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11.11.03 Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes in der Religions- und Literaturgeschichte Israels Methodische, religionsgeschichtliche und exegetische Aspekte zur neueren Diskussion um den sogenannten Monotheismus im antiken Israel 1 Konrad Schmid Z rich 1. Einf hrung Die Monotheismusfrage hat nicht nur 2 , aber besonders auch in der alttesta- mentlichen Wissenschaft in den letzten zwanzig Jahren erh hte Aufmerksam- keit gefunden 3 . Ihre Neuentdeckung fiel damit in einen Zeitraum, der insgesamt 1 Dieser Text geht auf Vortr ge in Heidelberg und Z rich aus dem Jahr 2001 zur ck. 2 Vgl. etwa aus den Gebieten der gyptologie und der Altorientalistik: E. Hornung, Der Eine und die Vielen. gyptische Gottesvorstellungen, Darmstadt 5 1994; J. Assmann, Arbeit am Polytheismus. Die Idee der Einheit Gottes und die Entfaltung des theologischen Diskurses in gypten, in: H. van Stietencron (Hg.), Theologen und Theologien in verschiedenen Kul- turkreisen, D sseldorf 1986, 46 69; ders., Monotheismus und Kosmotheismus. gyptische Formen eines Denkens des Einen und ihre europ ische Rezeptionsgeschichte, SHAW.PH 12, Heidelberg 1993; ders., Moses und Echnaton: Religionsstifter im Zeichen der Wahrheit, in: B. K hler (Hg.), Religion und Wahrheit. Religionsgeschichtliche Studien, FS G. Wieß- ner, Wiesbaden 1998, 33 44; B. Nevling Porter (Hg.), One God or Many? Concepts of Di- vinity in the Ancient World, Transactions of the Casco Bay Institute 1, Casco Bay 2000; J. van Oorschot/M. Krebernik (Hgg.), Polytheismus und Monotheismus in den Religionen des Vorderen Orients, AOAT 298, M nster 2002. F r den Bereich der Religionswissen- schaft s. den Beitrag von G. Ahn in diesem Band und die dort genannte Lit. sowie u. Anm. 19ff; vgl. ferner J. Manemann (Hg.), Monotheismus, Jahrbuch Politische Theologie Bd. 4, M nster 2001. 3 Vgl. O. Keel (Hg.), Monotheismus im Alten Israel und seiner Umwelt, BB.NF 14, Fribourg 1980; B. Lang (Hg.), Der einzige Gott. Die Geburt des biblischen Monotheismus, M nchen 1981; ders., Neue Probleme in der Erforschung des Biblischen Monotheismus, in: B.J. Diebner/K.A. Deurloo (Hgg.), Yhwh Kyrios Antitheism. FS R. Zuurmond, DBAT.B 14, Dielheim 1996, 29 41; ders., Art. Monotheismus, Handbuch rel.wiss. Grundbegriffe IV, Stuttgart u.a. 1998, 148 165; E. Haag (Hg.), Gott der einzige. Zur Entstehung des Mono- theismus in Israel, QD 104, Freiburg i.Br. 1985; M. G rg, Monotheismus in Israel. R ck- schau zur Genese, in: K. Hilpert/K.-H. Ohlig (Hgg.), Der eine Gott in vielen Kulturen. In- kulturation und christliche Gottesvorstellung, Z rich 1993, 59 70; ders., Wege zu dem Einen. Perspektiven zu den Fr hphasen der Religionsgeschichte Israels, MThZ 37 (1986), 97 115; G. Schmuttermayr, Vom Gott unter G ttern zum einzigen Gott. Zu den Spuren

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    Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes in der Religions- und Literaturgeschichte Israels

    Methodische, religionsgeschichtliche und exegetische Aspekte zur neueren Diskussion um den sogenannten Monotheismus im antiken Israel1

    Konrad Schmid Zrich

    1. Einfhrung

    Die Monotheismusfrage hat nicht nur2, aber besonders auch in der alttesta-mentlichen Wissenschaft in den letzten zwanzig Jahren erhhte Aufmerksam-keit gefunden3. Ihre Neuentdeckung fiel damit in einen Zeitraum, der insgesamt

    1 Dieser Text geht auf Vortrge in Heidelberg und Zrich aus dem Jahr 2001 zurck. 2 Vgl. etwa aus den Gebieten der gyptologie und der Altorientalistik: E. Hornung, Der Eine

    und die Vielen. gyptische Gottesvorstellungen, Darmstadt 51994; J. Assmann, Arbeit am Polytheismus. Die Idee der Einheit Gottes und die Entfaltung des theologischen Diskurses in gypten, in: H. van Stietencron (Hg.), Theologen und Theologien in verschiedenen Kul-turkreisen, Dsseldorf 1986, 4669; ders., Monotheismus und Kosmotheismus. gyptische Formen eines Denkens des Einen und ihre europische Rezeptionsgeschichte, SHAW.PH 12, Heidelberg 1993; ders., Moses und Echnaton: Religionsstifter im Zeichen der Wahrheit, in: B. Khler (Hg.), Religion und Wahrheit. Religionsgeschichtliche Studien, FS G. Wie-ner, Wiesbaden 1998, 3344; B. Nevling Porter (Hg.), One God or Many? Concepts of Di-vinity in the Ancient World, Transactions of the Casco Bay Institute 1, Casco Bay 2000; J. van Oorschot/M. Krebernik (Hgg.), Polytheismus und Monotheismus in den Religionen des Vorderen Orients, AOAT 298, Mnster 2002. Fr den Bereich der Religionswissen-schaft s. den Beitrag von G. Ahn in diesem Band und die dort genannte Lit. sowie u. Anm. 19ff; vgl. ferner J. Manemann (Hg.), Monotheismus, Jahrbuch Politische Theologie Bd. 4, Mnster 2001.

    3 Vgl. O. Keel (Hg.), Monotheismus im Alten Israel und seiner Umwelt, BB.NF 14, Fribourg 1980; B. Lang (Hg.), Der einzige Gott. Die Geburt des biblischen Monotheismus, Mnchen 1981; ders., Neue Probleme in der Erforschung des Biblischen Monotheismus, in: B.J. Diebner/K.A. Deurloo (Hgg.), Yhwh Kyrios Antitheism. FS R. Zuurmond, DBAT.B 14, Dielheim 1996, 2941; ders., Art. Monotheismus, Handbuch rel.wiss. Grundbegriffe IV, Stuttgart u.a. 1998, 148165; E. Haag (Hg.), Gott der einzige. Zur Entstehung des Mono-theismus in Israel, QD 104, Freiburg i.Br. 1985; M. Grg, Monotheismus in Israel. Rck-schau zur Genese, in: K. Hilpert/K.-H. Ohlig (Hgg.), Der eine Gott in vielen Kulturen. In-kulturation und christliche Gottesvorstellung, Zrich 1993, 5970; ders., Wege zu dem Einen. Perspektiven zu den Frhphasen der Religionsgeschichte Israels, MThZ 37 (1986), 97115; G. Schmuttermayr, Vom Gott unter Gttern zum einzigen Gott. Zu den Spuren

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    von einschneidenden Umwlzungen in der Einschtzung der alttestamentlichen Religions-, Literatur- und Theologiegeschichte geprgt ist, deren Folgen gegen-wrtig noch nicht stabilisiert sind.

    der Geschichte des Jahweglaubens in den Psalmen, in: E. Haag/F.-L. Hossfeld (Hgg.), Freude an der Weisung des Herrn, FS H. Gro, SBB 13, Stuttgart (1986) 1987, 349374; M. Hutter, Das Werden des Monotheismus im alten Israel, in: N. Brox/A. Felber (Hgg.), Anfnge der Theologie, FS J.B. Bauer, Graz 1987, 2539; G. Braulik, Das Deuteronomium und die Geburt des Monotheismus, in: ders., Studien zur Theologie des Deuteronomiums, SBAB 2, Stuttgart 1988, 257300; M. Weippert, Synkretismus und Monotheismus. Religi-onsinterne Konfliktbewltigung im alten Israel (1990), in: ders., Jhwh und die anderen Gt-ter. Studien zur Religionsgeschichte des antiken Israel in ihrem syrisch-palstinischen Kon-text, FAT 18, Tbingen 1997, 124; J.C. de Moor, The Rise of Yahwism. The Roots of Israelite Monotheism, BEThL 91, Leuven 1990; M.S. Smith, The Early History of God. Yahweh and the Other Deities in Ancient Israel, (San Francisco u.a. 1990) Dearborn 22002; ders., The Origins of Biblical Monotheism. Israels Polytheistic Background and the Uga-ritic Texts, Oxford u.a. 2000; M.-Th. Wacker/E. Zenger (Hgg.), Der eine Gott und die Gttin. Gottesvorstellungen des biblischen Israel im Horizont feministischer Theologie, QD 135, Freiburg i.Br. u.a. 1991; O. Keel/C. Uehlinger, Gttinnen, Gtter und Gottes-symbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen, QD 134, Freiburg u.a. (1992) 52001; W. Diet-rich/M.A. Klopfenstein (Hgg.), Ein Gott allein? JHWH-Verehrung und biblischer Mono-theismus im Kontext der israelitischen und altorientalischen Religionsgeschichte, OBO 139, Fribourg/Gttingen 1994; W.H. Schmidt, Art. Monotheismus II. Altes Testament, TRE 23, Berlin/New York 1994, 237248; ders., Monotheismus und Erstes Gebot, ThLZ 122 (1997), 10811092; C. Frevel, Aschera und der Ausschlielichkeitsanspruch JHWHs, BBB 94/1.2, Weinheim 1995; F. Stolz, Einfhrung in den biblischen Monotheismus, Darmstadt 1996; D.V. Edelman, The Triumph of Elohim. From Yahwisms to Judaisms, CBET 13, Kampen 1995; O. Loretz, Des Gottes Einzigkeit. Ein altorientalisches Argumentationsmo-dell zum Schma Israel, Darmstadt 1997; R.K. Gnuse, No Other Gods. Emergent Mo-notheism in Israel, JSOT.S 241, Sheffield 1997; M. Kckert, Von einem zum einzigen Gott. Zur Diskussion der Religionsgeschichte Israels, BThZ 15 (1998), 137175; M. Beck, Elia und die Monolatrie. Ein Beitrag zur religionsgeschichtlichen Rckfrage nach dem vor-schriftprophetischen Jahweglauben, BZAW 281, Berlin/New York 1999; J. Pakkala, Intole-rant Monolatry in the Deuteronomistic History, SESJ 76, Helsinki/Gttingen 1999; W. Propp, Monotheism and Moses, UF 31 (1999), 537575; M. Albani, Der eine Gott und die himmlischen Heerscharen. Zur Begrndung des Monotheismus bei Deuterojesaja im Hori-zont der Astralisierung des Gottesverstndnisses im Alten Orient, ABG 1, Leipzig 2000; C.M. Maier, Der eine oder der einzige Gott? Israels Weg zum Monotheismus in exilischer Zeit, BiKi 55 (2000), 140146; B. Becking u.a. (Hgg.), Only One God? Monotheism in An-cient Israel and the Veneration of the Goddess Asherah, BiSe 77, New York 2001; Z. Zevit, The Religions of Ancient Israel. A Synthesis of Parallactic Approaches, Lon-don/New York 2001; W. Dietrich/U. Luz, Universalitt und Partikularitt im Horizont des biblischen Monotheismus, in: C. Bultmann u.a. (Hgg.), Vergegenwrtigung des Alten Tes-taments, FS R. Smend, Gttingen 2002, 369411; R. Albertz, Jahwe allein! Israels Weg zum Monotheismus und dessen theologische Bedeutung, in: ders., Geschichte und Theologie. Studien zur Exegese des Alten Testaments und zur Religionsgeschichte Israels, BZAW 326, Berlin/New York 2003, 359382 (vgl. insgesamt das Themenheft BiKi 49/2 [1994] sowie Welt und Umwelt der Bibel 11 [1999]).

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    Forschungsgeschichtlich4 lsst sich die jngste Monotheismus-Debatte in gewisser Weise als Rckkehr zu bestimmten Grundberzeugungen der religi-onsgeschichtlichen Schule anfangs des 20. Jahrhunderts beschreiben, die sich auch in anderen Bereichen der Rekonstruktion religionsgeschichtlicher Entwicklungen im antiken Israel beobachten lsst. Exemplarisch kann dies an einem Vergleich zwischen den Monotheismus und Polytheismus-Artikeln in der zweiten5, dritten6 und vierten7 Auflage der RGG illustriert werden: Statuierte Haller 1930 noch, dass sich M.[onotheismus] als bestimmt formulierte Lehre vom Dasein eines einzigen Gottes ... erst vom Exil an belegen lasse8 und so erst nach und nach im Verlauf der geistigen Geschichte Israels aufgekommen sei, so liest sich der Artikel von Baumgrtel aus dem Jahr 1960 dazu wie ein Gegenmanifest: Der M.[onotheismus] in der at. Religion ist zwangslufige Folge ihres Grundverstndnisses von Gott, mit dem sie wie ein erratischer Block aus den Umweltreligionen herausragt9, die Religion Israels und ihr Monotheismus lassen sich nicht evolutionr erklren, sondern nur als Stiftung von Mose her10. 2002 stellt dann Mller wieder fest: Einen reflektierten M.[onotheismus] gibt es erst als Antwort auf die Exilskrise11, er przisiert aber die zuvorlaufende Religionsgeschichte mittels des Begriffs eines privilegierte[n] Gegenseitigkeitsverhltnis[ses]12.

    Es ist deutlich, dass der Wandel in der Darstellung der Monotheismus-Thematik von der zweiten ber die dritte zur vierten Auflage der Religion in Geschichte und Gegenwart nicht nur, aber auch mit entsprechenden Vernde-rungen in der theologischen Growetterlage zusammenhngt. Die Religion in Geschichte und Gegenwart war in ihrer ersten und zweiten Auflage noch fest in der Hand der sogenannten religionsgeschichtlichen Schule13, als deren Organ

    4 Vgl. dazu N. Lohfink, Zur Geschichte der Diskussion ber den Monotheismus im Alten

    Israel, in: E. Haag (Hg.), Gott der einzige. Zur Entstehung des Monotheismus in Israel, QD 104, Freiburg i.Br. u.a. 1985, 925; Kckert, Von einem zum einzigen Gott; R.K. Gnuse, The Emergence of Monotheism in Ancient Israel: A Survey of Recent Scholarship, Religion 29 (1999), 315336; Smith, The Early History of God (22002), xiixxxviii; N. MacDonald, Deuteronomy and the Meaning of Monotheism, FAT II/1, Tbingen 2003, 558.

    5 M. Haller, Art. Monotheismus und Polytheismus II. Im AT, RGG2 IV, Tbingen 1930, 192194.

    6 F. Baumgrtel, Art. Monotheismus und Polytheismus II. Im AT, RGG3 IV, Tbingen 1960, 11131115.

    7 H.-P. Mller, Art. Monotheismus und Polytheismus II. Im AT, RGG4 V, Tbingen 2002, 14591462.

    8 Haller, Monotheismus 192. 9 Baumgrtel, Monotheismus 1113. 10 Ebd. 1114. 11 Ebd. 1461. 12 Mller, Monotheismus 1460. 13 Vgl. G. Ldemann/A. zen, Art. Religionsgeschichtliche Schule, TRE 28, Berlin/New

    York 1997, 618624, 621 (Lit.: 623f).

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    sie ursprnglich auch ins Leben gerufen worden war. Die religionsgeschichtli-che Schule um Forscher wie Johannes Wei, Wilhelm Bousset und Hermann Gunkel erklrte das Judentum und das Christentum aus den nachweisbaren ueren Einflssen anderer Religionen, die durch die groen archologischen Funde und Entdeckungen des 19. Jahrhunderts greifbar geworden waren.

    Anfangs der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts wandte sich jedoch die Diskussionslage entscheidend und die erwachende dialektische Theologie um Karl Barth drngte die religionsgeschichtliche Schule mehr und mehr ins theo-logische Abseits. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich die dialektische Theologie dann als magebliche Position in der deutschsprachigen protestanti-schen Theologie etablieren, und dies wirkte sich auch einschneidend auf die exegetischen Disziplinen, die alt- und die neutestamentliche Wissenschaft, aus.

    Das zuvor vorherrschende Erklrungsparadigma der religionsgeschichtlichen Ableitung biblischer Aussagen verschwand fast vllig, in den Vordergrund trat nun vielmehr die Analogielosigkeit des biblischen Glaubens. Die in der dialekti-schen Theologie zentrale Grundunterscheidung zwischen natrlicher Theologie und Offenbarungstheologie fanden die Alttestamentler in der Folge auch in der Religionsgeschichte des Vorderen Orients wieder: Die Nachbarreligionen Isra-els huldigten ihren aus den Wachstumsvorgngen der Natur extrapolierten Gt-tern, whrend Israel an den einen, sich in der Geschichte offenbarenden Gott glaubte und sich damit von allem Anfang an von seinen Nachbarn unter-schied14.

    Diese Diskontinuittskonzeption und die durch sie erffneten Erklrungsli-nien fr Bibel und Theologie waren so erfolgreich, dass sie der alttestamentli-chen Wissenschaft zeitweilig sogar zu einer Position innerhalb der Theologie verhalf, die von unverdchtiger Seite, nmlich von Gerhard Ebeling, als Fh-rungsrolle bezeichnet werden konnte15. Natrlich gingen auch in dieser For-schungsepoche in vielen Einzelfragen der alttestamentlichen Literatur-, Theolo-gie- und Religionsgeschichte die Ansichten weit auseinander, aber es herrschte doch bezglich einiger fundamentaler Annahmen ein erstaunlicher Konsens. Namentlich in der Pentateuchforschung genossen die Neuere Urkundenhypo-

    14 Vgl. etwa die programmatischen Aussagen in G. von Rad, Theologie des Alten Testaments.

    Band I. Die Theologie der geschichtlichen berlieferungen, Mnchen (1957) 21958, 39 (Ein Jahwekultus ohne das erste Gebot ist wirklich nicht vorstellbar); 117142; ders., Theologie des Alten Testaments. Band II. Die Theologie der prophetischen berlieferun-gen Israels, Mnchen 1960, 120; ders., Das theologische Problem des alttestamentlichen Schpfungsglaubens (1936), in: ders., Gesammelte Studien zum Alten Testament, TB 8, Mnchen 1958, 136147; s. dazu etwa B. Janowski, JHWH und der Sonnengott. Aspekte der Solarisierung JHWHs in vorexilischer Zeit, in: J. Mehlhausen (Hg.), Pluralismus und I-dentitt, Gtersloh 1995, 214241 (= ders., Die rettende Gerechtigkeit. Beitrge zur Theo-logie des Alten Testaments 2, Neukirchen-Vluyn 1999, 192219), 216 mit Anm. 11.

    15 G. Ebeling, Studium der Theologie. Eine enzyklopdische Orientierung, UTB 446, Tbin-gen 1972, 26f.

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    these und die mit ihr verbundenen religionsgeschichtlichen Implikationen eine Akzeptanz, die die Alttestamentler glauben lie, die wesentlichen Koordinaten ihrer historischen Rekonstruktionen nun vor Augen zu haben.

    Ihr religionsgeschichtliches Bild ist heute allerdings durch die neueren lite-rarhistorischen Ergebnisse der alttestamentlichen Exegese namentlich im Gefolge der unzutreffenderweise sogenannten Krise der Pentateuchforschung im Verbund mit den durch die Archologie in den letzten Jahrzehnten massiv bereitgestellten Primrzeugnissen16 aus dem Bereich des antiken Israel17 nach-gerade falsifiziert worden. Die neuere religionsgeschichtliche Forschung muss heute damit rechnen, dass das historische knigszeitliche Israel in den blichen Orientierungskoordinaten einer vorderorientalischen National-Religion ge-dacht hat18, und dass das biblische Bild Israels sich im Wesentlichen spteren Rezeptionen und Interpretationen verdankt, die hauptschlich der Epoche des klassischen antiken Judentums entstammen. Allerdings ist Vorsicht geboten, die Unterscheidung der Religion des antiken, namentlich knigszeitlichen Israel und der Theologie des Alten Testaments mit derjenigen von Polytheismus und Monotheismus in annhernde bereinstimmung bringen zu wollen. Fr eine Verhltnisbestimmung bedarf es einer genaueren berprfung der Betrach-tungsweisen und der Befunde, zu der die folgenden berlegungen einige Hin-weise geben mchten. Sie versuchen exemplarisch, Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes in der Religions- und Literaturge-schichte Israels aus einer gewissen Distanz zu der in nur sehr beschrnktem Ma hilfreichen Monotheismus-/Polytheismus-Begrifflichkeit vorzustellen.

    Im Folgenden sollen drei Aspekte der neueren Monotheismus-Diskussion herausgegriffen und nher betrachtet werden. Sie betreffen zum einen die Frage nach der religionsgeschichtlichen Problematik der Kategorie Monotheismus zur Beschreibung der damit gemeinten Phnomene (2.), dann neuere epigraphi-sche Funde aus dem Bereich des knigszeitlichen Israel, die fr die Thematik von Bedeutung sind (3.), und schlielich die Umwlzungen in der jngsten Pen-tateuchdiskussion und ihre Konsequenzen im Blick auf die Monotheismusfrage (4.).

    16 Vgl. dazu die Diskussion im Sammelband C. Hardmeier (Hg.), Steine Bilder Texte.

    Historische Evidenz auerbiblischer und biblischer Quellen, ABG 5, Leipzig 2001, sowie F. Hartenstein, Religionsgeschichte Israels ein berblick ber die Forschung seit 1990, VF 48 (2003), 228, 5.

    17 Vgl. v.a. Keel/Uehlinger, Gttinnen; Zevit, Religions; E. Stern, Archaeology of the Land of the Bible. Vol II: The Assyrian, Babylonian, and Persian Periods (732332 B.C.E.), New York u.a. 2001.

    18 Vgl. etwa die Darstellung von Weippert, Synkretismus und Monotheismus und dazu Har-tenstein, Religionsgeschichte Israels, 37.

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    2. Die religionswissenschaftliche Problematik der Kategorie Monotheismus

    Die Frage nach der Kategorie Monotheismus ist in jngster Zeit gerade im Blick auf ihre religionswissenschaftliche Problematik breit diskutiert worden19, dabei sind wichtige Anfragen und Probleme formuliert worden, von der die weitere Forschung nicht absehen kann. Die im folgenden behandelten Punkte schpfen die Diskussion nicht aus, scheinen mir aber zu den wesentlichsten zu gehren.

    a) Das Verblassen des Polytheismus als definitorische Hintergrundsfolie

    Die gegenwrtig gelegentlich zu beobachtende kulturwissenschaftliche Begeiste-rung fr den Polytheismus (Lob des Polytheismus20 o..) hinkt der religi-onswissenschaftlichen Forschung insofern eigentmlich hinterher, als letztere mehr und mehr feststellt, dass Polytheismus, gefasst als religises System, das sich primr ber die Vielgtterei definiert und erschliet, sachlich eine hchst unglckliche Kategorie darstellt.

    Natrlich gibt es Religionen, die eine Vielzahl von Gttern kennen, aber die-se Vielzahl der Gtter ist in der Regel in eine bestimmte Struktur gefasst, nm-lich ein Pantheon, das erst als ganzes die gttliche Wirklichkeit reprsentiert21. Die sogenannten Polytheismen22 lassen sich nicht einfach als Vielgtter-systeme mit autonom handelnden gttlichen Subjekten rekonstruieren, sondern es kommt alles darauf an, die theologische Kohrenz der jeweiligen Panthea zu erfassen, wenn man sie verstehen will23. Das hat schon Benno Landsberger

    19 Vgl. v.a. Ahn, FS Bergerhof; Stolz, Monotheismus; B. Gladigow, Polytheismus und Mono-

    theismus, in: J. van Oorschot/M. Krebernik (Hgg.), Polytheismus und Monotheismus in den Religionen des Vorderen Orients, AOAT 298, Mnster 2002, 320; ferner J. Molt-mann, Kein Monotheismus gleicht dem anderen. Destruktion eines untauglichen Begriffs, EvTh 62 (2002) 112122.

    20 Vgl. O. Marquard, Lob des Polytheismus. ber Monomythie und Polymythie (1979), in: ders., Abschied vom Prinzipiellen, Stuttgart 1981, 91116; vgl. im angelschsischen Sprach-raum D.L. Miller, The New Polytheism. Rebirth of Gods and Goddesses, New York 1974 (repr. Dallas 1981).

    21 W. Lambert (The Historical Development of the Mesopotamian Pantheon: A Study in Sophisticated Polytheism, in: H. Goedicke/J.M. Roberts [Hgg.], Unity and Diversity. Essays in the History, Literature and Religion of the Ancient Near East, Baltimore/London 1975, 191200) spricht von sophisticated polytheism. Vgl. auch B. Kienast, berlegungen zum Pantheon Babylonicum, Or. 54 (1985), 106116.

    22 Vgl. A. Brelich, Der Polytheismus, Numen 7 (1960), 123136; B. Gladigow, Polytheismus. Akzente, Perspektiven und Optionen der Forschung, ZfR 5 (1997), 5977; ders., Poly-theismus und Monotheismus; U. Berner, Art. Polytheismus, TRE 27, Berlin/New York 1997, 3539.

    23 Vgl. dazu auch M. Krebernik, Vielzahl und Einheit im altmesopotamischen Pantheon, in: J. van Oorschot/ders. (Hgg.), Polytheismus und Monotheismus in den Religionen des Vorde-ren Orients, AOAT 298, Mnster 2002, 3351, 43. S. weiter K. Koch, Die hebrische Spra-

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    gesehen, der den mesopotamischen Polytheismus als Monotheiotetismus24 ansprechen wollte, also als Vorstellung von der einen Gttlichkeit. Diesem Vorschlag war allerdings wenig Zuspruch beschieden zu Recht, denn man kann nicht einfach neue Schubladen erffnen, wenn die alten klemmen. Schon erfolgversprechender war der Vorschlag des hollndischen Religionswissen-schaftlers van Baaren25, vorfindliche Polytheismen auch als pluriforme Mo-notheismen zu interpretieren.

    Die neueren religionswissenschaftlichen Debatten lassen sich mit hinrei-chender Deutlichkeit daraufhin auswerten, dass Polytheismus in der Tat kaum mehr als ein Kampfbegriff aus dem 19. Jahrhundert ohne jeweils przis erfass-ten historischen Inhalt ist26. Seine wohl zutreffendste Definition findet sich in der Realenzyklopdie fr protestantische Theologie und Kirche aus dem Jahr 1904, die noch schlicht statuiert: Polytheismus ist der gelehrte Name fr das, was sonst Abgtterei, Gtzendienst oder Heidentum genannt wird27.

    Wenn es stimmt, dass Polytheismus als definitorische Hintergrundfolie fr die Bestimmung von Monotheismus mehr und mehr verblasst, dann bedeutet das in der Folge, dass Monotheismus nicht mehr einfach als Komplementr-begriff dazu definiert werden kann (monotheistisch ist, was nicht po-lytheistisch ist), sondern dass der Begriff aus sich heraus erklrt werden muss. Dann tritt aber sogleich das Problem auf, dass dasjenige, was sich bisher im Gegenber zum Polytheismus als definitorische Einheit erwies, in der Bin-nenperspektive sehr vielgestaltig wird, und es mehr und mehr fraglich ist, was denn die sogenannten Monotheismen im Innersten zusammenhlt.

    b) Die innere Differenziertheit des Monotheismus

    Monotheismus ist nicht gleich Monotheismus. Zwar bildet das Merkmal des einen Gottes so etwas wie einen gemeinsamen Nenner, doch darber hinaus herrscht schiere Mannigfaltigkeit: Man unterscheidet heute gerne exkludierende

    che zwischen Polytheismus und Monotheismus, in: ders., Spuren des hebrischen Denkens. Beitrge zur alttestamentlichen Theologie, Gesammelte Aufstze I, Neukirchen-Vluyn 1991, 2564. berzogen ist der Versuch von S. Parpola (Monotheism in Ancient Assyria, in: B. Nevling Porter [Hg.], One God or Many? Concepts of Divinity in the Ancient World, Transactions of the Casco Bay Institute 1, Casco Bay 2000, 165209), Assur als mono-theistischen Gott zu interpretieren; vgl. dazu die Kritik von E. Hornung, Das Denken des Einen im alten gypten, in: J. van Oorschot/M. Krebernik (Hgg.), Polytheismus und Mo-notheismus in den Religionen des Vorderen Orients, AOAT 298, Mnster 2002, 2132, 22 Anm. 1.

    24 B. Landsberger, Die Eigenbegrifflichkeit der babylonischen Welt, in: ders./W. von Soden, Die Eigenbegrifflichkeit der babylonischen Welt. Leistung und Grenze babylonischer Wis-senschaft, Darmstadt 1965, 15 (= Islamica 2 [1926], 355372, 369).

    25 P. van Baaren, Pluriform Monotheism, NThT 20 (1965/1966), 321327. 26 Vgl. J. Assmann, Altgyptische Monotheismen, Welt und Umwelt der Bibel 11 (1999), 21

    24, 21. 27 O. Zckler, Art. Polytheismus, RE3 Bd. 15, Leipzig 1904, 538549, 538.

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    und inkludierende Konzeptionen, evolutionre und revolutionre Systeme, im-plizite und explizite Ausformulierungen, Einheit und Einzigkeit Gottes, mono-latrische und monotheistische Vorstellungen usw. Deutlich ist dabei, dass die Begrifflichkeit Monotheismus allein defizitr ist, sie muss nher bestimmt und modifiziert werden. Vielleicht ist sie fr die historische Deskription berhaupt wenig geeignet und bezieht ihre Legitimation als Fundamentalunterscheidung gegenwrtig eher aus forschungsgeschichtlicher Usanz als aus der Anschauung ihrer Gegenstnde28.

    So verschieben sich mit vernderter Optik die Grenzziehungen zwischen un-terschiedlichen Konzeptionen und lassen generell zweifeln, ob unter dem Eti-kett Monotheismus nicht Allzuverschiedenes subsumiert wird und ob so die Gewichte in der Beobachtung richtig gesetzt sind. Auf keinen Fall aber dispen-siert die Kennzeichnung einer Konzeption als monotheistisch von deren n-heren sachlichen Profilierung, sondern fordert sie geradezu heraus. Hinzu tritt nun aber noch ein weiteres vielleicht das gravierendste Problem.

    c) Die Ausklammerung des religisen und kultischen Bezugs

    Sachlich besteht das Grundproblem jedes nicht nher erluterten Monotheis-musbegriffs m.E. darin, dass die Zentralisierung der Gottesvorstellung ein sub-stantialistisches Gottesverstndnis suggeriert. berspitzt gesagt: Monotheisti-sche Religionen werden so klassifiziert unter dem Aspekt zusammengefasst, dass sie mit dem Dasein nur eines hheren Wesens rechnen. Das Problem dabei liegt darin, dass hier Gott ohne religisen und kultischen Bezug thematisiert wird, dass die Frage nach der Existenz Gottes derjenigen nach seiner Wirklichkeit und Erfahrbarkeit bergeordnet ist, was nicht nur ge-genwrtigem christlichem, sondern im Grundzug wohl auch jdischem und muslimischem Selbstverstndnis zuwiderluft. Wer Gott primr als ein in der numerischen Quantitt eins existierendes hheres Wesen bestimmt, vermag weder antike noch gegenwrtige monotheistische Religiositt adquat zu erfas-sen29.

    Denn weder das Christentum noch seine biblischen Vorlufer sind Theis-men oder Deismen im Sinne der aufklrerischen Erfinder dieser Konzeptio-nen, in deren Gefolge berhaupt erst die Kategorie Monotheismus generiert worden ist, die sprachlich erstmals bei H. Moore (1660) belegt ist30. Die begriffliche Filiation Monotheismus ist eben nicht nur sprachlicher, sondern 28 Vgl. G. Ahn, Monotheismus Polytheismus. Grenzen und Mglichkeiten einer Klassifi-

    kation von Gottesvorstellungen, in: M. Dietrich/O. Loretz (Hgg.), Mesopotamica Ugari-tica Biblica. FS K. Bergerhof, AOAT 232, Kevelaer/Neukirchen-Vluyn 1993, 124.

    29 Das Urteil von A. Brelich (Politeismo e soteriologia, in: S.G.F. Brandon [Hg.], The Saviour God, Manchester 1963, 46), dass Polytheismen keine Soteriologie kennen, ist deshalb kaum mehr als eine petitio principii.

    30 An Explanation of the Grand Mystery of Godliness, London 1660; vgl. R. Hlsewiesche, Art. Monotheismus II., HWP 6, Darmstadt 1984, 142146; MacDonald, Deuteronomy, 59. Seinen Aufstieg zu einem Zentralbegriff in Theologie und Religionswissenschaft ver-

  • Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 19

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    griffliche Filiation Monotheismus ist eben nicht nur sprachlicher, sondern auch sachlicher Natur und damit importiert der Begriff Monotheismus die Probleme einer theistischen Interpretation der Religion, die deren Selbstver-stndnissen gar nicht entspricht31.

    Die genannten Punkte a)c) zeigen m.E. mit aller Klarheit, dass man die Monotheismusproblematik wieder sehr viel strker von den religisen Gege-benheiten als von den Kategorien her angehen muss und dass in der konkreten Arbeit jeweils die konzeptionelle Einbettung der Gottesvorstellung im Rahmen des religisen Gesamtsystems beachtet werden muss. Das Etikett Monotheis-mus hat zwar heuristischen Wert, es bedarf jedoch der Przisierung und der Erluterung.

    Damit ist nun zu den religisen Gegebenheiten selbst berzuleiten, im Rah-men der Themenstellung also zur Religion des antiken Israel, die in sich ja sehr vielgestaltig ist. Es sollen hier nur zwei historische Querschnitte gelegt und an-diskutiert werden, die aber beide datierungsmig gut abgesichert sind. Der eine liegt im 9. und 8. Jh. v.Chr. und basiert auf zwei Inschriften, die als Primrquel-len gelten knnen, der andere bezieht sich mit der Priesterschrift, dem archi-medischen Punkt der Pentateuchforschung, auf das ausgehende 6. Jh. v.Chr.

    3. Neuere epigraphische Funde aus dem knigszeitlichen Israel: Die Inschriften aus Kuntillet Arud und Chirbet-el-Qom

    und ihre religionsgeschichtliche Bedeutung

    Die Inschriften aus Kuntillet Arud und Chirbet-el-Qom aus dem 9./8. Jh. tragen neben den Befunden aus Elephantine32 und der kritisch gesichteten Fremdgtterpolemik des Alten Testaments einen wesentlichen Teil der Beleg-

    dankt der Monotheismus-Begriff vermutlich erst Schleiermacher, vgl. C. Schwbel, Art. Monotheismus V. Systematisch-Theologisch, TRE 23, Berlin/New York 1994, 256262, 257; C. Markschies, Heis Theos Ein Gott?, in: J. van Oorschot/M. Krebernik (Hgg.), Po-lytheismus und Monotheismus in den Religionen des Vorderen Orients, AOAT 298, Mns-ter 2002, 209234, 215f mit Anm. 1416.

    31 In der Folge wird damit auch klar, dass die Kategorie Monolatrie nicht als Zwischenstufe (vgl. Pakkala, Intolerant Monolatry, 1517) zwischen Polytheismus und Monotheismus gefasst werden kann (womglich noch in genetischem Sinne: Polytheismen entwickeln sich via Monolatrie zu Monotheismen), vielmehr bewegt sich die Kategorie Mono-latrie auf einer kategorial anderen Ebene, die eben nicht die Gottesvorstellung zentralisiert, sondern den religisen Bezug. Das frdert zwar ihre Angemessenheit zur Deskription reli-giser Wirklichkeit, auf der anderen Seite ist sie deshalb allerdings auch eigentmlich banal, denn dass sich religise und kultische Verehrung jeweils auf eine bestimmte Gottheit be-zieht, ist sowohl in Polytheismen wie Monotheismen der Fall.

    32 Vgl. zu den dortigen Gottesvorstellungen etwa K. van der Toorn, Anatyahu, some other Deities, and the Jews of Elephantine, Numen 39 (1992), 80101; s. jetzt aber den Beitrag von B. Becking im vorliegenden Band.

  • 20 Konrad Schmid

    last fr das heute weitverbreitete Urteil, Israels Religion sei in vorexilischer Zeit polytheistisch gewesen33. Die beiden Inschriften sind zwar schon seit Ende der sechziger bzw. siebziger Jahre bekannt, wirkliche Beachtung fanden sie aber erst, als sich die Pentateuchforschung in breiterem Ma umzuschichten begann und so Neuorientierungen mglich geworden sind.

    Dieses Polytheismus-Urteil, das sich zu wesentlichen Teilen auf die ge-nannten Inschriften sttzt, ist nun inhaltlich nher zu bestimmen, gleichwohl drngt sich zunchst eine Vorbemerkung zur Bedeutung dieses Urteils auf: Im Sinne der klassischen Unterscheidung Polytheismus-Monotheismus ist diese Einschtzung zwar durchaus folgerichtig und auch nachvollziehbar, aber sie verliert nach dem o. unter 2. Festgestellten einiges an Brisanz; man braucht nur an das pluriform monotheistische Funktionieren von Polytheismen sowie die grundstzliche Problematik der Kategorie zu erinnern. Mit der Aussage, die Religion Israels sei vorexilisch polytheistisch gewesen, ist zwar das numerische Problem der Gottheiten im antiken Israel insofern richtig erfasst, als vermutlich nicht nur eine Gottheit, Jhwh, verehrt wurde, damit ist aber ber diese Religion, ihre Struktur, Leistung und ihre Grenze noch sehr wenig ausgesagt das bleibt anhand der Quellen genauer zu untersuchen, deren Fragmentaritt und Selekti-vitt allerdings grenzbewusst Rechnung zu tragen ist. Der Text34 der genannten Inschriften lautet:

    Kuntillet Arud Pithos 1:

    : rm) : \[..] h [..]) : rm) 1 Gesagt hat [..]: Sprich zu [..] und zu : tkrb [..]w : h#(Wylw [..]lhyl Yaucaa und zu [..]: Ich segne

    {kt) euch htr#)lw : }rm# : hwhyl 2 durch35 Jhwh von Samaria

    33 Vgl. etwa Weippert, Synkretismus und Monotheismus, 10: Was also die kritischen Autoren

    des Alten Testaments, die Propheten, Deuteronomiker und Deuteronomisten, als Abfall von Jahwe und Hinwendung Israels zur Religion Kanaans bekmpften, war m.E. die traditionelle israelitische Religion der vorexilischen Zeit. Diese Religion war polytheistisch [Hervorhebung im Original]; hnlich E.A. Knauf, Zur Herkunft und Sozialgeschichte Israels. Das Bckchen in der Milch seiner Mutter, Bib. 69 (1988), 153169, 155157; weitere Stimmen bei Albertz, Jahwe allein!, 359 Anm. 3.

    34 Vgl. J. Renz/W. Rllig, Handbuch der althebrischen Epigraphik I, Darmstadt 1995, 5964.202211; vgl. auch K.A.D. Smelik, Historische Dokumente aus dem alten Israel, Gttin-gen 1987, 137150; H.-P. Mller, Kolloquialsprache und Volksreligion in den Inschriften von Kuntillet Arud und Hirbet el Qom, ZAH 5 (1992), 1551; Keel/Uehlinger, Gttin-nen, 237282; zur Ortslage Kuntillet Aruds vgl. W. Zwickel, berlegungen zur wirt-schaftlichen und historischen Funktion von Kuntillet Arud, ZDPV 116 (2000), 139142.

    35 \rb mit l und Gottesnamen wird blicherweise als Segensempfehlung an eine bestimmte Gottheit verwendet (vgl. Keel/Uehlinger, Gttinnen, 268 [Lit.]). Gleichwohl ist die ber-setzung des l in seiner Mehrfachverwendung notorisch strittig; vgl. die Diskussion und un-terschiedlichen Entscheidungen bei Mller, Kolloquialsprache, 20f; Keel/Uehlinger, Gt-

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    und seine(r) Aschera. Pithos 2:

    ) wyrm) 1 )Amaryau: ynd) : l rm 2 Sprich zu meinem Herrn: [t]) : {l#h 3 Geht es di[r] gut?

    yl \tkrb 4 Ich segne dich durch Jh- [h]wh 5 w[h] [von Teman]

    by : htr#)lw 6 und durch seine Aschera. Er seg- \rm#yw : \r 7 ne dich und behte dich

    [n]d) : {( : yhyw 8 und sei mit meinem Her[r]n. []y 9 9]y 9

    htr#)lw : }mth : hwhyl 1 durch Jhwh von Teman und seine Aschera... [..ht)] }nx #)m l)#y r#) lk 2 Mit allem, was er erbat von irgend-

    hbblk why hl }tnw jemandem, hat [man ihn] gndig be- dacht [..], und Jhwh hat ihm gem seinem Wunsche gegeben Chirbet el-Qom:

    hbtk : r#(h : whyr) 1 )Uriyahu, der Reiche, hat es schreiben (lassen). hwhyl : whyr) : \rb 2 Gesegnet sei )Uriyahu vor Jhwh.

    hyrcmw 3 Und von seinen Feinden hat er ihn hl (#wx : htr#)l durch seine Aschera36 errettet.

    whyn)l 4 Durch )Oniyahu

    htr#)l 5 und durch seine Aschera. htr[#])lw [..] 6 [..] (?) und durch seine A[sch]era.

    Diese Texte weisen vor allem zwei, mittlerweile allseits bekannte religionsge-schichtliche Aufflligkeiten auf, einerseits die Redeweise von Jhwh und seiner Aschera und andererseits die Verbindung Jhwh von Samaria bzw. Jhwh von Teman.

    a) Jhwh und seine Aschera

    Die Verbindung Jhwh und seine Aschera zeigt, dass Jhwh jedenfalls nach die-sen Inschriften eine Partnerin hatte. In der ersten Euphorie, als die Inschriften neu bekannt geworden waren, meinte man zunchst sogar, in Kuntillet Arud

    tinnen, 255 mit Anm. 196; J. Jeremias/F. Hartenstein, JHWH und seine Aschera. Offi-zielle Religion und Volksreligion zur Zeit der klassischen Propheten, in: B. Janowski/M. Kckert (Hgg.), Religionsgeschichte Israels. Formale und materiale Aspekte. VWGTh 15, Gtersloh 1999, 79138, 115117; van Oorschot, Hre Israel ...!, 120.

    36 Zur Bestreitung der Lesung htr#)l durch S. Mittmann (Die Grabinschrift des Sngers Uriahu, ZDPV 97 [1981], 139152) vgl. Keel/Uehlinger, Gttinnen, 271.

  • 22 Konrad Schmid

    seien zustzlich noch bildliche Darstellungen von Jhwh und seiner Aschera erhalten geblieben37.

    Diese These erwies sich aber sehr schnell als unhaltbar: Zum einen zeigt der Befund, dass die Inschrift durch den Kopfschmuck der greren Figur hin-durch verluft, dass Zeichnung und Inschrift kaum auf denselben Schreiber zurckgehen, zum anderen bereitet namentlich die Schenkelpartie der kleineren Figur der Deutung auf Aschera gewaltige Probleme38.

    37 Vgl. das Forschungsreferat bei Keel/Uehlinger, Gttinnen, 272. Die ganz vereinzelt vertre-

    tene Deutung der Leier spielenden Figur auf Aschera (W.G. Dever, Ashera, Consort of Yahweh? New Evidence from Kuntillet Ajrud, BASOR 255 (1984), 2127, 2225) ist nur schon aus dem Grund unplausibel, da es sich bei ihr kaum um eine Gottheit handelt (vgl. Keel/Uehlinger, Gttinnen, 273).

    38 Allerdings weist der Ausdruck vom Typ mnnlicher Gottesname samt Toponym + weibli-cher Gottesname samt Suffix der 3.p.m.sg. ausweislich altorientalischer Parallelen (s. P. Xel-la, Le dieu et sa desse: L'utilisation des suffixes pronominaux avec des thonymes d'Ebla Ugarit et Kuntillet 'Ajrud, UF 27 [1995], 599610) durchaus auf ein Kultstatuenpaar. Fr ein entsprechendes Bild allerdings nicht aus in Kuntillet Arud , das mglicherwei-se Jhwh und seine Aschera darstellt s. Abb. 395 in Keel/Uehlinger, Gttinnen, 501; C. Uehlinger, Ein Bild Jhwhs und seiner Aschera? Vielleicht!, Welt und Umwelt der Bibel 11 (1999), 50f.

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    Die bildliche Darstellung muss somit wofr auch generelle methodische berlegungen sprechen39 fr sich interpretiert werden, dasselbe gilt fr die Inschriften, auf welche wir uns im Folgenden beschrnken werden.

    Hier ist zunchst abzuklren, wie sich Jhwh und seine Aschera zueinander verhalten. Dazu ist die Syntax der Fgung Jhwh und seine Aschera genauer zu betrachten40. Wie unschwer zu erkennen ist, wird in dem Ausdruck seine Aschera ein Eigenname mit einem Personalsuffix konstruiert41. Das ist nach den blichen grammatischen Regeln nicht mglich: seine Aschera wre dop-pelt determiniert, einerseits, weil Eigennamen per definitionem determiniert sind, andererseits, weil das Personalsuffix das voranstehende Nomen determi-niert.

    Daraus wurde geschlossen: Aschera kann hier nicht die Gttin Aschera mei-nen, sondern nur den sie reprsentierenden Kultpfahl42, der zudem durch das Personalsuffix eng an die Wirkmchtigkeit Jhwhs gebunden ist.

    Diese Argumentation ist aber wenig berzeugend. Sie hat zwar einen relati-ven Vorteil: Die Inschrift folgt den Regeln der modern bestimmten Syntax, sie erkauft diesen Vorteil aber durch einen zu hohen Preis, denn sie muss Gttin und Kultbild vorstellungsmig voneinander trennen, was religionsgeschichtlich ein schwerlich plausibles Konzept darstellt43. Zwar gibt es einen biblischen Anhalt fr diese Trennung, nmlich die deuteronomistische Polemik in den Geschichtsbchern des Alten Testaments, die alles daran setzt, die Gttin A-schera zum bloen Kultobjekt zu profanieren44, doch spiegeln diese Texte nicht die religionsgeschichtlich wahrscheinlichen Sachverhalte, sondern blo deren Perhorreszierung aus der Sicht der spteren Orthodoxie.

    Man muss das Problem der doppelten Determination bei Eigennamen von den Befunden her wohl offener angehen. Hlt man sich an das Alte Testa-

    39 Vgl. C. Uehlinger, Bildquellen und Geschichte Israels. Grundstzliche berlegungen und

    Fallbeispiele, in: C. Hardmeier (Hg.), Steine Bilder Texte. Historische Evidenz auer-biblischer und biblischer Quellen, ABG 5, Leipzig 2001, 2577, 4144.

    40 Vgl. dazu grundlegend J.A. Emerton, New Light on Israelite Religion, ZAW 94 (1982), 220.

    41 Die von A. Angerstorfer, Aerah als consort of Jahwe oder Airtah?, BN 17 (1982), 716, vorgeschlagene Alternative hat sich zu Recht nicht durchgesetzt (vgl. dazu etwa Mller, Kolloquialsprache, 29 Anm. 50).

    42 So bes. Keel/Uehlinger, Gttinnen, 263f.270.272. 43 Vgl. dazu immerhin den Verweis von Keel/Uehlinger (Gttinnen, 263) auf U. Winter, Frau

    und Gttin. Exegetische und ikonographische Studien zum weiblichen Gottesbild im Alten Israel und dessen Umwelt, OBO 53, Fribourg/Gttingen 1983, 555 (die Gttin und ihr Kultbild [sind] nicht zu trennen) sowie das Zugestndnis der Transparenz von Darstel-lung und Gttin selbst (264).

    44 Vgl. Frevel, Aschera, 954; Pakkala, Intolerant Monolatry, 195f. Zu biblischen Belegen, die Aschera als personhafte Gottheit bezeugen vgl. Mller, Kolloquialsprache, 27f Anm. 45.

  • 24 Konrad Schmid

    ment45, so gibt es zwei Beleggruppen von Eigennamen, die so etwas wie dop-pelte Determination zeigen. Das sind zum einen nomina propria, die den Arti-kel fhren knnen wie }dryh Jordan, hmrh Rama, h(bgh Gibea, }nblh Liba-non, }$bh Baschan, y(h Ai, zum anderen Ausdrcke wie tw)bc hwhy Jhwh Zebaot, {yd&k rw) Ur Kasdim oder {yrhn {r) Aram Naharaim, die zeigen, dass offenbar regelwidrig auch constructus-Verbindungen mit Eigennamen mglich sind, was ebenso auf doppelte Determination herausluft. Man kann diese Flle entweder so erklren, dass Determination bei Eigennamen46 in be-stimmten Fllen einen graduellen Prozess darstellt, d.h. dass die entsprechende Gre genauer oder weniger genau determiniert werden kann, oder aber man hlt sich an Gesenius-Kautzsch 122h: Wenn gelegentlich auch solche Nomi-na, die der Sprachgebrauch berall als eigentliche Nomina propria behandelt, in Anlehnung an einen nachf. Genetiv zu stehen scheinen, so beruht dies in Wahrheit auf einer Breviloquenz, die das wirkliche Regens des Genetivs, sc. den im Nomen proprium enthaltenen Appellativ-Begriff unterdrckt. tw)bc hwhy Jhwh Zebaot/der Heerscharen ist dann elliptisch formuliert fr tw)bc yhwl) hwhy Jhwh, der Gott der Heerscharen (so z.B. 2Sam 5,10). Ent-sprechend stnde dann und seine Aschera abkrzend fr und Aschera, seine Gemahlin.

    Wie man sich auch entscheidet entweder man lsst doppelte Determinati-on von Eigennamen zu oder aber man erklrt sie als Breviloquenz , der Aus-druck und seine Aschera schliet das personale Verstndnis, das religionsge-schichtlich ohnehin am nchsten liegt, nicht aus: seine Aschera meint in diesen Inschriften tatschlich die Gttin Aschera47 und nicht einfach den sie symbolisierenden Kultpfahl (das wre eine subdeuteronomistische Rezeption).

    Gleichwohl muss man im Blick auf das Polytheismus-Urteil festhalten: Jhwh und seine Aschera sind nur zwei und nicht viele Gottheiten und Aschera ist Jhwh subordiniert48 und funktional eng zugewiesen gewesen, wie es das Per-

    45 Fr die Kombination von Gottheiten mit Suffixen in Ugarit vgl. M. Dietrich/O. Loretz,

    Yahwe und seine Aschera. Anthropomorphes Kultbild in Mesopotamien, Ugarit und Isra-el. Das biblische Bilderverbot, UBL 9, Mnster 1992, 98101; Xella, Le dieu et sa desse.

    46 Vgl. dazu F. Stolz, Determinationsprobleme und Eigennamen, ThZ 53 (1997), 142151, 150; E. Schwab, Die doppelt determinierte Konstruktus-Verbindung und ihre Bedeutung fr die Interpretation des markinischen Weinwortes (Mk 14,24), in: A. Graupner u.a. (Hgg.), Verbindungslinien, FS W.H. Schmidt, Neukirchen-Vluyn 2000, 331349.

    47 Vgl. etwa Mller, Kolloquialsprache, 27f; zu Aschera vgl. J. Day, Asherah in the Hebrew Bible and Northwest Semitic Literature, JBL 105 (1986), 385408; K. Koch, Aschera als Himmelsknigin in Jerusalem, UF 20 (1988), 97120; G. Braulik, Die Ablehnung der Gt-tin Aschera in Israel. War sie erst deuteronomistisch, diente sie der Unterdrckung der Frauen?, in: M.-Th. Wacker/E. Zenger (Hgg.), Der eine Gott und die Gttin, QD 135, Freiburg i.Br. 1991, 106136 = ders., Studien zum Buch Deuteronomium, SBB 24, Stutt-gart 1997, 81118; Frevel, Aschera.

    48 Vgl. auch K. van der Toorn, Currents in the Study of Israelite Religion, CR:BS 6 (1998), 930, 18f.

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    sonalsuffix nahe legt49. Aschera scheint sich besonders fr Segensaussagen empfohlen zu haben, da sich Segen und Fruchtbarkeit namentlich im Rekurs auf geschlechtliche Polaritt plausibel verbalisieren lieen. Jhwh und seine A-schera scheinen von daher eher eine Differenzierung als eine Multiplizierung des Gttlichen darzustellen50.

    b) Das Problem eines Polyjahwismus

    Die zweite religionsgeschichtliche Aufflligkeit der Inschriften von Kuntillet Arud und von Chirbet-el-Qom besteht darin, dass hier von Jhwh von Samaria bzw. Jhwh von Teman gesprochen wird. Auch das sind nach Magabe der mo-dernen Grammatik syntaktisch unzulssige Fgungen: Als constructus-Verbin-dungen zweier Eigennamen bilden sie ebenfalls doppelte Determinationen. Aber auch hier ist Offenheit gegenber den sprachlichen Befunden angebracht: Die Nherbestimmung Jhwhs als Jhwh von Samaria bzw. Jhwh von Teman ist im altorientalischen Kontext nichts Erstaunliches. Sie entspricht logisch der Fgung Itar von Arbela, Itar von Ninive oder Hadad von Sikani: Eine na-mentlich genannte Gottheit wird durch einen bestimmten Kultort genauer de-terminiert. Und ebenso wie Itar mehrere Kultorte hatte, so scheint das auch fr Jhwh der Fall gewesen zu sein51.

    Teman bleibt fr uns nur unsicher im edomitischen Bereich greifbar52 (es ist strittig, ob es sich bei Teman berhaupt um einen Orts- [und nicht Regions-]

    49 Insofern mag man Keel/Uehlinger, Gttinnen, 488, zustimmen, die der Auffassung sind,

    die Inschriften aus Kuntillet Arud nhmen in der wissenschaftlichen Diskussion zur vo-rexilischen israelitischen Religionsgeschichte einen unverhltnismig breiten Raum ein.

    50 Besonders zu vermerken ist dabei die singularische Weiterfhrung von Jhwh und seiner Aschera in der Inschrift auf Pithos 2 aus Kuntillet Arud: Er segne und behte dich .... Fr moderne Instrumentalisierungen ist Aschera als Partnerin Jhwhs so oder so nicht he-ranziehbar: Wer heute die Rckkehr der Gttin fordert, weil sie offenbar frher einmal ei-nen Platz in der Jhwh-Verehrung hatte, wrde einen klassischen naturalistischen Fehl-schluss begehen: Aus dem Umstand, dass etwas einmal so war, wie es war, folgt nicht, dass es in Zukunft wieder so sein soll. Es gibt keine theologische Normativitt religionsge-schichtlicher Ursprnge. Wer das bestreiten wollte, msste im Gegenzug fordern, dass wir nicht die Bibel als Kanon haben sollten, sondern einige gyptische Inschriften aus dem 14. Jh., die von dem edomitischen Berggott Jhw berichten, denn das sind die ltesten Zeugnisse vom nachmalig biblischen Gott Jhwh (vgl. M. Weippert, Art. Jahwe, RLA 5, Berlin/New York 1980, 246253; E.A. Knauf, Yahwe, VT 34 [1984], 467472; K. van der Toorn, Art. Yahwe, DDD, Leiden u.a. 1995, 17111730). Zu dem Zeitpunkt hatte er des Weiteren noch keine Partnerin, sondern er war ein Solitr, was das Argument von anderer Seite noch einmal ad absurdum fhren wrde.

    51 Vgl. Keel/Uehlinger, Gttinnen, 258f. Gegen eine Auswertung auf einen Jhwh-Tempel in Samaria uern sich Jeremias/Hartenstein, JHWH und seine Aschera, 113 Anm. 137.

    52 Vgl. Am 1,12; Jer 49,7. H. Pfeiffer, Das Heiligtum von Bethel im Spiegel des Hoseabuches, FRLANT 183, Gttingen 1999, 150f bezweifelt die Lesung }mth wegen des schlecht erhaltenen m sowie der Determination.

  • 26 Konrad Schmid

    Namen handelt, wenngleich die Fgung Gottesname + geographische Angabe darauf hindeutet53), Samaria, die Hauptstadt des Nordreichs, hingegen ist hin-lnglich bekannt54.

    Auffllig ist allerdings, dass in der Bibel nur Dan und Bethel als Nordreichs-heiligtmer dokumentiert sind, doch auerbiblisch lsst sich durch das Kalah-Prisma55 Sargons II. sttzen, dass es einen Reichsgott-Tempel in Samaria gege-ben hat, vielleicht hat man auch die biblischen Belege fr einen Baalstempel in Samaria als nachtrgliche Perhorreszierungen eines nicht-Jerusalemer Jhwh-Tempels zu verstehen56.

    Die Belege aus Kuntillet Arud und Chirbet-el-Qom zeigen also, dass Jhwh in unterschiedlichen Manifestationsformen bekannt war, neben dem Jhwh von Jerusalem, der sich im Zug der josianischen Reform57? gegen andere Aus- 53 Vgl. R. de Vaux, Tman, ville ou rgion ddom? RB 76 (1969), 379385; Keel/Uehlinger,

    Gttinnen, 258 (Lit.). Jeremias/Hartenstein, JHWH und seine Aschera, 114 (vgl. auch die Erwgung bei Albertz, Jahwe allein!, 365 Anm. 27), deuten Jhwh von Teman von Hab 3,3 (und Dtn 33,2; Ri 5,4) her: So ist JHWH von Teman am ehesten der Gott der Ursprnge, dessen Macht und Segen in Analogie zu den Ursprungserfahrungen erwartet werden.

    54 Van Oorschot, Hre Israel ...!, 119, interpretiert im Gefolge von Mller, Kolloquialspra-che, 26f; Jeremias/Hartenstein, JHWH und seine Aschera, 113f, Samaria und Teman neuerdings wieder als Bezeichnungen fr Regionen, nicht Stdte. Fr die Bezeichnung Jhwh von Samaria macht die exklusive Bestimmung Samarias als Reichs- (und nicht [zugleich] Stadt-) Name aber nur dann Sinn, wenn man einen Jhwh-Tempel dort bestreiten will, vgl. dazu aber die nachfolgende Anm.

    55 Vgl. TUAT I/4, 382; s. dazu B. Becking, The Gods, in Whom They Trusted ... Assyrian Evidence for Iconic Polytheism in Ancient Israel, in: ders. u.a. (Hgg.), Only One God? (s. Anm. 2), 151163; C. Uehlinger, ... und wo sind die Gtter von Samarien? Die Wegfh-rung syrisch-palstinischer Kultstatuen auf einem Relief Sargons II. in Horsabad/Dur-Sharrukin, in: M. Dietrich/I. Kottsieper (Hgg.), Und Mose schrieb dieses Lied auf. Stu-dien zum Alten Testament und zum Alten Orient, FS O. Loretz, AOAT 250, Mnster 1998, 739776; vgl. zum Problem auch S. Timm, Ein assyrisch bezeugter Tempel in Sama-ria?, in: U. Hbner/E.A. Knauf (Hgg.), Kein Land fr sich allein. Studien zum Kulturkon-takt in Kanaan, Israel/Palstina und Ebirnri, FS M. Weippert, OBO 186, Fri-bourg/Gttingen 2002, 126134.

    56 Zeitgenssisch mag dieser Tempel auch ohne weiteres einem als Baal verehrten Jhwh geweiht gewesen sein, wenn man mit Weippert von der zeitweisen Identifizierung von Baal und Jhwh ausgehen darf (vgl. Weippert, Synkretismus). Die kritische Diskussion bei H. Pfeiffer, Das Heiligtum von Bethel im Spiegel des Hoseabuches, FRLANT 183, Gttingen 1999, 142152, die nicht einen positive[n] Beleg fr die Existenz eines Heiligtums in Sa-maria fr die Zeit nach der Jehurevolution zu erkennen vermag, und fr }wrm$ hwhy in Kuntillet Arud bei der bersetzung Jhwh unser Beschtzer bleiben will, baut auf fr historische Rekonstruktionen falschen Prmissen auf: Historisch wahrscheinlich kann auch sein, was sich auf keinen einzigen sicheren Beleg, aber mehrere konvergente Argumente sttzen kann. Darber hinaus spricht fr die Wiedergabe von }wrm$ hwhy mit Jhwh von Samaria der Fund von 2 Stcken von sogenannter Samaria-Ware in Kuntillet Arud, vgl. J. Gunneweg u.a., The Origin of the Pottery of Kuntillet Ajrud, IEJ 35 (1985), 270283.

    57 Vgl. dazu H. Niehr, Die Reform des Joschija. Methodische, historische und religionsge-schichtliche Aspekte, in: W. Gro (Hg.), Jeremia und die deuteronomistische Bewegung,

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    prgungen durchsetzen konnte, gab es offenbar (zumindest) auch einen Jhwh von Samaria und einen Jhwh von Teman. Wenn man will, kann man hier von Polyjahwismus sprechen, aber dieser Polyjahwismus ist ganz hnlich wie das Jhwh-Aschera-Problem als eine Differenzierungstendenz zu interpretieren, die Manifestationen einerseits und Ursprung des Gttlichen andererseits unter-scheidet.

    Die Inschriften fhren somit ein Bild der Religion des knigszeitlichen Israel vor, dass uns durch die Bibel nur noch mittelbar zugnglich ist. Dass Jhwh eine Aschera an seiner Seite hatte, lsst sich nur noch e negativo ermitteln: Wenn es in Dtn 16,21 heit: Du sollst dir keine Aschera von irgendwelchem Holz auf-pflanzen neben dem Altar Jhwhs, deines Gottes, dann impliziert das, dass diese Idee grundstzlich erschwinglich war, und wenn man 2Kn 21,7 historisch trauen darf, dann heit das, dass in der Person Manasses tatschlich auch je-mand diese Idee ausgefhrt hat.

    Der Polyjahwismus der Inschriften hat sein negatives Gegenstck in der Behauptung der Einheit Jhwhs im Schema Israel58. Es heit dort: Hre Israel, Jhwh, dein Gott, ist ein Jhwh. Jhwhs Manifestationen werden im Schema Isra-el alle auf den einen Jhwh von Jerusalem zurckgebunden; oder vielleicht schr-fer gefasst: Der wahre Jhwh manifestiert sich als solcher in Jerusalem. Das Schema Israel propagiert also gegen den Polyjahwismus einen Monojahwis-

    BBB 98, Weinheim 1995, 3355 einerseits und C. Uehlinger, Gab es eine joschijanische Kultreform? Pldoyer fr ein begrndetes Minimum, in: Gro (Hg.), Jeremia, 5789, ande-rerseits.

    58 Gegen die Argumentationen von T. Veijola, Das Bekenntnis Israels. Beobachtungen zur Geschichte und Theologie von Dtn 6,49, ThZ 48 (1992), 369381; ders., Hre Israel! Der Sinn und Hintergrund von Deuteronomium VI 49, VT 42 (1992), 528541 (wieder gefolgt von J. van Oorschot, Hre Israel ...! [Dtn 6,4f.] Der eine und einzige Gott Israels im Wi-derstreit, in: ders./M. Krebernik [Hgg.], Polytheismus und Monotheismus in den Religionen des Vorderen Orients, AOAT 298, Mnster 2002, 113135, 125), die das theologische Pro-fil des Schema Israel mit demjenigen des 1. Gebots gleichsetzen, vgl. nach wie vor P. Hff-ken, Eine Bemerkung zum religionsgeschichtlichen Hintergrund von Dtn 6,4, BZ 28 (1984), 8893, neuerdings Jeremias/Hartenstein, JHWH und seine Aschera, 113 Anm. 135; R.G. Kratz, Die Komposition der erzhlenden Bcher des Alten Testaments. Grund-wissen der Bibelkritik, UTB 2157, Gttingen 2000, 130133; Pakkala, Intolerant Monolatry, 7384 (s. auch die bei MacDonald, Deuteronomy, 71 Anm. 78 Genannten; MacDonalds Kritik [72f] bleibt demgegenber nicht berzeugend). Bei Veijolas bersetzung bleibt E. Aurelius (Der Ursprung des Ersten Gebots, ZThK 100 [2003], 121), er erkennt jedoch der Sache nach zutreffend den monojahwistischen Charakter von Dtn 6,4. Noch ohne die e-pigraphischen Funde sprach bereits W. Bade von Monojahwismus, vgl. ders., Der Mono-jahwismus des Deuteronomiums, ZAW 30 (1910), 8190. Vgl. zur Diskussion auch R.W.L. Moberly, Yahweh is one. The Translation of the Shema, VT.S 41 (1990), 209215; C. Hardmeier, Das Schema 'Jisra'el in Dtn 6,4 im Rahmen der Beziehungstheologie der deute-ronomistischen Tora, in: E. Blum (Hg.), Mincha, FS R. Rendtorff, Neukirchen-Vluyn 2000, 6192.

  • 28 Konrad Schmid

    mus, der in der Bibel ebenfalls nur noch den Endpunkt einer umfassenderen religionsgeschichtlichen Entwicklung zeigt.

    Man sieht also: Der vorexilische Jahwismus kennt bestimmte Differenzie-rungen, einerseits dadurch, dass Jhwh eine Paredros beigeordnet werden kann, andererseits dadurch, dass eine Mehrzahl kultischer Manifestationsformen Jhwhs unterschieden werden kann. Wenn man sich entscheiden msste, ist das natrlich eher Polytheismus als Monotheismus aber dass diese Vorstellun-gen nicht einfach polytheistisch im Sinne einer bloen Vielgtterei sind, zeigt sich schon daran, dass der Nachweis auerordentlich schwer fllt, wer denn auer Jhwh und seiner Aschera noch dieses vorexilische Pantheon bevlkert haben soll59.

    Damit soll nun zum zweiten Querschnitt bei der Priesterschrift bergegan-gen werden, die aufgrund der neuesten Entwicklungen in der Pentateuchfor-schung ganz neue Aufmerksamkeit finden muss.

    4. Die Umwlzungen in der jngsten Pentateuchdiskussion und ihre Konsequenzen fr die Monotheismus-Problematik:

    Die theologische Leistung der Priesterschrift

    Dass die Priesterschrift60 eine monotheistische Gottesvorstellung vertritt, ist Gemeingut in der alttestamentlichen Forschung. Nur hat diese Bestimmung angesichts der jngsten Transformationen in der alttestamentlichen Wissen-schaft, namentlich der neueren redaktionsgeschichtlichen Sicht des Pentateuch, eine ganz neue Brisanz gewonnen. Weshalb?

    Die klassische Urkundenhypothese rechnete bekanntlich mit der Entstehung des Pentateuch aus der Zusammenarbeitung der drei Quellen J, E und P, die alle im Grunde genommen dasselbe erzhlten, nmlich die Heilsgeschichte von der Schpfung (J, P) bzw. den Vtern (E) ber den Exodus bis hin zum Tod Moses (P) bzw. zur Landnahme (J, E, die Landnahmedarstellung wird allerdings in der Regel als nicht mehr erhalten bestimmt). Schon die ltes-ten Literaturwerke, namentlich der salomonische Jahwist, kannten also bereits Jhwh als den Schpfergott, Jhwh als denjenigen, der die Sintflut ber die Welt

    59 S. auch Pakkala, Intolerant Monolatry, 196. Fr Aschera gilt dabei: Her divinity ... was

    bound to Yahwes cult to the extent that she did not have functions beyond it. There is very little evidence for a separate cult of Ashera (229).

    60 Vgl. zur einleitungswissenschaftlichen Diskussion K. Koch, P kein Redaktor! Erinnerung an zwei Eckdaten der Quellenscheidung, VT 37 (1987), 446467; T. Pola, Die ursprngli-che Priesterschrift. Beobachtungen zur Literarkritik und Traditionsgeschichte von Pg, WMANT 70, Neukirchen-Vluyn 1995; E. Otto, Forschungen zur Priesterschrift, ThR 62 (1997), 150; E. Zenger, Art. Priesterschrift, TRE 27, Berlin/New York 1997, 435446; ders. u.a., Einleitung in das Alte Testament, Studienbcher Theologie 1,1, Stuttgart u.a. 42001, 142162.

  • Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 29

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    bringt und Jhwh als denjenigen, der die Menschheit daraus auch errettet und sich in der Folge als der Fhrungsgott der Vter und des Volkes Israels zeigt.

    Bereits mit wenigen altorientalischen Kenntnissen lsst sich erkennen, dass namentlich in der traditionell als jahwistisch bezeichneten Urgeschichte tradi-tionelles Mythenmaterial auf Jhwh als den einen und einzigen Gott hin syntheti-siert worden ist: In der mesopotamischen Literatur sind es je unterschiedliche Gottheiten, die die Welt und die Menschen erschaffen, die Sintflut beschlieen und die Menschheit daraus erretten. In Jhwh werden diese unterschiedlichen Funktionen auf eine Gottheit hin zusammengedacht und konzentriert61, die zudem ab Gen 12 noch mit den Gottheiten der Vterzeit und ab Ex 1 mit dem Exodusgott identifiziert wird. In der klassischen Pentateuchforschung ist der israelitische Monotheismus durch entsprechende literarhistorische Zuweisungen der betreffenden Texte schon beim ersten groen Schriftsteller, dem salomoni-schen Jahwisten, theologisch elementar angelegt. Die Sonderstellung des Glaubens Israels ist schon in der frhen Knigszeit literarisch nachweisbar.

    Dieses wirkmchtige Bild ist in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts zunchst aufgrund binnenexegetischer Beobachtungen zum Pentateuch ins Wanken geraten62, die sich freilich auch mit einem gewissen Zurcktreten des Einflusses der Kerygmatheologie auf die Bibelwissenschaften in Verbindung bringen lassen. Mageblich umgeprgt wurde diese Sichtweise dann aber vor allem durch die massiven Fortschritte der Palstina-Archologie, die sich von ihrem alten Image (und bisweilen auch Selbstverstndnis) als biblischer Hilfs-wissenschaft gelst hat und mittlerweile bei historischen Rekonstruktionen im Bereich des antiken Israel, seiner Religion und Literatur, zu Recht eine gewisse Fhrungsrolle beansprucht, da sie in die Lage gekommen ist, in ansehnlicher Zahl neue Primrquellen in die wissenschaftliche Diskussion miteinzuspeisen63. Diese Primrquellen umfassen sowohl textliche wie auch nichttextliche Funde, die fr die Religionsgeschichte Israels von hchster Bedeutung sind und im Wesentlichen zeigen, dass das biblische Bild der Religion des knigszeitlichen Israel eine bestimmte Rezeptionsgestalt dessen ist, was sich historisch rekon-struieren lsst. Das Alte Testament, das in der Tat dem Diskontinuittspara-digma folgt, ist kein Dokument der altisraelitischen Religionsgeschichte, son-

    61 Vgl. O. Keel, Jhwh in der Rolle der Muttergottheit, Or. 53 (1989), 8992; N.C. Baumgart,

    Die Umkehr des Schpfergottes. Zu Komposition und religionsgeschichtlichem Hinter-grund von Gen 59, HBS 22, Freiburg u.a. 1999, 419ff.

    62 Vgl. J. Van Seters, Abraham in History and Tradition, New Haven 1975; H.H. Schmid, Der sogenannte Jahwist. Beobachtungen und Fragen zur Pentateuchforschung, Zrich 1976; R. Rendtorff, Das berlieferungsgeschichtliche Problem des Pentateuch, BZAW 147, Ber-lin/New York 1977.

    63 Vgl. das Material bei Keel/Uehlinger, Gttinnen; Zevit, Religions; kurz zusammengefasst bei Pakkala, Intolerant Monolatry, 188213. Zur Kategorie Primrquelle vgl. o. Anm. 16.

  • 30 Konrad Schmid

    dern eine Interpretation von ihr aus dem Blickwinkel des nachmals orthodo-xen perserzeitlichen und hellenistischen Judentums64.

    Wenngleich aus einem kurzen, aber doch bereits sprechenden forschungsge-schichtlichen Abstand heraus zeigt die klassische J-Hypothese des 20. Jahr-hunderts vor allem, dass die Einarbeitung der Priesterschrift in den Pentateuch ihr mutmaliches rezeptionssthetisches Ziel erreicht hat: Sie mchte gerne, dass man den Pentateuch durch ihre Brille liest, und genau das hat die alttesta-mentliche Exegese getan, wenn sie den vorpriesterlichen Pentateuch (JE) entsprechend P selbst bestimmte, nmlich als Geschichtsdarstellung von Schpfung ber Erzvter, Exodus bis an den Eintritt ins Gelobte Land. Legt man die P-Brille aber ab, dann zeigt sich schnell, dass die Hauptthemen der Pentateuchberlieferung redaktionell nur sehr lose miteinander verknpft sind und dass ihr literargeschichtliches Wachstum vor P sehr viel adquater ber ein Block- als ber ein bergreifendes Quellenmodell beschreibbar ist. Die Hauptthemen des Pentateuch bestanden offenbar zunchst je fr sich, sie wa-ren nebeneinander und nicht nacheinander geordnet65, wie bereits Martin Noth im Grundsatz erkannt hatte66. Er wollte dies allerdings unter dem Eindruck Gerhard von Rads67 nur fr die mndliche Vorgeschichte des Pentateuch gel-ten lassen, whrend die heutige Forschung bei der Nachprfung, ob diese Sepa-ration nicht noch bis weit in die Literargeschichte des Pentateuch hinein be-standen hat, zu doch recht breit konsensfhigen Resultaten gekommen ist.

    Diese Perspektivenverschiebungen in der Pentateuchforschung haben evi-denterweise entscheidende Implikationen fr die Monotheismusfrage. Im Rah-men des klassischen Quellenmodells waren bezglich der Verehrung des einen Gottes die Wrfel bereits beim salomonischen Jahwisten gefallen die Struk-tur der Einzigkeit Jhwhs ist hier bereits vorgezeichnet, die Epigonen leisten hier noch weitere Abgrenzungen und Przisierungen, mehr aber nicht. Der eigentli-che Theologe war der Jahwist, und der Jawhist war im Grunde bereits Mo-notheist. Wenn aber nun die Priesterschrift wieder zu ihren alten Ehren aus der Zeit vor Wellhausen als Grundschrift68 des Pentateuch kommt, aber mit be- 64 Vgl. hierzu etwa die Darstellungen von Kratz, Komposition; C. Levin, Das Alte Testament,

    Mnchen 2001 sowie das Themenheft Welt und Umwelt der Bibel 28 (2003): Wer hat die Bibel geschrieben?

    65 Vgl. K. Schmid, Erzvter und Exodus. Untersuchungen zur doppelten Begrndung der Ursprnge Israels innerhalb der Geschichtsbcher des Alten Testaments, WMANT 81, Neukirchen-Vluyn 1999; J.C. Gertz, Tradition und Redaktion in der Exoduserzhlungen. Untersuchungen zur Endredaktion des Pentateuch, FRLANT 186, Gttingen 2000; J.C. Gertz u.a. (Hgg.), Abschied vom Jahwisten. Die Komposition des Hexateuch in der jngs-ten Diskussion, BZAW 315, Berlin/New York 2002.

    66 berlieferungsgeschichte des Pentateuch, Stuttgart 1948. 67 Das formgeschichtliche Problem des Hexateuch (1938), in: ders., Gesammelte Studien zum

    Alten Testament, TB 8, Mnchen 1958, 986. 68 Vgl. Th. Nldeke, Untersuchungen zur Kritik des Alten Testaments, Kiel 1869; das Argu-

    ment wird berzogen bei G.J. Wenham, The Priority of P, VT 49 (1999), 240258.

  • Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 31

    11.11.03

    trchtlicher Zeitverschiebung nach hinten, dann muss man damit rechnen, dass einige entscheidende theologische Syntheseleistungen erst hier, in der frhen Perserzeit, vollzogen worden sind. Und in der Tat findet man auf der Ebene der Priesterschrift theologische Argumentationen, die darauf hinweisen, dass weder die Einheit noch die Einzigkeit Gottes, die sie vertritt, ihrem damaligen Publikum ohne weiteres gelufig waren. Am deutlichsten lsst sich dies aus der berhmten Aussage in der priesterschriftlichen Moseberufung Ex 6,3 ersehen69:

    Ich bin Jhwh. Ich bin Abraham, Isaak und Jakob als El Schaddaj erschienen, mit meinem Namen Jhwh aber habe ich mich ihnen nicht kundgetan.

    Die Priesterschrift entwirft in Ex 6,3 eine gestufte Offenbarungstheorie, um zu zeigen, dass Vtergott und Exodusgott eben doch einer, und zwar ein und der-selbe sind: Den Vtern offenbarte sich Jhwh als El Schaddaj, unter diesem Na-men fasst P die ihr vorgegebene Tradition der unterschiedlichen Vtergotthei-ten zusammen, doch El Schaddaj ist niemand anders als Jhwh selbst, wie der Leserschaft der Priesterschrift brigens bereits in Gen 17,1, dem einzigen Jhwh-Beleg in der Priesterschrift vor Ex 6, heimlich vorangezeigt worden ist.

    In der Offenbarungstheorie von Ex 6,3 sind die Synthesebestrebungen der Priesterschrift handgreiflich an der Textoberflche zu fassen. Sie finden sich jedoch auch anderwrts als Tiefenstrukur im Text. Dazu zwei Beispiele:

    (1) Die im Rahmen der Priesterschrift in Ex 1,7 beschriebene Mehrung des Volkes ruft Assoziationen an zentrale Aussagen des vorlaufenden P-Textes wach70. Ex 1,7 lautet:

    Die Israeliten aber waren fruchtbar und breiteten sich aus, mehrten sich und wurden ber alle Maen stark, so da das Land (jr)) von ihnen voll wurde.

    Die Formulierung der Mehrung der Israeliten erinnert zunchst an den Schp-fungsauftrag Gottes in Gen 1,28:

    Seid fruchtbar und mehrt euch und fllt die Erde (jr)) ... (Gen 1,28),

    der nach der Sintflut genau wrtlich noch einmal an Noah und seine Shne ergeht:

    69 Vgl. dazu W.R. Garr, The Grammar and Interpretation of Exodus 6:3, JBL 111 (1992),

    385408 sowie GK 144l.m. 70 In der Pentateuchforschung sind diese Relationen oft gesehen und beschrieben worden, Ex

    1,7 (bisweilen mit literarkritischen Distinktionen, die aber nicht die hier verwerteten Text-anteile betreffen) und seine Referenztexte werden gemeinhin zur Priesterschrift gerechnet; vgl. zur Diskussion Gertz, Tradition, 366368; anders J. Van Seters, The Life of Moses. The Yahwist as Historian in Exodus-Numbers, Louisville 1994, 1921.

  • 32 Konrad Schmid

    Seid fruchtbar und mehrt euch und fllt die Erde (Gen 9,1).

    Die Mehrung der Israeliten in Ex 1 erscheint damit als Teileinlsung des an das erste Menschenpaar und nach der Sintflut an die Noahfamilie ergangenen Schpfungsauftrags: Dass sich die Israeliten in gypten vermehren, ist ein gott-gewollter Vorgang, es ist Schpfungsgeschehen, ohne dass dies irgendwo expli-zit gesagt wrde. Nur die eigentmliche Koppelung der strkeren Unterdr-ckung der Israeliten mit ihrer gleichzeitigen Vermehrung legt auf der Textoberflche eine Spur in dieselbe Richtung:

    Aber je mehr sie das Volk bedrckten, um so mehr nahm es zu und breitete sich aus, so da ihnen vor den Israeliten graute (Ex 1,12).

    Dass die Israeliten sich trotz der Oppression durch die gypter weiter vermeh-ren und nicht, wie von den gyptern intendiert und billigerweise auch zu erwar-ten, verringern, verdankt sich der Providenz des Schpfergottes.

    Nun spricht Ex 1,7 neben dem Fruchtbarsein und Mehren auch noch vom wie deutsche Bibeln in der Regel bersetzen Sich-ausbreiten der Is-raeliten. Damit liegt nicht einfach eine plerophorische Redeweise vor, sondern die verwendete Wurzel jr$ (wimmeln) hat in Ex 1,7 einen wohlabgewogenen Sinn: Sie findet sich im Alten Testament auf Menschen bezogen nur noch ein-mal, und zwar im unmittelbaren Folgekontext von Gen 9,1, in Gen 9,7, wo Gott wiederum zu Noah und seinen Shnen spricht:

    Ihr nun seid fruchtbar und mehrt euch, breitet euch aus (jr$ )auf der Erde ...!

    Vergleicht man die Situation von Noahs Familie nach der Sintflut und diejenige der siebzigkpfigen Jakobsippe, die nach gypten gezogen war, so ist leicht erkennbar, dass beide Male der Erzhlfluss einen rasanten Bevlkerungsanstieg fordert. Aus der Noahschar muss sich die ganze Erde bevlkern (Gen 10) und die kleine Jakobsippe muss binnen weniger Verse zu einem groen und starken Volk werden71. Auch hier wird also aus dem textlichen Hintergrund deutlich: Die Mehrung der Israeliten in gypten ist ein Geschehen, das ebenso gottgelei-tet ist, wie es die Wiederbevlkerung der Erde nach der Sintflut war.

    Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Die Volkwerdung der Israeliten ist nicht nur ein Schpfungsgeschehen, sondern auch Erfllung von Verheiung. In Ex 1,7 heit es, die Israeliten seien ber alle Maen (d)m d)mb) stark geworden. Dieser Steigerungsausdruck mutet zwar als Floskel an, hat aber bei nherem Zusehen doch seine genauere Bedeutung: Er kam zuvor nur in der groen Ver-heiung an Abraham in Gen 17 vor. Gott spricht dort zu Abraham: 71 Vgl. B. Gosse, Transitions rdactionelles de lhistoire des clans lhistoire des peuples en

    Ex 1,7; 2,24b, EstB 51 (1993), 163170; ders., Mose entre lalliance des patriarches et celle du Sina, SJOT 11 (1997), 315, 4.

  • Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 33

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    Ich bin El Schaddaj, wandle vor mir und sei vollkommen, ich will einen Bund stiften zwi-schen mir und dir und will dich ber alle Maen (d)m d)mb) mehren (Gen 17,1f).

    Es ist also der Schpfergott der Urgeschichte wie auch der Verheiungsgott der Vtergeschichte, der hinter der Mehrung der Israeliten in gypten steht und durch sie erfllt sich einerseits der Schpfungsauftrag an die ersten Menschen sowie an Noah und seine Familie wie auch die Abraham gegebene Verheiung.

    (2) Beim Durchzug der Israeliten durch das Meer heit es in der priesterschrift-lichen Darstellung Ex 14,22:

    Und die Israeliten gingen inmitten des Meeres auf dem Trockenen (h$byb) und das Was-ser war fr sie eine Mauer zu ihrer Rechten und zu ihrer Linken.

    Der Begriff h$by begegnet in der Priesterschrift vor Ex 14 nur an einer Stelle, nmlich ganz am Anfang, in Gen 1,9:

    Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser, das unter dem Himmel ist, an einem Ort und es werde sichtbar das Trockene (h$byh). Und es geschah so.

    Dass beim Meerwunder bei der Spaltung des Meeres dasselbe geschieht wie bei der Schpfung, dass nmlich das Trockene sichtbar wird, ist in der Priester-schrift offenbar mit Bedacht so dargestellt. Es zeigt sich so nmlich in der Tie-fenstruktur des Textes, dass hinter dem Meerwunder Schpfungshandeln steht, oder umgemnzt auf die Gottesvorstellung: Der Gott der Schpfung und der rettende Gott beim Exodus sind ein und derselbe.

    Man sieht also bereits an diesen expliziten und impliziten Argumentationen, die der Verknpfung der Hauptthemen der Pentateuchberlieferung dienen, dass die Priesterschrift enorme Anstrengungen unternimmt, die ihr vorgegebe-ne berlieferung hinsichtlich des Gottesbegriffs zu synthetisieren.

    Die Gottesvorstellung der Priesterschrift lsst sich aber nur ansatzweise -ber solche Beobachtungen zur kompositionellen Logik der Verbindung von Urgeschichte, Vtergeschichte und Exodusgeschichte erschlieen, denn sie zei-gen ja erst die Einheit, noch nicht aber die Einzigkeit Gottes, an der fr die Priesterschrift allerdings Entscheidendes liegt und die auch ihre Theologie ins-gesamt bestimmt.

    Die monotheistische Argumentation der Priesterschrift lsst sich vor allem an der ihr eigentmliche {yhl)-Begrifflichkeit erkennen. Ex 6,3 zeigt, dass Gott nach der Priesterschrift den Vtern als El Schaddaj erschienen ist, der Jhwh-Name aber wird erst in der Mosezeit geoffenbart. Auf der Leseebene wird Gott in der Priesterschrift bekanntlich aber noch einmal anders eingefhrt, nmlich als {yhl). Namentlich ihr Einsatz in Gen 1,12,4a benutzt {yhl) zur Bezeich-nung Gottes auerordentlich prominent, nmlich nicht weniger als 33mal in

  • 34 Konrad Schmid

    Subjektstellung72, so dass die Programmatik dieses Sprachgebrauchs nicht zu verkennen ist. Die {yhl)-Begrifflichkeit fllt besonders auf neben dem ab Gen 2,5ff einsetzenden Gebrauch des Jhwh-Namens im nichtpriesterschriftlichen Textgut. Diese Beobachtung ist uralt und gehrt zu den fundamentalen Requisi-ten der Pentateuchkritik, eigentmlicherweise wurde aber kaum nach dem theo-logischen Programm gefragt, das hinter der {yhl)-Begrifflichkeit steht, ge-schweige denn, dass es adquat gewrdigt worden wre. Erst in jngster Zeit hat Albert de Pury73 auf die theologische Leistung aufmerksam gemacht, die die Priesterschrift hier vermutlich in Aufnahme lterer, mglicherweise noch an-ders gelagerter Verwendungen von artikellosem {yhl)74 vollbracht hat.

    {yhl) ist ein hebrisches Nomen mit der Bedeutung Gott oder Gtter. Undeterminiertes {yhl) ohne Artikel wre also grundstzlich zu bersetzen mit ein Gott oder Gtter. Diese Bedeutung hat {yhl) in der Priesterschrift of-fenkundig nicht, wie sich aus Gen 1 unschwer ergibt: {yhl) heit nicht ein Gott, schon gar nicht Gtter, wie die singularischen Prdikate zeigen75, son-dern Gott, wobei es sich um einen sogenannten Hoheitsplural76 handelt. {yhl) wird in der Priesterschrift also singularisch und, obwohl es keinen Artikel fhrt, wie ein determiniertes Nomen verwendet. Das aber heit: Die Priester-schrift gebraucht {yhl) hinsichtlich der Determination wie einen Eigenna-men77, denn nur Eigennamen sind Nomen, die fr sich genommen hinrei-

    72 Vgl. A. de Pury, Gottesname, Gottesbezeichnung und Gottesbegriff. Elohim als Indiz zur

    Entstehungsgeschichte des Pentateuch, in: J.C. Gertz u.a. (Hgg.), Abschied vom Jahwisten. Die Komposition des Hexateuch in der jngsten Diskussion, BZAW 315, Berlin/New Y-ork 2002, 2547, 36 mit Anm. 48; vgl. den Hinweis auf {yhl) xwr 1,2 und {yhl) {lc 1,27.

    73 Vgl. de Pury, Gottesname. 74 Vgl. de Pury, Gottesname, 4044. Zu beachten ist allerdings der Umstand, dass der Artikel

    im Hebrischen, wie das Inschriftenkorpus zeigt, erst seit dem 8.Jh. v.Chr. konsequent eingesetzt wird (vgl. A. Schle, Die Syntax der althebrischen Inschriften. Ein Beitrag zur historischen Grammatik des Hebrischen, AOAT 270, Mnster 2000, 53f). Man mag erwgen, ob sich artikelloses {yhl) bes. in Ri, Sam, Kn (vgl. de Pury, Gottesname. 42 Anm. 6871) aus diesem lteren Sprachgebrauch im Rahmen monolatrischer persnlicher Frmmigkeit erhalten hat.

    75 Zu Ausnahmen vgl. GK 145i mit Verweis auf Gen 20,13; 31,53; 35,7; Jos 24,19. 76 Vgl. GK 124e.g; K. van der Toorn, Art. God (I), 668692, DDD, 669; Joon-Muraoka

    136d; z.B. auch {y$dq der Hochheilige Hos 12,1; Prov 9,10 oder }ynwyl( der Hchste Dan 7,18.22.25.

    77 Vgl. de Pury, Gottesname, 2729, in Auseinandersetzung mit E. Blum, Die Komposition der Vtergeschichte, WMANT 57, Neukirchen-Vluyn 1984, 471475. Blum sieht Eigen-namen dadurch definiert, dass sie keine intensionale Bedeutung tragen (der Name Fried-rich gibt keine Auskunft ber das Wesen oder den Charakter der betreffenden Person) und bestreitet aus diesem Grund, dass absolut gebrauchtes {yhl) in monotheistischen Kontexten zum Eigennamen werde: {yhl) behalte auch ohne Artikel die Bedeutung Gott (474), deshalb kenne das Alte Testament im genauen Sinn also nur einen Gottesnamen, nmlich hwhy. Das ist zwar im Rahmen dieser Definition grundstzlich zutreffend (auch wenn man das Argument der fehlenden Intension angesichts von Fllen wie Le Havre,

  • Differenzierungen und Konzeptualisierungen der Einheit Gottes 35

    11.11.03

    chend determiniert sein und so auf den Artikel verzichten knnen, da es die mit ihnen bezeichneten Gren nur einmal gibt (GK 125a.c)78.

    Macht man sich diesen artikellosen Gebrauch des Begriffs {yhl), der her-kmmlich die Gattung Gott bezeichnet, nach der Art eines Eigennamens in der Priesterschrift in aller Schrfe klar, dann wird schnell deutlich, dass hier ein Vorgang von fundamentaler Bedeutsamkeit greifbar wird: Die Priesterschrift lsst die Gattung {yhl) und ihren einzigen Inhalt {yhl) koinzidieren: Der einzi-ge, der {yhl) ist, kann deshalb gleichzeitig auch {yhl) heien.

    Die Pointe der Koinzidenz von Gattung und einzigem Element lsst sich weiter profilieren, wenn man sie etwa gegen den Gebrauch von {yhl) in nur wenig lteren Deuterojesaja-Texten hlt. In Jes 45,5 heit es: Ich bin Jhwh und keiner sonst, auer mir ist kein {yhl) ({yhl) }y) ytlwz dw( }y)w hwhy yn)). Hier ist {yhl) deutlich Gattungsbezeichnung79, und ganz wie in der Priesterschrift hat diese Gattung auch bei Deuterojesaja nur ein einziges Element, dieses heit aber nun hwhy und nicht gleicherweise {yhl). Gattung und einziger Inhalt koin-zidieren hier also nicht, sondern bleiben unterschieden. Der Unterschied, der daraus resultiert, ist kein geringer, sondern von fundamentaler Natur: Die Pries-terschrift entwickelt eine inklusive Theologie hinter allen gttlichen Manifestationen wie etwa derjenigen El Schaddajs in der abrahamitischen kumene steht Gott schlechthin , Deuterojesaja dagegen vertritt eine streng

    Deutsche Bank oder Groer Wagen [Name des Sternbilds] nicht strapazieren sollte; vgl. zur weitverzweigten Diskussion U. Wolf [Hg.], Eigennamen. Dokumentation einer Kon-troverse, Frankfurt 1985; E. Schneider, Eigennamen in der analytischen Philosophie, Diss. [masch.] Bayreuth 1990; V. Blanr, Theorie des Eigennamens. Status, Organisation und Funktionieren der Eigennamen in der gesellschaftlichen Kommunikation, Hildesheim u.a. 2001), doch es ist zu differenzieren: Von der Semantik her bleibt {yhl) tatschlich Gottes-bezeichnung, hinsichtlich der artikellosen Determination wird {yhl) aber fraglos wie ein Eigenname verwendet. Die Kombination dieser Elemente macht die Pointe der {yhl)-Begrifflichkeit in der Priesterschrift aus. Eine gewisse zeitgleiche Analogie zu diesem Gebrauch findet sich im absoluten griechischen Gebrauch von BASILEUS als Eigenna-men zur Bezeichnung des persischen Groknigs; vgl. W. Burkert, Die Griechen und der Orient. Von Homer bis zu den Magiern, Mnchen 2003, 107.

    78 Mutatis mutandis zeigt die doppelte Determination bei konkreten Gottesnamen in den knigszeitlichen Inschriften aus Kuntillet Arud und Chirbet-el-Qom, dass die betreffen-den Gottheiten Jhwh und Aschera noch prziser als ber ihren Eigennamen determi-niert werden knnen und mssen: Jhwh kann genauerhin als Jhwh von Samaria und Asche-ra als Jhwhs Aschera identifiziert werden. Bei Gottheiten mit unterschiedlichen Kultorten und das heit: unterschiedlichen Manifestationsformen prsentiert sich das Eigennamen-problem aus eben diesem Grund eine Stufe komplexer diese Gottheiten sind nicht Indi-viduen, sondern Dividuen, was ihre unterschiedlichen kultischen Manifestationen be-trifft.

    79 Vgl. zu {yhl) bei Deuterojesaja auch de Pury, Gottesname, 34 mit Anm. 42. Interessant ist allerdings die Formulierung dw( }y)w hwhy yn) Ich bin Jhwh und keiner sonst, die darauf hindeutet, dass Deuterojesaja nun umgekehrt zur Argumentation der Priesterschrift den Jhwh-Namen zur (exklusiven) Gottesbezeichnung umprgen will.

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    Gott schlechthin , Deuterojesaja dagegen vertritt eine streng exklusive Theolo-gie es gibt keinen Gott auer Jhwh, alle anderen Gtter sind Nichtse. Man sieht also: Mit Vehemenz erringt die Priesterschrift nicht nur die Einheit, sondern auch die Einzigkeit Gottes, die bei ihr allerdings wie die hinsichtlich der Determination eigennamenartige Verwendung der Gattungsbezeichnung {yhl) hinreichend deutlich zeigt inklusiv strukturiert ist. Im weiteren Leseab-lauf der Priesterschrift wird aber sogleich deutlich, dass dieses inklusiv-monotheistische Gottesverstndnis nicht fr sich interessiert, sondern auf ver-schiedene Seiten hin, namentlich auf die Beziehung Gottes zur Welt und zu den Menschen hin expliziert wird. Hier wre nun die Theologie der Priesterschrift insgesamt zu entfalten (die aufgrund ihrer scharfen Reflexionsgestalt auch im strengen Sinn als eine solche gelten kann)80, an dieser Stelle mssen folgende Hinweise gengen:

    (1) Die Priesterschrift entzaubert die Welt zum Lebensraum. Die Weltwahr-nehmung der Priesterschrift ist bekannt: Ihr Schpfungsbericht zeichnet sich durch eine radikal entzauberte Weltsicht aus, was sich etwa besonders deutlich an der Erschaffung der Gestirne sehen lsst (Gen 1,1418). Sie haben nicht von sich aus Licht, sondern das Licht wird drei Tage vor ihnen erschaffen, und sie bekommen auch keine Namen, sondern heien nur groe und kleine Lampen (vielleicht sogar eher: Reflektoren81), um jedwede Assoziation an gttliche We-senheiten zu tilgen. Diese Weltsicht lsst sich durchaus als sachliches Komple-ment der priesterschriftlichen Gotteskonzeption interpretieren. Wo Gott

    80 Vgl. dazu grundlegend W. Zimmerli, Sinaibund und Abrahambund. Ein Beitrag zum Ver-

    stndnis der Priesterschrift, ThZ 16 (1960), 268280 = ders., Gottes Offenbarung. Ge-sammelte Aufstze zum Alten Testament, TB 19, Mnchen 1963, 205217; N. Lohfink, Die Priesterschrift und die Geschichte, in: J.A. Emerton (Hg.), Congress Volume Gttingen 1977, VT.S 29, Leiden 1978, 183225 = ders., Studien zum Pentateuch, SBAB 4, Stuttgart 1988, 213253; B. Janowski, Shne als Heilsgeschehen. Studien zur Shnetheologie der Priesterschrift und zur Wurzel KPR im Alten Orient und im Alten Testament, WMANT 55, Neukirchen-Vluyn 22000; ders., Tempel und Schpfung. Schpfungstheologische As-pekte der priesterschriftlichen Heiligtumskonzeption, in: I. Baldermann u.a. (Hgg.), Schp-fung und Neuschpfung, JBTh 5, Neukirchen-Vluyn 1990, 3769 = ders., Gottes Gegen-wart in Israel. Beitrge zur Theologie des Alten Testaments, Neukirchen-Vluyn 1993, 214246, sowie zuletzt wenn auch mit dem problematischen Vorschlag der Erstreckung von P bis ins Josuabuch wie bei N. Lohfink die wegweisenden berlegungen von E. A. Knauf, Der Exodus zwischen Mythos und Geschichte. Zur priesterschriftlichen Rezeption der Schilfmeer-Geschichte in Ex 14, in: R.G. Kratz u.a. (Hgg.), Schriftauslegung in der Schrift. FS O.H. Steck, BZAW 300, Berlin/New York 2000, 7384; ders., Die Priester-schrift und die Geschichten der Deuteronomisten, in: T. Rmer (Hg.), The Future of Deu-teronomistic History, BEThL 147, Leuven 2000, 101118.

    81 Vgl. zur Diskussion aber O.H. Steck, Der Schpfungsbericht der Priesterschrift. Studien zur literarkritischen und berlieferungsgeschichtlichen Problematik von Genesis 1,12,4a, FRLANT 115, Gttingen 21981, 101f mit Anm. 408f.

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    schlechthin {yhl) ist, kann es keine {yhl)-artigen Abschattungen in der Welt und ihrer kosmologischen Ausstattung geben.

    Mit dieser Entzauberung ist nun aber ein zweites Moment gegeben, das die Formulierung entzaubern zum Lebensraum zu beschreiben versucht. Die Entzauberung der Welt geht nicht darin auf, bloes Komplement des Gottes-verstndnisses zu sein, sondern sie wird in einer bestimmten Funktionalitt ge-sehen: Ohne jegliche dmonische Eigenaktivitt ffnet sich die Welt ganz und gar ihrer Bestimmung als Lebensraum fr Tier und Mensch. Dass dies in der Tat die Intention der Priesterschrift ist, zeigt sich am Aufbau von Gen 1,12,4a82: die acht Werke Gottes sind so auf die sechs Tage verteilt, dass in den Tagen 13 zunchst die Welt als gegliederter und ausgestatteter Lebensraum geschaffen wird und dann in den Tagen 46 die zuvor geschaffenen Lebens-rume nun den einzelnen Lebewesen zugewiesen werden, in denen sie jedenfalls grundstzlich die Mglichkeit zu friedlicher Koexistenz haben83.

    (2) Die Priesterschrift billigt der Gattung Mensch kniglichen Rang zu. Die altorientalische Religiositt kennt traditionell vor allem einen Schnittpunkt zwi-schen gttlicher und weltlicher Sphre, den Knig, der als Sohn Gottes ange-sprochen werden kann (vgl. Ps 2,7: Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt). Die Priesterschrift unterscheidet sich hier grundlegend von der alt-orientalischen Knigsideologie: Sie kennt keinen Knig und sie fordert keinen Knig84 das entspricht auch ihrer eigenen historischen Situation , aber sie rezipiert und transformiert die Knigsideologie85: Die traditionell auf Knige bezogene Gottebenbildlichkeitsaussage, die in der Priesterschrift aber allen Menschen gilt, spricht der Menschheit in Bezug auf genau einen und zwar funktionalen Punkt knigliche Qualitt zu: in Bezug auf das dominium ter-rae86. Der Mensch hat in der Schpfung einen kniglichen Ordnungsauftrag, den er erfllen oder verpassen kann. Diese kniglich gezeichnete Anthropologie lsst sich sehr folgerichtig sachlich aus den beiden zuvor genannten Punkten ableiten: Wird Gott als Gott schlechthin gefasst und die Welt zum Lebensraum

    82 Vgl. dazu grundlegend Steck, Schpfungsbericht. 83 Freilich nimmt bereits Gen 1,12,4a in den Blick, dass das Zusammenleben von Mensch

    und Tier konflikttrchtig ist. Den Landtieren bleibt der Segen zugunsten der Menschen vorenthalten und nach der Flut werden sie zustzlich zur pflanzlichen Nahrung den Menschen als Speisemglichkeit zugewiesen.

    84 Die Knigeverheiung von Gen 17,6.16 ist aus der Verfasserperspektive der Priesterschrift historisiert zu lesen.

    85 Vgl. dazu zuletzt K. Koch, Imago Dei Die Wrde des Menschen im biblischen Text. Berichte aus den Sitzungen der Joachim-Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften e.V. Hamburg 18,4, Gttingen 2000, 1324.

    86 Vgl. M. Weippert, Tier und Mensch in einer menschenarmen Welt. Zum sog. dominium terrae in Genesis 1, in: H.-P. Mathys, Ebenbild Gottes Herrscher ber die Welt, BThSt 33, Neukirchen-Vluyn 1998, 3555; U. Rterswrden, Dominium terrae. Studien zur Gene-se einer alttestamentlichen Vorstellung, BZAW 215, Berlin/New York 1993, 215.

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    entzaubert, so ist die Ernennung des Menschen zum kniglichen Verwalter dieses Lebensraums in einer nichtdeterministischen Interpretation der Schp-fung die konsequente Folge.

    (3) Die Priesterschrift stellt den Bestand der Schpfung und die Nhe Gottes zu Israel durch Bundesschlsse auf Dauer. Die Disposition der Schpfung ist bekanntlich sehr gut (Gen 1,31), sie wird aber durch Gewalt gegen Leben (smx in Gen 6,12) zerstrt. Gott antwortet darauf nach der Sintflut mit zweierlei: Mit dem Noahbund (Gen 9), der den Bestand der Erde auf immer garantiert, und dem Abrahambund (Gen 17), der konkret Israel unkonditioniert Gottesnhe garantiert. Die priesterschriftliche Bundestheologie modifiziert also die schp-fungsmige Ausgangsdisposition, was an sich schon sehr bemerkenswert ist: Die grundlegenden Neusetzungen Gottes nach der creatio prima werden durch Bundesschlsse bewerkstelligt, und Bundesschlsse heit in der Priester-schrift: unkonditionierte Zusagen. Die Welt kann als Lebensraum bestehen dank der Selbstfestlegung Gottes gegenber Noah, und Israel erhlt die Zusage von Gottes Nhe dank seiner Selbstfestlegung gegenber Abraham. Damit wird hier zur Genge deutlich: {yhl) ist kein Theos im Sinne eines Theismus oder Deismus, sondern er ist Gott fr Mensch und Welt. Gott zeigt sich als der eine und wahre Gott in der Gewhrung von Freiheit und Bestand von Mensch und Welt. Gottes Souvernitt kann man in der Priesterschrift also als einen geneti-vus subjectivus und einen genetivus objectivus zugleich interpretieren.

    Fasst man diese Explikationen zusammen, so lsst sich auch hier erkennen: Natrlich ist die Priesterschrift monotheistisch, aber was ist damit gesagt87? Ohne Przisierung und Erluterung bleibt der Begriff Monotheismus nur ein tnendes Erz oder eine klingende Schelle, und es bedarf der Liebe zur Theolo-gie einer monotheistischen Konzeption insgesamt, wenn man verstehen will, was sie bewegt.

    87 Vgl. fr das Dtn jetzt hnlich MacDonald, Deuteronomy, 209221.