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www.ssoar.info Die politische Führung des Milosevic-Regimes Hoppe, Hans-Joachim Veröffentlichungsversion / Published Version Forschungsbericht / research report Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Hoppe, H.-J. (1999). Die politische Führung des Milosevic-Regimes. (Berichte / BIOst, 26-1999). Köln: Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-44119 Nutzungsbedingungen: Dieser Text wird unter einer Deposit-Lizenz (Keine Weiterverbreitung - keine Bearbeitung) zur Verfügung gestellt. Gewährt wird ein nicht exklusives, nicht übertragbares, persönliches und beschränktes Recht auf Nutzung dieses Dokuments. Dieses Dokument ist ausschließlich für den persönlichen, nicht-kommerziellen Gebrauch bestimmt. Auf sämtlichen Kopien dieses Dokuments müssen alle Urheberrechtshinweise und sonstigen Hinweise auf gesetzlichen Schutz beibehalten werden. Sie dürfen dieses Dokument nicht in irgendeiner Weise abändern, noch dürfen Sie dieses Dokument für öffentliche oder kommerzielle Zwecke vervielfältigen, öffentlich ausstellen, aufführen, vertreiben oder anderweitig nutzen. Mit der Verwendung dieses Dokuments erkennen Sie die Nutzungsbedingungen an. Terms of use: This document is made available under Deposit Licence (No Redistribution - no modifications). We grant a non-exclusive, non- transferable, individual and limited right to using this document. This document is solely intended for your personal, non- commercial use. All of the copies of this documents must retain all copyright information and other information regarding legal protection. You are not allowed to alter this document in any way, to copy it for public or commercial purposes, to exhibit the document in public, to perform, distribute or otherwise use the document in public. By using this particular document, you accept the above-stated conditions of use.

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Die politische Führung des Milosevic-RegimesHoppe, Hans-Joachim

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Empfohlene Zitierung / Suggested Citation:Hoppe, H.-J. (1999). Die politische Führung des Milosevic-Regimes. (Berichte / BIOst, 26-1999). Köln: Bundesinstitutfür ostwissenschaftliche und internationale Studien. https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-44119

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Inhalt

Seite

Kurzfassung....................................................................................................................... 3 Präsident Milošević und sein Kreis................................................................................... 7 Die Linkskoalition............................................................................................................. 10 Bundesregierung und serbische Landesregierung............................................................. 13 Die Radikalen.................................................................................................................... 16 Die gemäßigte Opposition................................................................................................. 18 Hoffnungsträger aus der Diaspora..................................................................................... 23 Die Führer der ethnischen Minderheiten........................................................................... 25 Die politische Szene in Montenegro ................................................................................. 27 Armee und Sicherheitsdienste........................................................................................... 30 Fazit ................................................................................................................................. 32 Summary ........................................................................................................................... 35

Stand Mai 1999

Dieser Bericht ist aus einem Forschungsauftrag des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien hervorgegangen.

Der Verfasser ist Balkanexperte und Lehrbeauftragter am Seminar für osteuropäische Ge-schichte der Universität Köln. Er war im September 1997 als OSZE-Beobachter bei den Par-lamentswahlen in Serbien eingesetzt.

Redaktion: Wolf Oschlies

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The Political Leadership of the Milosevic Regime 3

Hans-Joachim Hoppe

Die politische Führung des Milošević-Regimes

Bericht des BIOst Nr. 26/1999

Kurzfassung

Vorbemerkung

Das aus Serbien und Montenegro bestehende "Restjugoslawien", offiziell die Bundesrepublik Jugoslawien, ist im Balkanraum der einzige Staat, in dem sich seit der Wende von 1989/90 die Kommunisten bis heute an der Macht hielten. Das seit 1987 existierende Milošević-Regime konzedierte zwar gemäß dem Trend der Zeit einen begrenzten Parlamentarismus und Pluralismus, verstärkte jedoch seinen Repressionsapparat gegen die konkurrierenden Parteien und Organisationen sowie gegen die ethnischen Minderheiten. Wie zuvor der Bund der Kommunisten übt die Sozialistische Partei Serbiens zusammen mit ihren Satellitenorganisationen im Staatsapparat, in der Wirtschaft, in den Medien und anderen Bereichen der Gesellschaft ein nahezu unumschränktes Machtmonopol aus. Um seine Machtposition zu behaupten, verband das Milošević-Regime seine in Kontrast zu Tito stehende Version des Sozialismus mit einem aggressiven serbischen Nationalismus und zettelte einen verheerenden Krieg in Jugoslawien an. Erst durch die Wirtschaftskrise und verschärften Druck seitens der internationalen Gemeinschaft geriet die Innen- und Außenpolitik Restjugoslawiens in Bewegung.

In der folgenden Untersuchung werden die wichtigsten politischen Kräfte und Persönlichkeiten in Jugoslawien vorgestellt:

1. die politische und militärische Führung Restjugoslawiens,

2. die politische Führung der Teilrepublik Serbien,

3. die politische Szene der Teilrepublik Montenegro,

4. die Führungspersonen der ethnischen Minderheiten in der Vojvodina, im Sandzak und im Kosovo.

Es wird untersucht, ob innerhalb der dominierenden Kräfte eine neue Schicht von Politikern nach oben strebt, die zur Öffnung und Modernisierung des Landes bereit sind. Für Jugoslawi-ens Zukunft ist entscheidend, ob künftig weiterhin Kommunisten und Nationalisten die Politik bestimmen oder liberale, gemäßigt-konservative sowie pragmatisch denkende Personen an Gewicht gewinnen. Besondere Aufmerksamkeit verdient die politische Szene in Montenegro, die offenbar zum Katalysator der Entwicklung in Restjugoslawien wird. Die Analyse gipfelt in der Fragestellung, auf welche Kräfte sich die internationale Gemeinschaft

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4 Berichte des BIOst 1999

stützen kann, um die Demokratisierung in Jugoslawien und damit den Friedensprozeß im Balkanraum zu forcieren und das Land in die europäischen Strukturen einzubinden. Die Untersuchung basiert neben der einschlägigen Literatur vor allem auf den aktuellen Agenturmeldungen und der Berichterstattung der einheimischen und internationalen Presse.

Ergebnisse

1. Bestimmende Figur der jugoslawischen Szene ist immer noch Präsident Slobodan Miloše-vić. Er verstand es, seine Position durch mehrfache Säuberungen in der Sozialistischen Partei, im Staatsapparat, in der Armee und in den Medien zu festigen. Zum inneren Machtkreis gehört neben seinem Familienklan eine elitäre Schicht loyaler Funktionäre in der Politik, der Wirtschaft und den Medien, deren Hauptziel wie in der kommunistischen Ära ein permanenter Machterhalt ist. Durch partielle Beteiligung an der Macht konnten auch Teile der gemäßigten und radikalen Opposition in das Regime integriert werden. Das teilweise künstlich hervorgerufene Bedrohungs- und Krisenszenario ließ das Milošević-Regime in den Augen der breiten Bevölkerung wie auch der internationalen Gemeinschaft zeitweilig als "Stabilisator" unverzichtbar erscheinen. Erst spät verbreitete sich in der Staatengemeinschaft die Erkenntnis, daß Milošević nicht die Lösung des Problems, sondern das Problem selber ist.

2. Trotz Kritik an partiellen Erscheinungen (wie an der Vetternwirtschaft, Korruption und Repressionsakten) ist ein Wandel des Regimes "von innen" nicht zu erwarten. Die unter dem ideologischen Einfluß der Bewegung der "Jugoslawischen Vereinigten Linken" (JUL) stehende Sozialistische Partei, die gewiß keine Sozialdemokratische Partei ist, beharrt auf reformfeindlichen, antiwestlichen Positionen. Innerparteiliche Kritiker wie der Belgrader Bürgermeister Nebojša Čović können sich in der Partei nicht dauerhaft halten. Selbst Kritiker aus dem engeren Machtkreis werden – wie die Entlassungen von Geheimdienstchef Stanišić, Generalstabschef Perišić und Mediendirektor Vučelić zeigen – aus ihren Positionen abgedrängt. Trotz einschlägiger serbischer Tradition ist auch mit einem Putsch gegen das Belgrader Regime nicht zu rechnen, zumal durch die jüngsten personellen Veränderungen der gesamte Machtapparat (Armee, Polizei und sonstige Sicherheitskräfte) noch stärker an das Regime angebunden wurde.

3. Von der Unzufriedenheit der einfachen Schichten profitiert vor allem Šešeljs Serbische Radikale Partei, die mit ihrem sozialpopulistischen Programm bei Wahlen in den letzten Jahren erheblichen Zuwachs verzeichnen konnte. Eine Machtübernahme Šešeljs wäre auf-grund seiner militanten Haltung innen- wie auch außenpolitisch eine Katastrophe. Schon jetzt richtet der Radikalenführer, der zugleich Vizepremier der serbischen Regierung war, durch seine aggressive Haltung im Kosovo-Konflikt, seinen Einfluß auf die Szene in Bos-nien und verstärkte Kontakte zur radikalen Szene in Rußland, Belarus und anderen osteu-ropäischen Ländern großen Schaden an.

4. Der einstige Hoffnungsträger Vuk Drašković mit seiner serbischen Erneuerungsbewegung (SPO) hatte mit seinem Paktieren mit dem Regime der Opposition einen schweren Schlag versetzt. Immerhin gelang es den verbliebenen linken und liberalen Parteien, sich in der

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The Political Leadership of the Milosevic Regime 5

Koalitionsbewegung "Bund für Veränderungen" (Savez za promene) neu zu formieren. In-folge der Repressionspolitik, mannigfachen Manipulationen und des Macht- und Medien-monopols des Regimes bleibt ihr Einfluß jedoch begrenzt. Trotz einiger illustrer Persön-lichkeiten wie Demokratenführer Zoran Đinđić, Exbürgermeister Čović und der serboamerikanische Unternehmer Milan Panić, der sich schon 1992/93 als Jugoslawiens Premier versuchte, verliert die Opposition durch ihre Zersplitterung an Schlagkraft. Ihre Wählerbasis wird zwar durch die Führer mehrerer ethnischer Gruppen (Ungarn, Moslems) verbreitert, jedoch entfällt die größte Gruppe – die auf Boykott alles Serbischen und Unabhängigkeit fixierten Albaner im Kosovo.

5. Unerwartet erhielt die Opposition durch die neue montenegrinische Führung mit Präsident Milo Đukanović an der Spitze einen mächtigen Verbündeten. Montenegro ist damit der erste Präzedenzfall für eine effektive Wandlung im Establishment des Milošević-Regimes. So wie in Tito-Jugoslawien der Wandlungsprozeß von der Peripherie (Slovenien, Kroatien) ausging, so könnte auch diesmal eine Teilrepublik zum Katalysator der Entwicklung in Restjugoslawien werden. Die reformorientierte, prowestliche Führung Montenegros verschafft der serbischen Opposition eine wichtige Ausgangsbasis für einen möglichen Machtwechsel, und für die serbische Bevölkerung ist sie in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht eine sichtbare Alternative zum Milošević-Regime. Auch für den Westen stellt Montenegro einen Hoffnungsschimmer für eine überfällige Ablösung der letzten postkommunistischen Diktatur in Südosteuropa dar.

6. Die NATO könnte nach ihrer Militäraktion gegen Jugoslawien bei geschicktem Taktieren dem Belgrader Regime den entscheidenden Stoß versetzen. Der zwecks Machterhalt ge-schürte Kosovo-Konflikt zeigt die Agonie des Milošević-Regimes. Unter der zur Schau gestellten "serbischen Solidarität" wächst die Unzufriedenheit in der Oberschicht und in weiten Kreisen der Bevölkerung mit einem überlebten Regime, das durch mangelnde Kompromiß- und Reformbereitschaft den Zerfall Jugoslawiens und eine schwere wirtschaftliche und politische Krise verursacht hat. Falls die korrupte Clique neokommunistischer und extremistischer Funktionäre des Milošević-Regimes nicht abgelöst wird, prophezeihen sogar serbische Analytiker nach dem Krieg um Kosovo weitere blutige Konflikte in Montenegro, im Sandschak und in der Vojvodina und schließlich in Belgrad unter den Serben selber. Für einen Neubeginn stehen innerhalb des Establishments wie auch in der Diaspora durchaus geeignete Personen bereit.

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Präsident Milošević und sein Kreis

Es ist eine Tragödie, daß der Reformprozeß in Jugoslawien als liberalstem unter den sozialistischen Ländern in einem blutigen Krieg endete. Zu dieser Entwicklung hat der Aufstieg einer skrupellosen Clique von Neokommunisten, Nationalisten, Geschäftemachern, Abenteurern und intellektuellen Romantikern in Serbien wesentlich beigetragen. Politiker, Militärs, Journalisten und ungewöhnlich viele Mitglieder der Akademie, unter ihnen vor allem die Gruppe hinter dem sogenannten Memorandum von 1986, gehören zum Kreis um Milošević. Viele von ihnen sind noch nicht einmal "echte" Serben, sondern stammen aus der nahen oder ferneren Diaspora. An der Formulierung der großserbischen Ideologie waren in großem Maße auch Schriftsteller beteiligt, die vor dem Umbruch mangels einer institutionalisierten Opposition die Defizite an Demokratie und nationalem Selbstgefühl artikulierten und nach dem Umbruch von Exegeten zu politischen Akteuren wurden. Einige gelangten sogar an die Spitze des Staates. Andere, die als politische Häftlinge von Amnesty International betreut wurden, betreiben heute ihr blutiges Werk.1

Hauptakteur der großserbischen Politik ist Slobodan Milošević. Er ist in mancherlei Hinsicht eine eigenartige Gestalt: Er ist der Sohn eines orthodoxen Priesters, eines Montenegriners, der schon früh die Familie verließ, und einer Lehrerin und aktiven Kommunistin; mehrere Famili-enangehörige, darunter auch sein Vater und seine Mutter, begingen Selbstmord; er selber ist zuckerkrank und dem Alkohol nicht abgeneigt; zuweilen zieht er sich öfters in die dunkle Ab-geschlossenheit zurück, um danach mit neuer Energie an die Öffentlichkeit zu treten. Milošević gehört zur "Nachpartisanen-Generation" und zum heute in Serbien vorherrschenden mittleren Funktionärstyps, der sozialistische und nationalistische Gesinnung mit dem pragmatischen Willen zur Macht vereint. Ursprünglich war er lediglich kommunistischer Apparatschik und Wirtschaftsexperte; heute ist er in Serbien die Führerfigur und höchste Autorität. Slobodan Milošević wurde am 29. August 1941 in der geschichtsträchtigen Mittelstadt Požarevac, südöstlich von Belgrad, geboren. Schon als Mittelschüler mit dem Spitznamen Čoba war er mit seiner Klassenkameradin und späteren Frau Mirjana Marković befreundet. Mit 18 Jahren trat er der damaligen Einheitspartei, dem Bund der Kommunisten Jugoslawiens (BdKJ), bei. Er studierte in Belgrad Jura und machte 1964 sein Examen. Seine Sporen verdiente er sich als Ideologiesekretär des Belgrader Universitätskomitees der Partei. Seine Frau lehrte damals an dieser Universität Marxismus und gefiel sich dort als ideologische Aufpasserin. Sein Bruder Bora war Diplomat, arbeitete dann in Titos Nähe als Berater und Redenschreiber. Auch Slobodan war im Umfeld Titos tätig – zunächst als Wirtschaftsberater des Parlaments in Belgrad und dann als Leiter des Belgrader Informationsdienstes. Er wechselte dann ins Wirtschaftsmanagement, wurde 1973 Generaldirektor der staatseigenen Firma "Technogas" und 1978 Präsident der Beobanka, der führenden Belgrader Bank. In dieser Funktion gewann er berufliches Profil und knüpfte

1 Nedjeljni vjesnik, Svi srpski voždovi, 9.2.1992.

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Kontakte zum Westen. So reiste er im Auftrag der Bank zu einem kurzen Besuch in die USA – nach New York.

Anfang der achtziger Jahre kehrte er in die Politik zurück. Damals holte ihn der Parteichef Belgrads und frühere Studienkollege, Ivan Stambolić, in die Politik. Milošević wurde 1984 Parteichef von Belgrad, zwei Jahre später im Mai 1986 schon Parteichef von ganz Serbien. Er konsolidierte seine Position, indem er potentielle Rivalen ausbootete und Vertraute in Schlüs-selpositionen hievte. Im Dezember 1987 zwang er sogar seinen Mentor und persönlichen Freund Ivan Stambolić, der inzwischen zum Präsidenten Serbiens aufgerückt war, zum Rück-tritt, weil er dem Bestand Jugoslawiens vor den nationalen Einzelinteressen den Vorrang gibt und in der Kosovo-Frage angeblich zu "weich" war. Es folgte eine Säuberung der Anhänger Stambolićs aus den führenden Ämtern in der Partei und den Medien. Zwei Jahre hält Exparti-san und Generaloberst der Jugoslawischen Volksarmee (JNA), Petar Gračanin, das Amt des serbischen Präsidenten inne. Im Mai 1989 ließ sich Milošević selber vom serbischen Parlament zum Präsidenten und im November 1989 durch Direktwahl zum Präsidenten der Teilrepublik Serbien wählen, wobei er seinen Posten als Parteichef aufgab.

Während seines rasanten Aufstiegs machte sich Milošević die Kampagne zur Verteidigung des angeblich bedrohten Serbentums zur Festigung seiner Stellung zunutze. Die Munition lieferte ihm das sogenannte Memorandum der Serbischen Akademie von 1986. Außerdem ließ er die Tradition des serbischen Kommunisten Aleksandar Ranković wiederaufleben, also das nachdrückliche Streben nach serbischer Dominanz. Dabei warf er Tito posthum vor, er habe die Serben kleinhalten wollen. Die entscheidende Phase des neuen Kurses begann mit den 600-Jahr-Feiern der Schlacht auf dem Amselfeld am 28. Juni 1989, als Milošević versprach, den Serben den ihnen gebührenden Platz in Jugoslawien zurückzugeben.2 Mit organisierten Massendemonstrationen unter der Parole der "antibürokratischen Revolution" (auch "Joghurt"-Revolution genannt, weil die Demonstranten mit Vorliebe Joghurtbecher warfen) sorgte er 1988/89 für den Sturz der Führungen in der Vojvodina, im Kosovo und in Montenegro, welche durch seine Leute, meist kommunistische Apparatschiks, ersetzt wurden. Am 9. Dezember 1990 bei den ersten freien Wahlen seit 1938 wurde Milošević mit überwältigender Mehrheit direkt zum Präsidenten Serbiens gewählt, wobei er 31 Kandidaten abschlug. Bei vorgezogenen Wahlen am 20. Dezember 1992 wurde er in seinem Amt bestätigt.3

Auf die Absetzbestrebungen Sloveniens und Kroatiens von Jugoslawien reagierte Milošević mit der Forderung nach einem starken Bundesstaat, auf die Loslösung der beiden Republiken im Juni 1991 antwortete er mit Krieg und Sezession der Serben in der kroatischen Krajina und in Bosnien. Da Jugoslawien nicht mehr zu halten war, bediente er sich der JNA und serbischer Freischärler, um ein Großserbien zu schaffen – nach den Parolen: "Serbien ist dort,

2 Wortlaut der Rede in: NIN 2.7.1989, S. 6f. 3 Biographisches zu Milošević: Milan Andreevich, What Future for Serbia?, in: RFE/RL Research Report, vol.

1, no. 50, 18.12.1992, S. 7-12; Srbobran Branković, Serbia at War with Itself, Political Choice in Serbia 1990-1994, Belgrade 1995, S. 293.

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wo Serben leben" und "Alle Serben in einem Staat". Sein Großserbien sollte Teile Kroatien, Bosniens und möglicherweise auch Makedonien, das einstige "Südserbien", einbeziehen. 1991/92 brachten serbische Truppen ein Drittel Kroatiens und 70 Prozent Bosniens unter ihre Kontrolle. Als Kern Großserbiens bildete Milošević im April 1992 aus Serbien und Montenegro die Bundesrepublik Jugoslawien. Unter dem Druck der gegen sein Land verhängten Sanktionen brach er mit dem bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić und verhängte seinerseits im August 1994 gegen die bosnische Serbenrepublik ein Embargo. Nahezu kampflos ließ er die Krajina vor den einrückenden kroatischen Truppen im August 1995 räumen. Angesichts der militärischen Erfolge von Kroaten und Moslems und der Konfrontation mit der internationalen Gemeinschaft im August 1995 (NATO-Luftangriffe auf serbische Stellungen) fand er sich zu Friedensverhandlungen bereit. Obwohl letztlich er für die Kriegspolitik verantwortlich ist, trat er nun im Kontrast zu einer breiten Opposition, die ihm Verrat an der serbischen Sache vorwarf, als besonnener Politiker und Mann des Friedens in Erscheinung. Trotz der Rückschläge des Jahres 1995 blieb er immer noch der mächtigste und angesehenste Mann in Restjugoslawien, denn er erreichte durch die Unterschrift unter das Abkommen von Dayton im November 1995 die Aufhebung der Sanktionen und Reintegration Jugoslawiens in die Völkergemeinschaft. Auch brauchte er sein Ziel der Inkorporation von Teilen Bosniens nicht aufgeben; noch im Februar 1996 band er die bosnische Serbenrepublik durch ein Kooperationsabkommen enger an Jugoslawien. Nach Ablauf seiner Amtszeit wechselte Milošević vom Amt des serbischen Präsidenten zu dem des Staatsoberhaupts Jugoslawiens. In einer "Rochade" mit Zoran Lilić ließ er sich im Juli 1997 von einer sicheren parlamentarischen Mehrheit zum Präsidenten Jugoslawiens wählen. Damit vermied er zugleich eine unsichere und verfassungsmäßig umstrittene Wiederwahl als serbischer Präsident. 1997/98 heizte Miloševićs Regime den Kosovo-Konflikt durch brutales Vorgehen der Polizei- und Streitkräfte an. Zugleich gelang es ihm, durch Aufnahme des Radikalenführers Šešelj in die serbische Regierung und Aufnahme des Oppositionsführers Drašković in die Bundesregierung den Drohungen der internationalen Gemeinschaft mit einer breiten Front zu begegnen. Den Krieg mit der NATO nutzte er nicht nur zur fast restlosen Vertreibung der Albaner aus dem Kosovo, sondern auch zur Knebelung der Opposition durch Ausrufung des Kriegszustands und eine nationalistische Hetzkampagne, die jeden Widerspruch gegenüber dem Regime als Verrat deutet.

Treibende Kraft hinter Milošević ist offensichtlich seine Frau Dr. Mirjana Marković. Die So-ziologieprofessorin stammt aus einer mit Tito befreundeten, führenden Kommunistenfamilie, wurde nach der Wende Generalsekretärin der altkommunistischen serbischen KP-PJ, einer or-thodoxen Splitterpartei, und zugleich Ideologin des linken Flügels der regierenden Sozialisti-schen Partei Serbiens (SPS). Während ihr Mann an der Spitze der Sozialisten Serbiens der neuen "bürgerlichen Gesellschaft" den gewünschten Trend gibt, hält sie an alten kommunisti-schen Utopien fest.4 Sie war der Ghostwriter von Miloševićs Amselfeld-Rede am 28. Juni 1989, sie war es auch, die als erste in einer Kolumne die These von der Verfolgung der Serben im Kosovo verbreitete. Für den Krieg in Kroatien und Bosnien machte sie in ihrer 4 Vgl. ihr Buch: Mira Marković, Odgovor (Antwort), Belgrad 1993.

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Zeitschrift "Duga" die dortigen Nationalisten und das Ausland verantwortlich, die Rolle ihres Mannes wohl verschweigend. Im Juli 1994 gründete sie als gesellschaftliche Stützorganisation der regierenden Sozialisten aus einer Vielzahl ultralinker Gruppierungen die "Jugoslawische Vereinigte Linke" (JUL), eine kuriose Mischung aus kommunistischen Industriemanagern, Sanktionsprofiteuren und marxistischen Intellektuellen. Sie hat ihre Leute in allen Bereichen der Gesellschaft plaziert und ist auch in der SPS-Führung vertreten. Nach Kritikern bestehe JUL aus Kapitalisten, die vorgeben, Linke zu sein. Ihr Dogmatismus hemme die Entwicklung in Jugoslawien. 1995 unternahm Frau Marković spektakuläre Reisen nach Moskau und Peking, wo sie Verbindung zu orthodoxen Kommunisten pflegt. In einer Medienkampagne warnte sie vor der Privatisierung, die in den Reformländern nur zu Schwierigkeiten geführt habe. Hart geht sie gegen Gegner des Regimes vor. Gefürchtet sind ihre Kolumnen in Belgrader Magazinen, die signalisieren, wer unter den Funktionären in Ungnade gefallen ist. Ihr ideologischer Rigorismus widerspricht dem parasitären Lebensstil der Familie.

So managt ihre Tochter Marija, 32 Jahre, eine ehemalige Popsängerin, einen Privatsender. Sie war mit einem Diplomaten verheiratet. Der jüngere Sohn Marko, 24 Jahre, Unternehmer und Besitzer der Prominentendiskothek "Madona" im Heimatort der Familie Požarevac, versucht sich als Rennfahrer und macht durch großspurige Auftritte und Schlägereien Schlagzeilen. Er wird oft mit dem rumänischen Diktatorensohn Nicu Ceauşescu verglichen. Er ist mit Milica Gajić verheiratet und hat einen kleinen Sohn.5 Der älteste Bruder des Präsidenten, Borislav Milošević, Jahrgang 1935, ist Karrierediplomat. In den 50er Jahren war er noch in Titos enge-rem Umfeld, in dessen Kabinett tätig, ehe er in den diplomatischen Dienst wechselte. In den achtziger Jahren war er Botschafter in Algerien. Zuvor hatte er in der Moskauer Botschaft auf subalternen Posten gedient. Nach dem Zerfall Jugoslawiens ging er 1991 zunächst als Firmenvertreter nach Moskau. Darauf leitete er über die Beobank-Filiale in Zypern finanzielle Transaktionen zur Rettung des Regimes. Seit 1994 residiert er in Moskau als Repräsentant der Staatsfirma "Interexport". Im Juni 1998 dolmetschte er für seinen Präsidentenbruder im Kreml. Im Oktober 1998 wurde er als jugoslawischer Botschafter nach Moskau berufen. Damit hat Milošević seinen engsten Vertrauensmann auf den diplomatisch wichtigsten Posten gesetzt. Dort versucht er nicht nur die Moskauer Politik gegen den Westen einzuschwören, sondern betätigt sich auch als Rüstungsbeschaffer für das Belgrader Regime.6

Die Linkskoalition

Wichtigste politische Stütze Miloševićs ist die SPS, die die serbische Parteienszene dominiert. Sie entstand am 16. Juli 1990 durch Fusion des regierenden Bundes der Kommunisten Serbiens (BKS) und seiner Massenorganisation, der Sozialistischen Allianz des Werktätigen Volkes, an deren auf 160 Millionen Dollar geschätztes Vermögen die bankrotte

5 Biographisches in: Nacional, Zagreb, Nr. 32, 28.6.1996. 6 Jamestown Monitor, 14.10.1998; siehe auch: Der innere Kreis der Macht von Milošević, in: Die Welt,

30.4./1.5.1999.

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Partei u.a. interessiert war. Der Namenswechsel von BKS zu SPS signalisierte neben der Ablehnung reformistischer und nationalistischer Strömungen die posthume Absage an Tito und sein Regime.7

In ihrem Programm, das eine revidierte Fassung des von Milošević im Juli 1989 vorgelegten Dokuments darstellt, bekennt sich die Partei formal zu parlamentarischer Demokratie, Mehr-parteiensystem, Rechtsstaatlichkeit, Minderheiten- und Bürgerrechten sowie Pressefreiheit, propagiert aber gleichzeitig ein sozialistisches Serbien mit verschiedenen Eigentumsformen und eingeschränkter Marktwirtschaft. In Wahrheit vertrat sie einen radikalen großserbischen Nationalismus und errichtete ein autoritäres Regime mit Repressionen gegen die Opposition. Sie besetzte die Führungspositionen in der Wirtschaft, in den Medien und Kultureinrichtungen mit ihren eigenen Leuten. Insbesondere übernahm die Partei unter Führung Miloševićs viele Ideen aus dem serbischen Nationalprogramm, die im Akademie-Memorandum vom September 1986 vorgezeichnet wurden. So warnte Milošević vor der Destabilisierung Serbiens, rief zum Kampf um die nationale Einheit der Serben auf, forderte eine neue serbische Verfassung nach westlichem Vorbild und kritisierte die Bundesverfassung von 1974, die den Provinzen Kosovo und Vojvodina innerhalb Serbiens Autonomie gewährt, als antiserbisches Machwerk. Allerdings erschien 1990 eine Vereinigung Montenegros mit Serbien noch nicht opportun. Zur Stabilisierung der Wirtschaft Serbiens forderte Milošević eine Stärkung der Belgrader Zentrale in Jugoslawien. Das SPS-Programm stand diametral den Forderungen nach einer Liberalisierung und Konföderalisierung Jugoslawiens, vertreten von Slovenien und Kroatien und den Reformkommunisten um Ante Marković, entgegen.

Auf dem Gründungskongreß am 16. Juli 1990 wurde der serbische Kommunistenführer Milo-šević zum Parteivorsitzenden der Sozialisten gewählt. Präsident Milošević ist seitdem der mächtigste Mann im serbischen Staat und in der Partei. Er war damals nach Kroatiens Ober-haupt Tudjman der zweite Spitzenfunktionär in Jugoslawien, der das höchste Partei- und Staatsamt vereinte. Erst im Mai 1991 gab er den Parteivorsitz an Borisav Jović ab. Die SPS-Führung umfaßt nur wenige Liberale, einige Dissidenten, marxistische Intellektuelle wie Ratko und Mihajlo Marković, die aufgrund ihrer Opposition gegen den "bürokratischen Kommunismus" Schreib- und Lehrverbot erhielten, und nationalistische Theoretiker der Serbischen Akademie der Wissenschaften, darunter der Schriftsteller und spätere Präsident Jugoslawiens, Dobrica Čosić, die als Autoren des im September 1986 herausgegebenen Memorandums bekanntwurden. Der 2. Kongreß am 24. Oktober 1992, der im Zeichen des Gründung der verkleinerten Bundesrepublik Jugoslawien, des Kriegs in Bosnien-Hercegovina, der Sanktionen und Neuwahlen im Dezember stattfand, leitete weitgehende personelle Veränderungen ein und schwor die Partei auf die Verteidigung des Serbentums ein.

7 Milan Andrejevich, Milosević and the Socialist Party of Serbia, in: RFE Report on Eastern Europe, vol. 1,

no. 31, 3.8.1990.

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12 Berichte des BIOst 1999

Nach Unterzeichnung des Dayton-Abkommens im November 1995 nutzte Milošević die Gelegenheit, um die SPS von "Ultranationalisten", die für die bosnischen Serben Partei ergriffen hatten, zu säubern und seiner Partei das Image einer Bewegung des Friedens und der Reformen zu geben. So wurden u.a. Chefideologe Mihajlo Marković, Miloševićs langjähriger Vertrauter Borisav Jović und SPS-Chefpropagandist und serbischer Fernsehdirektor Milorad Vučelić aus der Parteiführung entfernt. An ihre Stelle berief Milošević moderate Politiker wie Expremier Nikola Šajnović, Außenminister Milan Milutinović und den damaligen Bundespräsidenten Zoran Lilić. Der neue Kurs der Partei setzte propagandistisch auf die Bedürfnisse der Bevölkerung, Lebensqualität, Humanität und Gleichheit. Tatsächlich aber regierte Milošević weiterhin wie ein Diktator. Er distanzierte sich nie explizit von seinen großserbischen Zielen und unterdrückte die Opposition und Minderheiten. Im Interesse der Machterhaltung spielte er zuerst die nationalistische Karte aus, um sich dann als Friedensmacher in Bosnien und nun wieder, wie in den achtziger Jahren, als Sozialist zu präsentierieren. Posthum verurteilte er die "nationalistischen Exzesse" der vergangenen Jahre, die er selbst verursacht hatte.8 Auf dem 3. Parteikongreß am 2. März 1996, der im Zeichen des Aufbaus Jugoslawiens nach Beendigung der Sanktionen stand, zeichnete unter dem Motto "Serbien 2000 – Schritt ins neue Jahrhundert" das neue Programmdokument die Schwerpunkte der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung, die Serbien den Anschluß an die europäischen und globalen Strukturen ermöglichen solle. Dabei pries Milošević ausgerechnet Chinas Modell eines autoritären Sozialismus.9 Milošević wurde als Parteichef bestätigt; ansonsten wurden "Nationalisten" in der Parteiführung durch Pragmatiker und Neosozialisten ersetzt: Generalsekretärin der SPS wurde Gorica Gajević, stellvertretende Parteivorsitzende wurden u.a. Expremier Nikola Šajnović, der den Parteitag vorbereitete, und der damalige jugoslawische Präsident Zoran Lilić. Ins Führungskomitee wurden Serbiens Premier Mirko Marjanović, der serbische Parlamentspräsident Dragan Tomić, der Parteichef von Belgrad, Branislav Ivković, der Belgrader Bürgermeister Nebojša Čović, Parteisprecher Ivica Dačić und der Nachwuchspolitiker Goran Perčević (Jahrgang 1965) gewählt. Nach eigenen Angaben zählt die SPS 500.000 Mitglieder, davon 100.000 unter 30 Jahre alt; von den 1.779 Kongreßdelegierten waren 18,8% Frauen und 15,8% Jugendliche. Die SPS hat An-hang im postkommunistischen Establishment sowie unter den älteren und weniger gebildeten Leuten, Pensionären, unqualifizierten oder halbqualifizierten Arbeitern, Bauern, Angestellten und Hausfrauen.10

Trotz ihrer privilegierten Stellung und regelmäßigen Wahlsiege war die SPS bei der Regie-rungsbildung meist auf kleinere Partner wie die Neue Demokratie, eine vom Lotterieunternehmer Dušan Mihajlović geführte Absplitterung des Oppositionsbündnisses

8 Stan Markotich, For the Serbian Opposition, the Possibility of Peace Brings Little Unity, in: Transition,

12.1.1996, S. 64-66. 9 Borba, 1. und 4.3.1996, S. 1-3, 11. 10 Siehe auch: Heinz Timmermann, Begegnungen und Beobachtungen in Belgrad, Impressionen anläßlich des

III. Parteitags der Sozialistischen Partei Serbiens (2. März 1996), Aktuelle Analysen des BIOST, Nr. 18, 1996, 3.4.1996.

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DEPOS, und die von Mira Marković gegründete einflußreiche Linksbewegung JUL angewiesen. Im Bundesparlament koalierte sie mit der montenegrinischen Schwesterpartei DPS, nach deren Kurswechsel unter Đukanović mit der vom Bulatović-Flügel gegründeten Gegenpartei DNS. Bereits 1992/93 ließ sich die SPS von den ultranationalistischen Radikalen unterstützen, nach deren Wahlerfolg im September 1997 beteiligte sie diese an der serbischen Republikregierung. Auf Bundesebene koalierte die SPS seit Januar 1999 mit der bisher wichtigsten Oppositionspartei SPO, bis ihr Führer Drašković sich im Mai 1999 erneut vom Regime distanzierte.

Die taktischen Kursänderungen schwächten Miloševićs Stellung nur vorübergehend. Auf die Kritik an seiner Kriegspolitik, der Aufgabe serbischer Gebiete, der wirtschaftlichen Misere und Entfremdung von Europa reagierte er mit immer neuen Säuberungen. Dennoch war eine gewisse Erosion der Partei nicht aufzuhalten. Der prominenteste Abtrünnige war der Bürgermeister Belgrads und SPS-Führungsmitglied, Nebojša Čović, der im Januar 1997 aus Protest gegen die Nichtanerkennung der Kommunalwahlergebnisse zurücktrat und zur Opposition überwechselte. Der schwerste Verlust für Milošević war der Kurswechsel des montenegrinischen Präsidenten Đukanović, der sich von der Belgrader Politik absetzte.

Bundesregierung und serbische Landesregierung

Die Schlüsselpositionen in Serbien und auf Bundesebene sind immer noch mit loyalen Anhängern Miloševićs besetzt. Hinter Milošević der ranghöchste Politiker ist Serbiens Präsident Milan Milutinović. Er wurde 1942 in Belgrad geboren, entstammt einer kommunistischen Familie, studierte Jura und spricht Englisch und Französisch. Seit der Zeit des Jurastudiums ist er mit Milošević verbunden. Beide Studienfreunde waren damals im kommunistischen Studentenverband sowie im BdKJ aktiv. Karriere machte Milutinović zunächst im Bildungswesen, dann in der Außenpolitik. So war er serbischer Minister für Bildung und Wissenschaft und darauf Leiter der Nationalbibliothek Serbiens. Dann wechselte er ins Außenministerium. Nach seiner Machtübernahme 1989 machte Milošević den Freund der Familie zum Botschafter in Athen. Man vermutet, daß Milutinović von dort aus den Transfer des Milošević-Vermögens nach Zypern organisierte. Nach dem Rücktritt Jovanovićs wurde er im August 1995 Außenminister. Er nahm an den Verhandlungen in Dayton teil und sorgte im Auftrag Miloševićs für die teilweise Rückkehr in die internationale Gemeinschaft. Nach der Niederlage Zoran Lilićs im September 1997 wurde er im Dezember des Jahres im dritten Wahlgang mit knappem Vorsprung zum Präsidenten der Teilrepublik Serbien gewählt. Damit ist ein willfähriger, blasser Gefolgsmann Miloševićs im Präsidentenamt der Teilrepublik Serbien. In dieser Funktion ist er mitverantwortlich für die Verschärfung der Kosovo-Krise.11

Zum Premier der Bundesregierung ernannte Milošević gemäß Proporz den ihm loyalen Mon-tenegriner Mojmir Bulatović. Dies war gegenüber dem montenegrinischen Präsidenten Đuka- 11 FAZ, 9.9.1995; Vesti, 17.8.1995, S. 4; siehe auch: Der innere Kreis der Macht von Milošević, in: Die Welt,

30.4./1.5.1999.

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14 Berichte des BIOst 1999

nović eine Provokation, da sein Vorgänger Bulatović bei den Präsidentenwahlen im Herbst 1997 und dessen Partei SNP im Frühjahr 1998 bei den Parlamentswahlen unterlegen waren. Ministerpräsident Bulatović, Jahrgang 1952, wie Đukanović Ökonom, war acht Jahre als Parteichef und Republikpräsident Miloševićs Stütze in Montenegro. Als Bundespremier übernahm er die meisten Kabinettsmitglieder; die Đukanović nahestehenden montenegrini-schen Minister dagegen wurden abgelöst. Es blieb der mit dem Premier verwandte Verteidi-gungsminister Pavle Bulatović, Jahrgang 1948, der seit März 1993 als erster Ziviler dieses Amt innehat. Wichtigster Repräsentant der Sozialisten in der Bundesregierung ist Vizepremier und Wirtschaftsminister Nikola Šajnović. Der Bergbauexperte aus Bor, Jahrgang 1948, war ab 1989 Minister für Industrie, Energie und Bergbau in der serbischen Regierung, ab Dezember 1991 auch Vizepremier und ab 10. Februar 1992 kurzzeitig serbischer Ministerpräsident. In der Regierung des Serboamerikaners Panić wurde er im Juli 1992 Handelsminister. Schon im Dezember 1992 sorgte er mit den anderen SPS-Ministern für dessen Sturz und wurde Vizepremier der Bundesregierung. Als Vizechef der SPS bereitete er deren 3. Parteitag im März 1996 vor. Er gehört zur engeren Führungsriege Miloševićs und gestaltete die Kosovo-Politik mit.12 Der zweite jugoslawische Vizepremier, Prof. Vladan Kutlešić, 44 Jahre, ist führender Verfassungsrechtler Miloševićs. Er projektierte nicht nur die Aufhebung der Autonomie des Kosovo und Pläne zur Beseitigung der montenegrinischen Selbständigkeit, sondern war auch an der Einschränkung der Pressefreiheit und Hochschulautonomie beteiligt. Jugoslawischer Außenminister ist der erfahrene Diplomat Živadin Jovanović, Jahrgang 1938, der schon in der Tito-Ära Karriere machte, 1978 Sekretär des Außensekretariats Serbiens war, 1988 Botschafter in Angola, 1994 stellvertretender Außenminister. Er spricht vier Sprachen – Englisch, Französisch, Russisch und Portugiesisch –, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Nach der Wahl Milutinovićs zum serbischen Präsidenten wurde er noch unter Ministerpräsident Radoje Kontić im Januar 1998 Außenminister. Er steht loyal zu Milošević und vertritt die Propaganda des Regimes zum Kosovo-Krieg. So seien die Berichte über die serbische Repressionspolitik im Kosovo, Massaker und ethnische Säuberungen Greuelmärchen der NATO. Für die Massenflucht der Albaner seien allein die "wahnsinnigen" NATO-Bombardements verantwortlich.13 Ein weiterer erfahrener Diplomat ist Vladislav Jovanović, Jahrgang 1933, der im Juli 1991 Au-ßenminister der serbischen, 1992-1995 der Bundesregierung war. Im August 1995 wurde er von Milutinović abgelöst und zum jugoslawischen Botschafter bei den Vereinten Nationen nach New York berufen, um an entscheidender Stelle die Verhandlungen über Bosnien und jetzt Kosovo zu beeinflussen.14 Treuer Gefolgsmann Miloševićs ist schließlich Zoran Lilić, Jahrgang 1953; er machte zunächst als Ingenieur Karriere und stieg auf zum Generaldirektor der Belgrader Gummifabrik "Rekord", bevor er 1990 in die Politik ging. Nach den Wahlen vom Dezember 1992 wurde er Präsident des serbischen Parlaments und nach dem Sturz Dobrica Čosićs am 25. Juni 1993 Präsident Jugoslawiens, damals noch ein rein

12 Branković, a.a.O., S.295f. 13 Vesti, 11.1.1998, S. 4; Vesti, 22.1.1998, S. 20. 14 Branković, a.a.O., S. 290; FAZ, 9.9.1995; Vesti, 17.8.1995, S. 4.

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repräsentatives Amt. Lilić gab im August 1997 sein Amt an Milošević ab, um dessen Funktion als serbischer Präsident zu übernehmen. Bei abermaliger Präsidentenwahl wurde er als Kandidat durch Milutinović ersetzt, der im Dezember 1997 zum Präsidenten Serbiens gewählt wurde. Lilić sollte darauf ausgerechnet Generaldirektor des Kombinats Trepča im Konfliktgebiet Kosovo werden, wurde aber dann im Kabinett Bulatović Vizepremier, zuständig für Sicherheitsfragen. In Reaktion auf den Alleingang Draškovićs reiste er nach Libyen, um bei Präsident Ghaddafi für den serbischen Lösungsvorschlag für das Kosovo zu werben.15

Ab Januar 1999 war Oppositionsführer Drašković mit mehreren Funktionären seiner Partei SPO an der Bundesregierung beteiligt. Dadurch wollte Premier Bulatović die Basis und das politische Gewicht der Regierung nach innen und außen verbreitern. Drašković sollte insbe-sondere das Verhältnis zum Westen verbessern. Statt dessen exponierte er sich während des Kosovo-Kriegs zunächst als beredter Propagandist des Milošević-Regimes. Erst nach fünf Wochen Krieg wechselte er abermals seine Haltung und attackierte plötzlich das Regime wegen seiner Unnachgiebigkeit. Das Regime reagierte daraufhin mit seiner Entlassung.

In Serbien ist hinter Präsident Milutinović Premierminister Mirko Marjanović, Jahrgang 1937, ein loyaler Sozialist und Gefolgsmann Miloševićs, der ranghöchste Politiker. Er stammt aus Knin, der Hauptstadt der zu Kroatien gehörigen Serbenprovinz Krajina, studierte in Belgrad Wirtschaft und war in der Tito-Ära Unternehmensdirektor. Im März 1993 wurde er serbischer Ministerpräsident und Sachwalter Miloševićs in der Teilrepublik.16 Entgegen den Erwartungen bildete er im März 1998 eine Regierung nicht mit der SPO und der Neuen Demokratie, sondern aus SPS, JUL und den Radikalen, die bei den Wahlen im September 1997 einen beachtlichen Erfolg erzielten. Der Radikalenführer Vojislav Šešelj wurde Vizepremier und erhielt in der Regierung 15 von 35 Ministerposten. Seinen Posten als Bürgermeister des Belgrader Stadtteils Zemun mußte er abgeben. Šešelj spielte mit seinen Ministern in der Kosovo-Krise wie auch in der serbischen Innenpolitik den Scharfmacher. Außerdem machte er sich für eine enge Verbindung Serbiens mit Rußland und Weißrußland stark, "um es dem Westen zu zeigen". Ministerpräsident Marjanović versprach in seiner Regierungserklärung ein reiches und entwickeltes Serbien, das er mit Hilfe der Diaspora erbauen wolle. Diese aber lebt wohlweislich im wohlhabenden Westen und nicht im krisengeschüttelten Rußland.17 Die Beteiligung der Radikalen war Signal für eine außen- und innenpolitische Verhärtung und Zuspitzung der Krise im Kosovo. Eine Schlüsselfigur der Sozialisten im Kabinett ist Vizepremier Ratko Marković, 54 Jahre, ein in der Tito-Ära mit Lehrverbot belegter marxistischer Intellektueller, als Gefolgsmann Miloševićs und führender Jurist gestaltete er die Verfassung von 1989, die die Autonomie des Kosovo beseitigte. Er wurde im Februar 1999 mit der Leitung der serbischen Delegation für Kosovo-Verhandlungen in Rambouillet betraut, bevor Präsident Milutinović eintraf.

15 Branković, a.a.O., S.291; Vesti, 9.11.1997, S. 3. 16 Branković, a.a.O., S. 291. 17 Vesti, 25.3.1998, S. 5.

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Aus dem vorangegangenen Kabinett Marjanović blieben außer Vizepremier Ratko Marković die meisten Minister im Amt – darunter der berüchtigte, für den Polizeieinsatz zuständige In-nenminister Vlajko Stojiljković und der für die Repressionspolitik mitverantwortliche Justizminister Dragoljub Janković. Der enge Vertraute der Familie Milošević, Bogoljub Karić, ist als Minister ohne Geschäftsbereich im Kabinett. Dem zeitweise in Toronto ansässigen Großunternehmer wollten die kanadischen Behörden die Staatsbürgerschaft aberkennen.18 Für die Minderheiten ist u.a. Minister Ivan Sedlak von der JUL zuständig, für das Kosovo Djura Lazić, ebenfalls Minister ohne Ressort. Unmittelbar vor Ort im Kosovo hält der lokale SPS-Chef Vojislav Živković, 48 Jahre, die Stellung. Er lehnt jegliche Konzessionen gegenüber den Albanern ab, denn dies würde nur dazu führen, daß die Serben wie schon in der Krajina oder in Sarajevo ihr angestammtes Gebiet verlassen müßten. Serbischer "Statthalter" im Kosovo war bisher Miloš Simović. Chef des "Provisorischen Exekutivrats für Kosovo" wurde inzwischen Zoran Andjelković, ehemaliger serbischer Jugend- und Sportminister. Provinzchef der Vojvodina ist der SPS-Funktionär Boško Perošević.

Früher hatte die serbische Teilrepublik auch ein eigenes Außenministerium. 1994 hatte der jetzige Präsident Milutinović diese Funktion inne. Inzwischen wurde dessen Funktion vom Außenminister der Bundesregierung übernommen. Lediglich Montenegro verfügt noch über ein eigenes Außenministerium, das Belgrad ein Dorn im Auge ist. Außenpolitik machen in Belgrad somit viele: außer dem dazu berufenen Minister noch Präsident Milošević, Präsident Milutinović, Vizepremier und SPO-Chef Drašković (inzwischen abgelöst) sowie der Radikalenführer und Vizepremier Šešelj. Das paßt zur Rollenverteilung des Regimes und macht die Verwirrung nur noch größer.

Die Radikalen

Bislang konnte Šešelj mit seiner Serbischen Radikalen Partei (SRS) wachsende Popularität verzeichnen. Dabei profitierte er vom Unmut breiter Bevölkerungskreise über das Milošević-Regime. Mit ihrem betont antikommunistischen, sozialpopulistischen und ultranationalistischen Programm zieht sie insbesondere die einfachen Schichten an: "Ein echter Serbe wählt SRS." Die SRS wurde im Februar 1991 in Belgrad gegründet. Sie propagiert ein Großserbien – und das bereits im Titel des Parteiblatts "Velika Srbija" –, das auch Teile Kroatiens, Bosniens und Makedoniens umfaßt. Für die Kämpfe in Kroatien und Bosnien-Hercegovina rekrutierte sie Freiwillige und paramilitärische Verbände. Die Partei wechselte mehrfach ihre Haltung zu den Sozialisten, 1992/93 unterstützte sie diese im Parlament, dann kam es zum Bruch, als sie dem Milošević-Regime Verrat an den großserbischen Zielen vorwarf. Die Bewegung unterstützte die bosnischen Serben um Ka-radžić und später die Radikalen um den Präsidenten der Republik Srpska, Poplašen. Bei den Wahlen im September 1997 wurde die SRS zur größten Oppositionsbewegung in Serbien. 1998 trat die SRS in die von den Sozialisten geführte serbische Regierung ein. Die SRS ist

18 The Wall Street Journal, 15.5.1999.

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die einzige Partei, die in beiden Teilrepubliken Jugoslawiens sowie in der bosnischen Serbenrepublik (Entität Republika Srpska) operiert.

Ihr unumstrittener Führer ist Dr. Vojislav Šešelj, 1954 in Sarajevo geboren. Seine Vorfahren stammen angeblich aus Nikšič, von wo sie vor 200 Jahren in die Hercegovina geflohen seien, möglicherweise aber auch aus Slovenien oder Kroatien. Šešelj begann seiner Karriere als So-ziologe an der Universität Sarajevo und brillanter kommunistischer Apparatschik. Seine Dok-torarbeit über Titos Gedanken zur Volksverteidigung stellte sich später als Plagiat heraus. Zu weiteren Studien ging er nach Deutschland an die Universitäten Mannheim (1975) und Greifswald (1977) sowie in die USA nach Michigan (1978). Als Dozent an der Universität Sarajevo und KP-Funktionär sagte er der bosnischen Führung den Kampf an, als er im Zentralkomitee des dortigen Bundes der Kommunisten nicht den gebührenden Platz erhielt. 1984 wurde er aufgrund seiner moslemfeindlichen Haltung wegen Aufruhrs zu acht Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er ein Jahr und 10 Monate absaß. Von Amnesty International betreut, erhielt er über sein Land hinaus den Ruf eines Dissidenten und Märtyrers. Damals wußte man noch nicht, daß seine ultraserbischen Ideen zu blutiger Realität wurden. Ideologisch wurde er von Belgrader Zirkeln sowie dem literarischen Nationalismus seines Onkels und späteren SPO-Führers Drašković sowie von Dobrica Čosić beeinflußt. Mit Unterstützung der Diaspora, u.a. in den USA, gründete Šešelj 1991 die ultranationale SRS. Unter Berufung auf die Tradition der Widerstandsbewegung des königlichen Generals Draža Mihajlović, des zeitweiligen Verbündeten und späteren Gegners der Tito-Partisanen im Zweiten Weltkrieg, ließ er die paramilitärischen Tschetnik-Formationen wiederaufleben, die in Kroatien und in Bosnien ethnische Säuberungen und unglaubliche Massaker verübten. Er wurde schon damals von Offizieren in der jugoslawischen Armee und im Geheimdienst unterstützt. Der serbische Präsident Milošević förderte und tolerierte ihn, solange er dem Regime nützlich war. Im September 1993 kam es zum Bruch, als Šešelj das Milošević-Regime wegen dessen "konzilianter" Bosnien-Politik kritisierte und die serbischen Behörden Šešelj krimineller Aktivitäten beschuldigten und gegen seine Miliz vorgingen. Als ihn auch das Haager Tribunal auf die Kriegsverbrecherliste setzte, bot er an, sich zu stellen und im Haag als Kronzeuge gegen Milošević auszusagen. Vorsorglich verhinderten die Behörden seine Ausreise. Auf westliche Interventionspläne in Bosnien reagierte er mit großspurigen Drohungen der Bombardierung europäischer Hauptstädte. Wegen Unterzeichnung des Dayton-Abkommens bezichtigte Šešelj Präsident Milošević des Ausverkaufs der serbischen Interessen. 1996 gelangte er durch Nachwahlen in Rakovići ins serbische Parlament. Eine weitere politische Bastion erhielt er durch Wahl zum Bürgermeister des Belgrader Stadtteils Zemun. Nach dem Wahlerfolg seiner Partei im September 1997 wäre er beinahe Präsident Serbiens geworden, wenn die erforderliche Wahlbeteiligung erreicht worden wäre.19 Um ihn angesichts der Zuspitzung im Kosovo politisch einzubinden, holte ihn Präsident Milutinović im Frühjahr 1998 in die serbische Regierung. Hinter dem sozialistischen Premier Marjanović

19 Laut Branković, a.a.O., S. 296, schrieb Šešelj seine Doktorarbeit über das Thema "The Political Essence of

Militarism and Fascism, a Contribution to the Analysis of Marxist Critique of the Political Forms of Civil Autocraty"; siehe auch Vreme, 23.5.1994, S. 14; Vesti, 19.1.1996, S. 3, 14.2.1996, S. 5.

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wurde Šešelj als Vizepremier der wichtigste Mann im Kabinett. Šešeljs Stellvertreter in der SRS, Tomislav (Tome) Nikolić aus Kragujevac, wurde ebenfalls Vizepremier. Die Ernennung des Radikalen Milovan Radovanović zum Religionsminister stieß im Patriarchat auf Befrem-den. Die Einbeziehung der Radikalen ins Kabinett deutete auf eine Verhärtung in der Kosovo-Frage. Außerdem sollte Vizepremier Šešelj durch Appelle an die slavische Solidarität in Ruß-land und Belarus um Unterstützung für Belgrad werben. Das von ihm bei seinem Besuch An-fang November 1998 in Moskau wie auch in Minsk übermittelte Beitrittsersuchen Jugoslawiens zur Union Rußland-Belarus wurde vor allem von Neokommunisten und Nationalisten propagandistisch ausgeschlachtet.20

Außenseiter ist auch der serbische Extremist Željko Ražnjatović, genannt ("Raubkatze"), ge-boren 1952 in in Brezice/Slovenien, verheiratet mit der populären Sängerin Ceca, früher Agent des jugoslawischen Geheimdienstes und einer der berüchtigsten Bankräuber Europas. Im Auftrag Titos wurde er auf Regimegegner im Ausland angesetzt. Miloševićs Kriegspolitik verschaffte ihm die Gelegenheit, im Namen des serbischen Patriotismus aufzusteigen. So profilierte er sich als Führer der paramilitärischen Kampftruppe der "Weißen Tiger" (Beli tigrovi), die wie Šešeljs Banden für Massenmord und Vertreibungen in Kroatien, Bosnien und Serbien verantwortlich ist. Seitdem steht Arkan an der Spitze der Liste der Kriegsverbrecher des Haager Tribunals und wird von Interpol gesucht. Im Herbst 1993 gründete er die ultranationalistische "Partei der serbischen Einheit" (Stranka Srpskog Jedinstva, SSJ), die ausgerechnet im Albanergebiet Kosovo ihren Sitz hat. Trotz aufwendiger Kampagnen blieb sie Splitterpartei. Dennoch besitzt Arkan in Serbien und Bosnien als Unterweltboß und König des Schwarzmarkts, der sich während des Embargos am Benzin- und Waffenschmuggel bereicherte, großen Einfluß. Durch ein Treffen mit dem russischen Ultranationalisten Vladimir Žirinovskij sorgte er für Publizität. Im Unterschied zu Šešelj hält Arkan zu Milošević. An den Massakern und Vertreibungsaktionen im Kosovo ab März 1998 waren nicht zuletzt Arkans Banden beteiligt.21

Die gemäßigte Opposition

Nach der Wende war Vuk Drašković mit seiner Serbischen Erneuerungsbewegung (SPO) der große Hoffnungsträger. Dabei rechtfertigten weder seine Person noch seine Partei die hohen Erwartungen einer kraftvollen Alternative zum Milošević-Regime. Ihr Führer Drašković, 1946 im Banat geboren, Sohn eines Partisanen und Abkömmling hercegovinischer Serben, machte nach dem Jurastudium in Belgrad zunächst als linientreuer Kommunist, Korrespondent der Jugoslawischen Nachrichtenagentur Tanjug, für die er in den siebziger Jahren u.a. in Lusaka/ Sambia tätig war, und Pressesekretär bei den Jugoslawischen Gewerkschaften Karriere. Berühmt wurde er in der Nach-Tito-Zeit als Schriftsteller: So erschien 1982 sein Roman "Das Messer" (Nož), der zum Bestseller avancierte und inzwischen

20 RFE/RL Newsline, vol. 2, 2., 3., 4. und 9.11.1998. 21 Robert Stallaerts, Jeannine Laurens, Historical Dictionary of the Republic of Croatia, Metuchen/N.J., Lon-

don 1995, S. 25f.

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verfilmt wurde. In dem Roman predigt er, ausgehend von einem Massaker von 1942, Versöhnung und Racheverzicht zwischen Serben und Moslems, die aus einer gemeinsamen Wurzel stammen. Er gehörte zu der Gruppe serbischer Intellektueller, die Mitte der achtziger Jahre den Fundamentalismus kreierten und damit die Basis für die Eroberungspolitik legten. Er gab sich das Äußere eines Tschetniks mit einem langen Bart und propagierte einen romantisch-versponnenen großserbischen Nationalismus. Er wirkt vor allem als begnadeter Redner und charismatischer politischer Führer mit einem unverkennbaren Hauch von epischer Artikulation und Breite, was seine Wirkung in urbanen Zentren wie Belgrad mindert.

Seine politische Basis wurde die SPO. Die Partei verband in ihrem Programm entschiedenen Antikommunismus, bürgerlichen Liberalismus, Marktwirtschaft und Neomonarchismus. Neben Drašković waren in der SPO-Führung Milan Komnenić, Draškovićs Frau Danica (die auch das Parteiblatt "Srpska Reč" /Serbisches Wort/ redigiert), Ivan Kovačević und Mihajlo Marković. Als Spitzenkandidat der SPO kandidierte Drašković 1990 gegen Milošević erfolglos für das Präsidentenamt. Die SPO hat ca. 250.000 Mitglieder und wurde zeitweise im serbischen und im Bundesparlament größte Oppositionspartei. Doch auch durch Gründung eines breiten Oppositionsbündnisses der SPO mit den Demokraten und mehreren Splittergruppen, der Demokratischen Bewegung Serbiens DEPOS Ende 1992, gelang es nicht, die Sozialisten von der Macht abzulösen. Achtungserfolge erreichte die Opposition mit Großdemonstrationen gegen das Milošević-Regime – die bedeutendste am 9. März 1991, an der über 100.000 Menschen teilnahmen. Anfangs vertraten die meisten Oppositionsparteien wie das Regime einen radikal nationalistischen Standpunkt und forderten nach dem Zerfall Jugoslawiens die Ausdehnung Serbiens auf alle serbisch-besiedelten Gebiete in Kroatien und Bosnien-Hercegovina. Doch nach Ausbruch der Kämpfe in Slovenien, Kroatien und darauf in Bosnien distanzierten sie sich von der Kriegspolitik Miloševićs, weswegen sie von den staatlichen Medien und den Radikalen des nationalen Verrats bezichtigt wurden. Drašković bezeichnete die Kriegsgreuel in Bosnien als eine Schande für das serbische Volk. Das Abkommen von Dayton im November 1995 würdigte er als Ende des Blutvergießens und Chance zum Wiederaufbau.22

Auf westlichen Druck kam 1996 eine Neuauflage von DEPOS mit der Koalition "Zajedno" (Gemeinsam) unter Führung Draškovićs, Zoran Đinđićs von den Demokraten und Vesna Pe-šićs von der Bürgerallianz Serbiens (GSS) zustande. Diese erzielte bei den Kommunalwahlen im September 1996 in Belgrad und anderen Städten einen überraschenden Sieg, der erst nach Dauerprotesten und internationalem Druck vom Regime anerkannt wurde. Über den Streit um die Machtverteilung in Belgrad, wo der Demokratenführer Đinđić zunächst Bürgermeister war, zerbrach die Koalition. Als Gegenleistung für ihr Ausscheiden aus dem Oppositionsbündnis überließen die Sozialisten Drašković und der SPO die Macht in Belgrad. Mit den Stimmen der Sozialisten wurde Đinđić gestürzt. Sein Nachfolger wurde Spasoje

22 Reinhard Lauer, Den Fluch des Messers brechen. Die literarische Botschaft des serbischen Opposi-tionspoli-

tikers Vuk Drašković, in: FAZ, 10.8.1994; Biographisches bei: Branković, a.a.O., S. 289.

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Krunić von der SPO. Drašković nutzte die Vorzugsstellung der SPO zu skrupelloser Vetternwirtschaft und Bereicherung.23

Der Seitenwechsel Draškovićs machte die Erfolgsaussichten der gemäßigten Opposition bei den Parlamentswahlen im September 1997 zunichte. Die SPO allein fiel hinter Sozialisten und Radikale auf den dritten Platz, während die liberalen Parteien unter Führung Đinđićs die Wahlen boykottierten. Wider Erwarten bildeten die Sozialisten in Serbien eine Koalition mit den Radikalen und nicht mit der SPO. Drašković mußte noch über ein Jahr warten, bis er im Januar 1999 von den Sozialisten an der Bundesregierung beteiligt wurde. Das Regime erhoffte sich angesichts der Zuspitzung der Kosovo-Krise von der Beteiligung der SPO eine Stärkung seiner Position gegenüber der internationalen Gemeinschaft, für die Vizepremier Drašković sorgen sollte. Der Schriftsteller Milan Komnenić, bisher Fraktionsvorsitzender der SPO im Bundesparlament, wurde Bundesinformationssekretär. Er sollte das Image Jugoslawiens im Ausland verbessern und um Verständnis für den jugoslawischen Standpunkt werben.24 Drašković rechtfertigte seine Beteiligung an der Regierung mit der Gefahrensituation, in der sich Jugoslawien befinde. Seine Partei wolle für eine Änderung der Außenpolitik sorgen und den Dauerkonflikt mit den USA und der NATO beenden. Angeblich habe ihn auch Patriarch Pavle zum Eintritt in die Regierung veranlaßt.25 Am 22. Januar 1999 ließ sich Vojislav Mihajlović (SPO), der Enkel des 1946 vom Tito-Regime hingerichteten königstreuen Tschetnik-Führers Draža Mihajlović, zum Bürgermeister von Belgrad wählen. Kritiker im Inland und in der Diaspora bezeichneten seine Wahl mit den Stimmen der Kommunisten als einen weiterer Verrat an seinem Großvater.26 SPO-Führer Drašković verteidigte als Vizepremier mehrere Monate die Kosovo-Politik des Regimes, bis er nach vier Wochen Luftangriffen die offizielle Propaganda als Lüge bezeichnete und öffentlich eingestand, daß die Welt gegen Jugoslawien sei und nicht einmal Rußland zu militärischem Beistand bereit sei. Kurz darauf wurde er aus der Regierung entlassen.27

Mit seinem Paktieren mit Milošević versetzte Drašković der Demokratiebewegung Serbiens einen schweren Schlag. Andererseits bot sein Schritt die Chance zur Klärung. Nach dem Zerfall des Oppositionsbündnisses "Zajedno" begannen sich die wahrhaft prowestlichen und demokratischen Gruppierungen neu zu formieren. Als eine der Kristallisationsfiguren bot sich der Führer der Demokratischen Partei, Zoran Đinđić, an. Er gehört zur jungen dynamischen Generation, die 1993 die Führung in der Partei übernahm. Der in Bosnien geborene Serbe, Jahrgang 1952, ist aus kommunistischer Zeit unbelastet, ja er profilierte sich als Dissident; nicht wie Šešelj als Nationalist, sondern wegen Gründung einer unabhängigen Studentenorganisation wurde er 1974 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Nach Entlassung aus der Haft studierte er in Deutschland Sozialwissenschaften und promovierte 1979 an der 23 Vesti, 2.10.1997. Diese Vorwürfe kamen nicht nur von den Radikalen, sondern auch aus den eigenen Rei-

hen, siehe Vesti, 23. und 24.1.1999, S. 6. 24 FAZ, 20.1.1999, S. 2; Interview mit Komnenić in: Vesti, 2.2.1999, S. 13. 25 Vesti, 19.1.1999, S. 8. 26 Vesti, 23. und 24.1.1999, S. 6. 27 RFE/RL Newsline, vol. 3, 26.4.1999.

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Universität Konstanz über "eine kritische Gesellschaftstheorie". 1981 forschte er weiter als Humboldt-Stipendiat. Später lehrte er in Niš und in Belgrad Philosophie und Sozialtheorie. Nach 1991 schloß er sich der Demokratischen Partei DS an. Diese bestand bereits seit Dezember 1989 und wurde damals von Dragoljub Mičunović, Jahrgang 1930, einem prominenten Gesellschaftskritiker der Tito-Ära, geführt.28 Als Spitzenkandidat und Repräsentant der neuen Generation konnte Đinđić bei den Parlamentswahlen vom 19. Dezember 1993 die Position seiner Partei verbessern. Er gilt als Vertreter einen neuen demokratischen und prowestlichen Serbiens, fordert einen Rechts- und Bürgerstaat, Toleranz und Dialog mit den Minderheiten sowie eine Rückkehr Serbiens nach Europa. Milošević toleriert ihn als liberales Aushängeschild für ein angeblich geläutertes Serbien. Nach Anerkennung der Kommunalwahlergebnisse im Februar 1997 wurde Đinđić für wenige Monate Bürgermeister von Belgrad, bis er wegen Differenzen mit seinem Koalitionspartner Drašković gestürzt wurde. In Niš, der drittgrößten Stadt Serbiens, blieb Zoran Živković von der DS Bürgermeister; auch andere Städte werden von der DS regiert. Wegen der ungleichen Wahlchancen boykottierte Đinđićs Partei die Parlamentswahlen im September 1997 und die Präsidentenwahlen.29 Kritiker, darunter der damalige Parteivize Slobodan Gavrilović, werfen Đinđić Opportunismus gegenüber dem Regime und autoritären Führungsstil innerhalb der Partei vor. So gefährde er mit geheimen Treffen mit Milošević und anderen Spitzenfunktio-nären des Regimes, Paktieren mit Drašković, Erklärungen zugunsten Karadžićs (gegen dessen Auslieferung nach Den Haag) und nationalistische Töne in der Kosovo-Frage die Glaubwür-digkeit der Partei. Innerhalb seiner Partei entledige er sich "nicht nur potentieller Konkurren-ten, sondern gleich all derer, die nicht mit seinen diktatorischen Manieren, seiner kapriziösen und verfehlten Politik einverstanden waren".30

Neben Đinđićs DS besteht noch die Demokratische Partei Serbiens (DSS) unter Vojislav Ko-štunica, die aus der DS hervorgegangen ist. Sie beteiligte sich kurzzeitig am Oppositions-bündnis DEPOS, trat aber dann selbständig bei den Wahlen von 1993 auf. Ihr Führer Vojislav Koštunica, Jahrgang 1944, aus Belgrad, ist Soziologe. Die DSS befürwortet wie ihre Schwe-sterpartei Marktwirtschaft und Privatisierung, nimmt jedoch in der nationalen Frage (Bosnien, Kosovo) einen radikaleren Standpunkt als das Regime ein. Sie ist im Bundesparlament mit sieben Sitzen vertreten.31

Die aus den Reformkommunisten von Ante Marković, weiteren linken und liberalen Gruppie-rungen hervorgegangene GSS ist die einzige Kraft in der Parteienszene, die sich konsequent gegen den aggressiven Nationalismus und die Kriegspolitik des Regimes wendet und humane und demokratische Ideen vertritt, realisiert in einem Bürgerstaat mit gleichen Rechten für alle

28 Nedjeljni vjesnik, 9.2.1992, S. 12; auch Osteuropa-Archiv, 3/1993, S. A155-160; Branković, a.a.O., S. 292. 29 Biographisches in: Branković, a.a.O., S. 289-290; auch FAZ, 24.12.1993, S. 3; Interview mit Đinđić anläß-

lich seines Besuchs in Skopje, in: Nova Makedonija, 21.1.1995, S. 15. 30 Miroslav Prokopiević, Zašto propada Demokratska stranka, in: Vreme, 21.2.1998, S. 16f., zitiert nach Ost-

europa-Archiv, 5/1999, A 234f. 31 Branković, a.a.O., S. 291.

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Ethnien.32 Die Vorsitzende ist Vesna Pešić, Jahrgang 1940, von der Reformpartei, Soziologin, 1968/69 Stipendiatin der Columbia University New York, Mitbegründerin der Jugoslawischen Demokratischen Initiative, der ersten Oppositionsgruppe im ehemaligen Jugoslawien (1990).33 Weitere Führungsmitglieder sind Nebojša Popov vom Republikanischen Club, Žarko Korač und Dragan Veselinov von der Bauernpartei mit Sitz in der Vojvodina. Die Partei ist zwar nur mit zwei Sitzen im Parlament vertreten (Vesna Pešić und Žarko Korač), sie erreicht jedoch über außerparlamentarische Gruppen wie der intellektuelle Belgrader Kreis, das Helsinki-Komitee, die Antikriegs- und Europabewegung gebildete bürgerliche und intellektuelle Kreise.

Konsequent gegen die Diktatur und Kriegspolitik Miloševićs trat auch die Sozialdemokratische Union ein, die eine soziale und liberale Bürgergesellschaft befürwortet. Ihr Vorsitzender ist Vuk Obradović, 52 Jahre alt. Er war einst jüngster General der JNA, galt als reformorientiert, trat im Mai 1992 wegen Differenzen mit der Armeeführung als Chef der Informations- und Propagandaabteilung zurück und schied damals aus dem aktiven Dienst aus. 1997 gründete er die "Socijaldemokratija". Seine Partei erhielt zwar bei den Parlamentswahlen in Serbien im September keinen Parlamentssitz, aber er selber kam als Präsidentschaftskandidat immerhin auf 115.000 Stimmen. Im April 1998 fusionierte er mit dem Demokratischen Zentrum (DC) Mičunovićs. Der Parteiführung gehören Novak Pribičević, Miladin Životić vom Belgrader Kreis, Nenad Čanak aus der Vojvodina und Exdemokratenführer Dragoljub Mičunović an. Die serbischen Sozialdemokraten stehen in engem Kontakt mit ihrer montenegrinischen und bosnischen Bruderpartei SDU.34

Die wichtigste Stütze der "demokratischen Alternative" ist die Studentenbewegung. Zu ihren Exponenten gehören auch der Vorsitzende der Studentenbewegung Serbiens (PSS), Slobodan Homen, der Leiter der Initiative für Sport und Aktion, Đorđe Lalošević, sowie Boris Karaičić, "der kleine Đinđić", noch mehr als dieser von Deutschland geprägt, 1971 in Hagen geboren, seit 1984 in Belgrad, wo er 1993 Germanistik und Philosophie studierte und die Massenprote-ste mitorganisierte.35

Nach dem Zerfall des Oppositionsbündnisses "Zajedno" dauerte es ein Jahr, bis die gemäßigt-liberalen Parteien auf Druck der Europäischen Union und der USA zu einem neuen Bündnis fanden. Am 8. September 1998 wurde in Belgrad die "Allianz für Veränderungen" (Savez za promene) konstituiert, die aus einem Dutzend linker und liberaler Gruppierungen besteht – darunter Đinđićs Demokratische Partei, die Bürgerallianz, Sozialdemokraten und die Christ-lich-demokratische Partei Serbiens, die mit ihrem Vorsitzenden Vladan Batić auch den "Ko-ordinator" des neuen Verbands stellt. Die Opposition kann neben Đinđić und Vesna Pešić eine Vielzahl prominenter Intellektueller und Politiker aufweisen: den ehemaligen Gouverneur der Jugoslawischen Nationalbank, Dragoslav Avramović, die beiden

32 Das Programm der Bürgerallianz Serbiens ist abgedruckt in: Republika, Nr. 79, 1.-15.11.1993. 33 Branković, a.a.O., S. 294f. 34 Biographisches und Interview mit Obradović in: SZ, 7.5.1999. 35 Karaičić auf Diskussionsforum der SOG am 19.3.1997 in Bonn.

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Exbürgermeister von Belgrad, Bogdan Bogdanović und Nebojša Čović, den im November 1997 aus Protest gegen Draškovićs Kurs aus der SPO ausgetretenen Bürgermeister von Čačak, Velimir Ilić, den in Belgrad geborenen amerikanischen Pharmaunternehmer Milan Panić, der schon 1992 als erster Premier Restjugoslawiens vergeblich versuchte, der Diktatur und Kriegspolitik Miloševićs ein Ende zu setzen. Am 30. Dezember 1998 schlossen die Vereinigungen ein formelles Abkommen. Erster "Koordinator" des Savez za promene wurde der Belgrader Exbürgermeister Nebojša Čović, Jahrgang 1958, Leiter einer Metallverarbeitungsfabrik, Präsident eines führenden Basketballclubs und ehemaliger Vizechef der SPS. Er erregte während der Studentendemonstrationen vom Winter 1996/97 durch seinen Austritt aus der Sozialistischen Partei aus Protest gegen die Wahlmanipulationen des Regimes Aufsehen.36

In einem 21-Punkte-Programm fordert die Bewegung eine vollständige Demokratisierung des Landes, unter Berufung auf den kritischen González-Bericht über die Parlamentswahlen im September 1997 faire und demokratische Neuwahlen auf allen Ebenen, die Verabschiedung einer neuen Verfassung, umfassende soziale und wirtschaftliche Reformen, die Reduktion und Entpolitisierung der Sicherheitskräfte, die Besserung des Verhältnisses zwischen den verschiedenen Ethnien, den Regionen und den beiden Teilrepubliken in Restjugoslawien. Sie fordert die sofortige Einstellung der Gewalt im Kosovo. Das Kosovo-Problem sei weniger ein ethnisches Problem als vielmehr die Folge der Gewaltherrschaft Miloševićs. "Wie kann man von einem Regime", so die Bürgerrechtlerin Pešić, "das nicht einmal der eigenen Bevölkerung – den Serben – volle Bürgerrechte gewährt, erwarten, daß es diese den Minderheiten zugesteht?"37

Während der NATO-Aktionen gegen Jugoslawien (ab 24. März 1999) machte die gemäßigte Opposition Milošević für die Eskalation der Lage und Kriegsverbrechen im Kosovo verant-wortlich. Ihre Führer forderten Milošević zur Unterzeichnung des von der NATO angebotenen Friedensabkommens und Einstellung der Kriegshandlungen auf. Sie forderten zugleich die NATO zur Einstellung der Angriffe auf, die sie als schweren Fehler bezeichneten. Die jugoslawischen Medien wiederum warfen Demokratenführer Đinđić und dem Führer der Sozialdemokraten, Obradović, Hochverrat vor, da sie angeblich die NATO-Aktionen befürworteten. Beide Politiker sahen sich und ihre Familien, den ungeklärten Tod des oppositionellen Journalisten Slavko Čuruvijas vor Augen, auch durch die Hetze der Sozialisten und JUL persönlich bedroht.38

Hoffnungsträger aus der Diaspora

Einer der Spitzenkandidaten und Hoffnungsträger der Opposition ist der einflußreiche serbo-amerikanische Pharmaindustrielle Milan Panić. Er ist Demokrat wie Clinton und war der erste

36 dpa, 4.1.1997. 37 N. Kulacin, I deda Avram u savezu za promene, in: Vesti, 9.9.1998, S. 8. 38 Vesti, 8.5.1999, S. 6.

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Premier der Bundesrepublik Jugoslawien. Milan Panić wurde am 20. Dezember 1929 in Bel-grad geboren, schloß sich im Zweiten Weltkrieg als Halbwüchsiger den Tito-Partisanen an, nach dem Kriege im Zivilberuf Apotheker, wurde er als jugoslawischer Radsportchampion bekannt. 1956 setzte er sich bei einem Radrennen in den Niederlanden ab und emigrierte mit seiner Familie in die USA. Als Biochemiker war er zunächst an der Universität von Südkalifornien tätig. 1960 gründete er mit geringem Eigenkapital seine eigene pharmazeutische Firma, die die Basis für den Pharmakonzern ICN Pharmaceuticals Inc. in Costa Mesa/Südkalifornien bildete. 1963 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft. Mit dem Unternehmen erfüllte sich Panić den amerikanischen Traum von den unbegrenzten Möglichkeiten. Der Konzern mit einem Dutzend Niederlassungen in aller Welt (USA, Mexiko, Kanada, Europa) erreichte einen Jahresumsatz von einer halben Milliarde Dollar. 1986 verlieh ihm der US-Kongreß einen Orden für besondere Verdienste um den "American way of life". Kurzzeitig geriet der Konzern wegen angeblicher Entwicklung eines Heilmittels gegen Aids in die Schlagzeilen. Sein Geschäftserfolg verschaffte Panić Zugang zur US-Administration unter dem damaligen Präsidenten Bush. Nach der Wende gründete er mehrere Unternehmen im postkommunistischen Europa, u.a. in Moskau und in Belgrad. 1991 erwarb sein Konzern 75 Prozent der Anteile des jugoslawischen Arzneimittelunternehmens "Galenika". Nach der Gründung der Bundesrepublik Jugoslawien aus Serbien und Montenegro im April 1992 bot ihm die Belgrader Führung das Amt des Premiers an. Wegen der aussichtslosen Position in der Umgebung von Kommunisten und Radikalen soll ihm der jugoslawische Thronprätendent Alexander von der Annahme des Amt abgeraten haben. Doch Panić nahm das Angebot an, offenbar in der Hoffnung, Jugoslawien aus der Krise zu verhelfen. Am 14. Juli 1992 wählte ihn das Bundesparlament zum Ministerpräsidenten, seine Wahl wurde vom jugoslawischen Schriftstellerpräsidenten Dobrica Čosić bestätigt. Die jugoslawische Führung erhoffte sich von seinen internationalen Kontakten einen Durchbruch aus der Isolation. Er selber bemühte sich vergebens um wirtschaftliche und politische Reformen und eine friedliche Lösung der jugoslawischen Krise. Deshalb stellte sich Panić immer deutlicher gegen Präsident Milošević, den er für die Konflikte verantwortlich machte. Panić bekräftigte immer wieder, der Krieg in Bosnien-Hercegovina sei nicht aus Haß und eth-nischen Rivalitäten entstanden, sondern ein Produkt der Manipulation durch demokratiefeind-liche, machthungrige Politiker und Kriegsprofiteure. Eine Clique von 1.200 Personen sei für das Blutvergießen verantwortlich. Šešeljs Radikale und ein Teil der Sozialisten versuchten mehrfach, den unbequemen Politiker zu stürzen. Ein letzter Versuch, die jugoslawische Politik zu ändern, war seine Kandidatur gegen Milošević bei den Präsidentenwahlen in Serbien im Dezember 1992. Trotz ungleicher Bedingungen, eines nur 8 Tage dauernden Wahlkampfes und gegen ihn gerichteter Medien, gewann er immerhin 33,8 Prozent, unterlag aber Milošević, der 57,3 Prozent erhielt. Seine Chancen wären noch größer gewesen, wenn die Albaner die Wahlen nicht boykottiert hätten. Nach seiner Niederlage kehrte er in die USA zurück. Nach Aufhebung der Sanktionen im Sommer 1996 versprach er, den wirtschaftlichen Aufbau Restjugoslawiens tatkräftig unterstützen. Im Januar 1998 kündigte er auch seine

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Rückkehr in die Politik an: Er wolle Jugoslawien zu wirtschaftlichem Aufschwung und Integration in die europäischen Strukturen verhelfen. Voraussetzung dafür sei das Ende des Regimes des "jugoslawischen Sadam Hussein".39 Panić wurde 1998 zum Spitzenkandidaten des Oppositionsbündnisses "Savez za promene" gekürt. Im Februar 1999 holte die Belgrader Führung mit der Verstaatlichung seiner Firma in Belgrad zum Gegenschlag aus. Panić verlegte daraufhin die Direktion der ICN Jugoslavija ins montenegrinische Podgorica, wo er sich der Unterstützung der montenegrinischen Regierung versicherte. Ministerpräsident Vujanović erklärte, das illegale Vorgehen der serbischen Regierung gefährde nicht nur die Gesundheit der Bürger, sondern auch den Privatisierungsprozeß und ausländische Investitionen in Jugoslawien. Panić bat Präsident Clinton um Intervention in Belgrad und verklagte Jugoslawien über das US-Bezirksgericht in Washington auf Schadensersatz in Höhe einer halben Milliarde Dollar.40

Hinter der Oppositionsbewegung steht auch der Nachfahre des letzten jugoslawischen Königs, Prinz Alexander II. Karadjordjević, der im Londoner Exil lebt. Er machte das Milošević-Regime für die ganze Misere verantwortlich und meinte skeptisch: "Serbien verbleibt in Dunkelheit und Ignoranz. Jede Hoffnung auf demokratische Reformen ruht, und das ist ein ernstes Problem." Allerdings hält er wie viele Politiker der Opposition die NATO-Strategie für verfehlt.41

Die Führer der ethnischen Minderheiten

Die Allianz der Demokraten wird durch die Beteiligung der Parteien der Ungarn in der Vojvo-dina und der Moslems im serbisch-montenegrinischen Grenzgebiet Sandschak verstärkt. Abgesehen von einzelnen Politikern fehlen die Kosovo-Albaner, die sich als "souverän" betrachten und die serbischen Institutionen boykottieren. Die von dem Gewerkschaftsführer Andras Agoston, Jahrgang 1944, aus Novi Sad, geführte Demokratische Partei der Vojvodina-Ungarn sieht sich als ethnische Interessenvertretung. Aus einer Abspaltung entstand im Juni 1994 die Liga der Vojvodina-Ungarn SVM unter dem Vorsitz von Ferenz Csubela. Die Ungarn haben sich wohl mit der Beseitigung der Autonomie der Provinz abgefunden, fordern aber gleiche Rechte für alle Minderheiten in Serbien, proportionale Vertretung in den Institutionen und das Recht auf die eigene Sprache und Information in den Minderheitensprachen. Sie wehren sich entschieden gegen einen Kriegseinsatz ungarischer Rekruten in der Jugoslawischen Armee.42

Hauptvertretung der Moslems im Sandschak, einem historischen Gebiet beiderseits der ser-bisch-montenegrinischen Grenze, ist der Bosnische Nationalrat Sandschaks (BNVS) mit Su-lejman Ugljanin an der Spitze. Ugljanin, ethnisch Albaner und wie viele Moslemführer von

39 Biographisches in: Branković, a.a.O., S. 294; Milan Andrejevich, What Future for Serbia?, in: RFE/RL Re-

search Report, vol. 1, no. 50, 18.12.1992, S. 7-12; Vesti, 24.1.1998, S. 5. 40 Vesti, 7.2.1999, S. 6; ICN Pharmaceuticals, Inc. News Release, 17.2.1999. 41 Vesti, 10.4.1999. 42 Siehe Biographien serbischer Persönlichkeiten in: Branković, a.a.O., S. 286-297.

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Beruf Arzt, konnte im September 1996 aus dem Exil (Schweiz, Türkei) in seine Heimat zurückkehren. Er ist zugleich Vorsitzender der mit Sarajevo verbundenen Partei der Demokratischen Aktion (SDA).43 Während dessen Abwesenheit hielt Generalsekretär Rasim Ljajić, ebenfalls Arzt und verwandt mit dem Führer der Kosovo-Albaner Rugova, vor Ort die Stellung. Seine Partei, die die letzten serbischen Wahlen boykottierte, fordert für das Gebiet Sandschak die Autonomie und die Aufhebung der Zwangsverwaltung für die informelle Hauptstadt Novi Pazar.44

Während Ungarn und Moslems in der demokratischen Oppositionsbewegung einen potentiel-len Verbündeten sehen, gehen die Kosovo-Albaner auf skeptische Distanz. Die Repressionspolitik des Milošević-Regimes beantworteten die Kosovo-Albaner mit Boykott der serbischen Institutionen, Unabhängigkeitserklärung und Errichtung eines Schattenstaates mit einer eigenen Regierung, einem eigenen Erziehungs- und Gesundheitssystem. So verständlich die Boykottpolitik der Albaner ist, der Opposition geht damit ein großes Stimmenpotential verloren, das möglicherweise schon vor Jahren zur Ablösung des Milošević-Regimes hätte führen können. Der Schriftsteller Ibrahim Rugova, Jahrgang 1944, aus Istok vom Stamm der Kelmendi, war als Vorsitzender der Demokratischen Liga Kosovos (LDK) und Präsident der selbsternannten Republik Kosovo unumstrittener Führer der Albaner. Seine Politik des passiven Widerstands stieß jedoch in den letzten Jahren auf zunehmende Kritik. So gründeten Abtrünnige der LDK die Vereinigte Demokratische Bewegung mit dem Schriftsteller Rexhep Qosja, ca. 60 Jahre, an der Spitze. Der angesehene Schriftsteller und Menschenrechtler, Adem Demaçi, 63 Jahre, wegen langjähriger Haftzeit der "kosovarische Mandela", stellte sich zeitweise auf die Seite der radikalen kosovo-albanischen Guerillas. Durch die Eskalation der Kosovo-Krise gewann die "Befreiungsarmee" UÇK auch politisch an Boden. Ihr politischer Führer Hashim Thaçi, genannt "die Schlange", Jahrgang 1968, aus Srbica, studierte in Zürich und ist Mitglied des Hauptstabs. Er war zuvor Leiter der 17köpfigen albanischen Delegation in Rambouillet und wurde inzwischen auch Chef der provisorischen Regierung des Kosovo. Damit entstand ein Machtkampf mit dem im Mai 1999 aus Belgrader "Geiselhaft" zurückgekehrten Kosovo-Präsidenten Rugova und dem in Bonn residierenden Exilpremier Bujar Bukoshi, Jahrgang 1947, von Beruf Arzt, der in der Diaspora dominierenden Einfluß hat. Während die Linksregierung in Tirana offenbar die radikale UÇK bevorzugt, stützt die albanische Opposition unter Expräsident Berisha die gemäßigten Kosovo-Politiker wie Rugova und Bukoshi. Die anderen Kosovo-Parteien wie Sozial-demokraten, Christdemokraten und Liberale sind momentan in die Marginalität abgedrängt.45

Den Albaner-Führern suchte das Belgrader Regime unter serbischer Führung eine pseudore-präsentative Administration für Kosovo entgegenzusetzen, in die neben albanischen "Quislin-

43 Interview mit Ugljanin in: Rilindja, 16.2.1994, S. 6; siehe auch Osteuropa, 8/1994, A465-468; OMRI Daily

Digest, no. 190, 1.10.1996. 44 OMRI Daily Digest, no. 246, 20.12.1995. 45 Zu den kosovo-albanischen Persönlichkeiten siehe FAZ, 24.2.1999.

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gen" auch Vertreter anderer Nationalitäten (Moslems, Türken, Roma, Goranci und Egipćani) einbezogen wurden.46

Die politische Szene in Montenegro

Den wichtigsten Bündnispartner erhielt die liberale serbische Opposition unverhofft mit dem montenegrinischen Präsidenten Milo Đukanović. Der 36 Jahre alte, hochgewachsene Politiker und Ökonom, der aus der montenegrinischen Industriestadt Nikšič stammt, gelangte im Zuge der sogenannten "antibürokratischen Revolution" von 1989 gegen das alte jugoslawische Establishment als loyaler Parteigänger Miloševićs an die Macht. Er rückte damals in die Füh-rung des montenegrinischen Bundes der Kommunisten auf. An seinem Geburtstag, am 15. Fe-bruar 1991, wurde er Ministerpräsident Montenegros und damit, im Alter von damals 29 Jah-ren, zum jüngsten Regierungschef Europas gekürt. Unter dem Eindruck des Fiaskos der Bel-grader Politik vollzog er in der kleinen Teilrepublik die Wende, die in ganz Jugoslawien über-fällig ist. Zwar werfen Kritiker auch ihm autoritäre Herrschaftsmethoden, Vetternwirtschaft und Korruption sowie Bereicherung unter Umgehung des gegen Jugoslawien gerichteten Em-bargos vor, doch lobt man weithin seine Bereitschaft zu politischen und wirtschaftlichen Re-formen. Um Đukanović formierte sich innerhalb der montenegrinischen Demokratischen So-zialisten (DPS), der Schwesterpartei der Serbischen Sozialisten SPS, ein Reformflügel, der sich im Sommer 1997 gegen die nach Belgrad orientierten Funktionäre um Montenegros Präsidenten Momir Bulatović durchsetzte. Er trat für größere Autonomie Montenegros innerhalb Jugoslawiens und eine zunehmende Distanzierung von Miloševićs Gewaltherrschaft ein.

Durch den Bruch in der Partei kam es bei den Präsidentenwahlen im Oktober 1997 zu der ku-riosen Situation, daß zwei Spitzenkandidaten von derselben Partei gegeneinander antraten, nämlich Ministerpräsident Đukanović gegen Präsident Bulatović. In der ersten Runde am 5. Oktober 1997 unterlag Đukanović seinem Rivalen Bulatović, der aber die absolute Mehrheit verfehlte. In der darauf notwendigen zweiten Runde am 20. Oktober 1997 siegte Đukanović knapp über Bulatović. Letzterer mußte nach vergeblichen Protestaktionen seiner Anhänger das Ergebnis anerkennen. Mit dem Sieg der Reformer brach eine wichtige regionale Stütze des Milošević-Regimes zusammen. Die feierliche Amtsübernahme Đukanovićs zum Präsidenten Montenegros am 15. Januar 1998 wurde zu einer Demonstration zukunftsorientierter Politiker aus Serbien und Montenegro. Đukanovićs Stellung wurde im Mai 1998 durch den überwältigenden Wahlsieg seines Parteienbündnis aus Sozialisten, Sozialdemokraten und der Volkspartei "Damit wir besser leben" ("Da živimo bolje") bekräftigt. Die auch Liberale sowie Vertreter von Moslems und Albanern umfassende breite Koalitionsregierung wurde zum Gegenmodell zur Belgrader Politik in Serbien und Kosovo. Am 1. November 1998 wurde Đukanović mit großer Mehrheit zum Vorsitzenden der montenegrinischen DPS gewählt, während Expräsident Bulatović mit seinem Flügel eine neue Partei konstituierte, die Sozialistische Volkspartei (SNS). Nach dem Sieg der Reformer hätten

46 Vesti, 6.2.1999, S. 4.

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deren Vertreter die für Montenegro vorgesehenen Plätze in den Bundesinstitutionen, dem Bundesparlament und der Bundesregierung, einnehmen müssen. Statt dessen berief Milošević unter Bruch der Verfassung ausgerechnet den unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Bu-latović im Januar 1998 zum jugoslawischen Bundespremier. Präsident Đukanović beantwor-tete diese Provokation mit einem Boykott der Bundesinstitutionen. Seitdem sind die Bezie-hungen zwischen Belgrad und Montenegro gespannt.47

Vom Gefolgsmann Miloševićs entwickelte sich Präsident Đukanović rasch zu dessen entschiedenem Kritiker. So kritisierte er das Vorgehen der serbischen Behörden gegen die unabhängigen Medien und die Beseitigung der Hochschulautonomie. Er warf Milošević eine völlig "überholte Politik" vor und machte ihn für die internationale Isolierung der Bundesrepublik Jugoslawien, die politische und wirtschaftliche Dauerkrise in Serbien sowie für den Krieg im Kosovo verantwortlich. Wie die liberale serbische Opposition sieht Đukanović eine Lösung der ethnischen Probleme in einer wirklichen Demokratisierung Jugoslawiens. Trotz des Konflikts mit Belgrad komme aber eine Abspaltung Montenegros nicht in Frage. Auch eine Loslösung Kosovos von Jugoslawien lehnt Đukanović ab und forderte statt dessen "eine umfassende Autonomie für die albanische Minderheit innerhalb der jugoslawischen Föderation in Serbien und unter internationaler Vermittlung und Garantie".48

Präsident Đukanović wird von einer linksliberalen und multiethnischen Regierungskoalition gestützt. Regierungschef ist seit Januar 1998 Filip Vujanović, ein loyaler Gefolgsmann Đuka-novićs, 1954 in Belgrad geboren, Rechtsanwalt, 1992 Justizminister und 1996 Innenminister; er wehrte erfolgreich Belgrader Einmischungsversuche und die nach Đukanovićs Amtseinfüh-rung von Bulatović inszenierten Krawalle im Januar 1998 ab. Gegenüber der Opposition ver-hielt er sich stets korrekt.49 In seiner aus DPS, Volkspartei, Sozialdemokraten (SDP), Albanern und SDA bestehenden Koalition der Reformkräfte sind die Schlüsselministerien von der DPS besetzt. Innenminister wurde der bisherige Sicherheitschef Vukašin Maraš. Er hatte während des Machtkampfs innerhalb der montenegrinischen Führung die Loyalität der Polizei und des Geheimdienstes gegenüber Đukanović gesichert. Außenminister blieb wie bisher Branko Perović. Der SDP-Vizechef Ramo Bralić wurde Handelsminister. Moslem ist der Umweltminister Salija Ardović von der SDA, Albaner der Minister ohne Portefeuille, Ferhat Dinosha. In Absetzung von der Belgrader Politik forcierte die Regierung Vujanović die Demokratisierung, Wirtschaftsreformen und Privatisierung sowie eine weitere Öffnung zum Westen. Auf dem Mediensektor wurde Montenegro zum Sprachrohr der in Serbien bedrängten Opposition. Montenegro beharrte auch auf sein Recht auf eine eigene Außenpolitik. Mit Bundesaußenminister Jovanović stimmte Außenminister Perović im Februar 1998 die Neubesetzungen im diplomatischen Dienst und im Außenministerium Belgrads ab. So nahm es selbständige Beziehungen zu den wichtigsten westlichen Ländern sowie zu Rußland auf, betrieb trotz Belgrader Obstruktionsversuchen eine Öffnung der

47 Biographisches in: Vesti, 21.10.1997, S. 5; FAZ, 22.1.1998. 48 Interview in: Der Spiegel, 1/1999, S. 114-117. 49 Vesti, 6.11.1997 und 20.1.1998, S. 4.

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Grenzen gegenüber Kroatien und Verbesserung der Beziehungen zu Albanien. Zur Ankurbelung des Tourismus drängt Montenegro zu einer Regelung des Prevlaka-Problems, also des Streits um die Halbinsel vor der Bucht von Kotor. Die Distanzierung der montenegrinischen Führung von der Belgrader Kosovo-Politik honorierte der Westen mit wirtschaftlichen Hilfen und Ausklammerung der Republik aus den Sanktionen gegen Belgrad. Montenegro blieb aber wegen der dortigen Präsenz der Jugoslawischen Armee nicht von NATO-Luftangriffen verschont.

Die einstige Schwesterpartei der serbischen Sozialisten, die DPS, ist in Montenegro immer noch die dominierende Kraft. Jedoch führten Gegensätze zwischen reformorientierten Auto-nomisten und Zentralisten sowie den führenden Klans zur Spaltung. Nach dem Sieg Đukano-vićs in der Partei erhielten die Reformisten mit Milica Pejanović-Đurišić und Parlamentspräsident Svetozar Marović auch bei den Wahlen die Mehrheit. Mit ihr koalieren die von Žarko Rakčević geführte Sozialdemokratische Partei Montenegros, die aus den Sozialisten und den jugoslawischen Reformkräften hervorging, die gemäßigte Volkspartei NS unter dem Vorsitz von Dr. Novak Kilibarda, die montenegrinische SDA unter Führung von Rasim Šahman, die Vertretung der Moslems der Republik und Schwesterpartei der bosnischen SDA Izetbegovićs sowie die von Mehmet Bardhi geführte Albanerpartei.

Die wichtigste Oppositionspartei ist die aus dem Bulatović-Flügel der DPS hervorgegangene Sozialistische Volkspartei SNP, die mit Miloševićs Sozialisten verbunden ist und trotz ihrer Niederlage in Montenegro in Belgrad die Bundesregierung anführt. Außerdem steht die bis 1998 von Slavko Perović geführte Liberale Allianz LS in Opposition. Wegen schlechten Ab-schneidens seiner Partei trat Perović nach den Wahlen im Mai 1998 zurück. 14 weitere Par-teien, darunter die linksradikale JUL sowie die Ultrarechten – Šešeljs SRS, Arkans SSJ und die SDS (Ableger der bosnischen Serbenpartei) –, blieben unter der Drei-Prozent-Hürde und damit außerhalb des Parlaments.50

Ende Januar 1999 trafen sich Vertreter der Koalition "Savez za promene" in Podgorica mit Präsident Đukanović und Vertretern seiner Koalition "Da živimo bolje" und vereinbarten eine gemeinsame Strategie. Diese sieht vorgezogene Neuwahlen in Serbien und Jugoslawien auf allen Ebenen als vorrangigsten Schritt vor, um auch dort den Reformkräften zum Sieg zu ver-helfen. Auf Đukanović setzt die demokratische Opposition Serbiens große Hoffnungen. Die Herrschaft Miloševićs und der Serbischen Sozialisten könnte durch die Reformbestrebungen in Montenegro gleichsam vom Rande her noch weiter erschüttert werden. Die kleine Teilrepublik könnte somit als Katalysator auf die Entwicklung in Serbien und ganz Jugoslawien wirken. Nach der Abkehr einzelner Politiker aus der Phalanx der Sozialisten, nach der überraschenden Entwicklung in der bosnischen Serbenrepublik unter ihrer ehemaligen Präsidentin Biljana Plavšić ist Montenegro der wichtigste Präzedenzfall einer größeren Erosion in Miloševićs Establishment.

50 Vesti, 3.6.1998, S. 5.

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Armee und Sicherheitsdienste

Kann sich das Milošević-Regime auf die Armee verlassen, und sei es auch nur bedingt? Das Verhältnis zwischen Milošević und der Armee war seit Jahren gespannt. Seit Beginn des Kriegs in Kroatien erfolgten in Verbindung mit den politischen Wendungen Miloševićs meh-rere Säuberungswellen der Armee, von denen bis jetzt mehr als 300 Generäle betroffen waren. Die erste große Säuberung geschah im Frühjahr 1992, als die Generäle der ehemaligen JNA mit Blagoje Adžić an der Spitze abgelöst wurden, die zweite im August 1993, als Perišić das Kommando übernahm. Er war der bis dahin jüngste Generalstabschef.51 Der Zerfall Jugoslawiens hatte den Exodus von fast 18.000 Offizieren aus allen Teilen Exjugoslawiens nach Serbien/Montenegro zur Folge. Ähnlich wie die aus Osteuropa abgezogenen sowjetischen Offiziere waren sie erbittert über ihre Niederlagen und den Verlust ihres "Imperiums". Besonders ärgerten die Offizierskader die parallelen Strukturen der Einheiten des Innenministeriums, welche als Stütze des Regimes besser bezahlt und versorgt wurden. Von den 114.000 Armeeangehörigen sind 70.000 Berufssoldaten und Offiziere, welchen eine 120.000 Mann starke Miliz gegenübersteht.52 Der Kommandeur der Sondereinheiten der Polizei, Generaloberst Radovan Stojičić Badža, ein erfolgreicher Kampfsportler, erhielt seine Befehle direkt von Milošević. Als Kommandeur einer Polizeieinheit in Bosnien organisierte er die Bewaffnung der kroatischen und bosnischen Serben. Mit seiner Ermordung am 11. April 1997 verlor Milošević eine verläßliche Stütze.53 Die Armee vermißt eine klare politische Führung und eine befriedigende Definition ihrer Rolle in der Gesellschaft. Während Spezialeinheiten der Armee im März 1991 noch gegen die Demonstranten vorgingen, erklärten im Winter 1997 Teile der Armee offen ihre Unterstützung für die Demonstranten. Der Generalstab forderte eine Lösung der serbischen Krise mit "demokratischen Mitteln" und sicherte den Studenten zu, daß sich die Vorgänge von 1991 nicht wiederholen würden. Angesichts des Konflikts zwischen dem Regime und der Opposition beharrt die Armeeführung auf Nichteinmischung in die Politik. Der offene Auftritt der Generäle Ojdanić und Kovačević auf dem Parteikongreß der Sozialisten ließ die Rufe nach einer Entpolitisierung der Armee wieder lauter werden. Trotz verbreiteter Vorbehalte der Armee gegen das Milošević-Regime sind spontane Aktionen in der Tradition früherer Putsche wenig wahrscheinlich.54 Generalstabschef Momčilo Perišić, Jahrgang 1944, Artillerieoffizier und Psychologe, machte nach Kriegsausbruch eine blitzartige Karriere. Als jugoslawischer Generalstabschef ab August 1993 wandelte er sich vom Günstling Miloševićs zu dessen Gegner. 1994 sah er die Armee von der Belgrader Führung im Stich gelassen. Er weigerte sich, die Armee während der Massenproteste im Winter 1996/97 und des

51 Večernji list, 11.1.1997, S. 15. 52 International Herald Tribune, 24.1.1996, S. 2. 53 RFE/RL, vol. 1, no. 9, 11.4.1997; Vesti, 7.4.1998, S. 8. 54 Dario Barbalić, Vojska Jugoslavije biježi od politike, in: Večernji list, 11.1.1997, S. 15. Nach Ansicht des

Autors könnten Spezialeinheiten wie die Gardebrigade von Topčider bei Belgrad, die Brigade der Militärpo-lizei in Pančevo und die Fallschirmjägerbrigade in Nisch unter geeigneten Umständen einen Schlag gegen das Regime unternehmen.

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Machtkampfes in Montenegro im Januar 1998 einzusetzen. Er versuchte, die Armee auch von dem Kosovo-Konflikt fernzuhalten. Anfang 1998 erregte er mit der verblüffenden Äußerung Aufsehen, er halte ein Beteiligung an der Partnerschaft für den Frieden für denkbar. Mit US-Kommandeur Wesley Clark unterzeichnete er ein Stillhalteabkommen im Falle einer NATO-Aktion. Kurz vor seiner Entlassung im November 1998 rechnete er in einer Rede mit der Belgrader Führung ab. Er warf ihr Unfähigkeit zur Lösung der politischen Probleme vor. Deshalb lehne er es ab, "einen Krieg gegen die ganze Welt zu führen".55 Sein Nachfolger wurde Generaloberst Dragoljub Ojdanić, Jahrgang 1941, ein mit den Sozialisten und der JUL eng verbundener Infantrieoffizier und Taktiker. Mit seiner Ernennung leitete das Milošević-Regimes eine neue Säuberungswelle der Armee und Polizei ein. Milošević ergebene Generäle, die im Sommer 1998 an den Kämpfen im Kosovo teilgenommen hatten, erhielten das Kommando über die wichtigsten Einheiten der jugoslawischen Armee.56 So wurden nacheinander der Geheimdienstchef Stanišić, Luftwaffenkomandeur Ljubiša Veličković und Generalstabschef Perišić abgelöst.57 Die Militäraktionen im Kosovo leitet Generalmajor Nebojša Pavković, der im Dezember 1997 zum Kommandeur des Priština-Korps ernannt und im Dezember 1998 als bewährter Kämpfer gegen die "albanischen Terroristen" von Milošević mit dem Kommando der Dritten Armee, die das Kosovo umfaßt, betraut wurde. Das Kommando über das Priština-Korps übernahm Generalmajor Vladimir Lazarević, der schon bei den Kämpfen in Kroatien und Bosnien Erfahrungen sammelte und sich bei der Koordination von gemeinsamen Aktionen der Armee und Polizeikräften Lorbeeren erwarb.58 Kurz nach Beginn der NATO-Angriffe am 24. März 1999 löste Milošević acht "unbot-mäßige" Generäle von ihren Schlüsselpositionen ab. Für die ethnische Säuberungsaktion im Kosovo brauchte er ergebene Generäle. Der Wechsel war ein weiteres Indiz dafür, daß sich in der Armee Widerstand gegen die Konfrontation mit der NATO, die geplanten Aktionen im Kosovo und Pläne zur Entfachung eines Bürgerkriegs in Montenegro regten. Um ein Ausscheren Montenegros aus den Militäraktionen im Kosovo zu verhindern, wurde der erst im Juni 1998 ernannte, konziliante Kommandeur der Zweiten Armee, Generaloberstleutnant Radosav Martinović, ein Montenegriner, Anfang April 1999 abgelöst. Er fungierte künftig als Berater im Verteidigungsministerium. Neuer Kommandeur der zweiten (montenegrinischen) Armee wurde der Belgrad ergebene Generaloberst Milorad Obradović, der diese Funktion bereits bis 1998 innehatte. Nicht abgelöst wurde der Kommandeur der jugoslawischen Kriegsmarine, Admiral Milan Zec, ebenfalls Montenegriner, der aber durch die ihn umgebenden Strukturen "operativ" paralysiert wurde. Im April 1999 übernahm die jugoslawische Armee die Kontrolle über die wichtigsten strategischen Punkte in Montenegro,

55 Biographisches in: James Gow, Rump Yugoslavia: Perisic Replaces Panic as Chief of Staff, in: RFE/RL Re-

search Report, vol. 2, no. 43, 29.10.1993, S. 54-59; FAZ, 16.6.1998; Boca Marjanović, Nije hteo u rat protiv celog sveta, in: Oko, Nr. 78/49, 4.12.1998, S. 4f.

56 FAZ, 28.12.1998. 57 Ausführliche Biographie siehe: Radovan Pavlović, Oficir koji je znao samo za odlične rezultate, in: Politika,

8.11.1994, S. 14; siehe auch Vesti, 27.12.1997, S. 4; Nedeljni telegraf, 24.6.1998, S. 6; FAZ, 26.11.1998. 58 Vesti, 9.9.1998, S. 8.

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während die Marine die montenegrinische Küste blockierte und den Hafen Bar mit seinen Treibstoffvorräten sicherte.59

Seit 1989 erledigte Serbiens Geheimdienstchef Jovica Stanišić für Milošević schwierige operative Aufgaben. Er koordinierte die Operationen in Kroatien und Bosnien und fungierte zuletzt als Sicherheitsberater Miloševićs. Ende Oktober 1998 wurde er entlassen.60 Sein Nachfolger Generaloberstleutnant Radomir Marković, geboren 1947 in Belgrad, Absolvent der Juristischen Fakultät, machte in der Polizei Karriere. Als Chef der Kriminalpolizei Serbiens (ab 1993) konnte er Erfolge bei der Zerschlagung von Drogenschmugglerringen, Aufdeckung von Wirtschaftsverbrechen und Korruptionsaffären aufweisen, in die ein Dutzend Unternehmensdirektoren, darunter ausgerechnet der Vizechef der JUL und Versicherungsdirektor Nenad Đorđević verwickelt waren.61 Chef des Abwehrdienstes des Generalstabs (Načelnik Uprave bezbednosti GS VJ) ist immer noch Generaloberst Aleksandar Miroslav Dimitrijević, Jahrgang 1947. Der Absolvent der Technischen Akademie der Landstreitkräfte, der Stabsakademie (1983) und Schule der nationalen Verteidigung (1991) genießt Miloševićs besonderes Vertrauen. In einer im Internet veröffentlichten Spezialausgabe der Armeezeitschrift "Vojska" vom Mai 1998 zum Kosovo-Konflikt betonte er, daß die Armee in Bereitschaft sei, den Frieden in Jugoslawien zu schützen und die territoriale Integrität des Landes zu verteidigen. Eine Übergabe von Gebieten sowie ein Truppenabzug von der Grenze komme nicht in Frage.62

Der Versuch des jugoslawischen Premiers Bulatović, durch Gründung eines Geheimdienstes auf Bundesebene sich den montenegrinischen gefügig zu machen, scheiterte offenbar. Monte-negros Sicherheitskräfte einschließlich des Geheimdienstes stehen loyal zu Präsident Đukano-vić und Innenminister Maraš.63

Fazit

Die Eskalation der Kosovo-Krise ab Herbst 1998 und die dem diplomatischen Debakel von Rambouillet folgenden NATO-Luftangriffe ab 24. März 1999 nutzte das Belgrader Regime, um die ihm gefährlich werdenden Entwicklungen abzuwürgen. So wurde mit der Vertreibung fast aller Albaner im Kosovo mit einem Schlag ein dauerndes Unruhepotential in Serbien be-seitigt. Durch die Ausrufung des Kriegszustands, Mobilmachung und eine Welle des Nationa-lismus wurden in der serbischen Teilrepublik auch die Reste an Opposition gegen das Regime mundtot gemacht. Zudem braucht Milošević nur den geeigneten Moment abzuwarten, um durch eine eventuelle Militäraktion das unbotmäßige Regime in Montenegro davonzujagen.

59 Zamena za "neposlušne" generale, Večernji list, 3./4./5.4.1999, S. 10. 60 SZ, 16.6.1995. 61 Biographie Markovićs in: Evropske novosti, 29.10.1998, S. 10; zur Affäre Nenad Đorđjević siehe: Vesti,

24.2.1998, S. 5. 62 Biographisches in: Nedeljni telegraf, 24.6.1998, S. 7; siehe Dimitrijevićs Beitrag "Budućnost – bitka bez ilu-

zije", in: Vojska, http://www.beograd.com/vojska/. 63 Vesti, 7.2.1999, S. 4.

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Es scheint, als ob die Belgrader Führung mit ihrer Propagandamachinerie im Zeichen der Abwehr einer äußeren Aggression weite Teile der Bevölkerung wieder hinter sich gebracht hat.

Unter der Oberfläche jedoch scheinen sich weiterhin Widerstände zu regen. Der Absprung des SPO-Führers Drašković, Äußerungen hoher Funktionäre im Umkreis Miloševićs sowie Warnungen an Abtrünnige deuten auf rege Diskussionen in der jugoslawischen Führung um einen Ausweg aus der Krise hin. Offenbar wächst auch die Unruhe in der Vojvodina und im Sandschak über das weitere Vorgehen des Regimes. Auch zeigen die Luftangriffe bei der Be-völkerung und im Establishment erste Anzeichen einer zermürbenden Wirkung. Darauf deuten einige Goodwill-Akte Miloševićs wie die Freilassung der drei amerikanischen Piloten und die Ausreise des Albaner-Führers Ibrahim Rugova hin. Auch häufen sich die Meldungen über serbische Deserteure und die Versuche hoher Offiziere und Funktionäre, sich und ihre Familien ins Ausland abzusetzen.

In einer gemeinsamen Erklärung warnten der reformorientierte Politiker wie Oppositionsführer Đinđić und Montenegros Präsident Đukanović den Westen, sich auf eine Vereinbarung zur Beilegung des Kosovo-Konflikts einzulassen, die Milošević den Erhalt der Macht gestatte. Dann werde es laut Đinđić neue Tragödien und Gewalt geben – in einem halben Jahr in Montenegro, in einem Jahr im Sandschak, in anderthalb Jahren in der Vojvodina und in zwei Jahren in Belgrad. Đinđić forderte vom Westen sogar die völlige Isolierung Miloševićs.64

Eine Befriedung und Stabilisierung Serbiens und der umliegenden Region kann nur durch eine Beseitigung des Milošević-Regimes erreicht werden. Es wäre deshalb fatal, wenn der Krieg nur zu einem faulen Kompromiß über Kosovo und nicht zum Sturz einer der letzten Diktaturen in Europa führen würde. Đinđić widersprach auch der Auffassung, das serbische Volk werde durch die NATO-Aktionen Europa entfremdet, vielmehr könne man an die Zeit vor Milošević anknüpfen, "als westliche Werte schon längst in der jugoslawischen Gesellschaft Wurzeln geschlagen hatten".

Eine radikale Wende in Serbien schließt jedoch die Aburteilung der für Kriegsverbrechen ver-antwortlichen Spitzenpolitiker vor dem Haager Tribunal ein. Zu diesen zählen – nach Ansicht des britischen Außenministers Robin Cook – außer dem jugoslawischen Präsidenten Milošević auch dessen Helfershelfer wie: Serbiens Präsident Milan Milutinović, der serbische Ministerpräsident Mirko Marjanović, der jugoslawische Vizepremier Nikola Šainović sowie Geheimdienstchef Radomir Marković, Generalstabschef Dragoljub Ojdanić und der Kommandeur der Dritten Armee im Kosovo, Nebojša Pavković.65 Der EU-Ministerrat stellte im Rahmen des Embargos gegen Jugoslawien zudem eine Liste von ca. 300 unerwünschten Personen auf, zu denen die Familie Milošević, die Mitglieder der jugoslawischen

64 RFE/RL Newsline, vol. 3, 10.5.1999; Matthias Rüb, Das Endspiel der serbischen Opposition, in: FAZ,

11.5.1999. 65 Erklärung der Haager Staatsanwältin Louise Arbour am 31. März 1999, Washington Post, 1.4.1999; RFE/RL

Newsline, vol. 3, 1.4.1999.

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Bundesregierung und der serbischen Regierung sowie Spitzenfunktionäre und Helfershelfer des Regimes in der Armee, Polizeitruppe, in den Parteien, Medien, Banken, Unternehmen und in den Kommunen – vor allem im Kosovo – zählten.66 Nach Ansicht von serbischen Intellktuellen bedarf darüber hinaus das gesamte serbische Volk nach jahrezehntelanger kommunistischer und nationalistischer Indoktrination der Umerziehung zu humanen Werten – einer Art der "Entnazifizierung".67

66 Liste abgedruckt in: Vesti, 12.5.1999, S. 11. 67 Dunja Melcić, Kollektive Verblendung, in: FAZ, 8.4.1999, S. 52.

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Hans-Joachim Hoppe

The Political Leadership of the Milosevic Regime

Bericht des BIOst Nr. 26/1999

Summary

Introductory Remarks

"Rump Yugoslavia", comprising Serbia and Montenegro and officially known as the Federal Republic of Yugoslavia, is the only state in the Balkans where the Communists are still in power ten years after the revolutions of 1989/1990. While the Milosevic regime, which came to power in 1987, has, in keeping with the trends of the times, made minor concessions to par-liamentarism and pluralism, it has simultaneously strengthened its apparatus for carrying out repressions against rival parties and organisations and against ethnic minorities. Like the League of Communists before it, the Socialist Party of Serbia continues, together with its sat-ellite organisations in the state apparatus, the economy, the media and other sectors of society, to hold an almost total power monopoly. In order to boost its own position, the Milosevic regime combined its brand of socialism (which was quite different from Tito's) with an aggressive Serbian nationalism and unleashed a devastating war in Yugoslavia. Movement was only brought into the domestic and foreign policy of Rump Yugoslavia by the economic crisis and increased pressure from the international community.

The following report presents the main political forces and personalities in Yugoslavia:

1. the political and military leadership of Rump Yugoslavia

2. the political leadership of the Republic of Serbia

3. the political scene in the Republic of Montenegro

4. the leaders of the ethnic minorities in the Vojvodina, in Sandzak and in Kosovo.

The report examines whether among these ruling forces there is an up-and-coming new gener-ation of politicians prepared to open up and modernise the country. Crucial for Yugoslavia's future is whether Yugoslav politics continues to be determined by Communists and nationalists or whether people with a liberal, moderately conservative and pragmatic outlook gain more influence. Particularly worthy of attention is the political scene in Montenegro, which is evidently becoming a catalyst for developments in Rump Yugoslavia as a whole. The analysis concludes by asking which forces the international community can rely on to push for democracy in Yugoslavia and thereby hasten the peace process in the Balkans and the integration of the country in European structures. In addition to the relevant literature, the

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report is based mainly on news agency reports and coverage in the domestic and international press.

Findings

1. The key figure on the Yugoslav political scene continues to be President Slobodan Milosevic, who, through a series of purges of the Socialist Party, the state apparatus, the army and the media, has succeeded in consolidating his position. Alongside his family clan, Milosevic's entourage consists of an elite group of loyal political, economic and media functionaries whose main goal, as in the communist era, is to remain in power indefinitely. By offering them a share of power, Milosevic has also managed to co-opt some members of the moderate and radical opposition. The to some extent artificially created threat and crisis scenario made the Milosevic regime, at least for a while, appear indispensable as a stabilising factor in the eyes of the population at large and the international community. It took the international community a long time to realise that Milosevic did not represent a solution to the problem but was himself the problem.

2. Despite internal criticism of some features of the Milosevic regime, such as its nepotism, corruption and acts of repression, political reform is unlikely to come from within. The So-cialist Party, which stands under the ideological influence of the JUL movement (United Yugoslav Left) is certainly not a Social Democratic Party and continues to adhere to an an-ti-reformist and anti-Western position. Critics within the party, such as the mayor of Bel-grade, Nebosya Covic, will not survive in the party in the long term. And even critics from among Milosevic's inner circle are being forced aside, as the dismissals of Secret Service Chief Stanisic, Chief of Staff Perisic and media director Vucelic show. Moreover, while military coups are something of a tradition in Serbia, a putsch against the Belgrade regime also seems unlikely, for the latest personnel changes have ensured that the entire power ap-paratus (the army, the police and the other security forces) is more loyal to the regime than ever.

3. The main political force to profit from popular dissatisfaction is Seselj's Serbian Radical Party, which has made considerable electoral gains in recent years on a social-populist platform. Given his militant position, it would be a disaster for Yugoslavia both internally and internationally if Seselj were to come to power. Seselj, who was also deputy prime minister of the Serbian government, has already caused considerable damage through his aggressive stance in the Kosovo conflict, his political influence in Bosnia and his intensified contacts with radical political forces in Russia, Belarus and other East European countries.

4. The leader of the Serbian Renewal Movement (SPO), Vuk Draskovic, who was once a source of hope, dealt a serious blow to the opposition when he entered into a political pact with the regime. Nevertheless, the remaining leftist and liberal parties did manage to form a new coalition – the "Alliance for Change" (Savez za promene). As a result of a policy of repression, various kinds of manipulation and the regime's monopoly on power and on the media, the influence of the opposition has remained limited, however. Despite the presence

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of a number of illustrious personalities, such as democratic leader Zoran Dindic, former Mayor of Belgrade Covic and Serbian-American entrepreneur Milan Panic, who ran for the post of prime minister of Yugoslavia in 1992-93, the opposition has been weakened by internal divisions. And while its electoral base has been broadened through the support of the leaders of a number of ethnic groups (Hungarians and Moslems, for example), the larg-est of these, the Kosovo Albanians, have boycotted everything Serbian in their determined bid for independence.

5. The opposition unexpectedly gained a powerful ally in the new Montenegro leadership headed by President Milo Djukanovic. Montenegro has thus taken the lead in bringing about effective change in the Milosevic establishment. Just as in Tito's Yugoslavia the pro-cess of change began on the periphery (i.e., in Slovenia and Croatia), this time, too, the catalyst for change in Rump Yugoslavia could come from one of its constituent republics. Montenegro's reform-oriented, pro-Western leadership provides the Serbian opposition with an important basis for a possible change of power in the Yugoslav leadership, and in the eyes of the Serbian population it represents both politically and economically a clear alternative to the Milosevic regime. For the West, too, Montenegro represents a glimmer of hope that the last post-communist dictatorship in south-eastern Europe will finally be re-placed.

6. Following its military campaign against Yugoslavia, NATO could, if it plays its cards right, deal the Belgrade regime a decisive blow. The Kosovo conflict, which was fomented by the Milosevic regime in order to hold onto power, shows what a desperate situation the regime is in. Beneath the facade of "Serbian solidarity" dissatisfaction both in the upper echelons of power and in the population at large is growing with a regime that has run out of time and through its refusal to engage in compromise or reform has brought about the disintegration of Yugoslavia and given rise to a grave economic and political crisis. In the event that Milosevic and his corrupt and extremist coterie of neo-communist functionaries are not replaced, even Serbian analysts are predicting that the war in Kosovo will be followed by further bloody conflicts in Montenegro, in Sandzak, in the Vojvodina and ultimately in Belgrade among the Serbs themselves. Meanwhile, there are a number of suitable candidates both within the establishment and in the diaspora capable of making a new start.