Alternative Therapien - rainman.at fileLearning Efficiency) n Neurofunktionelle Reorganisation nach...
Transcript of Alternative Therapien - rainman.at fileLearning Efficiency) n Neurofunktionelle Reorganisation nach...
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie,Psychosomatik und Psychotherapie
Ludwig-Maximilians-Universität München
Alternative Therapien
kritisch betrachtet
W. v. Suchodoletz
2. Autismusforum rainman‘s home: Therapie, Behandlung, Interventionam 12. Okt. 2007 in Wien
2
Etablierte Methoden in der Therapie autistischer Störungen
n Heilpädagogische Förderung
n Förderung einzelner Funktionen(Logopädie, Mototherapie, Ergotherapie)
n Verhaltenstherapie
n Medikamentöse Therapie
3
Nachteile etablierte Methoden in der Therapie autistischer Störungen
n Relativ langsam eintretende Erfolge
n Lange Behandlungsdauer
n Von Kindern und Eltern werden erhebliche Anstrengungen erwartet
n Keine Heilung zu erwarten
Deutsches Ärzteblatt 99 (2002) C766
5
Häufig geäußerte Kritik an lerntheoretisch orientierten Verfahren
n Ansetzen am Symptom (Oberflächentherapie)
n Fehlender ganzheitlicher Ansatz
n Fehlende Berücksichtigung von Blockaden
n „Dressur“ der Kinder
6
Alternative Behandlungsmethoden
Sammelbegriff für eine Vielzahl von Methoden, die von ganz unterschiedlichen, wissenschaftlich nicht belegten Konzepten über autistische Störungen und deren Ursache ausgehen.
(unkonventionelle, unorthodoxe, komplementäre)
7
Bewertung alternativer Therapien
90
60
43
75
0 20 40 60 80 100
Ich würde die Behandlung weiterempfehlen
Erfahrung mit alternativen Therapien(chronisch Kranke)
Erfahrung mit alternativen Therapien
Ich würde alternative Verfahrenanwenden, wenn dies bezahlt würde
Prozent der Befragten (n=1685 Erwachsene)
Kahrs et al. 2000
8
Häufigkeit alternativer Therapien bei chronisch kranken Kindern
10
37
53
0 10 20 30 40 50 60
Therapie mit alternativenMethoden
keine alternative Therapie, aberWunsch danach
keine alternative Therapie
Prozent der Befragten
Bode et al. 2000
Angaben von 252 Eltern chronisch kranker Kinder(SPZ und Spezialambulanzen der Univ.-Kinderklinik für Diabetes bzw. Pulmologie)anonyme Befragung mittels Fragebögen: Rücklaufquote: 56,5 %
9
Alternative Methoden
in der Autismus-Therapie
n Training psychischer Grundfunktionen
n Unkonventionelle Kommunikationsmethoden
n Körperorientierte Therapiemethoden
n Alternative Medikamente bzw. Diäten
n Sonstige Verfahren
10Max Planck Forschung 2 (2003) 21
http://bidok.uibk.ac.at/texte/gidoni-italien02.gif
n auditiv
n visuell
n kinästhetisch
n motorisch
n Koordination derHirnhälften
n u.v.a.m.
An der Kommunikation beteiligte Teilleistungen
11Max Planck Forschung 2 (2003) 21
12
Tomatis-Therapie
n Verstärkung schlecht gehörter Frequenzen? Normalisierung der akustischen Wahrnehmung
n Verstärkung hoher Frequenzen? Energieversorgung des Gehirns
? akustische Rückführung in die Hörwelt im Mutterleib
n Rücknahme der Lautstärke links? Erreichen von Rechtsohr-Dominanz
n Wechselnde Übertragung über Knochenleitung? Gymnastik der Mittelohrmuskulatur
Horchtraining mit dem Elektronischen Ohr
13
Auditive Therapieverfahren
ähnlich wie die Tomatis-Therapie, aber variabler in der Methode
Klangtherapie/Hörtrai-ning/Audio-Vokales-Integratives Training/AuditorischesIntegrationstraining (AIT)
Dehnung + Verstärkung der Konsonant/Vokal-Übergänge, Ton- und LauterkennungstrainingFast For Word
Volf-Töne und ResonatorsitzungenSchalltherapie
Training des Hörens mit dem rechten OhrOhrdominanztraining
Verstärkung hoher Frequenzen in Musik bzw. Sprache
Hochton-Training
VorgehenVerfahren
14
Indikationen auditiver Trainingsverfahren- Auszüge aus einem Flyer -
15
Irlen-Therapie
Vermutete Ursache des Autismus: „Skotopic sensitivity syndrom“ als Folge einer Überempfindlichkeit des Auges für bestimmte Farben
Behandlungsmethode: Tragen farbiger Brillen bzw. Haftschalen, welche die „schädliche“ Farben herausfiltern
16
Sensorische Integration nach Jean Ayres
Vermutete Ursache des Autismus: Defizite bei der Körperwahrnehmung(insbes. taktile und propriozeptiv-vestibuläreWahrnehmung)
Behandlungsmethode: Reizzufuhr im Bereich der Körperwahrnehmung(z.B. propriozeptiv-vestibuläre Wahrnehmungsübungen auf der Schaukel)
17
Training der Zusammenarbeit der Hirnhälften
n Dichotisches Hören (Dichotrainer)
n Lateraltraining(auditives Hemisphärenkoordinationstraining)
n Edu-Kinestetik
18
Unkonventionelle Kommunikationsmethoden
n Gestützte Kommunikation(Facilitated Communication, FC)
n Picture Exchange Communication System, PECS
19
Körperorientierte Verfahren
n Craniosacral-Therapie (Osteopathie)
n Spiraldynamik
n HANDLE-Therapie(Holistic Approach to NeuroDevelopment and Learning Efficiency)
n Neurofunktionelle Reorganisation nach Padovan
n Integrative Körpertherapie
20
Weitere Therapieverfahren
n Festhalte-Therapie (Forced Holding)
n Polaritäts-Therapie
n Tierunterstützte Therapien? Hippo-Therapie
? Delphin-Therapie
n Tanztherapie
n Kunsttherapie
n Musiktherapie
21
Alternative Medikamente bzw. Diäten
n Vitamine bzw. Spurenelemente in hoher Dosierung
n Homöopathische Medikamente
n Bachblüten-Therapie
n Diäten (z.B. oligoantigene Diät, Gluten- oder Casein-frei)
22
Literaturhinweis
Waldemar von Suchodoletz (Hrsg.)
Therapie derLese-Rechtschreib-störungTraditionelle und alternative Behandlungsverfahren im Überblick
2. Auflage
Koh
lham
mer
verla
g 2
006
23
Charakteristika alternativer Methoden(nach Schilderungen auf Workshops, Homepages und in Prospekten)
n breite Indikationspalette (Autismus, Lernstörungen, Aufmerksamkeitsstörung, allg. Lebensprobleme...)
n Betonung der Wissenschaftlichkeit
n Einführung neuer spezifischer Begriffe(NLP: Ankern, Normalisieren, Kalibrieren, Reframing)
n Behandlung der Ursache der Störung
n Ganzheitliche Wirkungen
n Auflösen von Blockaden
n Versprechen dramatischer Erfolge in kurzer Zeit
n Versagen der Therapie nur in Ausnahmefällen
24
Vorwürfe an alternative Therapiemethoden
n fehlender Wirksamkeitsnachweis
n Unzugänglichkeit gegenüber rationalen Argumenten
n Nebenwirkungen
? unnützer Verbrauch von Ressourcen der Kinder, Eltern und Gesellschaft
? Wecken falscher Erwartungen
? Unterbleiben sinnvoller Therapien
n Häufig Dominanz von Therapeuteninteressen(finanziell, Anerkennung)
25
Operationalisierung von Wirksamkeit
„Zwar sind für den Nachweis der Sicherheit und Wirksamkeit von Behandlungen zahlreiche statistische Verfahren und Studienpläne entwickelt worden, doch gibt es bis heute weder für die Sicherheit, noch die Wirksamkeit eine befriedigende operationale Definition.“ (Feinstein 1997)
„Die Wirksamkeit einer Therapie kann niemals eindeutig und endgültig bewiesen, sondern allenfalls mehr oder weniger gut durch Beobachtungen belegt werden.“ (Abel & Windeler 1996)
26
Grundprinzipien wissenschaftlich orientierter Therapiekonzepte
n empirische Überprüfbarkeit
n Standardisierung auf der Grundlage von Manualen bzw. Leitlinien
n Qualitätskontrollen
27
Wirksamkeitsnachweise(nach Auffassung von Vertretern alternativer Behandlungsverfahren)
n Überzeugungskraft des Konzeptes
n Erfahrung bei der Behandlung unzähliger Kinder
? hohe Wirksamkeit bei fast allen Behandelten(Die Angaben liegen meist zwischen 70 und 80 %)
? Verbesserung des Symptoms und der gesamten Lebenssituation
? hohe Zufriedenheit der Betroffenen und der Anwender der Verfahren
28
Bewertung des Audio-Vokalen Integrativen Trainings (AVIT) durch Kinder und Eltern
90
70
65
80
93
0 20 40 60 80 100
Ich würde mit meinem Kind erneut an einer AVIT-Therapie teilnehmen
positive Rückmeldungen von Lehrern
zufrieden mit Erfolgen (Kinder)
zufrieden mit Erfolgen (Eltern)
Verbesserung der Problematik der Kinder
Prozent der Befragten (n=75)
Schydlow et al. 2000
Angaben von 75 Eltern und Kindern 3 bis 12 Monate nach einer AVIT-TherapieTherapieanlass: hyperkinetische, autistische oder Lernstörung, Ängste u.a.
29
Wirksamkeitsnachweise(nach Auffassung von Vertretern alternativer Behandlungsverfahren)
n Überzeugungskraft des Konzeptes
n Erfahrung bei der Behandlung unzähliger Kinder? hohe Wirksamkeit bei fast allen Behandelten
(Die Angaben liegen meist zwischen 70 und 80 %)
? Verbesserung des Symptoms und der gesamten Lebenssituation
? hohe Zufriedenheit der Betroffenen und der Anwender der Verfahren
n eindrucksvolle Einzelfallschilderungen gravierender, schnell eintretender Effekte (durch Therapeuten und Betroffene)
30
Fehlermöglichkeiten bei unkontrollierten Wirksamkeitsnachweisen
n Selektive Wahrnehmung erwünschter Effekte durch:� Vorannahmen und subjektive Überzeugungen� Erwartungen und Hoffnungen� Eigeninteressen
n Fehlende Abgrenzung spontaner Veränderungen
n Fehlende Abgrenzung von Effekten anderer Faktoren (z. B. gleichzeitiger Behandlung mit etablierten Methoden)
31
Wissenschaftlich begründete Wirksamkeitsnachweise
n Kontrollierte Studien mit Vergleichsgruppenbzw. Vergleichsbedingungen
n Doppelblinddesign
n Prospektiv angelegt
n Gruppenzuteilung nach dem Zufallsprinzip (Randomisierung)
n Eindeutige Erfolgskriterien
� Auswahl vor Untersuchungsbeginn
� Relevanz
n Offenlegung der Finanzierung der Studie
n ……..
32
Wirksamkeit alternativer Therapieverfahren
n Spezifische Wirksamkeit
? Verbesserung unmittelbar trainierter Fähigkeiten
? keine Transfereffekte auf andere
Entwicklungsbereiche
n Unspezifische Wirkungen
? Plazebo-Effekte
? Kontext-Effekte
33
Gesamtnutzen einer Behandlung
n Wirksamkeit der Methode
n Relevanz von Behandlungserfolgen� Art der Verbesserung
� Ausmaß der Verbesserung
� Zahl der Behandelten mit Verbesserungen
n Verhältnis von Wirkungen und Aufwand
n Verhältnis von positiven und negativen Effekten
n Subjektive Bewertung durch Kinder, Eltern, Therapeuten und Gesellschaft
34
Nutzen einer Therapie
„Wirksame Therapien sind nicht unbedingt nützlich und unwirksame Therapien nicht unbedingt ohne Nutzen.“
(Abel & Windeler 1996)
35
Nutzen alternativer Therapieverfahren
n Verbesserungen von
? emotionaler Befindlichkeit
? Selbstwertgefühl
? sekundär der spezifischen Symptome
n Grad der Verbesserungen
? abhängig vom Ausmaß von Placebo-und Kontext-Effekten
? unabhängig von der Therapiemethode
36
Hypothesen für die hohe Akzeptanz alternativer Methoden
n Anbieterseite? Geschicktes Marketing
? „Dr.-Fox-Effekt“
n Nutzerseite? Bedürfnis nach einer verständlichen Erklärung
? Verdrängung der Schwere der Behinderung
? Wille, an Heilungsmöglichkeit zu glauben
? Niedriges Bildungsniveau
37
Gründe für die Zufriedenheit mit alternativer Methoden
n Erhaltene Zuwendung
n Gefühl, ernst genommen zu werden
n Unabhängigkeit von Experten
n „Ganzheitliches“ Vorgehen (Berücksichtigung des psychosozialen Hintergrunds)
n Zufriedenheit auch bei ausgebliebener Besserung
n Besonders aufgeschlossen:Jüngere, höher Gebildete, besser Verdienende
(Befragungsergebnis bei chronisch Kranken von Kahrs et al. 2000)
38
Vorteile alternativer Methoden
n Zufriedenheit durch Übereinstimmung der eigenen Auffassungen mit dem Therapiekonzept
n Erklärung, die eher dem Wunschbild vom Kind entspricht
n Sicherheit durch eine leicht verständliche Erklärung aller Schwierigkeiten des Kindes und Ableitung eines plausiblen Behandlungsangebots
n Hoffnung durch uneingeschränkten Optimismus des Therapeuten
n Entlastung von Schuldgefühlen durch Nutzung aller Hilfsmöglichkeiten
39
Fünf Regeln zur Bewertung einer Therapiemethode
1. Wirksamkeit bei vielen Störungsbildern
2. Schnelle und tiefgreifende Erfolge
3. Einfache Erklärungsmodelle
4. Behandlung einer Basisstörung anstelle des Symptoms
5. Alleinige Behandlung des Kindes ohne Einbeziehung von Familie und Betreuungseinrichtung
(nach J. Streif)
40
Grundprinzipien effektiver Therapieprogramme
n Training alltagsrelevanter (Teil)Fertigkeiten
n Vermittlung von Kommunikationsstrategien
n Erhöhung der emotionalen Stabilität und des
Selbstwertgefühl
n Einbeziehung von Elternhaus und anderer
wichtiger Bezugspersonen
41
Literaturhinweise
Waldemar von Suchodoletz (Hrsg.)
Prävention vonEntwicklungs-störungen
Hogrefe
2007
Waldemar von Suchodoletz (Hrsg.)
Welche Chancen haben Kinder mitEntwicklungs-störungen?
Hogrefe
2004
Waldemar von Suchodoletz (Hrsg.)
Früherkennung von Entwicklungs-störungen
Hogrefe
2005
Was wird aus Kindern mit einem Autismus und
wovon hängt dies ab?
Wie und ab welchem Alter lässt sich eine autistische
Störung erkennen?
Lässt sich das Auftreten einer autistischen Störung
vermeiden?