als das 2. Vatikanische Konzil einberufen wurde, dessen Zielsetzung der unver-krampften ökumenischen Haltung des Komponisten so sehr entgegenkam 3.Nach den religiös motivierten Kompositionen der letzten Kriegsjahre (In terra pax, 1944; Golgatha, 1945-48) und der Nachkriegszeit (Le Mystère de la Nativité, 1957-59) hatte Frank Martin verständlicherweise den Wunsch, auch seine ältere Messe à huit voix aus den 1920er Jahren in dieses christliche Gesamtwerk aufzunehmen, das er in der Folge noch um zwei weitere Kompositionen vergrößerte, Pilate (1964) und das wunder volle Requiem (1971-72), das zu den schönsten Werken der europäischen Kirchenmusik des 20.Jahrhunderts zählt. Diese Messe à double choeur a cappella, im Prinzip ein liturgisches Werk, umfaßt die fünf Teile des römischen Ordinariums und knüpft bewußt an die gregorianische Tradition an. Diese in einem einfachen diatonischen und modalen, meist homophonen Stil geschrie-bene Komposition läßt kaum etwas von der persönlichen Eigenart des Musikers erken-nen, der offensichtlich bemüht war, als Person hinter seinem Werk zurückzutreten. Obwohl sich mühelos ausgeprägte Stilanleihen nachweisen lassen (bei der mittelalterli-chen Musik im Kyrie, einem Ausschnitt des Gloria und im Sanctus, bei der Renaissance-musik im Benedictus, wie auch einige für die Barockmusik typische rhythmische Ele-mente hier und da...), bewahrt die klare Formgebung das Werk von dem Eindruck des

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Flickwerks. Wenn man diese Messe hört, die heute zu den am häufigsten aufgeführten und eingespielten Werken Martins gehört, ist man erstaunt über die große Geschlossen-heit der Komposition, die ganz bewußt die Rekapitulation einer fünfhundertjährigen katholischen liturgischen Tradition mit dem überzeugt ökumenischen Glaubensbekennt-nis eines gäubigen Christen von heute verknüpft. Dieser das Bleibende und Beständige bewahrende Charakter der Messe läßt sie innerhalb der Grenzen, die sie sich selbst gesetzt hat und innerhalb derer sich das Können des Komponisten aufs schönste ent-falten kann, zu einem einzig dastehenden Glücksfall werden.

Wenn der Luftgeist spricht

Ende 1949 / Anfang 1950 hatte Frank Martin für den hervorragenden Nederlands Kamerkoor (die Leitung hatte Felix de Nobel) Cinq chants d’Ariel (a cappella) nach The Tempest von Shakespeare geschrieben. Der Stoff hatte den Komponisten seit langem beschäftigt, denn er meinte, in Prospero eine verwandte Seele zu erkennen. Nach dieser ersten Vertonung, der er den englischen Text des elisabethanischen Dramatikers selbst zugrundegelegt hatte, kam Martin noch einmal darauf zurück: er überarbeitete seine Chorkomposition, um sie in seine Oper gleichen Namens (Der Sturm) einzufügen, die zwischen 1952 und 1955 entstand, diesmal auf den Text der deutschen Übersetzung von August Wilhelm von Schlegel (die deutsche Sprache beherrschte der Komponist besser als die Sprache Albions...). Erstaunlicherweise kam er bei der Bearbeitung der Chants d’Ariel praktisch ohne musikalische Änderungen an der Originalkomposition aus, so genau war in der Übersetzung Schlegels die Metrik Shakespeares nachgebildet. Um Ariel, Properos treu ergebenen Diener, in der Flüchtigkeit seines Wesens zu charakteri-sieren, entschloß sich Martin, (in der Oper) seine physische Erscheinung von der Gesangsrolle zu trennen und diese hinter die Kulissen zu verlegen. “Ariel, der Luftgeist, der Prospero einmal in der Gestalt eines Knaben, dann wieder in der Gestalt einer Was-sernymphe erscheint, muß in seinem Auftreten von einer solchen Leichtigkeit sein, daß nur ein Tänzer oder eine Tänzerin in der Lage ist, diesen Anschein eines schwerelosen Wesens zu erwecken: “Du, der du Luft nur bist”, sagt Prospero zu ihm. Aber Ariel ist auch ein sprechendes Wesen, genau wie die anderen. Von Anfang an hatte ich mich entschlos-sen, ihn mit einer kollektiven Stimme auszustatten, der Stimme der Natur, und so wurde sein Text von einem gemischten Chor hinter der Bühne gesungen.” 4 Dennoch ist die erste Fassung mit ihrer so wunderbar geheimnisvollen Stimmung vorzuziehen, in der der Komponist sein überragendes Können in der Vokalkomposition unter Beweis stellt (der gemischte Chor ist stellenweise in reale sechzehn Stimmen aufgeteilt!) und zeigt, daß er in dieser ihm eigenen unverwechselbaren Tonsprache zu verblüffenden harmonischen Neuerungen imstande ist.

Eine Motette zum Heiligsten Sakrament

Zwischen Frank Martin und Olivier Messiaen (1908-1992) gibt es musikalisch nur wenig Verbindendes, was sie aber über alle grundlegenden Unterschiede hinweg eint, ist ihr Glaube (der eine Kalvinist, der andere Katholik), der aus ihnen zwei der wichtigsten christ-lichen Komponisten des vorigen Jahrhunderts macht. Das liturgisch gebundene Vokalwerk Mes siaens (O sacrum convivium, Trois petites liturgies de la présence divine, La Transfigur-arion de Notre Seigneur Jésus-Christ sowie eine Messe für acht Soprane und vier Violinen von 1933 und zwei Chöre, Te Deum und Impropères, zu einer Jeanne d’Arc, die er im Sommer 1941 schrieb, unmittelbar nach seiner Freilassung aus dem Stalag VIII A, die aber auf Wunsch des Komponisten unveröffentlicht blieb) ist nicht sehr umfangreich, aber sein Schaffen insgesamt schöpfte in hohem Maße aus dem Glauben, der ihm Quelle der Inspiration und Kraft war – man denke nur an das eindrucksvolle Korpus seiner Orgel-werke. Die Motette für vierstimmigen gemischten Chor a cappella O sacrum convivium zur heiligen Eucharistie (sie wird bisweilen fälschlicherweise in einer Fassung für Solosopran und Orgel aufgeführt) ist ganz dieser Glaubenswelt verhaftet und überträgt den “hypnoti-sierend statischen Charakter” (Dorothea Bossert) der großen Orgelzyklen aus den 1930er Jahren (L’Ascension, La Nativité du Seigneur, Les Corps glorieux) auf die Vokalkomposition. Das kurze Stück, das er 1937 im Auftrag des Abbé Brun geschrieben hat, ist das einzige liturgisch gebundene Werk von Messiaen, das im Druck erschienen ist; er läßt darin dem lateinischen Text eine Behandlung im homophonen Satz in der “Tonart der mystischen Liebe” (Fis-dur) angedeihen, die den Charakter einer schlichten, ruhig bewegten Medita-tion hat.

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Ein Liebeslied

Die Cinq Rechants für zwölfstimmigen gemischten Chor von 1948, ein ungleich anspruchsvolleres und persönlicher geprägtes Werk, war die zweite (und letzte) Kompo-sition für a cappella-Chor, die Messiaen geschrieben hat und die er mit Recht als “eines [seiner] besten Werke” ansah. Die Rechants, die die Ausführenden vor ernsthafte, in erster Linie rhythmische Schwierigkeiten stellen, waren für das hervorragende Vokalen-semble von Marcel Couraud bestimmt, das ihnen nach der Uraufführung in Paris (Salle Erard, 1949) zu großer Verbreitung in aller Welt verhalf. Das in seinem melodischen Erfindungsreichtum höchst eindrucksvolle Werk war erklärtermaßen als eine Hommage an das berühmte Printemps von Claude Le Jeune (1528-1600) gedacht, in dem sich chants (Strophen) und rechants (Refrains) abwechseln. Mehr noch waren es aber (nach Messiaens eigenen Angaben) der peruanische harawi (oder yaravi) und die alba (Tage-lied) des mittelalterlichen Europa (eine der eigenartigsten Gattungen der Troubadourdich-tung, in der eine fiktive Stimme die Liebenden bei Tagesanbruch daran gemahnt, daß es Zeit ist für die unvermeidliche, schmerzliche Trennung), die dem Komponisten bei seinen Bemühungen um die melodische Faktur den Weg wiesen. Tristan und Isolde, Orpheus, Blaubart, Viviane, Merlin u.a., die Gemälde von Marc Chagall oder Hieronymus Bosch, die Chansons der Troubadours Jaufré Rudel und Folquet de Marseille (auch bekannt unter dem Namen Foulques de Toulouse...) – etwas von alledem klingt durchgehend an in diesem Lied von der Liebe, in dem sich Messiaen auch sehr um die Ausbildung einer persönlichen Sprache bemühte (manches ist auf unbestimmte Weise vom Sanskrit und vom Quechua angeregt), die ganz im Dienst eines musikali-schen Ausdrucks steht, dessen Grundlage im wesentlichen die rhythmische Gestaltung ist (konkreter Einfluß der indischen Musik). “Es sind Silben, die wegen ihres weichen oder harten Lauteinsatzes gewählt wurden, wegen ihrer Tauglichkeit, die musikalischen Rhythmen zu verdeutlichen. Sie sind geeignet, auf natürliche Weise die vier Ordnungen miteinander in Einklang zu bringen: die phonetische (Klangfarben), die dynamische (Intensitäten), die kinetische (Akzente) und die quantitative (Dauern)”, erklärte der Kom-ponist. Das Werk, sinnlich, ja geradezu erotisch, brachte die Kritik völlig aus dem Konzept, und sie ging zumeist hart mit ihm ins Gericht (während es vom Publikum bei der Uraufführung stürmisch gefeiert wurde, ebenso der Komponist...). Nachdem wir aber dieses Meister-werk immer wieder gehört haben, ist es uns heute in seiner dichterischen und musikali-schen Ganzheitlichkeit faßlich, in der sich auf so eindrucksvolle Weise das breiteste kulturelle Erbe mit den kühnen Visionen eines Komponisten vermischt, der hier tatsäch-lich das Beste gegeben hat, das Herz und Verstand ihm eingab.

PhiliPPe Simon

Übersetzung Heidi Fritz

1. Frank Martin: Responsabilité du compositeur, Société des Arts, Genf, 1966.

2. Die Uraufführung der Messe à double chœur a cappella von Frank Martin sangen die Mitglieder der Bugenhagen-Kantorei unter der Leitung von Franz W. Brunnert.

3. Am 7.Juni 1969 konnte Frank Martin im Vatikan sein Oratorium In terra pax (1944) hören, das Paul VI. ausdrück-lich wegen der Allgemeingültigkeit der in ihm enthaltenen Friedensbotschaft ausgewählt hatte.

4. Frank Martin: A propos de... Commentaire de Frank Martin sur ses oeuvres, La Baconnière, Neuchâtel, 1984.

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FRANK MARTINMesse pour double chœur a cappella

1 | Kyrie eleison.Christe eleison.Kyrie eleison.

2 | Gloria in excelsis Deo.Et in terra pax hominibus bonae voluntatis.Laudamus te, benedicimus te, adoramus te, glorificamus te.Gratias agimus tibi propter magnam gloriam tuam.Domine Deus, Rex coelestis, Deus Pater omnipotens.Domine Fili unigenite, Jesu Christe. Domine Deus, Agnus Dei, Filius Patris.Qui tollis peccata mundi, miserere nobis. Qui tollis peccata mundi, suscipe deprecationem nostram.Qui sedes ad dexteram Patris, miserere nobis.Quoniam tu solus Sanctus, tu solus Dominus.Tu solus Altissimus Jesu Christe.Cum Sancto Spirituin gloria Dei Patris. Amen.

3 | Credo in unum Deum.Patrem omnipotentem, factorem coeli et terrae, visibilium omnium et invisibilium.Et in unum Dominum, Jesum Christum, Filium Dei unigenitum. Et ex Patre natum ante omnia secula. Deum de Deo, lumen de lumine, Deum verum de Deo vero. Genitum, non factum, consubstantialem Patri, per quem omnia facta sunt. Qui, propter nos homines, et propter nostram salutem, descendit de coelis.Et incarnatus est de Spiritu Sancto ex Maria Virgine, et homo factus est.Crucifixus etiam pro nobis, sub Pontio Pilatio passus et sepultus est.Et resurrexit tertia die, secundum Scripturas. Et ascendit in coelum, sedet ad dexteram Patris. Et iterum venturus est cum gloria judicare vivos et mortuos, cujus regni non erit finis.Et in Spiritum Sanctum Dominum et vivificantem, qui ex Patre Filioque procedit. Qui cum Patre et Filio simul adoratur et conglorificatur; qui locutus est per Prophetas. Et unam sanctam catholicam et apostolicam Ecclesiam. Confiteor unum baptisma in remissionem peccatorum.Et expecto resurrectionem mortuorum.Et vitam venturi saeculi. Amen.

4 | Sanctus, Dominus Deus Sabaoth.Pleni sunt coeli et terra gloria ejus.Osanna in excelsis.Benedictus qui venit in nomine Domini.Osanna in excelsis.

5 | Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.Dona nobis pacem.

Five Ariel Songs(Texts from Shakespeare’s The Tempest)

I

6 | Come unto these yellow sands,And then take hands:Curtsied when you have, and kiss’d, The wild waves whist, Foot it featly here and there;And, sweet sprites, the burden bear.Hark, hark! (Burden: Bow, wow)The watch dogs bark: (Burden: Bow, wow)Hark, hark! I hearThe strain of strutting chanticleerCry: Cock-a-diddle-dow.

Herr, erbarme Dich unser.Christus, erbarme Dich unser.Herr, erbarme Dich unser.

Ehre sei Gott in der Höhe.Und auf Erden Friede den Menschen, die guten Willens sind. Wir loben Dich, wir preisen Dich, wir beten Dich an, wir verherrlichen Dich.Wir sagen Dir Dank ob Deiner großen Herrlichkeit.Herr und Gott, König des Himmels, Gott, allmächtiger Vater! Herr Jesus Christus, eingeborener Sohn! Herr und Gott, Lamm Gottes, Sohn des Vaters!Du nimmst hinweg die Sünden der Welt, erbarme Dich unser. Du nimmst hinweg die Sünden der Welt, nimm unser Flehen gnädig auf.Du sitzest zur Rechten des Vaters, erbarme dich unser.Denn Du allein bist der Heilige, Du allein der HerrDu allein der Höchste: Jesus Christus.Mit dem Heiligen Geistein der Herrlichkeit Gottes des Vaters. Amen.

Ich glaube an den einen Gott,den allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde, aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge.Ich glaube an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn. Er ist aus dem Vater geboren vor aller Zeit. Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gott. Gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater, durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und um unseres Heiles willen ist er vom Himmel herabgestiegen.Er hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist aus Maria der Jungfrau, und ist Mensch geworden.Gekreuzigt wurde er sogar für uns; unter Pontius Pilatus hat er den Tod erlitten und ist begraben worden.Er ist auferstanden am dritten Tage, gemäß der Schrift.Er ist aufgefahren in den Himmel und sitzet zur Rechten des Vaters. Er wird wiederkommen in Herrlichkeit, Gericht zu halten über Lebende und Tote, und seines Reiches wird kein Ende sein.Ich glaube an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender, der vom Vater und vom Sohne ausgeht. Er wird mit dem Vater und dem Sohne zugleich angebetet und verherr licht; er hat gesprochen durch die Propheten. Ich glaube an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.Ich bekenne die eine Taufe zur Vergebung der Sünden.Ich erwarte die Auferstehung der Toten.Und das Leben der zukünftigen Welt. Amen.

Heilig, Herr, Gott der Heerscharen.Himmel und Erde sind erfüllt von Deiner Herrlichkeit.Hosanna in der Höhe.Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn.Hosanna in der Höhe.

Lamm Gottes, Du nimmst hinweg die Sünden der Welt, erbarme Dich unser.Gib ihnen den ewigen Frieden.

Fünf Gesänge des Ariel(Texte aus William Shakespeares “The Tempest”)

IKommt auf diesen gelben Strand!Fügt Hand in Hand!Wann ihr euch geküßt, verneigt(die See nun schweigt),hier und dort behende springt,und den Chor, ihr Geister, singt!Horch! horch!(Zerstreute Stimmen.) Wau! wau!Es bellt der Hund:(Zerstreute Stimmen.) Wau! wau!Horch! horch!Der Hahn tut seine Wache kund,er kräht; Kikiriki!

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II 7 | Full fathom five thy father lies;

Of his bones are coral made:Those are pearls that were his eyes:Nothing of him that doth fade,But doth suffer a sea changeInto something rich and strange.Sea-nymphs hourly ring his knell:(Burden: ding, dong)Hark! Now I hear them, — ding, dong, bell.

III 8 | Before you can say ‘Come’ and ‘Go’

And breathe twice; and cry ‘So, so’,Each one tripping on his toeWill be here with mop and mow.Do you love me, master? No?

IV 9 | You are three men of sin, whom Destiny

That hath to instrument this lower worldAnd what is in’t, the never-surfeited seaHath caused to belch up you; and on this islandWhere man doth not inhabit; you ’mongst menBeing most unfit to live. I have made you mad;And even with suchlike valour men hang anddrown their proper selves. You fools! I and my fellowsAre ministers of fate: the elementsOf whom your swords are temper’d may as wellWound the loud winds, or with bemock’d-at stabsKill the still-closing waters, as diminishOne dowle that’s in my plume; my fellow ministersAre like invulnerable. If you could hurt,Your swords are now too massy for your strengthsAnd will not be uplifted. But, remember, —For that’s my business to you, — that you threeFrom Milan did supplant good Prospero;Expos’d unto the sea, which hath requit it,Him and his innocent child: for which foul deedThe powers, delaying, not forgetting haveIncens’d the seas and shores, yea, all the creatures,Against your peace. Thee of thy son, Alonso,They have bereft; and do pronounce, by me,Lingering perdition, — worse than any deathCan be at once, — shall step by step attendYou and your ways; whose wraths to guard you from ?Which here in this most desolate isle, else fallsUpon your heads, — is nothing but heart-sorrowAnd a clear life ensuing.

V 10 | Where the bee sucks, there suck I

In a cowslip’s bell I lie;There I couch when owls do cry.On the bat’s back I do flyAfter summer merrily:Merrily, merrily shall I live nowUnder the blossom that hangs on the bough.

IIFünf Faden tief liegt Vater dein.Sein Gebein wird zu Korallen,Perlen sind die Augen sein.Nichts an ihm, das soll verfallen,das nicht wandelt Meeres-Hutin ein reich und seltnes Gut.Nymphen läuten stündlich ihm,da horch! ihr Glöcklein Bim! bim! bim!

IIIEh’ du kannst sagen: komm und geh,Atem holst und rufst: he he,mach ich, wie ich geh und steh,daß hier jeder auf der Zeh’ sich im Hokuspokus dreh’!Liebst du mich, mein Meister? - Ne.

IVIhr seid drei Sündenmänner, die das Schicksal(das diese niedre Welt und was darinnen,als Werkzeug braucht) der nimmersatten Seegeboten auszuspein; und an dies Eiland,von Menschen unbewohnt, weil unter Menschenzu leben ihr nicht taugt. Ich macht’ euch toll.Und grad in solchem Mut ersäufen, hängensich Menschen selbst. Ihr Toren! ich und meine Brüdersind Diener des Geschicks; die Elemente,die eure Degen härten, könnten wohl so gut den lauten Wind verwunden oderdie stets sich schließenden Gewässer tötenmit eitlen Streichen, als am Fittich mirein Fläumchen kränken. Meine Mitgesandten sindgleich unverwundbar: könntet ihr auch schaden,zu schwer sind jetzt für eure Kraft die Degenund lassen sich nicht heben. Doch bedenkt(denn das ist meine Botschaft), daß ihr dreiden guten Prospero verstießt von Mailand,der See ihn preisgabt, die es nun vergolten,ihn und sein harmlos Kind; für welche Untatdie Mächte, zögernd, nicht vergessend, jetztdie See, den Strand, ja alle Kreaturenempöret gegen euern Frieden. Dich,Alonso, haben sie des Sohns beraubt,verkünden dir durch mich: ein schleichend Unheil,viel schlimmer als ein Tod, der einmal trifft,soll Schritt vor Schritt auf jedem Weg dir folgen.Um euch zu schirmen vor derselben Grimm,der sonst in diesem gänzlich öden Eilandaufs Haupt euch fällt, hilft nichts als Herzensleidund reines Leben künftig.

VWo die Bien’, saug ich mich ein,bette mich in Maiglöcklein,lausche da, wenn Eulen schrein,fliege mit der Schwalben Reihnlustig hinterm Sommer drein. Lustiglich, lustiglich leb ich nun gleichunter den Blüten, die hängen am Zweig.

Übersetzt von August Wilhelm Schlegel

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OLIVIER MESSIAENCinq Rechants

I 11 | Hayo kapri tama la li la li lassaré no

Les amoureux s’envolentBrangien dans l’espace tu soufflesLes amoureux s’envolentvers les étoiles de la mort

t k t k t k t k

ha ha ha ha ha soifL’explorateur Orphéetrouve son cœur dans la mort

Miroir d’étoile château d’étoileYseult d’amour séparéBulle de cristal d’étoile mon retourMiroir d’étoile château d’étoileYseult d’amour…Hayoma kapritama hayoma kapritama

Les amoureux s’envolent...

L’explorateur Orphéetrouve son cœur dans la mortBarbe Bleu(e)Château de la septième porte

II 12 | Ma première fois terre terre

l’éventail déployéMa dernière fois terre terrel’éventail referméLumineux mon rire d’ombreMa jeune étoile sur les fleuvesHa…

Solo de flûte berceles quatre lézar(ds) en t’éloignant

Mayoma kapritama ssarimâ…

Ma première fois…mano mano mano nadjalâma krîta mata krîmalâdja na noma noma

Lumineux mon rire…

III 13 | Ma robe d’amour mon amour

Ma prison d’amour faite d’air légerlîla lîla ma mémoirema caressemayoma ssari ssari man(e) thikârioumi annôla oumi sarîsarîsa floufî yoma

trianguillo trianguillo…

Robe tendre toute la beautépaysage neuftroubadour Viviane Yseulttous les cercles tous les yeuxpieuvre de lumière blessefoule rose ma caresse

oumi annôla oumi oumiannôla oumi sarî sarîs a flôuti yoma(cheu cheu mayokapritama kalitmolinocheu cheu…)

Robe tendre…

Sarî sarî… sarî ma

Tous les philtres sont bus ce soir encore

IV 14 | Niokhamâ palalan(e) soukî

mon bouquet tout défait rayonneNiokhamâ palalan(e) soukîles volets roses Ohaamour amour du clair au sombre Oha

Roma tama tama tamaroma tama tama tamassouka rava kâli vâlissouka nahame(e) kassourava kâli vâli roma tama...

Niokamâ palalan(e)…

V 15 | Mayoma kalimolimo

Tes yeux voyagent dans le passéMélodi(e) solaire de corbeille courbet k t k t k t kDans le passé

Losangé ma sœur toujoursphiltre Yseult rameur d’amourflako flakoFé’e) Viviane à mon chant d’amourcercle du jour hayo hayoFoule rose hayo bras tenduPieuvre aux tentacules d’orPersé(e) Médusel’abeille l’alphabet majeur

Fleur du bourdon tournetourne à mortQuatre lézards la grottepieuvre et la mortdoka do do do doka doka…

Corolle qui mord deuxièmegarde à manger d’abord… Hal

Fleur du bourdon…

Losangé ma fleur toujoursflako flakophiltre Yseult…Quatre lézards grottepieuvre à mort la mortQuatre lézar(ds) et la pieuvreet la mort tourne à mort

Corolle qui mord…Losangé ma fleur…

Mayoma kalimolimot k t k t k t k Dans l’avenir

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O sacrum convivium

16 | O sacrum convivium!in quo Christus sumitur: recolitur memoria passionis ejus: mens impletur gratia.

O sacrum convivium!in quo Christus sumitur: mens impletur gratia:et futurae gloriaenobis pignus datur, alleluia. O sacrum convivium!

O heiliges Mahl!In dem Christus selbst dargereicht,Das Gedenken an sein Leiden erneuert,Der Geist mit Gnade erfüllt wird:

O heiliges Mahl! in dem Christus selbst dargereicht,Der Geist mit Gnade erfüllt,Und uns ein Unterpfand Der kommenden Herrlichkeit gegeben wird. Hallelujah!O heiliges Mahl!