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Das IT-Pflichtenheft zur optimalen Softwarebeschaffung 1. Auflage Das IT-Pflichtenheft zur optimalen Softwarebeschaffung schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG mitp/bhv 2003 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 8266 1301 2

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11 Standardsoftware – Stand und

Zukunftsperspektiven

Standardsoftware, worunter jede Form professionell erstellter Fertigsoftwarefällt, hat den Individualprogrammen längst den Rang abgelaufen. Der Anteilder Standardanwendungssoftware beträgt gegenwärtig etwa zwei Drittel allerneuen IT-Anwendungssysteme. Dieser Prozentsatz wird voraussichtlich nochweiter ansteigen.

Eine Individualentwicklung von Programmen hat heute nur noch dann eineBerechtigung, wenn folgende Ursachen vorliegen:

� Erweiterung vorhandener Altsysteme

� Spezialanwendungen, für die keine Standardsoftware angeboten wird

� Einsatz einer 4-GL-Sprache, häufig im Rahmen einer Prototyping-Umge-bung

� Anpassung von Standardsoftware durch eine Programmodifikation oderindividuelle Zusatzprogramme

Mittelständische Unternehmen sind ohnehin auf Fertigsoftware angewiesen,weil sie keine eigene Entwicklungs- und Wartungsmannschaft für alleIT-Anwendungen unterhalten können. Aber auch Großbetriebe und Behör-den, die seit Jahren unter den »Altlasten« früherer Individualentwicklungenstöhnen, haben eine rigorose Kehrtwendung in Richtung Standardsoftwarevorgenommen. Sie mussten die Erfahrung machen, dass es auch unter großenAnstrengungen nicht gelingt, alle im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte ent-standenen Eigenentwicklungen ausreichend zu integrieren und zu pflegen.

Heute gilt in Unternehmen und Behörden der Grundsatz: Wenn der Marktgeeignete Fertigprogramme zur Verfügung stellt, hat die Softwarebeschaf-fung in jedem Fall Vorrang vor einer Eigenentwicklung.

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KAPITEL 1 – STANDARDSOFTWARE – STAND UND ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN

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1Die Schnittstellen zwischen den gewachsenen Insellösungen wirken sich wieSchlagbäume an Ländergrenzen aus.

Häufig sind die Einbindung von Webtechniken und die Vernetzung von IT-Anwendungen innerhalb eines Unternehmens oder im Rahmen zwischenbe-trieblicher Supply Chains ein Anstoß für die Beschaffung neuer Software-pakete.

Standardsoftware ist besonders geeignet für Verwaltungs- und Abrechnungs-funktionen, die in allen Unternehmen überwiegend gleich sind. Dazu gehö-ren zum Beispiel die Lohn- und Gehaltsabrechnung oder der Einkauf. Hiergibt es brauchbare Fertigsoftware für jede Unternehmensgröße. Nicht immerzweckmäßig ist Standardsoftware dagegen zur Abdeckung primärerGeschäftsfelder und der Kernprozesse eines Unternehmens, wo ein Unter-nehmen besser sein möchte als seine Wettbewerber.

Für die Kernbereiche Ihres Unternehmens benötigen Sie möglicherweiseinnovative Lösungen, die auf Ihre spezifischen Besonderheiten und auf dieGröße Ihres Unternehmens zugeschnitten sind. Wenn Sie hierfür nach derErarbeitung der strategischen Zielsetzungen und Konzepte keine passendeSpezialsoftware finden, sollten Sie auf den Einsatz von Individualsoftwarezurückgreifen. Hier bietet der Markt heute flexible RAD-Tools (Rapid Applica-tion) auf der Grundlage von 4-GL-Sprachen an. Diese unterstützen eine aufdie Zielsetzungen Ihres Unternehmens ausgerichtete Eigenentwicklung imBereich Ihrer betrieblichen Kernprozesse. Auch Softwarewerkzeuge – zumBeispiel Lotus Notes – ermöglichen die schnelle Realisierung individuellerSonderlösungen.

Hier verpasst Ihnen der Einsatz von Allround-Standardsoftware einengenormten »Militärhaarschnitt«. Sie sind mit Standardsoftware weder bes-ser noch schlechter als Ihre Konkurrenten. Und möglicherweise ist dieFremdsoftware für Ihr Unternehmen sogar eine Schuhnummer zu großoder zu klein!

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TYPOLOGIE DER STANDARDSOFTWARE – DAMIT SIE DEN ÜBERBLICK BEHALTEN

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11.1 Typologie der Standardsoftware – damit Sie den

Überblick behalten

Standardsoftware ist kein einheitlicher Begriff. Zwei Softwaretypen sind zuunterscheiden:

� Softwaretools und allgemein verwendbare Programme, zum Beispiel fürTextverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationsgrafik, E-Mail, Inter-net und als Hilfsmittel für verschiedene Zwecke

� Anwendungsprogramme für kaufmännische, technische, wissenschaftli-che oder private Benutzer

In Softwarekatalogen wird Anwendungssoftware häufig nach den Betriebssys-temen unterteilt, auf denen sie lauffähig ist. Daneben wird sie nach Anwen-dungsbereichen zusammengefasst. Es gibt Softwarekataloge für Industriebe-triebe, Handelsunternehmen und teilweise für bestimmte Branchen, zumBeispiel für die Chemie, für Krankenhäuser oder für das Speditionsgewerbe.

1.1.1 Proprietäre und offene Standardsoftware

Am Ende der 90er-Jahre war das Duell zwischen den proprietären, das heißtsystemabhängigen, und den offenen Betriebssystemen ausgestanden. Dieoffenen Betriebssysteme haben sich fast ausschließlich durchgesetzt.

Der weit überwiegende Anteil der am Markt angebotenen Standardsoftwareläuft unter den Betriebssystemen Unix, Linux oder den neueren Windowsver-sionen Windows 2000 oder Windows XP. In vielen Fällen hat der Software-kunde heute sogar eine Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Betriebssyste-men, für die ein Softwarepaket angeboten wird.

Proprietäre Betriebssysteme findet man bei Standardsoftware gelegentlichnoch im Mainframe-Bereich und bei Midrange-Rechnern. Hauptsächlichanzutreffen sind IBM-Rechner des Typs AS-400 mit ihrem systemabhängigenBetriebssystem. Proprietäre Rechner dieses Typs werden aufgrund ihrer einfa-chen Bedienbarkeit und guten Performance auch in der nahen Zukunft ihreStellung in Unternehmen verteidigen, in denen dieser Rechnertyp schon seitvielen Jahren im Einsatz ist.

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KAPITEL 1 – STANDARDSOFTWARE – STAND UND ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN

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11.1.2 Stand-alone-Pakete und integrierte Standardsoftware

Nicht alle Standardprogramme, die gegenwärtig am Markt angeboten wer-den, haben sich einen Platz auf der Sonnenseite des Marktes erobern können.Aufgrund negativer Erfahrungen mit den Stand-alone-Lösungen der Vergan-genheit konzentriert sich heute das Interesse auf integrierte Standardsoft-ware. Der Anwender erwartet dadurch eine Minimierung der Schnittstellen-problematik.

Die Spannweite der integrierten Software reicht von preisgünstigen Paketenfür Mittel- und Kleinunternehmen bis hin zu umfassenden und hochkomple-xen Paketen der oberen Preisklasse. Hier einige Anbieter integrierter Soft-ware: SAP, ORACLE, BAAN oder PEOPLESOFT.

Den Vorteilen der Schnittstellenminimierung stehen bei integrierter Softwa-re bisher auch einige gravierende Nachteile gegenüber. Trotz vorhandenerImplementierungstools lässt sich der Anpassungs- und Einführungsaufwandnur in Grenzen halten, wenn ein Anwenderunternehmen sich in seinen Ab-laufprozessen den Vorstellungen des Softwareanbieters anpasst. Für mancheUnternehmen mit rückständiger Organisation mag dies zu positiven Auswir-kungen führen, andere verlieren dadurch jedoch ihre gewachsene Individua-lität und möglicherweise ihre speziellen Wettbewerbsvorteile.

1.1.3 »Funktionssammler« und Lean Software

Zwei Extremformen der Standardsoftware stehen sich gegenüber und werdenam Markt angeboten:

� Software mit einer Funktionsüberdeckung (»140%-Software«)

� Lean Software (»70%-Software«)

Die meisten Standardpakete weisen eine beträchtliche Funktionshäufungauf. Sie ergibt sich, wenn im Lauf der Jahre immer neue Funktionen auf-grund von Kundenwünschen hinzukommen. Zwar erhält ein Kunde dadurchmehr Auswahlmöglichkeiten. Doch kann ein Paket durch die Funktionsüber-frachtung unübersichtlich und schwerfällig werden. Das Customizing wirdaufwändiger und kann nur durch erfahrene Spezialisten durchgeführt wer-den, wenn die Softwarearchitektur aufgrund des Funktions-Syndromsgeschädigt worden ist.

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TYPOLOGIE DER STANDARDSOFTWARE – DAMIT SIE DEN ÜBERBLICK BEHALTEN

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1Einige neuere Softwarepakete bezeichnen sich ausdrücklich als »Lean Soft-ware«. Sie beschränken sich auf die wesentlichen Basiskomponenten derSoftware und auf die immer benötigten Funktionen des Verwaltungssektors.Die kundenspezifischen Schwerpunkte und Kernprozesse werden erst imAuftragsfall mit RAD-Modulen, 4-GL-Sprachen und Generatoren erstellt. AlsErgebnis ergibt sich ein »Maßanzug« für jeden Kunden. Er ist natürlicherheblich teurer als ein »Anzug von der Stange«. Eine Fortentwicklung undWartung mit Hilfe von Releases ist nur beschränkt möglich. Auch die Abhän-gigkeit vom Softwarehaus ist größer.

Bei einer Entscheidung für ein »Lean-Software«-Paket muss ein Kunde aufeine übersichtliche Softwarestrukturierung und eine komplette und verständ-liche Dokumentation großen Wert legen.

1.1.4 Der Begriff der Branchensoftware

Ein schwammiger Begriff bei der Softwareeinteilung ist das oft benutzte Aus-hängeschild »Branchensoftware«. Diese Software sollte nach allgemeinemVerständnis die Besonderheiten einer bestimmten Branche – beispielsweisedes Speditionsgewerbes oder der chemischen Industrie – enthalten. Wenndas der Fall ist, kann Branchensoftware für Mitglieder einer bestimmtenBranche vorteilhaft sein. Da mit diesem Begriff in der Vergangenheit häufigSchindluder getrieben wurde, sollten Sie vor der Beschaffung eines solchenSoftwarepakets intensiv prüfen, ob tatsächlich auch die Spezialitäten IhrerBranche durch das Softwarepaket unterstützt werden oder ob es sich umeinen reinen Verkaufsgag handelt. Dafür benötigen Sie ein detailliertesPflichten- oder Lastenheft.

Wir haben in unserer Beratungspraxis den Eindruck gewonnen, dass»Lean Software« oft nur als Vorwand dient, wenn ein Softwarepaket nochkeinen ausreichenden Reifegrad erreicht hat. Das ist bei Branchenpaketenanzutreffen, die von kleineren Softwarefirmen angeboten werden.

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11.2 Qualitäts- und Leistungsmerkmale moderner

Standardsoftware

Wann dürfen Programme, die am Softwaremarkt angeboten werden, als »Stan-dardsoftware« bezeichnet werden? – Die Frage ist berechtigt, weil dieser Begriffnicht geschützt ist und von jedem Programmanbieter verwendet werden kann!

Echte Standardsoftware liegt nur vor, wenn Anwendungsprogramme oderSoftwaretools

� von einer Softwareentwicklungsfirma ingenieurmäßig erstellt und für denAbsatz am Softwaremarkt vorgesehen worden sind,

� wenn eine klare Strukturierung und eine komplette System- und Benut-zerdokumentation vorliegen,

� wenn die Programme mindestens bei 10-20 Anwendern komplett einge-setzt sind, sodass keinerlei Kinderkrankheiten mehr vorliegen dürften.

Standardprogramme aus professionellen Softwareschmieden zeichnen sichdurch eindeutige Qualitäts- und Leistungsmerkmale aus! Für den Einstieg indas Softwarepaket steht ein übersichtliches Programmenü zur Verfügung.Hinzu kommen bei Bedarf Pull-down-Menüs und ein Laien- und Experten-modus für die Bildschirmsachbearbeiter. Durch Alternativmöglichkeiten,Einstellparameter und Anpassungstabellen lässt sich ein Programm an dieKundenbedürfnisse anpassen. Für individuelle Abfragen steht eine Abfra-gesprache oder ein Abfrage- und Auswertungsgenerator zur Verfügung. DieDokumentation ist im System hinterlegt. Bei der Softwarewartung wird dieDokumentation automatisch aktualisiert.

Ausgefeilte Softwarepakete werden häufig in einer Test- und einer Produktiv-version dem Kunden angeboten. Mit Hilfe von Teachware und Demonstra-tionsbeispielen lässt sich der Schulungsaufwand in Grenzen halten und dieBenutzeranweisung erleichtern. Über einen Wartungsservice wird gewähr-leistet, dass die Software nicht veraltet.

Das Fundament eines anspruchsvollen Softwarepakets bildet eine marktgän-gige relationale oder objektorientierte Datenbank. Größere Softwarepaketesind in Modulform unterteilt. Der Kunde muss nur die Programmodule neh-men, die er benötigt.

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QUALITÄTS- UND LEISTUNGSMERKMALE MODERNER STANDARDSOFTWARE

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1Grafische Benutzeroberflächen gehören seit vielen Jahren zum Standard vonFertigsoftware. Der benutzte Style Guide entspricht fast immer der üblichenWindows-Oberfläche,

Viele Softwarepakete sind im Laufe der vergangenen Jahre mehrfach überar-beitet worden. Achten Sie bei Ihrer Softwareauswahl darauf, dass ehemaligealphanumerische Bildmasken nach ihrer Umsetzung auf eine grafischeGestaltung der Benutzeroberfläche die Möglichkeiten der heute üblichenStyle Guides voll nutzen. Es reicht nicht aus, wenn die Bildmasken bei derÜberarbeitung lediglich mit einer grafischen Symbolleiste garniert wordensind! Solche Mängel sind bei Branchenpaketen kleinerer Softwarehäuserimmer wieder anzutreffen. Sie wirken sich durch fehlende Flexibilität beimArbeitseinsatz dieser Programme negativ aus.

Größere Softwarepakete sind in Grund- und Erweiterungsmodule unterteilt.Der Anwender muss nur die Programme bezahlen, die er tatsächlich benö-tigt. Bei Bedarf kann er später weitere Module nachbeziehen.

Zu häufig benötigten Nachbarsystemen müssen moderne Softwarepaketeeine ausgefeilte Schnittstellentechnik liefern. Beispielsweise muss ein Ferti-gungsunternehmen eine standardisierte Schnittstelle zwischen einer CAD-Lösung und einem PPS-System erwarten können. Sicherheitshalber muss einsolcher Wunsch in das Pflichtenheft aufgenommen werden. Generell erwar-tet werden heute auch Schnittstellen zwischen einem Anwendungspaket undden Querschnittsprogrammen einer Bürokommunikation.

Professionelle Standardsoftware wird mit Hilfe neuer Releasestände perio-disch aktualisiert. Nicht jedes Softwarehaus hat es bisher allerdings geschafft,dass neue Releases mit möglichst wenig Aufwand für den Softwareanwendereingeführt werden! Im Extremfall stellt ein Releasewechsel für den Anwendereinen Kraftakt dar, der mit einer Neuinstallation verglichen werden kann! Erlässt sich nur durch den massiven Einsatz einer spezialisierten Beratungsfirmabewältigen. Nehmen Sie deshalb den Punkt »Releasepolitik« und den Aufwandbei einem Releasewechsel sicherheitshalber in Ihr IT-Pflichtenheft auf!

Wenn ein Softwareentwickler das Markenzeichen der Qualitätssicherungnach DIN/ISO 9000 als Aushängeschild benutzt, dürfen Sie erwarten, dassdie Entwicklung und Pflege der Software und der Dokumentation nach pro-fessionellen Gesichtspunkten erfolgt. Auf die Produktqualität hat ein solchesGütesiegel allerdings keine direkten Auswirkungen!

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1In Marktspiegeln für Branchensoftware und Programmpaketen mitbestimmten Anwendungsbereichen, zum Beispiel für Kostenrechnung, Ver-trieb, CAD oder Dokumentenverwaltung, versuchen die Verfasser, Qualitäts-unterschiede auf der Funktionsebene und bei den systemtechnischen Eigen-schaften der Vergleichsprodukte darzustellen und zu bewerten. Trotz vielerSchwächen solcher Vergleichsübersichten lohnt sich für künftige Software-anwender ein Blick in eine einschlägige Marktvergleichsübersicht, soferndiese eine ausreichende Aktualität aufweist.

Gute Standardsoftware wird Ihnen allerdings nicht in den Schoß fallen!Wenn Sie nicht die Katze im Sack kaufen wollen, benötigen Sie eine aussage-fähige und eindeutige Leistungsbeschreibung – ein Softwarepflichtenheft.Die Angebotsvergleiche, Softwaredemos und vielleicht ein abschließenderWorkshop kosten möglicherweise viel Zeit und stellen an das Projektteamhohe qualitative Anforderungen.

1.2.1 Prozessorientierte Software

Die bisherige Standardsoftware ist immer noch überwiegend funktionsorien-tiert aufgebaut. Das hierarchische Programmenü bezieht sich auf Funktions-gruppen und untergeordnete Einzelfunktionen. Dazu gehören zum Beispieleine Kundenauftragsbearbeitung, eine Verwaltung des Lieferantenstammsat-zes oder eine Lagerbestandsführung. Die Funktionen sind bestimmten Stel-len zugeordnet, an denen die Arbeiten abgewickelt werden.

In den vorhandenen Softwarepaketen ist eine durchgängige Prozessorientie-rung nur teilweise anzutreffen, denn wesentliche Voraussetzungen müssenzuvor geschaffen werden:

� auf das Unternehmen zugeschnittene Workflow-Abläufe

� eine dazu passende teamorientierte Organisation

� die Einbettung moderner Webmöglichkeiten in die Prozessabwicklung

Diese Softwarephilosophie entspricht nicht der prozessorientierten Denk-weise, die heute in Unternehmen angestrebt wird, um eine durchgängigeund schnelle Bearbeitung der Geschäftsprozesse zu erreichen. Die bishe-rige Software unterstellt eine hierarchische Unternehmensgliederung, undnicht die angestrebte flexible Teamorganisation.

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1Durch den Einsatz von Workflowtechniken wird ein Geschäftsvorfall voneinem Sachbearbeiter unmittelbar an die weiteren betroffenen Stellen weiter-geleitet und vom System ständig auf seine rechtzeitige Erledigung überwacht.Dadurch lassen sich Durchlaufzeiten radikal verkürzen.

Beispiele für workfloworientierte Abläufe:

� Zeichnungserstellung auf einem CAD-System. Weiterleitung der Zeich-nungen an das PPS-System zur Stücklistenerstellung, anschließend zurArbeitsplanerstellung an die Arbeitsvorbereitung und schließlich an dieMaterialdisposition.

� Durchgängige Bearbeitung eines Bauantrags in einer Baubehörde.

� Integrierte Bearbeitung des Kundenauftrags in einem Handelsunterneh-men.

Neue Möglichkeiten der prozessorientierten Softwareabwicklung bieten gra-fische Benutzerreferenzmodelle. Mit diesen können beim Software-Customi-zing in einem Unternehmen aus den grafisch dargestellten Softwarebaustei-nen die gewünschten Prozesse zusammengestellt werden. Diese Prozessewerden vom Softwarepaket unterstützt.

Obwohl von mehreren Softwarehäusern allgemeine oder branchenbezogeneReferenzmodelle zur Verfügung gestellt werden, befinden wir uns hier erstam Anfang eines prozessorientierten Softwareaufbaus.

Beispiele von Benutzerreferenzmodellen:

� Firma Baan: Enterprise Ressource Scheduler

� Firma ids: ARIS-Toolset (hauptsächlich für SAP R/3)

Benutzerreferenzmodelle stellen in grafischer Ablaufform Alternativmög-lichkeiten zur Prozessgestaltung zur Verfügung. Man kann sie mit einemLegospiel vergleichen. Das Projektteam des Anwenders stellt bei der Soft-wareanpassung aus dem vorhandenen Vorrat an alternativen Ablaufbau-steinen den gewünschten Geschäftsprozess zusammen. Die Möglichkei-ten der Prozessgestaltung sind bei der Benutzung von Referenzabläufennatürlich durch die vorgegebenen Alternativen begrenzt!

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1Für die Zukunft messen wir einer prozessgeeigneten Standardsoftwarewegen der Vorteile einer durchgängigen Bearbeitung und den zu erreichen-den Zeit- und Kostenvorteilen eine immense Bedeutung bei. Kurzfristig feh-len oft noch die Voraussetzungen im Bereich der Softwarearchitektur undeine geeignete Kundenablauforganisation.

1.2.2 Trend zur objektorientierten Standardsoftware

Standardsoftwarehersteller verwenden heute oft noch relationale Datenbank-systeme. Immer häufiger anzutreffen ist jedoch eine objektorientierte Ent-wicklung und eine entsprechend aufgebaute Datenbank. Es ist zu erwarten,dass der Trend zur Objektorientierung weiter zunimmt und die relationalenTechniken ablöst.

Die Softwareausrichtung auf eine Objektorientierung bringt eine Reihe vonVorteilen:

� verbesserte Möglichkeiten der Prozessorientierung

� Erweiterungen des Datenbankeinsatzes durch die zusätzliche Speiche-rung von Bildern, Video und Ton

� Wiederverwendbarkeit von Softwarebestandteilen

Vorreiter der Objektorientierung ist Standardsoftware für den technischenUnternehmensbereich, zum Beispiel auf dem CAD-Sektor.

1.2.3 Moderne Informationstechnologien in Standardpaketen

Die Technologien auf dem Softwaremarkt entwickeln sich ständig weiter undführen zu erweiterten Möglichkeiten der Standardsoftware. Neben der bereitserwähnten objektorientierten Entwicklung treffen wir im Bereich der Indivi-dual- und Standardsoftware immer häufiger den Einsatz der folgenden Infor-matiktechniken an:

� Bildverarbeitung (Imaging) und Dokumentenverwaltung

� Workflow- und groupwareorientierte Prozessabwicklung

� Die Verbindung der Standardsoftware mit den Kommunikationsmöglich-keiten von EDI, Intranet und Internet

� Multimedia-Anwendungen

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1Workflow-Abwicklungen zur ganzheitlichen Vorgangssteuerung werden ineiner Reihe von Softwarepaketen als integriertes Modul oder als Zusatzpaketangeboten. Sie eignen sich zur IT-unterstützten Abwicklung stark strukturier-ter und formalisierter Vorgänge. Demgegenüber sind Groupware-Programmezur Bearbeitung schwieriger Geschäftsvorfälle geeignet, die eine enge Kom-munikation mehrerer Partner an verschiedenen Lokalitäten erforderlichmachen.

Auch Bildverarbeitungs- und Dokumentenmanagementsysteme sind heutebereits ein übliches Teilstück in neueren Softwarepaketen. Neben geeigneterAnwendungssoftware erfordert der Einsatz der Bild- und Dokumentenverwal-tung eine Hardwareausrüstung mit Scanner, grafischen Farbbildschirmen,optischer Speichertechnologie und einem Laserdrucker oder Plotter.

Erhebliche Auswirkungen auf den Einsatz und weiteren Ausbau von Stan-dardsoftware im Unternehmen hat der zunehmende Einfluss der Internetak-tivitäten. Immer häufiger koppeln Unternehmen zum Beispiel ihren Marke-tingsektor oder ihre Warenwirtschaft an das World Wide Web und ebnen aufdiese Weise den Weg zu einem integrierten Electronic Commerce.

Wenn ein Unternehmen oder eine Verwaltungsbehörde eine Weborientie-rung beim geplanten Einsatz neuer Standardsoftware anstrebt, muss das Pro-jektteam zuerst die gewünschten Organisationsprozesse erarbeiten und diesein das IT-Pflichtenheft übernehmen.

Weit darüber hinaus gehen die Möglichkeiten, externen Niederlassungendezentral ausgerichteter Unternehmen über Internet und Browser-Oberflä-chen den Zugriff auf Data Warehouses oder auf bestimmte Standardsoftware-module zu erlauben.

Während die Lösungen für die Euro- Problematik heute in aktuellen Software-paketen enthalten sind, fehlt bisher vielen Fertigpaketen die erforderlicheMehrsprachigkeit für den internationalen Softwareeinsatz. Das Auswahlteammuss Anforderungen in diesem Bereich während der Evaluationsphase prüfen!

Wenn ein Unternehmen bestimmte Informationstechniken beim geplan-ten Einsatz von Standardsoftware verwenden möchte, muss das Projekt-team zunächst die gewünschten Prozesse erarbeiten und diese insIT-Pflichtenheft aufnehmen!

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11.2.4 Componentware – eine neue Softwaregeneration

Standardsoftwareprodukte verfügen heute über einen breit gefächerten Funk-tionsumfang, der meist weit über die konkreten Bedürfnisse eines Anwen-ders hinausgeht. Aufgrund dieser immer stärkeren Funktionsvielfalt und derbisherigen monolithischen Softwaregebilde sind integrierte Softwarepaketeder Gegenwart äußerst komplex und schwer durchschaubar. Aufgrund derstarken Verzahnung wirken sich gewünschte Änderungen und Erweiterun-gen auf viele andere Stellen der Softwarekonstruktion aus. Eine von Anwen-dern gewünschte Integration konventionell konstruierter Fremdsoftware undgezielter Individuallösungen lässt sich überhaupt nicht oder nur mit hohemAufwand realisieren.

Die Softwareindustrie hat diese Produktschwächen erkannt. Einen Auswegaus der Komplexitätsproblematik bringt der Einsatz von Componentware.Hierbei findet eine Zerlegung des monolithischen Softwareaufbaus in klei-nere selbstständige und austauschbare Einzelmodule statt. Eine Hilfestellungbietet die objektorientierte Softwareentwicklung, die eine Kapselung undWiederverwendung von Programmbausteinen zulässt.

Die Komponententechnik erlaubt eine flexible Zusammensetzung der Kun-denprozesse nach dem Prinzip der Legobausteine. Dieses neue Informatik-konzept führt zu beträchtlichen Vorteilen:

� Es werden nur solche Komponenten in der Software zur Verfügunggestellt, die der Anwender zur Erledigung seiner Aufgaben benötigt.

� Bausteine der in einem Unternehmen eingesetzten Anwendungssoftwaresind austauschbar. So lassen sich zum Beispiel effiziente Module einerspezifischen Branchensoftware mit der im Unternehmen eingesetztenHauptsoftware integrieren.

Die vielfältigen Vorteile von Componentware lassen erwarten, dass immermehr Softwareanbieter in den kommenden Jahren bei diesem Paradigmen-wechsel mitziehen.

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11.3 Schwerpunktrisiken beim Einsatz von

Standardsoftware

Die Beschaffung und Implementierung von Fertigsoftware ist aufgrund dersteigenden Komplexität dieser Pakete erheblich schwieriger und risikoträchti-ger als im verflossenen Zeitalter der »Mittleren Datentechnik«. Aktuelle Stan-dardsoftware ist schon lange nicht mehr ein »Produkt von der Stange«, dasnach der Installation sofort läuft und die Anwenderfirma von allen Sorgenbefreit!

Problemfelder und kritische Faktoren treten sowohl bei der Softwarebeschaf-fung als auch beim Betrieb, in der laufenden Betreuung und bei jedemReleasewechsel auf. Zunächst einige Schlagworte aus dem Problemrepertoire:

� Aufgezwungene Lösungen ohne Benutzerakzeptanz

� Funktionsmängel verschiedenster Art und unzureichende Flexibilität

� Nachträgliche Kostenexplosion

� Integrationsschwächen und Schnittstellenprobleme

� Hoher Migrationsaufwand bei der Ablösung der Altsoftware

� Benutzerängste verschiedenster Art

Beträchtliche Risikozonen und Widerstände ergeben sich bereits bei einerunsystematischen, übereilten und oberflächlichen Softwareauswahl, wenndiese einseitig durch die Informatikabteilung vorgenommen wird und diebetroffenen Anwendergruppen nicht in die Entscheidung einbezogen werden.

Drei Risikoschwerpunkte stehen im Vordergrund. Wir haben sie im Folgebilddargestellt.

Abbildung 1.1: Risikoschwerpunkte bei der Beschaffung eines Softwarepakets

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1An erster Stelle stehen die Risiken der richtige Zielsetzungen und der zweck-mäßigen Geschäftsfeldauswahl für das Softwarepaket. Diese Punkte müssenvor einer Ausschreibung im Rahmen einer Anforderungsanalyse und Soll-konzeption der gewünschten Geschäftsprozesse geklärt werden. Fehlschlägesind bereits vorprogrammiert, wenn sich das Auswahlteam und die betroffe-nen Anwenderbereiche zu wenig Gedanken über Zielsetzungen und Auswir-kungen des geplanten Softwareinsatzes und der dadurch sich ergebendenOrganisationsänderungen machen und »die Katze im Sack kaufen«.

Neben diesen Zielsetzungsrisiken können erhebliche Auswahlrisiken beste-hen. Nicht immer kennt das Planungsteam den Softwaremarkt so gut, dass esauf das bestmögliche Paket stößt, das alle fachlichen und systemtechnischenAnforderungen abdeckt. Bei der schlechten Markttransparenz und den»Hardselling-Techniken« der Softwarevertreiber ist dies für wenig erfahreneAnwender keine leichte Aufgabe! Ein für den Anwender brauchbares Soft-warepaket zeichnet sich dadurch aus, dass es möglichst 80% der Anwender-wünsche – und mindestens alle K.-O.-Anforderungen – im Standard abdeckt.

Typische Fußangeln bei der Softwareauswahl können darin liegen, dass derSoftwareinteressent an eine noch nicht ausgereifte oder veraltete Softwaregerät. Immer häufiger kommt es außerdem in neuerer Zeit vor, dass eineSoftwarefirma aus finanziellen Gründen aus dem Markt ausscheidet,wodurch keine Pflege und Weiterentwicklung des Produkts mehr erfolgt.

Eine dritte Risikozone liegt im Bereich der Softwareanpassung und -einfüh-rung. Hier wird heute großes Gewicht auf die gegenseitige Anpassung undAbstimmung der gewünschten Geschäftsprozesse und der Software gelegt.Nur bei einem ausreichenden Abgleich der beiden Komponenten Software undUmfeldorganisation bei einer möglichst geringen Anzahl von Programmodifi-kationen führt der Einsatz von Standardsoftware zum angestrebten Erfolg.

Einige Softwarefirmen bieten ihre integrierten Standardprogramme demKunden in einem Dienstleistungspaket an. Unabhängig vom Installa-tionsumfang sichert der Anbieter eine Projektabwicklung mit fester Laufzeitund fixem Preis zu. Auf mittelständische Unternehmen übt ein solches Fest-angebot einen verlockenden Reiz aus. Sie unterstellen, dass ihnen die Verant-wortlichkeit für das Umstellungsprojekt von einem professionellen Partnerabgenommen wird und für sie damit nichts mehr schief gehen könne.

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SCHWERPUNKTRISIKEN BEIM EINSATZ VON STANDARDSOFTWARE

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1In einem solchen Pauschalangebot können jedoch im »Kleingedruckten«erhebliche Haken und Ösen verborgen sein! Vor einem Vertragsabschlussmuss sich ein Anwenderunternehmen darüber Klarheit verschaffen! AchtenSie in erster Linie auf diese Kernpunkte eines Pauschalvertrags zur Software-implementierung:

� Welche Tätigkeiten enthält der Festpreisumfang? Welche sind ausdrück-lich ausgenommen? Über welche Punkte ist im Vertragsangebot über-haupt nichts enthalten?

� Für welche Umstellungsarbeiten übernimmt der Anbieter die Ergebnis-verantwortung? Für welche Arbeiten verbleibt sie beim Anwenderunter-nehmen?

� Welcher Umfang der personellen Mitwirkung wird vom Anwender beiEntscheidungen und bei der Arbeitsabwicklung gefordert? Sind wir alsAnwenderunternehmen in der Lage, diese Anforderungen zu erfüllen?

� Welche Infrastrukturen vor Ort muss der Kunde zur Verfügung stellen?

Die größten Risikozonen liegen in Unternehmen mit einer ausgeprägten Fir-menkultur auf dem personellen Sektor! Denn eine Festpreisimplementie-rung erfolgt durch das Dienstleistungsunternehmen so nahe wie möglich anden Standardeinstellungen des Softwarepakets ohne eine zeitaufwändigeBerücksichtigung der Eigenheiten einer gewachsenen Kundenorganisation.Das Ergebnis kann so überraschend ausfallen wie ein vom Schönheitschirur-gen vorgenommenes Facelifting: Vielleicht wird eine rückständige Kunden-organisation durch das Implementierungsprojekt um einen Quantensprungverbessert. Möglicherweise verliert aber das Unternehmen bei einer solchenOperation total sein Gesicht!

Detaillierte Hinweise zur Abwicklung eines Festpreisvertrags einer Software-implementierung erhalten Sie in Kapitel 9: »Die richtige Einführungsstrate-gie für Standardsoftware«.

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11.4 Kennen Sie den aktuellen Softwaremarkt?

Der Markt der Standardsoftware hat eine Größenordnung erreicht, die auchfür einen IT-Profi nur mit Hilfe aktueller Nachschlagewerke überschaubarbleibt.

Integrierte Standardsoftware steht heute in der Hochschätzung der Anwen-derfirmen an erster Stelle. Die meisten Softwarefirmen vertreiben ihre Paketedeshalb gerne unter diesem Label.

Wir weisen in diesem Abschnitt auf die Besonderheiten wesentlicher Markt-segmente der Standard-Anwendungssoftware hin:

� auf integrierte Pakete für alle betriebswirtschaftlichen Anwendungeneines Unternehmens, die unter dem Schlagwort ERP-Software (EnterpriseRessources Planning) angeboten werden

� auf die Firma SAP als bedeutsamsten Softwareanbieter für Konzern- undGroßunternehmen

� auf den breit gefächerten Markt der Branchensoftware

� auf bereichsorientierte Pakete und Stand-alone-Software

Eine schillernde Softwarevielfalt und starke Dynamik weist der Markt typi-scher Trendpakete auf. Zu den Trendthemen gehören gegenwärtig zum Bei-spiel

� Programme für Internet Connections

� Workflow- und Groupware-Software

� Multimediaprodukte

� Data Warehouse-Software

Die Dynamik des Softwaremarkts ist kaum mehr zu überbieten: Nebeninländischen Paketen besteht das Softwareangebot in steigendem Umfangaus Importprodukten. Überarbeitete Altsoftware wird unter anderenNamen angeboten. Es erfolgt eine ständige Weiterentwicklung der Paketedurch neue Releases und Produktversionen, von den systemtechnischenVeränderungen und neuen Hardwareplattformen ganz zu schweigen.

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KENNEN SIE DEN AKTUELLEN SOFTWAREMARKT?

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1Achten Sie darauf, bei neuartigen Softwareprodukten zur Risikominderungnur eine schrittweise Bindung an den Softwarelieferanten vorzunehmen!Besonders wichtig ist eine aufgrund des Pflichtenhefts erstellte funktionaleund softwaretechnische Spezifikation durch den Anbieter. Sie muss ein Pro-totyping der geplanten Prozesse ermöglichen. Der Vertrag muss rechtlich sogestaltet sein, dass bei einem negativen Ausgang der Konzeptionsschritte einproblemloser Ausstieg aus dem Softwarevertrag ohne eine hohe Kostenbelas-tung möglich ist.

1.4.1 Anbieter integrierter Standardsoftware – ERP-Pakete

In IT-Publikationen werden integrierte Pakete der betriebswirtschaftlichenStandardsoftware heute unter dem Begriff »ERP-Software« (Enterprise Res-sources Planning-Software) geführt. Was die Größenordnung der Paketebetrifft, hat dieser Markt eine gewaltige Spannbreite. Sie reicht von Produk-ten, die wertmäßig die Millionengrenze weit überschreiten können, bis zuSoftware, deren Lizenzgebühr im Bereich von 25.000 - 100.000 EUR odersogar noch darunter liegt.

Abbildung 1.2: Firmen- und Produktnamen von ERP-Anbietern verschiedener Größenordnung

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KAPITEL 1 – STANDARDSOFTWARE – STAND UND ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN

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1Zum oberen Marktsegment der ERP-Software gehören meist internationaleUnternehmen. Aktuelle Schwerpunkte im Softwarekorb der ERP-Programmesind das Customer Relationship Management (CRM) und das Supply ChainManagement (SCM). Bei mittleren und kleineren ERP-Systemen ist dieAbgrenzung von Anbietern mit durchgängiger Software und Firmen, die fürbestimmte Anwenderbereiche auf Partner- und Fremdsoftware ausweichenmüssen, zwangsläufig subjektiv. In der Abbildung 1.2 finden Sie eine Tabellebekannter ERP-Firmen und ihrer Produkte.

Trotz der oft hochtrabenden Marketingansprüche kann integrierte ERP-Soft-ware aufgrund ihrer Komplexität nie alle individuellen Kundenwünsche erfül-len. Jedes Paket besitzt neben seinen Stärken auch Schwachstellen. Um einenzusätzlichen Customizing-Aufwand zur Anpassung an die spezifischen Kun-denbedürfnisss kommt kein Unternehmen herum!

Positiv ist zu vermerken, dass ausgereifte Pakete der Standardsoftware durch-aus 90% der vom Kunden geforderten Kernfunktionen abdecken können.Schwierigkeiten ergeben sich immer wieder bei der Anpassung der geliefer-ten Funktionalität an die vom Kunden geforderten Unternehmensprozesse.Durch die kontinuierlichen Rationalisierungsanstrengungen verändern siesich ständig und werden gestrafft. Die vorgefertigten Prozessfolgen der Stan-dardsoftware wirken demgegenüber schwerfällig und veraltet.

Schwachstellen der ERP-Software sind immer wieder im Bereich der System-technik anzutreffen. Im Vordergrund stehen:

� beschränkte Möglichkeiten der Menüanpassung,

� eine unzureichende Ergonomie der Benutzeroberflächen,

� schwerfällige Schnittstellen zu Nachbar- und Folgesystemen und

� starre Formen des angebotenen Berichtswesens.

Durch erforderliche Nachtragsarbeiten können sich Kosten ergeben, welchedie ursprünglichen Lizenzgebühren um ein Mehrfaches überschreiten.

1.4.2 SAP – Spitzenreiter der Softwarebranche

Die Firma SAP AG ist gegenwärtig das weltweit erfolgreichste Unternehmenauf dem Sektor der ERP-Software. Der überwiegende Anteil der deutschenGroßunternehmen ist fest in der Hand der SAP.

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KENNEN SIE DEN AKTUELLEN SOFTWAREMARKT?

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1Schwerpunkt der SAP-Software sind die betriebswirtschaftlichen Anwendun-gen eines Unternehmens. Kernstücke sind die Buchhaltung, Kostenrech-nung, die Materialwirtschaft und das Beschaffungswesen. Hinzu kommenModule für die weiteren Anwendungsbereiche eines Industrie-, Handels- undDienstleistungsunternehmens.

SAP hat besondere Stärken auf den Märkten der Chemie, der Consumer-Pro-dukte und der Elektronik. Diese Fokusbildung wird ständig fortgesetzt. Spe-zialpakete liegen zum Beispiel für den Energiesektor und die öffentliche Ver-waltung vor.

Die Firma hat sich mit einem »Hofstaat« von Partnerfirmen umgeben. DieseSystem- und Beratungspartner nehmen eine Geschäftsprozessanalyse, dieAnpassung der gelieferten Software und die Betreuung der Kunden vor. VielePartnerfirmen haben sich auf branchenorientierte Schwerpunkte undbestimmte Trendthemen spezialisiert.

Die Entscheidung für SAP fällt in einem Unternehmen nach unseren Erfah-rungen meist in der kaufmännischen Chefetage. Der Informatikbereich stehteiner solchen Entscheidung überwiegend positiv gegenüber. Hierbei könnenauch subjektive Gesichtspunkte mitspielen – eine Entscheidung für den SAP-Einsatz stellt für IT-Mitarbeiter oft eine »Lebensversicherung« dar und kannzu einer beträchtlichen persönlichen Wertsteigerung führen.

Die meisten Softwareprodukte der Firma SAP haben einen hohen Komplexi-tätsgrad. Das ergibt sich aus dem gewaltigen Funktionsumfang und der Viel-zahl gegenseitiger Abhängigkeiten dieser Software. Zur Anpassung des Soft-warepakets an die Kundenorganisation sind professionelle Kenntnisse nötig.Hierfür bietet sich SAP oder eine SAP-Partnerfirma an. Das Kundenunter-nehmen muss in ausreichender Zahl Systembetreuer zur Verfügung stellen.Diese sollten neben der üblichen Betreuung auch in der Lage sein, einenReleasewechsel durchzuführen.

Die Einführung von SAP bereitet am wenigsten Aufwand und Probleme,wenn der Kunde auf Modifikationen und Sonderwünsche möglichst ver-zichtet und sich an die Standardprozesse der SAP anlehnt. Dazu muss erallerdings auf seine altgewohnten Organisationsabläufe verzichten undseine Geschäftsprozesse und den Stellenaufbau des Organigramms aufdas Referenzmodell der SAP ausrichten.

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KAPITEL 1 – STANDARDSOFTWARE – STAND UND ZUKUNFTSPERSPEKTIVEN

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1SAP unternimmt beträchtliche Anstrengungen, um stärker als bisher im Mit-telstand Fuß zu fassen. Mit folgenden Strategien will die Firma diesen Markterobern:

� mit voreingestellten Systemen, in die der Kunde einsteigt

� mit Branchensystemen, die zusammen mit Systempartnern angebotenwerden

� mit zugekaufter Standardsoftware

Bei mittelständischen Unternehmen spielt bei der Beschaffung integrierterbetriebswirtschaftlicher Software der Investitionsaufwand eine vorrangigeRolle. Hier liegt eine Achillesferse der SAP-Software. Zu der einmaligenLizenzgebühr kommt der Aufwand für das SAP-Dienstleistungsunterneh-men hinzu. Er kann nach veröffentlichten Erfahrungssätzen wesentlichhöher liegen als die Lizenzgebühr. Die Erweiterungen der Hardwareplatt-form, eine Ausweitung der IT-Abteilung und die Softwarewartungsgebührendürfen ebenfalls im Kalkül nicht fehlen.

Im vergangenen Jahr erwarb SAP ein ERP-System und bietet es unter demNamen Business One am Softwaremarkt an. Es handelt sich um ein Out-of-the-Box-Produkt für kleine und mittlere Unternehmen (Quelle: Information-Week Nr. 7/2003).

Seit einigen Jahren bieten Dienstleistungs-Rechenzentren mittelständischenUnternehmen an, ihre SAP-Anwendungen im Outsourcing zu betreiben undauf diese Weise die laufenden IT-Kosten zu reduzieren. Die Erfahrungen sindgemischt, aber überwiegend positiv.

1.4.3 Branchensoftware – Goldgrube für Nischenanbieter

Ein breites Marktsegment in der Welt der Standardsoftware stellen Branchen-programme dar. Hier tummeln sich viele mittlere und kleinere Software-anbieter. Einige von ihnen entwickelten sich aus einer Pilotanwendung, diesie bei einem Anwenderunternehmen aufbauten. Softwarefirmen für einespezielle Branche oder Anwendergruppe werden oft als Nischenanbieter titu-liert und ihre Programmpakete als Nischensoftware bezeichnet.

Die Zahl der Branchen und Nischen, für die Spezialpakete angeboten werden,ist so groß, dass im periodischen ISIS-Softwarereport [N1] spezielle Katalogefür Branchensoftware angeboten werden. Aus dem breit gefächerten Markt

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KENNEN SIE DEN AKTUELLEN SOFTWAREMARKT?

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1der Branchensoftware greifen wir nur einige Beispiele heraus. Es kann sichum Softwarepakete handeln für

� die Lebensmittelindustrie

� Speditionen

� eine Deponieverwaltung

� Dentallabors

� Ärzte

� Alten- und Pflegeheime

� den Mineralölhandel

� Zeitungs- und Zeitschriftenverlage

Es gibt kaum eine Branche, für die der Branchensoftwaremarkt nichts anzu-bieten hätte. Für einen Interessenten kann es allerdings schwierig sein, dasfür ihn optimale Paket aus dem unübersichtlichen Angebot der Branchensoft-ware herauszufischen! Befragen Sie vor einer Ausschreibung auch IhrenFachverband und andere Firmen Ihrer Branche.

Der Entwicklungsstand, die Angebotsbreite und die Flexibilität der Anpas-sung an die Kundenwünsche sind bei Branchensoftware außerordentlichunterschiedlich! Immer wieder ist anzutreffen, dass sich die angebotene Fer-tigsoftware auf wenige Grundmodule beschränkt. Alle weitergehenden Wün-sche des Anwenders werden von der Softwarefirma kundenspezifisch dazu-programmiert, obwohl die Anforderungen bei anderen Branchenmitgliedernidentisch sind. Der Kunde muss diese Zusatzprogramme teuer bezahlen undgerät dazu voll in die Abhängigkeit des Softwarehauses!

Ein ausgereiftes Branchenpaket lässt sich leichter, schneller und preisgünsti-ger an die individuellen Kundenbedürfnisse anpassen als ein schwerfälligesAllround-Paket. Doch muss es ebenfalls Auswahlalternativen für optionaleFunktionen enthalten und Änderungsmöglichkeiten der Benutzeroberflächeanbieten, wenn solche Unterschiede bei Branchenmitgliedern üblich sind.Hieran mangelt es bei vielen Branchenpaketen!

Der Softwareinteressent einer Branche steht heute häufig vor einer Grund-satzentscheidung zwischen zwei Alternativen:

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1Alternative 1: Beschaffung eines Branchenpakets als Maßanzug mit geringemAnpassungsaufwand und überwiegend niedrigen Gesamtkosten der Investi-tion.

Alternative 2: Einsatz eines Allround-Pakets, zum Beispiel Microsoft Navisionoder SAP R/3.

Mehrere K.O.-Fragen können bei der Softwareevaluation den Ausschlaggeben:

� Größe des Anwenderunternehmens und Einbettung in eine heterogeneKonzernorganisation mit hohen Anforderungen an die Mandantenfähig-keit der Software

� Gesamtpreis des Softwarepakets samt Beratungsumfang, Customizingund permanentem Betreuungsaufwand

� Funktionale, systemtechnische und ergonomische Bewertung der Paketeund Gewährleistung der Weiterentwicklung

Bei mittleren und kleineren Branchenhäusern spielt die Marktsicherheit derSoftwareschmiede während der kommenden Jahre eine entscheidende Rolle.Möglicherweise hängt die ganze Firma an einem einzigen »Macher«, der dasBranchenpaket entwickelt hat und alle Fäden in der Hand hält. Was passiert,wenn er nicht mehr da ist und keine kompetenten Nachfolger hinterlässt?

Als Folge der derzeitigen konjunkturellen Abschwächung ist ein erheblicherTeil mittlerer und kleinerer Branchensoftwareanbieter vom Markt verschwun-den. Andere verfügen nur noch über eine dünne Personaldecke. Dadurch isteine ausreichende Kundenbetreuung und der weitere Ausbau der angebote-nen Standardsoftware nicht mehr gewährleistet.

1.4.4 Standardsoftware für Unternehmensbereiche und Stand-alone-Pakete

Die meisten am Markt angebotenen Softwarepakete sind nicht auf ein ganzesUnternehmen ausgerichtet. Sie umfassen nur ein bestimmtes Anwendungs-gebiet. So gibt es Standardsoftware für

� das Finanz- und Rechnungswesen

� die Logistik und Materialwirtschaft

� die Lohn- und Gehaltsabrechnung

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1� die industrielle Produktionsplanung und -steuerung (PPS)

� CAD / CAM

� Marketing und Vertrieb

� den Instandhaltungs- und Wartungsbereich eines Betriebs

Bereichsbezogene und Stand-alone-Standardsoftware deckt die Aufgaben-komplexe und Prozesse des Anwendungsbereichs ab. Zu Nachbarbereichensollten standardisierte Schnittstellen bestehen.

Softwarekataloge, zum Beispiel die ISIS-Report-Bände der Firma NominaServices [N1], enthalten in übersichtlicher Klassifizierung eine Aufzählungmit Kurzbeschreibung dieser breiten Softwarekategorie.

Vorteile der Stand-alone-Software gegenüber den breit angelegten ERP-Pro-dukten liegen in der Konzentration auf die Problemlösungen einer bestimm-ten Funktion oder eines Bereichs.

Nachteile können sich durch die erforderlichen funktionalen und systemtech-nischen Schnittstellen zu anderen Unternehmensbereichen ergeben.

Der Übergang zwischen durchgängigen ERP-Paketen und bereichsorientier-ter oder Stand-alone-Software ist fließend, sodass eine exakte Abgrenzungnicht möglich ist.

In vielen Fällen dient Funktions- und Bereichssoftware heute zur Abdeckungfehlender oder unzureichend abgedeckter Aufgabenblöcke der von einemUnternehmen eingesetzten durchgängigen ERP-Software.

Typisches Beispiel: PPS-Software

Softwarepakete zur Produktionsplanung und -steuerung (PPS-Software) stel-len in Unternehmen der Fertigungs- und Prozessindustrie das Kernstück derInformatikanwendungen dar.

PPS-Software ist häufig als Kern eines integrierten ERP-Pakets vorzufinden.Doch können PPS-Produkte sich auch auf den Planungs- und Steuerungsbe-reich beschränken. Sie decken in diesem Fall mit Partnersoftware überSchnittstellenlösungen die anderen Anwendungssektoren eines Unterneh-mens, zum Beispiel den Vertriebs- und Abrechnungssektor ab. Schließlichsind spezifische PPS-Lösungen anzutreffen, die in Branchenpakete eingebautsind.

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1Wer ein neues PPS-Paket sucht, findet auf dem Softwaremarkt eine ganzeReihe spezieller PPS-Softwarekataloge und Vergleichsübersichten. Dazugehören

� mehrere Marktstudien mit Softwarevergleichen verschiedener Hochschul-institute

� PPS-Marktspiegel – zum Beispiel des Verlags TÜV Rheinland

� Softwarekataloge für Industriesoftware mit PPS-Übersichten

Diese PPS-Übersichten sind oft ihr Geld nicht wert! Sie zählen meist in tabel-larischer Form die Funktionen, die Brancheneignung und den softwaretech-nischen Background der Pakete auf. Als Quelle benutzen sie Softwarepros-pekte der Anbieterfirmen oder einen von den Anbieterfirmen ausgefülltenFragenkatalog. Manchmal beschränkt sich die Aufzählung sogar auf diePakete von PPS-Anbietern, die bei der Katalogfirma zugleich eine Anzeigeaufgegeben haben.

Aufgrund der hohen Komplexität der PPS-Materie müssen der Erstellungeines PPS-Pflichtenhefts intensive Strategie- und Konzeptionsüberlegungenvorausgehen:

� Erarbeitung der gewünschten PPS-Philosophie und der angestrebten Ziel-setzungen

� Anforderungen an die PPS-Kerngebiete der Erzeugnisplanung, Material-wirtschaft und Werkstattsteuerung

� Überlegungen zur Integration von Konstruktion/CAD, Logistik, Ferti-gungsleitständen und Betriebsdatenerfassung

Die am Softwaremarkt angebotenen PPS-Systeme müssen zusätzlich zu ihrerfachlichen und systemtechnischen Eignung vom Projektteam danach beur-teilt werden, ob die Marktstärke und Zukunftssicherheit der Softwarefirmaund des von ihr vertriebenen Produkts eine zuverlässige Basis für eine lang-fristige Zusammenarbeit bilden.