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D-A-CH- Tagung 2005 in Köln, organisiert von der DGEB in Zusammenarbeit mit der OGE und der SGEB D-A-CH- Conference 2005 in Cologne, organized by the DGEB in co-operation with the OGE and the SGEB Aktuelle Themen des Erdbebeningenieurwesens und der Baudynamik Current topics in earthquake engineering and structural dynamics K. Meskouris I Chr. Butenweg I K.G. Hinzen (Hrsg.) Aachen 2005

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D-A-CH- Tagung 2005 in Köln, organisiert von der DGEB

in Zusammenarbeit mit der OGE und der SGEB

D-A-CH- Conference 2005 in Cologne, organized by the DGEB

in co-operation with the OGE and the SGEB

Aktuelle Themen des Erdbebeningenieurwesens und der Baudynamik

Current topics in earthquake engineering and structural dynamics

K. Meskouris I Chr. Butenweg I K.G. Hinzen (Hrsg.) Aachen 2005

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Druckerei Klinkenberg, Aachen

Telefon 02 41 I 53 39 38

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Vorwort

Unsere D-A-CH- Tagung am 22. und 23. September 2005 in Köln steht in der Tradition der alle drei Jahre von den Schwestergesellschaften DGEB, OGE und SGEB veranstalteten Treffen zu Themen des Erdbebeningenieurwesens und der Baudynamik. Gastgeber ist diesmal die Universität zu Köln, mit Privatdozent Dr. Klaus-G. Hinzen, Leiter der Abteilung Erdbebengeologie des Instituts für Geologie und Mineralogie und der Erdbebenstation Bensberg der Universität zu Köln als örtlichem Organisator. Im Programm der D-A-CH­Tagung 2005 stehen Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik gleichberechtigt neben­einander, wobei sich die jüngsten Entwicklungen auf beiden Gebieten, die zum Teil auch in neuen und aktualisierten Vorschriften bereits ihren Niederschlag fanden, im breiten Spektrum der vorzutragenden und in diesem Tagungsband zusammengestellten Beiträge widerspiegeln. Bezüglich Erdbeben spannt sich der Bogen vom Bodenverstärkungsmodell der südlichen Niederrheinischen Bucht und der Angabe ingenieurseismologischer Parameter für Standorte von Zwischenlagern an deutschen Kernkraftwerken bis hin zu Fragen der numerischen Simulation von unterirdischen V ersorgungsleitungen, des seismischen Verhaltens von Mauerwerk und der Vulnerabilität von Baudenkmälern in der Schweiz. Auf baudynamischer Seite reichen die Themen vom V erhalten von Lärmschutzwänden an Bundesbahn­Schnellbaustrecken über Einsatzmöglichkeiten von Reibungsdämpfern und Schwingungs­tilgern und der Untersuchung des Brückenverhaltens bei Zugüberfahrten bis hin zu dynamisch beanspruchten Tribünenplatten und der Auslegung von Hochbauten im Bereich chemischer Anlagen gegen Explosionsdrücke. Die Veranstalter geben der Hoffnung Ausdruck, dass bei der vorliegenden, nicht zuletzt an den Bedürfnissen der Praxis orientierten Palette von Beiträgen, für jede(n) Tagungsteilnehmer(in) etwas Interessantes dabei ist. Sollten Sie noch nicht Mitglied einer unserer Gesellschaften sein, dürfen wir Sie höflich auf die entsprechen­den Internetseiten

http://www.dgeb.org http://www.oge.or.at http://www.sgeb.ch

aufmerksam machen, in der Hoffnung, dass Sie vielleicht doch eme Mitgliedschaft m Betracht ziehen!

Konstantin Meskonris (DGEB-Vorsitzender) I Klaus-G. Hinzen (Örtlicher Organisator)

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Inhaltsverzeichnis

Sitzung Erdbeben I

Neues Bodenverstärkungsmodell der südlichen Niederrheinischen Bucht (B. Weber und K.-G. Hinzen) Fuzzy-Verfahren zur Klassifizierung des seismischen Schadenspotentials (A. Elenas, I. Tsiftzis und I. Andreadis) Schädigungsindikatoren zur Vulnerabilitätseinstufung seismisch beanspruchter Trag­werke (R. Harte und WB. Krätzig) Seismic vulnerability of cultural heritage buildings in Switzerland (M Devaux und P. Lestuzzi) V ersuche zum Verformungsverhalten gering bewehrter Stahlbetonwände unter statisch­zyklischen Einwirkungen (C. Greifenhagen und P. Lestuzzi)

Sitzung Baudynamik I

Der Einfluss von Schwingungstilgern auf die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken (P. Nawrotzki und F. Dalrner) Simulations-Studie zum optimierten Einsatz von Reibungsdämpfern in seismisch erregten Konstruktion (L. Vasiliadis und A. Elenas) Zur Auslegung von Hochbauten im Bereich chemischer Anlagen gegen Explosions­drücke (U. Weitkernper und J. Ockert) Optimierung von Tribünenplatten unter dynamischer Beanspruchung (D. Kuh/mann, W Roeser und J. Lingemann)

Sitzung Erdbeben II

SIA 2018 -Überprüfung bestehender Gebäude bezüglich Erdbeben (T. Wenk) Seismisches Verhalten von Mauerwerksbauten (M Mist/er) Nachträgliche Verstärkung von Mauerwerk für Erdbebenlasten (C. Wallner und L. Sternpniewski) Ingenieurseismologische Parameter für Standorte von Zwischenlagern an deutschen Kernkraftwerken (G. Leydecker, T. Schrnitt, H Busche und Th. Schaejer) Numerische Simulation unterirdischer Versorgungsleitungen unter Erdbebenein­wirkung (R. Borsutzky und L. Lehmann) Der Schiefe Turm von Köln - im Erdbebenfall ein Sicherheitsrisiko? (W Kuh/mann und M Mist/er)

Sitzung Baudynamik II

Lärmschutzwände an Schnellbaustrecken: Dynamische Probleme und Lösungsansätze aus der Praxis (H Sadegh-Azar und H-G. Hartmann) Experimentelle Untersuchung und FE-Modeliierung der Brücke R3 im Hinblick auf die max. Beschleunigungen bei Zugüberfahrten (R. Flesch und S. Deix) Schwingungsanforderungen in der Nanotechnik (D. Heiland und K.-H Beyer) Die Übertragungsfaktoren (0. Klingmüller) Zerstörungsfreie Ermittlung der Steiflgkeiten einer Brettsperrholzplatte (D. Gsell, G. Feltrin und M Motavalli)

V

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Neues Bodenverstärkungsmodell der südlichen Niederrheinischen Bucht

B. Weber 1 und K.-G. Hinzen 1

1 Abteilung Erdbebengeologie, Universität zu Köln

1 EINLEITUNG

Die Niederrheinische Bucht (NB) ist eine der tekto­nisch aktivsten Regionen in Deutschland. ln histori­scher Zeit traten hier immer wieder Schadensbeben mit lntensitäten VII-VIII auf. Aber auch in den letzten Jahrzehnten kam es zu stärkeren Erdbeben, die klei­nere Gebäudeschäden vor allem in der südlichen und westlichen Niederrheinischen Bucht verursachten. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Mikrozo­nierung der NB, um die seismische Gefährdung und das daraus resultierende Risiko besser abschätzen zu können. Ziel dieses Projektes der Abteilung für Erd­bebengeologie der Universität zu Köln ist es, den Einfluss der lokalen Geologie auf Amplitude, Fre­quenzinhalt und Dauer der durch Erdbeben verur­sachten Bodenbewegung zu untersuchen. Von be­sonderem Interesse ist dabei der Einfluß nichtlinearen Materialverhaltens der Lockersedimente. Einem neuen 3D-Modell der Sedimente der NB wer­den virtuelle Bohrlöcher entnommen und den litholo­gischen Einheiten werden bodendynamische Kenn­werte zugeordnet. Diese Daten dienen zur Berech­nung der seismischen Antwort eines Systems homo­gener, visco-elastischer, horizontaler Schichten, das von vertikal einfallenden Scherwellen durchlaufen wird. Weiterhin werden frequenzabhängige Boden­beschleunigungen bei Anregung durch Erdbeben mit unterschiedlicher Eintrittswahrscheinlichkeit ermittelt.

2 GEOPHYSIKALISCHES MODELL

2.1 Geologisches 3D-Modell der südlichen Nie­derrheinischen Bucht

Der Aufbau des geologischen Untergrundes hat einen großen Einfluss auf die spektralen Eigenschaften der durch Erdbeben verursachten Bodenerschütterungen. Um diese Standorteffekte flächendeckend für den Raum der südlichen NB zu berechnen und zu kartie­ren, wurde zunächst ein geologischee 3D-Modell der Lockersedimente erstellt. Dies ermöglicht für jeden

beliebigen Standort innerhalb des Modells den geolo­gischen Untergrund als 1 D Modell zu extrahieren.

2. 1. 1 Entwicklung des geologischen 3D-Modells

Zunächst mussten für den südlichen Raum der NB die geologischen Untergrundsdaten erhoben werden. Breddin hat in den 50er Jahren ein Hydrogeo­logisches Kartenwerk im Auftrag des Wasserwirt­schaftsdezernats der Regierung Aachen und des Wasserwirtschaftsdezernats der Landesregierung NRW erstellt. Einschließlich des Aachener Bezirks umfasst das Kartenwerk etwa 35 Messtischblätter. Es wurde so angelegt, dass in der Ausführung A3 eine Beurteilung der Auswirkungen der damals geplanten großen Braunkohlentieftagebaue auf die Grundwas­serverhältnisse in deren Umgebung möglich wird. Die Ausführung A3 besteht aus Profilen mit einer Tiefe bis zu mehreren 100 m in einem Abstand von 2 km. Die Ausführung A 1 besteht aus flacheren Profilen mit maximal 100 m Tiefe, die einen Abstand von 1 km haben. Diese Ausführung wird mit einigen Über­arbeitungen vom Geologischen Dienst Nordrhein­Westfalen (GD NRW) als Hydrogeologische Karte herausgegeben. Die A3-Profile des Hydrogeo­logischen Kartenwerks wurden von der RWTH­Aachen zur Verfügung gestellt und dienen hier als Grundlage für das geologische Modell (Abb. 1 ). Wei­tere Informationen für das Modell liefern die zahlrei­chen Wasserpegelbohrungen und Tiefbohrungen sowie geologische Profile der RWE Power AG, die oft sogar bis in den Festgesteinsuntergrund reichen. Das gilt auch im Bereich der Erft-Scholle, mit bis zu 1300 m mächtigen Sedimenten. Zusätzlich wurden Bohrun­gen aus dem Datenbestand des GD NRW verwendet. RWE Power stellte eine detaillierte Karte der Störun­gen für den Bereich der Niederrheinischen Bucht zur Verfügung. Als digitales Höhenmodell wurden korri­gierte Höhendaten der Shuttle Radar Topography Mission (SRTM) der NASA verwendet.

1

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Neues Bodenverstärkungsmodell der südlichen Niederrheinischen Bucht

Für das 3D-Modell wurden die digitalisierten Profilli­nien des Hydrogeologischen Kartenwerkes in den tieferen Bereichen erweitert und anhand der anderen

Abb. 1: Gebiet des 3D-Modells (GSI3D). Die weißen Li­nien zeigen die Störungen im Gebiet, die farbigen Linien stellen geologische Profile dar.

Abb. 2: Perspektivischer Blick auf das geologische Modell. Der Abstand der Profile beträgt 2 km.

zur Verfügung stehenden Informationen wie Bohrun­gen, Störungskarten und geologischen Profilen, über­arbeitet. Die Erstellung und Bearbeitung dieses Mo­dells wurde mit dem Programm GSI3D von Sobisch (INSIGHT Geological Software Systems GmbH) um­gesetzt (Abb.2 und 3).

2.2 Bodendynamische Parameter

2.2. 1 Scherwellengeschwindigkeit

Die Scherwellengeschwindigkeit ist ein wichtiger bo­dendynamischer Parameter in bezug auf die Bestim­mung von Standorteffekten. Sie verknüpft die Geolo­gie mit den seismischen Untergrundeigenschaften. Die Abnahme der Scherwellengeschwindigkeit in den oberen Lockersedimentschichten führt oft zu einer Erhöhung der Partikelgeschwindigkeit der Transver­salwellen.

2

Budny (1984) hat die Abhängigkeit der Scherwellen­geschwindigkeit von der Lagerungstiefe in Locker­sedimenten anhand von Bohrlochessungen an 36 Standorten in der NB untersucht. Auch die Geschwin­digkeiten für mehrere Festgesteine wurden ermittelt. Aus den gemessenen Scherwellengeschwindigkeiten wurden generalisierte Geschwindig­keitstiefenbeziehungen für unterschiedliche Sedimen­te erstellt. Hierbei wurde sowohl nach Sedimenttyp als auch nach Alter der Sedimente unterschieden. Die Geschwindigkeitstiefenbeziehungen lassen sich in einfachen Exponentialgleichungen der Form in Glei­chung (1) ausdrücken.

A= Bezugsgeschwindigkeit an der Oberfläche Z= Lagerungstiefe

(1)

B= Exponent zur Bezeichnung der Tiefenabhängigkeit Vs= Scherwellengeschwindigkeit

Für die einzelnen Materialien wurden nach Gleichung (1) Geschwindigkeitstiefenfunktionen für Fallunter­scheidungen nach Lithologie und Stratigraphie erstellt.

Abb. 3: Beispiel eines geologischen Einzelprofils aus dem 3D-Modell der südlichen NB. Von Ost nach West zeigt es die Kölner-Scholle, das Erft-Sprung­System, die Erft-Scholle und das Rurrand­System. Die schwarzen Pfeile geben die Positio­nen virtueller Bohrlöcher an.

2.2.2 Dichte

Die Dichte ist eine weitere wichtige Größe in bezug auf Standorteffekte. Pollak und Rapoport haben in Schön (1983) eine allgemeine Dichtetiefenbeziehung aufgestellt:

p = A + B·ln(Z) (2)

p =Dichte A = Dichte an der Oberfläche

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Neues Bodenverstärkungsmodell der südlichen Niederrheinischen Bucht

Z = Lagerungstiefe B = Faktor zur Bezeichnung der Tiefenabhängigkeit

Aus den Dichtemessungen von Budny ( 1984) wurden alters- und materialspezifische Dichte-Tiefe-Beziehun­gen nach Gleichung (2) unterschieden nach Alter und Material für die NB erstellt.

2.2.3 Schermodul und Dämpfung

Zur Berücksichtigung nichtlinearen Materialverhaltens wurde die Abhängigkeit des Schermoduls und der Dämpfung von der Scherdehnung nach empirischen Beziehungen von Seed und ldriss (1970) festgelegt.

3 NUMERISCHE MODELLIERUNG

Die numerische Modeliierung erfolgte mit einer ,ran­domisierten' Version des Programms Shake91 (Sha­ke2004 ). Dafür wurden aus dem geologischen Modell an ca. 650 Standorten die Bodenprofile virtueller Bohrlöcher extrahiert. Für jedes Bohrloch wurden 200 Einzelmodelle im Streubereich der Eingangsparame­ter ermittelt und die Standorteffekte berechnet. Aus den Ergebnissen wurden dann die Medianwerte und die 16%- und 84%-Fraktile für die Übertragungsfunk­tion und die frequenzabhängigen Bodenbeschleuni­gungen für den jeweilige Standort berechnet. Als An­regung wurden Erdbeben mit unterschiedlichen Ein­trittswahrscheinlichkeilen verwendet.

3.1 Shake2004

Shake2004 ist eine Erweiterung des Programms Sha-. ke91. Das Programm Shake91 basiert auf Arbeiten von Schnabel et al. (1972) und ldris und Sun (1992). Shake91 berechnet die seismische Antwort eines Systems homogener, visco-elastischer, horizontal gelagerter Schichten, das durch vertikal propagieren­de Scherwellen angeregt wird. Grundlage des Pro­gramms ist die vollständige Lösung der Wellenglei­chung mit Hilfe der Fourieranalyse. Die erweiterten Funktionen von SHAKE2004 um­fassen zum einem die Erhöhung der maximalen mög­lichen Zahl von Schichten von 50 auf 150. Diese Än­derung war aufgrund der großen Sedimentmächtigkeit und der Komplexität des geologischen Untergrundes im Untersuchungsgebiet notwendig. Weiterhin wurde das Programm so umgeändert, dass es mit Ein- und Ausgangsdaten in SI-Einheiten arbeitet. Außerdem wurde eine Automatisierung der Berechnung imple­mentiert. Ein externes Programm erstellt mehrere

Input-Files für ein Bodenprofil mit variierenden boden­dynamischen Parametern (in einem festgelegten Schwankungsbereich) und ruft für jede Variation eine eigene Berechnung auf. Anschließend erfolgt eine statistische Auswertung der Ergebnisse. Für die er­rechneten Transferfunktionen werden Minimum, Ma­ximum, Median, Mean und festlegbare Fraktilen der Grundresonanzfrequenzen und Oberschwingungen, als auch der jeweils zugehörigen Verstärkungen er­mittelt. Aus den berechneten Bodenantwortspektren werden ebenfalls Minimum, Maximum, Median, Mean und festlegbare Fraktilen für die frequenzabhängigen Beschleunigungen, Geschwindigkeiten bzw. Ver­schiebungen berechnet. Dies ermöglicht die Untersu­chung des Einflusses der Unsicherheiten in der Kenntnis der bodendynamischer Parameter auf die Standorteffekte.

3.2 Variation der Parameter

Die Scherwellengeschwindigkeit und Dichte wurden um die in Abschnitt 2.2 erwähnten Geschwindigkeits­tiefen- und Dichtetiefenbeziehungen für die einzelnen Materialien innerhalb eines Zer-Streubereichs Gauss­verteilt variiert (Abb. 4 ).

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Abb. 4:

,. ,. Depth [m] Depth[m]

Die roten Kreuze markieren von Budny (1984) gemessene Geschwindigkeits· und Dichtewerte (Beispiel Sand). Die roten Linien zeigen die empi· rischen Geschwindigkeits· und Dichtetiefen· beziehungen. Das graue Band gibt den 2cr· Bereich in dem die Geschwindigkeiten und Dich· ten der Einzelmodelle variiert werden an.

Für die unterschiedlichen Materialien wurden darüber hinaus auch die empirischen Beziehungen zwischen Schermodul bzw. Dämpfung und der Scherdehnung variiert und zwar innerhalb der Kurven für die unter­schiedlichen Zusammensetzungen des jeweiligen Materials. Zum Beispiel werden die zufallsgenerierten Kurven für Sand durch die Kurven von tonigem und kiesigem Sand begrenzt (Abb. 5).

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Neues Bodenverstärkungsmodell der südlichen Niederrheinischen Bucht

Aus den Übertragungsfunktionen von den jeweils 200 4 ERGEBNISSE Berechnungen mit den oben beschriebenen Vari-

ationen wurde der Medianwert, der Mittelwert, die 4.1 Grundresonanzfrequenz und Verstärkung

0.01 0.1 sh<..-slr.in!')l]

Abb. 5: Schermodul und Dämpfungskurven für tonigen Sand, Sand und kiesigen Sand. Das graue Band definiert den Bereich der zufallsgenerierten Kur-ven.

16%- und 84%-Fraktilen, sowie das Minimum und Maximum für die Grundresonanzfrequenz und die

0.01

0.001

0.01

Vors!;lrkung

Darstellung von 10 der 200 berechneten Transferfunktionen mit variierenden Parametern

rTrlHI ______ r-·r r 11 111[ ·r-rTT1TT~---,--,rTTTI]

0.1 1 10 100 Frequen~ (Hz)

Abb.6: Bestimmung der Medianwerte, Minimum und Maxi­mum der Grundresonanzfrequenz und der Ampli­tude am Beispiel von 10 Transferfunktionen für streuende bodendynamischen Parameter.

zugehörige Verstärkung ermittelt (Abb.6). So kann aus den jeweils 200 resultierenden Werten für die Grundresonanzfrequenz und die zugehörige Verstär­kung der Schwankungsbereich, der sich aus den Pa­rametervariationen ergibt, bestimmt werden. Im Ge­gensatz zur einfachen Mittelung der Transferfunktion und dem Ablesen der resultierenden Grund­resonanzfrequenz und Verstärkung erhält man aus­sagekräftige Ergebnisse, die den Einfluss der Unsi­cherheiten in den Parametern wiederspiegeln.

4

ln Abbildung 7 sind die Grundresonanzfrequenzen für den Bereich der südlichen Niederrheinischen Bucht für Erdbeben mit Eintrittswahrscheinlichkeilen von 10% und 2% in 50 Jahren dargestellt. Die Anregun­gen basieren auf einem einfachen Modell von Hinzen et al. (2000). ln beiden Fällen sind die Grundresonanzfrequenzen nahezu gleich und korrelieren, wie zu erwarten, mit den Gesamtsedimentmächtigkeiten. Bei den größten Sedimenttiefen westlich des Erftsprunges, mit· Werten von bis zu 1300 m, liegen die Grundresonanzfre­quenzen zwischen 0.1 und 0.2 Hz und nehmen dann im Großraum Köln, mit Sedimentmächtigkeilen von bis zu 400 m, auf 0.8 bis 1 Hz zu. Am Rand der NB, wo sehr geringen Sedimentmächtigkeilen auftreten, steigen sie auf bis zu 1 0 Hz. Generell nehmen die Grundresonanzfrequenzen mit abnehmender Sedi­mentmächtigkeit zu und erreichen bei Sedi­mentmächtigkeilen unter 200 m den bauwerks­relevanten Bereich zwischen 1 und 10 Hz.

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Abb. 7: Medianwerte der Grundresonanzfrequenz in Hz aus jeweils 200 Rechnungen für Beben mit 10% (oben) bzw. 2% (unten) Eintrittswahr­scheinlichkeit in 50 Jahren. Die schwarzen Iso­linien sind die Sedimentmächtigkeilen in m. Grauen Kreuze zeigen die Lage der virtuellen Bohrlöcher.

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Neues Bodenverstärkungsmodell der südlichen Niederrheinischen Bucht

Die zu den Medianen der Grundresonanzfrequenz gehörigen Mediane der Bodenverstärkung für die beiden verwendeten Eintrittswahrscheinlichkeilen sind in Abbildung 8 dargestellt. Die Verstärkungswerte bei der hohen Eintrittswahrscheinlichkeit betragen im östlichen Bereich der Erft-Scholle, sowie im tiefsten Bereich der Kölner-Schalle mit Sedimentmächtig­keilen bis 400 m, zwischen 3.5 und 4.0. Zum Rand des Beckens hin nehmen die Verstärkungen bis zum Faktor 10 zu. Die Verstärkungen bei Anregung mit den stärkeren Erdbeben der niedrigeren Eintrittswahr­scheinlichkeit zeigen auch eine Zunahme der Verstär­kungen bei abnehmender Sedimentmächtigkeit Die Verstärkung beträgt in den tieferen Teilen der Erft-

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Abb. 8: Die beiden Grafiken stellen die zu den Medianen der Grundresonanzfrequ<mz gehörigen Mediane der Verstärkung dar. Die obere Grafik zeigt die Verstärkungen für 475 Jahre, die untere für 2475 Jahre. Die grauen Kreuze zeigen die virtuellen Bohrlöcher an.

Scholle und in weiten Teilen der Kölner-Schalle wie­der zwischen 3.5 und 4.0. Generell nehmen die Ver­stärkungen mit abnehmenden Sedimentmächtigkeilen zu. Im Unterschied zu den Grundresonanzfrequenzen sind sie jedoch wesentlich stärker abhängig von den lokalen Untergrundeigenschaften. So zeigen sich auf der Kölner-Schalle ähnliche Ver­stärkungen wie auf der östlichen Erft-Scholle, obwohl die Unterschiede in der Sedimentmächtigkeit bis zu 900 m betragen. Einflußreich sind hier die mächtigen Braunkohleflöze, die in den Tiefen Bereichen der Erft-

Scholle noch existieren, während sie in der Kölner­Schalle abgebaut oder gar nicht abgelagert wurden. Im Vergleich zu der Anregung mit den schwächeren Beben zeigt sich generell eine Abnahme der Verstär­kungen. So hat sich die Fläche der Verstärkungen zwischen 3.5 und 4.0 vergrößert und auch zum Rand hin treten niedrigere Verstärkungen auf. Diese gene­relle Abnahme der Verstärkungen lässt sich auf die berücksichtigten nichtlinearen Effekte zurückführen. Insbesondere die Zunahme der Dämpfung bei größe­ren Scherdeformationen wirkt sich hier aus.

4.2 Frequenzabhängige Bodenbeschleunigung

Für die Anregung durch Erdbeben der 10% und 2% Eintrittswahrscheinlichkeit in 50 Jahren wurden auch Standortantwortspektren berechnet. in Abbildung 9 sind die Median- und 84%-Fraktilenwerte der Be­schleunigung aus jeweils 200 Bodenantwortspektren für eine Frequenz von 2.5 Hz bei Anregung mit Beben der hohen Eintrittswahrscheinlichkeit kartiert. Dabei treten Bereiche mit niedrigen Beschleuni­gungen kleiner als 0.4 m/s2 bei 2.5 Hz auf, wie zum Beispiel auf den mächtigen Sedimenten der Erft- und Rur-Scholle und östlich von Köln. in den Bereichen mit den mächtigen Sedimenten machen sich z.T. bei 2.5 Hz schon Dämpfungen bemerkbar. Östlich von Köln, ist die Distanz zu den nächstliegenden mögli­chen Herdquellen im verwendeten Modell relativ groß. Beschleunigungen von 2 m/s2

, z.B. im südwestlichen Teil der NB, treten bei relativ geringen Sediment­mächtigkeiten und geringer Distanz zu möglichen Herdquellen auf. Die höchsten spektralen Beschleuni­gungen liegen um 2.2 m/s2 im Raum Aachen. Die Werte für die 84%-Fraktile liegen hier bei 2.5 m/s2

.

Abbildung 10 zeigt die Mediane und 84%-Fraktilen aus jeweils 200 Bodenantwortspektren für die Fre­quenz 2.5 Hz und eine Anregung mit Beben der Ein­trittswahrscheinlichkeit von 2% in 50 Jahren Die höchsten Beschleunigungen liegen bei den Median­werten um 5 m/s2 und bei den 84%-Fraktilen bei fast 6 m/s2 Neben dem Raum Aachen, tritt hier auch der Bereich mit geringen Sedimentmächtigkeiten, nordöst­lich von Bann, mit Beschleunigungen um 4 m/s2 bei den Medianwerten und bis zu 4.8 m/s2 bei den 84%­Fraktilen hervor.

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Neues Bodenverstärkungsmodell der südlichen Niederrheinischen Bucht

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Abb. 9: Median (oben) und 84%-Fraktile (unten) der Be­schleunigungen aus Antwortspektren für 2.5 Hz und eine 10% Eintrittswahrscheinlichkeit in 50 Jah­ren. Die schwarzen Isolinien zeigen die Sedi­mentmächtigkeit

5 AUSBLICK

Durch die Kombination der digitalisierten und überar­beiteten Profile aus den Breddin'schen Karten und den zahlreichen Bohrlochdaten konnte ein Modell der Lockersedimente der südlichen Niederrheinischen

Bucht mit bisher nicht erreichter Auflösung erstellt werden. Die flexible Verknüpfung mit bodendynami­schen Parametern gestattet es bei Ergebnissen neuer Messungen das Modell schnell zu aktualisieren. Bis­

her wurden für die Anregung nur die Ergebnisse eines einfachen, vorläufigen Gefährdungsmodells verwen­det, so dass die hier gezeigten Ergebnisse nicht als neue Gefährdungskarten verstanden werden sollten

sondern vielmehr einen Test der Modeliierung der Standorteffekte darstellen. Weitere geplante Arbeiten

sind:

6

• Vergleich der berechneten Transferfunktionen mit Ergebnissen anderer Studien.

• Vergleich der Ergebnisse mit den Messungen des Erdbebens bei Alsdorf am 22.07.2002 mit ei­

ner Magnitude von 4.9. • Vergleich der Ergebnisse mit den Bemessungs­

spektren der DIN4149(neu). • Kombination des Verstärkungsmodells mit einem

in Arbeit befindlichen GefährdungsmodelL

6

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Abb. 10: Median (oben) und 84%-Fraktile (unten) der Be­schleunigungen aus Antwortspektren für 2.5 Hz und eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 2% in 50 Jahren. Die schwarzen Isolinien zeigen die Se­dimentmächtigkeit. Die grauen Kreuze zeigen die virtuellen Bohrlöcher an.

LITERATUR

Budny, M. (1984). Seismische Bestimmung der boden­dynamischen Kennwerte von oberflächennahen Schichten in Erdbebengebieten der Niederrheinischen Bucht und ihre ingenieurseismologische Anwendung. Geol. lnst. D. Uni. Köln, Sonderveröff. 57; Köln,

Breddin, H. (1960). Hydrogeologisches Kartenwerk von Nordrhein-Westfalen -Ausführung A3. Aachen

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Fuzzy-Verfahren zur Klassifizierung des seismischen Schadenspotentials

Anaxagoras Elenas 1, loannis Tsiftzis2 und loannis Andreadis2

1Lehrstuhl für Baustatik und Baudynamik, Demokritus-Universität von Thrakien, Xanthi, Griechenland 2Lehrstuhl für Elektronik, Demokritus-Universität von Thrakien, Xanthi, Griechenland

ZUSAMMENFASSUNG

Der vorliegende Beitrag präsentiert unterschiedliche Fuzzy-Verfahren zur Klassifizierung des Schadenspo­tentials seismischer Akzelerogramme. Die erste Me­thode benutzt einen Mustererkennungs-Algorithmus zur Einteilung der Akzelerogramme in den vier Scha­densklassen (gering, mittel, groß, total). Beim zweiten Verfahren ist das seismische Zeit-Beschleunigungs­Diagramm ersetzt durch dessen Intensitäts-Parame­ter. Diese sind vorweg computerunterstützt zu be­rechnen. Es folgt die Bearbeitung des Parameter­Diagramms nach der Vorgehensweise des ersten Fuzzy-Verfahrens. Im dritten Verfahren erfolgt die Fuzzyfizierung der Intensitäts-Parameter durch geeig­nete Zugehörigkeitsfunktionen, die die Fuzzy-Mengen der Schadensklassen repräsentieren. Deren Position basiert auf einer Trainingsmenge von Akzelerogram­men mit bekanntem SchadenspotentiaL Jeder Para­meter ist verknüpft mit einer Zugehörigkeitsfunktion pro Fuzzy-Menge, welche die Ähnlichkeit zur spezifi­schen Menge ausdrückt und damit auch zur entspre­chenden Schadensklasse. Abschließend ist der Mit­telwert der Zugehörigkeitsfunktionen für die einzelnen Schadensklassen zu berechnen und deren Maximal­wert indiziert die Klasse, der das Akzelerogramm zu­gehört.

Die drei vorgestellten Verfahren sind auf einen Stahlbetonrahmen angewandt. Für die nichtlinearen dynamischen Berechnungen wurden 400 natürliche Akzelerogramme verwendet. Die maximale normierte relative Stockwerksverschiebung diente als globaler Schadensindikator. Zwanzig seismische Intensitäts­Parameter kommen in der Berechnung zur Anwen­dung. Die Ergebnisse zeigen bei der Schadensklassi­fikation nach dem ersten Verfahren eine Fehlerquote bis zu 62 %. Im Gegensatz dazu, ist die Rate der kor­rekten Schadensklassifikation beim zweiten und drit­ten Verfahren erheblich besser und hat einen Betrag bis zu 85%.

1 EINLEITUNG

Beobachtung von Tragwerksschäden nach starken Erdbeben hat gezeigt, dass diese mit verschiedenen seismischen Parametern korrelieren. Numerische Untersuchungen belegten diese Korrelation (Eienas et al. (1999)). Somit können umgekehrt die seismischen Parameter das Schadenspotential eines Erdbebens ausdrücken. ln diesem Zusammenhang, ist das indi­viduelle Schadenspotential für eine konkrete Kon­struktion gemeint. Schadensindikatoren können, mit Hilfe nichtlinearer dynamischer Berechnungen, den Schaden quantifizieren. Bei diesen numerischen Si­mulationen sind die jeweiligen Erdbebenbelastungen durch Akzelerogramme dargestellt. Die Antwortpara­meter der Berechnungen sind von der Belastung ab­hängig. Da seismische Zeit-Beschleunigungsverläufe nur schwer durch eine Funktion ausgedrückt werden können, dienen seismische Parameter zu deren indi­rekten Beschreibung. Somit ist eine Relation zwischen den seismischen Parametern und den Antwortpara­metern der nichtlinearen dynamischen Berechnungen hergestellt. Insbesondere fokussiert sich die Aufmerk­samkeit auf die maximale normierte relative Stock­werksverschiebung, die als globaler Schadensindika­tor dient.

Bekanntlich werden Fuzzy-Verfahren bei der Mus­tererkennung verschiedener Objekte und anderen Anwendungen erfolgreich eingesetzt (Bourland et al. (1994), Chen et al. (1994), Lam et al. (1994), Kunche­va (2000)). Der vorliegende Beitrag untersucht alter­native Fuzzy-Verfahren, um unter Verwendung der seismischen Parameter die Schadensklasse des ver­wendeten Schadensindikators zu bestimmen, ohne eine nichtlineare dynamische Berechnung durchzu­führen. Folgende Klassen sind gewählt: gering {kein Schaden oder geringer Schaden an der Konstruktion), mittel (Schaden ist reparabel), groß (Schaden ist irre­parabel), total (Teil- oder Totalversagen der Konstruk­tion).

7

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Fuzzy-Verfahren zur Klassifizierung des seismischen Schadenspotentials

2 SEISMISCHE PARAMETER

Wie in der Einführung beschrieben, können seismi­sche Parameter das Schadenspotential eines Erdbe­bens beschreiben. Der vorliegende Beitrag stützt sich auf Aufzeichnungen der Bodenbeschleunigung aus weltweiten Regionen mit ausgesprochen starker seismischer Aktivität. Die Berechnung der Parameter erfolgte durch eine computerunterstützte Bearbeitung der Akzelerogramme.

Im Einzelnen sind folgende Parameter berücksich­tigt: die maximale Bodenbeschleunigung (PGA) ama,. die maximale Bodengeschwindigkeit (PGV) Vma,. der Term amaiVma,, die Arias Intensität, die mittlere quad­ratische Beschleunigung (RMSa). die Dauer der Starkbebenphase (SMD) T0.90 , die Bebenleistung P0.90 , die spekralen lntensitäten nach Housner (SIH), nach Kappos {SIK) und nach Martinez (SIM), die effek­tive maximale Bodenbeschleunigung (EPA) und deren Maximalwert (EPAma,). die spektrale totale seismische Energie E;0 ,, die kumulative absolute Geschwindigkeit (CAV), das seismische Schadenspotential nach Araya und Saragoni (DPAs), die Zentralperiode (CP), die Spektralbeschleunigung (SA), die Spektralgeschwin­digkeit (SV), die Spektralverschiebung (SD) und die Intensität, wie sie FajfarNidic/Fischinger definierten {IFVF). Die verwendeten Spektralwerte sind für die Periode 1.18 s berechnet. Sie entspricht der Eigenpe­riode des untersuchten Stahlbetonrahmens. Die Defi­nitionen der einzelnen Parameter sind in der Literatur angegeben (Jennings (1982), Fajfar (1990), Elenas et al. (1999), Meskouris (2000)) und werden hier nicht wiedergegeben.

3 SCHADENSINDIKATOR

ln der vorliegenden Untersuchung kommt die maxima­le normierte gegenseitige Stockwerksverschiebung (MISDR: Maximum Inter Story Drift Ratio) als globaler Schadensindikator zur Anwendung. Dieser Indikator ist einfach zu berechnen und charakterisiert sowohl die strukturellen als auch die nicht-strukturellen Schä­den zufrieden stellend. Beobachtungen von Gebäu­deschäden nach starken Erdebeben und numerische Untersuchungen belegen die Effektivität dieses Indi­kators {Eienas et al. (2001 )).

Die Beziehung (1) definiert die normierte gegensei­tige Stockwerksverschiebung (!SDR: Inter Story Drift Ratio) als das Verhältnis der maximalen gegenseiti­gen absoluten Verschiebung I u Im= zweier benach­barter Deckenebenen zur Etagenhöhe h:

8

!SDR =I ulm 100 [%] . h

( 1)

Die Tabelle 1 zeigt die Grenzen der maximalen normierten gegenseitigen Stockwerksverschiebung {MISDR) für die vier Schadensklassen, jeweils für strukturelle und nicht-strukturelle Schäden (Gunturi et al. (1992)).

MI SOR-Grenzen der Schadensklassen [%] Schadensart ------------'--'--

Gering Mittel Groß Total

Strukturell :S 0.5 0.5 < MISDR s 1.5 1.5 < MISDR :S 2.5 > 2.5

Nicht-strukturell :S 0.5 0.5 < MISDR s 1.2 1.2 < MISDR :S 1. 7 > 1. 7

Tabelle 1: MISDR-Grenzen der Schadensklassen.

4 ANWENDUNG

Die in Abb. 1 dargestellte Stahlbeton-Rahmen­konstruktion ist nach den Regeln der Eurocodes 2 (EC2) und 8 (EC8) bemessen. Die Querschnitte der Plattenbalken in den Riegeln haben eine Breite von 40 cm, eine Plattendicke von 20 cm, eine Gesamthö­he von 60 cm und eine mitwirkende Plattenbreite von 1.45 m. Der Abstand zwischen den Rahmen beträgt 6 m. Nach EC8 ist die Konstruktion als "Wichtigkeits­gruppe 111, Duktilitäts-Kiasse M" eingestuft. Der Bau­grund ist als Typ B und die Seismizität der Region als Kategorie I nach EC8 gewählt. Außer dem Eigenge­wicht und der seismischen Lasten, werden bei der Berechnung die Schneelast, die Windlast, die Ver­kehrslast und die Schiefstellung der Konstruktion in­folge Imperfektionen nach EC2 berücksichtigt. Die Eigenperiode des Rahmens beträgt 1.18 s.

Nach der Bemessung folgte die Durchführung ei­ner nichtlinearen dynamischen Analyse zur Berech­nung der seismischen Systemantwort. Zu diesem Zweck kommt das Programm IDARC (Valles et al. (1996)) zur Anwendung. Dieses Programm verwendet den inkrementeilen Lösungsalgorithmus nach dem Newmark ß-Verfahren, kombiniert mit dem Iterations­verfahren nach New1on/Raphson. Die viskose Dämp­fung ist mit dem Rayleigh-Ansatz berücksichtigt. Das nichtlineare Querschnittsverhalten des Stahlbetons ist mit dem Park-Modell einbezogen. Des Weiteren be­rücksichtigt das hysteretische Modell die zeitabhängi­ge Steifigkeits- und Festigkeits-Minderung, das nicht­symmetrische Verhalten und verwendet eine trilineare Einhüllende für die monotone Belastung (Valles et al. (1996)).

Von den verschiedenen Antwortparametern, die das Programm berechnet, konzentrierte man sich auf die maximale normierte gegenseitige Stockwerksver­schiebung (MISDR) als den Schadensindikator der Gesamtstruktur (OSD/: Overall Structural Darnage

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Fuzzy-Verfahren zur Klassifizierung des seismischen Schadenspotentials

Index), da dieser in einen einzigen Wert die Summie­rung der einzelnen Schäden in Stützen und Balken darstellt. Der Schadensindikator ist für 400 Akzele­rogramme berechnet. Die vorliegende Untersuchung stützte sich auf Aufzeichnungen der Bodenbeschleu­nigung aus weltweiten Regionen mit ausgesprochen starker seismischer Aktivität. Die Tabellen 2 und 3 zeigen die Anzahl Beschleunigungsverläufe Rang.

der untersuchten Zeit­pro Land und pro PGA-

40/W , 40/4 0

40100

4014 0 40!60

5015 0 40/60

5015 0 40/60

50/5 0 40160

0 40/60

6016 0 40/60

6016 0

-- - -\1<JLL:ri<t1: C2W25 S400

1---('m _ I 8 m

20m

- '-

Abb. 1: Stahlbeton-Rahmenkonstruktion.

a ~

.,...; ~ ~

--

§.-'''--1

Land Anzahl der Akzelerogramme Bulgarien 2 Kanada 9 Chile 12 Griechenland 54 Japan 46 Mexiko 10 Neuseeland 2 Rumänien 4 San Salvador 6 Türkei 8 USA 247

Tabelle 2: Anzahl der Akzelerogramme pro Land.

s "_ n

PGA-Rang [g] Anzahl der Akzelerogramme

0.01-0.1 23 0.1-0.2 165

0.2-0.3 103 0.3- 0.4 50 0.4- 0.5 32 0.5-0.6 13

0.6- 0.7 7 > 0.7 7

Tabelle 3: Anzahl der Akzelerogramme pro PGA-Rang.

5 FUZZY MODELLIERUNG

Nach der Berechnung des globalen Schadensindika­tors (MISDR) und dessen Einordnung in den Scha­densklassen nach den Grenzwerten die in der Tabelle 1 angegeben sind, folgt eine Untersuchung mit dem Ziel die gleiche Einordnung zu erzielen, ohne aller­dings eine nichtlineare dynamische Analyse durchzu­führen. Dafür kommen drei alternative Fuzzy Verfah­ren zur Anwendung, die eine Trainingsphase und eine Anwendungsphase aufweisen. Im vorliegenden Bei­trag wurden sowohl für die Trainingsphase als auch für die Anwendungsphase alle 400 Akzelerogramme berücksichtigt.

Die erste Methode benutzt einen Mustererken­nungs-Algorithmus zur Einteilung der Akzelerogram­me in den vier Schadensklassen (gering, mittel, groß, total). Der Prozess basiert auf vorhandene Ähnlichkei­ten der seismischen Zeit-Beschleunigungs-Diagram­me (Lazzerini (2001 )). Als Erstes ist eine Zerlegung des (auf die Maximalwerte der Zeit und Beschleuni­gung aller Signale) skalierten Akzelerogramm­Diagramms in Unterregionen durchzuführen (Abb. 2). Zu diesem Zweck kommt ein genetischer Algorithmus zur Anwendung. Es folgt die Berechnung der relativen Präsenz von seismischen Beschleunigungswerten in jeder Unterregion. Dieses Vorgehen entspricht der Fuzzy-Darstellung des Akzelerogramms. Seismische Zeit-Beschleunigungs-Diagramme mit bekanntem Schadenspotential dienen zur Definition des Fuzzy­Modells für die einzelnen Schadensklassen. Zur Klas­sifizierung des Schadenspotentials eines unbekann­ten Akzelerogramms ist zunächst dessen Fuzzy­Beschreibung zu berechnen, unter Verwendung der­selben Unterregionen wie in der Trainingsphase. Es folgt der Vergleich mit den Fuzzy-Modellen der ein­zelnen Schadensklassen. Abschließend indiziert ein geeigneter maximaler Fuzzy-Zugehörigkeitsparame­ter den Zugehörigkeitsgrad für jede Schadensklasse.

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Fuzzy-Verfahren zur Klassifizierung des seismischen Schadenspotentials

Abb. 2: Unterregionen des skalierten Zeit-Beschleunigungs-Diagramms.

25

Abb. 3: Unterregionen des skalierten Parameter-Diagramms.

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Fuzzy-Verfahren zur Klassifizierung des seismischen Schadenspotentials

Indices ofthe unknown signal X= [ I,, lz, I,, ... , In] j

Membership fimctions for

index I

Membership functions for

index 2

-----

--------------

Membership functions for

index I

... \~\/'\. , . ' L ' ' L ' ·, \' -, ,, -, ,'{ -. __

• ... .,-., .. " .. " .. " '

Membership functions for

index n

ft,n fz,n f3,n

f4,n

J;,l J;,2 !;,3 ... J;,,

/"1 /,,, /,,, ". /,,, /"I J", J", ". J", 1.,1 J.,, /4,3 ", !.,,

Abb. 4: Der Fuzzyfizierungs-Prozess.

Bei dem zweiten Verfahren ist das seismische Ak­zelerogramm durch ein Intensitäts-Parameter­Diagramm ersetzt. Die seismischen Intensitäts­Parameter sind die Basis dieses Verfahrens und sind vorweg computerunterstützt zu berechnen. Die Aus­wahl geeigneter seismischer Parameter erfolgte im Voraus durch eine Korrelationsstudie. Im vorliegenden Beitrag sind 20 Intensitäts-Parameter berücksichtigt, wie sie im Abschnitt 2 präsentiert wurden. Das auf diese Weise hergestellte Intensitäts-Parameter­Diagramm hat einen wesentlich glatteren Verlauf (Abb. 3). Es folgt die Bearbeitung des Parameter­Diagramms nach der Vergehensweise wie sie beim ersten Fuzzy-Verfahren vorgestellt wurde (Lazzerini (2001 )).

Im dritten Verfahren erfolgt die Fuzzyfizierung der Intensitäts-Parameter durch geeignete Zugehörig­keitsfunktionen, die die Fuzzy-Mengen der Schadens­klassen repräsentieren. Deren Position basiert auf einer Trainingsmenge von Akzelerogrammen mit be­kanntem SchadenspotentiaL Jeder Parameter ist ver­knüpft mit einer Zugehörigkeitsfunktion pro Fuzzy­Menge, welche die Ähnlichkeit zur spezifischen Men­ge ausdrückt und damit auch zur entsprechenden Schadensklasse. Zwei alternative Zugehörigkeitsfunk­tionen sind berücksichtigt: eine Gaußsehe und eine dreieckige Funktion. Abschließend ist der Mittelwert der Zugehörigkeitsfunktionen für die einzelnen Scha­densklassen zu berechnen, deren Maximallwert die Klasse indiziert, der das Akzelerogramm zugehört

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Fuzzy-Verfahren zur Klassifizierung des seismischen Schadenspotentials

(Jozwik (1983)). Alle im Abschnitt 2 vorgestellten In­tensitäts-Parameter kommen in diesem Verfahren zur Anwendung. Der Fuzzyfizierungs-Prozess nach dem dritten Verfahren ist in der Abb. 4 dargestellt.

6 ERGEBNISSE

Die durchgeführte nichtlineare dynamische Analyse liefert die Systemantwort für alle 400 untersuchten Akzelerogramme. Der berechnete globale Schadens­indikator, der im vorliegenden Beitrag als die maxima­le normierte relative Stockwerksverschiebung (MISDR) vorliegt, kann jetzt für jede berücksichtigte Erregung in Schadensklassen eingestuft werden. Die Grenzwerte, nach denen die Einstufung der einzelnen Schadensklassen erfolgt, sind aus der Tabelle 1 zu entnehmen. Die Einstufung der strukturellen und nicht-strukturellen Schäden erfolgt für alle 400 unter­suchten Akzelerogramme. Nach der Einstufung in 4 Schadensklassen (gering (1 ), mittel (2), groß (3) und total (4)), folgt der Trainingsprozess für alle drei vor­gestellte Verfahren. Die Qualitätsbeurteilung der durch den Trainingsprozess entstandenen mathema­tischen Modelle erfolgt durch eine erneute Anwen­dung der 400 Akzelerogramme. Die Ergebnisse, die aus der Anwendung der drei Fuzzy-Verfahren erfol­gen, sind mit denen aus der nichtlinearen dynami­schen Analyse zu vergleichen. Der prozentuale Wert an korrekter Klassifikation ist ein Maß der Qualität des angewendeten Verfahrens.

Die numerischen Ergebnisse bei der Anwendung des ersten Verfahrens wiesen aus, dass diese Metho­de zur effektiven Beurteilung des seismischen Scha­denspotentials nicht geeignet ist. Dies ist auf den zu­fälligen Charakter der seismischen Akzelerogramme zurückzuführen. Ihre Anwendung ergab eine korrekte Klassifikation von bis zu 38 %, sowohl für den struktu­rellen als auch für den nicht-strukturellen Schaden.

Bei der Anwendung des zweiten Verfahrens sind die Nachteile des ersten durch den glatteren Verlauf des repräsentativen Intensitäts-Parameter-Diagramms weitgehend beseitigt. Demzufolge, ist die korrekte Klassifikationsrate wesentlich besser als die nach dem ersten Verfahren. Die korrekte Klassifikationsrate beträgt in diesem Fall 79.5 %für den strukturellen und 77 % für den entsprechenden nicht-strukturellen Schadensindikator. Die Tabellen 4 und 5 zeigen die Ergebnisse im Detail. Die Zeilen der Tabellen geben die Anzahl der Akzelerogramme an, die einer be­stimmten Schadensklasse angehören (gering (1 ), mittel (2), groß (3) und total (4)). Deren Intersektion mit den Spalten weisen die Anzahl der Akzele­rogramme vor die einer bestimmten Schadensklasse bei Anwendung des Fuzzy-Verfahrens zugewiesen

12

wurden. Die Werte in der Diagonale geben die Anzahl der korrekt klassifizierten Akzelerogramme an. So ist z.B. der Tabelle 4 zu entnehmen, dass 218 Akzele­rogramme richtigerweise der Schadensklasse 1 (ge­ring) zugewiesen wurden. Des Weiteren sind 11, 0 und 28 Akzelerogramme den Schadensklassen 2 (mittel), 3 (groß) und 4 (total) zugeordnet, obwohl diese, nach der nichtlinearen dynamischen Analyse, der Schadensklasse 1 angehören.

Schadensklasse

2 3 4

Gering Mittel Groß Total

Gering 218 11 u 28

2 Mittel 8 83 2 5

3 Groß 21 10 2

4 Total 0 0 4 7

Korrekte Klassifikation: 79.5%

Tabelle 4: Klassifikationsergebnisse für den strukturellen Schadensindikator (Methode 2).

Schadensklasse

2 3 4

Gering Mittel Groß Total

Gering 192 25 37 3

2 Mittel 6 60 10 5

3 Groß 0 0 30 0

4 Total 4 26

Korrekte Klassifikation: 77 %

Tabelle 5: Klassifikationsergebnisse für den nicht-strukturellen Schadensindikator (Methode 2).

Entsprechend sind die Ergebnisse nach dem drit­ten Verfahren in den Tabellen 6 bis 9 dargestellt. Die Tabellen 6 und 7 präsentieren die Ergebnisse für den strukturellen Schadensindikator (MISDR), zuerst mit einer Gaußsehen (Tabelle 6) und dann mit einer drei­eckigen Zugehörigkeitsfunktion (Tabelle 7). ln der Folge sind die Ergebnisse für den nicht-strukturellen Schaden ebenso dargestellt, zuerst mit einer Gauß­sehen (Tabelle 8) und dann mit einer dreieckigen Zu­gehörigkeitsfunktion (Tabelle 9). Aus den Ergebnissen ist ersichtlich, dass die korrekte Klassifikationsrate für den strukturellen Schaden bei 84 % und 83.5 % liegt, jeweils für eine Gaußsehe und eine dreieckige Zuge­hörigkeitsfunktion. Die entsprechenden Ergebnisse für den nicht-strukturellen Schaden liegen bei 82 % und bei 84.75%.

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Fuzzy-Verfahren zur Klassifizierung des seismischen Schadenspotentials

Die numerischen Ergebnisse zeigen, dass Fuzzy-Verfahren zur Klassifizierung des seismischen Scha-denspotentials erfolgsversprechend eingesetzt wer-den können. Von den drei vorgestellten Verfahren lieferte das Verfahren mit der Fuzzyfizierung der ln-tensitäts-Parameter (dritte Methode) die besten Er-gebnisse und ist somit den übrigen vorzuziehen.

Schadensklasse

2 3 4

Gering Mittel Groß Total

Gering 234 21

2 Mittel 10 76 9 3

3 Groß 2 12 16 4

4 Total 0 0 10

Korrekte Klassifikation: 84%

Tabelle 6: Klassifikationsergebnisse für den strukturellen Schadensindikator (Methode 3, Gaußsehe Zu-gehörigkeitsfunktion).

Schadensklasse

2 3 4

Gering Mittel Groß Total

Gering 247 10 0 0

2 Mittel 21 60 14 3

3 Groß 2 5 16 11

4 Total 0 0 0 11

Korrekte Klassifikation: 83.5 %

Tabelle 7: Klassifikationsergebnisse für den strukturellen Schadensindikator (Methode 3, dreieckige Zu-gehörigkeitsfunktion).

Schadensklasse

2 3 4

Gering Mittel Groß Total

Gering 223 32

2 Mittel 8 64 8

3 Groß 0 6 21 3

4 Total 2 4 6 20

Korrekte Klassifikation: 82%

Tabelle 8: Klassifikationsergebnisse für den nicht-strukturellen Schadensindikator (Methode 3, Gaußsehe Zugehörigkeitsfunktion).

Schadensklasse

2 3 4

Gering Mittel Groß Total

Gering 244 13 0 0

2 Mittel 20 52 8

3 Groß 0 5 18 7

4 Total 2 3 2 25

Korrekte Klassifikation: 84.75%

Tabelle 9: Klassifikationsergebnisse für den nicht-strukturellen Schadensindikator (Methode 3, dreieckige Zugehörigkeitsfunktion).

7 SCHLUSSFOLGERUNGEN

Der vorliegende Beitrag präsentiert unterschiedliche Fuzzy-Verfahren zur Klassifizierung des Schadenspo­tentials seismischer Akzelerogramme. Die erste Me­thode benutzt einen Mustererkennungs-Algorithmus zur Einteilung der Akzelerogramme in den vier Scha­densklassen (gering, mittel, groß, total). Beim zweiten Verfahren ist anstelle des seismischen Zeit­Beschleunigungs-Diagramms dessen Intensitäts­Parameter-Diagramm zu verwenden. Dieses ist vor­weg computerunterstützt zu berechnen. Im Folgenden ist nach dem Mustererkennungs-Algorithmus des ersten Verfahrens vorzugehen. Zwanzig seismische Intensitäts-Parameter kommen in der Berechnung zur Anwendung. Im dritten Verfahren erfolgt die Fuzzyfi­zierung der Intensitäts-Parameter durch geeignete Zugehörigkeitsfunktionen, die die Fuzzy-Mengen der Schadensklassen repräsentieren.

Die drei vorgestellten Verfahren sind auf einen achtstöckigen Stahlbetonrahmen angewandt. Dieser ist nach den Regeln der Eurocodes 2 und 8 bemes­sen. Für die nichtlinearen dynamischen Berechnun­gen wurden 400 natürliche Akzelerogramme verwen­det. Die maximale normierte relative Stockwerksver­schiebung diente als globaler Indikator für die struktu­rellen und für die nicht-strukturellen Schäden.

Die Ergebnisse zeigen bei der Schadensklassifika­tion nach dem ersten Verfahren eine Fehlerquote bis zu 62 %, woraus ersichtlich ist, dass dieses Verfahren nicht geeignet ist. Im Gegensatz dazu, ist die Rate der korrekten Schadensklassifikation beim zweiten Ver­fahren 79.5 % für den strukturellen und 77 % für den entsprechenden nicht-strukturellen Schadensindika­tor. Die besten Ergebnisse lieferte das dritte Verfah­ren. Die Erkennungsrate liegt hier bei 84 % für den strukturellen Schadensindikator und 84.75 % für den entsprechenden nicht-strukturellen.

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Fuzzy-Verfahren zur Klassifizierung des seismischen Schadenspotentials

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14 I

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Schädigungsindikatoren zur Vulnerabilitätseinstufung seismisch beanspruchter Tragwerke

Reinhard Harte 1 und Wilfried B. Krätzig2

Bergische Universität-GH Wuppertal, Baustatik, Pauluskirchstr. 7, 42285 Wuppertal Ruhr-Universität Bochum, Institut für Statik und Dynamik, D-44780 Bochum

Seide: Krätzig & Partner lngenieurgesellschaft, Buscheyplatz 11-15,44801 Bochum

1 EINFÜHRUNG

ln den vergangenen 40 Jahren konnte das Todesfall­risiko bei Erdbeben weltweit erheblich gesenkt wer­den. Beben, die anfangs des 20. Jahrhunderts noch viele Tausend Menschenleben kosteten, fordern heu­te in Industriestaaten höchstens noch einige Dutzend. So wird auch die neue DIN 4149 dazu beitragen, die Sicherheit deutscher Bauwerke im Hinblick auf den seismischen Personenschutz weiter anzuheben.

Aber während die seismische Bedrohung in Zeit­räumen mittlerer Bauwerks-Lebensdauern eher kon­stant bleibt, verschieben sich die Bauwerksinve­stitionen dramatisch weg von der tragenden Struktur, auf welche bisher alle Maßnahmen der Erdbebensi­cherheit abzielen. Normiert man beispielsweise die gesamten Investitionen von Tragwerk, Ausbau und Haustechnik nebst Einrichtung - der maximal mögli­che Verlust bei einer Katastrophe - auf 100%, so zeigt Abb. 1 diese Verschiebungen über 150 Jahre für zwei Extremfälle, nämlich Wohngebäude und Krankenhäu­ser. Man erkennt den stetig abnehmenden relativen Kostenanteil der Tragsubstanz. Ohne auf die natürlich ebenfalls erheblich ·gestiegenen Gesamtinvestitionen einzugehen, wirft die relative Kostenverschiebung der Abb. 1 zwei fundamentale Fragen auf:

• Ist der Personenschutz allein als vorrangiges Schutzziel a-seismischen Konstruierens in entwickel­ten Volkswirtschaften noch sinnvoll, oder muß nicht zusätzlich auch der Schutz aller Investitionen der Bau­substanz stärker beachtet werden? • Wie muß das Erreichen möglicher weitergehender Schutzziele zielgerecht gesteuert werden?

Die Fragilitätskurven aus Abb. 2 vertiefen diese Fra­gestellungen. Sie zeigen die Fragilitäten von Kranken­hausbauten in Kalabrien [Nuti et al 2005], erbaut zwi­schen 1928 (Mauerwerk) und 1972 (Stahlbeton). Im Zentrum stehen die (sehr niedrigen) Fragilitäten der

Krankenhäuser Wohngebäude

100% t-Einrichtung 20%

t Haustechnik 20%

r O% Roh· ood Iba" 60%

2000

Abb.1: Wertverschiebungen zwischen Rohbau und Installation in 150 Jahren

heutigen tragenden Struktur. Links sind diejenigen der Haustechnik (Aufzüge, Medienversorgung, Brand­schutz) einschließlich der medizinischen Einrichtun­gen dargestellt. Rechts ist das Verstärkungsziel an­gedeutet. Da die Untersuchungen [Nuti et al. 2005] im wesentlichen in Serie geschaltete Systemkomponen­ten verwenden, beziehen sich die linken Fragilitäten somit sowohl auf die haus- und medizintechnischen Einrichtungen allein als auch auf ihre Kombination mit der tragenden Bausubstanz.

Abb. 2 beweist, dass eine Berücksichtigung der nicht-tragenden Ausstattung die bei einem Beben aktivierbaren, widerstehenden Gesamt-Fragilitäten stets in Bereiche niedrigerer MERCALLI-Intensitäten verlagert. Damit steigt das seismische Risiko, sowohl dasjenige der betroffenen Menschen als auch das auf die Investitionen bezogene. Moderne europäische Verwaltungs- oder Fabrikationsgebäude zeigen ein sehr ähnliches Verhalten.

Der hieraus zu vermutende Trend zu steigenden Sach- bei begrenzten Personenschäden wurde bei allen Starkbeben der vergangenen 35 Jahre in Kalif-

15

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Schädigungsindikatoren zur Vulnerabilitätseinstufung

ornien (San Fernando 1971, Imperial Valley 1979, Lama Prieta 1989, Northridge 1994) beobachtet. Er hat zu Überlegungen geführt, die Phase zwischen seismischer Schädigungsfreiheit und Tragwerkskol­laps - dem Ende des Personenschutzes - durch zu­sätzliche Grenzzustände beim Tragwerksentwurfs zu unterteilen und diese durch Schädigungsmaße ge­geneinander abzugrenzen.

-lstzustan dT rk H t h 'k+E' ·chtung ragwe e+ aus ec n1 mr1 - Istzustand Tragwerke

rRehabilitations ziel

~- l-- - I H h--· ~- ---". V'_

1f , ,

' / ---"-I I I

I I / .L """""""- I - -J-

' "' --,. IL .L ILL -- "" - --- j-, / V. I>' _,_ / ....... _;·~ ,

111 IV V VI VJI Vlll IX X XI XII

Modifizierte Mercalli lntensitäten

Abb. 2: Fragilitätskurven eines Krankenhauses in Kalabrien

Darnage index- Schädigungsindikator

Grenzzustände Darnage Ievei-Schädigungsstute ...J,..... ND No Darnage 0 0.00

Keine Schädigung

10 Immediate Occupancy I 0.05 Sofortige Wiederbenutzung

ID lncipient Darnage Beginnende Schädigung

LS Ufe Safety II 0.20 Keine Lebensbedrohung

CP Collapse Prevention 111 0.40 Einsturzvermeidung

IC lncipient Collapse IV 0.90 Beginnender Einsturz

Tabelle1: Grenzzustände und Schädigungsstufen nach FEMA 273

Tabelle 1 gibt einen Überblick über diese von der FEDERAL EMERGENCY MANGEMENT AGENCY - FEMA und der STRUCTURAL ENGINEERS ASSOCIATION OF CALI· FORNIA - SEAOC gemachten Vorschläge. Zusammen­gefaßt unter dem Oberbegriff "Verhaltensbasiertes Entwerfen" (performance-based engineering design) rücken diese Konzepte die seismischen Schädigun­gen viel stärker als bisher in den Mittelpunkt des Tragwerksentwurfs.

Die in Tabelle 1 in der ersten Spalte wiedergege­benen Abkürzungen der Schädigungsstufen werden in [FEMA 273] folgendermaßen erläutert:

• Level 1: Very limited structural damage, very low risk of life-threatening injury.

16

• Level II: Significant damage, low risk of life­threatening injury. • Level 111: Substantial damage, significant risk of in­jury due to falling hazards. • Level IV: Collapse is imminent.

Mit derartigen Vorschlägen eines verhaltensbasierten Tragwerksentwerfens [Wen 2005] drängen sich min­destens folgende Fragestellungen auf:

• Was sind geeignete Schädigungsmaße zur Abgren­zung der Schädigungsstufen? • Wie sind diese als Entwurfsziele einzusetzen?

Interessanterweise liefern die verschiedenen FEMA­Dokumente keine Antworten auf diese nahe liegenden Fragen, auch geben sie keine Auskunft über die an­zustrebenden Partialsicherheiten der Schädigungs­stufen. Forschungen hierzu kommen nur zaghaft in Gang [Y eo et al. 2003]. Die vorliegende Arbeit bietet eine erste Antwort.

2 SEISMISCHE SCHÄDIGUNGSMASSE

ln der Literatur des Erdbeben-Ingenieurwesens der vergangenen 30 Jahre finden sich viele Vorschläge für Schädigungsindikatoren, insbesondere zur Erfas­sung des komplizierten seismischen Versagens von Stahlbetontragwerken. Tabelle 2 und Abb. 3 geben eine Übersicht. Detailliertere Überblicke mit Quellen­angaben enthalten [Krätzig et al. 1999, Meyer et al. 1988].

1. Maximalduktilität maximum ductility max I!K

Zyklische Duktilität: cyclic ductility ll;c, ll~

Kumulative Duktilität: cumulative ductility I-leu• Bartone et al. 1976

Steifigkeitsduktilität stiftnass ductility Tld• Lybas et al. 1976

Normierte dissipierte Energie: normalized dissipation Eh, Banen et al. 1981

Normiertezykl'1sch dissipierte Energie: darnage indicator Eo· Meyer 1988

Modifizierte Biegeschädigung: modified flexural darnage ratio MFDR, Roufaiel et al. 1983

2. Plastische relative Stockwerksverschiebung: plastic interstory dritt Hybrider Schädigungsindikator von ParkMAng: o*1985

3. Monetäre Schädigung: Sanierungskosten f Bauwerkwert * 100%

Tabelle 2: Ältere querschnittsbezogene (1.), trag­werksbezogene (2.) und monetäre (3.) Schädigungsmaße

Die überwiegende Anzahl dieser Indikatoren sind querschnittsbezogen, d. h. sie beschreiben seismi­sche Schädigungen von Einzelquerschnitten. Experi­mentellen Auswertungen von Versuchen an Einzel­körpern entstammend, sind sie für die Schädigungs­beurteilung ganzer Tragwerke oder auch nur von Teil­strukturen meist ungeeignet.

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M M

Schädigungsindikatoren zur Vulnerabilitätseinstufung

Hierzu denken wir uns eine beliebig diskretisierte Tragwerksstruktur, für welche wir in dem rn-dimensio­nalen Vektor

v~ {VI v, ... v, ... Vm}

--1--+-+--.1---+:---K alle wesentlichen äußeren Freiheitsgrade und in

(1)

+_< - K~ IJ.KC ----::r, J.l.Kc = K­

Ky y

_l:-"E"''""''-'+_l:...,E"''"""-' Da~-Eu mon + L Efhc

Abb. 3: Querschnittsbezogene zyklische und nicht­zyklische Schädigungsindikatoren

Eher schon kämen hierfür tragwerksbezogene Schä­digungsmaße in Betracht, beispielsweise die relative plastische Stockwerksverschiebung oder der hybride Indikator von Park-Ang, der Verschiebungen mit dis­sipierter Energie kombiniert. Aber als moderne Indika­toren sind beide zu empirisch und außerdem zu sehr auf Stabwerke spezialisiert. Übrigens verwendet die Versicherungswirtschaft monetäre Schädigungsmaße zur Quantifizierung seismischer Risiken [Kiremidjan 1999, Sadegh 2002].

Moderne Schädigungsindikatoren zur Differenzie­rung von Grenzzuständen bei einer a-seismischen Bemessung sollten gegenüber der existierenden, älteren Vielfalt folgende Eigenschaften aufweisen:

• Um das physikalische Geschehen im Tragwerk mit gewünschter Genauigkeit beschreiben zu können, sollte die Tragwerksanalyse unabhängig vom Schädi­gungsdetektor sein. • Schädigungsindikatoren sollten aus Zustandsvari­ablen aufgebaut sein. • Sie sollten von 0 (ungeschädigter Ausgangszustand) bis 1.00 (Versagensschädigung) normiert sein.

Derartige Schädigungsindikatoren sollen im folgenden hergeleitet werden. Die ersten auf die Einheit 1.00 · normierten seismischen Schädigungsmaße wurden übrigens von [DiPasquale et al. 1987] sowie von [Meyer et al. 1988] vorgeschlagen.

3 GRUNDLAGEN FÜR SCHÄDIGUNGS­INDIKATOREN

Die Verfolgung seismischer Tragwerksschädigungen führt - wegen der zeitabhängigen Degradation des Tragwerkswiderstandes G - stets auf nichtlineare Pro­blemstellungen. Zum besseren Verständnis betten wir unsere gesamte Behandlung in ein modernes Konzept der Theorie finiter Elemente ein.

P ~{PI Pz ... P, ... Pm} (2)

alle korrespondierenden (dualen, zugeordneten) Kno­tenlastgrößen anordnen. Bezeichnen wir weiter mit V die Knotengeschwindigkeiten und mit V die Knoten­beschleunigungen, so nimmt die Bewegungsglei­chung unseres nichtlinearen seismischen Schädi­gungsproblems die Form der folgenden impliziten Matrix-Differentialgleichung 2. Ordnung an:

M•V +G(V, V,d,t)~ P(t) . (3)

ln diesem rn-dimensionalen Satz von gekoppelten Differentialgleichungen kürzt M die globale Massen­matrix ab. Das nichtlineare Vektorfunktional G be­schreibt den Tragwerkswiderstand als implizite Funk­tion der Knotenfreiheitsgrade V bzw. der Knotenge­schwindigkeiten V. P(t) bezeichnet den seismischen Erregungsprozeß und t die physikalische Zeit. Der rn­dimensionale Vektor d möge die sich ausbildenden seismischen Schädigungen kennzeichnen.

Für professionelle Tragwerkssimulationen im Inge­nieurwesen verwendet rnan nie die obige nichtlineare Bewegungsgleichung (3), sondern integriert deren 1. Variation inkrementeil-iterativ über die Zeit. Hierzu zerlegt man die knotenbezogenen Kinematen V, V, V und Lasten P eines gesuchten dynamischen (Nach­bar-)Zustandes in die Variablen eines bereits be­stimmten Grundzustandes sowie dessen Inkremente, d.h.:

V~ V +ÖV, V~ V +ÖV,V ~V +ÖV,P~ P+ÖP. (4)

Mit den infinitesimalen Variationen in (4) gewinnen wir als 1. Variation der Bewegungsgleichung (3) hin­sichtlich des Grundzustandes dessen Tangential­raum-Approximation, die tangentiale Bewegungsglei­chung, als dynamische Grundbeziehung für nichtline­are seismische Analysen:

.. acl . acl M•öV+-.. •öV+-_ •öV~öP. 8Vv 8Vv

(5)

Substituieren wir hierin gemäß (4) für die Lastvariation den Ausdruck öP = P (t)- P (t), so entsteht

(6)

17

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Schädigungsindikatoren zur Vulnerabilitätseinstufung

in dieser linearen Matrix-Differentialgleichung 2. Ord­nung nach der Zeit für die Weggrößeninkremente (4) verwenden wir folgende Abkürzungen:

c = aGI die tangentiale Dämpfungsmatrix, T av v

K =aGI T av­

V

die tangentiale Steifigkeitsmatrix,

F, =M•V +G(V,V,d,t) den Vektor des inne-

ren Widerstandes infolge von Trägheitswir­kungen, viskosen sowie elasta-plastischen Deformationen und infolge von Deterioration.

Würden wir nun die tangentiale Bewegungsglei­chung (6) seismischen Entwurfsanalysen zugrunde legen wollen, so müßte der Zeitverlauf einer zukünfti­gen Erdbebenerregung bekannt sein [Krätzig et al. 1990]. Dies aber ist i.A. nicht der Fall. Aus DIN 4149 kennen wir lediglich ein Entwurfsspektrum, aus wel­chem für geeignete Paare von Eigenfrequenzen und Modalformen statische Ersatz-Bebenlasten ermittelt

Tragwerks· ebene

Finite Element Ebene

Gauss - Punkt Ebene

Materialpunkt Ebene

Schädigung auf Tragwerksebene:

KT--> A,,i =t .. .m

---i~ ~d .,

Schädigung auf QuerschniHsebene:

f'· d5 = d5 ( 0

cr(s)do),; 1

Materialschädigung: beschrieben in den Stoffgesetzen

Abb. 4: Die verschiedenen Ebenen einer nichtlinearen FE-Simulation

werden können. Somit bleibt für übliche nichtlineare 4 NICHTLINEARE PUSH-OVER-ANAL YSE

seismische Entwurfsberechnungen nur der Nähe­rungsweg einer auf dem Entwurfsspektrum aufbauen­den, quasi-statischen Push-Over-Analyse [Meskouris et al. 2003], um das seismisch-nichtlineare Tragver­halten wenigstens approximativ zu erfassen.

Zur Unterdrückung der gesamten Tragwerksdyna­mik gewinnt man mit V= V= 0 daher aus der tangen­tialen Bewegungsgleichung (6) die tangentiale Steifig­keitsbeziehung:

-- + --KT(V,d) *V= P-F1 =P-G(V,d), (7)

worin das Variationssymbol nun durch ein Kreuz als Kopfzeiger ersetzt wurde. •

Diese lineare Beziehung in V soll späteren Push­Over-Analysen zugrunde gelegt werden. P stellt darin die quasi-statische Ersatzlast des Bebens dar. Die ursprüngliche tangentiale Bewegungsgleichung wird nur noch im Ausgangszustand zur Ermittlung von Eigenfrequenz und Modalform benötigt. Aus (6) verbleiben folgende kennzeichnende Variablen:

KT = aGI die tangentiale Steifigkeitsmatrix, (8) av "·'-

F, = G(V,d) der Vektor der inneren knotenbezo-

genen Kraftgrößen. (9)

Zur inkrementeil-iterativen Lösung der tangentialen Steifigkeitsbeziehung (7) existieren vielfältige Vorge­hensweisen, wie NEWTON-RAPHSON-, BFGS- oder Pfadverfolgungstechniken aus der Standardliteratur oder aus geeigneten Programmbeschreibungen.

18

Stofflich nichtlineare Tragwerksanalysen, wie die aus­zuführenden Push-Over-Analysen, können auf sehr unterschiedlichen Genauigkeitsniveaus durchgeführt werden: Von einfachen Fließgelenkberechnungen mit oder ohne Steifigkeitsiterationen bis hin zu vollständig nichtlinearen Tragwerkssimulationen. Auch wenn unterschiedliche Genauigkeitsniveaus natürlich das Gesamtergebnis der seismischen Schädigungs­simulation prägen, ist es konzeptionell wichtig, die nichtlineare Tragwerksanalyse den Techniken der seismischen Schädigungsdetektion (Abschnitt 5) sorg­fältig zu trennen.

Wir skizzieren im folgenden nichtlineare computer­orientierte Tragwerkssimulationen. in einer (makro­skopisch-) nichtlinearen FE-Simulation [Krätzig 1997] unterscheiden wir folgende in Abb. 4 dargestellte Si­mulationsebenen:

• die Tragwerksebene, auf welcher die Gesamt­Steifigkeitsbeziehung (7) definiert ist, • die Ebene der finiten Elemente, verbunden mit der vorigen durch die Zuordnung der Elementfreiheitsgra­de v'; zu den globalen Freiheitsgraden V,, • die Ebene der Integrationspunkte (GAuss-Punkte), auf welcher die Kinematik des gewählten Strukturmo­dels beschrieben wird, und schließlich • die Ebene der Materialpunkte, die wegen der nichtli­nearen seismischen Schädigungen eine Schichten­struktur des Elementes als interne Verfeinerung erfor­derlich macht.

Dort, auf der Ebene der Materialpunkte, sind die je­weiligen nichtlinearen Stoffgesetze, gegebenenfalls

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mit ihren Schädigungskomponenten implementiert. Behandeln wir beispielsweise Stahlbetontragwerke, so besitzt jede schichtbezogene Komponente das ihr eigene nichtlineare, schädigungsbehaftete Material­verhalten, nämlich:

Abb. 5: Multi-Levei-Simulationstechnik

• Beton zeigt im Druckregime nach Überschreiten seiner Druckfestigkeit zwei für seismische Erregung wichtige Schädigungsphänomene, nämlich den suk­zessiven Abbau seiner Festigkeit und Steifigkeit; • klassische Modellvorstellungen von Beton im Zugbe­reich sind durch linear-elastisches Verhalten bis zur Zugfestigkeit mit nachfolgender Rißöffnung als Schä­digungskomponente gekennzeichnet; • Bewehrung wird elasto-plastisch modelliert mit der Möglichkeit verschiedener Schädigungsphänomene, wie dem BAUSCHINGER-Effekt oder der lastspielab­hängigen (Dauer-)Festigkeitsreduktion von Streck­grenze und Festigkeit; • in der Verbundmodeliierung zwischen Stahl und Beton treten nichtlineare Grenzflächenphänomene auf, die ein schädigungsbedingtes Nachlassen der Verbundfestigkeit unter zyklischen Einwirkungen be­wirken.

Einzelheiten zu diesen Modeliierungen beschreibt [Noh 2001]. Der auf einer Berücksichtigung aller die­ser Phänomene abzielende Simulationsalgorithmus

Schädigungsindikatoren zur Vulnerabilitätseinstufung

findet sich auf Abb. 5, in seinen Details ist er in [Krät­zig 1997] beschrieben.

5 SCHÄDIGUNGSDETEKTION UND VERSAGEN

Aus der Definition (7), (8) der tangentialen Steifig­keitsmatrix KT wird ersichtlich, dass diese den geeig­neten Zugang zur Detektion von Tragwerksschädi­gungen d, insbesondere auch seismischen, darstellt. Abb. 6 weist auf die zentrale Rolle von KT für integere, d.h. standsichere Tragwerke hin, für welche KT quad­ratisch, regulär und positiv definit ist. Alle Hauptstei­figkeiten sind somit positiv. Im Falle des Tragwerks­versagens wird KT singulär: det KT ~ 0, und mindes­tens eine Hauptsteifigkeit wird Null. Die tangentiale Steifigkeitsmatrix KT begleitet somit ein seismisch beanspruchtes Tragwerk von seiner Geburt über alle Schädigungsphasen bis zum seismischen Versagen.

Definition: Tragwerksintegrität bedeutet stabile Gleichgewichtspfade. (Zur Vereinfachung seien Tragwerksinstabilitäten ausgeschlossen.)

Voraussetzung für Tragwerksintegrität:

KT: Regularität det KT -<F- 0 +T +

Positive Definitheit V • K T • V> 0 alle Eigenwerte Ai > 0, 1 6 i ~ m

Abb. 6: Tangentiale Steifigkeit und Bedingungen für Tragwerksintegrität

Da KT quadratisch und symmetrisch ist, läßt sie sich stets auf Hauptdiagonalform transformieren. Aus den so entstehenden Eigenwerten lc;, i=1, 2, ... m, den tan­gentialen Hauptsteifigkeiten

(10)

werden nun gemäß Abb. 7 Schädigungsindikatoren laut der dort im oberen Bildteil angegebenen Definiti­on gebildet.

Aus dieser Definition wird deutlich, dass jeder derar­tige Schädigungsindikator D; den Wert

• D; = 0 im ungeschädigten Zustand, • D; = 1 im versagensgeschädigten Zustand

annimmt, eine in der modernen Schädigungsmecha­nik übliche Vorgehensweise. Dieser Schädigungsindi­kator ist somit in der Lage, alle in Tabelle 1 verwende­ten Grenzzustände zu beschreiben.

19

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Schädigungsindikatoren zur Vulnerabilitätseinstufung

Schädigungsindikator:

Ai : Eigenwerte Ai , 1 "";;; i ";:,;; m, of KT(V,d):

I<KT(V,d)- lc; 1)•<1>; = 0 1-- A1 (V,d), A2 (V,d), ... lc; (V,d), ... Am (V,d)

-->- <1>1(V,d), <1>2(V,d), ... CI>;(V,d), ... <l>m(V,d)

Die jeweiligen Eigenvektoren «<li, 1 ",;;;; i ",;;;. m , bilden den Schädigungszustand auf die äußeren Knotenfreiheitsgrade ab.

Abb. 7: Definition von Tragwerksschädigungen

Abb. 7 wendet die allgemein gültige Definition im un­teren Teil auf die Eigenwerte von KT an, wozu in jeder Schädigungsphase die Eigenwertaufgabe

[ KT(V, d)- A J • u = o, => A = uT KT(V, d) u (11)

zu lösen ist. Aber auch jede andere Funktion der Ei­genwerte kann zur Bildung von Schädigungsindikato­ren Verwendung finden, beispielsweise die Eigenfre­quenzen von KT und M. Hierzu wäre als Relikt von (6) in jedem Lastzustand die Eigenschwingungsgleichung

[ KT(V. d)- n M J • <I>= o, => n = <I>T KT(V, d) <I> (12)

nach den niedrigsten Eigenfrequenzen aufzulösen [Krätzig et al. 2003]. Letzteres ist i.A. numerisch prob­lemloser durchzuführen als die Eigenwertbestimmung von KT.

6 SCHÄDIGUNG EINES TESTRAHMENS AUS STAHLBETON

Als erstes Beispiel werde ein Stahlbeton-Rahmen analysiert, der vor fast 30 Jahren einem sorgfältig dokumentierten Experiment unterzogen wurde [Ernst et al. 1973]. Sämtliche geometrischen und material­technischen Daten finden sich auf Abb. 8.

Tragwerk: P/3

t.f~J } 254w016Jl.254

t 152.•q_ •

'"' '"•~'"""'" '" mm tl/4+1/4+ 1/4---+- 1/4=+ Abmessungen und Material: I= 5.486.4 mm (18ft) h = 1.828.8 mm (6ft)

Beton: fcm= 40.82 MPa

Bewehrungsstahl: Es= 209 GPa J2j" 9.53: fylfsu= 472.3/837.0 MPa, ~>su= 0.077

~ 12.7: fy /fsu = 455.5/702.6 MPa, ~>su= 0.110

Abb. 8: Stahlbetan-Testrahmen nach G. C. Ernst, ACI Journal1973 (4), 261-269

20

~30.0 a. ;; ~ 20.0

10.0

jeweils P/3 __: __ _

I I I

o.o.;:..--+----i--+--+--+--+--i-----1 0 20 40 60 80 100 120 140 160

Durchbiegung w [mm]

Abb. 9: Last-Verformungsdiagramm des Testrah­mens unter vertikalen Lasten

1.0

o- @ ~i7 c 0.8 ~

~ I

..

D, !'a""

"" 0.6 '6 c ·u;

"' 0.4 c

" "' '6 '"' 0.2 "" <.> Cl)

0.0

-c@, w i ~

I i D,

--@11 .. ..

~-T . --

' 0 10 20 30 40 50kN Gesamtlast P

Abb. 10: Schädigungsentwicklung auf der Basis von Eigenfrequenzen

1.2

1.0 --

N

"" 0.8 15 :!< ,g 0.6

"' "' ...J 0.4

0.2

0.0 0 20

ent

Computersimulation

I· 1---1--­P;/3 P;/3 P;t3

1--u >i.l I I I l-I 1

40 60 80 100 120 140 Verschiebung u [mm]

Abb. 11: Last-Verformungsdiagramm des Testrah­mens unter Po*+ A.2 H

Der Rahmen werde zunächst durch drei vertikale Einzellasten in seinen Riegel-Viertelspunkten belastet. Diese Last wurde monoton bis zum Versagen gestei­gert. Das experimentell ermittelte Last-Verformungs­Diagramm in Riegelmitte ist in Abb. 9 mit unserer Garnputersimulation [Chen 2001] verglichen, diese zeigt geringfügig größere Steifigkeiten und eine um

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ca. 6% höhere Versagenslast Po = 50,0 kN als Folge zu steifer Verbundmodellierung.

Viel informativer hinsichtlich der nichtlinearen De­formationsphänomene (Zustand I, beginnende Rißbil­dung, Rißverzweigung und -aufweitung, Tragwerks­versagen) ist zur Detektion der auftretenden Schädi­gungen erwartungsgemäß der Verlauf der beiden ersten eigenfrequenz-basierten Schädigungsindikato­ren auf Abb. 10.

1.0

o-~ 0.8

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I ! I

0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

Lastfaktor A.1, Last A.1 P~ Lastfaktor A.2, Last P;+ A,H

Abb. 12: Schädigungsentwicklung unter (A.1 P0*) und (Po*+ A.2 H)

Im zweiten Experiment wird der Rahmen zunächst durch Vertikallasten bis P0* = 0,53 Po = 26,5 kN vor­geschädigt. Unter Aufrechterhaltung dieser Vorlast erfolgt sodann die Push-Over-Belastung durch eine Horizontallast H, bis der Rahmen bei H = 14,15 kN versagt. Dieser Versagenslast entspricht eine spektra­le Beschleunigungswirkung von 2,89 g auf den Riegel. Das Last-Verformungsdiagramm dieser zweiten Be­lastungsphase, bezogen a~f die horizontale Riegel­verschiebung u, findet sich in Abb. 11. Erneut sind der experimentell beobachtete und der computer­simulierte Verlauf gegenüber gestellt. Von den ersten beiden Schädigungsindikatoren auf Abb. 12 be­schreibt D1 den Versagenspfad in der erwarteten Weise.

7 SCHÄDIGUNG EINES KÜHL TURMS

Das abschließende Beispiel bezieht sich nicht auf seismische Erregungen, sondern behandelt einen unter Sturm und Betriebseinwirkungen im Laufe sei­ner Lebensdauer erheblich geschädigten Naturzug­kühlturm. Es soll zeigen, wie vorzüglich die Schädi­gungsklassifizierung nach [FEMA 273] gemäß Tabelle 1 auch auf andere Schädigungsprobleme des kon­struktiven Ingenieurbaus Anwendung finden kann. Die Zahlenwerte sind aus Gründen des Kundenschutzes verfälscht.

Schädigungsindikatoren zur Vulnerabilitätseinstufung

Kühlergeometrie

0.16m

Wandstärke

Abb. 13: Schalengeometrie und Wanddicke eines geschädigten Kühlturms

Der auf Abb. 13 dargestellte Turm werde durch sein Eigengewicht G, den Entwurfswind (Orkan!) W, die Betriebstemperatur LI. T 45K sowie durch einen bauart­spezifischen hygrischen Schädigungsprozeß LI. T hygc

beansprucht. Abb. 14 zeigt die nichtlinearen Last­Verformungskurven von drei maßgebenden Lastfall­kombinationen, aufgetragen jeweils über dem Wind­lastfaktor A.. Für die gleichen Kombinationen enthält Abb. 15 die Verläufe des jeweils ersten Schädigungs­indikators D1, ebenfalls basierend auf der Evolution der Eigenfrequenzen. Diese drei Verläufe beschreiben für alle drei Kombinationen den jeweiligen Weg zum Tragwerksversagen. Erneut sind sie auf den Windlast­faklar A. bezogen. Auch ohne weitere Kenntnis des Bauwerks wird- wie bereits auf den Abb. 10 und 12-die durchaus sinnvolle Definition der Schädigungsstu­fen nach [FEMA 273] bzw. Tabelle 1 deutlich.

8 ZUSAMMENFASSUNG

Im Vordergrund a-seismischen Konstruierens steht in der DIN 4149 der Personenschutz. Doch mit den Wertsteigerungen der Bauinvestitionen und den Wert­verlagerungen auf nichttragende Haustechnik, Instal­lation und Einrichtung nimmt auch in Deutschland der Gesichtspunkt verstärkten Sachwerteschutzes zu. Soll diesen Aspekten bei Erdbebenrisiken Rechnung ge­tragen werden, so müßten zusätzliche verschärfte Grenzzustände für den Tragwerksentwurf eingeführt werden.

Für die USA macht [FEMA 273] hierzu Vorschläge. Ihre Abgrenzung erfolgt durch Nennung von Trag­werks-Schädigungsniveaus, ohne die verwendeten

21

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Schädigungsindikatoren zur Vulnerabilitätseinstufung

2.49 2.52

2.47

G +'AW:o

G+ßT45K+'AW"A

G + L1 T45K +ß Thy9,+ 'A W:c

Verformung [ m]

~

~

~

'"" ~ :fl ~

,g 00 ~ --'

~

ci

Abb. 14: Last-Verlormungspfade verschiedener Last­

kombinationen für Punkt B

~ '_";;:,-,----o-, ~-1_---.t', .-9-"-c"-.-,,-g,-TI-,---,-,---,~-,--, ~ ;;; ~ ____ ___ f1, ungeschad1gt ~ ~- _ --

Lo·-···· I ~~ I G+/..W- I ~ - G+t.T +'AW- -;--:g 45K

1

: . =·Jf---1······ G + t.T45K +t.Thygc+ A W1 of' ~ -o. _c;;,CP rl d

-"' J ""J++of.o1, +rM' -o--.r;· ;:_"11':: ~ ~ ~ ~ S ~ ~sl-----1-- -- -- 1

I I _.,/ I • •

u u u u u •• •• •• u u u u u u Lastfaktor A

Abb. 15: Erster Schädigungsindikator für verschiede­

ne Lastkombinationen

Schädigungsindikatoren genauer zu spezifizieren. Die

vorliegende Arbeit schlägt hierzu die Lastpfadevoluti­

on der tangentialen Steifigkeitsmatrix KT vor. Sie leitet

aus deren Eigenwerten bzw. Eigenfrequenzen ' unter

quasi-statischer Idealisierung mittels einer Push-Over­

Analyse - die bei [FEMA 273] offenen Schädigungsin­

dikatoren her und zeigt deren Anwendung anhand

dreier Beispiele.

9 LITERATUR

Chen, F. (2001), Numerische Simulation des nichtlinearen

Trag- und Schädigungsverhaltens von Stahlbeton-Stabtrag­

werken bei monotoner und zyklischer Belastung, VDI-Fort­schritt-Berichte, Reihe 4, Nr. 171, VDI-Verlag Düsseldorf.

DiPasquale, E. & Cakmak, A. S. (1987), Detection and as­

sessment of seismic structural damage. National Center for

Earthquake Engineering Research, Technical Report

NCEER-87 -0015, State University of New York, Buffalo.

Ernst, G. C., Smith, G. M., Riveland, A. R. & Pierce, D. N.

(1973), Basic reinforced concrete frame performance under

vertical and horizontal Ioads, AC/ Journa/4, 261-269.

22

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Seismic vulnerability of cultural heritage buildings in Switzerland

Myl<'me Devaux 1, Pierino Lestuzzi1

1Applied Computing and Mechanics Labaratory (ENAC-IS-IMAC), Ecole Polytechnique Federale de Lausanne

1 INTRODUCTION

Switzerland is not only rich in monumental buildings of European importance, but also in a large diversity of architectural styles and types. Every artistic current, from the Romanesque style to the Neo-gothic one, is weil represented through edifices of diverse value erected throughout the whole country.

ln the past, earthquakes struck the Swiss ground and seriously damaged cultural heritage buildings. For instance, the most violent earthquake recorded in the central part of Europe (1356) had its epicentre situ­ated in the Basel area; almost every building of this citywas partially or highly damaged.

The seismic safety of common buildings is nowa­days weil dealt with in Switzerland through modern building codes. On the contrary, the seismic vulner­ability of cultural heritage buildings has been only addressed. ln order to fill this gap, a national research program was recently initiated, whose main purpose is to develop a methodology that allows us to assess the seismic vulnerability of monumental buildings.

lt was decided to base the research on the struc­tural analysis of one or a few representative buildings whose results will be extended to other Swiss edifices. The cathedral of Sion was chosen to be focused on at first, because it is a basilica, which is the major kind of configuration of Swiss churches, and also because it is sitliated in Valais (highest seismic hazard zone in Switzerland).

ln the first stages of this research, the seismic vul­nerability of the cathedral was assessed through sim­plified methods of calculation. This paper presents the results obtained up to this stage.

2 CULTURAL HERITAGE BUILDINGS IN SWIT­ZERLAND

After being under Roman domination, Switzerland was quickly Christianised. As early as the 4'" and 5'"

c., nine bishoprics have been attested in the (Chur, Vindonissa, Augusta Raurica, Bille, Avenches, Yver­don, Martigny, Nyon and Geneva (Speich et al. (1979)).The most ancient Christian building still stand­ing in Switzerland (baptistery of Riva San Vitale, Tes­sin (Figure 1)) dates from the beginning of the 51

" c. During the Carolingian period (8'"- 9'" c.), sacred

architecture was characterized by a new growth. The convent of Müstair (Figure 1) is one of the few build­ings still remaining from this period.

Fig. 1: Map of Switzerland.

After the Carolingian Empire decline, the Swiss area was broadly under domination of the Kingdom of Burgundy in the weslern part, of the duchy of Souabe in the east and Milan reigned over the southern part (Speich et al. (1979)). All these cultures highly influ­enced the architectonic style of the Swiss edifices erected at !hat time. Moreover, these cultures some­times merged Iogether and many edifices from !hat time present marks of different styles. For instance, the cathedral of Basel, which included ltalian, Burgun­dian and French infiuences, is the greatest monumen­tal building dating from the end of the Romanesqua period.

23

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Seismic vulnerability of cultural heritage buildings in Switzerland

Gothic architecture appeared in Switzerland in the end of the 12'h century. Whereas the alpine regions were reluctant to adopt this new architectural style (the Romanesque style survived almost until the end of the Middle Ages as shown by the bell towers of churches in Valais and in Tessin), it was not the case of the cities and their surroundings. The greatest Gothic monumental edifice in Switzerland, which is also the first main gothic sacred edifice in Burgundy, is probably the cathedral of Lausanne. Erected later (1421), the collegial of Bern is likely to be the most important edifice of fiamboyant Gothic architecture.

The Renaissance style was, in a general way and except southern Switzerland and the ltalian valleys of eastern Switzerland, not adopted in Switzerland since it was considered pagan.

The Baroque architectural style appeared in Swit­zerland in the 17'h century. Amongst the master edi­fices, we can quote the abbey of Einsiedeln (Figure 2) and the abbey of SI-Gallen.

Fig. 2: Abbey of Einsiedeln (source: Tourism information centre of central Switzerland).

The Neo-classicism (18th c.) is also quite weil rep­resented in Switzerland; a great example is the cathe­dral of Solothurn. Neo-classicism and Neo-gothic in­fluenced the architectural styles of the edifices built during the 18th and 19th centuries.

3 SEISMIC HAZARD IN SWITZERLAND

Although the seismic activity in the Alps region is not as intense as in the Andes or in the Himalayan region Switzerland presents a moderate seismic hazard.

Since the 1oth c. and until 2001, 40 earthquakes of a higher intensity than or equal to VII were recorded, 12 with an intensity higher than or equal to VIII and finally, one very strong earthquake whose intensity was equal to IX (Fäh et al. (2003)).

24

ltue-noily

0 IX

0 vm 0 vu

0

0

0

0

I

Fig. 3: Historie earthquakes with an intensity higher than or equal to V between 1000 and 2001 (source: Fäh et al. (2003)).

As is shown by Figure 3, the seismically most vul­nerable regions are: the Valais, the Basel region, the central region of Switzerland, the Rhine valley and the eastern part of the country.

3.1 Seismic hazard in Valais

The area of the canton of Valais is included within an unfavourable Ieetonic area which is crossed by sev­eral important E-W splits.

Research carried out at the Swiss seismological service has showed that a seism with an intensity of VIII-IX on the EMS-98 scale was likely to occur in Valais with a return period of 4 75 years. Furthermore, the Rhone valley is filled with several meters deep alluviums which could be harmful to the buildings stock since it might be at the root of site effects, i.e. amplification of the seismic waves and/or liquefaction of soil. The V-shaped Rhone valley might also inten­sify waves amplitudes.

4 SEISMIC VULNERABILITY OF THE SWISS CULTURAL HERITAGE BUILDINGS

Fig. 4: Engraving of the city of Basel alter the earthquake which occurred in 1356 in this region (Source: Swiss Reinsurance Company (Historie earth­quakes in Europe)).

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The earthquake, which occurred in October 1356 in Basel, caused very serious darnage to every kind of buildings. Moreover, in the "Roten Buch" (red book) of the city of Basel, il is written: "One should know !hat this city was destroyed and broken inlo pieces by an earthquake; no church, no tower and not even a ma­sonry house remained completely intact in the city and the surroundings [ ... ]".

As is quite obvious in Figure 4 and as is often re­ported in archives, by woodcuts, engravings, papers and correspondences, the most vulnerable parts of the monumental buildings are the bell towers and the vaults.

Archives documenls also show clearly !hat monu­mental buildings like churches are seismically more vulnerable than common buildings.

4.1 Seismic vulnerability of churches

When hit by an earthquake, common buildings must be resistant enough in order to keep people safe in­side it. On the contrary, whal matters most in the case of churches is to keep inlact the whole structure as weil as the movable goods inside the edifice. This condilion requires a thorough understanding of the seismic response of the church.

Nevertheless, the structural analysis of monumen­tal edifices under dynamic actions is particularly com­plicated because of their structure complexity, the material non-linearily, etc. Besides, dimensions and material properlies are often unknown and enhanced therefore lhe calculation difficulties.

On the other hand, regarding their structure which is essentially characterized by the architectural style applied, the building techniques used and also the malerials employed, each church is unique. This fact makes the results obtained from the seismic analysis of one church generally unsuitable to be directly ap­plied to other edifices. Therefore, lhe development of a melhodology which would allow us to assess the seismic vulnerability of a large number of churches is quite complex (Doglioni et al. (1994)).

II is also worth noling !hat besides the difficulties sei out above, the return period of the seismic evenl to be Iaken into account in the case of churches is higher than for common buildings since their lifespan is usually longer.

4. 1. 1 Seismic vulnerability of churches in Valais

The three major earthquakes, which occurred in lhe Valais since the 181

h c., namely in 1755, 1855 and 1946, caused serious darnage to many common build­ings and especially to monumental edifices. For in-

Seismic vulnerability of cultural heritage buildings in Switzerland

stance, one of the serious darnage recorded is the collapse of the spire of the St-Martin's church tower in Visp (Figure 5), due to lhe earthquake of 1855. Be­sides, after collapsing, the spire feil down onto the nave vaults.

Before the earthquake After the earthquake

Fig. 5: Darnage on the Saint Martin's church due to the earthquake of 1855 in the Visp region. (Source: Schmid (2001), the Swiss seismological service).

Churches in the valley of Visp also sustained seri­ous darnage after lhe seismic event of 1855. The church in Sankt Niklaus was highly darnage and had to be rebuilt as many olher edifices in lhe same re­gion. Besides, two chapels of the Procession lane of Visp were also seriously hil by lhe earthquake. While one edifice completely collapsed (Figure 6), the ceiling vaults of the other one feil down.

Fig. 6: Ruins of a chapel in Visperterminen (close to Visp) that collapsed in 1855.

The canton of Valais was struck again in January 1946. This time, as the epicentre was situaled lo the north of Sion, the cenlral part of the canlon was par­licularly hit. Almost every church in this region was partially or highly damaged; their bell tower especially sustained severe darnage and somelimes had to be rebuilt.

The church of Chippis (close to Sierre) was highly damaged by the seismic evenl of 1946. As you can see in Figure 7, the ceiling vaults collapsed.

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Seismic vulnerability of cultural heritage buildings in Switzerland

Fig. 7: Church of Chippis alter the earthquake occurred in 1946 (Source: Keystone/Photopress).

5 THE CATHEDRAL OF SION

The edifice, with Latin cross-shaped plan, has the architectural features of a basilica. lts vessel is com­posed of a central nave flanked by !wo aisles along three bays, a Iransept and a chancel with a polygonal apse. The sacristy and the chapels are placed on the chancel sides (Figure 8).

5.1 The structure

Each bay of the nave has quadripartite rib vaults. The buttresses, which resist the thrust coming from the vaults, follow the roof of each aisle and the thrust is brought down to the ground through massive pillars adjoining the wall (Figure 9).

Fig. 8: Plan of the cathedral of Sion (Ribordy Evequoz et al. (1995)).

The Romanesqua bell tower was built during the 12'h century. At first, there was only one side con­nected to the rest of the church; then, as they built a small chapel along its north fagade, the tower became almest completely integrted in the church (!wo walls are connected to the church).

5.2 The seismic vulnerability of the cathedral of Sion

From a seismic point of view, the most vulnerable structural elements are a priori the bell tower and the

26

vaults. The Iransept walls might also be seismically vulnerable and especially in their out-of-plan direction.

The last important seismic event which occurred in 1946 mainly damaged the upper part of the tower: the spire tip was broken and the masonry of the last sto­reys was highly dislocated.

5.2. 1 The tower seismic vulnerability

The tower is about 45 m high and has a squared cross-section of about 1Om x 11m. The three upper storeys are opened by arched windows.

Fig. 9: Views of the cathedral.

The calculations are based on a simple model of a cantilever beam with 6 punctual masses (Figure 10). The dynamic actions are determined according to the equivalent force method and also to the Swiss build­ing code SIA 261, 2003.

The masses include the walls weight, the wooden floors weight and the bells for the mass 4 (Figure 10).

For calculating the section resistance, four L parts were allowed for in the storeys 3, 4 and 5 (s3, s4 and s5 in Figure 1 0); both first storeys were modelled with­out openings.

Assumptions on the structural behaviour:

- The base is rigid enough for being allowed for fully restrained and the embedment is situated at 5 m from the ground (Figure 1 0),

- The tower is free from the rest of the structure, - The rigidity distribution as weil as the masses dis-

tribution allows the application of the equivalent force method,

- The behaviour factor q is assumed to be 1

Assumptions about materials and weights:

- The masonry is not cracked and is uniformly made of Iimestone with cement.

Results: The calculated (by Rayleigh's quotient) fre­quency f, is about 1.26 Hz and its period T, = 0.79 s;

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Nave ~

M6 5.4 m s6

M5 4.2m s5

s4 M4

4.6m M3

5m s3 M2

4.6m

5m 0

Fig. 10: Model of the tower with its cross-section.

fy is about 1.14 Hz and its period Ty = 0.88 s. ln both directions, the main problern appears at the fourth Ievei (Figure 1 0), which is probably due to the mass of the bells as weil as quite a vulnerable section (wide open space due to windows). The bending moments resulting from horizontal actions are too high for the structure, whose walls (s3 and s4, Figure 1 0) are ac­tually not resistant enough to the seism defined by the Swiss codes for the region of Valais. The first storeys cross-section is massive and resistant enough to the moments induced by the seismic actions. Besides, cross-sections along the tower height resist the shear force due to the seismic actions.

These results, although resulting from calculations using simple models, show that this structure is seis­mically vulnerable. Further calculations will be per­formed in order to improve the accuracy of the present results. lt is worth noting that this vulnerability must have been already known few decades ago, since reinforced concrete head beams were carried out (at s5 Ievei, Figure 1 0) and connected to the beneath masonry with vertical pre-stressing tie-rods.

5.2.2 Seismic vulnerability of the transepts main side

The transepts main side is seismically vulnerable in its out-of-plane direction essentially. ln order to assess it, the applied calculation methodology is Iaken from Lagomarsino et al. (2002), (2005) and the proposed equations are:

- Without taking into account tie-rods:

S =A=!_ a h (1)

- With tie-rods:

Seismic vulnerability of cultural heritage buildings in Switzerland

X

4.4 m y

102m~~ :;['1.3 m

I.

10.8 m

s h'·T. S =A=-+2 °

a h h·mg (2)

Where:

- Sa: Spectral acceleration activating the collapse mechanism

- T0 : Interna! force in the tie-rod - h: Wall height - h': Height of the tie-rod anchorage - s: Wall width - m: Mass ofthe wall

h2= 13.6 m

h=15 m

h,'=8.6 m

Fig. 11: Plan of the south wall of the south Iransept

Assumptions on the structural behaviour:

- Transeptswall behaves as a rigid body,

- Windows do not have other effects on the out-of-plane behaviour than just a Iack of material,

- Tie-rods are weil embedded in the perpendicular walls fabric.

Note: according to the assumptions, Sa is equal to the peak ground acceleration.

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Seismic vulnerability of cultural heritage buildings in Switzerland

Results: The first step does not allow for the tie-rods and the maximal ground acceleration that can be withstood by the structure (without the overturning of the fa<;;ade) is Sa= 0.8 m/s2 This value is actually lower than the acceleration determined in the Swiss code (a9d=1.6 m/s2

) (SIA 261, 2003); consequently, the considered wall might be quite seriously damaged in case of an important seismic event (according to the code). Taking into account the tie-rods highly im­proves the resistance of the wall against horizontal actions. The maximal ground acceleration that could be withstood by the wall is actually Sa= 2.8 m/s2

,

which is higher than 1.6 m/s2. ·

According to the model and its assumptions, the Iransept walls are resistant enough to the prevalent seismic event determined by the Swiss code.

5.2.3 Discussion

According to these first and quite simple calculations, the bell tower is seismically vulnerable. Nevertheless, the model accuracy must be improved in order to take into account every prevalent parameter that can influ­ence the dynamic behaviour of the tower. Conse­quently, for instance, as the boundary conditions must be as close as possible to the reality, the link between the tower and the other structural parts of the church

· must be allowed for. The impact of diverse masses that belang to the structural elements must be better defined and modelled, like the reinforced concrete ring beam at the last Ievei (s5 in Figure 10). Amongst the assumptions made in the calculations, the diaphragms were assumed rigid; this is actually not exact since the floors are actually supported by a flexible timber struc­ture. This fact has also to be allowed for in the next stages of calculations. Finally, the masonry state of decay and the impact of its creep are also relevant parameters regarding the seismic vulnerability of an edifice.

The assessment of the seismic vulnerability of the transepts shows that, thanks to the tie-rods that link the Iransept front side and lateral walls, they are not highly vulnerable in their out-of-plane direction. How­ever, the resistance from the masonry connection between perpendicular walls is not taken into account and the anchorages quality must be checked and defined. The in-plane structural behaviour must be also verified.

Furthermore, the dynamic structural behaviour of the nave, then the vaults- pillars system must be ana­lysed in order to assess its seismic vulnerability. As it might be deficient during a seismic event, the dynamic response of the apse has also to be studied. Finally, all these studies about different parts of the structure

28

will Iead towards the understanding of the general dynamic response of the edifice.

6 CONCLUSION

As stated above and though with quite simplified methods of calcu!ation, the tower is seismically vul­nerable. This result tallies the need of further more accurate investigations. Concerning the transepts, it seems that they do not present high seismic vulner­ability; nevertheless, their seismic resistance is not enough, regarding the prevalent seism determined in the Swiss codes, without tie-rods. A more detailed study is then, in this case, also required.

Further analyses will be made through more com­plex and detailed methods of calculations, like FEM or the application of the Limit equilibrium analyses in an advanced way. Field tests will be also carried out in order to define mechanical properlies of masonry and also to calibrate the models.

Finally, these preliminary results are going to be completed by further studies about the seismic vul­nerability of other edifices in Switzerland and espe­cially in the canton of Valais.

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Versuche zum Verformungsvermögen gering bewehrter Stahlbetontragwände unter statisch-zyklischen Einwirkungen

Christi an Greifenhagen 1 und Pierino Lestuzzi1 1Applied Computing and Mechanics Labaratory (ENAC IS I MAC)

Ecole Polytechnique Federale de Lausanne

1 EINLEITUNG

Die Beurteilung der Erdbebensicherheit bestehender Gebäude gewinnt mit der Neubewertung der Erdbebeneinwirkung in der Schweiz zunehmend an Bedeutung. Eine Vielzahl von Gebäuden weist gedrungene Tragwände auf, die hauptsächlich für den Abtrag von Schwerelasten konzipiert erheblich zur horizontalen Aussteilung beitragen. Da solche Tragwände meist nur Mindestbewehrung besitzen sowie eine für Erdbebeneinwirkungen geeignete konstruktive Ausbildung der Bewehrung fehlt, kann ein sehr ungünstiges, von Schubmechanismen dominiertes Erdbebenverhalten resultieren.

Diese Einschätzung widerspricht jedoch Beobachtungen von tatsächlich in Folge schwerer Erdbeben eingetretener Schäden. Fintel (1995) weist darauf hin, dass Wandscheibenbauten ohne duktile konstruktive Durchbildung selbst bei schlechter Ausführungsqualität ein überwiegend günstiges Erdbebenverhalten zeigen. Weiterhin wird ausgeführt, dass bei Wandscheibenbauten im Vergleich zu Rahmenstrukturen wegen der grösseren Steifigkeit die Schäden an nichttragen den Bauteilen wesentlich geringer sind.

Mit verformungsbasierten Verfahren kann das Erdbebenverhalten von Tragstrukturen realistischer erfasst werden, als dies mit kraftbasierten Verfahren der Fall ist (Priestley (1997)). ln der Schweiz wurde Ende 2004 mit Einführung des Merkblatts SIA 2018 eine Grundlage für die Anwendung verformungs­basierter Verfahren in der Beurteilung der Erdbebensicherheit von Gebäuden geschaffen (SIA 2018 (2004)). Voraussetzung für die Anwend­barkeit dieses Verfahrens ist allerdings, dass der Schubwiderstand grösser oder gleich der erhöhten Querkraft ist, was der Kapazitätsbemessung entlehnt wurde um sprödes Schubversagen auszuschliessen.

Ist dies nicht der Fall, wird die Erdbebensicherheit mit dem gewohnten kräftebasierten Verfahren beurteilt.

Die Untersuchung von Versuchsergebnissen aus der Literatur zeigte, dass das statisch-zyklische Verformungsvermögen von gedrungenen Tragwän­den, wie sie für bestehende Gebäude in der Schweiz typisch sind, nicht aus den zur Verfügung stehenden Daten extrapoliert werden kann (Greifenhagen et al. (2005a)).

Der Versagensmechanismus von Tragwänden wird durch Normalkraft, Bewehrungsanordnung sowie Auflagerbedingungen beeinflusst. Schubversagen infolge Schrägzug ist vor allem für Wände mit starker Biegebewehrung in den Endbereichen des Querschnitts sowie Einspannung am Wandkopf zu erwarten (Hidalgo et al. (2002)). Bei gedrungenen Wänden hat dabei die Schubbewehrung nur geringen Einfluss auf Schubwiderstand und Verformungsver­mögen (Foure (1993)). Bei schlanken Tragwänden ohne Einspannung am Wandkopf, was wegen der geringen Biegesteifigkeit der Decken im Vergleich zur Biegesteifigkeit der Tragwand für Wandscheiben­bauten realistisch ist, können sich hingegen in Abhängigkeit von Normalkraft, Bewehrungsanordn ung und Eigenschaften des Bewehrungsstahls für das Erdbebenverhalten günstige Biegemechanismen ausbilden (Dazio et al. (1999)). Dazu sind nur relativ geringe Querbewehrungsgehalte notwendig.

Ziel der hier vorgestellten Versuchsreihe ist die Untersuchung des statisch-zyklischen Verformungs­vermögens von nicht-duktil ausgebildeten, gedrungenen Tragwänden. Versuchsparameter sind Betondruckfestigkeit, Querbewehrungsgehalt und bezogene Normalkraft. Besondere Bedeutung wird dabei dem Versagensmechanismus und dem Einfluss des Schubtragverhaltens auf das Verformungsver­mögen .zugewiesen ( Greifenhagen et al. (2005b)). Der Versuchsbericht steht auf der Internetseite des Erstauthors zum Download bereit.

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C. Greifenhagen und P. Lestuzzi

M1 Yt;:: M2

~+f- V II 0.017 < n < 0.027 0.017 < n < 0.027

Ph=0.003 t;-so N/mm2

Ph=O.ODO Pv=D.003 Pv=0.003

-y. 0 ~ m w + w ~

'· ~J c j .c NO.

a)

n T7 ~/// f/1//////

-Jf'·'o:''e.,Jr-· --"'"'--~Jf'·'"'oo~Jf-· ~ (mmJ

b)

M3 t;-20 Nfmm2

M4 0.09<n<0.10

0.5n 0.044 < n < 0.056

ph:Q.003 Ph=0.003 Pv=0.003 Pv=0.003

Abb. 1: Versuchsprogramm mitschematischer Darstellung des Versuchsaufbaus (a) und der Versuchsparameter (b).

2 VERSUCHSBESCHREIBUNG

2.1 Versuchsprogramm

Das Versuchsprogramm umfasst zwei Versuchsreihen mit jeweils zwei Versuchskörpern, die den unteren Teil einer Tragwand im Massstab 1:3 abbilden. Der Versuchsaufbau sowie die Versuchsparameter sind in Abb. 1 schematisch dargestellt. Als statisches System wurde ein Kragarm gewählt, am Wandkopf ist damit eine Rotation möglich.

Die Modeliierung der Tragwand unter Erdbebeneinwirkung als Kragarm mit Einzellast am Kragarmende und Längskraft gründet sich auf folgende Annahmen: erstens, die wegen der geringen Biegesteifigkeit der Decken geringe Rahmenwirkung der Tragwände untereinander, zweitens die Dominanz der ersten Eigenform im dynamischen Verhalten von mehrgeschossigen Gebäuden und drittens die Abbildung des Schwingungsverhaltens der ersten Eigenschwingungsform durch einen modalen Einmassenschwinger.

2.2 Versuchsparameter

Einen Überblick über die Versuchsparameter gibt Abb. 1. Es wurden drei Parameter gewählt:

Querbewehrungsgehalt - Bezogene Normalkraft - Betondruckfestigkeit

ln der ersten VersuctTeihe wird der Einfluss der Querbewehrung untersucht. Dazu wurde die mit Wand M1 baugleiche Wand M2 ohne horizontale Bewehrung ausgeführt. Betondruckfestigkeit und bezogene Normalkraft blieben in etwa gleich.

Ziel der zweiten Versuchsreihe ist es, den Einfluss der bezogenen Normalkraft zu untersuchen. Da die maximale vertikale Vorspannkraft durch den Versuchsaufbau begrenzt ist, wurden Betondruckfestigkeit und Querschnittsfläche reduziert,

30

was bei gleicher Va-spannkraft die Erzeugung einer höheren bezogenen Normalkraft erlaubt.

2.3 Versuchsaufbau

Die Versuchskörper gliedern sich in drei Teile, Kopfbalken, Wand und Sockel, wobei der Kopfbalken der Krafteinleitung und der Sockel der Verankerung der Biegebewehrung der Wand und der Lagesicherung des Versuchskörpers dient. Der mittlere Teil, die Wand, stellt die zu untersuchende Tragwand dar. Sie ist im Sockel eingespannt. Die Wandlängen und Wanddicken der einzelnen Versuchskörper sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Die vertikale Bewehrung aller Tragwände bilden gleichmässig über die Wandlänge verteilte Be­wehrungsstäbe von 6 mm Durchmesser in zwei Lagen (Abb. 2.). Dies führt zu einem Längsbewehrungs­gehalt von 0.3%. Die Verankerung der Biegebe­wehrung wird durch Einbinden in Kopfbalken und Sockel sichergestellt. Geschlossene Bügel mit 135'­Endhaken fungieren als Querbewehrung. Obwohl dieses Detail in der Regel nicht in Tragwänden bestehender Gebäude zu finden ist, wurde es für diese Versuchsreihe gewählt, um die Verankerung der Querbewehrung zu gewährleisten. Dieser Kompromiss ist wegen der geringeren Länge der Versuchskörper im Vergleich zu realen Tragwänden notwendig.

Die Versuchskörper wurden liegend betoniert. Betonierfugen, wie sie in tatsächlichen Tragwerken

Wand Iw f,

[mm] [mm] [MPa]

M1 1000 100 50.7

M2 1000 100 51.0

M3 900 80 20.1

M4 900 80 24.4

Tabelle 1: Abmessungen der Wände und mittlere Betondruckfestigkeit (Zylinderdruckfestigkeit).

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Gering bewehrte Stahlbetontragwände unter statisch-zyklischen Einwirkungen

Schnitt A-A Schnitt B·B

!•A !•s Schnitt C-C

Ii» 5x190

Abb. 2: Bewahrung der Wände M1- M4.

(Abmessungen in mm)

Bewehrung wande M11M2

zwischen Wänden und Decken üblich sind, wurden nicht ausgeführt. Damit verbessert sich die Schubübertragung zwischen Wand und Sockel. Ein den Schubwiderstand begrenzender Gleitmechanis­mus wird dadurch nicht ausgeschlossen, es ist dazu aber eine gewisse Anzahl von Zyklen notwendig in denen auf die Wand eine höhere Schubkraft aufgebracht werden kann, um den Widerstand anderer Bruchmechanismen zu untersuchen.

Horizontale und vertikale Kräfte werden über den Kopfbalken in die Wand eingeleitet. Die Höhe des Kopfbalkens wurde so bemessen, dass am Wijndkopf mit einer über die ganze Wandlänge verteilten Normalkraft zu rechnen ist. Hierfür wurde ein Lastausbreitungswinkel von 45" angenommen. Der Sockel wurde mit vier Stabspannstählen gegen den Reaktionsboden der Versuchshalle vorgespannt, um ein Abheben während des Versuchs zu vermeiden.

Die statisch-zyklischen Horizontalkräfte werden über hydraulische Pressen an den beiden Stirnseiten des Kopfbalkens aufgebracht. Durch abwechselnde Betätigung dieser Pressen wird eine statisch-zyklische Belastung mit Lastumkehr erreicht. Die Pressen stützten sich jeweils auf einen Reaktionsrahmen aus Stahlprofilen ab. Beide Reaktionsrahmen ermög­lichten auch die seitliche Stabilisierung der Versuchs­körper.

Zwei Stabspannglieder von je 12 m m D.Jrchmes­ser erzeugen eine vertikale Verspannung, die eine Normalkraft infolge vertikaler Lasten z.B. infolge Auflagerkräften der Decken modelliert. Die unteren Enden der Stabspannglieder wurden in einer Aussparung im Sockel verankert. Die oberen Enden der Stabspannglieder dienten dem Aufbringen der Verspannung, sie stützten sich über Spiralfedern gegen den Kopfbalken ab. Die Spiralfedern verringerten die Steifigkeit des vertikalen Vorspannsystems, um den Normalkraftzuwachs

Ansicht i• D 1• E Schnitt 0-D Schnitt E-E

.~D !•E Schnitt F-F )~06) /~4{04)

«<I 4x219

i. !i i : ~ i

(Abmessungen in mm)

Bewehrung Wände M3/M4

infolge vertikaler Verschiebungen während des Versuchs zu reduzieren.

Die Regelung der Normalkraft war während des Aufbringans der Horizontalkraft nicht möglich. Den Vorteilen eines einfachen und robusten Versuchsaufbaus stand so der Nachteil einer in Abhängigkeit der vertikalen Verschiebungen variierenden Normalkraft gegenüber. Der Einfluss dieser Variation auf die Versuchsergebnisse ist jedoch gering.

2.4 Materialeigenschaften

2.4.1 Beton

Für die Herstellung der Versuchskörper wurde Beton mit 16 mm Grösstkorn verwendet. Durch Veränderung des Wasser-Zementwertes und des Zementgehalts konnte die Betondruckfestigkeit in der zweiten Versuchsreihe reduziert werden. Die in Tabelle 1 angegebenen Betondruckfestigkeiten (f c) sind die mittleren Druckfestigkeiten beim Versuch und nicht die 28-Tage Betondruckfestigkeiten nach ein­schlägigen Normen. Sie wurden in zentrischen Druckversuchen an jeweils drei Zylindern mit 160 mm Durchmesser und 300 mm Höhe bestimmt. Die Prüfzylinder wurden, zusammen mit dem jeweiligen Versuchskörper betoniert, unter gleichen Bedingungen wie dieser gelagert und unmittelbar nach dem Versuch getestet.

2.4. 2 Bewahrung

Der Bewehrungstyp D6 (Tabelle 2) wurde bei allen Wänden für die vertikale Bewahrung und bei Wand M1 auch für die Querbewahrung verwendet. in Tabelle 2 bezeichnet t die 0.2% Fliessgrenze, t die Zugfestigkeit, Ey die Fliessdehnung, •. die Dehnung bei Höchstlast und fuify das Verfestigungsverhältnis.

31

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C. Greifenhagen und P. Lestuzzi

Typ fy f" •, E "

f.Jf,

[MPa] [MPa] [%] [%] [-]

D4 745 800 0.37 2.91 1.07

D6 504 634 0.29 11.1 1.26

Tabelle 2: Eigenschaften der Bewahrung.

Die Dehnungen wurden mit Feindehnungsmessern der Basislänge 100 (D4) bzw. 200 mm (D6) bestimmt. Aus den in der Tabelle 2 angegebenen Werten sowie dem exemplarisch dargestellten Verformungsver­halten in Abb. 3 ist erkennbar, dass es sich bei Typ D4 um einen kaltverformten Betonstahl mit geringem Verfestigungsvermögen und bei Typ D6 um einen naturharten Betonstahl mit relativ grossem Verfestigungsvermögen handelt.

Es war wichtig, für die Längs bewehrung einen naturharten Betonstahl zu verwenden, da einerseits in bestehenden Bauwerken eher naturharte Betonstähle als kaltverformte Stähle anzutreffen sind und andererseits das Verfestigungsvermögen des Betonstahls einen bedeutenden Einfluss auf das statisch-zyklische Verhalten von Betonbauten hat.

2.5 Messeinrichtung

Die Versuchskörper wurden mit Kraftmessdosen und induktiven Wegaufnahmern ausgerüstet, um während des Versuchs Kräfte und Verschiebungen zu messen. Die Kraftmessdosen zur Erfassung der Schub- und Längskraft sowie die Wegaufnehmer wurden automatisch ausgelesen und die Daten gespeichert.

Die Lage der Wegaufnehmer zur Erfassung der Wandkopfauslenkung ist in Abb. 1 dargestellt. Weitere Wegaufnehmer wurden an den Stirnseiten und entlang der Einspannung der Wand angeordnet. Details zur Messeinrichtung können in Greifenhagen et al. (2005b) eingesehen werden.

2.6 Versuchsablauf

Nach einer Nullmessung, dem Aufbringen der Normalkraft und einer weiteren Nullmessung wurde die statisch-zyklische Horizontalkraft mit der in den Abbildungen 4 und 5 dargestellten Belastungs­geschichte aufgebracht.

Die Versuche M1 und M2 erfolgten kraftgesteuert. Mit Horizontalkräften von 25, 50, 75 und 150 kN wurden jeweils zwei Belastungszyklen durchgeführt. Danach wurden drei Zyklen mit 200 kN aufgebracht, das war die Maximallast die mit dem gewählten Versuchsaufbau möglich war.

Anschliessend erfolgten ein Absenken der nominellen Normalkraft auf 1 06 kN und jeweils ein

32

800

(ii' 700 a.

,---~04

~ 600

~ I ----­~ 500 ~ g' 400 N

• ~ 300

~ 200

100

Dehnung[%]

Abb. 3: Verformungsverhalten der Bewahrung.

06

Zyklus mit 100 kN und 200 kN Horizontalkraft. ln der Folge wurde die nominelle Normalkraft auf 86 kN verringert und die kraftgesteuerte Belastung bis zum Bruch des Versuchskörpers fortgeführt.

Die Versuche M3 und M4 erfolgten zunächst kraftgesteuert wie in .den Versuchen M1 und M2. Jedoch wurde die Last nach zwei Zyklen nur um 25 kN gesteigert. Bei Erreichen der Proportionalitätsgrenze wurde die gemessene Verschiebung als Lastinkrement für den weg­gesteuerten Teil der Versuche gewählt. Hier erfolgten ebenfalls jeweils zwei Zyklen mit der gleichen Zielverschiebung. Mit dem Erreichen einer

· Schiefstellung von zirka 0.8"/o wurde dann das Lastinkrement verdoppelt und der Versuch bis zum Bruch fortgeführt. Die nominelle Normalkraft war während der Versuche M3 und M4 konstant.

3 VERSUCHSBEOBACHTUNGEN

Bei den vier untersuchten Wänden konzentrierten sich die Verformungen im wesentlichen im unteren Viertel der Wandhöhe. Durch Aufbringen der statisch-

20 0

150 z 100 6 ~ 50

:§ 0

2 50 "§ -100 I

-150

-200

1\ l

II)\ 11 An \j \ l 1/ ' vvAp~I/~MI~ \it t 1 11 \tV

I II \, I

IN-136kNI \ I \1 II ~ li.J-1 I 1 ~I N-86kN I N-

I 1 ~ 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70

Kraftstufe

Abb. 4: Belastungsgeschichte: a) Wand M1, b) Wand M2.

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Gering bewehrte Stahlbetontragwände unter statisch-zyklischen Einwirkungen

zyklischen Lasten wurden insbesondere die Endbereiche der Querschnitte nahe der Einspannung in den Sockel geschädigt. Steigerung der Auslenkung, nicht Erhöhung der Horizontalkraft, führte in allen Versuchen zum Versagen der Versuchskörper.

3.1 Wand M1

Bei Wand M 1 wurde bis zu 150 kN Horizontalkraft nahezu linear-elastisches Verhalten beobachtet. Bis zum Erreichen der maximalen Horizontalkraft von 200 kN konzentrierte sich die Rissbildung in einem zirka 40 mm breiten Bereich am Wandfuss, zwischen dem untersten Bügel und der Einspannung in den Sockel. Über die gesamte Wandlänge bildeten sich mehrere kleinere Risse mit 20-30° Neigung zur Horizontalen, die sich dann unterhalb des ersten Bügels als Horizontalrisse ausbreiteten. ln den Endbereichen der Wand bildete sich je ein stärker geneigter Riss.

Bereits nach dem ersten Zyklus mit 200 kN Horizontalkraft und 0.3% Schiefstellung blieben die Risse am Wandfuss nach Entlastung des Versuchskörpers offen. Im dritten Zyklus mit 200 kN Horizontalkraft, 136 kN Normalkraft und zirka 0.5% Schiefstellung bildete sich ausgehend von einem Biegeriss im unteren Drittel der Wandhöhe ein Schrägriss (Abb. 7), der sich über die halbe Wandlänge erstreckte. ln den weiteren Zyklen nach Absenken der Normalkraft verringerte sich die Steifigkeit der Wand erheblich und die Verformungen konzentrierten sich entlang des Sockels in einem Riss.

Bei Lastumkehr wurden bedeutende Verschiebungen infolge Gleitens der Wand auf dem Sockel beobachtet. Die äusseren Stäbe der Längsbewahrung versagten bei zirka 3% Schiefstellung. Zu diesem Zeitpunkt war die Betondeckung am untersten Bügel nahezu über die gesamte Wandlänge abgeplatzt. Die im Versuch aufgebrachte Schädigung wird in Abb. 6 und 7 dargestellt.

3.2 Wand M2

Wie im Versuch cer Wand M1, so bildeten sich bis zum Erreichen der maximalen Horizontalkraft von 200 kN auch bei der bis auf die Horizontalbewahrung baugleichen Wand M2 zunächst mehrere Schrägrisse nahe des Sockels, die sich dann bis ins untere Viertel der Wandhöhe fortsetzten.

Bereits während der Zyklen mit zirka 150 kN und 0.3% Schiefstellung schlossen sich die Schrägrisse

10 E -". 5 I 0 A,A A A A A ~~s ·vvyy1 ~

-10 I N-136kNj

-15 ~,-;;---";,.--c;;;---;;;----,"..=---;,~~-:;;;---:;! a) 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

10 E -". 5 g> ~ o f----'V'A.N\JV\

" ~ -5

:l' -10 I N-76kN ']

Kraftstufe

-15 !;---""--,;:;,.--c;;;-___"........,"..=....."~~-:;;;--;i b)

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Kraftstufe

Abb. 5: Belastungsgeschichte: a) Wand M3, b) Wand M4.

nach Entlastung des Versuchskörpers nicht mehr. Nach Verringerung der Normalkraft auf 86 kN bildete sich im mittleren Drittel der Wand entlang des Sockels ein durchgehender Horizontalriss, der sich mit den geneigten Rissen in den Endbereichen der Wand vereinigte.

Da dieser Horizontalriss nicht über die ganze Wandlänge durchging, wirkten die mit dem Sockel weiterhin verbundenen Endbereiche der Wand als Auflager, zwischen denen die Wand bei Lastumkehr auf dem Sockel glitt. Die Folge davon waren relativ grosse Vertikalverschiebungen des Kopfbalkens, wegen derer der Versuch bei 2.7% Schiefstellung abgebrochen wurde. Eine weitere Steigerung der Verschiebungen. war mit dem gewählten Versuchsaufbau wegen der Einspannung der Pressen für die Horizontalkraft in den Reaktionsrahmen nicht möglich. Das Rissbild von Wand M2 am Ende des Versuchs ist in Abb. 7 dargestellt.

Abb. 6: Wand M1 nach Versuch, Detail Wandmitte.

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C. Greifenhagen und P. Lestuzzi

Wand M3

Abb. 7: Rissbilder.

3.3 Wand M3

Bis zu einer Horizontalkraft von 125 kN bildeten sich mehrere kleine Risse unterschiedlicher Neigungen zwischen dem Sockel und dem untersten Bügel. Der Primärzyklus mit 150 kN Horizontalkraft führte zu einem Schrägriss im unteren Drittel der Wandhöhe, der sich über die halbe Wandlänge erstreckte. Von diesem Zyklus an blieben die Risse am Wandfuss nach Entlastung des Versuchskörpers offen und schlossen sich erst nach Lastumkehr. Die maximale Horizontalkraft von 175 kN wurde bei einer Schiefstellung von zirka 0.5"/o erreicht. Dabei bildeten sich in den gedrückten Endbereichen der Wand nahe dem Sockel kleine vertikale Risse.

Die Steigerung der Schiefstellung auf 0.9% führte zu einem zweiten Schrägriss in der unteren Hälfte der Wand. Damit war das Rissbild in etwa symmetrisch.

200r-~------~--~--~--r-----~---,

150 X- Zweiter Diagonalriss

~ 100

~ 50

~ 0 2 -50

~ -100

-150

Bruch

KS69

-200 -1~0---~.----~,---_.~~~--~0--~,--~.~~,--_j,

Zug Druck Vertikalverschiebung [mmj, Basis: 150mm

Abb. 8: Wand M3, Vertikalverschiebungen im untersten Viertel der Wand höhe.

34

Zu Beginn des bis auf 1.2% Auslenkung führenden Zyklus platzte in der Betondruckzone die Beton­deckung ab und die äusseren Stäbe der Längs­bewahrung knickten aus. Nach Lastumkehr bildete sich bei der maximalen Auslenkung ein Diagonalriss, was mit einem plötzlichen Rückgang der Rück­stellkraft um 15% und einem Anstieg der Auslenkung um 1 0% verbunden war.

Nach Steigerung der Schiefstellung auf 1.6% wurde ein zweiter Diagonalriss beobachtet (Abb. 7). Die Rückstellkraft sank noch einmal um 30% auf zirka 100 kN ab. Abb. 8 zeigt die gemessenen Vertikalverschiebungen an der Stirnseite der Wand. Nach Bildung des zweiten Diagonalrisses ist deutlich eine Zunahme der vertikalen Verschiebung zu erkennen (KS67). Bei Wiederbelastung in die entgegengesetzte Richtung (KS69) konnten noch zirka 130 kN Horizontalkraft mobilisiert werden. Die Schädigung der Betondruckzone wird in Abb. 9 bei maximaler Auslenkung der Wand dargestellt. Im Halbzyklus KS71 (Abb. 8) wurden dann im Vergleich zu KS67 bei gleicher Wandkopfauslenkung wesentlich grössere Vertikalverschiebungen gemessen. Dies zeigt deutlich die starke Schädigung des Betons infolge Wechselbeanspruchung und Querdehnungen. Erneute Lastumkehr führte zum plötzlichen Druckversagen des Betons auf der gesamten Wandlänge.

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Gering bewehrte Stahlbetontragwände unter statisch-zyklischen Einwirkungen

3.4 Wand M4

Wand M4 zeigte bis zum erstmaligen Erreichen der maximalen Horizontalkraft von 135 kN ein ähnliches Rissbild wie Wand M3. Residuelle Rissweiten wurden bereits nach Aufbringen einer Schiefstellung von 0.4% beobachtet. Bereits eine Steigerung der Schief­stellung auf 0.5% führte bei Lastumkehr zum Gleiten der Wand auf dem Sockel und dementsprechend zu einer relativ geringen Belastungssteifigkeit Dies wird durch die starke Einschnürung der Hysteresekurve (Abb. 1 0) dokumentiert.

Die äusseren Stäbe der Längsbewehrung knickten wurde bei einer Schiefstellung von 1.3% aus. Der erste Stab der Längsbewehrung versagte bei 1.9% Schiefstellung. Die weitere Erhöhung der Auslenkung führte bei 2Yo Schiefstellung und etwa 100 kN Hori­zontalkraft zum Versagen der Betondruckzone und nahezu gleichzeitigem Reissen der Längsbewehrung.

4 VERSUCHSERGEBNISSE

4.1 Kraft-Verschiebungsbeziehungen

Die gemessenen Hysteresekurven sind in Abb. 10 dargestellt. Das tatsächliche Verhalten der Versuchs­körper wird einer idealisierten, bilinearen Beziehung gegenübergestellt, die auf der Grundlage des von Dazio et al. (1999) beschriebenen Vergehens bestimmt wurde. Dabei wird zuerst die Horizontalkraft bei Fliessbeginn der Bewehrung berechnet. Dann wird aus den Versuchsdaten die bei dieser Horizontalkraft gemessene Verschiebung ermittelt und unter Annahme linear-elastischen Materialverhaltens bis zur Horizontalkraft beim nominellen Biegewiderstand extrapoliert. Die Verfestigung des Betonstahls wurde vernachlässigt. Damit ist der maximale Biege­widerstand gleich dem nominellen Biegewiderstand.

Bei allen Wänden konnte der nominelle Biege­widerstand erreicht werden (Abb. 10). Die berechneten Horizontalkräfte bei Fliessbeginn zeigen, dass die Näherung 0.75Fy auch für gering bewehrte Tragwände anwendbar ist. Schubmechanismen wurden durch grössere Auslenkungen und nicht durch Erhöhung der Horizontalkraft aktiviert. Es zeigt sich jedoch schon bei Verschiebeduktilitäten kleiner gleich 2.0 eine deutliche Einschnürung der Hysteresekurve und damit eine Verringerung der Energiedissipation. Diese Einschnürung ist von der Normalkraft sowie der Betondruckfestigkeit abhängig. Sie wird im wesent­lichen durch Gleiten in den Rissen verursacht. Die Gleitverschiebungen nehmen mit der Anzahl der Zyklen und der Steigerung der Auslenkung zu, was

Abb. 9: Wand M3, Betondruckzone bei 1.8% Schiefstellung (KS69).

durch Vergrösserung der Rissweiten sowie Abnutzung der Rissverzahnung bedingt ist.

4.2 Maximale Verformungen

Eine Zusammenfassung der Versuchsergebnisse gibt Tabelle 3 wieder. Für jede Wand wird dort die bezogene Normalkraft (n), die Schubspannung bei maximaler Horizontalkraft ( 'm") mit zugehöriger Schiefstellung (Drift1 ), die maximale Schiefstel­lung (Drift2) mit zugehöriger Schubspannung ( ,;J sowie die erreichte Verschiebeduktilität ( f.',) darge­stellt. Die maximale Horizontalkraft ist die grösste in einem Primärzyklus gemessene Horizontalkraft. Das Versagen des Versuchskörpers wurde angenommen, wenn die Horizontalkraft in einem Sekundärzyklus weniger als 80% der Referenzkraft betrug. Die Hori­zontalkraft beim zweiten Erreichen der bei 'm" gemessenen Auslenkung wurde als Referenzkraft festgelegt. Die Verschiebeduktilität bezieht sich auf die im Abschnitt 4.1 beschriebene bilineare Beziehung zwischen Horizontalkraft und Wandkopfauslenkung.

Aus Tabelle 3 ist ersichtlich, dass höhere Normalkräfte die Verschiebeduktilität verringern, aber gleichzeitig den Schubwiderstand erhöhen. Weiterhin ist erkennbar, dass die Lokalisierung der Verfor­mungen bei Wand M1 zu einer geringeren maximalen Schiefstellung führt. Im Gegensatz dazu zeigt Wand M4 ein wesentlich günstigeres Verformungsverhalten.

Wand n 'tmax '" Drift1 Drift2 [.t,

[%] [MPa] [MPa] [%] [%] [-]

M1 2.2 2.04 1.40 0.33 0.88 5.6

M2 2.2 2.03 1.56 0.51 2.15 5.9

M3 9.5 2.44 1.86 0.57 1.25 5.8

M4 5.0 1.88 1.40 0.50 1.59 8.0

Tabelle 3: Ausgewählte Versuchsergebnisse.

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C. Greifenhagen und P. Lestuzzi

Schiefstellung [-] 250 - .~9,93 -0:02_-_Q,_Q_!_ ___ _______ Q,_Q1______QiQg______gi03

200 :-

150 ~ 2'100 l ::'!:.. i

Wand M1

Wandkopfauslenkung [mmj

Schiefstellung H

250,-~~~g ___ ,~,"-·r···········~"~-"~~~~

200

150

~ 100: ~ 50

~ o '-. ---·---";:"ro";;ii;~ffi'ft1?.\~'~o-~ c : :;;: -50: ·c .

~-1

. .1 5 10 15 20

Wandkopfauslenkung [mmj

250

200

150

2'100 "-

50

-20 -15

Schiefstellung [-] -0.01 0.01 0.02 0.03

' - - -- ------,-------r--- '

wandkopfauslenkung [mm]

Wand M4

" . '-·-~-----'-·- -~--J -10 -5 0 5 10 15 20

Wandkopfauslenkung [mm]

Abb. 10: Im Versuch ermittelte Kraft- Verschiebungsbeziehungen (RF: Reissen der Vertikalbewehrung, CF: Druckversagen Beton, DC: Diagonalriss).

5 ZUSAMMENFASSUNG

Es wurden statisch-zyklische Versuche an schwach bewehrten Tragwänden vorgestellt, die nicht für Erdbebenbeanspruchung ausgelegt sind. Solche Tragwände sind als Aussteilung bei bestehenden Gebäuden weit verbreitet.

Die vier Versuchskörper stellen im Messstab 1:3 den unteren Teil einer Tragwand dar, die als Kragarm mit Längskraft modelliert wird. Als Biegebewahrung dient eine Oberflächenbewahrung mit einem geometrischen Bewehrungsgehalt von 0.3%. Versuchsparameter sind die bezogene Normalkraft, der Querbewehrungsgehalt sowie die Betondruck­festigkeit Ziel der Versuche ist die Untersuchung des Schubtragverhaltens von schwach bewehrten Tragwänden. ·

Der günstige Einfluss einer Horizontalbewahrung auf das Verformungsvermögen von Stahlbetan­bauteilen konnte mit der Versuchsreihe nicht bestätigt werden. Die Horizontalbewahrung bewirkte vielmehr eine Konzentration der Verformungen. Dies hatte zusätzliche Schädigung zur Folge.

Die Versuchergebnisse zeigen, dass in Abhängigkeit von Betondruckfestigkeit und bezogener Normalkraft schwach bewehrte, nicht für Erdbebenbeanspruchung ausgelegte Tragwände bei Schiefstellungen zwischen 0.8 und 2.1% Schubspannungen von 1.4 bis 2.0 MPa mobilisieren

können.

36

6 VERDANKUNGEN

Die Autoren danken dem Schweizerischen Nationalfonds und der Stahl Gerlafingen AG für ihre Unterstützung.

7 LITERATUR

Dazio, A., Wenk, T. & Bachmann, H. (1999), Versuche an Stahlbetonwänden unter zyklisch-statischer Einwirkung, IBK Bericht 239, ETH Zürich.

Finte!, M. (1995), Performance of buildings with shearwalls in earthquakes of the last thirty years, PCI Journal, 40, 62-80.

Foure, B (1993), Un programme d'essais des murs de con­treventement, Colloquium AFPS-SECED Experimental Methods in Earthquake Engineering and Structural Dynam­ics, Saint-Remy-les-Chevreuse. Greifenhagen, C. & Lestuzzi, P. (2005a), Static-cyclic tests on lightly reinforced concrete shear walls, Engineering Structures, 27, 1703-1712. Greifenhagen, C., Lestuzzi, P., & Papas, D. (2005b), Static­cyc/ic tests on reinforced concrete shear walls with low reinforcement ratios, Rapport I MAC No 4, EPF Lausanne, http://imac.epfl.ch{feamiGreiflreportiMACno4.pdf.

Hidalgo, P. A., Ledezma, C. A. & Jordan, R. M. (2002), Seismic behavior of squat reinforced concrete shear walls, Earthquake Spectra, 18, 287-308.

Priestley, M. J. N. (1997), Displacement-based seismic assessment of reinforced concrete buildings, Journal of Earthquake Engineering, 1, 157-192.

SIA2018(2004), Überprüfung bestehender Gebäude bezüglich Erdbeben, Merkblatt 2018, SIA, Zürich.

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Der Einfluss von Schwingungstilgern auf die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken

Peter Nawrotzki, Frank Dalmer GERB Schwingungsisolierungen GmbH & Co.KG, Berlin/Essen

1 EINLEITUNG

Die Errichtung von Bauwerken unterliegt immer ver­schiedenen Randbedingungen. Dabei stehen wirt­schaftliche Aspekte und architektonische Ansprüche nicht immer im Einklang mit Anforderungen bezüglich der Gebrauchstauglichkeit und Standsicherheit. Schlanke Tragwerke und der zunehmende Leichtbau erhöhen die Schwingungsanfälligkeit Daher ist hier die dynamische Überprüfung der Struktur gegenüber Belastungen wie

• Wind,

• Personen,

• Verkehr und

• Maschinenbetrieb

ein immer wichtiger werdender Aspekt bei der Ausle­gung eines Bauwerkes.

Bei dynamischen Strukturuntersuchungen sind die maßgeblichen Anregungs- und Eigenfrequenzen der Struktur wichtige Beurteilungsmaßstäbe. Fällt die Anregungsfrequenz in tJie Nähe einer wichtigen Ei­genfrequenz, treten Resonanzerscheinungen auf. ln manchen Fällen spielt das Auftreten von Resonanz eine untergeordnete Rolle; sie wird nicht bemerkt oder kann in Kauf genommen werden. Häufig kann es je­doch dazu führen, dass die Gebrauchstauglichkeit eines Bauwerkes eingeschränkt wird. Beispiele dazu sind die gestiegenen Komfortansprüche der Benutzer von Gebäuden im Hinblick auf gefühlte Schwingungen oder die Einhaltung bestimmter Betriebsbewegungen von Maschinen im Zusammenhang mit deren Le­bensdauer. Es ist in jedem Fall zu prüfen, ob Reso­nanzerscheinungen bei dem Nachweis der Standsi­cherheit des Tragwerks berücksichtigt werden müs­sen. Dazu sind z.B. Spannungsschwingbreiten zu ermitteln und Ermüdungsnachweise nach einschlägi­gen Normen zu führen. Die Prüfung der Resonanzge­fahr und die ggf. daraus resultierenden Maßnahmen sind von dem bearbeitenden Ingenieur durchzuführen bzw. festzulegen. Dieser muss natürlich eine entspre­chende Ausbildung besitzen und über genügend Er­fahrung auf diesem Gebiet verfügen.

Ist es nicht möglich, die Erregerkräfte zu verkleinern oder die Anregungsfrequenzen zu verändern, beste­hen zur Verminderung störender oder gefährlicher Resonanzbewegungen beispielsweise folgende Mög­lichkeiten:

• Versteifung der Konstruktion,

• Schwingungsdämpfung oder -tilgung sowie

• Schwingungsisolierung.

Welche dieser Maßnahmen aus schwingungstechni­scher Sicht möglich oder sinnvoll ist, muss im Einzel­fall geklärt werden. An Hand des Verhältnisses von Erregerfrequenz zu Eigenfrequenz der Struktur (Abstimmungsverhältnis 11l können die Auswirkungen möglicher Systemveränderungen im Hinblick auf die Strukturbewegungen veranschaulicht werden (Abb. 1 ). Die Auswirkungen von Schwingungstilgern beim Einsatz zur Reduzierung von Strukturbewegungen sind einer Erhöhung der Strukturdämpfung ähnlich.

_.L_._-. -·::..=..::~:::....

Abstimmungsverhältnis 11--

Abb. 1 Beispiele von Massnahmen zur Verringerung von Resonanzeffekten

Schwingungstilger im Sinne des vorliegenden Bei­trags sind auf eine vorgegebene Frequenz abge­stimmte gedämpfte Feder-Masse-Systeme. Die Til­gerfrequenz kann dabei mit Hilfe einschlägiger Ver­fahren (z.B. nach Den Hartog, 1965) optimiert werden.

37

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Der Einfluss von Schwingungstilgern auf die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken

Die Wirkungsrichtung eines Tilgers sowie seine Posi­tionierung in der Struktur sollte an Hand der zu betil­genden Schwingtarm festgelegt werden. Die Schwing­masse eines Tilgers ist im Verhältnis zur Strukturmas­se generell klein. Sie ist abhängig von der "mitschwin­genden" Strukturmasse, der geforderten Reduzie­rungswirkung sowie von der Größe der zulässigen Tilgerbewegungen. Über den Parameter Dämpfung lässt sich die Tilgeramplitude, aber auch die Breit­bandigkeit der Wirkung des Tilgers im Frequenzbe­reich einstellen.

Bauwerke wie

• Brücken,

• Schornsteine, Türme,

• Hochhäuser,

• Treppen, Tribünen und

• weitgespannte Decken

besitzen häufig niedrige, schwach gedämpfte Eigen­frequenzen und können daher leicht zu Schwingun­gen angeregt werden. Vielfach sind Maßnahmen zur Erhöhung der Eigenfrequenz bzw. eine Vergrößerung der Eigendämpfung nicht oder nur mit großem Auf­wand möglich. ln diesen Fällen empfiehlt sich der Einsatz von geeigneten Schwingungstilgern zur Be­wegungs- und Spannungsreduktion. Schwingungstil­ger bieten bei richtiger Auslegung eine effektive Lö­sung bei Schwingungsproblemen und können zur Erhöhung der Gebrauchstauglichkeit und Standsi­cherheit verwendet werden. Häufig ist der Einbau im Bauwerk sogar nachträglich möglich.

Der Einsatz von Schwingungstilgern in dem o.a. Ge­bieten ist heutzutage nahezu Stand der Technik. Im Vergleich dazu werden Tilger zum Schutz von Bau­

Abb. 2a Typischer Vertikal- oder Horizontaltilger

werken gegen Erdbeben in der Fachliteratur kontra- Abb. 2b Einaxialer Horizontaltilger (Beispiel) vers beurteilt. Im Ausblick des vorliegenden Beitrags werden Grundsatzuntersuchungen, numerische Simu- . lationen des Tragwerksverhaltens sowie Ergebnisse von entsprechenden Shaking-Table Tests zu diesem Thema vorgestellt und diskutiert.

2 TILGERBAUFORMEN

ln Abhängigkeit von der Wirkungsrichtung der zu be­tilgenden Schwingungen können grundsätzlich

• Vertikaltilger und

• Horizontaltilger

unterschieden werden. Bei Vertikaltilgern ruht die Masse i.d.R. auf Federn (Abb. 2a), oder die Masse ist mit Hilfe von Zug- oder Druckfedern aufgehängt. Ne­ben vielen Sonderbauformen arbeiten Horizontaltilger häufig nach dem Pendelprinzip. Je nach Steifigkeits­verteilung arbeiten sie einaxial (Abb. 2b) oder in der Ebene (Abb. 2c).

38

Abb. 2c ln der Ebene wirkender Hochhaustilger

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Der Einfluss von Schwingungstilgern auf die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken

Die Tilgerauswahl richtet sich im wesentlichen nach

• der erforderlichen Tilgermasse (Material, Bau-form),

• dem vorhandenen lnstallationsraum,

• der Befestigung an der Hauptstruktur,

• der Tilgerfrequenz und ---<lämpfung sowie

• ggf. architektonischen Anforderungen.

Bei Bauwerken mit horizontaler Ausrichtung (z.B. Brücken) werden im wesentlichen Vertikaltilger einge­setzt. Diese können entsprechende Biege- oder Tor­sionseigenfarmen betilgen. Bei vertikalen Bauten kommen naturgemäß Horizontaltilger zum Einsatz, z.B. als Massependel mit einer oder mehreren Auf­hängungen oder als Ringtilger.

3 STANDSICHERHEIT UND GEBRAUCHSTAUGLICHKEIT

Aus der Vergangenheit sind zahlreiche Bauwerke bekannt, bei denen die Standsicherheit durch die ein­gangs erwähnten Lastfälle stark eingeschränkt oder die Bauwerke sogar zerstört wurden. Bei Beschrän­kung auf den Lastfall Windanregung wäre als spekta­kuläres Beispiel der Einsturz der Tacoma-Bridge zu nennen. Der Einsatz von Schwingungstilgern bewirkt stets eine deutliche Reduzierung angeregter Eigen­schwingungen und damit auch eine Verringerung der Spannungsschwingbreite. Dadurch wird die Lebens­dauer der Konstruktion deutlich erhöht.

hängigkeit von der Frequenz, der Wiederkehrperiode und der genauen Nutzung des Gebäudes an (z.B. ISO 1 0137).

4 PROJEKTBEISPIELE

4.1 Millennium Bridge, London

Kurz nach Eröffnung der Millennium Bridge in London {Abb. 3a) im Jahr 2000 wurde sie wegen zu großer Schwingbewegungen wieder geschlossen. Bei norma­ler Fußgängernutzung wurden Amplituden von bis zu 1 0 cm gemessen. Durch nachträglichen Einbau von acht horizontal wirkenden Schwingungstilgern und 50 Vertikaltilgern konnten die Schwingbewegungen der Brücke derart reduziert werden, dass heute eine kam­fortgerechte Nutzung der Brücke möglich ist. Hierbei wurde - nach Wissen der Autoren - erstmals ein Doppelpendelsystem in der Mitte der größten Spann­weite eingesetzt (Abb. 3b).

Schwingungstilger zur Sicherung der Gebrauchstaug­lichkeit sind zumindest in Deutschland bei Fußgän­gerbrücken mittlerweile Stand der Technik. Häufig werden sie bereits in der Ausschreibungsphase als Eventualposition vorgesehen. Nach Fertigstellung Abb. 3a Millennium Bridge, London werden die Brücken auf Schwingungsanfälligkeit ge- · testet und, falls erforderlich, mit Tilgern nachgerüstet.

Gemessene Beschleunigung Wahrnehmung

< 0,5% g nicht spürbar

0,5 bis 1,5% g spürbar

1,5%bis5%g lästig

5%bis15%g unzulässig

Tab. 1 Einfluss der Gebäudebewegung auf Bewohner nach Ruscheweyh ( 1982)

ln Abhängigkeit vom betrachteten Bauwerk und der Nutzungsart existieren unterschiedliche Anhaltswerte, die die Gebrauchstauglichkeit von Gebäuden kenn­zeichnen. Tabelle 1 gibt Anhaltswerte für die Einstu­fung niederfrequenter Schwingbewegungen in Ab­hängigkeit von der gemessenen Schwingbeschleuni­gung für Wohngebäude. Neuere Untersuchungen geben empfohlene Spitzenbeschleunigungen in Ab-

Abb. 3b Schwingungstilger der Millennium Bridge

4.2 Chao Phya Brücke, Bangkok

Bei dieser Schrägseilbrücke {Abb. 4a) wurden bereits in der Planungsphase Tilger zur Verminderung einer

39

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Der Einfiuss von Schwingungstilgern auf die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken

möglichen Schwingungsanfälligkeit vorgesehen. Sie wurden als hängende Vertikaltilger während der Bau­phase installiert. Insgesamt wurden bei diesem Pro­jekt 16 vertikal wirkende Tilger in dem Brückenquer­schnitt sowie zwei horizontal wirkende Tilger am Kopf der Pylone eingesetzt (Abb. 4b}. Hier bestand die Gefahr, dass die Pylone durch die Schrägseile zu großen Schwingungen angeregt werden. Die Tilger besitzen eine Schwingmasse von jeweils ca. 5 t, die Abstimmfrequenz variiert im Bereich von 0,3 bis 0, 7 Hz.

Abb. 4a Chao Phya Schrägseilbrücke, Bangkok

Abb. 4b Chao Phya Schrägseilbrücke, Prinzip Pylontilger

4.3 Raffinerieturm, Budapest

Der Raffinerieturm in Budapest (Abb. 5a) wird seit einiger Zeit nicht mehr mit Erdöl befüllt. Im leeren Zustand wurden Schwingbewegungen am Kopf mit Amplituden von bis zu 70 cm gemessen. Zusätzlich wurden bereits Schäden an der Verankerung des Turmes zum Fundament festgestellt. Numerische Analysen ergaben, dass die auftretenden Schwing­bewegungen mindestens auf 50% reduziert werden müssen, um wieder von einer ausreichenden Standsi­cherheit und Dauerhaftigkeit ausgehen zu können.

Für dieses Projekt wurde ein Ringtilger (ähnlich Abb. 5b) mit einer Einzelmasse von 16 I entwickelt und

40

eingesetzt. Aufgrund der Tatsache, dass am Einbau­ort viele Rohrleitungen vorhanden sind, musste bei der Auslegung darauf geachtet werden, dass die ma­ximal auftretenden Tilgerbewegungen kleiner als ± 15 cm sind. Bei neuesten, vom ungarischen TÜV durch­geführten Messungen mit aktiviertem Tilger wurden bei einer (kritischen) Windgeschwindigkeit von 11 m/s maximale Bewegungen am Kopf des Turmes von ± 22 mm festgestellt. Mit dieser Maßnahme wurde der sehr kostenintensive Abriss des Raffinerieturms vermie­den.

Abb. 5a Raffinerieturm in Budapest

Abb. 5b Doppelschornstein mit Ringtilger (Bild Siegle Stahlschornstein und Behälter GmbH)

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Der Einfluss von Schwingungstilgern auf die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken

4.4 Burj Al Arab, Dubai

Berechnungen in der Planungsphase dieses Gebäu­des (Abb. 6a) ergaben, dass der Mast und die seitlich angebrachten Stahlkonstruktionen durch Windlasten leicht zu Schwingungen angeregt werden können. Man hat dadurch Beeinträchtigungen der Bewohner des Hotels befürchtet. Aus diesem Grund wurde ent­schieden, bereits in der Bauphase des Gebäudes zur Abhilfe insgesamt elf Schwingungstilger einzusetzen. Die Masse je Tilger beträgt ca. 5 t und die Abstimm­frequenz je nach Einbauort zwischen 0,8 und 2 Hz. Pendeltilger kamen zum Einsatz; sie wurden komplett in einem Containment voreingestellt angeliefert, mon­tiert und mit Hilfe von Messgeräten fein abgestimmt. Eine Einbausituation in der Mitte der äußeren Stahl­konstruktion ist in Abb. 6b dargestellt.

Abb. 6a Burj al Arab, Dubai

Abb. 6b Burj al Arab, Tilger während der Bauphase

4.5 Air Traffic Control Tower, Edinburgh

Gebäude zur Luftverkehrsüberwachung müssen be­sondere Anforderungen bezüglich der Gebrauchs­tauglichkeit erfüllen. Das Funktionieren vieler Geräte ist hier vom Einhalten kleiner Schwingbewegungen abhängig. Im Vorfeld durchgeführte Berechnungen ergaben eine Schwingungsanfälligkeit des ca. 50 m hohen Turms (Abb. 7a) gegenüber Windanregung aufgrund zu geringer Dämpfung. Entsprechend den Vorgaben des projektierenden Ingenieurbüros wurde ein in allen Horizontalrichtungen wirkender Tilger kon­zipiert. Die Bauform entspricht einem aufgestellten Vertikaltilger (Abb. 7b), wobei die horizontale Steifig­keit der eingesetzten Stahlfedern für die gewünschte Frequenz sorgt. Die Abstimmung dieses Tilgers kann nachträglich im Frequenzbereich von 1,5 bis 2 Hz variiert werden.

Abb. 7a Air Traffic Control Tower, Edinburgh

Abb. 7b Air Traffic Control Tower, Tilgermontage

41

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Der Einfluss von Schwingungstilgern auf die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit von Bauwerken

4.6 Teatro Diana, Mexiko

Beim Umbau eines vorhandenen Kinos in ein Theater in Guadalajara, Mexiko, wurde die Schwingungsanfälligkeit von zwei 36 m langen freitragenden Tribünen festgestellt. Die Eigenfrequenz dieser Tribünen beträgt ca. 3,2 Hz, und der Dämp­fungsgrad wurde zu ca. 1 ,5 % bestimmt. Zur Abhilfe des Schwingungsproblems wurden pro Tribüne vier Schwingungstilger mit einer Gesamtmasse von ca. 1 0 t eingebaut. Die Tilger sind nicht sichtbar in den Tribünen integriert (Abb. 8). Nachträglich durch­geführte Messungen ergaben, dass die störenden Schwingbewegungen auf ca. 30 % der ursprünglichen Werte · · ·

Abb. 8 Tilger beim Teatro Diana, Projektskizze

4.7 Kongresszentrum Neue Terrassen, Dresden

Bei den Neuen Terrassen in Dresden ist elbseitig ein weit gespanntes Dach über dem Kongressbereich angeordnet. Hier finden auch Musikveranstaltungen statt, so dass die Schwingungsanfälligkeit der Kon­struktion untersucht werden musste. Messungen und ergänzende Berechnungen ergaben, dass die Eigen­frequenz dieser Decke ca. 2,5 Hz beträgt und somit im gefährdeten Bereich liegt. Während der Bauphase wurden acht Vertikaltilger mit Massen von je 5 t ein­gebaut. Diese Tilger sind in den Deckenaufbauten integriert (Abb. 9).

Abb. 9 Kongresszentrum Neue Terrassen, integrierter Schwingungstilger

42

5 TILGER ZUM ERDBEBENSCHUTZ

Schwingungstilger wurden bisher nicht oder nur ver­einzelt zum Erdbebenschutz eingesetzt. Die Effektivi­tät ist hier wegen der breitbandigen Erdbebenanre­gung nicht so hoch wie bei den bisher diskutierten Anwendungen, allerdings lassen sich dennoch nume­risch und experimentell Schutzeffekte nachweisen (Jurukovski et al., 2005). Je nach Massenverhältnis lassen sich Strukturantworten auf bis zu 50% der Werte reduzieren, die ohne Tilger ermittelt werden. Abb. 10 gibt einen Eindruck von den entsprechenden Prüfstandsversuchen, die im Jahr 2004 in Skopje, Mazedonien, durchgeführt wurden. Ziel dabei war die Entwicklung entsprechender Auslegungskriterien von Tilgern für Erdbebenanwendungen.

Abb. 10 Stockwerksrahmen mitTilgerauf dem Erdbeben­prüfstand

Dem Einwand, dass die Gebäudefrequenz bei starken Erdbeben drastisch abfällt und daher Tilger ihre Wir­kung verlieren, stehen folgende Punkte entgegen:

• Der Tilger selbst verringert die Schädigung und damit den FrequenzabfalL

• Der Tilger wird unterkritisch ausgelegt.

• Der Tilger wirkt wegen höherer Dämpfung breitbandig im Frequenzbereich.

• Bei bestehenden Gebäuden können Eigenfre­quenzen gemessen werden und geben weite­re Anhaltspunkte bei der Tilgerauslegung.

6 LITERATUR

J. P. Den Hartog (1965), Mechanical Vibrations, Mc Graw­Hill.

H. Ruscheweyh (1982), Dynamische Windwirkung an Bau­werken, Band 2.

ISO 10137, Bases for design of structures- Serviceability of buildings against vibration.

D. Jurukovski, P. Nawrotzki, Z. Rakicevic (2005), Shaking Table Tests of a Steel Frame Structure with and without Tuned Mass Control System, EURODYN 2005, Paris.

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Simulations-Studie zum optimierten Einsatz von Reibungsdämpfern in seismisch erregten Konstruktionen

Lazaros Vasiliadis 1 und Anaxagoras Elenas 1

'Lehrstuhl für Baustatik und Baudynamik, Demokritus-Universität von Thrakien, Xanthi, Griechenland

ZUSAMMENFASSUNG

Im vorliegenden Beitrag findet eine numerische Un­tersuchung des nichtlinearen dynamischen Verhaltens eines zehnstöckigen Stahlrahmens mit Reibungs­dämpfern statt, der nach den Regeln der Eurocodes 3 und 8 bemessen ist. Für die nichtlineare dynamische Berechnung sind verschiedene natürliche Akzele­rogramme berücksichtigt, aufgezeichnet in weltweit seismisch sehr aktiven Regionen. Die Momenten­Krümmungsbeziehung der Rahmenelemente ist durch ein bilineares elasta-plastisches Gesetz approximiert. Als Energiedissipationsmechanismus kommen vorge­spannte Schlitzschrauben zur Anwendung, mit alter­nativen Reibungskräften. Das Kraft-Verformungs­Diagramm der Reibungsdämpfer ist angenommen durch ein bilineares Gesetz. Als globaler Schadensin­dikator kommt die maximale normierte relative Stack­werksverschiebung zur Anwendung. Die Berechnun­gen erfolgen zunächst für den Stahlrahmen ohne Dis­sipationsmechanismen. Danach, erfolgen sie unter Berücksichtigung unterschiedlicher Position und Rei­bungskraft.

Die Ergebnisse heben die schadensreduzerende Wirkung der Reibungsdämpfer auf seismisch erregte Konstruktionen hervor. Die Verminderung des globa­len Schadensindikators hängt sowohl von der gewähl­ten Reibungskraft des einzelnen Dämpfers als auch von der Positionierung der Dämpfer in der Rahmen­konstruktion ab. Die Werte der maximalen normierten relativen Stockwerksverschiebung der gedämpften Konstruktion verminderten sich auf 64 bis 7 4 % der Anfangswerte. Diese beziehen sich auf den Rahmen ohne zusätzliche Reibungsdämpfer. Abschließend erfolgt die Optimierung sowohl der Positionierung der Dämpfer als auch der benötigten Reibungskraft durch mehrfache Anwendung der numerischen Untersu­chungen.

1 EINLEITUNG

Reibungsdämpfer entwickelten sich in den zwei letz­ten Jahrzehnten in zunehmendem Maße zu einem wichtigen Element der Verstärkung seismisch be­schädigter Bauwerke und auch der präventiven Schutzmaßnahme gegen Erdbebeneinwirkung bei Neubauten. Die günstige Wirkung der Dämpfer auf eine erdbebenerregte Konstruktion beruht auf die Dissipation eines Teils der auf das Bauwerk einwir­kenden seismischen Energie. Die Reibungsdämpfer weisen bei zyklischer Belastung rechteckförmige Hystereseschleifen im Kraft-Verformungs-Diagramm auf. Diese sind typisch für die Coulomb-Reibung. Die Industrie entwickelte eine Vielzahl von Bauarten der Reibungsdämpfer, die erfolgreich in der Praxis zum Einsatz kommen. Der Einsatz der Energiedissipati­onselemente kann in einer Rahmenkonstruktion alter­nativ diagonal, X- oder /\-förmig erfolgen (Constanti­nou et al. (1998), Hanson et al. (2001 ). Li et al. (1995)).

Bei der Beschreibung des Schadenszustands ei­ner Konstruktion nach einem Erdbeben haben sich globale Schadensindikatoren bewährt. ln dem vorlie­genden Beitrag kommt die maximale normierte relati­ve Stockwerksverschiebung zur Anwendung. Mittels numerischer Simulationen ist der Grad der Auswir­kung der Dissipationsmechanismen auf den gewähl­ten globalen Schadensindikator zu quantifizieren. Dies erfolgt unter Berülcksichtigung variabler Position und Reibungskraft der Dämpfer.

Die numerische Untersuchung erfolgt auf einem zehnstöckigen Stahlrahmen (mit und ohne Dämpfer). der nach den Regeln der Eurocodes 3 und 8 bemes­sen ist. Die günstige Wirkung der Reibungsdämpfer folgt aus der Gegenüberstellung der Ergebnisse mit den entsprechenden des Urzustands (Rahmen ohne Dämpfer).

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Simulations-Studie zum optimierten Einsatz von Reibungsdämpfern in seismisch erregten Konstruktionen

2 REIBUNGSDÄMPFER

Reibungsdämpfer sind Vorrichtungen, die die hystere­tische Energiedissipation einer Konstruktion erhöhen. Diese zusätzliche Dissipation ist auf die Reibungs­energie zurückzuführen, die sich in den Reibungsflä­chen zwischen den konstituierenden Elementen der Dämpfer entwickelt. Unterschiedliche Bauarten der Reibungsdämpfer wurden sowohl zur wirksamen Ver­stärkung von seismisch beschädigten Bauwerken angewendet als auch zur präventiven Schutzmaß­nahme von Neubauten gegen Erdbebeneinwirkung. Als Beispiele sind hier erwähnt die Systeme von Pali, von Sumitomo Meta! L TD und von Tekton Arizona (Hanson et al. (2001 )). Zusätzlich können unter­schiedliche Materialien in den Reibungsflächen zur Anwendung kommen (z.B. Stahl oder Messing).

Im vorliegenden Beitrag wird der von Fitzgerald (1989) vorgeschlagene Reibungsdämpfer verwendet, bei dem sich der Energiedissipationsmechanismus mit Hilfe von vorgespannten Schlitzschrauben entwickelt (slolled bolt connections). Die Dissipationsvorrichtung weist bei zyklischer Belastung rechteckförmige Hyste­reseschleifen im Kraft-Verformungs-Diagramm auf. Diese sind typisch für die Coulomb-Reibung. Ihr Hysterese-Verhalten ist unabhängig von der Be­lastungs-Frequenz und der Anzahl der Belastungszyk­len.

3mm brass shims

strength bolt

3 NUMERISCHE MODELLIERUNG

Die allgemeine Bewegungsdifferentialgleichung eines Mehrmassenschwingers unter Erdbebenbelastung lautet:

wobei: M die Massenmatrix, .!::; die Dämpfungsmat­rix, .ß der Vektor der nichtlinearen Rückstellkräfte, .Ev der Vektor der zusätzlichen Dämpfungskräfte (Rei­bungsdämpfer), !! der Vektor der Verschiebungen, ! der Vektor, der die Verschiebungen in den einzelnen Freiheitsgraden infolge Einheitsverschiebung des seismisch erregten Fußpunktes darstellt, ug die Ver­schiebung der Fußpunkte infolge Erdbeben, I. der zeitunabhängige Belastungsvektor und !.r der zeitab­hängige Belastungsvektor.

Die zusätzlichen Dämpfungskräfte aus der Bezie­hung (1) berechnen sich für Reibungsdämpfer aus der Gleichung:

(2)

wobei: !! die Positionsmatrix der Dämpfer und .Ev, der Vektor mit der jeweiligen Dämpfungskraft des Dämpfers (i).

Die Dämpfungskraft Fm des Dämpfers (i) ist defi­niert mit Hilfe der Beziehungen (3a) und (3b).

Vor dem Beginn des Gleitens:

(3a)

slot

' stacked Bellevnre wenn I F Di I ::; J.!Di,HR Ni . spring washers

.. -·------~ - i -l co!:. I I . c::::Q::::::<

11ardened Oat washer

Abb. 1: Reibungsdämpfer aus vorgespannten Schlitz­schrauben (Butterworth (1999)).

Abb. 2: Hysterese-Verhalten der Reibungsdämpfer (Li et al. (1995)).

44

Nach dem Beginn des Gleitens:

Fnt = ~Di,GR Nt, (3b)

wenn Jlnt,GR Nt~ I FDi I< Jlnt,HR Nt,

wobei: k01 die Steifigkeit, u, die Relatiwerschie­bung, 1-loi.HR der Haftreibungskoeffizient, N, die auf die Reibungsfläche wirkende Normalkraft, ~oi,GR der Gleit­reibungskoeffizient, jeweils des Dämpfers (i).

Die nichtlineare Gleichung (1) ist, unter Berück­sichtigung der Beziehungen (2), (3a) und (3b), zu lösen. Dies geschieht mit Hilfe von direkten Zeitinteg­rationsverfahren (z.B. Newmark-Methode) und Iterati­onsverfahren im Integrationsschritt zur Lösungsopti-mierung (z.B. Newton/Raphson-Methode).

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Simulations-Studie zum optimierten Einsatz von Reibungsdämpfern in seismisch erregten Konstruktionen

4 SCHADENSINDIKATOR

ln der vorliegenden Untersuchung kommt die maxima­le normierte gegenseitige Stockwerksverschiebung (MISDR: Maximum Inter Story Drift Ratio) als globaler Schadensindikator zur Anwendung. Dieser ist einfach zu berechnen und charakterisiert sowohl die struktu­rellen als auch die nicht-strukturellen Schäden zufrie­den stellend. Beobachtungen von Gebäudeschäden nach starken Erdebeben und numerische Untersu­chungen belegen die Effektivität dieses Indikators (Eienas et al. (2001), Meskouris (1999)).

Die Beziehung (4) definiert die normierte gegensei­tige Stockwerksverschiebung (ISDR: Inter Story Drift Ratio) als das Verhältnis der maximalen gegenseiti­gen absoluten Verschiebung I u Im= zweier benach­barter Deckenebenen zur Etagenhöhe h:

Bei der Untersuchung ist der Energiedissipations­mechanismus mit Hilfe von vorgespannten Schlitz­schrauben realisiert. Die vorgespannten Stahlschrau­ben sind derart bemessen, dass sie unterschiedliche Reibungskräfte entwickeln: 100 kN, 250 kN, 500 kN, 750 kN und 1000 kN. Das Kraft-Verformungs­Verhalten des Reibungsdämpfers ist durch ein bilinea­res Reibungsmodell approximiert (Coulomb). Ergän­zend wurden Berechnungen zur Optimierung durch­geführt, sowohl der Positionierung der Dämpfungs­elemente als auch ihrer Dämpfungskraft. Der Unter­suchung liegen vier Typen für den Rahmen zugrunde: Typ 0 (Rahmen ohne Dämpfungselemente ), Typ 1 (mit Dämpfungselementen nur im Erdgeschoss), Typ 2 (mit Dämpfungselementen in allen Geschossen) und Typ 3 (mit Dämpfungselementen in allen Ge-schossen außer im Erdgeschoss). ln allen Fällen sind

ISDR= lul=, 100 [%] h

5 ANWENDUNG

(4) die Reibungsdämpfer als Diagonalstäbe in der mittle­ren Öffnung des Rahmens platziert. Der vorliegenden Untersuchung wurden die gemessenen Akzele­rogramme laut Tabelle 1 zugrunde gelegt. Bei den berechneten Antwortparametern konzentrierte man

Die in Abb. 3 dargestellte Rahmenkonstruktion aus Stahl ist bemessen nach den Regeln der Eurocodes 3 (EC3) und 8 (EC8). Für die Stahlbetonplatte ist eine Dicke von 20 cm gewählt. Der Abstand zwischen den Rahmen beträgt 6 m. Npch EC8 ist die Konstruktion als "Wichtigkeitsgruppe 111, Duktilitäts-Kiasse M" ein­gestuft. Der Baugrund ist als Typ B und die Seismizi­tät der Region als Kategorie I nach EC8 gewählt. Au­ßer dem Eigengewicht und der seismischen Lasten, finden bei der Berechnung die Schneelast, die Wind­last, die Verkehrslast und die Schiefstellung der Kon­struktion infolge Imperfektionen Berücksichtigung. Die Eigenperiode des Rahmens beträgt 2.68 s.

Nach der Bemessung folgt die Durchführung einer nichtlinearen dynamischen Analyse zur Berechnung der seismischen Systemantwort. Zu diesem Zweck kommt das Programm I DARG zur Anwendung (Valles et al. (1996)). Dieses löst die Gleichung (1) mit Hilfe des direkten Zeitintegrationsverfahrens nach New­mark, kombiniert mit dem Iterationsverfahren nach New1on/Raphson. Ein bilineares elastaplastisches Modell mit einer Verfestigung von 5 % nach dem Fliessen, modelliert die Momenten-Krümmungs­beziehung der Stahlquerschnitte. Die Fließkrümmung entspricht dem Zustand bei dem eine Faser des Querschnitts die Fließgrenze erreicht. Die Bruch­krümmung ist definiert als der kleinere Wert, entweder der Krümmung des Zustands des vollplastizierten Querschnitts oder des Zustands bei dem irgendeine Faser des Querschnitts die Bruchdehnung (E, = 22 %) erreicht.

sich im vorliegenden Beitrag auf die maximale nor­mierte gegenseitige Stockwerksverschiebung als glo­balen Schadensindikator, wie er in der Beziehung (4) definiert ist.

HEA 550 HEA550 HEA -so ' HEB340 HEB 500

HEA450 HEA550 HEA450

HEB 340 HEB 500 HEA450 HEA 550 HEA450

HEB 340 HEB 550 HEA450 HEASSO HEA450

HEB 340 HEB 550 HEA450 HEA550 HEA450

HEB 340 HEB 550 HEA450 HEA550 HEA450

HEB 340 HEB 550 HEA450 HEA550 HEA450

HEB400 HEB 1000 HEA450 HEA 550 HEA450

HEB400 HEB 1000 HEA450 HEA 550 HEA450

HEB 400 HEB 1000 HEA450 HEA550 HEA450

HEB400 HEB 1000

_L _L_ - L _L_

9m 12m 9m Material: Fe 510

30m

Abb. 3: Zehnstöckige Rahmenkonstruktion aus Stahl.

45

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Simulations-Studie zum optimierten Einsatz von Reibungsdämpfern in seismisch erregten Konstruktionen

Nr. Erdbeben Land Datum Station Komponente

1 San Fernando USA 9/2/1971 No.279 S16E

2 San Femando USA 9/2/1971 No.279 S74W

3 San Fernando USA 9/211971 No. 279 S74W

4 Northridge USA 17/111994 Jensen 292

5 Oroville Aftershock 6 USA 6/8/1975 USGS 0001 NOOE

6 Imperial Valley USA 15/10/1979 USGS 0958 S40E

7 Imperial Valley USA 15/10/1979 USGS 5054 S40E

8 Central California USA 4/9/1972 USGS1211 N29W

9 Northridge USA 17/111994 USC# 0055 N90E

10 Imperial Valley USA 15/10/1979 USGS 5165 N

11 Narthridge USA 171111994 USC# 0003 SOOE

12 Imperial Valley USA 15/10/1979 USGS 0958 S50W

13 Narthridge USA 17/1/1994 USC# 0013 N09E

14 Narthridge USA 171111994 USC# 0056 N46E

15 Imperial Valley USA 181511940 Na.117 SOOE

16 Imperial Valley USA 1511011979 USGA0942 S40E

17 Imperial Valley USA 1511011979 USGA5028 S40E

18 San Fernanta USA 9/2/1971 Na.128 N69W

19 Lama Prieta USA 1811011989 Appeel Array 43

20 San Fernando USA 9/2/1971 Na.122 S70E

21 San Fernando USA 912/1971 Na.110 N69W

22 Lama Prieta USA 18/10/1989 Emerville 260

23 Lama Prieta USA 1811011989 Hallister 180

24 Imperial Valley USA 15/10/1979 USGS 0942 S50W

25 Kabe Japan 17/111995 Kabe EW

26 Kabe Japan 17/1/1995 Kabe NS

27 Erzincan Met. Turkey 13/3/1992 Erzincan EW

28 Erzincan Met. Turkey 13/3/1992 Erzincan NS

29 Dursunbey Kandilli Turkey 18/7/1979 Dursunbey EW

30 San Salvadar Salvadar 10/10/1986 No. 90005 270

31 San Salvadar Salvadar 10/10/1986 N0.90006 180

32 San Salvadar Salvadar 10/10/1986 N0.90013 90

33 San Salvador Salvadar 10110/1986 N0.90014 90

Tabelle 1: Daten der verwendeten Akzelerogramme.

6 ERGEBNISSE

Die Ergebnisse der numerischen Untersuchung der 4 Rahmentypen sind als Balkendiagramme in Abb. 4 dargestellt. Während die Abzisse den Rahmentyp und die Reibungskraft der Dämpfer darstellt, geben die Ordinaten die Extremwerte und die Mittelwerte der maximalen normierten gegenseitigen Stockwerksver­schiebung (MISDR) für die 66 untersuchten natürli­chen Akzelerogramme wieder.

Die Mittelwerte des MISDR belegen die günstige Wirkung der Reibungsdämpfer. Voraussetzung ist allerdings, dass eine genügende Anzahl von Energie­dissipationsmechanismen vorhanden ist. Gute Lösun­gen stellen der Rahmentypen 2 (Reibungsdämpfer in allen Geschossen vorhanden) und 3 (Reibungsdämp-

46

Nr. Erdbeben Land Datum Station Komponente

34 San Salvador Salvador 10/10/1986 N0.90014 90

35 San Salvador Salvador 10/10/1986 N0.90014 90

36 San Salvador Salvador 10/10/1986 N0.90016 180

37 San Salvador Salvador 10/10/1986 N0.90018 0

38 Hokkaido Japan 23/4/1962 SMAC-A NS

39 Hokkaido Japan 23/4/1962 SMAC-A EW

40 Hokkaido Japan 231411962 SMAC-A UD

41 Hokkaido Japan 5/4/1966 DC-3C EW

42 Hokkaido Japan 19/11/1967 SMAC-A NS

43 Hokkaida Japan 19/11/1967 SMAC-A EW

44 Hokkaida Japan 1/4/1968 SMAC-82 NS

45 Hakkaida Japan 1/4/1968 SMAC-82 EW

46 Athens Greece 7/911999 NO.OB1 L

47 Athens Greece 719/1999 N0.117 T

48 Athens Greece 7/9/1999 N0.140 L

49 Athens Greece 719/1999 N0.140 T

50 Kalamata Greece 13/9/1986 Kalamata O.T.E. L

51 Kalamata Greece 131911986 Kalamata O.T.E. T

52 Kalamata Greece 151911986 Kalamata O.T.E. L

53 Karinthas Greece 2412/1981 Kalamata O.T.E. L

54 Karinthas Greece 2412/1981 Karinthas O.T.E. T

55 Karinthas Greece 25/2/1981 Karinthas O.T.E. L

56 Karinthas Greece 25/2/1981 Karinthas O.T.E. T

57 Bucharest Rumania 4/3/1977 INCERC N270

58 Bucharest Rumania 4/311977 INCERC NO

59 NewMexico Mexica 8/5/1996 SCT1 SOOE

60 NewMexico Mexica 191911985 SCT1 N90W

61 Lama Prieta USA 17/10/1989 N0.57007 90

62 Lama Prieta USA 17/10/1989 N0.57007 0

63 Petrolia USA 25/4/1992 N0.89156 90

64 Petralia USA 25/4/1992 NO.B9156 0

65 Lama Prieta USA 17/10/1989 No.58135 90

66 Lama Prieta USA 17/10/1989 No.58135 0

fer in allen Geschossen außer im Erdgeschoss vor­handen) dar, mit einer Reibungskraft für jeden Dämp­fer von 500 kN, 750 kN und 1000 kN. Der Mittelwert des MISDR reduziert sich von dem Wert 1.55 % für den Rahmentyp 0 (Rahmen ohne Reibungsdämpfer) zu 0.875 % für den Rahmentyp 3 und einer Reibungs­kraft von 750 kN. Darüber hinaus ist der Abb. 4 zu entnehmen, dass die Extremwerte des MISDR von den Werten 6.33 % und 0.23 % (Rahmentyp 0), auf die Werte 3.63 % (Rahmentyp 2, 500 kN) und 0.12 % ( Rahmentypen 2 und 3, 750 kN und 1000 kN) abfal­len. Der Abb. 4 ist ferner zu entnehmen dass die Prä­senz eines Dämpfers nicht in jedem Fall eine Minde­rung des Schadensindikators bewirkt (Mittelwert des MISDR für Rahmentyp 1, 500 kN, 750 kN, 1000 kN).

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Simulations-Studie zum optimierten Einsatz von Reibungsdämpfern in seismisch erregten Konstruktionen

"' 0

7.0

6.0

5.0

4.0

Cl) 3.0

"' 2.0

1.0

0.0

-1.0

6,33

0.23

6.38 6.4

0.1 0.11

I I

6.43

0.11

6.49

I I

. j

0.11

1(3,56

5.51

4.61

I

0.11 0.15 0.14

3.63

~I -I

I 0.13

3.77

0.12 0.12

Rahmentyp und Reibungskraft der Dämpfer

Abb. 4: MISDR in Abhängigkeit vom Rahmentyp und der Reibungskraft der Dämpfer.

5.41

4.47 n '

0.15 0.14

3.95

i

0.13

3.72

0.12 0.12

Rahmentyp und ___ _.::Mc.IS:::D:::R=Io/.~o]'----'M-'1-'S-=D.cR.=-D:::l.=ffe:::'.=""-=z:.c(c:cal.=s..c%:._' d.=•::sccA.::n:::fa::.n:;,gw.=•:::rt.::•:=s!...) ..cM:::l.=S.=D.=R-=-E:::nccd.cw.=ert-'-"(a-=ls'-%-'o-'d"-es:._Accn.=l=an"g"w-'e'-'rt-"es"-)

Reibungskraft Maximum Minimum Mittelwert Maximum Minimum Mittelwert Maximum Minimum Mittelwert

TO 6.330 0.230 1.550 0.000 0.000 0.000 100.00 100.00 100.00

T1, 100 kN 6.380 0.100 1.536 -0.790 56.522 0.903 100.790 43.478 99.097

T1, 250 kN 6.400 0.110 1.549 -1.106 52.174 0.065 101.106 47.826 99.935

n, soo kN 6.430 0.110 1.585 52.174 -2.258 101.580 47.826 102.258

T1, 750 kN 6.490 0.110 1.624 -2.528 52.174 -4.774 102.528 47.826 104.774

T1, 1000 kN 6.560 0.110 1.643 -3.633 52.174 -6.000 103.633 47.826 106.000

T2, 100 kN 5.510 0.150 1.213 12.954 34.783 21.742 87.046 65.217 78.258

T2, 250 kN 4.610 0.140 1.037 27.172 39.130 33.097 72.828 60.870 66.903

T2, 500 kN 3.630 0.130 0.910 42.654 43.478 41.290 57.346 56.522 58.710

T2, 750 kN 3.890 0.120 0.889 38.547 47.826 42.645 61.453 52.174 57.355

T2, 1000 kN 3.770 0.120 0.894 40.442 47.826 42.323 59.558 52.174 57.677

T3, 100 kN 5.410 0.150 1.216 14.534 34.783 21.548 85.466 65.217 78.452

T3, 250 kN 4.470 0.140 1.002 29.384 39.130 35.355 70.616 60.870 64.645

T3, 500 kN 3.950 0.130 0.891 37.599 43.478 42.516 62.401 56.522 57.484

T3, 750 kN 3.720 0.120 0.875 41.232 47.826 43.548 58.768 52.174 56.452

T3, 1000 kN 3.820 0.120 0.881 39.652 47.826 43.161 60.348 52.174 56.839

Tabelle 2: Tabellarische Übersicht der Ergebnisse des globalen Schadensindikators.

47

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Simulations-Studie zum optimierten Einsatz von Reibungsdämpfern in seismisch erregten Konstruktionen

Die Tabelle 2 zeigt explizit die MISDR-Differenz und den MISDR-Endwert, jeweils als Prozentsatz des Anfangwertes (Rahmentyp 0). Aus dieser Tabelle ist ersichtlich dass der Maximalwert, der Minimalwert und der Mittelwert sich um bis zu 42.654 % (T2, 500kN), 47.826 % (T2, T3, 750 kN, 1000 kN) und 43.548 % (T3, 750 kN) jeweils vermindern. Somit betragen die jeweiligen Endbeträge des MISDR 57.346 %, 52.174 % und 56.452 % des Anfangswertes.

7 SCHLUSSFOLGERUNGEN

Im vorliegenden Beitrag wurde die Untersuchung des seismischen Verhaltens einer zehnstöckigen Rah­menkonstruktion aus Stahl unter Mitwirkung von Rei­bungsdämpfern präsentiert. Unterschiedliche Topolo­gie der Dämpfer und verschiedene Reibungskräfte wurden berücksichtigt. Die maximale normierte ge­genseitige Stockwerksverschiebung wurde als Größe gewählt, die geeignet ist den Zustand der Konstrukti­on nach einem Erdbeben zu beschreiben. Dieser glo­bale Schadensindikator wurde mittels nichtlinearer dynamischer Analyse berechnet. Die Ergebnisse be­legen die schadenmindernde Wirkung der Reibungs­dämpfer. Die günstigste Systemantwort lieferte der Rahmentyp 2 (Rahmen mit Reibungsdämpfer in allen Geschossen) und der Rahmentyp 3 (Rahmen mit Reibungsdämpfer in allen Geschossen außer dem Erdgeschoss) mit Reibungskräften in den Dämpfern von 750 kN. ln diesem Fall verminderte sich der Mit­telwert des gewählten globalen Schadensindikators um bis zu 43.548 %. Die Extremwerte des MISDR verminderten sich ebenfalls um bis zu 47.826 %.

8 LITERATUR

Butterworth, J.W. (1999), Seismic Response of Steel Frames Containing Hierarchical Friction-Dissipating Joints, Mechanics of Structures and Materials, Bradford, Bridge & Foster (eds), Balkema, Rotterdam, 551-556.

Constantinou, M.C., Soong, T.T. & Dargush, G.F. (1998), Passive Energy Dissipation Systems for Structural Design and Retrofit, MCEER Monograph Series No 1, State Univer­sity of New York, Buffalo.

Elenas, A. & Meskouris, K. (2001 ), Gorrelation study be­tween seismic acceleration parameters and darnage indices of structures, Engineering Structures, 23, 698-704.

Hanson, R.D. & Soong, T.T. (2001 ), Seismic Design with Supplemental Energy Dissipation Devices, Monograph Series 8, EERI, Oakland, California.

Li, C. & Reinhorn, A.M. (1995), Experimentaland Analytical lnvestigation of seismic Retrofit of Structures with Supplemental Damping: Part II - Friction Devices, Report NCEER-95-0009, State University of New York, Buffalo.

Meskouris, K. (2000), Structura/ Dynamics, Ernst & Sohn, Berlin.

48

Valles, R., Reinhorn, A.M., Kunnath, S.K., Li, C. & Madan, A. (1996), IDARC 2D Version 4.0: A program for the lnelas­tic Darnage Analysis of Buildings, Technica/ Report NCEER-96-0010, State University of New York, Buffalo.

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Zur Auslegung von Hochbauten im Bereich chemischer Anlagen gegen Explosionsdrücke

Uwe Weitkemper1, Jürgen Ockert1

1BilfingerBerger AG, Ingenieurbau, Technisches Büro Wiesbaden

1 KURZFASSUNG DES VORTRAGS

Der Vortrag behandelt den Entwurf und die Bemes­sung von Hochbauten im Bereich chemischer Anlagen anhand von zwei Hochbauten, die sich im Bereich einer chemischen bzw. petrechemischen Anlage be­finden und gegenüber Explosionseinwirkung auszule­gen sind. Bei den beiden Gebäuden handelt es sich um ein zweigeschossiges Verwaltungsgebäude in Stahlbetonskelettbauweise, sowie eine eingeschossi­ge Lagerhalle mit innenliegenden Arbeitsräumen in Stahlrahmenbauweise. Die im Bereich der betreffen­den Anlage befindlichen Gebäude sind je nach ihrem Standort für Explosionsdrücke zwischen 55 bis 80 mbar und Impulsdauern zwischen 70 und 1 00 Millise­kunden auszulegen. Bei den genannten Gebäuden ist der maximale Überdruck einer Druckwelle im Explosi­onsfall durch den Bauherrn mit 55 mbar festgelegt worden. Die Bemessung erfolgt in Ergänzung zu den Vorgaben der British Standards BS 8110-1:1997 "Structural use of concrete" und BS 5950-1:2000 "Structural use of steelwork in building" nach einem eigenen Regelwerk des Bauherrn zum Explosions­schutz, dass siehin weiten Teilen an einer Veröffentli­chung der American Society of Civil Engineers (ASCE (1997)) orientiert.

Von dem genannten Explosionsdruck von 55 mbar ausgehend werden zunächst die Bemessungsdrücke für Front, Dach, Seitenwände und Rückwand mit den zugehörigen Zeitverläufen bestimmt. Der größte Druck ergibt sich dabei naturgemäß an der Gebäude­front, bezogen auf die Richtung der Druckwelle. Infel­ge der Reflexion der Druckwelle an der Bauteilober­fläche kommt es dort zu einer Erhöhung des Drucks auf etwa den doppelten Wert. Eine Beschreibung der bei einer Explosion auftretenden Phänomene und der zugehörigen theoretischen Grundlagen findet sich u.a. bei Baker (1973).

Um die verschiedenen Schwingungsanteile der Struk­turen auf der einen und die mit unterschiedlichen Zeit­verläufen einwirkenden Explosionsdrücke auf der anderen Seite zutreffend zu erfassen, erfolgt die Er­mittlung der Strukturantworten und Bemessungs­schnittgrößen mit Hilfe linearer Zeitverlaufsberech­nungen. Aus einer Betrachtung äquivalenter Einmas­senschwinger (s. Biggs (1964)) ergeben sich für die Hauptrahmen dynamische Faktoren wovNiwsTAT von etwa 0,40 für den Betonskelettbau und etwa 0,53 für den Stahlrahmenbau. Die dynamischen Faktoren geben dabei das Verhältnis der dynamischen Sys­temantwort zur Systemantwort bei statischem Ansatz des maximalen Explosionsdrucks an.

Grundsätzlich werden in ASCE (1997) die Schädi­gungsgrade niedrig, mittel und hoch unterschieden, wobei beide Gebäude wegen des häufigen Aufent­halts von Personen für niedrige Schäden im Explosi­onsfall bemessen werden. Bei dem Stahlrahmenbau haben Vorberechnungen gezeigt, dass bei dem vor­liegenden statischen System die Ausnutzung nichtli­nearer Tragreserven aufgrund der bestehenden Be­schränkung der Stockwerksverschiebungen auf H/50 kaum möglich war. Bei dem Stahlbetonskelettbau ergeben sich auch bei Nichtausnutzung der inelasti­schen Tragreserven nur geringfügig höhere Beweh­rungsmengen insbesondere in den Stützen, so dass auf nichtlineare Zeitverlaufsberechnungen mit ent­sprechenden Nachweisen verzichtet wird.

Bei der anschließenden Bemessung der Bauteile konnten gemäß den Vorgaben von ASCE (1997) auf­grund der hohen Dehngeschwindigkeiten modifizierte Materialkennwerte angesetzt werden. Beim Baustahl erhöht sich der Bemessungswert der Fließgrenze um etwa 31 %, beim Bewehrungsstahl um etwa 17 %. Die Teilsicherheitsbeiwerte auf der Widerstandsseite sind für den Explosionsfall einheitlich mit 1.0 festgelegt.

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Vorlage für die Beiträge zur DACH-Tagung 2003

Bei Beton zeigen sich im allgemeinen zwei Aspekte des zeitabhängigen Verhaltens: 1. das Kriechen und Schwinden des Betons und 2. die Geschwindigkeits­abhängigkeit der Mikrorissbildung (Ozbolt et al. (2005)) Bei Explosionsvorgängen ist nur der zweite Anteil, also die Geschwindigkeitsabhängigkeit der Mikrorissbildung von Bedeutung, die zu einer Erhö­hung der Betondruckfestigkeit führt und sich darüber hinaus in einem deutlich erhöhten Betontraganteil bei der Schubbemessung äußert.

Bei der konstruktiven Durchbildung der Tragwerke ergeben sich an vielen Stellen Analogien zur Erdbe­benbemessung von Tragwerken. Aufgrund der dyna­mischen Einwirkungen hat die Verformungsfähigkeit und Duktilität der Strukturen in Ergänzung zu ihrem Tragwiderstand gegenüber horizontalen Einwirkungen einen hohen Stellenwert.

Bei dem Stahlrahmenbau wird ein ausreichendes Verformungsvermögen der Struktur u.a. durch folgen­de Maßnahmen gesichert:

- Wahl ausreichender Fugenbreiten zu den Mauer­werkswänden innerhalb der Halle.

- Bereitstellung von Überfestigkeiten in den An­schlussbereichen, hauptsächlich den Rahmen­ecken.

- Anordnung zusätzlicher Aussteifungselemente zur Sicherung der Stützen und Dachträger gegenüber Biegedrillknicken.

- Verwendung abgestufter Anforderungen an die Duktilität mit den höchsten Anforderungen an die Hauptrahmen.

- Verwendung normalfester Schrauben und Begren­zung der Lochspiele bei den geschraubten Verbin­dungen.

Die wesentlichen konstruktiven Maßnahmen bei dem Stahlbetonskelettbau sind entsprechend:

- Vermeidung kurzer Stützen u.a. durch Abfugen der Brüstungen und Trennung ausgefachter Bereiche von der tragenden Rahmenkonstruktion.

- Anordnung einer ausreichenden Mindestbeweh­rung in Stützen, Balken und Deckenscheiben.

- Keine Verwendung kaltgewalzter Bewehrungsstäh­le mit geringer Duktilität.

- Bemessung der Fassadenkonstruktion und ihrer Bauteile für den auftretenden Explosionsdruck.

50

2 LITERATUR

American Society of Civil Engineers, ASCE (1997). Design of Blast Resistant Buildings in Petrochemical Facilities. Baker, W.E (1973). Explosions in Air. University of Texas Press. Biggs, J.M (1964). lntroduction to Structural Dynamics .. McGraw-Hill Book Company. Ozbolt, J. & Reinhardt, H.-W. (2005). Dehnungsgeschwin­digkeitsabhängiger Bruch eines Kragträgers aus Beton. Bauingenieur 80, 2005.

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Optimierung von Tribünenplatten unter dynamischer Beanspruchung

Grundlagen Dieter Kuhlmann 1, Wolfgang Roeser"' und Jan Lingemann2

1 Wayss & Freytag Ingenieurbau (Leiter Technik & Entwicklung), Frankfurt; 2 H+P Ingenieure GmbH & Co. KG (Hegger + Partner), Aachen

1 EINLEITUNG

Bei der dynamischen Bemessung von Tribünenplatten in Sportstadien (Bild 1) ist die dynamische Anregung durch hüpfende Zuschauer bei Rock- und Popkonzerten maßgebend [1]. Als Grundlage für wirtschaftliche Konstruktionen werden Vergleichsrechnungen und Messungen durchgeführt, mit dem Ziel Kosten, Materialeinsatz und Eigenfrequenzen zu optimieren. Dabei werden Länge und Dicke der Platten, der Einsatz einer Vorspannung und die Lastansätze für hüpfende Personen untersucht. Im vorliegenden Zwischenbericht wird über die angewandten Methoden berichtet (Fourier­Analyse, Finite Elemente Berechnungen und Messungen an Tribünenplatten).

Bild 1. Oberrang der Südtribüne in der "Arena Auf Schalke" im Bau

2 LASTANNAHMEN

Das Eigengewicht eines durchschnittlichen Zuschauers kann zu G = 0,80 kN angenommen werden. Der Flächenbedarf sitzender Zuschauer beträgt nach den Empfehlungen der FIFA [2] auf den Tribünen moderner Stadien 80 cm bei einer Sitzbreite von etwa 50 cm (Bild 2). ln den VIP- bzw.

Businessbereichen werden Beinfreiheit und Sesselbreite b großzügiger gewählt. Somit ergeben sich die Flächenlasten für die verschiedenen Nutzungen gemäß Tabelle 1.

Zum Vergleich betragen die Nutzlasten nach DIN 1055-3, Ausgabe Oktober 2002 [3], Tabelle 1, für

Kategorie C5: Tribünen mit fester Bestuhlung 5,00 kN/m2

Kategorie E3: Tribünen ohne feste Bestuhlung 7,50 kN/m2

(Mindestwert)

Bild 2. Beinfreiheit und Platzbedarf (nach [2]) bei fester Bestuhlung (oben) und Klappstühlen (unten)

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Optimierung von Tribünenplatten unter dynamischer Beanspruchung

a b A p

[m] [m] [m2] [kNim2j

Business- 1,00 0,60 0,60 1,33 Bereich Normal- 0,80 0,50 0,40 2,00 bereich Steh- 0,40 0,40 0,16 5,00 tribüne

Tabelle 1. Abmessungen der Aufstandsflächen und daraus folgende Statische Flächenlasten auf Tribünenplatten (p = GI A mit G = 0,8 kN)

in Fußballstadien gibt es Bereiche, in denen die Sitzplätze optional in Stehplätze umgewandelt werden können. Dies erfolgt bei Bundesligaspielen vorzugsweise auf der Nordtribüne, wo der "harte Kern" der Fangemeinde lieber stehend das Spielgeschehen verfolgt, in Teilbereichen der Südtribüne, wo die Fans der Gästemannschaften stehen, und natürlich bei Pop- und Rockkonzerten, für die eine dynamische Auslegung der Tribünenplatten für hüpfende Personen erforderlich ist.

3 HÜPFFREQUENZEN

Die Kontaktdauer zwischen Person und Tribünen­platte beim Hüpfen mit beiden Beinen beträgt aus physiologischen Gegebenheiten zwischen 0,15 und 0,20 Sekunden. Sie ist bei niedrigen Hüpffrequenzen und natürlichem Hüpfen größer als bei intensivem Hüpfen. Ab etwa 3 Hz kann für normales und rasches Hüpfen auf schwingender Unterlage als Kontaktdauer von tp,m;o = 0,15 Sekunden ausgegangen werden [1]. Den nachfolgenden Betrachtungen wird die minimale Kontaktdauer tp,m;o zugrunde gelegt (Gleichung 1 ).

min tP = 0,15 [s] (1)

Maßgebend für die Größe der dynamischen Belastung ist die zeitliche Abfolge von Kontaktdauer ( Lastphase) und Flugdauer ( lastfreie Phase), die zusammen die Periode T, bilden. Das Verhältnis von Kontaktdauer t, zur Hüpfperiode T, kann nach [1] aus der Hüpffrequenz fh für Einzelpersonen bestimmt werden zu t, I T, = 0,15 f".

Die Bandbreite der Hüpffrequenzen von Einzelpersonen liegt etwa zwischen 1 ,8 und 3,4 Hz; bei unkocrdiniert hüpfenden Gruppen beträgt die maximal erreichbare Frequenz weniger als 3 Hz. Wegen unvollkommener Synchronisation vergrößert sich beim Hüpfen von Gruppen das Verhältnis von Kontaktdauer zu Hüpfperiode auf t, I T, = 0,2 fh· Dabei kann das Hüpfen zwischen

langsam, normal und schnell gemäß Tabelle 2 unterschieden werden.

Gruppen Hüpfart Frequenz f h tJT langsam 1 ,80 bis < 2,00 "'0,40 normal 2,00 biss 2,50 "'0,50 schnell 2,50 bis s 3,00 "'0,60

Tabelle 2. Übersicht der Hüpfarten und Frequenzen

Die · durch Hüpfen oder Springen verursachte Lastfunktion kann als Halb-Sinus-Welle (Bild 3) mit Gleichung 2 beschrieben werden, deren Form von der Stoßdauer ( Kontaktzeit t,), der Periodendauer T, und dem Stoßfaktor k, bestimmt wird.

f(t)=kP·G·sin( ~~~J (2)

für 0 ,.:; t ,.:; tP

f(t)=O für tP :o;t:o;TP

Der dynamische Stoßfaktor k, ergibt sich gemäß Gleichung (3) in Abhängigkeit von Periodendauer und Kontaktzeit entsprechend dem zweiten Newtonsehen Axiom F = m · a(t) = const. Die so ermittelten Stoßfaktoren kp (Bild 4) stehen für praktische Bemessungen in ausreichend genauer Übereinstimmung zu Messungen.

4,5

4

...,3,5-•

n TP k =-·- (3)

p 2 t p

.;: 3

"-c.2.s- T P ~ 2"~f---+-------~~ 1ii j 1,5

1 tp 0,5

0 --+-~-~--1--r-

0 0,075 0,15 0,225 0,3 0,375 0,45 0,525 0,6 0,675

Zeit t [sec.]

Bild 3. Schematischer Zeitverlauf von Hüpfenden Personen im Halb-Sinus-Modell (Gleichung 2)

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Optimierung von Tribünenplatten unter dynamischer Beanspruchung

8

7

.,z" Ci 5

:; 4

~ 3 2

0

I~ ~ ------

u u ~ ~

relative Kontaktdauer t"rr •

Bild 4. Stoßfaktoren im Halb-Sinus-Modell

4 DYNAMISCHES VERHALTEN

4.1 Fourier-Reihen

-

0,6

Der zeitliche Verlauf einer periodischen Erregung kann mit Fourier-Reihen [4, S] beschrieben werden. Die trigonometrische Form der Fourier-Reihe entspricht Gleichung 4.

x{l) = a0 + 2.: an cos (n 0 I) + 2.: bn cos {n 0 I)

Mit: = 1/T J x(t) dt = 2/T J x(t) cos (n 0 I) dt = 2/T J x(t) sin (n 0 I) dt = Frequenz der Anregung =2n/Tp

(4)

Um Resonanzen zu vermeiden, müssen die Eigenfrequenzen der Tribünenplatten oberhalb der zweiten Harmonischen liegen. Die kritischen Grenzwerte werden von Bachmann in [10] gemäß Tabelle 3 angegeben:

Empfohlene Eigenfrequenzen

Stahlbeton > 6,S Hz Spannbeton > 7,0 Hz Verbundbau > 7,S Hz Stahl > 8,0 Hz Konzertsäle mit fester > 3,4 Hz Bestuhlung

Tabelle 3. Mindestwerte der Eigenfrequenzen für Tribünenplatten gemäß Bachmann [6]

4.2 Dämpfung

Das logarithmische Dämpfungsdekrement o erhält man aus dem Verhältnis zweier zeitlich aufeinander folgender Amplituden einer Ausklingkurve gemäß Glerichung (Sa).

(Sa)

Das äquivalente viskose Dämpfungsmaß ~ wird

auch als Lehr'sches Dämpfungsmaß 0 bezeichnet (Gleichung Sb).

0 c ~=D=-=- (Sb)

2n ckri, Das Dämpfungsmaß D setzt sich aus dem Anteil

der nackten Platten (D = 1 ,S bis 3 %) und dem Anteil der "passiven" Zuschauer (D = 1 bis 2 %) zusammen und kann für Bemessungszwecke bei Stahlbetonplatten näherungsweise zu D = 2,S bis S % abgeschätzt werden.

4.3 Vergrößerungsfunktion

Als Abstimmung '1 wird das Verhältnis der Erregerfrequenz 0 zur Eigenfrequenz robezeichnet ('1 = 0 I ro). Hieraus errechnet sich die dynamische Vergrößerung V (Bild S) der Auslenkung mit Gleichung (6)

V. - 1 (") - '( 2 ) 2 2

\j 1-11 +(2·D·11) (6)

Für die verschiedenen Grenzfälle erhält man:

20 l > I ~

~ 15 J!! ., "' c 10 2 ~ =e s-2' ~

0 0

Tribünenplatte ungedämpft:

D=O V =-1

-("J 1-112

Resonanz:

11=1 V. =-1-(") 2 · D

Sehr

11~0

Sehr

11~00

0,5

kleine

V("J = 1 große

V("J = 0

0=5%

Erregerfrequenz:

Erregerfrequenz:

2 2,5

Abstimmungsverhältnis 11 = ntro

Bild 5. Vergrößerungsfaktoren für Dämpfungswerte D = 2,S%, S% bzw. 10%

53

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Optimierung von Tribünenplatten unter dynamischer Beanspruchung

4.4 Phasenwinkel

e: 150 e-

-.; 120-

"' c 90 "§:

c " 60 U) ., .c 30 0..

0

0,0 0,5 1,0 1,5 Abstimmung '1 = OJro

Bild 6. Phasenverschiebung <p zwischen Kraft und Antwort

Der Phasenwinkel <p beschreibt das Nacheilen der Antwort hinter der Erregung (Gleichung 7) und ist von der Dämpfung abhängig.

11 < 1,0 =:. cp = arctan (Z·s·;) 1-11

11 = 1,0 =:> qJ = 90°

(7)

11 > 1,0 =:. cp = 180° + arctan (Z·/;· 11 ) 1-11'

4.5 Kraft-Zeit-Funktion

Der Kraftverlauf über die Zeit wird unter Berücksichtigung der Phasenverschiebung zwischen der Kraft und der Antwort <p; mit Gleichung (8) beschrieben.

F,,, (I) = F,1a1 ([1 +V(l]1) r1 sin (0 I+ <!>1 - <p1)

+ ... + V(lJ;) r; sin (in I+ <j>;- <p;)] (8)

Mit:

4.6

dem Fourierkoeffizient r,

rn =~a~ +b~

und der Phasenverschiebung der Fourierreihe

<l>n

~n = arctan( ::)

gemäß Anhang

Berechnungsbeispiel

Als Beispiel für die Fourier-Analyse wird eine Tribünenplatte mit zwei Sitzreihen (L = 8,00 m) als

beidseitig gelenkig gelagerter Träger betrachtet, wobei die Eigenfrequenz zwischen 6,5 Hz, 8,0 Hz und 10 Hz variiert wird (Bilder 7 bis 9). Es wird der Fall des dynamischen Hüpfens mit 1 I T, = 2 Hz und einer Kontaktzeit von t, IT, = 0,4 untersucht. Dabei werden in der Fourier-Analyse sechs Reihenglider eingesetzt. Es zeigt sich, dass im vorliegenden Fall mit zunehmender Eigenfrequenz der Platte die dynamische Beanspruchung F ''" zunächst abnimmt (Bild 8 zu Bild 7) und dann wieder zunimmt (Bild 9 zu Bild 8). Dieses Verhalten ist auf den unterschiedlichen Phasenwinkel <p zurückzuführen, der bei der Platte mit 10 Hz in der fünften Harmonischen bei dem untersuchten Beispiel zu einer stärkeren Systemantwort führt, als bei der Platte mit 8 Hz in der vierten Harmonischen.

0,0 0,5 1,0

Zeit I [sec.]

__ I 1,5

Bild 7. Dynamische Vergrößerung bei fe = 6,5 [Hz] und D = 0,025 (6 Reihengleider)

?r······························--------------------------

6

5

:I: 4

~ 3

~ 2 ~

~ 1-

0

-1.

0 0,5 1,5 2

Zeit I [sec.]

Bild 8. Dynamische Vergrößerung bei fe = 8,0 [Hz] und D = 0,025 (6 Reihenglieder)

8

6

:r: 4

• tL' 2

"1. ,;:: 0

-2 I~ -4 l_ __ _

o.o

6,65

-3,11

0,5 1,0 Zeit I [sec.]

1,5

Bild 9. Dynamische Vergrößerung bei fe = 10 [Hz] und D = 0,025 (6 Reihenglieder)

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Optimierung von Tribünenplatten unter dynamischer Beanspruchung

Eine Betrachtung mit nur drei Reihengliedern in der Fourier Analyse führt bei einer Eigenfrequenz von 10 Hz zu einem abweichenden Ergebnis gegenüber Bild 9, da die fünfte Harmonische maßgebend für die Vergrößerung ist, die erst mit dem fünften Reihenglied der Fourier Analyse erfaßt wird. Dies zeigt, dass es bei der Fourier-Analsyse wichtig ist, die Anzahl der Reihenglieder für den jeweiligen Anwendungsfall geeignet festzulegen.

5 MESSUNG UND FE-BERECHNUNG

ln Messungen an stufenförmigen Tribünenplatten der Länge 8,0 m bzw. 10,0 m wurden die Eigenfrequenz, das Dämpfungsmaß und das Schwingungsverhalten unter Hüpfen im Takt experimentell und numerisch untersucht. Bei der 10 m Platte handelt es sich um eine Spannbetonplatte mit Vorspannung ohne Verbund, die vor und nach dem Vorspannen hinsichtlich der dynamischen Eigenschaften untersucht werden. Die Messungen erfolgten in Zusammenarbeit mit Herrn Dipl.-lng. M. Mistler (Lehrstuhl für Baustatik und Baudynamik der RWTH Aachen) und Herrn Dr.-lng. M. Malter (Bremer AG, Paderborn). ln der Messung kam ein hochempfindlicher triaxialer Beschleunigungs-aufnehmer (ACF 24 von Ziegler Instruments GmbH) und ein triaxialer Geschwindigkeitsaufnehmer (LE-3D von Lennartz Electronic GmbH} zum Einsatz.

Für den Tribünenträger No. 1 mit einer Spannweite von 8,0 m wurde die erste Eigenfrequenz zu f1 = 11 ,4 bis 11,9 Hz gemessen (Bild 1 0). Diese steht in guter Übereinstimmung zur eigenen Finite Eiernnieberechnung mit einer ersten Eigenfrequenz f1

= 12,22 Hz (Bild 11 oben). Die maximale Beschleunigung ergab sich entsprechend der geneigten Hauptträgheitsachse der Platte unter einem Winkel von 17" zur Vertikalen. ln einer zweiten Messung wurde der Geschwindigkeitsaufnehmer exzentrisch am Plattenrand angeordnet. Dabei wurde die zweite Eigenfrequenz f2 = 17,9 Hz gemessen, die in guter Übereinstimmung zur Torsionsform in der Finiten Elemente Berechnung steht (Bild 11 mitte ). Die gemessenen und berechneten Eigenfrequenzen sind für den Einsatz als Tribünenplatten als unbedenklich einzustufen, da die geforderte Eigenfrequenz von 6,5 Hz entsprechend Tabelle 3 deutlich überschritten wird.

~ 0.06

E o.os .s "' 0.04 " ... "' 0.03 ;; c

"ji 0,02 .c " 0.01 .. " C>

0

~~ I

1

I

~. ~~~ I I

1

0 3 6 9 12 15 18 21 24

Frequenz [Hz]

Bild 10. Gemessene erste Eigenfrequenz der Tribünenplatte L = 8,0 m

Der Tribünenträger No. 2 hat eine Spannweite von 10 mundwurde im Alter von 2 und 31 Tagen geprüft. Zunächst wurde der Träger ohne Vorspannung untersucht. Er erreichte im nichtvorgespannten Zustand eine Eigenfrequenz von 6,9 Hz ohne Personen im nicht gerissenen Zustand I. Durch koordiniertes Hüpfen von 35 Personen ging der Träger in den gerissenen Zustand II über und erreichte eine Eigenfrequenz von 4,47 Hz unter dynamischem Hüpfen.

Auch bei einer Anregung der 1Om Platte durch gezieltes Hüpfen bei Frequenzen von 1,8 bis 2,5 Hz konnte im Versuch kein Aufschaukeln in der dritten Harmonischen herbeigeführt werden. Trotz Taktgeber war ein absolut synchrones Hüpfen nicht zu erzielen, was sicherlich mit den unterschiedlichen Temperamenten und Altersklassen der 35-köpfigen Gruppe zu erklären ist (Bild 12). Der Gleichzeitigkeitsfaktor kann zu weniger als 60% abgeschätzt werden. Allerdings ist in Bild 13 deutlich die Vergrößerung bei der Frequenz von 4,47 Hz für die Anregung bei 2,23 Hz zu erkennen. Als rechnerische Vergrößerung ergab sich durch Foruieranalyse der Wert F dyn = 7 ,0.

55

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Optimierung von Tribünenplatten unter dynamischer Beanspruchung

1. Eigenform (erste Biegung), f1 = 12,22 Hz (gemessen: f= 11,6 Hz)

2. Eigenform (erste Torsion), f2 = 17,95 Hz (gemessen: f= 17,9 Hz)

3.Eigenform (zweite Biegung), f3 = 25,44 Hz

Bild 11. Erste bis dritte Eigenform der Tribünen-platte mit L = 8,0 m in der Finite Elemnte Berechnung

Im gerissenen Zustand II war die verbleibende Eigenfrequenz der 1 Om-Piatte nach dem Hüpfen 5, 7 Hz ohne Personen. Nach dem Aufbringen der Vorspannung ohne Verbund stieg die Eigenfrequenz wieder auf 6,75 Hz an, so dass der Ursprungswert von 6,9 Hz gemäß Zustand I wieder annähernd erreicht wurde. Dies zeigt, dass durch die Vorspannung der steifigkeits-abmindernde Einfluss der Rißbildung wieder aufgehoben werden kann. Die gemessene Frequenz wird gemäß Tabelle 3 als ausreichend angesehen, da die 10 m Platte im eingebauten Zustand eine feste Bestuhlung und eine Linienlagerung auf einer Wandscheibe am unteren Plattenrand erhält, und somit die geforderte Eigenfrequenz weit überschritten wird.

Die Dämpfung wurde nach Anregen der Platten durch jeweils einen einmaligen Sprung einer Person ermittelt. Bild 14 zeigt die Ausschwingkurve der 1 0 m weit gespannten Tribünenplatte im Zustand I. Das Lehrsehe Dämpfungsmaß als Prozentsatz der kritischen Dämpfung aus der Ausschwingkurve über 12 Perioden ergibt sich zu D = 2,26 %.

ii=_!_·m(4

'9654

)=o 1421 12 0,9026 ,

I;= D = 0

'1421

·100=2,26% 2·1t

Bild 12: Koordiniert hüpfende Personengruppe im Versuch

0 4 8 12 16 Frequenz [Hz]

Bild 13. gemessene Frequenz beim Hüpfen von 35 Personen auf nicht vorgespannter 1 Om-Piatte

·6'----

3 4 5 Zeit [sec.]

Bild 14. Dämpfungsmessung an der10m Tribünenplatte

6

Im Zustand II nahm die Dämpfung auf 3,2 bis 3,5 % zu und nach dem Aufbringen der Vorspannung nahm die Dämpfung wieder auf 2,6% ab. Die 8m -

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Optimierung von Tribünenplatten unter dynamischer Beanspruchung

Stahlbetonplatte hatte im Vergleich dazu ein Dämpfungsmass von 1,4 bis 1 ,9%.

Bei einer Messung der 1 Dm-Platte mit stoßartiger Belastung durch 35 Personen (einmaliges annähernd synchrones Hüpfen) ergab sich als Dämpfung D = 10%, was auf die Interaktion zwischen dem Feder­Masse-System aus der Personengruppe und der Platte zurückzuführen ist.

6 ZUSAMMENFASSUNG

Zur dynamischen und wirtschaftlichen Optimierung von Tribünenplatten in Fußballstadien werden rechnerische und experimentelle Untersuchungen durchgeführt. Dabei werden die Spannweite, die Eigenfrequenz, die Dämpfung und der Einfluss einer Vorspannung untersucht.

Für die Bemessung mit Fourier Analyse ist es wesentlich die Anzahl der Reihenglieder geeignet festzulegen, insbesondere wenn die Phasenverschiebung zutreffend erfasst werden soll. Mit Finite Elemente Berechnungen können darüber hinaus Torsionsschwingungen betrachtet werden, wie sie in den eigenen Messungen auch experimentell belegt wurden. Die Vorspannung wirkt sich günstig auf die Rissbildung der Platte aus, so dass Eigenfrequenz und Dämpfung beeinflusst werden.

ln einem Experiment an einer gerissenen Tribünenplatte der Spannweite von 10 m war es nicht möglich diese durch eine Gruppe von 35 Personen durch koordiniertes Hüpfen dynamisch aufzuschaukeln, auch wenn kruzzeitig Resonsanz erreicht wurde. Dies ist auf das nicht exakt synchrone Hüpfen der Personengruppe zurückzuführen.

ln den noch ausstehenden weitergehenden Untersuchungen sollen anhand der hier beschriebenen Grundlagen verschiedene Plattentypen hinsichtlich Materialeinsatz (Beton, Bewehrung, Spannstahl, Schalung) wirtschaftlich optimiert werden.

Bild 15. Hüpfende Person

Literatur

[1] Bachmann, H., Ammann, W.: Schwingungsprobleme bei Bauwerken; Structural Engineering Documents 1987

[2] Federation Internationale de Football Association (FIFA): Technische Empfehlungen und Anforderungen für den Neubau oder die Modernisierung von Fußballstadien

[3] DIN 1055-3 (Ausgabe Oktober 2002): Einwirkungen auf Tragwerke, Teil 3: Eigen- und Nutzlasten fOr Hochbauten

[4] Ji, T., Ellis, B.R.: Floor vibration induced by dance-type Ioads: theory; The Structural Engineer, Valurne 72, No. 3, Februar 1994

[5] Meskouris, K.: Baudynamik; Ernst & Sohn, Berlin, 2000

[6] Bachmann, H.: Praktische Bauwerksdynamikam Beispiel der menschenerregten Schwingung; Beton- und Stahlbeton bau, Heft 9, 1988

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Anhang: Fourier-Koeffizienten rn mit Phasenwinkeln ~n

a = t.JTo

0,30

0,35

0,40

0,45

0,50

n=1

a" 1,0797

bo 1,486

ro 1,8368

~(Grad) 36'

<1> (rad) 0,6283

ao 0,8083

bo 1,5863

r" 1,7804

~(Grad) 2r

~ (rad) 0,4712

ao 0,5305

bo 1,6327

r" 1,7168

~(Grad) 18'

<1> (rad) 0,3142

a" 0,2576

bo 1,6264

ro 1,6467

~(Grad) 9'

~ (rad) 0,1571

a" 0

bo 1,5708

ro 1,5708

$(Grad) 0

<1> (rad) 0

Wenn 2 * n * a = 1 ,0

2. und 3. Quadrant

4. Quadrant

n=2

-0,4341

1,3359

1,4046

342'

5,9690

-0,7198

0,9907

1,2246

324'

5,6549

-0,8391

0,6097

1,0372

306'

5,3407

-0,8076

0,2624

0,8492

288'

5,0265

-0,6667

0

0,6667

270'

4,7124

=> =>

n=3

-0,8076

0,2624

0,8492

288'

5,0265

-0,5722

-0,0906

0,5793

261'

4,5553

-0,2750

-0,1998

0,3399

234'

4,0841

-0,0655

-0,1286

0,1444

2or

1,8064

0

0

0

0

0

bo=n/2

~ + 180'

<I>+ 360'

n=4 n=5

-0,275 0

-0,1998 0

0,3399 0

234' 0

4,0841 0

-0,0279 -0,0889

-0,0859 0,0889

0,0904 0,1257

198' 315'

3,4558 5,4978

-0,0207 -0,1333

0,0636 0

0,0669 0,1333

342' 270'

5,9690 4,7124

-0,1094 -0,0519

0,0795 -0,0519

0,1353 0,0735

306' 225'

5,3407 3,9270

-0,1333 0

0 0

0,1333 0

270' 0

4,7124 0

n=6

-0,1094

0,0795

0,1353

306'

5,3407

-0,1087

-0,0353

0,1143

252'

4,3982

-0,0087

-0,0267

0,0280

198'

3,4558

-0,0245

0,0338

0,0417

324'

5,6549

-0,0571

0

0,0571

270'

4,7124

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SIA 2018- Überprüfung bestehender Gebäude bezüglich Erdbeben

ThomasWenk Wenk Erdbebeningeniewwesen und Baudynamik GmbH, Zürich

1 EINLEITUNG

ln den neuen Tragwerksnormen SIA 260 bis 267, die Anfang 2003 in der Schweiz in Kraft getreten sind, wurden die Erdbebenbestimmungen gegenüber frühe­ren Normengenerationen wesentlich verschärft. Im All­gemeinen sind jedoch bei Neubauten die Mehrkosten, die zur Erzielung der normengernässen Erdbebensi­cherheit notwendig sind, trotzdem von unbedeutender Grösse, falls die Erdbebeneinwirkung bereits von der frühen Entwurfsphase an berücksichtigt wird. Werden ältere, gernäss früheren Normen bemessene Bau­werke nach den neuen Normen überprüft, können die erforderlichen Nachweise der Erdbebensicherheit oft nicht erbracht werden. Die Ertüchtigung auf das Anfor­derungsniveau für Neubauten ist meisi nur mit be-

-- SIA 261 Baugrundklasse A - - SIA 160 (1989) steife Böden - - - SIA 160 (1970)

2

1.5 "...,

.!!! .s u

L - \ • Cf)

Cl

" " Cl "<" " ., :;:: -::::

V f-

" 0.5 "' ., CO \\

- - -- I~ -\

0 0.01 0.1 1 10

Schwingzeit T [s]

Abb. 1: Vergleich der Antwortspektren der Beschleunigung für elastisches Tragwerksverhalten auf Baugrund­klasse A (Fels) in der niedrigsten Zone Z1 der bis­herigen drei Normengenerationen der Schweiz

trächtlichem baulichen Aufwand und betrieblichen Fol­gekosten möglich. Ohne spezifische Regeln für die Überprüfung bestehender Bauten, besteht die Gefahr, dass erhebliche volkswirtschaftliche Mittel zur Reduk­tion des Erdbebenrisiko ineffizient im Vergleich mit der Prävention gegen andere Gefahren eingesetzt wer­den.

Ende 2004 ist als Ergänzung zu den Erdbebenbe­stimmungen in den SIA-Tragwerksnormen das Merk­blatt SIA 2018 Oberprüfung bestehender Gebäude bezüglich Erdbeben erschienen. Darin wird ein neuar­tiges, innovatives Vorgehen zur risikobasierten Über­prüfung der Erdbebensicherheit eingeführt. Im ersten Schritt der Überprüfung erfolgt die Zustandserfassung des bestehenden Gebäudes gernäss den Grundsät-

E -g

Cf)

Cl

" " .D ., E " ['!

~

0.3

0.2

0.1

0 0.01

-- SIA 261 Baugrundklasse A

- - SIA 160 (1989) steife Böden --- SIA 160 (1970)

I

. , .

d

0.1 10 Schwingzeit T [s]

Abb. 2: Vergleich der Antwortspektren der Verschiebung für elastisches Tragwerksverhalten auf Baugrund­klasse A (Fels) in der niedrigsten Zone Z1 der bis­herigen drei Normengenerationen der Schweiz

59

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SIA2018- Überprüfung bestehender Gebäude bezüglich Erdbeben

zen der Tragwerksnormen für neue Bauten. Anschlies­send wird im zweiten Schritt, der Zustandsbeurteilung, die Notwendigkeit und das Ausmass von Ertüchli­gungsmassnahmen unter Berücksichtigung der unter­schiedlichen Voraussetzungen gegenüber Neubauten beurteilt. Im letzten Schritt, der sogenannten Mass­nahmenempfehlung, werden basierend auf den Ergebnissen der Zustandsbeurteilung konkrete Ertüchtigungsmassnahmen empfohlen. in der Regel ist es aufgrund von Kosten-Risiko-Überlegungen nicht sinnvoll, bestehende Bauten auf das Sicherheilsni­veau der Normen für neue Bauten zu ertüchtigen. Das komplette Merkblatt SIA 2018 Oberprüfung bestehen­der Gebäude bezüglich Erdbeben kann von den Inter­netseilen des Bundesamts für Wasser und Geologie heruntergeladen werden (BWG 2005).

2 NORMENVERGLEICH

Im Jahre 1970 wurden in der Schweiz erstmals Erdbe­benbestimmung eingeführt und seither zweimal revi­diert. Je nach Schwingungsverhalten des Bauwerks erreicht die Erdbebeneinwirkung in den Normen heute fast den 10-fachen Wert von 1970. Abbildung 1 zeigt als Vergleichsgrösse die Bemessungsspektren der Beschleunigung für elastisches Tragwerksverhalten der bisherigen drei Normengenerationen mit Erdbe­benbestimmungen. Die gleiche Entwicklung als elasti­sche Bemessungsspektren der Verschiebung ist in Abbildung 2 dargestellt. Sie zeigt gerade den umge­kehrten Trend. Die Erdbebeneinwirkung ist mit jeder neuen Erdbebengeneration zumindest für die grössten Verschiebungen im Bereich der längeren Schwingzei­ten über etwa T = 2 s zurückgegangen.

Die maximal zu erwartenden Beschleunigungen wurden früher stark unter- und die Verschiebungen stark überschätzt. Typisch waren völlig unrealistische, gegen unendlich strebende Spektralwerte der Ver­schiebungen für lange Schwingzeiten. Beispiele für solche Spektren finden sich neben der Norm SIA 160 (1970) z.B. auch in den Vornormen des Eurocodes 8 (1994). Mit dem Aufkommen verformungsbasierter Berechnungsverfahren wurden die Verschiebungen in neueren Normspektren auf realistische Werte redu­ziert. Der maximale Verschiebunsbedarf erreicht dann nur noch vergleichsweise kleine Werte. Dies lriffi ins­besondere bei niedriger bis mittlerer Seismizität zu, wie sie in den D-A-CH-Staaten vorherrschend ist. Und dort wo der Verschiebungsbedarf gering ist, wird die Anwendung verformungsbasierter Berechnungsver­fahren für bestehende Bauten um so interessanter.

60

3 ALTERSSTRUKTUR DES BAUWERKS­BESTANDS

Im Vergleich zur Entwicklung der Erdbebennormen hat sich der Bauwerksbestand in der Schweiz während den letzten 35 Jahren langsam verändert. Aufgeteilt auf die im Kapitel 2 erwähnten Normengenerationen fallen gut 70% der Gebäude auf die Zeit vor 1970 und knapp 20% auf die Zeitspanne zwischen 1970 und 1989. Nur 10% sind seit1989 nach aus heutiger Sicht modernen Erdbebennormen erstellt worden (Abbil­dung 3). Der Anteil der nach den neuen Tragwerksnor­men von 2003 ausgelegten Bauten ist vorläufig noch vernachlässigbar. Obwohl ältere Gebäude dank kon­struktiver Aspekte oder Windbemessung einen gewis­sen Grundschutz gegen Erdbeben aufweisen, ist davon auszugehen, dass die meisten die Anforderun­gen der heutigen Normen für Neubauten nicht erfüllen. Dies war der Hauptgrund für die Erarbeitung besonde­rer Regeln für die Erdbebensicherheit bestehender Gebäude.

I D vor 1970 lll 1970 bis 1989 111 nach 19891

10%

Abb. 3: Altersstruktur des Gebäudebestandes in der Schweiz aufgeteilt auf die Zeitperioden der bisheri­gen Normengenerationen mit Erdbebenbestim­mungen

4 INHALT DES MERKBLATTS SIA 2018

Die wesentlichen Teile des Merkblatts werden in den Kapiteln 4.1 bis 4.7 dieses Beitrags beschrieben. Eine detaillierte Beschreibung befindet sich in der Doku­mentation SIA D0211 (2005), die als offizieller Kom­mentar von den Autoren des Merkblatts erarbeil wor­den ist (Bargähr 2005, Dazio 2005, Kölz & Duvernay 2005, Lang & Lestuzzi 2005, Vogel 2005, Vogt 2005, Wenk2005).

4.1 Erdbebeneinwirkung

Grundsätzlich ist für bestehende Bauten die gleiche Erdbebeneinwirkung wie für neue Bauten zu berück­sichtigen. Dementsprechend verweist das Merkblatt als Regelfall auf die Norm SIA 261 für die Bestimmung der Erdbebeneinwirkung.

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SIA 2018 - Überprüfung bestehender Gebäude bezüglich Erdbeben

Bei der Überprüfung eines bestehenden Bauwerkes kann jedoch eine aufwendigere Bestimmung der Erd­bebeneinwirkung gerechtfertigt sein, insbesondere dann, wenn damit auf eine kostspielige Ertüchtigung verzichtet werden kann. Praktisch bedeutet dies, dass für Neubauten übliche Vereinfachungen und Schema­tisierungen, wie z.B. die Einteilung in Erdbebenzonen und Baugrundklassen, durch verfeinerte Untersuchun­gen im Einzelfall ersetzt werden dürfen. Ferner sieht das Merkblatt als Alternative zu den Antwortspektren der Norm SIA 261 die Bestimmung eines standartspe­zifischen Antwortspektrums durch eine bodendynami­sche Untersuchung vor. Die Vergehensweise dazu wird in BWG 2004 ausführlich beschrieben.

Für das neu eingeführte verformungsbasierte Berechnungsverfahren wird die Erdbebeneinwirkung in der Form von elastischen Bemessungsspektren der Verschiebung und der Beschleunigung im Merkblatt vorgegeben.

4.2 Tragwerksanalyse

Im Merkblatt werden allgemeine Empfehlungen für die Modellbildung und die Steifigkeitsannahmen gegeben mit dem Ziel, ein möglichst wirklichkeitsnahes Trag­werksmodell zu erhalten. Für die Steifigkeit der Bau­teile ist ein mittlerer Wert bis zum Fliessbeginn in Rechnung zu stellen. Neben der Biegesteifigkeit soll auch die Schubsteifigkeit der Bauteile und die Nach­giebigkeit des Baugrunds berücksichtigt werden. Bei durch Tragwände ausgesteiften Gebäuden darf die Rahmenwirkung durch die Decken angerechnet wer­den.

Bei der kräftebasierten Tragwerksanalyse wird empfohlen, das Antwortspektrenverfahren anstelle des Ersatzkraftverfahrens anzuwenden und zwar auch dann, wenn die Regularitätskriterien erfüllt sind. Mit diesen Regeln soll vermieden werden, dass sich durch eine strikte Anwendung der Normen für Neubauten eine Überlagerung von Annahmen, die für bestehende Bauten zu stark auf der sicheren Seite liegen, ergeben würde.

Die im Rahmen des Merkblatts SIA 2018 in der Schweiz neu eingeführte verformungsbasierte Trag­werksanalyse wird ausführlich beschrieben zumindest für einfache Tragwerke. Die Beurteilung der Erdbeben­sicherheit besteht bei dieser Methode aus dem Ver­gleich des Verformungsvermögens des Tragwerks in der Form einer Kapazitätskurve für horizontale Einwir­kung mit der Erdbebenauswirkung in der Form einer Zielverschiebung entsprechend dem elastischen Bemessungsspektrum. Die verformungsbasierten Berechnungen erfolgen mit charakteristischen Bau­stoffeigenschaften, um das wirkliche nicht-lineare Ver-

formungsverhalten des Tragwerks besser zu erfassen. Diese im Vergleich zu den Baustoffeigenschaften auf Bemessungsniveau günstige Annahme wird anschlies­send durch einen Partialfaktor ro = 1,3 kompensiert. Die verformungsbasierte Berechnung ist besonders geeignet für die Überprüfung bestehender Bauten, da das plastische Verformungsvermögens, anstelle einer Abschätzung mit einem pauschalen Verhaltensbei­wert, aufgrund einer detaillierten Tragwerksanalyse mit nicht-linearen Baustoffeigenschaften berechnet wird.

4.3 Tragfähigkeit von Betonbauten

Die Tragfähigkeit von Betonbauten kann entweder kräftebasiert oder verformungsbasiert berechnet wer­den. Voraussetzung für das verformungsbasierte Ver­fahren ist, dass das Tragwerk sogenannt verformungs­fähig ist. Als verformungsfähig gilt ein Tragwerk, wenn alle seine tragenden Bauteile ein stabiles zyklisch-pla­stisches Verformungsverhalten aufweisen und spröde Versagensmechanismen, wie z.B. Schubzug- oder Schubdruckversagen, Biegeversagen mit Betonbruch vor Stahlfliessen und Biegeversagen infolge Reissen der Längsbewehrung bei kleiner plastischer Dehnung, ausgeschlossen sind. Tragwerke gelten als beschränkt verformungsfähig, wenn sie die Anforde­rungen an verformungsfähige Tragwerke nicht erfül­len.

Beim kräftebasierten Verfahren erfolgt die Berech­nung mit dem Verhaltensbeiwert q, der gleich wie bei Neubauten aufgrund der Betonstahleigenschaften und der konstruktiven Gestaltung der Bewehrung ange­nommen wird. Das kräftebasierte Verfahren darf bei allen Tragwerken angewandt werden.

Beim verformungsbasierten Verfahren wird die maximale Sehnenverdrehung der Stahlbetonbauteile mit Hilfe der Spannungs-Dehnungs-Diagramme für Beton und Stahl bestimmt. Dazu werden einfache For­meln zur Abschätzung der nominellen Fliesskrüm­mung und der Länge der plastischen Gelenke nach Paulay & Priestley (1992) vorgegeben. Aus den Seh­nenverdrehungen der Bauteile wird die horizontale Kraft-Verformungs-Beziehung des Tragwerks (Kapazi­tätskurve) berechnet und mit dem Verschiebungsbe­darf verglichen. Das verformungsbasierte Verfahren darf nur bei verformungsfähigen Tragwerken ange­wandt werden.

4.4 Tragfähigkeit von Mauerwerksbauten

Die Beurteilung von Mauerwerksbauten erfolgt in der Regel nach dem kräftebasierten Verfahren mit dem gleichen Verhaltensbeiwert q = 1,5 wie für unbewehr­tes Mauerwerk bei Neubauten. Auf die Normierung

61

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SIA 2018 - Überprüfung bestehender Gebäude bezüglich Erdbeben

des verformungsbasierten Verfahrens wurde vorläufig 1_2

verzichtet, da die in der Literatur beschriebenen Vor-gehansweisen zu stark vom bewährten kräftebasierten Verfahren gernäss Norm SIA266 abweichen. Im Sinne einer Ausnahmeregelung wird auf den Teil 3 des Euro­codes 8 verwiesen (Eurocode 8 2004). Dort erfolgt der Vergleich zwischen Erdbebenauswirkungen und Ver­formungsvermögen auf der Basis von Stockwerk­schiefstellungen.

Der Tragwiderstand einer Mauerwerkswand senk­recht zur Wandebene ist ebenfalls zu untersuchen. Er wird nicht formal berechnet, sondern durch Vergleich mit einer minimalen Wandschlankheit überprüft. ln Abhängigkeit von Erdbebenzone, Bauwerksklasse und Lage des betrachteten Stockwerks im Gebäude darf die Wandschlankheit höchstens 1/20 bis 1/17 betra­gen, um ein Versagen senkrecht zur Wandebene aus­zuschliessen.

4.5 Tragfähigkeit von Stahl· und Holzbauten

Für Stahlbauten, Stahl-Betan-Verbundbauten und Holzbauten stehen vorläufig im Merkblatt noch keine baustoffspezifischen Regelung zur Verfügung. Die Beurteilung erfolgt in der Regel nach dem kräfteba­sierten Verfahren.

4.6 Zustandsbeurteilung

Der zentrale Begriff für die Zustandsbeurteilung ist der Erfüllungsfaktor aeff· Er wird aus dem Vergleich des normengernässen Widerstands bzw. Verformungsver­mögen Rd mit den normengernässen Auswirkungen Ed der Bemessungssituation Erdbeben bestimmt:

(1)

Bei einem Erfüllungsfaktor aerr= 1 werden die normge­mässen Anforderungen für Neubauten voll erfüllt.

Für die Beurteilung des vorhandenen Erdbebenwi­derstandes wird der Erfüllungsfaktor aerr mit den Reduktionsfaktoren aminund aadm verglichen. Je nach Lage des Erfüllungsfaktors werden bezüglich der Not­wendigkeit von Ertüchtigungsmassnahmen drei Berei­che unterschieden: zurnutbare Massnahmen erforder­lich, verhältnismässige Massnahmen erforderlich oder keine Massnahmen empfohlen, wie in den Abbildun­gen 4 und 5 dargestellt.

Der Reduktionsfaktor aminstellt das minimal erfor­derliche Sicherheitsniveau unabhängig von der Rest­nutzungsdauer dar. Es entspricht einer Begrenzung des Individualrisikos auf 10-5 pro Jahr. Das Individual­risiko entspricht der Wahrscheinlichkeit, dass eine Ein­zelparsen infolge Erdbeben in einer Zeitspanne von einem Jahr zu Tode kommt. Für Bauwerksklasse I (normale Wohn- und Geschäftsgebäude) und Bau-

62

1.0

~ 0.8 keine assna fnen e pfohle Oodm

f..- r-..... ~ 1ii 0.6 ~ 0 ~

i'i 0.4 I/ verhal ismäs ige Ma snahm n ertor er! ich

w

0.2

0.0 10 20 30

""" zum tbare assna men e orderli h

40 50 60 70 80 90 100 Restnutzungsdauer [a]

Abb. 4: Beurteilung der Erdbebensicherheit in Funktion des Erfüllungsfaktors und der Restnutzungsdauer bei Bauwerksklassen I und II (SIA2018 2004)

werksklasse II (Schulen, Theater, Einkaufszentren usw.) wurde ein Reduktionsfaktor amin = 0,25 festge­legt (Abbildung 4). Für Bauwerksklasse 111 (Notfallzen­tralen, Feuerwehrgebäude, Ambulanzgaragen, usw.) wurde der Reduktionsfaktor auf amin = 0,4 erhöht, um der bei diesen Bauwerken grossen Bedeutung der Funktionstüchtigkeit nach einem Ereignis Rechnung zu tragen (Abbildung 5).

Der Reduktionsfaktor aadm grenzt denjenigen Bereich ab, oberhalb dessen keine Ertüchtigungs­massnahmen mehr empfohlen werden. Er ist abhän­gig von der Restnutzungsdauer des Bauwerks und entspricht ungefähr einer konstanten Überschreitungs­wahrscheinlichkeit des Bemessungserdbebens inner­halb der Zeitspanne der angenommenen Restnut­zungsdauer (Abbildungen 4 und 5).

Die Beurteilung der Tragsicherheit erfolgt bei allen drei Bauwerksklassen aufgrund des Erfüllungsfaktor aeff· Bei der Bauwerksklasse 111 erfolgt zusätzlich die Beurteilung der Gebrauchstauglichkeit (SIA 260) da dort die Verfügbarkeil von grosser Bedeutung ist.

1.2

1.0 kei e Mas nahme empf hlen

Oadm

• 0 0.8

~ • 0.6 " ~ 0

" " 0.4 "

/ -verh tnismä sioe M ssnah en erf rderlic

/ ""'" w

0.2 zum tbare assna mene orderli h

0.0 10 20 30 c BO 60 m 80 ao 100

Restnutzungsdauer [a]

Abb. 5: Beurteilung der Erdbebensicherheit in Funktion des Erfüllungsfaktors und der Restnutzungsdauer bei Bauwerksklasse 111 (SIA 2018 2004)

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SIA 2018 - Überprüfung bestehender Gebäude bezüglich Erdbeben

Obwohl der Erfüllungsfaktors primär für die Beurtei­lung rechnerischer Nachweise konzipiert wurde, kann die Einhaltung der konzeptionellen und konstruktiven Massnahmen gernäss der Norm SIA 261 sinngernäss mit einem Erfüllungsfaktor beurteilt werden.

4.7 Massnahmenempfehlung

Grundsätzlich ist der normgernässe Zustand für Neu­bauten anzustreben. Wenn die Verhältnismässigkeit solcher Massnahmen gegeben ist, müssen diese aus­geführt werden. Wenn das Erreichen des normgernäs­sen Zustands unverhältnismässige Kosten verursa­chen würde, sind Massnahmen nur soweit zu ergrei­fen, als sie noch verhältnismässig sind.

Solange der Erfüllungsfaktor unter dem Redukti­onsfaktor amin liegt, sind Massnahmen zu ergreifen, deren Kosten zurnutbar sind. Wenn mit zurnutbaren Ertüchtigungsmassnahmen der Erfüllungsfaktor nicht mindestens auf den Reduktionsfaktor aminerhöht wer­den kann, muss das Individualrisiko mit betrieblichen Massnahmen begrenzt werden.

5 VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT UND ZU MUTBARKElT

Die Beurteilung der Verhältnismässigkeit und der Zumutbarkeit einer Erdbebenertüchtigungsmass­nahme erfolgt über die sogenannte Rettungseffizienz. Als verhältnismässig gilt eine Massnahme, wenn die Rettungskosten kleiner als CHF 10 Mio. und als zumutbar, wenn sie kleiner als· CHF 100 Mio. pro gerettetes Menschenleben sind.

5.1 Rettungskosten

Die Rettungskosten sind definiert als Verhältnis der zu einer Massnahme gehörenden Sicherheitskosten SKM und der durch die Massnahme erzielbaren Risikore­duktion i1RM· Die Sicherheitskosten SKM in Franken pro Jahr berechnen sich als Produkt aus den anfängli­chen sicherheitsbezogenen Investitionskosten für die betrachtete Massnahme und einem Diskontierungs­faktor in Funktion der angenommenen Restnutzungs­dauer. Der anzunehmende Diskontzinssatz wurde auf 2% festgelegt. Die resultierenden Diskontierungsfakto­ren sind im Merkblatt in Funktion der Restnutzungs­dauer tabelliert.

Zu den Investitionskosten einer Massnahme gehö, ren sowohl die Baukosten inklusive Honorare als auch allfällige Kosten der eingeschränkten Nutzung wäh­rend des Umbaus. Die Verhältnismässigkeit einer Ertüchtigungsmassnahme wird meist wesentlich ver­bessert, wenn sie zusammen mit einem sowieso geplanten Umbau oder einer Instandsetzung erfolgt

1.0E-03

1.0E-04

1.0E-06

t.OE-07

~

o.o o.1 o.2 o.3 o.4 o.s o.e o.7 o.a o.9 1.0 1.1 1.2 Erfüllungsfaktor u~11

Abb. 6: Risikofaktoren RF zur Berechnung der Risikore­duktion in Funktion des Erfüllungsfaktors aus SIA 2018 (2004)

und nicht alle Aufwendungen den sicherheitsbezoge­nen Investitionskosten angerechnet werden müssen.

5.2 Risikoreduktion

Die Risikoreduktion i1RM, ausgedrückt in geretteten Menschenleben pro Jahr, errechnet sich aus der Diffe­renz des kollektiven Personenrisikos vor und nach der Umsetzung einer Ertüchtigungsmassnahme. Das Merkblatt ermöglicht eine einfache Abschätzung der Risikoreduktion i1RM als Produkt aus der mittleren Personenbelegung PB in Personen pro Jahr und der Differenz der Risikofaktoren i1RF vor und nach Umset­zung einer Massnahme:

(2)

Die dimensionslosen Risikofaktoren RF sind im Merk­blatt in Funktion des Erfüllungsfaktors aeff gegeben {Abbildung 6). Zur Bestimmung der Differenz i1RFwer­den die Risikofaktoren RF entsprechend dem Erfül­lungsfaktor vor und nach der Realisierung einer Mass­nahme aus Abbildung 6 herausgelesen.

Für PB ist der Erwartungswert der Personenbele­gung im Jahresdurchschnitt anzunehmen. Miteinzu­rechnen sind jene Personen, die im Umfeld des Bau­werks durch dessen Versagen gefährdet sind. Für die Abschätzung der Personenbelegung PB gibt das Merkblatt Richtwerte für die spezifische Personenbele­gung von üblichen Gebäudetypen.

Im Allgemeinen genügt es, einzig die Risikoreduk­tion bezüglich geretteter Menschenleben zu betrach­ten. Die Risikoreduktion bei den Verletzten ist darin eingerechnet. Wenn Sachschäden eine gegenüber Personenschäden nicht zu vernachlässige Grösse annehmen z.B. bei besonders wertvollen Gebäudein­halten, sollte die Risikoreduktion bei den Sachschäden

63

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SIA 2018 - Überprüfung bestehender Gebäude bezüglich Erdbeben

ebenfalls berücksichtigt werden. Sie kann direkt bei den Sicherheitskosten SKM abgezogen werden.

Die Risikofaktoren RF wurden auf der Grundlage der Verletzbarkeilsklassen und der Schadengrade der EMS-98-Intensitätsskala für das Erdbebengefähr­dungsniveau in der Schweiz berechnet (Kölz & Duver­nay 2005). Charakteristisch für den Kurvenverlauf in Abbildung 6 ist der starke Anstieg des Risikofaktors RF unterhalb eines Erfüllungsfaktors aeffvon etwa 0,3.

5.3 Fallbeispiel

Zur Veranschaulichung der Grössenordnungen von verhältnismässigen Sicherheitsinvestitionen werden diese in einem fiktiven Beispiel pro Person und für eine Restnutzungsdauer von 40 Jahren berechnet. Dies entspricht einem Diskontierungsfaktor von 0,037 pro Jahr. Ausgehend von einem relativ niedrigen Erfül­lungsfaktor aeff = 0,1 im lstzustand, werden für eine Ertüchtigung bis zu einem Erfüllungsfaktor von 0,3 Investitionskosten bis zu CHF 14'000.-- bei einer mitt­leren Personenbelegung von einer Person verhältnis­mässig. Für eine weitergehende Ertüchtigung bis zu einem Erfüllungsgrad von 1 ,0 betragen die verhältnis­mässigen Investitionskosten CHF 16'000.-- pro Per­son. Für die Ertüchtigung über 0,3 hinaus bis 1 ,0 steht also nur die Differenz zwischen CHF 16'000.-- und CHF 14'000.-- oder CHF 2'000.-- pro Person als ver­hältnismässig zur Verfügung.

Mit dem Kriterium der Zumutbarkeit ergeben sich im gleichen Beispiel immerhin CHF 135'000.-- pro Per­son, um ausgehend vom Erfüllungsfaktor aeff = 0,1 aus den minimalen Reduktionsfaktor amin = 0,25 zu erreichen.

6 ERSTE ERFAHRUNGEN

Das Merkblatt SIA 2018 ist erst Ende 2004 erschie­nen, so dass noch wenige praktische Erfahrungen vor­liegen. Im Allgemeinen zeigt es sich, dass Ertüchti­gungsmassnahmen über einen Erfüllungsfaktor von etwa 0,3 hinaus oft unverhältnismässig sind. Anderer­seits stehen aufgrund des Kriteriums der Zumutbarkeit meist genügend Mittel zur Verfügung, um den Minimal­wert des Erfüllungsfaktors von 0,25 zu erreichen. Es ist vorgesehen, das Merkblatt drei Jahre nach Erschei­nen durch eine aufgrund der Erfahrungen überarbei­tete Fassung zu ersetzen.

7 LITERATUR

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BWG (2005), Beurteilung der Erdbebensicherheit bestehen­der Gebäude, Konzept und Richtlinien für die Stufe 3, Weg-

64

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Seismisches Verhalten von Mauerwerksbauten

Michael Mistler1

'Lehrstuhl für Baustatik und Baudynamik, RWTH Aachen

1 EINLEITUNG

Im April 2005 ist die Neuausgabe der deutschen Erd­bebennorm DIN 4149 "Bauten in deutschen Erdbe­bengebieten" im Weißdruck erschienen und beinhaltet wesentliche Änderungen gegenüber der alten Fas­sung. Die seismische Belastung ist durch Änderung der Erdbebenzonen und durch die Berücksichtigung der Untergrundverhältnisse den neueren Erkenntnis­sen angepasst worden. Dadurch können sich in Ab­hängigkeit vom Gebäudestandort höhere seismische Belastungen als nach der alten DIN 4149 ergeben. Insbesondere kann es bei Mauerwerksbauten in Erd­bebenzone 3 und sogar auch schon in Erdbebenzone 2 zu Problemen in der Nachweisführung kommen, auch wenn die Möglichkeit gegeben ist, die Nachwei­se durch die Berücksichtigung der Tragwerksreserven mittels eines Verhaltensbeiwertes günstiger zu gestal­ten. Dieser Verhaltensbeiwert beschreibt das Verfor­mungsvermögen eines Bauwerks und ist für die ver­schiedenen Mauerwerkstypen in der DIN 4149 pau­schal festgelegt. Die Pauschalisierung liegt jedoch in den meisten Fällen auf der konservativen Seite. Durch eine stärker bauwerksspezifische Betrachtung ist es möglich, die Reserven besser auszunutzen. Häufig gelingt damit der Nachweis von Bauwerken, die nach dem Verfahren der Norm nicht nachweisbar sind. Die bauwerksspezifischere Betrachtung ist aber mit einem höheren rechnerischen Aufwand für den Tragwerks­planer verbunden, so dass in der Praxis aus Gründen des Kostendrucks die Gefahr besteht, das Mauerwerk durch andere Baustoffe, wie z.B. Stahlbeton, zu er­setzen.

Zur Lösung dieser Probleme wird in diesem Bei­trag die Anwendung der Kapazitätsspektrumsmethode auf den Nachweis von Mauerwerksbauten vorgestellt und das seismische Verhalten von Mauerwerksgebäu­den untersucht. Diese Methode ist bisher als fester Bestandteil in den amerikanischen Richtlinien veran­kert, ATC-40 (1996). Durch eine programmtechnische

Umsetzung dieser Methode kann außerdem die Be­rechnungszeit für den Tragwerksplaner minimiert wer­den. Dies macht den Einsatz von Mauerwerk auch in höheren Erdbebenzonen attraktiver.

2 KAPAZITÄTSSPEKTRUMSMETHODE

Die Kapazitätsspektrumsmethode ist ein nichtlineares statisches Berechnungsverfahren, das die Erdbeben­einwirkung direkt der Widerstandsfähigkeit des Ge­bäudes unter Berücksichtigung der plastischen Reser­ven gegenüberstellt. Das Verfahren ist 1975 von Free­man et al. entwickelt worden und wird seitdem insbe­sondere in den USA als anerkannte Methode zur Tragwerksanalyse herangezogen, ATC-40 (1996), FEMA 273 (1997). Auch in der europäischen Norm ENV 1998 (2004) werden nichtlineare statische Ana­lysen mit einbezogen. Bei dieser Methode wird die seismische Beanspruchung mit Hilfe eines Antwort­spektrums und die Kapazität des Gebäudes durch eine inelastische statische Last-Verformungskurve unter monoton wachsender Horizontallast bei kon­stant gehaltenen Vertikallasten (Pushover-Kurve) be­schrieben. Seide Kurven werden in ein gemeinsames Spektralverschiebungs-Spektralbeschleunigungs-Dia­gramm überführt (Abb. 1 ). Der Schnittpunkt (Perfor­mance Point) beider Kurven gibt die maximale Spekt­ralverschiebung an. Eine Beschränkung der Methode ergibt sich bisher

Antwortspektrum

Performance Point

'

Kapazitätss~ektrum

Sct,p Spektralverschiebung

Abb. 1: Kapazitätsspektrumsmethode

65

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Seismisches Verhalten von Maue~erksbauten

-- .. ·•··· ,_.....,...

Abb. 2: Dynamisches Ersatzsystem

dadurch, dass sie auf dem Modell eines zweidimen­sionalen Einmassenschwingers basiert. Torsions­effekte bleiben unberücksichtigt. Dies soll im Folgen­den dadurch wettgemacht werden, indem ein dreidi­mensionales Modell eines Einmassenschwingers mit Exzentrizität zugrunde gelegt wird, Abb. 2. Es werden die erforderlichen Berechnungen und Transformatio­nen beschrieben, die dazu notwendig sind.

3 BESTIMMUNG DES KAPAZITÄTSSPEKTRUMS

Grundlage der Kapazitätsspektrumsmethode ist die Ermittlung der Pushover- bzw. Kapazitätskurve des gesamten Gebäudes und ihre Transformation im Ka­pazitätsbeschleunigung-Kapazitätsverschiebung-Dia­gramm (Sa-Sd-Diagramm). Ist das Gebäude im Aufriss regelmäßig und sind die lastabtragenden Schubwän­de vom untersten bis zum obersten Geschoss durch­gängig vorhanden, kann davon ausgegangen werden, dass solche Mauerwerksbauten in ihrem Erdgeschoss (EG) versagen, Tomazevik et al. (1994). Daher reicht es aus, die vollständige Pushover-Kurve lediglich für das EG zu bestimmen. Wird weiterhin das Vorhan­densein schubstarrer Decken vorausgesetzt, kann die Pushover-Kurve aus den bekannten Kapazitäten der in der betrachteten Belastungsrichtung vorhandenen aussteifenden Wände ermittelt werden.

3.1 Berechnung der Geschoss-Kapazitätskurve

Bei symmetrischen Grundrissen mit symmetrischer Masseverteilung lässt sich durch Superposition der einzelnen Wand-Kapazitätskurven eine Gesamtkapa­zität des Geschosses ermitteln, wenn die angreifende

--Massenmittelpunkt

""··~ > H dX

' =-····• ................ .

Initialisierung t

Last in Richtung der Symmetrieachse wirkt. Sind un­regelmäßige Geometrien oder ungleichmäßige Mas­senverteilungen vorhanden, stellen sich auch Rotatio­nen und Verformungen senkrecht zur Belastungs­richtung ein. ln diesem Fall muss die Gesamt­kapazitätskurve des Geschosses durch einen doppelt­iterativen Algorithmus ermittelt werden. Zunächst wird dem Stockwerk in Belastungsrichtung eine Verfor­mung aufgezwungen und die resultierenden Kräfte aller Schubwände ausgewertet. Das resultierende Ge­samtmoment bewirkt eine Rotation des Systems um den Massenmittelpunkt. Das System wird nun solange gedreht, bis sich das Moment zu Null ergibt. Die sich dabei einstellenden Ungleichgewichtskräfte senkrecht zur Belastungsrichtung sind durch eine Translation senkrecht zur Achse der ursprünglichen Auslenkung auszugleichen. Diese beiden Schritte werden so lange wiederholt, bis das System sich im Gleichgewicht befindet. Die aufgezwungenen Verformung und die in dieser Richtung resultierende Kraft ist ein Wertepaar der Last-Verformungs-Kurve des Stockwerks. Wird die Auslenkung weiter vergrößert, lässt sich die ge­samte Kapazitätskurve des Geschosses ableiten.

3.2 Transformation in das Sa-Sd-Diagramm

Die Darstellung der Kapazitätskurve im Sa-Sd-Dia­gramm erfordert die Transformation eines jeden Punk­tes (Fb.;. L1EG.;) in den zugehörigen Punkt (Sa.;. sd.;), ba­sierend auf dem Modell eines äquivalenten Ein­massenschwingers unter Berücksichtigung der redu­zierten Steifigkeit des (geschädigten) Erdgeschosses:

(1)

r/JEG.I Grundeigenfarm-Ordinate auf Höhe des EG

ß1 modaler Anteilsfaktor für die erste Grundei­genform ~~des Systems

Iteration

effektive Gesamtmasse des Gebäudes unter Berücksichtigung veränderlicher Massen,

Verhältnis der effektiven Modalmasse zur

I: F =0 - y I:M=O

. .................... :.j;

Abschluss

Abb. 3: Iterative Berechnung der Kapazitätskurve eines Geschosses

66

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k • .: ...

Abb. 4: Ersatzsystem und Eigenformen im ungeschädigten und geschädigten Zustand

effektiven Gesamtmasse des Systems Mro~·

Vereinfachend wird angenommen, dass das Bauwerk nur horizontale Freiheitsgrade auf Stockwerkshöhe hat (Abb. 3).

Die sich verringernde Steifigkeit im Erdgeschoss hat erheblichen Einfluss auf das Schwingungs­verhalten des Gebäudes. Bei der Transformation der Kapazitätskurve in das Kapazitätsspektrum sollte dies direkt berücksichtigt werden: Wird die Modalform im ungeschädigten Zustand der Transformation zu Grun­de gelegt, ergeben sich deutlich größere Spektralver­schiebungen als für das Modell mit sehr weichem EG (Abb. 5). Realitätsnäher kann das Kapazitätsspektrum dadurch bestimmt werden, indem für jeden Verschie­bungszustand die Eigenform und der modal Anteils­faktor unter Ansatz der zugehörigen Sekantensteifig­keit des EGs ausgewertet und für die Transformation benutzt werden. Für die übrigen Geschosse wird wei­terhin elastisches Verhalten vorausgesetzt. Das resul­tierende Kapazitätsspektrum liegt zwischen den bei­den vorher erwähnten Ansätzen. Zu bemerken ist, dass ein plötzlicher Steifigkeitsabfall, z.B. durch Ver­sagen eines einzelnen Bauteils, gleichzeitig zu einer Abnahme der Spektralbeschleunigung und der Spekt­ralauslenkung führt.

4 ABGEMINDERTES ANTWORTSPEKTRUM

Für die Kapazitätsspektrumsmethode wird ein elasti­sches Antwortspektrum Se(T) zur Charakterisierung der seismischen Beanspruchung benötigt. Dies kann ·

I i

-~ -----·: , , : k1=k2=k3 =const , ,

:__.=,_~~--- : kl << k2 = k3 \... ..... : ............... .

//kl <=k"=k, ' / k1 : Sekantensteifigkeit :

j I

k1,k2,k3 = const

Spektralverschiebung

Abb. 5: Auswirkung der Schädigung im EG auf das Kapazi­tätsspektrum

Seismisches Verhalten von Mauerwerksbauten

z. B. nach DIN 4149, Teil 1 bestimmt werden. Der Bemessungswert der Bodenbeschleunigung ag sowie die vom Untergrundtyp abhängigen Kontrollperioden Ts(S), Tc(S) und T0 (S) werden den Erdbebenkarten für den jeweiligen Gebäudestandort entnommen. Der Dämpfungs-Korrekturbeiwert '7 berücksichtigt die vor­handene ·viskose Dämpfung und hat für 5 % viskoser Dämpfung den Referenzwert von 1 . Er kann nach folgender Gleichung abgemindert werden:

(2)

( viskose Dämpfung der Struktur in [%].

Die Umrechnung des Antwortspektrums in das Sa-S,­Diagramm erfolgt für jeden einzelnen Punkt i mit fol­gender Gleichung:

S . = T,' ·S . d,1 4Jr2 a,• (3)

Der Einfluss der Energiedissipation im nichtlinearen Bereich der Last-Verformungskurve infolge hysteresi­schen Verhaltens findet durch die Ermittlung einer äquivalenten elastischen Dämpfung und einer ent­sprechenden Abminderung des elastischen Antwort­spektrums Berücksichtigung. Diese ist zu jeder spekt­ralen Verschiebung neu zu bestimmen. Dadurch ist eine iterative Bestimmung des Performance Point notwendig. Dies hat zur Folge, dass zu jeder Spekt­ralverschiebung quasi ein anderes Antwortspektrum zugeordnet wird.

1 E i' -1' +K·i' i' - D '::ocff - ':10 ':>eq • ':leq - 4-E

7r So

,;',ff effektive viskose Dämpfung

( 0 viskose Bauwerksdämpfung,

(4)

,;,, äquivalente viskose Dämpfung infolge hyste-resischen Verhaltens,

K materialspezifischer Korrekturbeiwert,

ED Hystereseenergie,

Es, maximale Dehnungsenergie.

Die physikalische Interpretation dieser Werte ist in Abb. 6 illustriert und kann entsprechend dieser Abbil­dung auch wie folgt berechnet werden:

S ·S -S ·S ~ = Ü 63 7 . a,y d,pi d,y a,pi

':lcq ' S · ·S . a,p1 d,p1

(5)

Zyklische Belastungsversuche für Mauerwerkswände zeigen, dass sich der tatsächliche Verlauf von Hyste­reseschleifen für Mauerwerk erheblich von dem durch den bilinearen Ansatz idealisierten Verlauf unter­scheiden kann. Besonders deutliche Abweichungen

67

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Seismisches Verhalten von Mauerwerksbauten

' '

Abb. 6: Bestimmung der äquivalenten viskosen Dämpfung

vom idealisierten Verhalten ergeben sich für ausge­prägte inelastische Verformungen. Daher erfolgt eine Anpassung und Begrenzung des hysteretischen Dämpfungsanteils ( 0 in der Form eines Anpassungs­faktors Kin Abhängigkeit der Wandverformung. Dieser entspricht dem Verhältnis zwischen der Fläche, die die tatsächliche Hysteresekurve umschließt, mit der aus der idealisierten, bilinearen Näherung ermittelten Hystereseschleife. Verbleibt die Wand im elastischen Zustand, ist dieser Faktor gleich 1. Für das stark ein­geschnürte Hystereseverhalten wird im ATC 40 (1996) ein Wert von 0,33 vorgeschlagen.

5 NORMATIVE ANFORDERUNG AN DEN BE· RECHNUNGSABLAUF

Wie zuvor erwähnt ist der Nachweis der Tragfähigkeit erbracht, wenn ein Schnittpunkt zwischen beiden Kur­ven existiert, bevor es zu keinem Versagen wesentli­cher Bauteile gekommen ist. Für den Nachweis der Gebrauchstauglichkeit (Schadensbegrenzung) kann die Stockwerksverschiebung mit Hilfe der ermittelten Spektralverschiebung berechnet werden.

Während das in den meisten europäischen Erdbe­bennormen für den Standsicherheitsnachweis ver­wendete Antwortspektrenverfahren auf einer rein kraftbasierten Methode unter Verwendung eines glo­balen Verhaltenbeiwerts basiert, stellt die Kapazitäts­spektrumsmethode einen verschiebungsbezogenen Ansatz dar, der die tatsächlich vorhandene Duktilität und das materialspezifische hysteretische Verhalten berücksichtigt. Trotz dieses wesentlichen Unter­schieds sollen und können die grundlegenden norma­tiven Anforderungen an das Bauwerk in dieses Nach­weisverfahren eingebunden werden.

Dazu gehört, dass die Trägheitsmassen unter Be­rücksichtigung der Vertikallasten ermittelt werden (vgl. Abschnitt 5.5, DIN 4149). Planmäßige Torsionswir­kungen sind durch das Verfahren an sich schon be­rücksichtigt. Dagegen sind nicht planmäßige Torsi­onswirkungen, die sich aus der nicht genauen Kennt-

68

nis bezüglich der Lage der Massen und der räumli­chen Veränderlichkeit der Erdbebenbewegung erge­ben, direkt bei der Ermittlung der Pushever-Kurve zu berücksichtigen, indem der Massenschwerpunkt ge­genüber seiner planmäßigen Lage in jeder Richtung um eine zufällige Exzentrizität en verschoben anzu­setzen ist.

(6)

L; ist Geschossabmessungen senkrecht zur Einwir­kungsrichtung. ln der Regel wird die horizontale Erd­bebeneinwirkung durch zwei zueinander orthogonale Komponenten beschrieben, die als gleichzeitig wir­kend zu betrachten sind. Die Kombination der Schnittgrößen darf entweder durch die Quadratwurzel der Quadratsumme oder mit Hilfe der folgenden Korn­binationsregel berücksichtigt werden (DIN 4149, Ab­schnitt 6.2.4):

EEdx El10,30·EEd,

0,30. E,dx EB EEdy (7)

EEd, und EEdy sind die sich infolge der Erdbebenlast ergebenden Schnittgrößen in Richtung der x-Achse bzw. y-Achse. EB bedeutet "zu kombinieren mit".

Das in Abschnitt 3.1 vorgestellte Verfahren zur Ermittlung der Kapazitätskurve eignet sich besonders gut zur direkten Einbeziehung der orthogonal wirken­den, zusätzlichen Erdbebenlast Bei der iterativen Ermittlung des Kräftegleichgewichts wird lediglich gefordert, dass die Summe der in senkrechter Rich­tung aktivierten Kräfte 30 % der aufnahmbaren Kraft in Hauptrichtung beträgt. Während sich das System ohne Einbeziehung der orthogonalen Belastung rein transialarisch verformen würde, resultiert aus der zusätzlichen Last neben einer Verschiebung in Rich­tung der Querachse auch eine Verdrehung des Sys­tems, die wiederum zu einer Absenkung der Kapazität in der nachzuweisenden Hauptbelastungsrichtung führt.

Aufgrund der nichtlinearen Kapazitätsverläufe der Wände kann eine orthogonal wirkende Last auch günstigen Einfluss auf das als erstes versagende Bauteil haben aufgrund der Verschiebung des Steifig­keitszentrums. Damit wird es erforderlich, die ortho­gonale Last in beide Richtungen getrennt zu untersu­chen. Des Weiteren sollte zur Berücksichtigung der zufälligen Massenexzentrizität der Nachweis der Trag­fähigkeit eines Mauerwerksbauwerkes für vier ver­schiedene Positionen des Massenschwerpunkts erfol­gen. Zusammen mit den jeweils zwei unterschiedli­chen Laststellungen der orthogonal angreifenden, zusätzlichen Erdbebenlast ergeben sich daraus acht zu untersuchende Einwirkungskombinationen für jede

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der beiden Bemessungsachsen. Der Nachweis der Tragfähigkeit ist erbracht, wenn der Performance­Point ohne Wandversagen für alle Fälle existiert.

6 BERECHNUNG DER KAPAZITÄTSKURVE EIN­ZELNER SCHUBWÄNDE

Die Anwendung der Kapazitätsspektrumsmethode erfordert die Berechnung der Kapazitätskurven aller vorhandenen Schubwände. Um diesen Berechnungs­ablauf zu vereinfachen, ist der Aufbau einer ( evtl. web-basierten) Datenbank in Abhängigkeit des Mate­rials, des Geometrieverhältnisses und der Auflast vorgesehen. Die Einträge dieser Datenbank liefern Versuchsergebnisse und numerische Simulationen. Das hierfür programmierte verschmierte, nichtlineare orthotrope Materialmodell auf Basis der mehrflächigen Plastizität weist jedem Versagensmechanismus eine Fließfunktion (Abb. 7) und ein spezifisches Entfesti­gungsverhalten (Abb. 9) zu. Die dadurch entstehende zusammengesetzte Fließfigur ermöglicht eine nach­vollziehbare und anschauliche Abbildung des nicht­linearen Materialverhaltens von Mauerwerk. Verwen­det werden die Bruchkriterien der Schubbruchtheorie nach Mann und Müller (1978). Diese liegen der aktu­ellen deutschen Mauerwerksnorm DIN 1053, Teil 1 (1996) zu Grunde. Das Materialmodell wurde in das FE-Paket ANSYS® implementiert und kann das Trag­verhalten von Mauerwerk unter monotoner und zykli-

G

(a) (b)

Abb. 9: Entfestigungsverhalten bei Schubversagen (a) bzw. Druckversagen (b)

+ I * *

I I *

I * e

* I 4 d -.

z "' • " J1

Plane ~ elements 0

-~ "'

I I I I I I I I I I I I I I I I I I I I\ ~ I I I I l I I I I I I I I I I I I I I I 1 I I I I I I\ I I I I I I I

Contact elements

Seismisches Verhalten von Mauerwerksbauten

-T

Abb. 7: Versagensfläche des numerischen Modells

scher bzw. dynamischen Belastung simulieren. Beispielhaft werden in Abb. 8 die numerisch berech­nete Kapazitätskurve eines Schubwandversuchs mit den Versuchsergebnissen "ZW1" von Lurati und Thür­limann (1990) verglichen. Die Wand ist auf einem Betonfundament gebaut. Eine konstante Auflast von 345 kN wurde über eine Betondecke gleichmäßig aufgebracht und die horizontale Last auf diese Beton­decke verschiebungsgesteuert aufgebracht. Abb. 8 zeigt das Finite-Elemente-Modell. Bei der Auflagerung sind die horizontalen Freiheitsgrade festgehalten, wohingegen Kontaktelemente in vertikale Richtung ein Abheben der Bodenplatte zulassen. Die Simulations­ergebnisse stimmen mit den Versuchsergebnissen gut überein.

7 ANWENDUNGSBEISPIELE

7.1 Beispiel1: 3stöckiges Reihenhaus

Mit Hilfe des beschriebenen Verfahrens nun ein typisches, dreistöckiges Reihenhaus mit den Ab­messungen von 6.5 m x 13.0 m und einer lichten Stockwerkshöhe von 2,50 m untersucht. Das Eigengewicht der Decken beträgt 5 kN/m2

. ln y­Richtung ist das Gebäude durch zwei durchgängige

500

400

300

100 --o--- Experimental results "ZW1"

- Numerlcal simulation

0 0 5 10 15 20

Horizontal displacement {mm]

Abb. 8: Finite-Eiemente.Modell und berechnete Kapazitätskurve des "ZW1 "-Versuchs

69

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Seismisches Verhalten von Mauerwerksbauten

0 Essen W2 HJD[] J bl []

KO~ 0 LX Wohnen

HJD~ r· 0 ßl r· Abb. 1 0: Reihenhaus-Grundriss

Außenwände ausgesteift, die eine ausreichende Sta­bilität des Gebäudes in dieser Richtung gewährleis­ten. Der seismische Nachweis wird daher nur in X­

Richtung geführt. in dieser Richtung sind aus Hoch­lochziegel (HLZ 12/Jia) bestehende vier 1,25 m lange Außenwände (W2) und zwei 2,0 m lange Innenwände (W1) achsensymmetrisch angeordnet. Eine zufällige Ausmitte wird im Rahmen dieser Untersuchung nicht berücksichtigt, da davon ausgegangen werden kann, dass torsionale Bewegungen des Gebäudes durch die sehr steifen Längswände in y-Richtung verhindert werden. Außerdem ist durch die Vernachlässigung von Ausmitten ein direkter Vergleich zwischen der Kapazitätsspektrumsmethode und des Antwortspekt­renverfahrens möglich. Die Kapazitätskurven der Ein­zelwände werden den Versuchsergebnissen der zyk­lisch getesteten Schubwandversuche an der Universi­tät Dortmund entnommen (Öles et al. (2003)). Die gesamte Kapazitätskurve des Stockwerks in X­

Richtung, in Abb. 11 zu sehen, weist eine maximal aufnahmbare Last von 465 kN auf. Nach Transforma­tion der Gesamtkapazitätskurve werden beide Kurven in das Sa-Sd·Diagramm eingetragen. in diesem Fall ist das Antwortspektrum nach DIN 4149 (Erdbebenzone 3, a9 = 0,8 m/s2

, Bodentyp B-R) gewählt worden. Der Schnittpunkt beider Kurven liegt im nichtlinearen Be­reich des Kapazitätsspektrums. Dennoch tritt bei die­ser Erdbebenstärke kein Stabilitätsversagen des Ge­bäudes ein. Zur besseren Interpretation wird der Ver­lauf der zugehörigen Dämpfungsanteile in Abb. 12

500

400

! 300

~ :s 200

~

- • - Kapazitätskurve W1

-:- • • · Kapazitätskurve W2

--Gesamtkapazitätskurw eines Stockv.erks

100 / '·--- •

. :.·-.-------- .. -".-" .-:..-.'"-=-""-""---0 .

0 0,2 0.4 0,6 0,8

Verschiebung [cm]

Abb. 11: Gesamtkapazitätskurve eines Stockwerks

70

dargestellt. Solange das Bauwerk sich linear verhält, ist die gesamte äquivalente viskose Dämpfung gleich der viskosen Bauteilsdämpfung. Im nichtlinearen Be­reich wird der hysteretische Dämpfungsanteil, umge­rechnet in eine äquivalente viskose Dämpfung, aufad­diert.

Mittels der Kapazitätsspektrummethode ist es auch möglich, die maximale Erdbebenstärke zu bestimmen, bei der das Gebäude gerade noch standsicher ist. Dies erfolgt in einem iterativen Prozess duch wiederholende Berechnungen mit dem skalierten

i 2,50 l ~ 2,00 i , "' '§ 1,50-.!!

~ 1,00.

"' • ~ 0,50.

i U) 0,00

- abgerrindertes Antw::lrtspektrum

- Kapazitätsspektrum

.... ----~-~--~-~

0,000 0,002 0,004 0,006 0,008 0,010

35

30

25

~ "'20 c

-a E 15 l!l

10

Spektrale Verschiebung des 1. stockwerks [m]

• - • • äquivalenter viskoser hysteretischer Dämpfungsanteil

- • -viskose Bauteildämpfung

--gesamte äquivalente viskose Dämpfung

... " " .

: 1_. ,_' _· -_·_·_· __ _ 0 0,002 0,004 0,006 0,008 0,01

Spektralverschiebung des 1. stockwerks [m]

Abb. 12: Bestimmung des Performance Point und Auswertung der äquivalenten viskosen Dämpfung

Ausgangsspektrums mittels des Bodenbeschleu­nigungswerts a9, bis sich die beiden Kurven gerade noch schneiden, Abb. 13. Der maximale Grundwert der Bodenbeschleunigung beträgt dann a9.max = 1 ,56 m/s2

• Die zu diesem Erdbeben auftretende maximale Schubkraft des Gebäudes, das eine Eigenperiode von T1 = 0,176 s hat, lässt sich mit Hilfe des Antwortspekt­renverfahren ermitteln. Unter Verwendung eines Ver­haltensbeiwertes von q = 1 ,5 (h/1 = 1) und eines be­rechneten modalen Anteilsfaktors von 0,92, ergibt sich ein Wert von 577 kN. Die maximal aufnahmbare Schubkraft liegt jedoch, wie erwähnt, bei nur 465 kN, vgl. Abb. 11. Obwohl das noch kein Versagen des

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- Antwortspektrum "!; 4,5 Ii;' 5,0 l '; 4,0 - Kapazitätsspektrum 0 & 3,5 : "2 3,0 .il 2,5 ii 2,0 -1l 1,5 ." :1! 1,0 ].. 0,5 "' 0,0 -1'----~---~--~

0,000 0,002 0,004 0,006

Spektralverschiebung [m]

0,008 0,010

Abb. 13: Maximal aufnehmbares Erdbeben ( ag = 1,56 m/s2

)

Gebäudes stattgefunden hat, kann die Stabilität mit Hilfe des Antwortspektrenverfahrens nicht nachgewie­sen werden. Dies bedeutet, dass das vereinfachte Antwortspektrenverfahren nicht alle im Mauerwerk vorhandenen plastischen Reserven ausnutzt und dass eine rein kraftbasierte Bemessung den realen Trag­werkswiderstand nicht erfassen kann.

7.2 Beispiel2: Freistehendes MW-Gebäude

Anhand eines freistehenden MW-Gebäudes mit den ·Abmessungen 5,0 m x 20,0 m (Abb. 15, links) soll der Einfluss von Torsionseffekten auf die Kapazitätskurve untersucht werden. Die Geschossanzahl, die Stock­werkshöhe und das Eigengewicht pro Flächeneinheit sollen gleich sein wie im ersten Beispiel. Alle Schub­wände haben eine Länge von 2,50 m und sind vom gleichen Mauerwerkstyp wie in Beispiel 1. Zwei Au­ßenwände sind in y-Richtung, drei Wände in X­

Richtung vorhanden. Die Stützen haben keinen hori­zontalen Steifigkeitsbeitrag. Aufgrund konstanter Massenverteilung kann allein mit Hilfe des geometri­schen Parameters 11 die Exzentrizität definiert werden.

Wl

Erdhebeu­richtung

5,00

Abb. 15: Grundriss Beispiel 2

............ q

J

Seismisches Verhalten von Mauerwerksbauten

Für 11 = 3, 75 m ist der Steifigkeitsmittelpunkt ge­nau im Massenschwerpunkt (keine Exzentrizität). in diesem Fall haben nur die Wände W1, W2 und W4 einen Einfluss auf die horizontale Steifigkeit des Ge­bäudes in x-Richtung. Alle drei Wände versagen gleichzeitig. Die zugehörige Pusheverkurve ist in Abb. 14, rechts (blau gestrichelt) dargestellt.

Für 11 = 0,0 m liegt der Steifigkeitsmittelpunkt un­terhalb des Massenschwerpunkts. Eine Anregung des Massenschwerpunkts in x-Richtung erzeugt eine viel größere Verschiebung der Wand W1 als in den ande­ren vier Wänden. Daher wird Wand W1 zuerst versa­gen. Danach wird sich das Steifigkeitszentrum plötz­lich viel weiter weg vom Massenschwerpunkt ver­schieben. Trotz des Versagens von Wand W1 hat das Gebäude eine Resttragfähigkeit, vgl. Kapazitätskurve

400 -1 /'~,

3501 / \ ' ' ' '

~ 300 I //\ \._ --mitExzentrizität

I ~~~ \( l,, -------V ~---so --- ------~-

0 -------,---------'

-- -- - ohne Exzentrizität

0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0

Erdgeschoss-Verschiebung [cm]

Abb. 14 Kapazitätskurve der beiden Konfigurationen

in Abb. 14, rechts (rot), einhergehend mit großen Ver­formungen. Die maximal aufnehmbare Schubkraft ist wesentlich geringer als in dem Fall ohne Exzentrizität.

8 DERVERHALTENSBEIWERT

Ein Vergleich beider Verfahren ist möglich, wenn mit Hilfe der Kapazitätsspektrumsmethode der Verhal­tensbeiwert (Behaviour Factor) ermittelt und mit dem nach Norm erlaubten Wert verglichen wird. Dieser q­Faktor wird definiert, indem die Kapazitätskurve eines tatsächlichen Bauwerks mit der Systemantwort eines rein elastischen Bauwerks mit den gleichen Anfangs­steifigkeitseigenschatten verglichen wird. Der q-Faktor mit q = H,/Hdu ist das Verhältnis der Erdbebenkraft He bei linear-elastischem Strukturverhalten zu der mini­malen seismischen Kraft Hdu des realen Bauwerks unter Miteinbeziehung zulässiger plastischer Verfor­mungen (Tomazevik et al. (2004)).

Um den q-Faktor entsprechend der vorangestellten Definition zu bestimmen, ist es notwendig, erst das maximale Erdbeben zu bestimmen, das gerade noch kein Systemversagen zur Folge hat, vgl. Abschnitt 7.1. Aus dem sich ergebenden Performance Point wird die angreifende Erdbebenkraft H"" ermittelt. Die-

71

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Seismisches Verhalten von Mauerwerksbauten

se wird ins Verhältnis gestellt mit der Erdbebenkraft He eines sich linear elastisch verhaltenden Gebäudes mit einer konstanten Steifigkeit, die gleich der An­fangssteifigkeit des realen Gebäudes ist. Daraus er­gibt sich, dass der q-Faktor mit folgender Gleichung berechnet werden kann:

q = sa (Telastisch). aelastisch. MTot,cff

sa (TPerfPoint). aPerfPoint . MTot,eff

(8)

wobei S,(T) die zugehörige Spektralbeschleunigung und a das Verhältnis der effektiven Modalmasse zur effektiven Gesamtmasse MTot des Systems ist. a.1,.11,ch

ist im elastischen Zustand ermittelt, aPertPolot im Be­reich der maximalen Auslenkung (Performance Point). Die Auswertung dieser Gleichung ergibt eine q-Faktor von 2,5. Zu Vergleichszwecken sind in Tabelle 1 die q-Faktoren für einen weiteren Bodentyp und für Kalk­sandsteine ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Annahme eines q-Faktors von 1,5 bei h/1 = 1 nach DIN 4149 (2005) eine auf der konservativen Seite liegende Annahme ist. Durch die verformungsbasierte Bestimmung der Kapazitätskurven unter Berücksichti­gung des sich ändernden Schwingungsverhaltens und der tatsächlichen Wandkonfiguration können die Tragwerksreserven besser ausgenutzt werden.

Bodentyp Material

Hochlochziegel Kalksandstein (HLZ 12/IIa) (KS 20/DM)

B-R 2,5 3,4

C-R 2,1 2,8 .. ..

Tabelle I: q-Faktor emes dreistockigen Gebaudes

9 SCHLUSSBEMERKUNG

ln diesem Beitrag werden Mauerwerksbauten mit Hilfe eines auf der Kapazitätsspektrumsmethode basieren­den Verfahrens untersucht und mit dem vereinfachten Antwortspektrenverfahren verglichen. Das Antwort­spektrenverfahren ist ein rein kraftbasiertes Verfah­ren, das zur Berücksichtigung nichtlinearer Effekte mit pauschalen Verhaltensbeiwerten arbeitet. Die Kapazi­tätsspektrumsmethode ist eine verformungsbasierte Methode, die Materialfestigkeit, Duktilität und die in­folge Hysterese dissipierte Energie berücksichtigt. Dabei erfolgt eine Berechnung an der konkret vorlie­genden Bauwerkskonfiguration, es wird im Gegensatz zum Antwortspektrenverfahren kein konservativer pauschaler Verhaltensbeiwert verwendet. Ein Ver­gleich der beiden Verfahren erfolgt durch die Ablei­tung eines Verhaltensbeiwertes aus den Ergebnissen der Kapazitätsspektrumsmethode.

72

Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchun­gen zeigen, dass die nichtlinearen Tragwerksreserven des Mauerwerks in vielen Fällen durch den normativ vorgegebenen Verhaltensbeiwert nicht ganz ausge­nutzt werden. Für die Baubranche bedeutet dies, dass eine Verwendung von unbewehrtem Mauerwerk auch in der Erdbebenzone 3 eine alternative sein kann.

Die Anwendung der Kapazitätsspektrumsmethode für den Berechnungsingenieur in der Praxis kann durch eine programmtechnische Umsetzung unter­stützt werden. Die Berechnungszeiten lassen sich durch Hinterlegung der Kapazitätskurven in einer Da­tenbank minimieren. Neben der besseren Ausnutzung der nichtlinearen Tragwerksreserven sind eine Be­rücksichtigung zusätzlicher Torsionseffekte und eine Erweiterung auf bewehrtes, verstärktes oder einge­fasstes Mauerwerk problemlos möglich. Hierbei müs­sen nur die entsprechenden Kapazitätskurven in der Datenbank hinterlegt werden.

10 LITERATUR ATC-40 (1996}, Seismic Evaluation and Retrofit of Concrete Buildings, Applied Technology Council, Val. 1.

DIN 1053 (1996}, Teil 1, Mauerwerk, Berechnung und Aus­führung, Normenausschuss Bauwesen (NABau} im DIN Deutsches Institut für Normung e.V.

DIN 4149 (2005}, Bauten in deutschen Erdbebengebieten, Normenausschuss Bauwesen (NABau} im DIN Deutsches Institut für Normung e.V.

ENV 1998 (2004 }, Eurocode 8 - Design of Structures for Earthquake Resistance, Comite Europeen de Normalisation, Brussels.

FEMA 273 (1997}, NEHRP guidelines for the seismic reha­bilitation of buildings. Federal Emergency Management Agency. Washington, D.C., USA.

Freeman, S. A., Nicoletti, J. P., Tyrell, J. V. (1975}, Evalua­tions of existing buildings for seismic risk. Proceedings of 1st U.S. National Conference on Earthquake Engineering, 113-22. Berkeley, EERI, USA.

Lurati,f., Thürlimann, B. (1990}, Versuche an Mauerwerks­wänden aus Zementstein, Bericht Nr. 8401-3, Institut für Baustatik und Konstruktion, ETH Zürich.

Mann, W., Müller, H. (1978}, Schubtragfähigkeit von Mau­erwerk. Berlin, Ernst & Sohn.

Öles, A., Löring, S. (2003} Tastversuche zur Identifizierung des Verhaltensfaktors von Mauerwerksbauten für den Erd­bebennachweis. Abschlussbericht Lehrstuhl für Tragkon­struktionen, Universität Dortmund.

Tomazevik, M.; Weiss, P. (1994}, Seismic Behaviour of Plain - and Reinforced-Masonry Buildings. Journal of Struc­tural Engineering, Val. 120, 323-338, ASCE.

Tomazevik, M., Bosiljkov, V., Weiss, P., Klemenc, I. (2004}, Experimental research for identification of structural behav­iour factor for masonry buildings. Part I - research report P 115/00-650-1. Im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerksbau e.V. (DGIM}. Ljubljana, Slowenien.

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Nachträgliche Verstärkung von Mauerwerk für Erdbebenlasten

Christian Wallner und Lothar Stempniewski Institut für Massivbau und Baustofftechnologie, Universität Karlsruhe (TH)

1 KURZFASSUNG

Die Ergebnisse verschiedener experimenteller Unter­suchungen zur nachträglichen Verstärkung von seis­misch beanspruchten Mauerwerksscheiben durch die Oberflächenapplikation von Faserverbundwerkstoffen werden vorgestellt. Zunächst erfolgten in Kleinversu­chen Voruntersuchungen zur Bewertung und Auswahl potentieller Laminatwerkstoffe. Ausgewählte Materia­lien wurden anschließend auf realmaßstäbliche Mau­erwerksbauteile aufgebracht, die in ihrer Ebene pseu­dodynamisch geprüft wurden. Hierbei wurden sowohl tragende Wandscheiben als auch Mauerwerksausfa­chungen von Stahlbetonrahmen berücksichtigt. Insge­samt ergaben sich so sieben Großversuche.

2 EINLEITUNG

Größere Erdbeben haben weltweit gezeigt, dass Mauerwerksscheiben in Form von tragenden Wänden oder als Ausfachungen von Stahlbetonrahmen den durch Erdbeben hervorgerufenen Horizontalbelastun­gen häufig nicht standhalten und dies zu großen Schäden bis hin zum Einsturz ganzer Bauwerke füh­ren kann. Gründe hierfür können neben einer vor al­lem bei älteren Bauwerken häufig geringen Schub­tragfähigkeit dieses traditionellen Baustoffes auch eine Unterschätzung möglicher auftretender Erdbe­benlasten sein. Aufgrund der weltweiten Verbreitung dieser Bauweise gewinnt die Thematik der Erdbeben­verstärkung von Mauerwerk daher zunehmend an Bedeutung.

Prinzipiell existieren verschiedene Möglichkeiten, die Schubtragfähigkeit und somit die Erdbebensicher­heil von Mauerwerk im Bestand zu erhöhen. Diese reichen beispielsweise von stahlbewehrten Spritzbe­tonschichten über externe Vertikalvorspannung des Mauerwerks bis hin zu aufgeklebten und evtl. mecha­nisch verankerten Lamellen aus Stahl oder kohlefa­serverstärktem Kunststoff (EIGawady et al. (2004 )). Meist sind diese Verfahren jedoch mit verschiedenen Einschränkungen verbunden. Eine interessante Alter-

Kohlenstoff Polyester Polyethylen E-Gias

(Tenax) (Diolen) (Dyneema)

Zugfestigkeit [Nimm']

3500 2400 1250 3000

E-Modul

[kN/mm'] 235-475 73 11 95

Bruchdehnung 0,7-1,5

[%] 3,3 14 3,6

Dichte [glcm']

1,80 2,60 1,38 0,97

Tabelle 1: Typische Eigenschaften der verwendeten Faser­materialien.

native stellt daher das großflächige Auflaminieren von Faserverbundwerkstoffen auf die Mauerwerksoberflä­chen dar.

3 FASERVERBUNDWERKSTOFFE ZUR MAUER-WERKSVERSTÄRKUNG

Faserverbundwerkstoffe (FVW) entstehen durch Ein­bettung einer Faserstruktur in eine Matrix ("Kleber"). Aus mechanischer Sicht sind für die Festigkeit und Steifigkeit des hergestellten Verbundwerkstoffes hauptsächlich die Fasern verantwortlich, die Matrix gewährleistet die Kraftübertragung zwischen dem Grundmaterial und den Fasern sowie zwischen den einzelnen Fasersträngen und schützt die Fasern vor mechanischen und/oder chemischen Einwirkungen. Zur Bauteilverstärkung kommen im Wesentlichen flächige Fasergebilde in Form von Geweben (bei ge­ringer Fadendichte als Gittergewebe bezeichnet) aus verschiedenen Materialien (Tabelle 1) zum Einsatz.

Als Matrix existieren zum einen die bauüblichen Epoxidharzsysteme, die neben ihren hohen Festigkei­ten und chemischen Beständigkeilen allerdings auch diverse Nachteile besitzen (dampfsperrend, erhöhter erforderlicher Arbeitsschutz). Dennoch stellen faser-

73

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Nachträgliche Verstärkung von Mauerwerk für Erdbebenlasten

Epoxidharz mod. Zement-Mörtel (EH) (ZM)

Dichte [gicm'] 1,31 1,98

Zugfestigkeit [Nimm'] 30 7

E-Modul [Nimm'] 3800 17000

pH-Wert [-] 7,8 12,8

Diffusionszahl [-] ~ 10000 150

Tabelle 2: Eigenschaften der verwendeten Matrizes.

verstärkte Kunststoffe (FVK) bislang immer noch den Standard im Bereich der Mauerwerksverstärkung durch FVW dar (z.B. Schwegler (1994), Triantafil­lou (1998), EIGawady (2004)). Eine interessante Al­ternative besteht in zementgebundenen, kunststoff­modifizierten Matrizes, die aufgrund ihrer minerali­schen Basis die bauphysikalisch wichtige Dampfdiffu­sion bei gleichzeitiger Flüssigkeitsundurchlässigkeit zulassen und deren mechanische Eigenschaften tem­peraturunabhängig sind. Der Kunstharzzusatz ver­bessert die Zugfestigkeit des Materials sowie die Ver­bundfestigkeit zu den eingebetteten Fasern.

ln den eigenen Untersuchungen wurden zwei ver­schiedene Matrizes zur Imprägnierung der Faserpro­dukte verwendet (Tabelle 2). Neben einem klassi­schen Epoxidharz wurde ein modifizierter Zementmör­tel eingesetzt, der neben der hydraulisch abbindenden Hauptkomponente noch einen geringen Epoxidhar­zanteil besitzt. Anzumerken ist, dass die Fasern von gebräuchlichem E-Gias ("elektrisches Glas") im alkali­schen Milieu aufgrund der Glasfaserkorrosion nicht beständig und somit für den Einsatz in zementgebun­denen Matrizes nicht geeignet sind (vgl. pH-Wert, Tabelle 2). Auch eine Beschichtung der Fasern ge­währleistet keinen vollkommenen Schutz, da diese beim Einbau zerstört werden kann.

Ein weiterer, entscheidender Unterschied zwi­schen den beiden Materialien ist das Brandverhalten. Hierzu wurden einfache Versuche durchgeführt, um den qualitativen Unterschied aufzuzeigen. Beide Ma­terialien wurden mit Hilfe eines Bunsenbrenners mit einer rauschenden (blauen) Flamme beaufschlagt (Abb. 1 ). Es zeigte sich, dass das Epoxidharz ent­flammbar war und dies zu einer für eine Kunststoff­verbrennung typischen Rauchentwicklung sowie zum Ausspritzen von Harzpartikeln führte. Der Zementmör­tel hingegen war nicht zu entflammen, sondern zer­setzte sich ähnlich wie andere zementgebundene Materialien an der Stelle der Hitzezufuhr. Beide Mate­rialien verhielten sich bei Entfernen der Brandquelle selbstverlöschend.

74

Abb. 1: Durchführung einfacher Brandversuche an Epo­xidharz (a) und Zementmörtel (b).

4 KLEINVERSUCHE

Zunächst wurden verschiedene Fasergewebe-Matrix­Kombinationen in Kleinversuchen untersucht und im Hinblick auf die späteren Großversuche einer Bewer­tung ihres mechanischen Verhaltens unterzogen.

Die Hauptbeanspruchung oberflächenapplizierter Laminate tritt über Rissen im Grundmaterial (Mauer­werk) auf, dessen Rissufer sich gegenseitig verschie­ben und vom Laminat überbrückt werden müssen. ln schubbeanspruchten Mauerwerksscheiben stellen verschiedenst orientierte Zugrisse in den Mauerstei­nen oder den Mörtelfugen sowie Scherrisse in den Lagerfugen die wesentlichen Versagensmechanismen dar. Hieraus ergaben sich zum einen die Aufbauten der Kleinversuche sowie die Forderung an die einge­setzten Fasergewebe, eine bidirektionale Struktur aufzuweisen, um den möglichen, im Voraus nicht eindeutig vorherzusagenden Rissorientierungen best­möglich begegnen zu können.

4.1 Zugversuche

Für jede der neun berücksichtigten Gewebe-Matrix­Kombinationen wurden zwei verschiedene Winkel zwischen dem durch die trockene Steinfuge simulier­ten Riss des Grundmaterials und den Faserorientie­rungen der bidirektionalen Gewebe untersucht (Tabel-

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Zwei-Stein-Prüfkörper (KS, SFK 12, unvermörtelt)

FVW-Laminat (beidseitig)

Abb. 2: Aufbau der Zug-Kieinversuche.

le 3). Zum einen wurde eine im Verhältnis zum Riss orthogonale bzw. parallele Ausrichtung (0° bzw. 90°) der Gewebestrukturen gewählt, zum anderen eine diagonale Orientierung (45°). Insgesamt ergaben sich somit 18 Kleinversuche auf Zug, deren Aufbau in Abb. 2 dargestellt ist.

Alle Epoxidharz-Prüfkörper versagten unabhängig vom Material der verwendeten Fasern oder deren Ausrichtung spröde ohne Vorankündigung. Mit Aus­nahme von PK 5 (Geweberiss) löste sich durchweg das Laminat inklusive der äußeren Kalksandstein­schicht ab {Abb. 3a). Da das Versagen im Wesentli­chen von der Oberflächenzugfestigkeit des Kalksand­steines (KS-Stein), die kleiner als die Verbundfestig-

Prüf-·Faser- Faser-

Flächen-Maximalkraft

körper aufbau material

gewicht Matrix [kN]

(PK) [glm']

112 GW Kohlenstoff 285 EH 10,34 I 9,69

314 GW E-Gias 395 EH 9,64 I 8,55

516 GW Polyester 265 EH 6,91 I 6,62

718 GW Polyethylen 130 EH 9,09 I 8,12

9 I 10 GW Kohlenstoff 285 ZM 6,51 I 4,91

11 I 12 GW Kohlenstoff 375 ZM 7,66 I 7,47

13 I 14 GT Kohlenstoff 2x159 ZM 3,00 I 3,92

15 I 16 GW Polyester 265 ZM 3,75 I 2,41

17 I 18 GW Polyethylen 130 ZM 4,85 I 2,76

GW=Gewebe ; GT =Gittergewebe

Tabelle 3: Zusammenstellung und Ergebnisse der Zug-Kleinversuche (0° I 45°-0rientierung).

Nachträgliche Verstärkung von Mauerwerk für Erdbebenlasten

Abb. 3: Versagensmechanismen in Zugversuchen in Ab­hängigkeit der Matrix (Bruch in der Steinhaut bei Epoxidharz (a), Ablösungen bei Zementmörtel (b )).

keit zwischen Stein und Laminat ist, und nicht von den mechanischen Eigenschaften des Laminates selbst abhängig ist, waren die Unterschiede in den maximal aufnahmbaren Kräften nur gering.

Bei allen Prüfkörpern mit Zementmatrix hingegen traten aufgrund der geringeren Verbundfestigkeiten zwischen Faser und Matrix Gewebeablösungen auf, die ausgehend von der Fuge allmählich weiter fort­schritten. Bei diagonal zur Fuge ausgerichteten Fa­sern (45°) schnürte sich das abgelöste Gewebe auf seiner freien Länge ein und verzögerte so den Ablö­sungsprozess (Abb. 3b ).

Allgemein ist festzustellen, dass die erreichten Maximalkräfte bei diagonal zum Riss ausgerichteten Faserlaminaten aufgrund der auftretenden Umlenk­kräfte und der damit verbundenen zusätzlichen Bean­spruchung des Verbundes kleiner sind als bei einer orthogonalen Anordnung. Eine Ausnahme im Rahmen der Versuchsergebnisse stellt lediglich das zweilagig applizierte Kohlenstoff-Gitter (PK 13/14) dar, dessen Ergebnisse jedoch zweifelhaft sind, da die hier geprüf­te Laminatbreite von 70 mm vermutlich zu klein ist, um bei einer Maschenweite des Gitters von ca. 46 mm zuverlässige Ergebnisse gewährleisten zu können.

75

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Nachträgliche Verstärkung von Mauerwerk für Erdbebenlasten

FVW~Laminat

(beidseitig)

Drei-Stein-Prüfkörper (KS 3DF, SFK 12, Mörtelfugen 12 mm)

Abb. 4: Aufbau der Schub-Kieinversuche.

4.2 Schubversuche

Von den ursprünglich neun geprüften Laminatvarian­ten verblieben nach Ausschluss ungeeigneter Kombi­nationen (z.B. Versagen durch Geweberiss im Zug­versuch} noch fünf, die in den folgenden Schubversu­chen weiter untersucht wurden. Hierbei wurden wie­derum die zwei verschiedenen Winkel zwischen Fa­ser- und Rissorientierung berücksichtigt (vgl. Kapi­tel 4.1 ). Der Versuchsaufbau (Abb. 4) wurde in Anleh­nung an die Vorgaben der DIN EN 1052-3 zur Prüfung der Scherfestigkeit von Mauerwerk konzipiert. Ein Prüfkörper, bestehend aus drei vermörtelten Mauer­steinen, wird hierbei mit einer über den Versuch kon­stant gehaltenen Vorlast überdrückt, während der mittlere Stein vertikal gegen die beiden aufgelagerten äußeren Steine belastet wird. Die verschiedenen La­minate waren auf beiden Seiten der Prüfkörper aufge­bracht. Vorab wurde ein unverstärkter Referenzver­suchskörper geprüft, um den Anteil der Mörtelfuge am Gesamtergebnis zu bestimmen.

Unabhängig von der Faserorientierung führte ein Epoxid-Laminat auch hier zu einem spröden Versa­gen infolge eines Bruches im Stein. Die Prüfkörper mit Zementmörtel-Matrix und einer 0°-Ausrichtung der Fasern zur Fuge konnten hingegen die aufnahmbaren Kräfte über größere Verschiebungen hinweg auf ei­nem erhöhten Niveau halten (Abb. 5a). Grund hierfür sind die schrittweise auftretenden Ablösungserschei­nungen ausgehend von der Fuge, die sich infolge der Umlenkkräfte im Bereich der sich schräg stellenden Faserstränge entwickelten. Dies führte zu einem vor­teilhaften pseudoduktilen Versagensmechanismus über der Fuge.

Ein Vergleich mit den zugehörigen Prüfkörpern, die eine diagonale Ausrichtung der Faserstruktur aufwie­sen (Abb. 5b}, zeigt, dass eine solche Orientierung zu einer deutlichen Reduktion der Duktilität des Laminat-

76

a)

1,6T""------:---===--------, -unverstärkt 1 -Glas-Gewebe (395 g/m")+EH

,4 ·-•--· Kohlenstoff-Gewebe (285 gfm~)+ZM f ·· •- Kohlenstoff-Gewebe (375 gfm')+ZM E 1 ,2 ·-... ·~Polyester-Gewebe (265 g/m")+ZM _ -+--Kohlenstoff-Gitter (2x159 gfm')+ZM

~ 10 "' , c ~ 0,8 c

"' ]" 0'6 nll- •~-r~l····c:c;:jtc:::: :"''+'":-·-~·~---···· ~

~ 0,4 1'-1""---

b)

0,2

o+-~--~--~~--~--r-~ 0 5 10 15 20 25 30 35

Verschiebung (mm]

1,6T""--------;::.,.,..-----~ -unverstärkt

5

-Glas-Gewebe (395 g/m')+EH ~•-Kohlenstoff-Gewebe (285 g/m')+ZM ~•···Kohlenstoff-Gewebe (375 g/m')+ZM ~.t..- Polyester -Gewebe (265 g/m')+ ZM -+-Kohlenstoff-Gitter {2x159 g/m')+ZM

10 15 Verschiebung [mm]

Abb. 5: Ergebnisse der Schub-Kleinversuchs bei einer Faserorientierung von oo (a) und 45o (b).

systems führt. Die Faserstruktur wurde bereits bei kleinsten Rissuferverschiebungen unmittelbar bean­sprucht und löste sich entlang der Prüfkörperdiagona­len ab, was zum abrupten Ausfall der Laminatverstär­kung führte.

5 GROSSVERSUCHE

ln den anschließenden Bauteil-Großversuchen (Maß­stab 1:1) sollte der Ertüchtigungserfolg von ausge­wählten Laminat-Werkstoffen an tragenden Mauer­werkswänden, die durch die auftretenden Erdbeben­lasten zusätzlich horizontal schubbeansprucht wer­den, sowie an Mauerwerksausfachungen von Stahlbe­tonrahmen überprüft werden.

Die Aufbringung der seismischen Horizontalbelas­tung in Prüfkörperebene erfolgte mit Hilfe der pseudo­dynamischen Versuchsmethodik (z.B. Shing et al. (1996)). Eine realistische Erdbebenbelastung des Systems wird hierbei durch eine iterative Lösung der Bewegungsdifferentialgleichung ermittelt. Dies über­nimmt ein EDV-ausgeführter Rechenalgorithmus, der parallel während des Versuchsablaufes für jeden Zeit-

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Schwingungsdauer [sec]

Abb. 6: Antwortspektrum des verwendeten Akzelerogram­mes (5 % viskose Dämpfung).

schritt die auf den Prüfkörper aufzubringenden Ver­schiebungen ermittelt. Der große Vorteil dieser Me­thodik ist, dass die auftretenden Trägheits- und visko­sen Dämpfungskräfte rechnerisch simuliert und daher nicht experimentell abgebildet werden müssen. Ledig­lich die direkt prüfkörperabhängigen Gleichungsantei­le in Gestalt der teils stark nichtlinearen Rückstellkräf­te werden mit Hilfe üblicher Versuchseinrichtungen experimentell bestimmt. Somit wird der Prüfkörper einer aus der Systemantwort interaktiv ermittelten, ständig aktualisierten Lastgeschichte unterworfen und erfährt die gleiche Belastung, die im Falle eines realen Erdbebens auf ihn einwirken würde.

Zur Berechnung und Steuerung der Last- bzw. zur Erfassung der Messgrößen wurde der von Thiele (2000) entwickelte Algorithmus verwendet. Als Aus­gangsbeschleunigungsverlauf diente die gemessene Nord-Süd-Komponente des Vrancea-Erdbebens (Ru­mänien) aus dem Jahre 1990. Dieses seismische Ereignis besaß eine Richter-Magnitude von 6,7 und einen Spitzenwert der Beschleunigung von 0,77 rn/sec". Das zugehörige Antwortspektrum ist in Abb. 6 dargestellt. Die Steigerung der Belastung er­folgte durch schrittweises Hochskalieren des Akzele­rogrammes.

5.1 Wandversuche

Insgesamt wurden fünf Bauteilversuche an Mauer­werkstragwänden durchgeführt, wobei ein unverstärk­ter Prüfkörper als Referenz für die restlichen ertüchtig­ten Versuchskörper diente (Tabelle 4). Letztere wur­den vor ihrer Ertüchtigung pseudodynamisch mit dem unskalierten, real gemessenen Erdbebenbeschleuni­gungsverlauf vorgeschädigt, um einen realistischen und konstant definierten Ausgangszustand zu erzeu­gen. Im Rahmen dieser Vorschädigung wurde die Traglast der unverstärkten Prüfkörper überschritten und erste Risse bildeten sich. Anschließend wurden die verschiedenen FVW-Laminate beidseitig auf die Wandoberflächen aufgebracht. Um die erwartungs-

Nachträgliche Verstärkung von Mauerwerk für Erdbebenlasten

Auflast 132 kN/m

Stahlt•eton-Elalken Hydraulikzylinder

GEWI-Stangen

Mauerwerkswand (d= 24 cm)

Abb. 7: Aufbau der Wand-Großversuche.

gemäß erhöhten Kräfte zwischen dem ertüchtigten Mauerwerk und den angrenzenden Betonbauteilen übertragen zu können, wurden die Übergangsfugen mittels aufgedübelter Stahlbänder verstärkt.

Die Mauerwerksscheiben hatten einheitlich eine Größe von 2,5 x 2,5 x 0,24 m3 (Abb. 7). Eine konstan­te Auflast von 0,55 Nimm' wurde aufgebracht, um den Effekt darüber liegender Geschosse nachzubilden. Seitliche Zugstangen am Kopfbalken behinderten eine freie Rotation des Wandkopfes, um den Einfluss an­grenzender Bauteile, wie z.B. durchlaufender De­ckenplatten, zu simulieren. Die Wahl der Baustoffe für die Versuchskörper sollte den Verhältnissen entspre­chen, die häufig in besonders schadensanfälligen, meist älteren Bauwerken anzutreffen sind. Es wurden daher kleinformatige Vollsteine (KS 4DF) der Steinfes­tigkeitsklasse (SFK) 12 in Verbindung mit einem nie­derfesten Normalmauermörtel (mittlere Prismendruck­festigkeit 2,5 Nimm') verwendet. Das Fugenraster entsprach einem mittigen Läuferverband und die Stoßfugen wurden vermörtelt

Bei Verwendung von Epoxidharz (Wand 4) wurden 50 cm breite Gewebestreifen auf die Wanddiagonalen aufgebracht (Abb. 8a), d.h. der Winkel zwischen den

Prüf-Faserverstärkung

körper

Flächengewicht

[glm']

Referenz (unverstärkt)

2 Kohlenstoff-Gewebe 285

3 Polyester-Gewebe 265

4 E-Gias-Gewebe

395 (Diagonalstreifen)

5 Kohlenstoff-Gitter

2x159 (zweilagig)

Matrix

Zementmörtel

Zementmörtel

Epoxidharz

Zementmörtel

Tabelle 4: Zusammenstellung der Wand-Prüfkörper.

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Nachträgliche Verstärkung von Mauerwerk für Erdbebenlasten

Abb. 8: Applikation der FVW-Laminate an Wand 4 (a) und Wand 2 (b).

Fasern und den Mauerwerksfugen betrug 45°. Die Applikation der Zementmörtel-Laminate erfolgte voll­flächig (Abb. Sb), wobei die Orientierung der Faser­struktur der Ausrichtung des Mauerwerksfugenrasters entsprach (0°/90°).

Der unverstärkte Prüfkörper (Wand 1) entwickelte nach anfänglich elastischem Verhalten ein für Schub­wände typisches Fugenversagen entlang den Diago­nalen der Wandscheibe (Abb. 9) mit Öffnungen der Treppenrisse bis zu 15 mm. Diese Versagensart ist durch größere plastische Verformungen gekennzeich­net, deren erstmaliges Auftreten ohne Vorankündi­gung stattfindet. Dies veranschaulicht Abb. 10a die eine Überlagerung der Hysteresen der verschied~nen Laststufen darstellt.

Abb. 9: Rissbild der unverstärkten Referenzwand (Wand 1) nach Versuchsende.

78

-15 -10 -5 0 5 10 15 20 25 Verschiebung [mm]

Abb. 10: Hysteresen Wand 1 (a) und Wand 2 (b).

Bei allen ertüchtigten Prüfkörpern war in den ersten Laststufen lediglich ein Kippen der Wandscheiben wahrzunehmen. Mit zunehmender Steigerung des Lastniveaus traten Schädigungen des Mauerwerks im Bereich der unteren Wandecken sowie Ablösungen der Laminate auf. Die Versuche an Wand 2 und 3 wurden eingestellt, als die Ablösungen so weit fortge­schritten waren, dass kein weiterer Einfluss der Er­tüchtigung zu erwarten war bzw. das darunter liegen­de Mauerwerk starke Zerstörungen aufwies. Allge­mein entwickelten sich Schädigungen bzw. plastische Verformungen im Gegensatz zur unverstärkten Wand schrittweise mit durch die Gewebeablösungen optisch und akustisch wahrnehmbarer Vorankündigung. Dies bestätigt der deutlich symmetrischere Kurvenverlauf exemplarisch fürWand 2 (Abb. 10b).

Bei der streifenförmig verstärkten Wand 4 bildeten sich in den unverstärkten Wandbereichen zahlreiche Risse im Mauerwerk aus. Das Versagen trat schließ­lich infolge großflächiger Ablösungen des FVK­Laminates in den Wandecken und einem Riss des Gewebes über der gesamten Streifenbreite in Wand­mitte ein. Bei Wand 5 führte ein Riss der Gitterlagen entlang einer Lagerluge auf der ganzen Wandlänge, verbunden mit starken Ablösungen in diesem Bereich, zu einem Ausfall der Verstärkungsmaßnahme.

Analog zu den Beobachtungen in den Kleinversu­chen zeigte sich auch hier, dass bei Verwendung einer Epoxidharz-Matrix das Verbundversagen infolge emes Sprödbruches im Mauerstein eintritt, während

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600~-----------------------------.

500

~ 400 ~

""' ]§ 300

2 "§ 200 J:

100 Wand 1 (Referenz)

Wand5 -·-·-·-.

··-wand 3

o+------.------,------.----~ 0 10 20 30 40

Kopfverschiebung [mmJ

Abb. 11: Quasi-statische Einhüllenden der pseudodynami­schen Wandversuche.

ein zementöses Material zunächst schrittweise Ablö­sungen der Faserstruktur von der Matrix zulässt

Die Zusammenstellung der Einhüllenden aller Wandversuche (Abb. 11) zeigt deutlich das verbesser­te Strukturverhalten der ertüchtigten Wandscheiben. Die Traglasten erhöhten sich !rotz vorangegangener Vorschädigung der Wände erheblich (um bis zu 150 %) und das Versagen änderte sich von einem spröden zu einem sich durch eine allmähliche Steifig­keitsabnahme ankündigenden Mechanismus. Des Weiteren konnte die Anfangssteifigkeit der ungeschä­digten Wand durchweg wiederhergestellt werden.

5.2 Rahmenversuche

ln einer zweiten Versuchseinrichtung wurde die Mög­lichkeit zur Ertüchtigung von ausgefachten Stahlbe­tonrahmen durch die nachträgliche Verstärkung des unter Horizontallasten entscheidend mitwirkenden Mauerwerks geprüft.

Der Versuchsaufbau (Abb. 12) entspricht prinzipiell dem der Wandversuche. Die Prüfkörper waren nun jedoch bewehrte Stahlbetonrahmen mit quadratischen Stützenquerschnitten und einer mittleren Betondruck­festigkeit von 30,6 Nimm' (nach 28 Tagen). Statt ei­nes Plattenbalkenquerschnittes wurde für den Riegel ein äquivalenter Rechteckquerschnitt gewählt Die Vorbemessung des Rahmens zur Ermittlung der an­geordneten Bewehrung erfolgte für eine Lastkombina­tion aus üblichen Vertikallasten (Eigengewicht, Ver­kehrslasten) sowie Windeinwirkungen. Der untersuch­te Rahmen repräsentiert hierbei ein Innenfeld im un­tersten Geschoss eines fünfstöckigen Skelettbaus. Erdbebenbeanspruchungen wurden hierbei nicht be­rücksichtigt Die Auflast pro Rahmenstütze betrug jeweils 400 kN.

Das Mauerwerk wurde im Rahmen der Vorbemes­sung als nichttragend angesehen und blieb gegen­über den Wandversuchen unverändert, lediglich die

Nachträgliche Verstärkung von Mauerwerk für Erdbebenlasten

Mauerwerkswand (d= 17,5 cm)

Hydraulikzylinder

b/h= 30/60 cm 4020 je Seite Bü010-20

Abb. 12: Aufbau der Rahmen-Großversuche.

Wanddicke wurde auf 17,5 cm (3DF-Steine) reduziert. Die Ausfachungswand wurde weder durch Fugen vom Rahmen abgetrennt, noch durch spezielle Konstrukti­onen an diesen angeschlossen, sondern satt einge­mauert.

Der erste Rahmen diente als unverstärkter Refe­renzprüfkörper. Das im Vergleich zum Rahmen we­sentlich steifere Mauerwerk erreichte aufgrund der fehlenden Auflast bereits bei geringen Kopfauslen­kungen seine Schubtragfähigkeit Das Kraftniveau blieb jedoch durch Ausbildung einer Druckstrebe im allseitig eingefassten Mauerwerk und dadurch akti­vierte Fugenreibung auch bei zunehmenden Ver­schiebungen nahezu konstant (Abb. 14). Erst bei gro­ßen Kopfverschiebungen war die Ausfachung so druckgeschädigt, dass ein Kraftabfall eintrat

Das Rissbild im Mauerwerk (Abb. 13) war zu­nächst durch getreppte Diagonalrisse geprägt, die sich anfangs infolge des noch elastischen Rahmens wieder schlossen. Mit zunehmender Laststeigerung passte sich das eingeschlossene Mauerwerk der durch den Rahmen vorgegebenen Verformungsfigur an, was zu gegenseitigen Verschiebungen der einzel­nen Steinlagen und somit zu Scherrissen in den La­gerfugen führte. Im Bereich der Rahmenecken bilde­ten sich in den Stützen Biegerisse, die sich mit fort-

Abb. 13: Rissbild des unverstärkten Referenzrahmens (Rahmen 1) nach Versuchsende.

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Nachträgliche Verstärkung von Mauerwerk für Erdbebenlasten

600

500 z =. 400 "" ~

I :

~

]i 300 c 0 N 200 ·c 0 :r:

100

0 0

,•

__ - -- Rahmen 2 ---- --------Rahmen 1

(Referenz)

25 50 Kopfverschiebung [mm]

75

Abb. 14: Quasi-statische Einhüllenden der pseudodynami­schen Rahmenversuche.

schreitender Laststeigerung in Richtung Stützenmitte ausbreiteten.

Der zweite Versuchskörper wurde zunächst analog zum Vorgehen bei den Wandversuchen vorgeschädigt und anschließend ertüchtigt. Hierzu wurde ein 375 g/m2 schweres, bidirektionales Kohlenstofffaser­gewebe vollflächig in Kombination mit der Zement­mörtel-Matrix einlagig auf beide Wandseiten appliziert. Im Versuch löste sich das Laminat verstärkt über den Lagerfugen des Mauerwerks ab, ohne dass es einen entscheidenden Verstärkungseinfluss auf das Ge­samtsystem hatte (Abb. 14 ). Der Hauptgrund hierfür dürfie in den im Vergleich zu den Wandversuchen veränderten Randbedingungen für das Mauerwerk liegen. Eine rahmeneingefasste Ausfachungswand besitzt nicht die Möglichkeit, sich zunächst durch Kip­pen der Last zu entziehen, sondern wird unmittelbar durch die Kammerung in eine vorgegebene Verfor­mung gezwängt, was zu einer zusätzlichen Beanspru­chung des Laminates und somit einem frühzeitigen Versagen der Ertüchtigungsmaßnahme führt.

Zumindest die Anfangssteifigkeit des ungeschädig­ten, unverstärkten Prüfkörpers (Rahmen 1) konnte wiederhergestellt werden.

6 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Umfangreiche experimentelle Untersuchungen zur nachträglichen Erdbebenverstärkung von vorgeschä­digten Mauerwerksstrukturen durch den Einsatz ober­flächenapplizierter Faserverbundwerkstoffe wurden durchgeführt. Während durch die Ertüchtigung des in einem Stahlbetonrahmen eingefassten Mauerwerks im Wesentlichen der Ausgangszustand der unge­schädigten Struktur wiederhergestellt, jedoch kaum verbessert werden konnte, waren die Auswirkungen bei reinen Wandscheiben deutlich ausgeprägter. So konnten die Traglasten im Vergleich zur unverstärkten Struktur signifikant erhöht werden. Im Gegensatz zu

80

einem mauerwerkstypisch spröden Bruchvorgang konnte ein sich ankündigender Versagensprozess erreicht werden. Vor allem die Verwendung von modi­fizierten Zementmatrizes kann sowohl unter mechani­schen als auch bauphysikalischen und brandschutz­technischen Aspekten ausdrücklich empfohlen wer­den.

in weiteren Versuchen soll geklärt werden, zu wel­chen Verbesserungen die ausgewählten Ertüchti­gungsmaßnahmen bei geänderter Wandgeometrie (z.B. durch Einfügen einer Wandöffnung) führen.

7 LITERATUR

DIN EN 1052-3 (2002), Prüfverfahren für Mauerwerk -Teil 3: Bestimmung der Anfangsscherfestigkeit (Haftfestig­keit), Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin. EIGawady, M., Lestuzzi, P. & Badoux, M. (2004), A Review of Conventional Seismic Retrofitting Techniques for URM, Proceedings of the 13th International Brick/Biock Masonry Conference, Amsterdam, 4-7 July 2004, 381-390.

EIGawady, M. (2004), Seismic ln-Plane Behavior of URM Walls Upgraded with Composites, EPFL Lausanne. Schwegler, G. (1994 ), Verstärken von Mauerwerk mit Fa­serverbundwerkstoffen in seismisch gefährdeten Zonen, EMPA Dübendorf. Shing, P. B., Nakashima, M. & Bursi, 0. S. (1996), Applica­tion of Pseudodynamic Test Method to Structural Research, Earthquake Spectra, 12, 1, 29-43.

Thiele, K. (2000), Pseudodynamische Versuche an Trag­werken mit großen Steifigkeitsänderungen und mehreren Freiheitsgraden, Institut für Baustatik und Konstruktion, ETH Zürich. Triantafillou, T.C. (1998), Strengthening of Masonry Struc­tures Using Epoxy-bonded FRP Laminates, Journal of Composites for Construction, 2, 2, 96-103.

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Ingenieurseismologische Parameter für Standorte von Zwischenlagern an deutschen Kernkraftwerken

Günter Leydecker1, Timo Schmitt1, Holger Busche 1 und Thomas Schaefer"

1 Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover 2 Bundesamt für Strahlenschutz, Salzgitter

1 EINLEITUNG

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Roh­stoffe (BGR) hat in den Jahren 2001 bis 2003 im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach § 6 des Atomgesetzes (AtG) im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz für die Standorte von Zwischenlagern für abgebrannte Brennelemente an deutschen Kern­kraftwerken bzw. nach § 7 AtG für den Rückbau eines Kernkraftwerkes im Auftrag des TÜV-Nord gutachter­liehe Stellungnahmen zu den jeweiligen gutachterlieh empfohlenen ingenieurseismologischen Kenngrößen erstellt. Für 13 Standorte wurden von uns entspre­chend der Regel des Kerntechnischen Ausschusses KTA 2201.1 standortbezogene Gutachten angefertigt. Die Bestimmung der Intensität des jeweiligen Bemes­sungserdbebens erfolgte deterministisch und auch probabilistisch für eine Überschreitenswahrschein­lichkeit von 10"5 I Jahr, sofern die Erdbebendaten einer gesicherten statistischen Auswertung genügten. Einbezogen wurden immer die geologische Entwick­lung der Standortumgebung und die Neotektonik.

2 VORGEHENSWEISE ZUR BESTIMMUNG DES BEMESSUNGSERDBEBENS

Die Aufgabe der gutachterliehen Stellungnahmen der BGR bestand darin, das den Standort betreffende ingenieurseismologische Gutachten des Kraftwerkbe­treibers zu prüfen und eine Bewertung abzugeben. Dazu wurde von der BGR eine eigene Begutachtung des Standortes durchgeführt und anschließend die Ergebnisse beider Gutachten verglichen.

Die Erstellung eines ingenieurseismologischen Gutachtens ist nicht normiert. Basis eines solchen Gutachtens ist das Regelwerk KTA 2201 .1 in der der­zeit gültigen Fassung von 1990: "Auslegung von Kernkraftwerken gegen seismische Einwirkungen, Teil1: Grundsätze". Darin werden die grundlegende Vorgehensweise und die Inhalte festgelegt. Wie de-

tailliert ein Gutachten auszuführen ist und welche Annahmen und Festlegungen im Einzelnen getroffen werden dürfen oder müssen, liegt in der Verantwor­tung des Verfassers. Allerdings muss sich der Gut­achter am Stand von Wissenschaft und Technik orien­tieren, seine zugrunde gelegten Daten müssen nach­prüfbar, seine Argumente nachvollziehbar und seine Schlussfolgerungen plausibel sein.

Abb. 1: Epizentrenkarte (Leydecker 2005) und seismotek­tonische Einteilung von Leydecker & Aichele (1998).

81

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Ingenieurseismologische Parameter für Standorte von Zwischenlagern an deutschen Kernkraftwerken

Grundlage unserer Gutachten ist der Erdbebenkatalog für die Bundesrepublik Deutschland (Leydecker 2005) in der jeweils aktuellen Fassung und die seismo­tektonische Einteilung von Leydecker & Aichele (1998) (Abb. 1 ). Der Oberrheingraben wurde - wie in. Leydecker & Aichele (1998) vorgeschlagen -von uns weiter unterteilt. Für eine Einteilung in seismotektoni­sche Regionen sind geologische Entwicklung, Tekto­nik und Seismizität zu berücksichtigen. Innerhalb je­der Region wird eine Gleichverteilung· zukünftiger Epizentren angenommen.

2.1 Deterministische Ableitung des Bemes-sungserdbebens

Laut KTA 2201.1 (1990) ist als Bemessungserdbeben "das Erdbeben mit der für den Standort größten Inten­sität anzunehmen, das unter Berücksichtigung einer größeren Umgebung des Standortes (bis etwa 200 km vom Standort) nach wissenschaftlichen Erkenntnissen auftreten kann." Dabei ist für Beben innerhalb der Standortregion anzunehmen, dass solche auch in der Nähe des Standortes eintreten können. Nach unse­rem Verständnis ist damit ein Beben an der dem Standort nächstgelegenen "aktiven" Störung anzu­nehmen. Als "aktiv" ·wird von uns eine Störung mit Letztbewegungen im Zeitraum der letzten 5 Mio. Jah­re, d.h. seit Ende Tertiär und im Quartär, angesehen. Erdbeben aus umliegenden Regionen sind an der dem Standort nächstgelegenen Stelle auf der Grenze ihrer seismotektonischen Einheit anzunehmen und ihre Auswirkungen auf den Standort sind zu bestim­men. Die Berechnung der Schütterwirkung auf den Standort erfolgt mit dem Intensitäts-Abnahmegesetz in Spanheuer (1960):

ls = I o- 3log( ~) -1,3a(r - h) (1)

mit: ls = Standortintensität [MSK] ! 0 = Epizentralintensität [MSK] r = Hypozentralentfernung [km] h = Herdtiefe [km] a = Absorptionskoeffizient des Untergrundes

[km.1] (hier 0,002/km)

Für jede Region wurde eine charakteristische Herdtie­fe ermittelt. Diese beschreibt den Bereich maximaler Energiefreisetzung. Einige Regionen weisen zwei charakteristische Herdtiefen auf. ln diesen Fällen wurde zur Berechnung der Schütterwirkung am Standort konservativ die größere Herdtiefe ange­nommen.

Die KTA 2201.1 (1990) verlangt die Bestimmung des Bemessungserdbebens unter der Annahme eines

82

Erdbebens mit der für den Standort größten Intensität, das nach wissenschaftlichen Erkenntnissen auftreten kann. D.h. nicht die Auswirkung des maximal beo­bachteten Bebens einer Region ist zur Ermittlung des Bemessungserdbebens anzunehmen, sondern die des maximal möglichen Bebens einer Region. Dies erfordert in der Regel einen Intensitätszuschlag zum maximal beobachteten Beben, welcher berücksichtigt, dass das für die jeweilige Region anzunehmende größtmögliche Beben im Beobachtungszeitraum mög­licherweise noch nicht aufgetreten ist. Der Intensitäts­zuschlag für die jeweilige Region wurde in Abhängig­keit folgender Faktoren gewählt:

- Höhe der maximal beobachteten Intensität (wegen der Nichtlinearität der makroseismischen Skala)

- Umfang und Verlässlichkeit der Dokumente zu historischen Erdbeben

- Beobachtungszeitraum und Vollständigkeit des Erdbebenkataloges

- Größe der tektonischen Einheit und deren Seismizi­tät

- Anzahl der Erdbeben mit der größten beobachteten Intensität in einer seismotektonischen Einheit

Letzteres begründet sich damit, dass in Regionen, in denen die größte Intensität in einem langen Beobach­tungszeitraum verhältnismäßig oft aufgetreten ist, diese Intensität als eine Art Obergrenze angesehen werden kann.

Aus der Abschätzung der maximal möglichen Schütterwirkungen der Beben jeder Region auf den Standort ergibt sich die deterministisch bestimmte Bemessungsintensität

2.2 Probabilistische Gefährdungsanalyse

ln KTA 2201.1 (1990) wird zur Bestimmung des Be­messungserdbebens zwar ein deterministisches Vor­gehen vorgeschrieben, aber gleichzeitig wird die An­wendung der neusten wissenschaftlichen Erkennt­nisse verlangt. Hierzu zählt vor allem die probabilisti­sche Bewertung des deterministisch gefundenen Be­messungserdbebens. Eine solche wechselseitige Überprüfung der Ergebnisse zweier unabhängiger Verfahren bietet die Gewähr, für eine zuverlässige Gefährdungsanalyse.

Die probabilistische Analyse ermöglicht die Anga­be von Überschreitenswahrscheinlichkeiten von Be­ben bestimmter Intensität. Hierzu gibt es zahlreiche Computerprogramme von denen die meisten, so auch das von uns verwendete Programm EQRISK von McGuire, auf der theoretischen Arbeit von Cornell (1968) basieren. Nach Garneil (1968) wird voraus­gesetzt, dass die Erdbeben gemäß einer Poissonver-

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Ingenieurseismologische Parameter für Standorte von Zwischenlagern an deutschen Kernkraftwerken

teilung auftreten, d.h. dass es unabhängige Ereignis­se sind. Eine Beschreibung der Theorie und der Ar­beitsweise von EQRISK findet sich in der Anleitung zum Rechenprogramm (McGuire 1976). EQRISK wurde von uns mit einer Subroutine ergänzt, um das Intensitäts-Abnahmegesetz von Spanheuer (1960) zu implementieren. Das Ergebnis der probabilistischen Analyse lässt sich in Form einer Gefährdungskurve darstellen.

Grundlage der probabilistischen Analyse ist die seismotektonische Einteilung, das Seismizitätsmodell. Zunächst werden die seismotektonischen Regionen im Umkreis von etwa 200 km um den jeweiligen Standort betrachtet. Für jede Region mit Erdbebenda­ten, die für eine statistische Berechung ausreichen, werden mittels Regression die Parameter der kumula­tiven Intensitäts-Häufigkeitsverteilung bestimmt. Zuvor wurden abhängige Ereignisse (Vor- und Nachbeben) aus dem Katalog entfernt, um das Kriterium der Pois­sonverteilung zu erfüllen. Hierzu wurden alle Vor- und Nachbeben, die jeweils innerhalb eines Zeitintervalls von ± 10 Tagen zum nachfolgenden oder vorausge­henden stärkeren Beben aufgetreten sind, vor der Regression eliminiert. Diese vereinfachte Methode ist hier hinreichend genau. Die Beziehung zwischen Epi­zentralintensitäten und kumulativen Häufigkeilen lässt sich gut durch folgende Formel beschreiben:

logN = a+b·lo (2)

mit: ! 0 = Epizentralintensität N =(kumulative) Anzahl der Beben

Die jährliche Aktivitätsrate einer Region berechnet sich nach:

I O(a+b.J)

ny( I) = -:::-c-'-:..___,----::--:--­. Zeitraum in Jahren

(3)

Neben den Eckkoordinaten für jede Region werden für die probabilistische Berechnung mit EQRISK als Eingabeparameter benötigt:

- der a-Wert und b-Wert aus der kumulativen Häufig­keitsverteilung für den gewählten Beobachtungs­zeitraum

- die Aktivitätsrate ny (I) - die maximal beobachtete Intensität plus eventuell

eines Intensitätszuschlages - Standardabweichung der lntensitäten - die charakteristische Herdtiefe - der Absorptionskoeffizient a (hier 0,002/km)

Für jede Region erfolgt die Wahl .eines Startjahres, ab dem die Daten des Erdbebenkataloges für die Statis­tik benutzt werden, separat. Das Startjahr ist unter der

Annahme der vollständigen Erfassung der nachfol­genden Beben im Katalog ab einer unteren Grenzin­tensität gewählt. Als untere Grenzintensität lm;n wird für jede Region diejenige Intensitätsschwelle festge­legt, ab der die vollständige Erfassung aller Beben mit 10 <: lm;n im betrachteten Zeitraum angenommen wer­den kann. Die "Schwäbische Alb" zeigt eine beson­ders starke Zunahme der seismischen Aktivität in jüngerer Vergangenheit. Ab 1911 sind dort zwei Erd­beben (1911 und 1943) der Intensität VIII MSK aufge­treten und eines 1978 mit VII-VIII MSK. Da diese er­höhte Aktivität auch in Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann, wurde von uns für diese Region kon­servativ für das Startjahr des Beobachtungszeitraums der Beginn des Einsetzens der erhöhten seismischen Aktivität angenommen. Abb. 2 zeigt die die normale und kumulative Häufigkeitsverteilung der Region Schwäbische Alb, Tabelle 1 enthält die zugehörigen Parameter. Als charakteristische Herdtiefe wurde 9 km angenommen.

\

3

.

.

11 2 3 4 5 6 7 8 9

lo

1000

0

0

0

\'

.

.

11 2 3 4 5 6 7 8 9

lo

Abb. 2: Intensitäts-Häufigkeitsverteilung der Region Schwäbische Alb für Beben ab dem Jahre 1911 und lo <: 6 MSK; halbe lntensitäten wurden zur nächst höheren Intensität gezählt.

Die Intensitäts-Häufigkeitsverteilung einer Quellregion muss zwei Voraussetzungen genügen. Zum einen muss eine ausreichende Anzahl von Ereignissen vor­handen sein und zum anderen muss die Häufigkeits-

83

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Ingenieurseismologische Parameter für Standorte von Zwischenlagern an deutschen Kernkraftwerken

verteilung Formel (2) erfüllen, d.h. schwächere Erd­beben treten häufiger auf als stärkere.

Bebenzahl lmax Regression (kumulativ) beob. (Wertebereich)

Aktivitätsrate

(lmio = 6) a b n, (Ia = 6)

5,085 -0,561 53 8,0 2,070

(6-8)

Tabelle 1: Parameter der Region Schwäbische Alb für Beben ab dem Jahre 1911 und Ia ~ 6 MSK.

Einfach überprüfbar wird diese Forderung, wenn zu­nächst die normale Intensitäts-Häufigkeitsverteilung gezeichnet wird. Bereits in dieser Darstellung muss sich die Punktverteilung ab einer gewissen Intensität durch eine Gerade nach (2) annähern lassen. Weiter­hin lässt sich damit leichter entscheiden, ab welcher Intensität die Vollständigkeit der Daten angenommen werden kann. Sind zu wenige Ereignisse vorhanden oder wird Formel (2) nicht erfüllt, so darf diese Region nicht für die Gefährdun~;~sberechnung als eigene Quellregion verwendet werden. ln diesem Fall muss eine Modifizierung der Quellregion in Betracht gezo­gen werden, oder die Beben können möglicherweise zur sogenannten "Hintergrundseismizität" gezählt werden. Die Hintergrundseismizität enthält alle Beben im Umkreis von 200 km um den Standort, die nicht einer der seismischen Quellregionen angehören. Die Fläche der Quelle "Hintergrund" bestimmt sich aus der Kreisfläche mit 200 km Radius abzüglich der auf die seismischen Quellregionen entfallenden Teilflächen. Es wird dabei angenommen dass die Beben überall auftreten können, d.h. auch am Standort sofern dieser in der Region "Hintergrund" liegt.

Norddeutschland zeichnet sich durch seine gerin­ge Seismizität aus. Für den Standort Grohnde besteht das Seismizitätsmodell ausschließlich aus dem Hin­tergrund, einem Kreis mit 200 km Radius um den Standort. Dazu wurden alle Erdbeben der umliegen­den Regionen zu einer Häufigkeitsverteilung zusam­mengefasst, um genügend Ereignisse für eine zuver­lässige statistische Berechnung zu erhalten.

Als Standardabweichung der lntensitäten wurde einheitlich 0,5 MSK angenommen. Da in der Theorie (Cornell 1968) und damit auch im Rechenprogramm dem Fehler der lntensitäten eine Gauß-Verteilung zugeteilt wird, bedeutet dies, dass mit äußerst kleinen Wahrscheinlichkeilen beliebig große Intensitätswerte auftreten können. Die probabilistische Analyse darf auch deshalb nicht bis zu beliebig kleinen, rechne­risch möglichen Überschreitenswahrscheinlichkeiten

84

durchgeführt werden und nicht nur aus Gründen der Begrenztheit des Beobachtungszeitraums jedes Erd­bebenkataloges.

Der deutsche Erdbebenkatalog (Leydecker 2005) beginnt im Jahre 800 und umfasst somit 1200 Jahre. Die Vollständigkeit des Kataloges ab einer bestimm­ten Intensität ist zeit- und regionsabhängig. Allein auf dem Katalog basierend, können unseres Erachtens noch einigermaßen zuverlässige Aussagen für Über­schreitenswahrscheinlichkeiten in Gebieten moderater Seismizität nur bis 104

/ Jahr, d.h. für 10.000 Jahre, getroffen werden. Zur Absicherung kleinerer Über­schreitenswahrscheinlichkeiten, bis etwa 10-s/ Jahr, wurden von uns die geologische Entwicklung und Kenntnisse über die Neotektonik in der weiteren Um­gebung des Standortes deterministisch berücksichtigt. Die Angabe von Intensitätswerten mit Überschrei­tenswahrscheinlichkeiten < 10·5 I Jahr wird von uns abgelehnt, weil deren Seriosität äußerst zweifelhaft ist. Als Beispiel zeigt Abb. 3 die von uns berechnete seismische Gefährdungskurve für den Standort Phi­lippsburg.

10-1 v <> 0,50; a = 0,002 km"1

o cr- 0,0; Zuschlag N-OR 1,0 MSK; a = 0,002 km"1

' ~ 10-2 ~

r-s..:··:l!!! ~ ~ ~ ~ ,,~

~ ~

i ,,. {;

" I\"

~ 0

10° 4 5 6 7 8

Standortintensität 15 (MSK)

Abb. 3: Seismische Gefährdungskurve für den Standort Philippsburg (durchgezogene Linie); die gestri­chelte Linie ist eine Variante bei der die Standab­weichung zu 0 gesetzt wurde und der Intensitäts­zuschlag für die Standortregion Nördlicher Ober­rheingraben um 0,5 auf 1,0 MSK erhöht wurde (BGR).

9

Zur Berücksichtigung von Unsicherheiten wird in den letzten Jahren in probabilistischen seismischen Ge­fährdungsanalysen immer häufiger die Logische­Baum-Methode angewendet. Diese gestattet zwar die Variation aller Eingabeparameter in weiten Grenzen, verlangt aber jeweils deren explizite Wichtung, die zwangsläufig auf der persönlichen Einschätzung des Bearbeiters basieren muss. Wegen der breiten Palette

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Ingenieurseismologische Parameter für Standorte von Zwischenlagern an deutschen Kernkraftwerken

an Möglichkeiten der Parametervariationen ist das Ergebnis der Berechnungen sehr schwer durch­schaubar und lediglich Plausibilitätsbetrachtungen zugänglich. Daher wird von uns diese Methode nicht angewendet. Stattdessen sind von uns für Parameter, welche das Ergebnis stark beeinflussen können wie Standardabweichung der lntensitäten, maximal mögli­che Intensität einer Standortregion, charakteristische Herdtiefe und Regioneneinteilung, Varianten einzeln durchgerechnet worden, um damit die Einzeleffekte darzustellen und Ergebnisse von Kombinationen durchschaubar zu machen.

Für die küstennahen Standorte Brokdorf, Bruns­büttel, Unterweser und Stade sowie für den Standort Krümme! wird auf eine probabilistische Berechnung mangels einer ausreichenden Anzahl von Ereignissen verzichtet. Für die Abschätzung der Überschreitens­wahrscheinlichkeiten dieser Standorte werden die Gefährdungskurven der probabilistischen Analyse der weiter südlich liegenden Standorte Lingen und Grohnde herangezogen sowie die aus früher erstell­ten Gutachten zu den Erkundungsbergwerken für radioaktive Endlager Konrad und Morsleben. Die seismische Gefährdung der nördlicheren Standorte Brokdorf, Brunsbüttel, Unterweser, Stade und Krüm­me! ist aufgrund der geringeren Seismizität kleiner als jene der weiter südlich liegenden Standorte.

2.3 Festlegung des Bemessungserdbebens

Das Bemessungserdbeben wurde - wie zuvor be­schrieben - sowohl deterministisch als auch probabi­listisch für jeden Standort abgeleitet. Die probabilisti­sche Analyse gibt, im Gegensatz zur deterministi­schen, Überschreitenswahrscheinlichkeiten für ver­schiedene Standortintensitäten an. Die Angabe von Überschreitenswahrscheinlichkeiten für das Bemes­sungserdbeben ermöglicht das Gefährdungsniveau zu quantifizieren. Für die hier begutachteten Zwischen­lager Standorte mit erhöhtem Sekundärrisiko wird -wie international üblich - eine Überschreitenswahr­scheinlichkeit zwischen 104

/ Jahr und 10"5/ Jahr fest­

gelegt. Grundlage der Bestimmung der Bemessungs­

intensität für alle 13 Standorte ist die deterministisch ermittelte Standortintensität nach KTA 2201.1. Diese wird im Idealfall durch die probabilistische Analyse bestätigt. Die endgültige Festlegung des Bemes­sungserdbebens erfolgt unter Betrachtung der proba­bilistischen Analyse und unter Berücksichtigung des deterministischen Ergebnisses und ist konservativ.

3 ABLEITUNG INGENIEURSEISMOLOGISCHER PARAMETER

Nach der Festlegung des Bemessungserdbebens werden die sogenannten ingenieurseismologischen Parameter Antwortspektrum, maximale Bodenbe­schleunigung bzw. Starrkörperbeschleunigung und Starkbewegungsdauer bestimmt. Diese sind nicht nur von der Intensität des Bemessungserdbebens son­dern auch von der Untergrundklasse abhängig. So unterscheiden sich die ingenieurseismologischen Parameter der bayerischen Standorte Grafenrheinfeld und lsar trotz der gleichen Intensität des Be­messungserdbebens (VI 1

/2 MSK). Der Untergrund am Standort lsar gehört zur Untergrundklasse M (mittel­feste Sedimente), wohingegen der am Standort Gra­fenrheinfeld mit R (Fels, Festgestein) klassifiziert wird. Darüberhinaus gibt es die Untergrundklasse A (unver­festigte Lockersedimente) wie sie z.B. für die Nord­westdeutschen Standorte typisch ist. Die von uns verwendete Einteilung in drei Untergrundklassen (Hasser 1987) ist in Tabelle 2 dargestellt. Hauptkrite­rium für die Untergrundklassifikation ist - soweit be­kannt- die Schwerwellengeschwindigkeit Zur Beurtei­lung des Untergrundes lag der BGR jeweils ein Bo­dengutachten des Antragstellers vor.

Unter- Vp Vs Dichte Poisson-grund-

klasse [km/s] [km/s] [g/cm'] zahl

A < 1 < 0,4 1,8 0,4-0,5

M 1-3 0,4-1,1 2,1 0,3- 0,4

R 3-4,5 1 '1 - 2,8 2,4 0,2-0,3

Tabelle 2: Untergrundklassen (A = Lockersedimente, M = verfestigte Sedimente, R = Fels); in Hasser (1987).

Liegen keine gemessenen Werte vor, kann die Scherwellengeschwindigkeit bei Kenntnis des dynami­schen Schubmoduls und der Dichte auch über die folgende Beziehung abgeschätzt werden:

Vs=t (4)

mit: v, = mittlere Scherwellengeschwindigkeit der oberen Bodenschichten [m/s]

G = dyn. Schubmodul des Bodens [N/m2]

p = Dichte des Bodens [kg/m3]

Antwortspektren sind in Abhängigkeit von Intensität und Untergrundklasse von Hasser (1987) angegeben

85

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Ingenieurseismologische Parameter für Standorte von Zwischenlagern an deutschen Kernkraftwerken

und werden bei unserer Begutachtung für Standorte mit einer Intensität des Bemessungserdbebens kleiner als Vll 1

/ 2 MSK verwendet. Für die beiden Standorte mit einer höheren Intensi­

tät des Bemessungserdbebens (Philippsburg VII 3/ 4

MSK und Neckarwestheim VII 1/ 2 MSK) wurden von

uns zusätzlich eigene standortspezifische Auswertun­gen von Strang-Motion Registrierungen auf der Basis von Magnitude und Entfernung vorgenommen. Bei der Auswertung der Zeitverläufe wurden weltweite Daten verwendet. Beim Standort Biblis mit Bemessungsin­tensität VII 3

/ 4 MSK wurde von Dritten bereits bei einer früheren Begutachtung in jüngerer Vergangenheit entsprechende Auswertungen vorgenommen. Auf eine erneute Auswertung konnte verzichtet werden.

Die Fraktile des Antwortspektrums ausgewählter Strang-Motion Registrierungen oder von Antwort­spektren aus der Literatur ist immer im Zusammen­hang mit der Festlegung der Überschreitens­wahrscheinlichkeit des Bemessungserdbebens zu sehen, d.h. mit dem geforderten Sicherheitsniveau. Bei kerntechnischen Anlagen verwenden wir Median­spektren (50%-Fraktile) in Verbindung mit einer Über­schreitenswahrscheinlichkeit des Be­messungserdbebens von 10"5

/ Jahr. Der Median einer Strang-Motion Auswertung ist bei einer ausreichenden Anzahl von Registrierungen stabiler als die 84%­Fraktile.

Die angegebenen Antwortspektren beziehen sich auf die einzelne Horizontalkomponente. Die KTA 2201.1 (1990) fordert jedoch die Angabe resultieren­der Horizontalbeschleunigungen. Um beide horizonta­len Freiheitsgrade der Bodenbewegung zu erfassen, muss das Spektrum noch mit einem Faktor skaliert werden. Nach eigenen empirischen Auswertungen kann ein Resultierendenfaktor von 1,3 angesetzt wer­den. Ist das Antwortspektrum festgelegt, so ergibt sich die Starrkörperbeschleunigung durch Ablesen des Wertes im hochfrequenten Bereich, bzw. bei Periode 0. Das vertikale Antwortspektrum ist laut KTA 2201.1 (1990) zu 50 % der horizontalen Beschleunigungen der Komponente anzunehmen.

Die für die Generierung von Beschleunigungszeit­verläufen aus Antwortspektren benötigte Starkbewe­gungsdauer wird hier als das Zeitintervall definiert, in das 70 % .der Beschleunigungsenergie der seis­mischen Wellen fallen (5% und 75% Fraktilwerte).

4 ERGEBNISSE UND SCHLUSSBEMERKUNGEN

Alle begutachteten Zwischenlager-Standorte sind in der Karte in Abb. 4 gekennzeichnet. Die von der BGR

86

ermittelten ingenieurseismologischen Parameter: MSK-Intensität des Bemessungserdbebens, Starrkör­perbeschleunigung, Starkbewegungsdauer und Un­tergrundklasse (A = unverfestigte Sedimente, M = mittelfeste Sedimente, R = Fels) sind ebenfalls ange­geben. Das dargestellte Antwortspektrum für die Hori­zontalkomponente ist noch mit dem Faktor 1,3 zu multiplizieren, um das nach KTA 2201.1 geforderte resultierende Antwortspektrum zu erhalten. Im Hinter­grund der Karte sind neben den Schadenbeben ab dem Jahre 800 (Leydecker 2005) die ersten Ergeb­nisse unserer in Arbeit befindlichen probabilistischen Erdbeben-Gefährdungskerle für eine Überschreitens­wahrscheinlichkeit von 10-5 I Jahr dargestellt. Eine solche Gefährdungskarte dient der ersten Bewertung eines Standortes, kann jedoch kein standortspezifi­sches Gutachten ersetzen. Alle Standortparameter sind noch einmal in Tabelle 3 zusammengefasst.

Die Ableitung des Bemessungserdbebens erfolgte für alle Standorte nach deterministischer Vorgehans­weise und soweit möglich auch probabilistisch. Erst der probabilistische Rechenweg ermöglicht die Anga­be von Überschreitenswahrscheinlichkeiten pro Jahr für Beben bestimmter Stärke. Trotzdem hat auch der in KTA 2201.1 vorgeschriebene deterministische Weg seinen Stellenwert: Einmal für Standorte in Gebieten sehr geringer Seismizität, wo sich die probabilistische Analyse auf Grund der für eine verlässliche Statistik ungenügenden Anzahl der Erdbeben verbietet; zum anderen dient sie auch zur gegenseitigen Kontrolle der Ergebnisse aus beiden weitgehend unabhängigen Verfahren. Zwingend erforderlich ist in jedem Fall, dass alle Eingabeparameter bei der Abschätzung des Bemessungserdbebens aufgelistet werden, um die Berechnungen und Ergebnisse nachvollziehbar und überprüfbar zu machen.

Für die Ableitung eines standortspezifischen Ant­wortspektrums an Standorten geringerer seismischer Gefährdung wurde auf Werte aus der Literatur zu­rückgegriffen. Bei Standorten mit höherer Gefährdung (Intensität des Bemessungserdbebens <: Vll 1

/2 MSK) wurde zusätzlich eine eigene Auswertung von Strang­Motion Registrierungen entsprechend der Stärke und Entfernung des Bemessungserdbebens sowie unter Berücksichtigung der Untergrundbedingungen am Standort durchgeführt.

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_________ l_ng~e_n_ieurs~~~mologische Parameter für Standorte von Zwischenlagern an d~~t~chen K~-~~~~~ftwerken

S'E 6'E 55'N

Bemessungsdaten

54'N

53'N

52'N

51'N

49'N

48'N

47'N 5'E 6'E

7'E B'E 9'E

7'E S'E 9'E

10'E 11'E 12"E 13"E 14"E 15'E 55'N

-2003

54'N

(MSK) für 1

53'N

Hannover

+ 52'N

51'N

50'N

49'N

48'N

10'E 11'E 12"E 13"E 14'E

Abb. 4: Karte mit allen Zwischenlager-Standorten an deutschen Kernkraftwerken (gelbe Sterne). Die von der BGR ermittel­ten ingenieurseismologischen Parameter und die standortspezifischen Antwortspektren (Horizontalkomponenten) sind jeweils den Kästchen zu entnehmen. Im Hintergrund der Karte sind neben den Schadenbeben ab dem Jahre 800 (Leydecker 2005) erste Ergebnisse unserer in Arbeit befindlichen probabilistischen Erdbeben­Gefährdungskarte für eine Überschreitenswahrscheinlichkeit von 10·5 I Jahr dargestellt

87

I I I

I I I I

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Ingenieurseismologische Parameter für Standorte von Zwischenlagern an deutschen Kernkraftwerken

Standort

Brunsbüttel

Brokdorf

Stade

Unterweser

Krümmel

Lingen

Grohnde

Grafenrheinfeld

Biblis

Philippsburg

Neckarwestheim

lsar

Gundremmingen

I (BE)

[MSK]

VI

VI

VI

VI%

VI%

VII%

VII%

VII%

VI%

VII Y.

PGA

[cm/s2]

42

56

42

80

70

156

200

164

80

120

T10

[s]

4,0

2,0

4,5

3,0

2,0

5,0

5,0

2,5

3,5

4,0

UKL

A

M

A

M

R

A

A

R

M

M

Tabelle 3: Ingenieurseismologische Parameter für die Standorte der Zwischenlager an deutschen Kernkraftwerken (BGR); I (BE): Intensität des Bemessungserdbebens, PGA: maximale Bo­denbeschleunigung (Horizontalkomponente), T1o: Starkbewegungsdauer, UKL: Untergrund­klasse (siehe Tabelle 2).

5 LITERATUR

Cornell, C.A. (1968): Engineering seismic risk analysis, Bull. Seism. Soc. Am., 58(5), pp. 1583-1606.

Hasser, D. (1987): Realistische seismische Lastannahmen für Bauwerke - Ergebnisse einer interdisziplinären For­schungsarbeit, Bauingenieur, 62, 567-574, Springer Verlag.

KTA 2201.1 (1990): Sicherheitstechnische Regel des KTA (Kerntechnischer Ausschuss). - Auslegung von Kern­kraftwerken gegen seismische Einwirkungen, Teil 1: Grund­sätze, Fassung 6/90, Kerntechnischer Ausschuss (KTA), Carl Heymanns Verlag.

Leydecker, G. (2005): Erdbebenkatalog für die Bundesre­publik Deutschland mit Randgebieten für die Jahre 800 -2003, Datenfile (http://www.bgr.de/quakecat); Bundes­anstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover.

Leydecker, G. & Aichele H. (1998): The Seismogeo­graphical Regionalisation of Germany. - The Prime Example for Third-Level Regionalisation, Geol. Jahrbuch, E 55, 85-98.

McGuire, R.K. (1976): FORTRAN Computer Program for Seismic Risk Analysis, United States Department of the lnterior, Geological Survey, Open-File Report 76-67.

Sponheuer, W. (1960): Methoden zur Herdtiefenbe­stimmung in der Makroseismik, Freib. Forsch.-H. C 88, Akademie Verlag Berlin.

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Numerische Simulation unterirdischer Versorgungsleitungen unter Erdbebeneinwirkung

Robert Borsutzky1•2

, Lutz Lehmann1

11nstitut für Angewandte Mechanik, TU Braunschweig 21nternationales Graduiertenkolleg 802 "Risikomanagement bei Natur- und Zivilisationsgefahren für Bauwerke

und lnfrastrukturanlagen", TU Braunschweig

1 EINLEITUNG

Unterirdische Versorgungsleitungen transportieren Substanzen, wie Gas, flüssige Brennstoffe, Trink­oder Abwasser, die für die Zivilisation lebenswichtig sind und daher als Lifelines bezeichnet werden. Die erdbebensichere Auslegung von Lifelines ist in seis­misch gefährdeten Gebieten von höchster Bedeutung für die dort lebenden Menschen. Ein Beispiel für die verheerenden Folgen von seismisch geschädigten Versorgungsleitungen ist das Kobe Erdbeben, bei dem 1995 aufgrund gebrochener Gasleitungen ganze Stadtteile niederbrannten. Zur Vermeidung solcher Katastrophen ist ein möglichst detailliertes Verständ­nis des Verhaltens unterirdischer Versorgungsleitun­gen unter Erdbebeneinwirkung notwendig.

Seismische Schädigungen unterirdischer Lifelines können im Wesentlichen durch drei Phänomene ver­ursacht werden: Wellenausbreitung im Boden, per­manente Bodendeformation und aktive seismische Verwerfung. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit seis­mischer Wellenausbreitung. Es wird ein dreidimensio­nales numerisches Modell zur wirklichkeitsnahen Si­mulation des Verhaltens unterirdischer Lifelines vor­gestellt. Hierbei wird nicht nur das Antwortverhalten der Rohrleitung numerisch untersucht, sondern auch der die Leitung umgebende Boden modelliert (Boden­Struktur-Interaktion). Für die transienie Berechnung wird ein hybrides Modell verwendet, in dem das mit Finiten Elementen (FE) abgebildete Nahfeld mit der von Wolf und Song entwickelten Scaled Boundary Finite Element Method (SBFEM) gekoppelt wird (Wolf et al. (1996), Wolf (2003)). Während die FE­Modellierung eine detaillierte Simulation des Nahfel­des mit nichtlinearem Materialverhalten ermöglicht, wird mit der Beschreibung des linear-elastischen, unendlichen Halbraums durch die SBFEM die Som­merfeld'sche Abstrahlbedingung erfüllt.

Bei Berechnungen zur seismischen Boden-Struktur­Interaktion wird zumeist die Fortpflanzung der seismi­schen Wellen innerhalb des untersuchten Gebietes aufgrund der relativ geringen Abmessungen des Ge­bietes vernachlässigt. Da die hier untersuchten Schä­digungen unterirdischer Versorgungsleitungen gerade durch Wellenausbreitungseffekte auftreten, verbietet sich diese Vereinfachung für den vorgestellten An­wendungsfall. ln diesem Beitrag wird mit der von Bie­lak et al. entwickelten Domain Reduction Method (Bie­lak et al. (2003)) eine Möglichkeit der dynamischen Lastaufbringung vorgestellt, durch die die seismische Wellenausbreitung in ausgedehnten Gebieten simu­liert werden kann.

2 DOMAIN REDUCTION METHOD

Die Domain Reduction Method ist eine Zweischritt Finite Elemente Methode zur Modeliierung der von Erdbeben induzierten Bodenbewegung, die von Bielak und seinen Partnern entwickelt und verifiziert wurde (Bielak et al. (2003), Yoshimura et al. (2003)).

ln dem ersten Schritt dieser Methode wird ein Ge­biet großer Dimensionen betrachtet, welches sowohl die Erdbebenquelle als auch die Umgebung der zu untersuchenden Struktur enthält. Dieses Gebiet ent­hält die wichtigsten geologischen Eigenschaften des Ausbreitungspfades der seismischen Wellen, aber weder eine detaillierte Modeliierung des interessie­renden Gebietes an der Erdoberfläche noch die zu untersuchende Struktur. Die Ausbreitung der Erdbe­benwellen wird entlang des Pfades vom Hypozentrum bis zu dem Gebiet, in dem sich die zu analysierende Struktur befindet, simuliert. D"iese erste Simulation kann durch verschiedene numerische Methoden er­folgen.

ln einem zweiten Schritt wird das betrachtete Ge­biet auf die Umgebung der interessierenden Struktur reduziert und mit zur Erdbebenanregung äquivalenten

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Numerische Simulation unterirdischer Versorgungsleitungen unter Erdbebeneinwirkung

II I

II Qo II

II R II

r ~.r II

.-.I I:

,, ,, n+

I ------i t:TJ --------~ -~o~ r- b e

~ -Pe~ /r+

a) Schritt 1: Gebiet mit Erdbebenquelle

--------------------- .--:------.-----.--;-r--,--: . .

. . . . . . -----------------------------------------------------------~

b) Schritt II: Gebiet mit Struktur

Abb. 1: Die zwei Schritte der Domain Reduction Method

Kräften belastet, welche die seismische Welle in das betrachtete Gebiet induzieren. Dieses zweite Gebiet enthält nun die zu analysierende Struktur.

2. 1. 1 Theorie

Die Theorie der Domain Reduction Method ist aus­führlich in Bielak et al. (2003) erläutert. Im Folgenden sind die wesentlichen Schritte der Methode aufge­führt.

Zunächst wird ein Gebiet großer Dimension be­trachtet (Abb. 1a), das das Gebiet, in dem sich die zu analysierende Struktur befindet, sowie die Erdbeben­erregung in Form eines Lastvektors P. beinhaltet. Wird dieses große Gebiet in einen Bereich n, , der die die Umgebung der interessierenden Strukturen beschreibt, und einen äußeren Bereich n+ aufgeteilt, lässt sich die Bewegungsgleichung der FEM unter Vernachlässigung von Dämpfungseinflüssen wie folgt darstellen:

90

[M"• M"• 0

1r1 " ib

Mn• ~~ M"" " Q' b; Mbb +Mbb be ub

0 M"' Mn+ ··o

"' ee 0 e

[ K"' K""

K~:]j:l)={~} ( 1)

" ;b

+ KJ'" n n-Kbbo +Kbb

n• K., Kee 0 e Pe

ln GI. (1) bezeichnet der Index i die Größen im Inne­ren des Gebietes Q 0 , b die auf dem die beiden Ge­biete trennenden Rand r und e die im äußeren Ge­biet n+ liegenden Größen. Da das Gebiet n, die zu analysierende Struktur nicht enthält, handelt es sich bei den Feldern u~, u: und u: um Freifeldbewegun­gen. Das totale Wellenfeld u. im äußeren Gebiet n+ unter Berücksichtigung der Interaktionswirkung der Struktur kann durch die Summe der Freifeldbewegung u: und einer Relativbewegung w. beschrieben wer­den:

(2)

Stellt man nun analog zur GI. (1) die Bewegungsglei­chung für das die Struktur enthaltende Modell (Abb. 1 b) dar und ersetzt unter Verwendung der um­geformten GI. (2) u, durch w., ergibt sich:

[M~ M~

n n. 6.+ Mbi Mbb +_Mbb

n-0 M.,

(3) K~

n ö.+ Kbb +Kbb

K"' ,, Durch Umformen lässt sich der Lastvektor der rechten Seite der GI. (3) wie folgt schreiben:

(4)

p'ff stellt die zur Erdbebenanregung P. äquivalenten Belastung am Rand des interessierenden Gebietes dar. Aus GI. (4) ist ersichtlich, dass die effektiven Las­ten p'ff nur von den unbekannten Verschiebungsgrö­ßen auf dem Rand r und einem unmittelbar an ihn anschließenden Rand r, abhängig sind und auch nur dort wirken, da die vorkommenden Submatrizen nur für die dortigen Freiheitsgrade Einträge ungleich Null besitzen.

I

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Numerische Simulation unterirdischer Versorgungsleitungen unter Erdbebeneinwirkung

2.1.2 Anwendung

Auf den Umformungen der Gleichungen (2) bis (4) des bekannten FE Schemas kann nun die Zweischritt Methode aufgebaut werden.

ln dem ersten Schritt (Abb. 1 a) werden nach der Aufteilung des Gebietes in Q 0 und o• die Freifeld­bewegungen u: und u: auf den Rändern r und r, berechnet und an den jeweiligen Knoten gespeichert. Für diesen ersten Schritt kann jede geeignete Metho­de verwendet werden, durch die die Wellenausbrei­tung zwischen Erdbebenzentrum und interessieren­dem Gebiet modelliert werden kann. Neben der FEM stehen beispielsweise die Randelementmethode (BEM) oder Green'sche Funktionen zur Auswahl.

Das äußere Gebiet o• kann in dem zweiten Schritt (Abb. 1 b) auf ein Gebiet n• reduziert werden, da die effektiven Lasten p'ff der Erdbebenanregung aus GI. (4) nur in einer Schicht um das interessieren­de Gebiet wirken. Diese Kräfte werden aus den Be­wegungsfeldern u: und u: ermittelt. Daraufhin kön­nen die totalen Bewegungsfelder u, , u, und das relative Feld w, aus GI. (3) berechnet werden, die das Verhalten des detailliert modellierten Bodens und der mit ihm verbundenen Struktur beschreiben.

Entsprechen sich die beiden inneren Gebiete Q 0

und Q aus den beiden Schritten so verschwindet die Relativbewegung w, in dem äußeren Gebiet n• . Fügt man hingegen eine zu untersuchende Struktur in das Gebiet Q ein, ist es notwendig, auf dem Rand r• durchlässige Randbedingungen in das Modell zu implementieren, die eine ungewünschte Reflektion der Welle in das Gebiet Q vermeiden. Eine geeignete Methode die Wellenabstrahlung in den unendlichen Halbraum zu modellieren ist die Scaled Boundary Finite Element Method.

3 SCALED BOUNDARY FINITE ELEMENT METHOD

Die von Wolf und Song entwickelte Scaled Boundary Finite Element Method (SBFEM) verbindet das Kon­zept der geometrischen Ähnlichkeit mit der Standard Finite Element Prozedur (Wolf et al. (1996), Wolf (2003)).

Betrachtet wird eine wie in Abb. 2 dargestellte Struktur mit dem sie umgebenden Boden. Sowohl die Struktur als auch der lokale Boden werden im Nahfeld durch gewöhnliche Finite Elemente modellierte. Das an das Nahfeld gekoppelte Fernfeld repräsentiert den unendlichen Halbraum und wird durch Scaled Boun­dary Finite Elements abgebildet.

Abb. 2: Schematische Darstellung der Diskretisierung und Aufteilung in Nahfeld und Fernfeld

3.1 Scaled Boundary Transformation

ln der SBFEM wird die Geometrie des zu analysie­renden Gebietes durch eine zweidimensionale Finite Element Diskretisierung auf dem Rand in den lokalen Koordinaten 11 und I; und in radialer Richtung durch den Skalierungsfaktor I; beschrieben. Durch die Sca­led Boundary Transformation wird das Kartesischen Koordinatensystem x, y , z in das Scaled Boundary Koordinatensystem I;, 11, 1; überführt.

Während die Koordinatenachsen 11 und 1; in Um­fangsrichtung des Randes verlaufen, hat die radiale Koordinate I; ihren Ursprung in dem Skalierungszen­tum 0 und nimmt auf dem durch 11 und I; beschrie­benen Rand den Wert 1 an (Abb. 3).

Durch die numerische Behandlung des Gebietes in Umfangsrichtung mit Finiten Elementen werden die das Problem beschreibenden partiellen Differential­gleichungen zu gewöhnlichen in radialer Richtung. Die Koeffizienten dieser gewöhnlichen Differentialglei­chungen werden durch die FE-Näherung in Umfangs­richtung bestimmt, woraufhin die Gleichungen analy­tisch in radialer Richtung gelöst werden können.

Für ein unbegrenztes Medium zeigt die radiale Ko­ordinate I; vom Rand aus ins Unendliche. Die Rand-

Skalierungzentrum

~'~/_,~~~ ~ ~- -- -_-_­.

Finites Element der Grenzfläche

Abb. 3: Scaled Boundary Finite Element Koordinatensys­tem

91

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Numerische Simulation unterirdischer Versorgungsleitungen unter Erdbebeneinwirkung

bedingung dort wird durch die analytische Lösung beschrieben.

Ausgehend von den Gleichungen der linearen E­lastizität kann mit der Methode der gewichteten Resi­duen und dem Prinzip der virtuellen Arbeit eine dyna­mische Steifigkeitsmatrix für das unbegrenzte Gebiet im Frequenzbereich gewonnen werden. Für Berech­nungen im Zeitbereich muss diese Matrix durch eine inverse Fourier-Transformation in die Einflussmatrix (acceleration unit impulse response matrix) Mro über­führt werden.

Mit der Matrix Mro können die Wechselwirkungs­kräfte r des unendlichen Halbraums durch ein Fal­tungsintegral bestimmt werden:

' r(t)= jMro(t-<)Ü,(<)d<. (5)

0

Diese Wechselwirkungskräfte werden an der Grenz­fläche des durch Finite Elemente modellierten Nahfel­des zum unendlichen linear elastischen Halbraum aufgebracht und beschreiben dort dessen Antwortver­halten. Sortiert man die Größen des reduzierten FE­Gebietes Ö.+ un aus GI. (3) so, dass die auf dem die Grenzfläche darstellenden Rand r• liegenden mit dem Index r bezeichnet werden, erhält man die ge­koppelte Bewegungsgleichung der beiden Methoden:

[M: M~ 0

l'l M~ n Q+ ni 0 ü, M"+M" M,,

0 Ö' Ö' Q+ •• M,, M" Mre we

0 0 ö• Me· ..v, (6) M"

[K: K~ 0 0 n j'r) K~

n ö+ Ö' 0 u ptff + ' K"+K" K,, b - b

Ö' Ö' Ö' W - peff · 0 K,, K" K" 0 0 Ö' Ö' w: p~/+r K" K"

4 ANWENDUNG

Mit der zuvor erläuterten Vergehensweise soll nun das seismische Antwortverhalten einer unterirdischen Versorgungsleitung simuliert werden.

4.1 Simulation der Erdbebenanregung

ln dem ersten Schritt der Domain Reduction Method wird die Ausbreitung der seismischen Welle von ihrem Entstehungsort zu dem Gebiet hin simuliert, in dem sich die zu analysierende Struktur befindet.

Für die hier beschriebene Untersuchung wird eine Rayleighwelle induziert. Rayleighwellen sind Oberflä­chenwellen, die aus der Interaktion von Primärwellen und der vertikalen Komponente von Scherwellen ent­stehen und bei einem Erdbeben mit bis zu 70% die

92

Abb. 4: Randelementnetz mit Anregung und Gebiet 0 0

meiste Energie transportieren. Sie sind deshalb auch für unterirdische Versorgungsleitungen, die durch seismische Wellen beansprucht werden, die häufigste Schadenursache. Zur Simulation der durch eine im­pulsartige Belastung an der Bodenoberfläche indu­zierten Rayleighwelle wird die BEM verwendet.

Das in Abb. 4 dargestellte BEM-Netz besteht aus linearen Dreieckselementen, die die Oberfläche des als unendlicher linear-elastischer Halbraum modellier­ten Bodens diskretisieren. ln Abb. 4 ist das Gebiet n, eingezeichnet, in welchem sich im zweiten Schritt die Versorgungsleitung befinden wird. Das Gebiet 0 0

liegt so weit von dem Belastungsort entfernt, dass sich die durch einen vertikalen Impuls erzeugte Ray­leighwelle auflbauen kann.

Als Eingangsgrößen für den zweiten Schritt der Domain Reduction Method müssen die Bewegungs­größen an den Rändern r und r, (Abb. 5) gespei-" eher! werden. Da in der folgenden FE-Berechnung nur diagonal besetzte Massenmatrizen verwendet wer­den, vereinfacht sich GI. (4) zu

(7)

Dies bedeutet, dass lediglich die Verschiebungen u: und u: an den Rändern ausgelesen werden müssen. An den Knoten der Oberfläche des Gebietes n, er­geben sich die Verschiebungen direkt aus der Rand­elementberechnung. Die Verschiebungen der unter­halb liegenden Punkte werden danach durch eine Innenpunktauswertung bestimmt.

4.2 Detailliertes Modell

Das dynamische Verhalten des reduzierten Gebietes wird durch ein hybrides FE-SBFEM-Modell beschrie-

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Numerische Simulation unterirdischer Versorgungsleitungen unter Erdbebeneinwirkung

a) Gebiet ohne Rohrleitung

b) Gebiet mit Rohrleitung

Abb. 5: Halbe FE-Netze der reduzierten Gebiete mit den Rändern 1 und 1,

ben. Der Boden wird darin durch Kontinuums-, die Rohrleitung durch Schalenelemente abgebildet. ln Abb. 5a ist das reduzierte Gebiet ohne die zu analy­sierende Versorgungsleitung abgebildet. Abb. 5b zeigt das Modell der in den Boden eingebetteten Rohrlei­tung. ln beiden Abbildungen sind die Ränder r und r, eingetragen, an denen die aus GI. (7) berechneten und zur Erdbebenanregung p, äquivalenten Kräfte p'ff angreifen.

4.2.1 Gebiet ohne Rohrleitung

Zunächst wird die Freifeldbewegung des Gebietes Q 0

zur Verifizierung der Domain Reduction Method be­rechnet. Die Graphen in Abb. 6 zeigen die vertikale Verschiebung des Knotens A. Die Kurvenverläufe der SEM-Berechnung und der Simulation durch das hyb­ride FE-SBFEM-Modell stimmen gut überein. Die Ab­weichungen der beiden Verschiebungsverläufe sind einerseits auf die unterschiedlichen Eigenschaften der

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3

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1 1.,'1-.-.L~-rg.-es~~les··l·m· "'_'_·,.n(ßEM) ---· -Reduziertes Gebiet (FEM-5BFEM)

____L_______j__ ~--=-~~~-~ebiet~:C:~~C:M"'::) ~~ 0.15 0.2 0.25 0.3 0.35 0.4 0.45 0.5

Zeit[s]

Abb. 6: Vertikale Freifeldverschiebungen am Knoten A

beiden numerischen Näherungsverfahren anderer­seits auf eine eventuell zu grobe Diskretisierung des Gebietes und der Zeit zurückzuführen. Da eine feinere Diskretisierung allerdings einen größeren numeri­schen Aufwand bedeuten würde und die Verläufe für eine Erdbebensimulation genügend gut übereinstim­men, wird auf eine genauere und aufwendigere Be­rechnung verzichtet.

ln Abb. 6 ist zusätzlich der Verschiebungsverlauf aus einer reinen FE-Simulation aufgetragen. Man erkennt im Bereich über 0,27 s eine deutliche Abwei­chung von den beiden anderen Verläufen. Diese Ab­weichung resultiert aus der Refiektion der auf den Rand r• treffenden Wellen, die durch die Kopplung mit der SBFEM vermieden wird.

4.2.2 Gebiet mit Rohrleitung

Nach der Verifizierung der Domain Reduction Method wird die zu analysierende Versorgungsleitung, wie in Abb. 5b dargestellt, in das numerische Modell einge­fügt. ln Abb. 7 sind wie zuvor die vertikalen Verschie­bungsverläufe der reinen FE-Simulation und der hyb­riden FE-SB FE-Berechnung an Punkt A zu sehen. Als Referenz ist die mit der BEM berechnete Freifeldver­schiebung aufgetragen.

Es ist zu erkennen, dass die Verschiebungen des Gebietes mit der Versorgungsleitung kleiner ausfallen als die des Freifeldes, qualitativ aber ähnlich verlau­fen. Das Boden-Rohrleitung-System verhält sich also wie erwartet steifer als der alleinige Boden. Für die FE-Simulation ist wieder die durch Refiektionseffekte

93

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Numerische Simulation unterirdischer Versorgungsleitungen unter Erdbebeneinwirkung

3

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1

/ -- Large Scale Simulation (BEM) -Reduziertes Gebiet (FEM-5BFEM) - -=-·::: Reduziertes Gebiet (FEM)

4o'---coc;_o"'s---coo"-_1c-coo.ec15~-oo"oc.2-~ ···0.3 0.35 0.4 0.45 o.s

Abb. 7: Vertikale Verschiebungen am Knoten A für das Gebiet mit Rohrleitung

verursachte deutliche Zunahme der Verschiebungen ab dem Zeitpunkt 0,27s zu sehen.

Das Verschiebungsfeld des halben Gebietes n zum Zeitpunkt 0,2375 s ist in Abb. 8 dargestellt. Es sind die durch eine ellipsenförmige Partikelbewegung auftretenden Druck- und Zugzonen zu erkennen, wel­che für eine Rayleighwelle typisch sind. Neben den Verschiebungsverläufen werden also auch die charak­teristischen Eigenschaften der Wellen durch die äqui­valenten Kräfte p'ff in das innere Gebiet n imple­mentiert.

Die Anwendung zeigt, dass die Domain Reduction

i 2E-07 1 E-07

=~~:g~ -3E-07

Abb. 8: Verschiebungsfeld des halben Gebietes Q

(t=0,2375 s)

94

Method in Kombination mit der SBFEM die realitäts­nahe Simulation einer sich fortpflanzenden seismi­schen Welle in einem Gebiet ermöglicht, welches nicht deren kompletten Fortpflanzungspfad umfasst. Die vorgestellte Methode ist daher besonders für die Analyse von Strukturen wie unterirdischer Versor­gungsleitungen geeignet, die aufgrund ihrer Ausdeh­nung durch Wellenausbreitungseffekte gefährdet sind.

5 ZUSAMMENFASSUNG

ln diesem Beitrag ist eine Methode zur numerischen Untersuchung von unterirdischen Versorgungsleitun­gen vorgestellt. Zur Erzeugung einer seismischen Anregung wird die Domain Reduction Method ver­wendet. Die Analyse der Versorgungsleitung und des umgebenden Bodens basiert auf einer hybriden FE­SBFE Methode.

Berechnungen bei denen das Verhalten einer Rohrleitung unter der Einwirkung einer Rayleighwelle untersucht wird, zeigen dass durch die vorgestellte Methode eine realistische seismische Wellenausbrei­tung in dem betrachteten Gebiet simuliert wird.

Auf diesen Ergebnissen aufbauend sollen die an der Oberfläche numerisch berechneten Verschiebun­gen einem gemessenen Verlauf angepasst werden, der bei einem Erdbeben aufgezeichnet wurde. Durch diese sehr realitätsnahe Belastung wird für Bemes­sungen die Zuverlässigkeit des Lastfalls Erdbeben erhöht und die Auslegung von seismisch gefährdeten Versorgungsleitungen sicherer.

6 LITERATUR

Bielak, J. & Loukakis, K. & Hisada, Y. & Yoshimura, C. (2003), Domain Reduction Method for Three-Dimensional Earthquake Modeling in Localized Regions, Part 1: Theory, Bulletin ofthe Seismological Society of America, 93(2), 817-824. Wolf, J. P. (2003), The Scaled Boundary Finite Element Method, John Wiley & Sons Ud, Chichester. Wolf, J. P. & Song, C. (1996), Finite-Element Modelling of Unbounded Media, John Wiley & Sons Ud, Chichester. Yoshimura, C. & Bielak, J. & Hisada, Y. & Fernandez, A. (2003), Domain Reduction Method for Three-Dimensional Earthquake Modeling in Localized Regions, Part II: Verifica­tion and Applications, Bulletin of the Seismological Society of America, 93(2), 825-840.

I I ! !

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Der "schiefe Turm" von Köln - im Erdbebenfall ein Sicherheitsrisiko?

Wolfram Kuhlmann 1• Michael Mistler> 'Fachbereich Baudynamik, Kempen lngenieurgesellschaft, Aachen

2Lehrstuhl für Baustatik und Baudynamik, RWTH Aachen

ZUSAMMENFASSUNG

Im September 2004 kam es bei einer unterirdischen Baumaßnahme zu einem Absacken des Bodens un­terhalb des Kirchturms St. Johann Baptist in Köln. Als Konsequenz neigte sich das Fundament und bewirkte damit eine horizontale Schiefstellung des gesamten Turms von ca. 77 cm bezogen auf die Turmspitze.

ln diesem Artikel werden die daraufhin durchge­führten Berechnungen zur Erdbebensicherheit des .. schiefen Turms" von Köln präsentiert.

Allgemein sind Glockentürme aufgrund ihrer Schlankheit und ihrer Nutzung in besonderer Weise dynamischen Einwirkungen ausgesetzt. Dabei handelt es sich zum einen um die dynamischen Einwirkungen infolge der Erregung durch das Geläut, zum anderen um Erdbebeneinwirkungen. Beide für diese Lastfälle relevanten Normen wurden dem aktuellen Stand der Technik angepasst und im April 2005 neu herausge­geben.

Daher wird die Erdbebenuntersuchung des .. schie­fen Turms" von Köln sowohl nach der alten als auch der neuen Erdbebennorm durchgeführt. Im vorliegen­den Artikel werden dadurch auch die resultierenden Unterschiede zwischen den Normfassungen erläutert. Es zeigt sich, dass die Neufassung der Erdbeben­norm zu größeren Belastungen führt, die Schiefstel­lung des Turms jedoch fast keinen Einfluss auf die Standsicherheit im Erdbebenfall hat.

1. EINLEITUNG

1.1 Aktueller Stand der Normung

ln den vergangenen Jahrzehnten ist es an einer gro­ßen Zahl von Glockentürmen zu sanierungsbedürfti­gen Schäden gekommen. Dabei hat sich herausge­stellt, dass die Ursache meist im baudynamischen Verhalten der Glockentürme liegt.

Während die statische Berechnung und Bemes­sung bestehender Türme in der Regel einwandfrei ist, sind bei vielen Türmen die dynamischen Berechnun­gen unzureichend oder oft gar nicht berücksichtigt worden. Dies trifft insbesondere auf sehr alte Türme zu.

Am Ende der 70er und Beginn der 80er Jahre wurden zwei für Glockentürme besonders relevante Normen herausgegeben: die damals neue DIN 4178 .. Glockentürme - Berechnung und Ausführung" aus dem Jahr 1978 [1] und die überarbeitete DIN 4149 .. Bauten in deutschen Erdbebengebieten" aus dem Jahr 1981 [2]. Da beide Normen inzwischen über 20 Jahre alt sind, wurden sie in den vergangenen Jahren dem aktuellen Stand der Technik - u.a. durch Mitwir­kung der Autoren dieses Artikels bei der DIN 4149 -angepasst, so dass im April 2005 Neufassungen der beiden Normen [3], [4] erschienen sind. Es stellt sich nun die Frage, welche Veränderungen bei den rech­nerischen Untersuchungen von Glockentürmen durch die neuen Normen zu erwarten sind.

Die Autoren dieses Artikels haben eine Vielzahl von Kirchen und Glockentürmen messtechnisch und numerisch untersucht. Dabei wurden sowohl der Last-

. fall Erdbeben als auch der Lastfall Glockengeläut be­trachtet [5], [6], [7]. [8], [9], [1 0], außerdem wurden Berechnungen sowohl nach den alten und neuen Normen durchgeführt. Aus den dadurch gewonnenen Erfahrungen werden anhand des .. schiefen Turms" von Köln die Berechnungen für den dynamischen Lastfall Erdbeben vorgestellt.

1.2 Türme unter Erdbebenlast

Glücklicherweise liegt Deutschland nicht am Rand einer Kontinentalplatte und hat deswegen keine ka­tastrophalen Beben mit Magnituden um 7,5-8 auf der Richterskala wie Kalifornien oder Japan zu befürch­ten. Trotzdem gibt es auch in Deutschland seismisch aktive Regionen wie z.B. den Oberrheingraben oder

95

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w. Kuhlmann, M. Mistler: Der .. schiefe Turm" von Köln- im Erdbebenfall ein Sicherheitsrisiko?

die Niederrheinische Bucht. Paläoseismische Unter­suchungen liefern Hinweise dafür, dass in der Nieder­rheinischen Bucht Beben mit Magnituden um 6,5 möglich sind.

Insbesondere Türme sind für dynamische Boden­erregungen aufgrund ihrer Schlankheit besonders empfindlich. Oft hat die erste Modalform und damit die erste Eigenfrequenz des Turmes den wesentlichen Einfiuss auf das dynamische Verhalten. Dieser Effekt wird noch verstärkt, wenn die Einspannung der Türme nicht mehr als Volleinspannung angesehen werden darf. Jedoch reicht es in verschiedenen Fällen nicht aus, Türme als Einmassenschwinger zu betrachten, z.B. wenn die Steifigkeitsverteilung bzw. Massenver­teilung der Türme über die Höhe sehr streut. Dann ist eine Berücksichtigung der höheren Modalbeiträge zu empfehlen.

Für die Auslegung und Beurteilung von Gebäuden bzw. Türmen in Erdbebengebieten ist es also wichtig, die Stärke des möglichen Bebens (..Gefährdung am Standort") und die Verletzlichkeit ( .. Vulnerabilität") des Bauwerks zu kennen. Sowohl die Standortgefährdung als auch die Methodik der Tragwerksberechnung sind in der DIN 4149 .. Bauten in deutschen Erdbebenge­bieten" normativ geregelt. ln der im April 2005 er­schienenen Neufassung dieser Norm [4] sind wesent­liche Änderungen gegenüber der alten DIN 4149 (1981) [2] vorgenommen worden: Für die Spezifizie­rung der Standortgefährdung sind neben neu definier­ten Erdbebenzonen neue elastische Antwortspektren unter Berücksichtigung der Untergrundverhältnisse eingeführt, und zwar sowohl für die horizontale als auch für die vertikale seismische Komponente. Nach alter DIN 4149 gab es die Erdbebenzonen 1 bis 4, in der neuen Fassung reichen die Zonen von 0 (keine Belastung) bis 3 (starke Belastung). Für die Trag­werksberechnung werden zwei Verfahren, das "ver­einfachte Antwortspektrenverfahren" und das "Ant­wortspektrenverfahren unter Berücksichtigung mehre­rer Schwingungsformen" zugelassen. Die Erdbeben­einwirkung in zueinander senkrecht stehenden Rich­tungen ist nach vorgegebenen Regeln zu kombinie­ren. Das neue Nachweiskonzept basiert auf dem Si­cherheitskonzept mit Teilsicherheitsfaktoren. Material­spezifisch sind außerdem Verhaltensbeiwerte (q­Faktoren) definiert, die zur Herleitung von Bemes­sungsspektren in Abhängigkeit von den Tragwerksei­genschaften herangezogen werden können. Deshalb sind die besonderen konstruktiven Anforderungen zur Sicherstellung einer ausreichenden Duktilität beim jeweiligen Tragwerkstyp auch normativ geregelt [11].

96

2. BAUWERKSBESCHREIBUNG UND ANLASS DER BERECHNUNGEN

Der Glockenturm der Kirche St. Johann Baptist in Köln (Abb. 1) hat einen quadratischen Grundriss mit einer Länge von etwa 7 m. Die Höhe des Turms be­trägt etwa 40 m. Der Turm besteht aus einem Erdge­schoss, vier weiteren Segmenten und dem Dach. Der Turm ist in Mauerwerksbauweise ausgeführt, die Zwi­schendecken bestehen aus Stahlbeton. Im 4. OG be­findet sich die Glockenstube mit den Schallöffnungen. Im Rahmen einer unterirdischen Baumaßnahme kam es am 29.09.2004 zu einer außerplanmäßigen Schief­stellung des Turms. Die Absenkung des Fundaments von 14 cm in die dem Kirchenschiff abgewandte Rich­tung führte zu einer Schiefstellung der Turmspitze von ca. 77 cm (entspricht 2%). Daraufhin wurde innerhalb kürzester Zeit die in Abb. 1 erkennbare Stahlstützkon­struktion errichtet. Im Rahmen der Fortsetzung der Baumaßnahme muss diese Stützkonstruktion jedoch wieder entfernt werden. Allerdings war nicht abzuse­hen, ob und wann eine Aufrichtung des Turmes statt­finden kann. Daher ist im Rahmen der Prüfung der Standsicherheit durch den Prüfingenieur Dipl.-lng. Alexander Pirlet im Auftrag der Kölner Verkehrsbe­triebe (KVB) unter anderem untersucht worden, ob die Erdbebensicherheit des Turmes trotz Schiefstellung nach Abbau der Stützkonstruktion gewährleistet ist.

Abb. 1: Glockenturm mit der Stützkonstruktion

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W. Kuhlmann, M. Mistler: Der "schiefe Turm" von Köln- im Erdbebenfall ein Sicherheitsrisiko?

3. MODELLIERUNG

3.1 Grundlagen der Modeliierung

Eine genaue Berücksichtigung räumlicher Effekte er­fordert die dreidimensionale Abbildung des Turmes mit Hilfe eines Finite-Elemente-Modells, in diesem Fall dem Software-Paket Infograph [12]. Es ist so eine di­rekte Ausgabe der Spannungen in den Tragwerks­elementen möglich. Für die Definition der Erdbeben­lasten wird sowohl die alte DIN 4149 (1981) als auch die neue DIN 4149 (2005) verwendet.

Bei den verwendeten Finiten Elementen handelt es sich um vierknotige Schalenelemente. Diese werden sowohl für das Mauerwerk als auch für die Stahlbe­tonbauteile mit den jeweiligen Materialkennwerten benutzt. Für die Stützen wurden Balkenelemente ( Biegestäbe) verwendet. Weiterhin wird die Schräg­stellung des Turmes um 2%, die Masse des Glocken­geläuts, eine Verkehrslast auf den Stahlbetondecken von 0,5 kN/m2 und die Entkopplung von Kirchenschiff und Turm infolge Schiefstellung berücksichtigt.

Abb. 2: 3D-Ansicht des Turmes mit und ohne Darstellung derWände

Während sowohl die Geometrie als auch die Material­parameter des Mauerwerks und des Stahlbetons recht genau bekannt sind, liegt die größte Unsicherheit des Modells in den nur grob bekannten dynamischen Ma­terialeigenschaften des Baugrundes.

3.2 Abbildung des Bodens

Entsprechend dem vorliegenden Baugrundgutachten stehen unter dem Fundament 4,8 m Sand-Schluff­Gemisch, 1,5 m sandiger Schluff und ca. 29 m Sand,. Kiessand und Kies an. Für die Berücksichtigung des Baugrundes im Modell wird der dynamische Bet­tungsmodul benötigt. Nach [13] wird dieser für den vorhandenen Boden mit

Ck =30+100 MN 1m 3

angegeben. Alternativ lässt sich der dynamische Bet­tungsmodul nach DIN 4178 (1978) [1] aus

E C _ S,dyn

k- J·.fÄ

berechnen, wobei c, der dynamische Kippbettungsmodul, Es, dyo der dynamische Steifemodul für Fre­

quenzen bis 6 Hz, A die Fläche des Fundamentes und f ein vom Fundamentseitenverhältnis und

Tiefenwirkung abhängiger Beiwert ist, der zu 0,35 angesetzt werden darf, ist.

Daraus ergibt sich der dynamische Bettungsmodul zu:

Ck 507250

MN!m'=19,3+96,5 MN 1m3

0,35-~7,42

Damit zeigt der Vergleich der beiden möglichen Wege zur Ermittlung des dynamischen Bettungsmoduls sehr ähnliche Ergebnisse für den dynamischen Bettungs­modul, der somit im Bereich zwischen 20 und 100 MN/m3 angenommen wird. Nachträglich wurde jedoch noch der Boden unterhalb des Turmfundaments bis zu einer Tiefe von ca. 6-8 m verfüllt bzw. verpresst Dadurch weisen die beiden obersten Schichten nun verbesserte Bodenkennwerte auf. Diese sind jedoch noch nicht experimentell bestimmt worden. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass sich der dy­namische Bettungsmodul um etwa 50% erhöht haben kann, jedoch nicht über die zuvor ermittelten Maxi­malwerte hinaus. Im Modell wird daher mit Werten zwischen 30 und 100 MN/m3 gerechnet.

3.3 Ermittlung der Eigenfrequenzen

Die Eigenfrequenzen und Eigenperioden werden für unterschiedliche dynamische Bettungsmoduli und zum Vergleich auch für eine feste Lagerung berechnet

97

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(s. Tabelle 1 ), jeweils unter Berücksichtigung einer Tabelle 2: Höhere Eigenfrequenzen mit Richtung Schiefstellung von 2%.

ln Abb. 3 sind die ersten 3 Eigenfrequenzen gra­phisch dargestellt. An dieser Stelle wäre eine experi­mentelle Überprüfung mittels einer Messung zu emp­fehlen, da der Turm jedoch bisher noch abgestützt ist, ist dies nicht möglich.

Tabelle 2 zeigt die ersten 13 Eigenfrequenzen mit Angabe ihrer Richtung für einen dynamischen Bet­tungsmodul von 100 MN/m2

• ln den weiteren Berech­nungen wurde unter Berücksichtigung von 25 Modal­beiträgen gerechnet.

Tabelle 1: Grundeigenfrequenzen in Abhängigkeit vom dy­namischen Bettungsmodul

N-S-Richtung 0-W-Richtung

Dynamischer Bettungsmodul

1. EF 1. EP 1. EF 1. EP

[MN/rn'] [Hz] [s] [Hz] [s]

30 0,57 1,76 0,57 1,74

45 0,68 1,47 0,69 1,46

60 0,77 1,31 0,78 1,29

80 __ 0,86 1,17 0,87 1,15

100 .. 0,93 1,08 0,95 1,05

fest gelagert 1,77 0,56 1,89 0,53

Abb. 3: Eigenformen Nr. 1 bis 3 (translatorisch in N-S-Rtg., transialarisch in 0-W-Rtg. und torsional)

98

Eigen- Richtung der Periode der Schwin-frequenz Schwingung gung [s]

1 N-S 1,077

2 0-W 1,053

3 Torsion 0,217

4 Torsion 0,163

5 0-W 0,160

6 vertikal 0,132

7-10 lokal 0,113-0,107

11 N-S 0,089

12 0-W 0,087

13 Torsion 0,084

4. ERDBEBENBERECHNUNG

4.1 Grundlagen der seismischen Berechnung

Nach alter DIN 4149 (1981) liegt der Standort Köln in der Erdbebenzone 2. Zur Zone 2 korrespondiert ein anzusetzender Bodenbeschleunigungswert von 0,40 m/s2

. Die multimodale Ermittlung der Schnittgrößen infolge Erdbebeneinwirkung basiert auf einem Ant­wortspektrum, für das ein Baugrundfaktor K von 1 ,4, die Bauwerksklasse 2 und damit a = 0,7 zugrunde gelegt sind. Damit ist

cal a = a0 · K · a = 0,392 m/s2.

Der von der Bauwerksperiode abhängige Wert ß (Abb. 4) ist definiert durch die Gleichung

ß = 0,528 . T;-0'8

1,0 1-------

::!: 0,8

l'! 1! 0,6 t: • . l: 0,4 ,jj

0.2

o.o L_ _ __::_:0.4:::51_ ___ ~--------I

o.o 0,5 1.0 1.5 2.0

SchwingungsdauerT [s]

Abb. 4: Beiwert ß nach alter DIN 4149 (1981)

Die jeweils anzusetzende Erdbebenlast ergibt sich aus Multiplikation der Basisbeschleunigung cal a mit dem frequenzabhängigen Beiwert ß, der Bauwerks­masse sowie einem Beiwert y für das dynamische Verhalten in Abhängigkeit von der Eigenform. An­schließend wird die multimodale Berechnung durch­geführt. Bei der Berechnung wird berücksichtigt, wel­che der beiden horizontalen Bebenkomponenten zu größeren Belastungen führt. Eine Kombination auf-

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einander senkrecht stehender Erdbebeneinwirkungen muss nicht berücksichtigt werden.

Im Gegensatz zur alten Fassung liegt Köln nach der neuen DIN 4149 (2005) in der Erdbebenzone 1, ebenfalls mit einem dazugehörigen Bodenbeschleuni­gungswert von 0,4 m/s'. Hier wird jedoch die Einwir­kung um den Faktor y1 = 1,2 aufgrund der Bedeu­tungskategorie 111 erhöht. Mit den vorhandenen Unter­grundverhältnisse (hier: Untergrundklasse T, Bau­grundklasse B) und dem Verhaltensbeiwert, der für Mauerwerkswände init einem Seitenverhältnis h/1 " 1 gleich 1,5 ist, ist das anzusetzende Spektrum mit Hilfe des Programms SEISQUICK [14] generiert worden und ist in Abb. 5 dargestellt. Bei der Berechnung wer­den die zu verschiedenen Kombinationen der Beben­richtungen berücksichtigt (1 00% x + 30% y bzw. 30% x und 1 00% y).

:;:: 0,09

~ 0,08

: 0,07

~ 0,06 , ·W o.os al 0,04

~ 0,03 .c 0,02 c ~ 0,01

.ß 0,00

1/\ - Horizontall

~ --------

o.o 0.5 1.0 1.5 2.0

SchwingungsdauerT [s]

Abb. 5: Ermitteltes Antwortspektrum nach DIN 4149 (2005)

4.2 Nachweis der Standsicherheit

Für die Lastfallkombination "Eigengewicht und Erdbe­ben" wird nun das Mauerwerk auf Grundlage der DIN 1053-1 (1996) [15] nach dem genaueren Berech­nungsverfahren nachgewiesen [16]. Ein vereinfachter Nachweis ist nicht möglich, da die Gebäudehöhe grö­ßer als 20 m ist. Der Nachweis soll hier für die Druck-, Zug- und Biegezugspannungen und für den Schub geführt werden. Als zulässige Spannungen werden dafür folgende Werte zu Grunde gelegt: Grundwert der zulässigen Druckspannungen o0 :

1,2 MN/rn' Rechenwert der Druckfestigkeit ßR:

2,67 · a0 = 3,2 MN/rn' Rechenwert der abgemind. Haftscherfestigkeit ßRHs:

2,0 · OoHs = 0,08 MN/rn' Rechenwert der Steinzugfestigkeit für Vollsteine ßRZ:

0,04 · ßN,t = 0,48 MN/m2

Nach alter DIN 4149 (1981), Abschnitt 9.4 dürfen für den Standsicherheitsnachweis diese zulässigen Spannungen im Lastfall Erdbeben auf das 1 ,5fache

erhöht werden. Der globale Sicherheitsbeiwert v ist mit 2,0 zu berücksichtigen. Für den Nachweis der Druckbeanspruchung muss die v-fache Gebrauchs­last ohne Mitwirkung des Mauerwerks auf Zug im Bruchzustand aufgenommen werden können:

V · a s 1 ,5 · ßR Dies ist für den gegebenen Bemessungslastfall stets eingehalten. Zug- und Biegezugspannungen recht­winklig zur Lagerfuge dürfen in tragenden Mauer­werkswänden nicht in Rechnung gestellt werden, da eine Schubübertragung bei Auftreten von Zugspan­nungen nicht mehr gewährleistet ist. Die FE­Simulation (Abb. 6) zeigt, dass der Turm im Lastfall Erdbeben auch für den ungünstigsten angesetzten Bettungsmodul im Bereich des Mauerwerks vollstän­dig in vertikaler Richtung, also senkrecht zur Lagerfu­ge im Mauerwerk, überdrückt ist. Zugspannungen tre­ten ausschließlich in Bereichen von bewehrten Unter­zügen bzw. Ringanker und im Bereich des Betonfun­damentes auf.

-1· 00e+061

-1-00e+Ol

-5·00e+OO

-1· OOe+OO:';! ii i

0· OOe+OO~

1· OOe-011

2· OOe-0 1·;:;;

5· OOe-0 1 ;'d

1• OOe+OOV~ ~&2]

Abb. 6: Maximale vertikale Spannungen a [MN/m']

Die vorhandenen Schubspannungen T und die zu­gehörigen Normalspannung a in der Lagerfuge müs­sen folgenden Bedingungen für Gleiten in der Lager­fuge und Steinversagen genügen:

y• t $ J,5·f3 RHS + 0,4 ·Ci

.----" " 0,45 ·1,5. [3 RZ • I+---,--

1,5 • [3 RZ

99

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W. Kuhlmann, M. Mistler: Der "schiefe Turm" von Köln- im Erdbebenfall ein Sich_erh<:i_(!;~i,;i~o?

Der Nachweis wird an den maßgebenden Stellen ge­führt, an denen die Druckspannungen minimal (maxi­male vertikale Spannungen) und die Schubspannun­gen maximal werden. Im vorliegenden Fall ist der Schubnachweis an jeder Stelle erbracht. Zusätzlich zu den geführten Spannungsnachweisen ist eine Über­prüfung der Bodenpressung und Fundamentklaf­fung nötig. Die FE-Berechnung zeigt, dass das Fun­dament für den ungünstigsten Fall überdrückt ist und somit keine Fundamentklaffung auftritt. Die maxima­len und minimalen Bodenpressungen liegen im zuläs­sigen Bereich. Der Turm kann daher nach DIN 4149 (1981) für den Lastfall Erdbeben als standsicher er­achtet werden.

Nach der neuen DIN 4149 (2005) dürfen die zuläs­sigen Spannungen entsprechend dem Abschnitt "Be­sondere Regeln für Mauerwerksbauten" für den Standsicherheitsnachweis im Lastfall Erdbeben nicht mehr um 50% erhöht werden, jedoch kann der globale Sicherheitsbeiwert zu y = 1,33 angenommen werden. Außerdem ist hier zu beachten, dass ein Verhaltens­faktor von 1 ,5 schon a priori in die Definition des Ant­wortspektrums mit eingegangen ist und die Duktili­tätseigenschatten schon hierdurch berücksichtigt sind.

Auf der Grundlage der neuen DIN 4149 können nun die Spannungsnachweise analog durchgeführt werden. Auch die maximalen und minimalen Boden­pressungen liegen im zulässigen Bereich.

Ein Unterschied ergibt sich aber im oberen Wand­bereich des oberen Turmabschnitts. ln diesem Be­reich ist unabhängig vom gewählten Bettungsmodul das Mauerwerk nicht mehr überdrückt Es treten Zug­spannungen senkrecht zur Lagerfuge auf (Abb. 7). Deren Maximalwerte nach Überlagerung der Lastfall­kombinationen liegen bei 0,08 MN/m2 und können somit in der Realität ev11. vom Material übertragen werden können. Dennoch kann nach Norm der Schubnachweis für diese Bereiche, in denen es zu Zugspannungen kommen kann, nicht geführt werden.

ln Tabelle 3 sind die Ergebnisse der für die Nach­weise wesentlichen Berechnungsergebnisse nach alter und neuer DIN gegenübergestellt.

Tabelle 3: Vergleich der Ergebnisse nach alter und neuer DIN 4149

DIN 4149 1981 2005

Maximale Druckspannung [MN/m"] 1,30 1,41 Maximale Zug- und Biegezugspannung

0 0,08 [MN/m2

]

Maximale Bodenpressung [kN/m'] 465 498

Minimale Bodenpressung [kN/m'] 142 118

100

i i· ' i

-1· 00e+061 -1·00e+Ol

-5-00e+OO

-1, OOe+OO; __ , '~ i

o.ooe+oo~

1• OOe-01~ _:;J

2· OOe-0 t < .,.

5·00e-Ol

l·OOe+OOVB

:: :::::~~,~~ 5, OOe+Ol

Abb. 7: Maximale vertikale Spannungen a [MN/m"]

5. WEITERE VERGLEICHSBERECHNUNGEN

5.1 Berechnung mit erhöhter Schiefstellung

Zur Untersuchung der Auswirkung einer möglichen erhöhten Schiefstellung des Turmes ist eine weitere Untersuchung durchgeführt worden. Der komplette Turm im 3D-FE-Modell wurde dafür um 3% geneigt, anschließend wurde die komplette Berechnung erneut durchgeführt: Die Ergebnisse sind exemplarisch für die Bodenpressungen in Tabelle 4 zusammengestellt. Man erkennt, dass die erhöhte Schiefstellung zu grö­ßeren Bodenpressungen führt und dass die Ergebnis­se nach der neuen DIN erneut stets größer sind als die nach alter DIN. Für die Nachweise, insbesondere auch den Nachweis der Druck- sowie der Schubbean­spruchung sind diese Unterschiede jedoch nicht ent­scheidend.

Tabelle 4: Vergleich der Ergebnisse mit 2% und 3% Schief­stellung

Schiefstellung 2% 3%

DIN 4149 1981 2005 1981 2005 Maximale Boden-pressung [kN/m']

465 498 498 531

Minimale Boden-

pressung [kN/m'] 142 118 109 84

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W. Kuhlmann, M. Mistler: Der "schiefe Turm" von Köln- im Erdbebenfall ein Sicherheitsrisiko?

5.2 Berechnung mit einem vereinfachten Modell Geländeoberkante stets kleiner als das aus Windbe-

Zum Vergleich ist der Turm stark vereinfacht als ein­gespannter Balken modelliert worden. Der Baugrund wird mittels einer Drehfeder berücksichtigt. Die Feder­steifigkeit der Drehfeder wird nach [1], [17] berechnet. Korrespondierend zu dynamischen Bettungsmoduli von 30 bzw. 100 MN/m3 sind die Drehfedersteifigkei­ten 7250 bzw. 24000 MNm. Zum Vergleich wird auch eine Berechnung mit starrer Einspannung durchge­führt.

Für die erste Eigenfrequenz in den beiden Hori­zontalrichtungen ergibt sich dabei eine sehr gute Ü­bereinstimmung mit dem Ergebnis des 3D-Modells unter Verwendung einer festen Lagerung. Unterschie­de ergeben sich insbesondere durch die genauere Berücksichtigung der Öffnung zwischen Turm und Kirchenschiff. Allerdings ist die Abbildung der Lage­rung mit einer Einspannung sehr ungenau. Bei Be­rücksichtigung des Baugrundes ergeben sich deutli­che Unterschiede. Im Vergleich zum Baugrund spielt dabei die unterschiedlich angesetzte Glockenmasse und die geringfügig andere Steifigkeit nur eine unter­geordnete Rolle.

Nach der Eigenfrequenzermittlung ist die modal­analy1ische Erdbebenuntersuchung durchgeführt wor­den. in Tabelle 5 sind die Ergebnisse zusammenge­stellt.

Es zeigt sich, dass eine abnehmende Steifigkeit der Bettung zu abnehmenden Schnittgrößen infolge Erdbeben führt. Dies liegt an den abnehmenden Ei­genfrequenzen und damit an den (zumeist) abneh­menden anzusetzenden Belastungen aus dem Ant­wortspektrum.

Tabelle 5: Ergebnisse des Balkenmodells

max. Moment an

Version der Geländeober-

DIN 4149 kante [kNm]

0-W- N-S-Rtg. Rtg.

1981 6984 7975 starre Einspannung

2005 9202 10884

festerer Untergrund 1981 4327 4479 (k = 24000 MNm, ent-

2005 4892 5096 spricht 100 MN/m') weicher Untergrund 1981 2917 3113 (k = 7250 MNm, ent-

2005 2994 3240 spricht 30 MN/m')

Berücksichtigt man die zulässige Erhöhung der maxi­malen Spannungen im Erdbebenfall um den Faktor 1,5 in den Ergebnissen der Erdbebenuntersuchung, so ist das resultierende Biegemoment auf Höhe der

lastung (außer bei fester Einspannung und Berech­nung nach DIN 4149 (2005)).

6. VERGLEICH ZWISCHEN ALTER DIN 4149 (1981) UND NEUER DIN 4149 (2005)

Die Ergebnisse der Erdbebenberechnung des Glo­ckenturms nach alter DIN 4149 (1981) und neuer DIN 4149 (2005) führen zu deutlich unterschiedlichen Er­gebnissen. Dies ist auf die zugrunde liegenden Ant­wortspektren und die Kombination der horizontalen Bebenkomponenten zurückzuführen.

Die Ermittlung der beiden Spektren ist nicht direkt vergleichbar. ln das in Abb. 5 dargestellte Antwort­spektrum nach DIN 4149 (2005) gehen der Bemes­sungswert der Bodenbeschleunigung (0,40 m/s2

), der Bedeutungsbeiwert in Abhängigkeit der Wichtigkeit des Gebäudes (1 ,2), der Untergrundparameter (1 ,0) und der Verstärkungsbeiwert (2,5 für viskose Dämp­fung) ein. Der Plateauwert liegt bei 0,0815 g, d.h. 0,80 m/s2

• Demgegenüber wird der frequenzabhängige Beiwert ß nach DIN 4149 (1981) aus Abb. 4, der einen Plateauwert von 1,0 hat, noch mit dem Rechenwert der Horizontalbeschleunigung (0,392 m/s2

) und dem eigenformabhängigen Beiwert y multipliziert. Insge­samt resultieren daraus deutlich höhere Spektralwerte nach DIN 4149 (2005).

Der zweite Grund der höheren Schnittgrößen unter Verwendung von DIN 4149 (2005) liegt in der geän­derten Kombination der beiden horizontalen Richtun­gen. Während man nach der alten DIN davon aus­ging, dass nur eine horizontale Bebenkomponente wirkt, sind nach der neuen DIN die beiden horizonta­len Bebenkomponenten mit der 100% I 30%-Regel miteinander zu kombinieren. Diese beiden Faktoren führen dazu, dass sämtliche Ergebnisse unter Ver­wendung der DIN 4149 (2005) größer sind als die nach DIN 4149 (1981).

7. AUSBLICK

Für Glockentürme sind die dynamischen Einwirkun­gen von entscheidender Bedeutung. Die relevanten Normen für den Lastfall Glockengeläut (DIN 4178) und für den Lastfall Erdbeben {DIN 4149) sind über­arbeitet worden.

ln diesem Artikel wurde der Lastfall Erdbeben an­hand der Berechnungen des "schiefen Turms" von Köln erläutert. Die Untersuchungen wurden nach alter und neuer Fassung der Erdbebennorm durchgeführt. Für die Berechnungen wurde ein 3D-Finite-Elemente­Modell erstellt.

101

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W. Kuhlmann, M. Mistler: Der "schiefe Turm" von Köln- im Erdbebenfall ein Sicherheitsrisiko?

Die Ergebnisse zeigen, dass die Schiefstellung des Turmes fast keinen Einfluss auf die Berech­nungsergebnisse hatte.

Allerdings wurde deutlich, dass für den Lastfall Erdbeben die Berechnungen nach der Neufassung der Norm zu höheren Belastungen und damit höheren Schnittgrößen führen.

Für den berechnenden Ingenieur sind daher die auf den aktuellen Stand der Technik gebrachten Neu­fassungen der Normen nach ihrer Einführung unbe­dingt zu beachten, um auf der sicheren Seite liegende Ergebnisse zu erhalten.

Im Falle des "schiefen Turms" von Köln wurde !rotz der durchgeführten Berechnung die Stahlstützkon­struktion nicht abgebaut, um letztlich aus eher psy­chologischen Gründen keine Besorgnis in der Nach­barschaft auszulösen. ln der Zwischenzeit wurden unter dem Turm auf der dem Schiff abgewandten Sei­te zwei Bohrpfähle mit je 1 ,20 m Durchmesser und einer Länge von 28 m und im Schiff 14 Kleinbohrpfäh­le eingebaut. Unter dem Turm wurde außerdem ein Stahlbetonträgerrost eingebaut. Zukünftig steht der Turm dann auf dem Trägerrost, das wiederum die Lasten über die Pfähle in den Untergrund abträgt. Mit Hilfe von hydraulischen Pressen soll etwa gegen En­de Oktober 2005 der Turm wieder aufgerichtet wer­den.

8. LITERATUR

[1] DIN 4178, Glockentürme - Berechnung und Ausfüh­rung, Berlin: Beuth 1978.

[2] DIN 4149, Bauten in deutschen Erdbebengebieten, Berlin: Beuth, 1981.

[3] DIN 4178, Glockentürme - Berechnung und Ausfüh­rung, Berlin: Beuth 2005.

[4] DIN 4149, Bauten in deutschen Erdbebengebieten, Berlin: Beuth 2005.

[5] Kuhlmann, W., Butenweg, C., Meskouris, K.: Baudy­namische Untersuchung des Aachener Doms unter Erdbebenbelastung, Bautechnik, Vol. 80, Heft 10, S. 675-684, 2003.

[6] Kuhlmann, W.: Historie Buildings under Earthquake Load, IABSE Symposium "Metropolitan Habitats and ln­frastructure", Shanghai 2004.

[7] Kuhlmann, W., Mistler, M.: Türme unter Glocken- und Erdbebenlast nach alter und neuer DIN 4178 und 4149, Beton- und Stahlbetonbau, Vol. 100, Heft 7, S. 561-573, 2005.

[8] Kuhlmann, W., Mistler, M.: Simulationen und Messun­gen von Glockentürmen - Widerspruch oder Ergän­zung?, Bautechnik, Vol. 82, Heft 10, 2005.

[9] Kempen lngenieurgesellschaft, Fachbereich Baudyna­mik, www.igkempen.de, www.baudynamik.biz, 2005.

102

[1 0] Kuhlmann, W.: INFO-BELL, Software zur numerischen Untersuchung von Glockengeläuten und Glockentür­men, Aachen 2005.

[11] Meskouris, K., Butenweg, C., et al.: Einstiegsseminar in die neue DIN 4149, Tagungsunterlagen, Lehrstuhl für Baustatik und Baudynamik, RWTH Aachen, 2005.

[12]1nfograph, Software für die Tragwerksplanung, v. 6.20, www.infograph.de, Aachen 2005.

[13] Smoltczyk, U. (Hrsg.): Grundbau-Taschenbuch, 4. Auf­lage, Teil1, Berlin: Ernst & Sohn 1990.

[14] Kuhlmann, W.: SEISQUICK, v.2.1. Software zur An­wendung von DIN 4149 (April2005), Aachen 2005.

[15] DIN 1053: Mauerwerk, Teil1: Berechnung und Ausfüh­rung, Berlin: Beuth 1996.

[16] Meskouris, K., Kuhlmann, W., Mistler, M.: Baudynami­sches Gutachten zur Standsicherheit im Erdbebenfall -Glockenturm SI. Johann Baptist, Aachen 2005.

[17] Meskouris, K.: Baudynamik- Modelle, Methoden, Pra­xisbeispiele, Bauingenieur-Praxis, Berlin: Ernst & Sohn 1999.

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Lärmschutzwände an Schnellbahnstrecken· Dynamische Probleme und Lösungsansätze aus d~r Praxis

Hamid Sadegh-Azar 1 und Hans-Geerg Hartmann2

1'2 HOCHTIEF Construction AG, HOCHTIEF Consult IKS Energy, Frankfurt a.M.

1 EINFÜHRUNG

Lärmschutzwände an den Schnellbahnstrecken der Deutschen Bahn sind erheblichen Belastungen aus den Luftdruckwellen der passierenden Züge ausge­setzt. Gemäß den Bemessungsgrundlagen der DB sind sie für die entsprechenden Druck- und Sogein­wirkungen auszulegen. Nach DB ProjektBau (2004) ist dem nicht vorwiegend ruhenden Charakter der Druck-Sogeinwirkung und der zu erwartenden dyna­mischen Anregung bei der Bemessung der Schutz­wände Rechnung zu tragen. in den früher gültigen Auslegungsunterlagen war lediglich ein statischer Lastimsatz vorgegeben, der die dynamischen Einflüs­se mit abdecken sollte. Auf Grund von mehreren Schadensfällen hat die DB diese Auslegungsgrundla­gen modifiziert.

Das Problem lässt sich in zwei Teilaufgaben unter­gliedern:

a) Dynamische Anregung und Lasteinwirkung b) Dynamische Beanspruchbarkeil und Ermüdung

ln Aufgabe a) werden für verschiedene geplante Sys­teme dynamische Zeitverlaufsberechnungen vorge­nommen und die maximalen Schnittkräfte und Ver­schiebungen der Lärmschutzelemente und Pfosten ermittelt.

in Aufgabe b) wird anhand von Normen (z.B. Euroco­de 3) die Beanspruchbarkeil der Elemente und Pfos­ten ermittelt.

Am Beispiel eines aktuellen Neubauprojektes der DB wir hier eine derartige dynamische Berechnung prä­sentiert. Bei den geplanten Wandsystemen handelt es sich entweder um Stahlbetonfertigteile oder um paten­tierte Mischkonstruktionen aus verschiedenen Materi-

alien (Aluminium, Dämmstoffe, Elastomere, Verbin­dungsmittel etc. ). Es sollen hierfür Querschnittsteifig­keiten abgeschätzt und die maximalen Wandver­schiebungen bei Zugvorbeifahrten ermittelt werden.

Zur dynamischen Berechnung wird ein geeignetes Berechnungsmodell entwickelt. Das 3D-Modell bildet einen typischen Ausschnitt einer Lärmschutzwand bestehend aus Streifenfundament, Pfosten und Wandelementen ab. Es umfasst einen Randpfosten sowie zwei Nachbarpfosten. Das Modell ist so konzi­piert, dass Varianten und Optimierungen leicht einge­arbeitet werden können.

Erfasst werden das dynamische Verhalten von Pfos­ten, Wandelementen und deren Anschlusskonstrukti­on und der Einspannung der Pfosten im Fundament. Eine Berücksichtigung der Torsions- und Biegesteifig­keit des Streifenfundamentes und der dynamischen Steifigkeit des Baugrundes erweist sich für die vorge­gebenen Systeme als nicht notwendig. Eine rechne­risch klaffende Sohlfuge tritt nicht auf und sollte we­gen der Dauerfestigkeitsanforderungen auch vermie­den werden.

Als wesentliche Ergebnisse werden die Schnittgrößen von Pfosten und Streifenfundamenten sowie die Sohl­spannungen und der Einfluss der Pfosteneinspannung ermittelt. Auf dieser Grundlage können dann weitere Varianten und Optimierungen vorgenommen werden.

Weiterhin ist untersucht worden, welchen Einfluss variierte Eingabeparameter auf die Berechnungser­gebnisse haben. Variiert worden sind u. a. die Quer­schnittssteifigkeiten von Pfosten und Wandelementen die Steifigkeit der Anschlusskonstruktion, die Torsi: onssteifigkeit des Streifenfundamentes, die Bau­grundsteifigkeit und die Dämpfungen von Wand und Baugrund.

103

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Lärmschutzwände an Schnellbahnstrecken: Dynamische Probleme und Lösungsansätze aus der Praxis

2 DRUCK-SOGEINWIRKUNGEN AUS ZUGVOR­BEIFAHRT

Die Druck-Sogeinwirkungen aus Zugvorbeifahrt (Re­gelzug: ICE3 ( Doppelzug 205 m + 205 m) mit 300 km/h im Abstand 3.8 m von der Gleismitte) sind in [R1] definiert.

Für die charakteristische Druck-Sogeinwirkung aus Zugverkehr w, gilt:

mit

2 Vzug

wk =cp ·Cz. PLuft "2

cp : resultierender Druckbeiwert

(1)

Cz : Höhenfaktor (variiert zwischen 1.0 und 0.6) PLuff : Dichte der Luft (hier 1.25 kg/m3

)

Vzug : Zuggeschwindigkeit (hier 83.3 m/s)

Als Druck-Sogeinwirkung ergibt sich somit:

w = c · c · 4 34 kN I m2 k p z • (2)

Abb. 2.1 zeigt den Zeitverlauf des Luftdrucks w, für den Regelzug. Der Maximalwert des Luftdrucks liegt bei 0.6 kN/m2

. Man erkennt deutlich Druck- und Sog­wellen an Bug und Heck des Zuges sowie den Druck­anstieg in der Mitte an der Kupplung der beiden Zug­garnituren.

0,5

" E o.3 ~ 0,1

~ -0,1 u 3 -{),3

Zeii(S.)

Abb. 2.1: Druck-Sogeinwirkung w, für Regelzug ICE3 (vz,9 ; 300 km/h, a9 ; 3.8 m, c,; 1.0)

3 DYNAMISCHE BERECHUNGEN

Es sind mehrere Systeme der Schallschutzwände zum Vergleich der dynamischen Eigenschaften und zur Optimierung untersucht worden. Hier wird bei­spielhaft ein System dargestellt. Das System besteht aus Wandprofilen und Stahlpfos­ten. Es himdelt sich um asymmetrische I Profile aus Aluminium, die mit einer Feldlänge von 5 m in Pfos­tenprofilen montiert sind. Die Höhe der Wand beträgt

104

insgesamt 2.80 m, davon 0.80 m Betonelemente und 2.00 m Aluminiumelemente. Die Pfostenprofile haben einen T -förmig zusammengeschweißten Querschnitt mit rückwärtiger Abstrebung. Bild 3.1 zeigt einen skiz­zenhaften Wandquerschnitt mit dem Pfostenprofil und eine typische Ansicht der Wandprofile.

Das Berechnungsmodell des Systems besteht aus zwei Wandfeldern und ist in Abb. 3.2 dargestellt. Es werden zunächst in einer modalen Analyse die Eigen­frequenzen, Eigenformen und modalen Dämpfungen ermittelt. Die Zeitverläufe der Verschiebungen und Schnittkräfte erhält man aus der Integration der moda­len Differentialgleichungen.

Abb. 3.1: Lärmschutzwand (System 1)

Abb. 3.2: Berechnungsmodell (System 1)

Die Pfosten werden mit Stab-Elementen modelliert, die Beton- und Aluminiumteile als Schalen-Elemente.

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Lärmschutzwände an Schnellbahnstrecken: Dynamische Probleme und Lösungsansätze aus der Praxis

Dynamische Lasten Der Lastfall "Druck und Sogeinwirkung" wird in vier zeitlich versetzten Stufen auf das Modell angesetzt. Die erste Stufe ist in Bild 3.3 dargestellt. ln der zwei­ten Stufe wird die zweite Hälfte des ersten Wandfel­des belastet usw.

Der Zeitversatz beträgt 0.03 s bei Annahme eines ICE3 mit einer Geschwindigkeit von 300 km/h:

0 =2.5 m -> v = 300 kmlh = 83.33 mls

->L11 =Div=0.03 s.

Das Spektrum des Zeitverlaufs der Druck-Sog­Wirkung {Abb. 2.1) ist in Abb. 3.4 für verschiedene Dämpfungswerte zu sehen. Diese Darstellung ent­spricht vereinfacht einer quasi-statischen Last auf die Lärmschutzwand bei Systemen mit der gegebenen Frequenz {horizontale Achse). Für ein nahezu starres System würde dieser Wert bei 0.6 kN/m2 liegen (s. Abb. 2.1 und 3.4). Für ein schwach gedämpftes, fle­xibles System kann dieser Wert bis auf knapp 4 kN/m2

{bei ca. 3.2 Hz) anwachsen.

Abb. 3.3: Erste Stufe aus vier zeitlich versetzen Stufen des Lastfalls "Druck und Sogeinwirkung"

Wie aus diesem Bild zu erkennen ist, liegen die un­günstigen Frequenzen (mit einer Überhöhung der statischen Maximallast) in Bereich von etwa 1.5 Hz bis 9 Hz. Im nächsten Abschnitt werden die Frequen­zen des Systems ermittelt.

Frequenzen Die resultierenden Frequenzen und effektiven moda­len Massen des Systems sind in Tab. 3.1 zusammen­gefasst.

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Abb. 3.4: Spektrum des Zeitverlaufs der Druck-Sog-Wirkung (Abb. 2.1)

Frequencyl~ UY UZ I SumUX 1 SumUY [ SumUZ ! I H~=:J UniU<?S~ Unitles~ ~--r~---·-···-- .. i----~'"····---····-~·-··---~~-1

No. Uni!less ~ ~itless L~'!.~!-~~-~LbJI~J.!!~~~U 1 9.57 0.0000 0.7460 0.0000 0.0000 0.7460 0.0000 2 9.65 0.0000 0.0000 0.0000 0.0000 0.7460 0.0000 3 17.87 00000 0.0084 0.0000 0.0000 0.7545 0.0000 4 18.85 00000 00000 0.0000 0.0000 0 7545 0.0000 5 34.91 0.0000 0.0001 0.0000 0.0000 0.7546 0.0000 6 36.60 0.0000 0.0000 0.0000 0.0000 0.7546 0.0000 7 39.70 00000 0_0006 0.0000 0.0000 0.7551 0.0000 8 43.89 0.0000 0.0000 0.0000 0.0000 0_7551 0.0000 9 46.19 0.0000 0.0693 0.0000 0.0000 0.8244 0.0000

10 53.20 0_0000 0_0000 0.0000 0.0000 0.8244 0.0000 11 54.42 0.0000 0.0188 0.0000 0.0000 0.8432 0.0000 12 66.86 0_0000 0.0000 0.0000 0_0000 0_8432 0_0000 13 73.46 0_0000 0_0001 0.0000 0.0000 0.843-3 0.0000 14 80.74 0.0000 0.0536 0.0000 0.0000 0.8969 0.0000

Tab. 3.1: Frequenzen und effektive modalen Massen des Systems (in %)

Die erste und wichtigste Frequenz in V-Richtung (quer zur Wand) liegt bei 9.6 Hz, also oberhalb des ungüns­tigen Frequenzbereiches, mit einer effektiven modalen Masse von 75%. Die erste Eigenform ist in Abb. 3.5 zu sehen.

Abb. 3.5: Erste Eigenform des Systems

105

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Lärmschutzwände an Schnellbahnstrecken: Dynamische Probleme und Lösungsansätze aus der Praxis

Verformungen Die Maximalverformung des Systems infolge Druck­Sogeinwirkung ist in Abb. 3.6 dargestellt.

Abb. 3.6: Maximalverformung des Systems infolge Druck­Sogeinwirkung

Die Maximalverformung der Aluminiumelemente liegt bei etwa 3 mm in beiden Richtungen quer zur Wand. Die Betonelemente zeigen entsprechend eine maxi­male Verformung von 1 .8 mm.

Momentenzeitverläufe in den Elementen Abb. 3. 7 zeigt den Zeitverlauf des Moments (M33, quer zur Wand) am Fußpunkt des mittleren Pfostens.

Abb. 3.7: Zeitverlauf des Moments am Fußpunkt des mittle­ren Pfostens.

Das maximale Moment beträgt etwa 7.6 kNm. Die Maximalmomente in Wandquerrichtung um die Z­Achse (M11) sind in Abb. 3.8 dargestellt.

Einfluss der Fundamentnachgiebigkeit Um den Einfluss der Nachgiebigkeit des Fundamen­tes auf dem Boden zu untersuchen, ist die Einspan­nung am Fußpunkt des Pfostens durch Bodenfedern ersetzt worden.

106

(M11)

Die Bodenfedern lassen sich aus folgenden Gleichun­gen ermitteln (Bowels, 1996):

k,

k,

0.8·G'(2L)

l-v

2.24·G'(2L)

2-v

tr(2L) · G' · B' [I+ (ln(3 -4v))'] 2-2v "

(3)

(4)

(5)

Es ist ein Streifenfundament der Breite 1.2 m und der Höhe 1.10 m vorgesehen. Bei der konservativen An­nahme von G' = 75000 kN/m2 und v = 0.3 für den Boden ergibt sich:

kz = 428'000 kN/m

ky = 494'000 kN/m

kex = 313'000 kNmlrad

Unter jedem Pfosten wird die Einspannung durch diese Federn ersetzt. Die Berechnungen zeigen, dass durch den Einsatz der Federn die erste Frequenz der Wand kaum beeinflusst wird (f = 9.45 Hz anstelle von 9.6 Hz bei Volleinspannung).

Auch die Gesamtschubkraft am Boden quer zur Wandrichtung (Base Shear) erhöht sich praktisch nicht (FYmax = 11.23 kN anstelle von 11.07 kN bei Volleinspannung). Somit ist hier eine Berücksichti­gung der Fundamentnachgiebigkeit nicht erforderlich.

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Lärmschutzwände an Schnellbahnstrecken: Dynamische Probleme und Lösungsansätze aus der Praxis

4 DYNAMISCHE BEANSPRUCHBARKElT UND ERMÜDUNG

Die dynamische Beanspruchbarkeil wird in diesem Falle hauptsächlich durch die Ermüdung der Elemente beeinflusst. Zuvor müssen die einwirkenden Betriebs­lasten ermittelt werden. Unter den einwirkenden Be­triebslasten versteht man die bei der praktischen Nut­zung auf ein Bauteil zeitlich veränderlichen Belastun­gen. Für die zu untersuchenden Bauteile werden die maßgebenden Beanspruchungszeitverläufe nach einem angemessenen Klassierungsverfahren ausge­wertet und in Form von Beanspruchungskollektiven dargestellt.

Klassierungsverfahren sind statistische Zählverfahren zur Bestimmung der in Größe und Häufigkeit auftre­tenden Spannungsschwingbreiten aus dem zeitlich veränderlichen Spannungszustand im BauteiL Zu den bekanntesten Zählverfahren gehören die Rainflow­Methode und die Reservoir-Methode.

Bei der Rainflow-Methode werden nach "Kippen" des Spannungs-Zeit-Verlaufs die lokalen Minima und Ma­xima durch gerade Linien verbunden. Anschaulich stellt man sich Regenwasser vor, das entlang der Gefällepfade herunterläuft und an den Kanten auf ein gleich langes oder längeres Gefälle tropft. Hiermit ist die entsprechende Hysterese geschlossen und wird gezählt. Bei der Reservoir-Methode wird der Spannungs-Zeit­Verlauf anschaulich wie ein Reservoir mit Wasser gefüllt. Am tiefsten Punkt 1 wird das Wasser abgelas­sen, die Höhe des "Wasserstandes" entspricht der Spannungsdifferenz Ll.o1. ln gleicher Weise werden die restlichen (noch gefüllten) Kammern des Reser­voirs nacheinander geleert und die "Wasserstände" bzw. Ll.a2 , Ll.a3 usw. ermittelt.

t;(l}

Abb. 4.1: a) Rainflow-Methode b) Reservoir-Methode

Der Kollektivumfang wird für eine Zugzahl n=100 /Tag und eine Lebensdauer von 50 Jahren ermittelt. Somit ergibt sich die Gesamtzahl von 1.825 Millionen Zug­vorbeifahrten. Die einzelne Beanspruchung wird defi­niert durch den Zeitverlauf der maßgebenden Schnitt-

größe (z.B. Abb. 3.7). Die zulässigen Spannungen werden im Eurocode 3 durch eine Reihe von Ermü­dungsfestigkeitskurven (Abb. 4.2) bestimmt.

Liegt der Maximalwert der Spannung Ll.Omax unterhalb der Dauerfestigkeit Ll.a0 des betreffenden Kerbdelails, vgl. Abb. 5.1, ist kein Ermüdungsnachweis erforder­lich:

r Ff und r Mf sind Teilsicherheitsbeiwerte ( r FJ =1.0 und r Mf =1.15 für Baustahl und Aluminium)

Für den Momentenzeitverlauf in Abb. 3. 7 ist:

Kerbfa/1160 ->!'>.a-n = 117 N!mm2

-> 1.0*29.2 « 11711.15 = 101.7 Nlmm2

Spannuogsschwlngbreite Ao (Nfmm')

1000

"'""""'"'-­Efr!IOdllllg$fG'$llgkelt

Abb. 5.1: Ermüdigungsfestigkeitskurven für Spannungs­schwingbreiten der Längsspannungen

Ähnliche Betrachtungen können für jeden einzelnen Bestandteil der Wände durchgeführt werden.

5 ZUSAMMENFASSUNG

Um Lärmschutzwände für Luftdruckwellen aus Zug­vorbeifahrten zuverlässig auslegen zu können, sind generell dynamische Berechnungen des Schwin-

107

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Lärmschutzwände an Schnellbahnstrecken: Dynamische Probleme und Lösungsansätze aus der Praxis

gungsverhaltens erforderlich. Der Beitrag demonstriert Modellabbildung und Berechnungsverfahren am Bei­spiel eines derzeit geplanten Neubauprojektes.

Mit den hier aufgeführten Berechnungen lassen sich ungünstige Frequenzbereiche der Schallschutzwände ermitteln. Die auf dem Markt gängigen Systeme der Schallschutzwände können auf ihre dynamischen Eigenschaften hin untersucht und optimiert werden.

6 LITERATUR

DB ProjektBau, PZ NÜR 1 vom 12.02.2004: Bemessungs­grundlagen für Schutzwände an der NBS-NIM

Eisenbahn-Bundesamt: Ril 800.2001, Lärmschutzwände

DIN-Fachbericht 101 "Einwirkungen auf Brücken", Ausgabe 2001, Kapitel IV, 6.6 und Anhang N (DS 804, Anlage 28)

DIN 4150 Erschütterungen im Bauwesen, Teil 1: Vorermitt­lung von Schwingungsgrößen, Juni 2001

DIN 4150 Erschütterungen im Bauwesen, Teil 3: Einwirkun­gen auf bauliche Anlagen, Februar 1999

ENV 1993-1-1 (Eurocode 3): Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten; Teil 1-1, Allgemeine Bemessungsregeln, Bemessungsregeln für den Hochbau, 1.04.1992

CEB-FIB Model Code 1990

Bowels, J.E., Foundation Analysis and Design, McGraw-Hi/1, 1996

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Experi!fle~telle Un~ersuchung und FE - Modeliierung der Brücke R3 im Hmbhck auf d1e max. Beschleunigungen bei Zugsüberfahrten

Rainer Flesch 1 und Siefan Deix 1

1Geschäftsfeld Verkehrswege, arsenal research, Wien

1 AUFGABENSTELLUNG

ln der TSI Infrastruktur und Fahrzeuge wird für neue Eisenbahnbrücken die Durchführung dynamischer Zugsüberfahrtsberechnung nach der EN 1991-21 Kapitel 6 verlangt. Das Kapitel 6 der EN 1991-2 ist leider sehr unübersichtlich und nicht anwenderfreundlich. Die geforderten Berechnungen führen in vielen Situationen - insbesondere bei kleinen Tragwerken - zu fragwürdigen und überzogen erscheinenden Ergebnissen. Auf Initiative der Eisenbahn - Hochleistungsstrecken AG (HL-AG)I Brückenbau wurde ein österreichischer Expertenkreis für diese Fragestellung eingerichtet. Die Plausibilität der in der EN1991-2 enthaltenen Forderungen wurden hinterfragt und Wege für Vereinfachungen und Verbesserungen gesucht. Über erste Ansätze und Ergebnisse wurde in Flesch (2003) und Flesch et al. (2004a) berichtet. Insbesondere besteht die Absicht, durch Kombination von Messungen und Berechnungen die Vorgangsweise (die Berechnungs­methode selbst sowie die erforderlichen Eingabeparameter) mittelfristig zu verbessern. Hierbei spielt das Know-how von arsenal research betreffend die Durchführung von dynamischen in-situ Versuchen, FE - Berechnungen und Model - Updating eine wesentliche Rolle (siehe Flesch et al. (2005a). Wegen der Wichtigkeit der Materie wird das "Computational Model - Updating" im Abschnitt 5 beschrieben. Im Abschnitt 4.2 wird dann zusätzlich anhand des Beispieles der Brücke R3 eine relativ einfache, ingenieurmäßige Vorgangsweise demonstriert.

2 VERSUCHSPROGRAMM

Im August 2004 wurden Mess- und Versuchsfahrten auf der Westbahnstrecke zwischen Prinzersdorf und Ybbs an der Donau durchgeführt. Auf Grund der Trassierung ist dort das Fahren mit Geschwindigkeiten bis zu 300 kmlh möglich. Bereits in der 27. Kalenderwoche 2004 wurden bei drei

ausgewählten Brücken Beschleunigungsmessungen bei Regelverkehr über jeweils ca. 8 Stunden durchgeführt. Für die Hochgeschwindigkeitsfahrten wurde von der DB der /CE-SI Messzug kurz bestehend aus Triebkopf - Mittelwagen - Triebkopf und der /CE-SI Messzug lang bestehend aus Triebkopf- 7x Mittelwagen - Triebkopf zur Verfügung gestellt. Die Messungen an den Brücken fanden in der Kalenderwoche 34 mit dem kurzen Messzug und in der darauf folgenden Woche mit dem langen Messzug statt.

Die Auswahl der zu untersuchenden Eisenbahnbrücken erfolgte bei einer gemeinsamen Begehung durch die HL-AG, das Ingenieurbüro Kirsch - Muchitsch und arsenal research. Bei der Selektion wurde Augenmerk auf die Art der Tragkonstruktion und die Spannweite gelegt. Es wurde eine vorgespannte Einfeldplatte (Objekt R3), ein unten offener Stahlbetonrahmen und ein geschlossener Stahlbetonrahmen ausgewählt. Alle drei Brücken zählen zu jenen kleinen Objekten mit Spannweiten zwischen sechs und vierzehn Metern, für die Berechnungen gemäß EN 1991-2 häufig unzulässig hohe Tragwerksbeschleunigungen ergeben.

Die standardmäßigen Zugsüberfahrtsberech-nungen für die drei Brücken nach EN 1991-2 wurden vom Ingenieurbüro Kirsch- Muchitsch vorgenommen. arsenal research erarbeitete zusätzlich für das Objekt R3 ein FE- Modell, welches optimal an die Versuchsergebnisse angepasst werden sollte.

Das Objekt R3 besteht aus 4 ähnlichen Einzeltragwerken (für jedes Gleis ein eigenes Tragwerk). Fugenbänder zwischen den 4 Tragwerken sowie das durchgehende Schotterbett führen zu einer maßgeblichen dynamischen Koppelung in Querrichtung.

Auf allen drei Brücken wurden neben 10 Beschleunigungsaufnehmern auch 2 DMS - Mess­stellen auf der Schiene angeordnet um die Achsfolge,

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R. Flesch und S. Deix

die Achslasten und die Fahrgeschwindigkeit ermitteln zu können.

3 DYNAMISCHE IN-SITU VERSUCHE AM OBJEKT R3

Zur Ermittlung der Eigenfrequenzen wurden Schwingungsuntersuchungen mittels des Schwingungsgenerators VICTORIA durchgeführt, welcher hierfür unter dem Tragwerk 4 auf der Straße positioniert wurde. Zur vertikalen Anregung wurde der Hydraulikkolben von VICTORIA über eine Stabkette mit dem Tragwerk verbunden (siehe Abb. 1 ).

Abb. 1: Schwingungsgenerator VICTORIA

Einige gemessene Eigenformen werden in den Abbildungen 2 bis 4 dargestellt.

Abb. 2: Zweite Eigenform des Gesamtsystems. Eigenfrequenz: 11 ,83 Hz, Dämpfung: 2, 7 % (ohne Zug). Dieser Mode wird vom untersuchten Tragwerk/Gleis 4 geprägt.

arsenal research verwendete in diesem Projekt die Software SOFISTIK zur Brückenmodeliierung und Durchführung der Zeitverlaufsuntersuchungen. Da SOFISTIK keine Möglichkeiten für ein computer­gestütztes Model - Updating besitzt, wurden Voruntersuchungen mittels der Software MATFEM

110

und UPDATE_ G durchgeführt. Betreffend die Grundlagen für Model - Updating wird auf Abschnitt 5 verwiesen.

Abb. 3: Dritte Eigenform des Gesamtsystems. Eigenfrequenz: 15,22 Hz, Dämpfung: 2,5 % {ohne Zug). Dieser Mode wird von einem Nachbartragwerk geprägt.

Abb. 4: Vierte Eigenform des Gesamtsystems. Eigenfrequenz: 21 ,09 Hz, Dämpfung: 4,6 % (ohne Zug). Dieser Torsionsmode wird vom untersuchten Tragwerk geprägt.

Da die dynamischen in-situ Versuche eine deutliche Schwingungskoppelung der 4 Tragwerke aufzeigten, wurden zunächst die beiden unmittelbaren Nachbartragwerke in die Modeliierung einbezogen. Die Lagerfedern sowie die Koppelungsiedern zwischen den nebeneinander liegenden Tragwerken wurden als Anpassungsparameter gewählt. Diese Strategie lieferte zwar sehr gute Ergebnisse (siehe Abb. 5 und 6), die jedoch gemäß den neuasten Untersuchungen nicht die physikalisch plausibelsie Lösung darstellen (siehe Abschnitt 4.2). Model -Updating ist ein sehr leistungsfähiges Werkzeug, bei der Anwendung ist allerdings sehr viel Feingefühl und Erfahrung erforderlich.

Noch bevor sich herausstellte, dass die erste Updating - Strategie keine realistischen Ergebnisse liefert, war klar, dass ein derart großer Modellierungsaufwand für die Überprüfung der TSI -Konformität nicht toleriert werden kann. Es wurde daher versucht, mit dem Programm SOFISTIK eine befriedigende Modeliierung des Tragwerks 4 ohne Einbeziehung der Nachbartragwerke vorzunehmen. Endziel ist ein möglichst einfaches, dem Praktiker

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Experimentelle Untersuchungen und FE - Modeliierung der Brücke R3 im Hinblick auf die max. Beschleunigungen bei Zugsüberfahrten

zurnutbares Modell, mit dem man in der vorliegenden Situation zu vertretbaren Ergebnissen kommen kann.

'

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1- .-

Abb. 5: Frequenzdifferenzen der 3 Moden vor und nach dem Updating

Abb. 6: MAC - Werte der 3 Moden vor und nach dem Updating Prozess

4 FE- MODELLIERUNG VON TRAGWERK 4 DES OBJEKTES R3

4.1 Modell1

Das SOFISTIK - Modell 1 stellt eine möglichst naturgetreue 3D Modeliierung des Tragwerks 4 als Einfeld-Plattenbrücke dar. Der erste Schritt war die Ermittlung aller wesentlichen Koordinaten dieser schiefen Brücke aus den Plänen. Die vorgespannte Platte hat eine maximale Stärke von 0,7 m. ln Längsrichtung besitzt sie von der Mitte weg ein Gefälle von etwa 1 ,5%. Die beiden Endquerträger sind etwa 1 m breit und haben eine Höhe von 1,2 m. Die Höhe des Schotterbettes ist in Querrichtung veränderlich. ln Tragwerksmitte variiert sie zwischen beiden Rändern von 0,45 bis 0,67 m. Die Gleisachse liegt deutlich exzentrisch und ist zum südlichen Tragwerksrand parallel (Abstand 2,19 m). Die Spannweite in Gleisachse beträgt 10,57 m. Die Breite variiert von etwa 6,3 bis 6,8 m.

Die Brücke besitzt an jedem Ende 3 Lager. Beim Widerlager Salzburg befindet sich in der Gleisachse ein allseitig festes Lager und beim Widerlager Wien ein in Längsrichtung bewegliches Lager. Die zwei

weiteren Lager an jedem Ende sind Elastomerlager (vertikal: 2,4.1 06 kN/ m; horizontal: 3.103 kN/ m). Als E- Modul des Betons wurde 3,7.107 kN/ m2 angesetzt. Die spezifische Masse des Betons wurde mit 2,5 t/ m3

und die des Schotters mit 2,0 t/ m3 angenommen. GemäßEN 1991-2/ Kapitel6 wurde als Dämpfung der Wert 2,53% der kritischen Dämpfung angesetzt.

Zunächst wurde die Platte unter Verwendung des RAST - Satzes im Modul GENF generiert. Um das Gefälle in Längsrichtung bequem berücksichtigen zu können und gleichzeitig auch die Gleisachse als Knotenlinie zu bekommen, wurde die Platte in 4 Sektoren unterteilt. Es wurden QUAD Elemente verwendet.

Die beiden Endquerträger wurden ebenfalls durch QUAD - Elemente dargestellt. Die Randknoten der Platte wurden anschließend mit den entsprechenden Knoten der beiden Endquerträger durch Koppelungsbedingungen verbunden.

Die Berechnung der Zugüberfahrten kann mittels der von SOFISTIK entwickelten Routine unter Verwendung des CONT - Satzes durchgeführt werden. Ferner wurde von Flesch bereits für die Berechnungen im Buch Baudynamik - praxisgerecht/ Bd. 2 (Beispiel 6) ein Modul programmiert, der mittels Berechnungsschleifen für jeden durch eine fortschreitende Last betroffenen Knoten die zugehörige Belastungsgeschichte generiert. Die Belastung im Knoten j beginnt hierbei, wenn die bewegte Last den Knoten j-1 verlässt. Die Aufteilung zwischen benachbarten Knoten kann linear erfolgen, es können aber auch beliebige andere Zusammenhänge angesetzt werden. Der Modul wurde vor zwei Jahren auf die dynamische Zugsbelastung erweitert. Mittlerweile können die Lastmodelle gemäß EN 1991-2 (HSMLA 1 bis 10) sowie der ICE-S aus der Versuchsserie verwendet werden.

Bei der SOFISTIK Vorgangsweise erfolgt die Berechnung mittels schrittweiser Integration. Im Modul von Flesch kann auch die Methode der modalen Lösung der Bewegungsgleichungen verwendet werden. Der Vorteil bei der zweiten Methode ist, dass man jeder Mode eine bestimmte Dämpfungszahl zuweisen kann. Gerade bei der Modellanpassung kann es manchmal hilfreich sein, unrealistische Moden über die Eingabe einer hohen Dämpfung zu unterdrücken. Beeindruckend ist auch die kurze Rechenzeit im Vergleich zur direkten Integration, was sich z.B. bei umfangreichen, nicht vollständig automatisierten Bearbeitungen als sehr angenehm erweist.

111

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R. Flesch und S. Deix

Die Untersuchung wurde über die projektspezifische Aufgabenstellung hinaus zu einer grundlegenden Studie ausgeweitet. Es kam sowohl das Verfahren der schrittweisen direkten Integration als auch die modale Lösung der Bewegungs­gleichungen zur Anwendung. Zwecks besserer lnterpretierbarkeit von Unterschieden in den Ergebnissen (max. Beschleunigungen in vertikaler Richtung) bei Anwendung der beiden Rechenverfahren wurden in Parameterstudien insbesondere die Einflüsse folgender Parameter untersucht:

1) Berechnungszeitschritt (bei direkter Integration besonders maßgeblich), 2) Einfluss exzentrischer Koppelungen (Platte mit Endquerträgern) 3) Elementteilung der Platte, 4) Verwendung einer diskreten bzw. konsistenten Massenmatrix.

Zusätzlich wurde auch eine Modeliierung als Stabmodell (Untersuchung - STUFE 2 gemäß den Vorstellungen des Österreichischen Expertenkreises, siehe Flesch (2003)) vorgenommen.

Über die erzielten Ergebnisse wurde in Flesch et al. (2004b) berichtet.

4.2 Modell2

Nach Abschluss der Parameterstudien wurde das endgültige SOFISTIK - Modell 2 erstellt. Die Modeliierung erfolgt analog zu Modell 1, allerdings wird nun ein feineres Elementnetz verwendet. Die beiden schmäleren Sektoren mit 2,19 m Breite wurden in 20 x 8 Elemente und die beiden breiteren Sektoren in 20 x 20 Elemente unterteilt. Es wurden QUAD Elemente verwendet.

Die beiden Endquerträger wurden jeweils durch ein Netz von 28 x 2 QUAD - Elementen dargestellt. Die mittlere Knotenlinie in Querrichtung wurde so angesetzt, dass die Lagerpunkte auf ihr liegen. Geringe Unterschiede zu den gegebenen Koordinatenpunkten können hierbei vernachlässigt werden, bei größeren Abweichungen könnten die automatisch generierten Lagerknoten nachträglich in die richtige Position gerückt werden.

Als E- Modul des Betons wurde entsprechend den vorhandenen Prüfprotokollen 4,3302.1 07 kNI m2

angesetzt. Vor den nächsten Versuchen für ein Model -

Updating (in diesem Fall ein einfaches händisches Updating unter Verwendung des lngenieurverstandes) wurden nochmals alle gemessenen Werte kritisch betrachtet.

112

Die Auswertung der operational modeshapes von Tragwerk 4 bei Zugsüberfahrt auf dem Nachbartragwerk ergab im Mittel eine erste Biegeeigenfrequenz von 11,35 Hz. Bei Zugsüberfahrten auf Tragwerk 4 lässt sich die erste Biegeeigenfrequenz im Mittel mit 1 0,15 Hz abschätzen, wobei sich die niedrigere Frequenz durch die Zusatzmasse des Zuges ergibt. Auf einem Nachbartragwerk, auf dem ebenfalls gemessen worden war, lag die erste Biegeeigenfrequenz bei Zugsüberfahrten (somit inkl. Zusatzmasse) im Bereich 9,5- 10,2 Hz.

Aus den obigen Ergebnissen bestätigte sich somit neuerlich, dass die Eigenfrequenz 11 ,83 Hz (2. Eigenfrequenz des gekoppelten Systems) mit sehr großer Wahrscheinlichkeit maßgeblich vom Tragwerk 4 geprägt wird und somit als erste Biegeeigenfrequenz aufgefasst werden kann. Ferner repräsentiert die Eigenfrequenz 21,09 Hz (4. Eigenfrequenz des gekoppelten Systems) mit sehr großer Wahrscheinlichkeit die erste Torsions­eigenfrequenz des Tragwerkes 4.

Mit dem Modell 2 wurden für die leere Brücke die ersten beiden Eigenfrequenzen 7,341 Hz und 19,575 Hz errechnet.

Zur näherungsweisen Berücksichtigung der Masse des über die Brücke fahrenden Zuges (in diesem Fall !CE-S) wurden folgende Ansätze ausprobiert:

- Anordnung von 39 t im Knoten 589 (auf Gleisachse in Tragwerksmitte). Es ergaben sich folgende Eigenfrequenzen: 6,391 Hz (1. Biegung), 18,207 Hz (2. Biegung), 19,546 Hz (1. Torsion).

- Anordnung von 39 t im Knoten 1 024 und 25,7 t im Knoten 183 (auf Gleisachse, etwa in den Viertelpunkten). Es ergaben sich folgende Eigenfrequenzen: 6,767 Hz (1. Biegung), 17,735 Hz (2. Biegung), 20,026 Hz (1. Torsion).

Als nächstes wurde der Einfluss der Versuchseinrichtung abgeschätzt. Der Erreger VICTORIA war über die vertikale Stabkette mit der Brücke verbunden. Diese Situation kann durch eine vertikale Feder in Tragwerksmitte (Knoten 595) + angehängte Masse modelliert werden. Die Masse wurde mit m = 750 kg, die Feder (für die 3 m lange Stabkette) mit k = 38265 kNim angesetzt. Es ergaben sich folgende Eigenfrequenzen: 7,320 Hz (1. Biegung), 19,557 Hz (1. Torsion). Zusätzlich tritt bei 35,9 Hz eine vertikale Eigenschwingung in Längsrichtung (Richtung des zusätzlichen Freiheitsgrades) auf. Der Einfluss des Schwingungsgenerators auf die gesuchten ersten beiden Eigenfrequenzen ist somit vernachlässigbar.

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Experimentelle Untersuchungen und FE - Modeliierung der Brücke R3 im Hinblick auf die max. Beschleunigungen bei Zugsüberfahrten

Bereits bei Modell 1 wurde festgestellt, dass insbesondere die erste Biegeeigenfrequenz sehr sensibel auf eine horizontale Steifigkeit in Längsrichtung reagiert. Bei Ansatz einer horizontalen Feder (Verwendung von Halbraumformeln; angenommene wirksame Fläche 6,3 x 1,2 m; k = 6,96.1 05 kN/m) müsste deren E- Modul 78,6 MN/ m' betragen (entspricht Sand, Kies), um derart die 1. Biegeeigenfrequenz von 11,83 Hz zu erzielen. Es wäre tatsächlich denkbar, dass zwischen Hinterfüllung und Endquerträger eine .. Bodenfeder" wirksam ist.

Die Torsionseigenfrequenz 21,09 Hz lässt sich z.B. erzielen, wenn der E-Modul des Tragwerks um den Faktor 1,16 erhöht wird (= 5,023.107 kN/ m').

Als nächstes wird die Mitwirkung der Schienen untersucht. Hierzu werden beide Schienen als zusätzlicher Biegebalken mit Schwerpunkt in der Höhe 0,63 cm über der Tragplatte modelliert. Die Plattenknoten und die Schienenknoten wurden mit der Koppelungsbedingung KF (Einspannung) exzentrisch verbunden. Hierdurch ergaben sich folgende Eigenfrequenzen: 11,24 Hz (1.Biegung), 20,679 Hz (1. Torsion). Bei Verwendung der Koppelungs­bedingung KP (gelenkig) ergaben sich geringfügig niedrigere Eigenfrequenzen: 11,206 Hz (1.Biegung), 20,670 Hz (1. Torsion). Insgesamt zeigt dieser Ansatz die Wichtigkeit der Modeliierung von Schiene und Schotterbett bei kleinen Brücken.

Falls man die Schienen als Längsfeder abschätzen will, so ergibt sich für die Gesamtfiäche von zwei Schienen (0,0154 m') und einer geschätzten Federlänge von 1,5 m eine Federsteifigkeit von 2,15. 106 kN/ m. Man erkennt deutlich, dass sogar bei Ansatz einer größeren Federlänge eine der abgeschätzten .. Bodenfeder" vergleichbare Wirkung denkbar ist.

Schließlich wurde noch eine Modeliierung des Schotterbetts durch vertikale und horizontale Verbindungsfedern zwischen Plattenknoten und Schienenknoten vorgenommen. Der abgeschätzte Startwert der Schotterfedern betrug 6,5.1 05 kN/ m. Die Schotterfedern wurden in mehreren Rechenläufen so lange erhöht, bis sich die Eigenfrequenzen 11,725 und 20,898 Hz ergaben (k= 3,2.1 06 kN/ m).

Für das endgültige Modell wurden dann folgende Annahmen getroffen:

- E - Modul Beton: 4.4385.107 kN/ m' (gegenüber Prüfprotokoll mit Faktor 1,025 multipliziert)

- Modeliierung Schotterbett mittels vertikaler und horizontaler Schotterfedern mit k= 3,2.1 06 kN/ m

- Ansatz Schienen: Biegewirkung + Längsfeder (Schienen an beiden Enden über Brücke hinaus geführt und dort fix verankert angenommen)

Mit diesen Ansätzen ergaben sich folgende Eigenfrequenzen: 11,828 Hz (1.Biegung), 21,111 Hz (1. Torsion).

Es wurde dann noch zusätzlich die Zugmasse 39 I im Punkt 589 angesetzt. Dieses Modell besitzt die Eigenfrequenzen 10,215 Hz (1.Biegung) und 19,874 Hz (1. Torsion) und wurde für die Zugüberfahrtsberechnungen durch den ICE-S lang verwendet. Die maximalen vertikalen Beschleunigungen werden in Abb. 7 für drei Knoten in der Mitte der Spannweite (Knoten 589 auf Gleisachse; Knoten 581 und 609 an den Tragwerksrändern) dargestellt.

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Brücke R3, Ruchnung Sofistik Modell II

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Abb. 7: Berechnete maximale vertikale Beschleunigungen in den Knoten 589, 581 und 609.

Leider liegen von der Brücke R3 nur Messwerte für den Geschwindigkeitsbereich von ca. 200 - 204 km/ h vor, da sich das Tragwerkam Beginn der Teststrecke (Beschleunigungsbereich} befand. Der Vergleich mit den Messwerten bei ca. 200 km/ h (max. 0,65 m/ s') zeigt, dass mit der Berechnung ein konservativeres Ergebnis erzielt wurde. Ein Grund hierfür ist z.B. die Tatsache, dass für die leere Brücke höhere Dämpfungen gemessen wurden, als sie gemäß EN 1991-2 anzusetzen sind. Es wird vermutet, dass bei Zugsüberfahrt noch höhere Dämpfungen wirksam werden.

Über die neuasten Erkenntnisse wurde in Flesch et al. (2005b) berichtet.

5 COMPUTATIONAL MODEL UPDATING

5.1 Einleitung

Die ansteigenden Anforderungen an Finite Element Berechnungen zur Analyse von dynamischen Eigenschaften im Bauwesen fordern vermehrt die Implementierung von gemessenen (dynamischen) Eigenschaften. Durch die Forschungsarbeit der letzten Jahre ist es möglich Bauwerksmodelle an gemessene Eigenformen und Eigenfrequenzen

113

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R. Flesch und S. Deix

anzupassen. Die Analyse solcher verbesserter Modelle sollte im Normalfall eine qualitative und quantitative Verbesserung im Vergleich zu normalen FE - Berechnungen ermöglichen. Jedoch können Messunsicherheiten und unsichere bzw. falsche Annahmen bei der Modellbildung zu nicht plausiblen Ergebnissen führen. Daher ist es insbesondere für automatisierte Model - Updating Verfahren wesentlich, dass das Ergebnis mit sehr großer Sorgfalt und sehr großem Ingenieursverständnis auf Plausibilität untersucht wird.

5.2 Mathematische Formulierung

Computational Model - Updating ist ein Vorgang, um Ergebnisse einer experimentellen Modalanalyse einer Struktur in ein FE - Modell zu integrieren. Durch Parametervariation wird eine Differenzfunktion zwischen gemessenen und durch das FE - Modell errechneten Daten minimiert. Durch einen mathematischen Optimierungsalgorithmus wird entweder die Steifigkeitsmatrix und/ oder auch die Massenmatrix an experimentelle, aus dynamischen Testergebnissen extraHierte Daten angepasst. Weiters existieren auch Verfahren um geometrische Daten für die Anpassung freizugeben, dies wird aber im Normalfall nicht allzu oft angewandt.

Durch eine iterative Kombination aus einer nichtlinearen Optimierung in Verbindung mit einer kleinsten Quadratsumme (least square) Prozedur wird eine Anpassurig der Designvariable errechnet. ln der folgenden mathematischen Beschreibung wird die Methode der erweiterten gewichteten kleinsten Quadratsumme beschrieben, so wie sie in UPDATE_G2 und MATFEM implementiert ist.

5.2.1 Die gewichtete kleinste Quadratsummen Methode

Eine einfache allgemeine Schreibweise einer Kleinstquadrat Punktion eines Optimierungsproblemes stellt GI. (1) dar:

] m 2

f(B)=- L(z,(B)-Z,] (1) 2 i

Hierbei definiert jedes z,(B) eine nichtlineare Funktion einer modalen Größe abhängig von einer so genannten Designvariable 8 ER", und z, bezieht sich auf den gemessenen Wert dieser modalen Größe. Das Residuum ist allgemein definiert als die Differenz dieser Werte:

'i = z,(B)- Z, (2)

Für das Residuum der Eigenfrequenz gilt:

114

A..(B)-X · {1 } rf = I ~ I ' l E , .... ,mf .:t,

(3)

und

r = tft: (17) _ ~1 , i E {l, .... ,m,}

' tft;(ry) t),' (4)

sei das Residuum der Eigenformen. t)/ (77)

bezeichnet jede Komponente des r/J, (77) Vektors und

t); ( T7) die Referenzkomponente. Analoges gilt für die

gemessenen Komponenten r/J, .Gemeinsam ergeben

diese den Residuumsvektor R:

R =[;,] (5)

Um bei einem Optimierungsproblem eine eindeutige Lösung zu erhalten, muss die Anzahl der Residuen größer sein als die Anzahl der Designvariablen. Ansonsten erhält man ein "i/1 conditioned estimation problem", das durch Regularisieren der Matrix bereinigt werden kann (Link (1999)). Aber wie bereits erwähnt werden lokale Fehler dabei über die Struktur verteilt. Die Gewichtungsmatrix W ist definiert als:

(6)

Damit ergibt sich der gewichtete Residuumsvektor und für die Objective Function gilt dann:

f(B) = }_R(B)rWR(8) 2

(7)

Der Vorgang der Gewichtung ermöglicht es, den unterschiedlichen Residuen in einem Residuums­vektor R verschiedenes Gewicht in der Gleichung zuzuordnen. Durch diese Gewichtung kann die Qualität der Resultate verbessert werden. Die Tatsache, dass die Genauigkeit der gemessenen Eigenfrequenzen die der Eigenformen weit übersteigt, kann und soll in der Gewichtungsmatrix berücksichtigt werden. Das Minimierungsproblem mit Gewichtungs­taktoren wird dann zu GI. (8).

min[/] = min _!_[R(B)rWR(BJ]= 2

min±llw~R<B>II' (8)

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Experimentelle Untersuchungen und FE- Modeliierung der Brücke R3 im Hinblick auf die max. Beschleunigungen bei Zugsüberfahrten

5.2.2 Physikalische Parameter und Korrekturfaktoren 6 SCHLUSSFOLGERUNGEN

Die Anpassung von Finiten Element Modellen basiert auf der Änderung der physikalischen Parameter des Modells. Beispielsweise werden Steifigkeitsparameter verändert, um bessere Systemmatrizen zu erhalten. Wie bereits erwähnt, ist die Wahl der zu ändernden Parameter sehr wichtig für das Resultat. Um die Selektion zu erleichtern, wurden auch automatische Parameterbestimmungsmethoden getestet. Dennoch wird in den meisten Referenzen (z. B.: Link (1999)) zu diesem Thema betont, dass man sich nicht immer auf diese automatischen Verfahren verlassen kann, sondern letztlich der Anwender eine vernünftige Auswahl treffen sollte.

5.3 Korrekturparameter

Das verbesserte Modell kann auch irrelevante bzw. unphysikalische Ergebnisse liefern. Um diese Möglichkeit auszuschließen müssen einige Dinge berücksichtigt werden. Durch ein prinzipielles Verständnis der Struktur für dynamische Eigenschaften können sowohl bei der Modeliierung als auch bei der Messung Fehler vermieden werden. Weiters ist das Bewusstsein über Messunsicherheiten und Fehlerfortpflanzung im Updating - Prozess essentiell. Speziell die Unsicherheit in den modalen Daten durch unterschiedliche Randbedingungen sowie Annahmen für die Modalanalyse selbst (im Falle einer modellbasierten Modalanalyse im Zeitbereich) können zu missverständlichen Änderungen im FE Modell führen (siehe Deix et al. (2005)).

Unterschiedliches Verhalten beim iterativen Minimierungsprozess verursacht durch die Wahl der Korrekturparameter muss berücksichtigt werden. Verschiedene "Sets" von Korrekturfaktoren können unterschiedliche Ergebnisse liefern !rotz gleicher Initialmodelle und gleicher Referenzdaten. Dies gilt es immer zu berücksichtigen. Beispiele für verschiedene Parametriesierungsmethoden sind auch in Theugels (2003) beschrieben.

5.4 Unsicherheiten

Unsichere Annahmen in der Modeliierung sowie Messunsicherheiten und Fehlerfortpflanzung in der Messanalysekette können die Ergebnisse eines Computational Model Updating Vorganges empfindlich stören. Deshalb sollte der Analyst diese Unsicherheiten immer berücksichtigen, um so die Zuverlässigkeit der Analyse bewerten zu können. Betreffend diese Problematik wird auf Deix et al. (2005) verwiesen.

Insgesamt lassen sich aus den in Österreich bisher durchgeführten experimentellen und/ rechnerischen Untersuchungen Schlussfolgerungen ableiten:

oder folgende

1) Zu Beginn wurden die in der EN 1991-2 vorgesehenen Dämpfungswerte als zu konservativ eingestuft. Es stellte sich jedoch in vielen Fällen heraus, dass der wirklichkeitsnahe Ansatz der Massen und Steifigkeiten maßgeblicher ist als die angesetzte DämpfungszahL

2) Bei Einfeldbrücken hat die Schlankheit einen wesentlichen Einfluss auf das Schwingungsverhalten. Falls das Verhältnis Querschnittshöhe zu Spannweite den Wert 1/12 nicht unterschreitet (was den neuesten HL - Richtlinien entspricht) und die Masse nicht sehr klein ist, können die Beschleunigungskriterien gemäß EN 1991-2 meist eingehalten werden.

3) Falls man sich bei der Modeliierung der Brücke streng an die EN 1991-2 hält, liefert die Berechnung meist zu niedrige Eigenfrequenzen. Es tritt hierbei ein Faktor der Größenordnung 1,1 - 2 auf. Dies wurde eindeutig durch den Vergleich von gemessenen und berechneten Werten nachgewiesen. Ferner sind im Allgemeinen die berechneten Beschleunigungen höher als die gemessenen Werte.

4) Die gemessenen Zeitverläufe müssen entsprechend der Vorschrift mit der oberen Grenzfrequenz 30 Hz, bzw. der 1,5 fachen niedrigsten Biegeeigenfrequenz gefiltert werden. Durch die Filterung reduziert sich der Maximalwert der Beschleunigung etwa auf 1/3 des ungefilterten Wertes. Die Beiträge der höheren Frequenzen sind laut Ansicht der BAM/ Berlin für die Oberbaustabilität nicht relevant.

5) Nur die gefilterten Messergebnisse dürfen mit den Rechenergebnissen verglichen werden, da das dynamische Lastmodell (die bewegte Achslast -Kette) mit Ausnahme von Harmonischen der Fahrfrequenzen keine zusätzlichen höheren Frequenzen anregt.

6) Ein Beispiel für die Anregung zusätzlicher höherer Frequenzen ist die Impulsanregung durch Flachstellen von Rädern. ln der Versuchsserie 2004 wurde z.B. ermittelt, dass Flachstellen etwa die 7 -fachen Beschleunigungen auslösen, die allerdings nur über ca. 0,3 s einwirken und somit für die Oberbaustabilität nicht relevant sind.

7) Die höchsten vertikalen Beschleunigungen von Brücken treten nicht zwangsläufig bei Hochgeschwindigkeitsfahrten auf. ln der Versuchsserie 2004 traten die Maximalwerte meist beim regulären Verkehr (z.B. Güterzüge mit

115

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R. Flesch und S. Deix

100 km/ h) auf. Die Schwingungsantwort einer Brücke hängt stets von ihrem Eigenschwingverhalten sowie von den Anregungsfrequenzen ab. Letztere ergeben sich aus der vorliegenden Zugskonfiguration und der Fahrgeschwindigkeit. Die "Fahrfrequenz" f ergibt sich hierbei zu:

J[lls]= v~~J] (9)

wobei v die Fahrgeschwindigkeit und die "charakteristischen" (regelmäßig auftretenden) Längen, wie z.B. Waggonlängen, Achsabständen im Drehgestell, Drehgestellabständen, etc. darstellen. Häufig treten in der Anregung auch Vielfache (Harmonische) der einzelnen Fahrfrequenzen auf. Die Fahrfrequenzen des I CE-S sind in der folgenden Abb. 8 dargestellt. Es ist klar erkennbar, dass die beiden maßgeblichen Eigenfrequenzen von etwa 1 0,22 Hz und 19,87 Hz bei ca. 100 km/ h maßgeblich angeregt werden.

" 001--;-~-+~-~1

" 00

5l 40

! : ,.

ZugsgescliwiRdlgkeit (kmlhl

-1=2,5m - -1=2,5m *2 - -1=3,0m *2 -~1=4,85m

-1=4,9m - -1=4,9m *2 """""""' """1=8,46m *2 ---1=16,5m

Schwelle

Abb. 9: Fahrfrequenzen des ICE-S

---1=3,0m ~ """'1=4,85m*2 -1:8,46m - -1=16,5m *2

8) Bei Brücken mit kleiner Masse wird das Beschleunigungskriterium gemäß EN 1991-2 häufig überschritten. Besonders betroffen sind hiervon kleine Tragwerke mit nur einem Gleis.

9) Es bestehen große Zweifel, ob der Grenzwert 3,5 m/ S2 bei kleinen Brücken mit Schotterbett gerechtfertigt ist. Die Gefahr von Oberbau Stabilitätsproblemen wird von den Autoren gegenüber Tragwerken mit großen Spannweiten als wesentlich geringer eingeschätzt, da das Schotterbett im Bereich einer geringen Spannweite durch den über die Brücke hinaus reichenden Gleisrost relativ gut gehalten wird. Zusätzlich könnten seitliche Halterungen für das Schotterbett (z.B. Trogquerschnitte) vorgesehen werden.

1 0) Das Beschleunigungskriterium 3,5 m/ s2 basiert auf Laborversuchen der BAM/ Berlin. Es wurde festgestellt, dass ein Schotterbett bei etwa 7 m/ s2

instabil werden kann. Es wurde somit der Sicherheitsfaktor 2 angesetz1. Zumindest im Fall von

116

kleinen Brücken könnte angedacht werden, diesen Sicherheitsfaktor zu reduzieren.

11) ln Österreich wird das gesamte Streckennetz alle 4 bis 8 Monate durch den Oberbaumesswagen überprüft. Für einige Bestandbrücken wurden Berechnungen durchgeführt, welche Überschreit­ungen des Beschleunigungskriteriums ergaben. Laut den Messergabnissen des Oberbaumesswagens befindet sich der Oberbau derzeit bei allen betroffenen Brücken in einem ausgezeichneten Zustand. Einschränkend muss allerdings hinzugefügt werden, dass momentan nur einzelne Fahrten mit 200 km/ h durchgeführt werden.

12) Model Updating kann ein äußerst leistungsfähiges Werkzeug darstellen. Bei der Anwendung ist jedoch viel Feingefühl und Erfahrung erforderlich.

7 LITERATUR

Deix, S. & Ralbovsky, M. (2005) Uncertainties in Model Updating - Problems and Reliability, Proceedings of the INCE Symposium on Managing Uncerlainties in Noise Measurement and Prediction, Le Mans, France, June 2005. Flesch R. (2003): Die Berechnung von Eisenbahnbrücken nach der prEN1991-2. Proc. D-A-CH Tagung 2003 Aktuelle Probleme der Brückendynamik, Zürich, Sept. 2003.

Flesch R., Geier R. (2004a): Simulation of Bridge Vibrations lnduced by High Speed Train Passages. Proc. IMAC XXII Conference, Jänner 2004, Dearborne, USA.

Flesch R., Deix S., Köllner W., Ralbovsky M., Handel C. (2004b): Schwingungen von Eisenbahnbrücken bei Zugsüberfahrten - Berechnung und Messungen. "Dynamik Fachgespräche" der Firmen FIDES und SOFISTIK. Herbst 2004, Mainz, München, Berlin.

Flesch R., et. al. (2005a): Dynamic in-situ Measurements, FE- ModeHing and Model- Updating- Innovative Tools in Civil Engineering. 1st IOMAC, Copenhagen, April 2005.

Flesch R., Deix S. (2005b): Vibrations of Railway Bridges during Train Passage - Measurements and Calculations. Henderson Colloquium on Structural Dynamics, Cambridge, July 2005.

Link, M. (1999), Updating of Analytical Models- Basic Pro­cedures and Extensions, Modal Analysis and Testing (J.M.M. Silva and N.M.M. Maia, eds), NATO Science Series, Kluwer Academic Publ., 1999 MATFEM, MATFEM 02 User's Guide Rev. 14 Jul 2003, Universität Kassel, Fachgebiet Leichtbau und Laboratorium für Struktur Mechanik, Kassel, 2003

Theugels, A. (2003), Inverse Modelling of Civil Engineering Structures Based on Oparational Modal Data, PhD thesis, K. U. Leuven, Belgium, 2003

UPDATE_ G, Update_g User's Guide (input description_7_03.doc), Universität Kassel, Fachgebiet Leichtbau und Laboratorium für Struktur Mechanik Kassel, 2003

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Schwingungsanforderungen in der Nanotechnik

Dieter Heiland', Karlheinz Beyer" 11ngenieurbüro für Baudynamik Dr. Heiland, Bochum

2Büro für Baudynamik GmbH, Stuttgart

1 EINFÜHRUNG

Das Einhalten von Schwingungsanforderungen gehört bei einer Präzisionsfertigung schon länger zum Stand der Technik. Mit der noch jungen Nanotechnik kom­men jedoch völlig neue Dimensionen von Schwin­gungskriterien auf den Bauingenieur zu. Aus Mikro­prozessoren werden in Zukunft Nanoprozessoren. Vor 1 0 Jahren war man noch stolz, Strukturbreiten von 0,35 ~m herstellen zu können, inzwischen plant man die Massenproduktion von 65 nm Strukturen. Prüfge­räte müssen noch mindestens eine Zehnerpotenz genauer auflösen können. Forschungsgeräte lösen nochmals eine Zehnerpotenz höher auf(< 1 nm). Alle diese Prozesse müssen in Gebäuden ablaufen, die die Einhaltung einer Reihe von Rahmenbedingungen ermöglichen. Erst wenn diese sicher gegeben sind, kann das Bauwerk als "gebrauchstauglich" bezeichnet werden.

Die Schwingungsanforderungen in der Nanotech­nik sind ein Teil dieser Randbedingungen. Begren­zung des Luftschalls (primär und sekundär) sowie der elektromagnetischen Wechselfelder sind Beispiele für weitere strenge Randbedingungen, die diese neue Technologie erfordert.

Die Anwendung der Nanotechnologie hält weiten Einzug in das praktische Leben: Farben werden kratz­fest, Materialeigenschaften verändern sich, Nanoma­terialien eröffnen völlig neue Möglichkeiten in der Me­dizin usw. Der Bedarf an entsprechenden Produkti­onsstätten ist vorhanden und wird weiter ansteigen.

Der vorliegende Artikel soll einen Einblick in die baudynamischen Herausforderungen der Nanotech­nologie geben. Er soll auch einen Überblick über den aktuellen Stand der Technik auf diesem Gebiet er­möglichen.

2 SCHWINGUNGSANFORDERUNGEN

2.1 Allgemeines

Die Schwingungsanforderungen eines empfindlichen Produktionsgerätes resultieren aus seiner angestreb­ten Herstellungsgenauigkeit sowie seinem inneren Schwingverhalten.

,--------------------.

Abb. 1: Vereinfachte Prinzipskizze eines schwin­gungsempfindlichen Gerätes

Die in Abb. 1 dargestellte stark vereinfachte Skizze stellt beispielhaft ein Produktionsgerät dar, das mit einer Präzision von ±50 nm arbeiten soll. Dabei sind sowohl mechanische Arbeitsvorgänge (Fräsen, Sä­gen, Schleifen, Laser, ... ) als auch lichtoptische Pro­zesse (Elektronenmikroskop, Lithographie, ... ) vor­stellbar. Die von außen, also über die Geräteaufstel­lung auf das Gerät einwirkenden Schwingungen wer-

117

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Schwingungsanforderungen in der Nanotechnologie

den in das Geräteinnere übertragen, teilweise ver­stärkt und führen zu Relativbewegungen am kriti­schen Fertigungsort. Man sieht schnell ein, dass diese Relativverformun­gen Ober folgende Mechanismen beeinflussbar sind:

Reduktion der Immissionen am Aufstellort (Maß­nahmen am Gebäude I Fundament) Schwingungsisolierung des Gerätes (aktiv+passiv) Innere Steifigkeit des Gerätes (Eigenfrequenz) Aktive, geregelte Komponenten im Gerät

2.2 Geräteempfindlichkeit

Um den Einfluss der inneren Gerätesteifigkeit zu ver­deutlichen, wurden anhand einfacher linearer Syste­me einige Parameterstudien durchgeführt. Ausge­hend von einer angenommenen Fertigungsgenauig­keit von zulässigen ±50nm ergeben sich die in Abbil­dung 2 dargestellten maximalen Erschütterungspegel am Aufstellort. Dabei ist eine Schwingungsisolierung mit einer Eigenfrequenz von 5 Hz und einer Dämp­fung von 10% berücksichtigt worden. Diese Art der Schwingungsisolierung ist in den meisten schwin­gungsempfindlichen Geräten bereits werksseitig integ­riert.

:0 E -= ~ • ~ "' ~ .5 • ~ 0 • • "

Zulässige Schwingungungspegel in Abhängigkeit der inneren Geräteeigenfrequenz

nnare Gerätedämptung:D"'1%, Schwing~siso~enmg 0=10%, fe=S Hz alle Werte Schwinggeschwindigkeiten im Te17Spektrum (RMS-Werte)

10000 ------- _ ........... ~,-. ---·"""""'

__ ,miJ=. ~<• 1000

--100Hz

100

-30Hz

10

10 100 1000

Frequenz [Hz]

Abb. 2: Auswirkungen unterschiedlicher innerer Gerätestei­figkeiten auf die Schwingungsempfindlichkeit bei konstanter innerer Genauigkeit von 50nm.

Größere innere Gerätesteifigkeiten führen zu höheren inneren Eigenfrequenzen und damit zu einer geringe­ren Schwingungsanfälligkeit in Abb. 2 ist zum Ver­gleich eine in der Halbleiterindustrie übliche Grenz-

118

Zulässige Schwingungungspegel in Abhängigkeit der Geräteauflösung, int. Geräteeigenfrequenz fi =250Hz

10000

mere Ger.'ltedämpfung:1%, Schwingungsisoüe~ f=3 Hz. 5% Schwinggeschwindigkeiten im Terzspektnm (RMS-Werte)

~ 1000 8

100 -1A

10 - 6.- Nano E-F

10 100 1000

Frequenz [Hz]

Abb. 3: Auswirkungen unterschiedlicher innerer Gerätestei­figkeiten auf die Schwingungsempfindlichkeit bei konstanter innerer Genauigkeit von 50nm.

kurve, das VC-E Kriterium (VC=Vibration Criteria) mit eingezeichnet worden. Dass diese Kurve ihre Berech­tigung hat, kann in diesem einfachen Beispiel nach­vollzogen werden. Die in Abb. 2 angenommene Geräteauflösung von 50nm ist in der Halbleiterproduktion für eine Fertigung von Strukturbreiten von etwa 0,5(Jm erforderlich. Seit diesem Jahr (2005) werden Strukturen von 0,09(Jm bereits als Massenprodukte hergestellt (z.B. Prozes­soren von AMD und INTEL). Die Hersteller der schwingungsempfindlichen Geräte haben ihre Geräte wesentlich steifer konstruiert und die Schwingungs­isolierungen verbessert. Abb. 3 zeigt anhand des gleichen Berechnungsmodels, jedoch mit den Para­metern eines modernen Gerätes (fi=250 Hz, fe=3 Hz) die zulässigen Erschütterungen in Abhängigkeit der Produktionsgenauigkeit Es wird deutlich, dass bei gleicher Schwingungsempfindlichkeit, d.h. bei glei­chen Anforderungen an den Aufstellort ca. zehnmal (1 Ox) höhere Fertigungsgenauigkeiten möglich sind. Steigert man die Genauigkeit auf das fünfhundertfa­che (<tlso auf 1 A = 0,1 nm), befindet man sich im Auflösungsbereich von modernen, hochgenauen Elektronenmikroskopen. Auffällig ist, dass die bisher gültigen Grenzwertdefinitionen hier versagen. Aus diesem Grund wurden von den Autoren neue Schwin­gungskriterien definiert, die für moderne hochgenauer Produktions- und Inspektionsgeräte verwendet wer­den können und sich bereits bei mehreren Projekten bewährt haben.

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Schwingungsanforderungen in der Nanotechnologie

VC Linien Schwingungspegel Tabelle typischer Nutzungen

(Vibration Criterta) [~m/s] (8-100Hz)

RMS-Terzspektren

Menschlich Fühl- 100 Menschliche Fühlschwelle, für empfindliche Schlafbereiche, für Opern,

schwelle Theater, für Mikroskope mit 1 00-facher Vergrößerung

Line A 50 in fast allen Umständen geeignet für optische Mikroskope mit Ver-größerungen bis zu 400-fach

Line B 25 Ein geeigneter Standard für Mikroskope mit Vergrößerungen bis zu

1000-fach, Lithografie Geräte (inkl. Stepper) bis zu 3 ~m Strukturbreite

Line C 12,5 Ein guter Standard für die meisten Lithografie- und Inspektionsgeräte bis hinunter zu 1 ~m Strukturbreite

Line D 6,25 Passend unter fast allen Umständen für sehr hochwertige Elektronenmik-roskope (REM's, TEM's), e-beam Systeme usw., die bis an ihre Leis-

tungsgrenze eingesetzt werden.

Une E 3,1 Ein schwieriges Kriterium, das nur in wenigen Fällen eingehalten werden kann. Es wird für Geräte höchster Präzision erforderlich.

Tabelle 1: VC-Kurven (Orginal von BBN, Los Angeles, ca.1970)

Nano-Linien Schwingungspegel Tabelle typischer Nutzungen [~m/s] (1-5/20 -100

Hz) RMS-Terzspektren

Nano-D 1,6/6,4 Sehr schwierig einzuhaltendes Kriterium für REM's der Nanotechnologie

für Auflösungen bis 1 nm, Obergeschosse mit hohen Anforderungen an die dynamische Steifigkeit und Eigenfrequenz

Nano-E 0,8/3,2 Extremes Kriterium für REM's der Nanotechnologie für Auflösungen bis 2-5A (10A=1 nm), nur auf sehr massiven Bodenplatten und nur bei sehr

günstigen Baugrundvoraussetzungen einhaltbar.

Nano- EF 0,53/2,1 Strengstes Kriterium für REM's und TEM'S der Nanotechnologie für Auflösungen im Sub Angströmbereich (10 A = 1 nm). Das Kriterium ist nur unter sehr speziellen Bedingungen und besonderen Baukonstruk-

Iianen einhaltbar.

Tabelle 2: Nano-Linien zur Definition geeigneter Erschütterungsgrenzen in der Nanotechnologie

2.3 Definition von Schwingungsgrenzwerten

Für schwingungsempfindliche Produktionsgeräte wer­den seit ca. 30 Jahren die so genannten VC-Kurven

verwendet. Diese Kurven (vgl. Tabelle 1) wurden in den frühen ?Der Jahren im amerikanischen Ingenieur­büro Bol! Beranek & Newman lnc. (BBN) entwickelt.

Andere mit der damals noch aktuellen Mikrotechnolo­gie befassten Büros entwickelten andere Kriterien ( Gordon 1991 ). Erste Entwicklungen von Grenzwerten

für die Nanotechnology wurden von Amick (Amick

2002) vorgestellt.

Um den neuesten schwingungsempfindlichen Ge­räten der Nanotechnologie gerecht zu werden, wur­den jetzt die in Tabelle 2 dargestellten Grenzwertdefi­

nitionen neu entwickelt. Es handelt sich, genau wie bei den VC- Kurven, um Terzspektralwerte. Die Grenzwerte sind in Abb 4. zusammen mit den VC­

Linien dargestellt. Die Anwendung dieser Kurven führt zu einer sinn­

vollen Berücksichtigung der Anforderungen der neu­esten Gerätegeneration. Als Beispiel sind die Spezifi­kationen zweier Hersteller der Kurve Nano E-F in Abb.

5 gegenübergestellt.

119

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Schwingungsanforderungen in der Nanotechnologie

1000

i 100

"' ~ • ~ m 10

" -.. ~ 0 • • 0

0,1

Grenzlinien für schwingungsempfindliche Produktionen

S hwi hwind" k. "te . T ktrum (RMS Werte) ' nggesc 19 91 n1m erz::;pe

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I i ~'i--

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I I I 1'--i'- I i I I ~'i-- i Ii i I I

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10

Frequenz [Hz]

[;-~~;;~,"-~~~~!~--=-~~~E

I

II

II I '

100

""*'"VC-D

""*""Nano E-F

! : i I ' I I I I

Abb. 4: Darstellung der Schwingungsspezifikationen

100

0,1

Beispiel von Spezifikationen Terzspektren, nns- Mittelungen, 4096 Punkte FFT, Overfap 50%

I I

I '

I I I I I

\ I J I ..... . ' I

I . r ~~rr I ~ I

~~ --~

I 10 100

Frequenz [Hz]

1000

1000

==-------c= ·-············· ... .. .. ----l 1

-l.B) -rrtanhorizonllll -Trtanvenil<al

.

- Te<:nniSiandardverti<al -TecneiS:rldardlelt-rj;jh_l --TecnalSianda .. rd front-bacK

1

-.-Tecnal FEG undUTfront-back-Tecnal FEG un<l UTieJHight --Tecn.a~ F8i lßd UTvartbl

• • •NanoE-F ------- -----------

Abb. 5: Vergleich der Herstellerspezifikationen von extrem schwingungsempfindlichen Geräten der Nanotech­nik mit der Spezifikation Nano E-F.

3 MESSUNGEN

3.1 Schwingungsmessungen

Schwingungsmessungen an Gebäuden der Nano­technik müssen mit äußerst empfindlichen Geräten durchgeführt werden. Am besten eignen sich hoch­empfindliche Geophone, mit denen im Frequenzbe­reich von 1-100 Hz bzw. 1-315 Hz zuverlässig ge­messen werden kann. Der Vorteil der Geophone be­steht darin, dass im wichtigen Frequenzbereich von 1-30 Hz Signale von weniger als 0,1 j.Jm/s aufgelöst werden können. Dies ist mit Beschleunigungssenso­ren auf Piezo-Basis praktisch nicht möglich, da die

120

zugehörige Beschleunigung bei 1 Hz weniger als a=6,0E-7 m/s2 beträgt.

Messungen werden in allen drei Raumrichtungen durchgeführt. Die Messdauer je Messpunkt und Messkanal muss unter sorgfällig ausgewählten Zu­ständen und unter Berücksichtigung der äußeren und

Messort I Messgrund Optimale Messzeit

1 Baugrund, unbekanntes Grundstück 4- Sh

2 Baugrund, unbek. Grundstück, in der 6 -12h Nähe zur Eisenbahn I Autobahn I

Schwerindustrie

2 Fundamente in unbekanntem Gebäude 2h (Lastfall Einwirkungen von außen)

3 Fundamenteam Immissionsort (Decke) y,- 2h

4 Einzelaggregate bei eindeutiger Ein- 10-30 wirkung (z.B. in der Nähe von Motoren) Minuten

Tabelle 3: Empfehlungen geeigneter Messzeiten

inneren Einflüsse hinreichend lange gewählt werden, die in Tabelle 3 aufgelisteten Werte haben sich be­währt. Die Messrecords werden im Nachgang ausge­wertet.

3.2 Auswertung der Frequenzspektren

Aus dem Zeitschrieb werden mittels FFT -Analyse (Beispielparameter: T=4s, df=0,25Hz, n=4094 Punkte, Window = Hanning, Overlap = 50%) Schmalband­spektren berechnet, die anschließend im geeigneten Mittelungsverfahren überlagert werden. ln Abhängig­keit der Nutzung (Belichtungsdauer, Fräßdauer, usw. ), der Charakteristik der Störsignale sowie der Schwin­gungsanfälligkeit des Bauwerkes kommen folgende Mitlelungsverfahren in Frage:

Energetische Mittelung (am häufigsten) - Peak-Hold Auswertung (bei Einzelereignissen) - Statistische Auswertung (Komfortauswertung)

Aus den Schmalbandspektren werden entweder Terz­spektren oder PSD-Spektren (Power spectral density) gebildet, um normierte Schwinggeschwindigkeitswerte zu erhalten. Sowohl die VC- Kurven als auch die Na­no-Kurven beziehen sich auf Terzspektren.

3.3 Beurteilung nach Eintrittswahrscheinlichkei­len

Beim Vorliegen einer auskömmlichen Datenbasis können die Schwingungsanforderungen im Hinblick

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lE-84 ~ 1-1--l-+-h-4

2 1-H-++-+++-1-1 E-115 1-i-l--l-+H-+-E;

5 1-Hf-1--1-+-!-

2 IE-ffi

5

IE-8~ Abb. 6: Freifeldmessung für Labor der Nanotechnik. Aus­

wertung von jeweils 3min Einzelereignis. Peak­Hold-Auswertung mit Erwartungswerten 3 min, Y, h, 1 h, 2 h

IE-~ 1+-1-~-+-1-2 1-1-++++-H-+

I E -115 ~H-1-1-+-1-f' 51++++-1-+ 21-1-+++

I E -!Ii 1-i-l--+. 5

lE-B~

h

Abb. 7: Wie Abb. 6, jedoch Einzelereignis 30 min. Peak­Hold-Auswertung mit Erwartungswerten Y, h, 1h, 2h

auf die Prozessdauer bzw. auf eine erträgliche Über­schreitungshäufigkeit eines Schwingungskriteriums abgestimmt werden. Diese Anforderungen hängen vom Prozesstyp und vom Automatisierungsgrad der Prozesskette ab. Während Messaufgaben in der For­schung oft stundenlanges Justieren erfordern, der Messvorgang aber nur kurz ist und auch wiederholt werden kann, wird in automatisierten Produktionspro­zessen die Fehlerrate (auch} durch das gelegentliche Überschreiten der zulässigen Erschütterungen be­stimmt.

Das zu einem Zeithorizont T gehörige Erschütte­rungsniveau L wird durch die Erwartung definiert, dass der Pegel L innerhalb dieses Zeitraums mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% nicht überschritten wird.

Pr(x 5, L) = 0.5 (1)

Daraus ergibt sich mit der Messbasis T 8 des Ein­zelereignisses die erforderliche Eintrittswahrschein­lichkeit des Einzelereignisses für T = n * T 8 zu

Schwingungsanforderungen in der Nanotechnologie

R(X5,L)=1-o.sYn (2)

woraus sich bei bekannter Verteilung der Mess­werte der Erwartungspegel L(f) ergibt. Dieses Vorge­hen ermöglicht die Berücksichtigung kundenspezifi­scher Belange und ist besonders für peakhold­bewertete Messungen geeignet und dann - bei eini­germaßen "vernünftigen" Messdaten - weitgehend von der Messbasis unabhängig.

Die Ergebnisse von rms-Mittelungen und damit auch deren Erwartungswerte hängen bei stochasti­schem Ereignischarakter hingegen stark von der je­weiligen Mittelungsdauer ab. Damit wird die Festle­gung der Messparameter zu einem notwendigen Be­standteil des Erschütterungskriteriums. ln den Abbil­dungen Abb. 6. und Abb. 7 sind Messungen auf dem Fundamentierungshorizont eines geplanten Labors unter dort üblichen Umgebungseinflüssen wiederge­geben. Sie unterscheiden sich lediglich in der Mitte­lungsdauer.

3.4 Steifigkeitsmessungen

Steifigkeitsmessungen an Betonstrukturen bzw. auf dem Baugrund dienen dazu, die dynamische Anreg­barkeil aufgrund dynamischer Lasten zu bestimmen. Als Anregungsmechanismus eignet sich zum Beispiel ein lmpulshammer. Hierbei wird sowohl der eingeleite­te Kraftimpuls als auch die Schwingungsantwort ge­messen.

Die Admittanzen [mm/s/kN] werden durch Bildung der mittleren Transferfunktion (Betrag und Phasen­Spektrum) des Kraftimpulses zu der Schwingungs­antwort errechnet:

TF = SA(f) · Se(f) * SE(j) . Se(f) *

SA(f): komplexes Spektrum der Systemantwort SE(f): komplexes Spektrum der Systemerregung

(3)

Aus den so ermittelten Admittanzen werden durch Integration die dynamischen Steifigkeiten berechnet.

Zu tiefen Frequenzen hin nähert sich der dynami­sche Wert der statischen Steifigkeit (kasy). Bei höheren Frequenzen spiegelt der Kurvenverlauf das frequenz­abhängige Verhalten der Struktur wider (Abb. 8).

Wenn zur Erreichung eines hinreichenden Schwingungsniveaus größere Kräfte erzeugt werden müssen, eignet sich zur Anregung auch ein Unwucht­erreger mit messbaren Unwuchtkräften. Ein solches Gerät wurde von den Autoren bei Messungen auf einer sehr großen und dicken Bodenplatte einer Halb­leiterfertigung sowie an Tunnelbauwerken eingesetzt,

121

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Schwingungsanforderungen in der Nanotechnologie

Dynamische vertikale Steifigkeit von Bodenplatten MeSS~Jngoo bei vmschiod<lnen Projekten 19!19- 2!104

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-Bodonplalle l,Sm+ 1m Bodenverbesseomg au! S.<>d--Bodenplatte 0..25cm aulangewitter\em Syenit

-&-llodenplalle d•100cm auf Fels .....,._ Bodonplalle d-150cm auf S&i\dlil>se

Abb. 8: Dynamische Steifigkeiten von Bodenplatten (Mess­werte unter verschiedenen Bedingungen)

bei denen außer der Tunneladmittanz auch das Über­tragungsverhalten zu Bauwerken gemessen werden sollte.

4 DYNAMISCHE DINiENSIONIERUNG

4.1 Auslegungskriterien

Ein Gebäude für die Nanotechnik muss, sofern schwingungsempfindliche Geräte aufgestellt werden sollen, schwingungstechnisch dimensioniert werden. Dabei sind insbesondere die Lastfälle

- Schwingungseinwirkung über den Baugrund - Turbulente Winderregung - Innere Erregungen (Personen, Maschinen, Rohrlei-

tungen)

zu berücksichtigen, Diese Lastfälle erzeugen Schwin­gungen im Bauwerk, die unterhalb des jeweils zu Grunde zu legenden Schwingungskriteriums bleiben müssen.

4.2 Erschütterungsprognose

Eine Prognose der zu erwartenden Schwingungen ist mit guter Genauigkeit auch für völlig neu zu errichten­de Bauwerke möglich. Dazu sind eine gute Basis von Messdaten auf dem Baugelände sowie Emissionsda­ten der erschütterungserzeugenden Geräte erforder­lich. Falls die Emissionsdaten nicht verfügbar sind, können diese durch Schwingungs- und Steifigkeits­messungen an einem anderen (Vergleichs-) Standort ermittelt werden.

Es können sowohl vergleichende "semi analyti­sche" Prognoseverfahren verwendet werden, die an bekannte und messbare Verhältnisse anknüpfen und die veränderten Parameter im Prognosemodell be­rücksichtigen als auch analytische, bei denen die er­forderlichen Strukturparameter durch FEM-Modelle

122

berechnet werden, die dann in MDOF Modelle einge­hen.

4.3 Gründung

Die einfachste Konstruktion einer Fläche mit möglichst geringem Schwingungspegel ist die Flachgründung (vgl. Abb. 10). Zumindest entfällt hier die üblicherwei­se vorhandene zusätzliche Elastizität der Geschoss­decken und damit die Verstärkung der Schwingungen. Allerdings muss auch eine Flachgründung optimiert werden, um die in der Nanotechnik angestrebten nied­rigen Schwingungspegel zu erreichen.

Zur Optimierung werden die

- Steifigkeit (Dicke der Platte) Gründungstiefe bzw. zusätzliche Pfähle

- Horizontalen Abmessungen der Bodenplatte

variiert. Mit diesen Parametern kann der Schwin­gungspegel auf der Bodenplatte frequenzabhängig beeinflusst werden. Dabei kann häufig der Weilsn­ausgleichseffekt ausgenutzt werden, also die Eigen­schaft einer steifen Gründungsplatte, wie ein Schiff auf die Wellenbewegungen des Baugrundes ausglei­chend zu wirken. Abb. 9 zeigt die Wirkung einer Gründung, die bei einem Bauwerk messtechnisch ermittelt wurde sowie die theoretische Funktion. Sie zeigt allerdings auch deutlich die Grenzen der Mög­lichkeiten, insbesondere bei Frequenzen < 10 Hz. Wenn dieser Frequenzbereich maßgebend ist - und das kommt insbesondere bei weichen Böden großer Mächtigkeit vor - können zusätzliche Verbesserungen dadurch erreicht werden, dass die Gründung in tiefere Bodenschichten einbindet, um die dort vorhandenen günstigeren Schwingungswerte auszunutzen. Dies kann durch Bodenverbesserungen beziehungsweise durch zusätzliche Bohrpfähle erreicht werden.

Wichtig ist zu beachten, dass bei nicht geschichte-

Neubau Institut für Nanotechnik, Proj. 40-1010

Ausgleichsfunktion vertikal (1=20,80m, k=unendl.}

0 10 20 30 40 50 60 70

Frequenz [Hz]

Abb. 9: Theorie und Messwerte des Ausgleichseffektes.

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Schwingungsanforderungen in der Nanotechnologie

Abb. 10: Prinzipskizze einer großflächigen Bodenplatte auf dem Baugrund, dargestellt ein separiertes Einzelfundament

tem Baugrund die Effizienz dieser Maßnahmen we­sentlich von der Einbindetiefe abhängt. Bei Bohrpfäh­len muss mindestens eine Tiefe von ca. einer Weilen­länge der maßgebenden Frequenz (A) gewählt wer­den, um eine deutliche Reduktion der Erschütterun­gen zu erreichen. ln diesem Zusammenhang soll hier auf eine spezielle Gründungssituation hingewiesen werden, die von den Autoren vereinzelt vorgefunden wurde. Innerhalb einer größeren Bodenplatte wurden einzelne Flächen herausgetrennt und als "schwin­gungsberuhigte" Einzelfundamente ausgeführt. Auf diesen Fundamenten sollen besonders schwingungs­empfindliche Geräte aufgestellt werden.

Bei Messungen an derartigen Fundamenten wurde in praktisch allen Fällen beobachtet, dass die Schwin­gungspegel auf solchen Fundamenten höher waren als in der Umgebung. Wie in Abb. 10 dargestellt profi­tiert ein solches Fundament nicht mehr von dem Aus­gleichsverhalten der großen Bodenplatte. Sowohl die Drehfreiheitsgrade als auch die translatorischen Frei­heitsgrade können von Bodenwellen sehr viel leichter angeregt werden als die umgebende Bodenplatte. Lediglich bei hochfrequenten Einwirkungen auf der umgebenden Bodenplatte wird durch den Trennspalt eine Verbesserung erreicht. Das Heraustrennen sol­cher Fundamente muss daher wohl überlegt sein und besonderen Sonderfällen (wie separate Tiefengrün­dung bei geschichtetem Baugrund) vorbehalten blei­ben.

Da die Reduktionswirkung einer steifen Bodenplat­te vom Verhältnis der Steifigkeiten des Baugrundes und der Bodenplatte abhängt, ist bei steifem Bau­grund (Fels) eine Schwingungsreduktion nur durch sehr große Plattendicken beziehungsweise nur für höhere Frequenzbereiche realisierbar.

4.4 Elastische Lagerung

Elastische Lagerungen zur Schwingungsisolation sind bei so hochsensiblen Nutzungen immer ein Thema. Sie werden idealer Weise da vorgesehen, wo emittie-

rende Aggregate Erschütterungen erzeugen. Dies ist mehr oder weniger bei allen HVAC-Anlagen (Heating, vacuum, airconditioning) der Fall. Bei der Schwin­gungsisolierung muss ausser auf eine ausreichend niedrige Lagerungseigenfrequenz von meistens etwa 3,5 Hz auch auf einen niedrigen Schwingungspegel des Aggregates selbst sowie seiner Anschlussleitun­gen geachtet werden. Dies ist meist nur durch ausrei­chend schwere Massefundamente möglich.

Der gelegentlich anzutreffende Gedanke, die kom­plette Fertigungsdecke oder den kompletten Ferti­gungstisch als Raum-in-Raum Lösung tieffrequent elastisch zu lagern, um so eine Reduktion der Bau­grundschwingungen zu erreichen, hat in der Vergan­genheit zu folgenschweren Sanierungsfällen geführt. Dies wird sofort einsichtig, wenn man bedenkt, dass die Nutzung dieser Flächen durch Personen Schwin­gungen erzeugt, die auch bei sehr großen trägen Massen im Frequenzbereich < 10 Hz um eine oder mehrere Größenordnungen über den zulässigen Wer­ten liegen.

5 QUALITÄTSSICHERUNG

Der Sicherung der Qualität der schwingungstechni­schen Eigenschaften und damit der Gebrauchstaug­lichkeit kommt hier eine besondere Bedeutung zu, zumal insbesondere bei Bauwerken der Nanotechno­logie die Ausrüstung mit Geräten ein vielfaches der Kosten des Bauwerkes ausmacht und bei fehlender Gebrauchstauglichkeit die Ausfallkosten immens sind.

Die baubegleitenden messtechnischen OS-Maßnahmen in Form von Steifigkeitsmessungen und Schwingungsmessungen (Abb. 11: Vibration Maps als 2h Erwartungswerte relativ zum Kriterium) haben sich bewährt. Problemstellen innerhalb der Fertigungsflä­che werden sichtbar und können behoben werden. Dieses Instrument kann auch über Jahre dazu benutzt werden, die schwingungstechnische Entwicklung (durch z.B: fortschreitenden lnnenausbau) zu beo­bachten und ggf. rechtzeitig korrigierend einzugreifen.

123

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Schwingungsanforderungen in der Nanotechnologie

Abb.12 zeigt die Steifigkeitsmessungen an 24 Messpunkten einer 10.000 qm großen Fertigungsflä­che im 2. Obergeschoss einer Nanofabrik in Europa. Die Sollwerte der asymptotischen Steifigkeit von kasy=2,0E9 N/m wurden an allen Messpunkten er­reicht. Der monolithische biegesteife Verguss der Fertigteile (Waffeltischelemente) sowie die ausrei­chend steife Auflagerung auf den Stützen wurde nachgewiesen. Die so ermittelten dynamischen Ei­genschaften dienen nicht nur der Qualitätssicherung, sondern sie können bei späteren Umbauten oder Nut­zungsänderungen auch zu präzisen Prognosen he­rangezogen werden.

6 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Bauwerke der Nanotechnologie müssen baudyna­misch sehr genau untersucht werden. Die extrem geringen zulässigen Erschütterungspegel der Ferti­gungsanlagen, insbesondere im niederfrequenten Bereich < 10 Hz, erfordern eine sorgfältige Standort­analyse sowie eine schwingungstechnische Optimie­rung des Bauwerks. Eine Reihe von Neubauprojekten

w

(t N

Abb. 11 :Vibration Map einer Produktionsfiäche, Angabe der Schwingungspegel relativ zum Kriterium [dB]

124

Dynamische Steifigkeit Waffeltisch +12,5 m 20 Impulse, LAnget: 30s, FFT·Window 1.6s, n:4096, fo'o1,0 kHz, Wir><l<lw'Rechteck

1.00E+10

I ~

~ Q

! ---M307 ~ M308 -+-M309 - M310

1,00E+<l9 . M311 --M312 -J<-M313 ~ M314

• -M315 ... M316 -M317 - M318 _,. __ M319 ·- M320

_,. -M321 -·- M322

10 100 1000 Frequenz [Hz]

Abb. 12: Steifigkeitsspektren von 24 Messpunkten einer 10.000qm Fertigungsfläche der Nanotechnik (2.0G)

der Nanotechnik wurde bis heute geplant und zum Teil bereits ausgeführt. Die aus diesen Erfahrungen resultierenden Grenzwerte für Gebäude der Nano­technologie wurden vorgestellt.

Auch zukünftig werden die Anforderungen steigen. Auf der Basis der gewonnen Erfahrungen blicken wir optimistisch auf neue Herausforderungen.

7 LITERATUR

Heiland, D., Beyer, K.: Auslegung von schwingungsempfind­lichen Produktionsstätten. Beton- und Stahlbetonbau 98, Heft 3 2003, Ernst& Sohn, Berlin

Gurr-Beyer, C., Heiland, D.: Vibration Maps - Qualitätssi­cherung in schwingungsempfindlichen Produktionsstätten. VDI-Berichte Nr. 1754, S.477-489, VDI Verlag GmbH, Düs­seldorf 2003, Vortrag 14./15. Mai 2003

Heiland, D.: dynamische Auslegung von erschütterungsar­men Produktionsstätten. Festschrift Prof. Dr.-lng.Friedhelm Stangenberg 60 Jahre. Lehrstuhl für Stahlbeton-. und Spannbetonbau, Ruhr- Universität Bochum, Oktober 2002

Amick, H., Gendreau, M. Gordon,C.: Facility Vibration ls­sues for Nanotechnology Research, Paper presented at Symposium on Nano Device Technology 2002 May 2-3, National Chia-Tung University, Hsinchu, Taiwan

Beyer, K., Heiland, D.: Schwingungsreduzierung an einem stählernen Produktionstisch im Bereich niedriger Amplituden mittels viskoser Dämpfer. D-A-CH der Deutschen Gesell­schaft für Erdbeben und Baudynamik, Berlin, 1999

Heiland, D., Beyer, K.: Vibrations in Semiconductor Fabs. Workshop on Effect of High-Speed Train Vibrations on Structures and Equipment. NCKU, Tainan, 30.4-1.5.1998

Gordon, Colin G.: Generic Criteria for Vibration-Sensitive Equipment. Proceedings of lnt. Society for Optical engineer­ing (SPIEE), Vol.1619, San Jose, CA, 11/1991

Haupt, W.: Bodendynamik. Grundlagen und Anwendung. Viaweg & Sohn, Braunschweig, 1986

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Die Übertragungsfaktoren

Dr.-lng. Oswald Klingmüller Gesellschaft für Schwingungsuntersuchungen und dynamische Prüfmethoden mbH, Mannheim

ZUSAMMENFASSUNG

Die vielfach getroffene Annahme konstanter Faktoren für die Ermittlung von Decken- I bzw. Obergeschoss­erschütterungen aus Fundamentanhaltswerten wird anhand mehrerer Fallbeispiele untersucht.

Bei stationärer Anregung wie z.B. durch Spundwand­einrüttlung sollte die in DIN 4150 Teil 1 angegebene Annahme eines konstanten Übertragungsfaktors gel­ten. Es zeigte sich aber auch ein Beispiel, wo sich bei konstanter Fundamentschwingung die Decken­schwingung ändert. Die beim Anlaufen solcher Geräte entstehenden Resonanzfälle oder resonanznahe An­regungen führen je nach Dauer des Hochfahrens in Abhängigkeit des Verhältnisses von Erregerfrequenz zu Eigenfrequenz jeweils zu verschiedenen Übertra­gungsfaktoren.

Bei Sprengungen ergibt sich eine große Streubreite, die wohl auch in der unterschiedlichen Ausbreitung der Druckwelle im Gebirge begründet ist, wodurch die Anregungswerte in unterschiedlicher Weise transfor­miert werden.

Bei der Untersuchung einer Anregung aus Straßen­verkehr zeigte sich eine systematische Abhängigkeit von den Maximalamplituden, die durch ein lineares Übertragungsmodell nicht erklärt werden kann. Auch hier muss die individuelle Transformation der Anre­gung in Abhängigkeit von z.B. Fahrzeugkonstruktion und Fahrgeschwindigkeit berücksichtigt werden.

1 EINFÜHRUNG

Bei der Prognose der Erschütterungseinwirkung auf Gebäude oder auf Menschen in Gebäuden wird häufig davon ausgegangen, dass die Freifelderschütterung beim Übergang auf das Fundament abgemindert wird und die Fundamenterschütterung zu einer verstärkten Anregung von Gebäudeteilen, insbesondere Decken führt. Für diese Übertragung vom Fundament wird ein lineares Strukturverhalten angenommen, so dass in Abhängigkeit von der Eigenfrequenz des schwingen­den Bauteils Decke ein konstanter Übertragungsfaktor angesetzt wird.

Bei der Dimensionierung von Abstimmungsauslegun­gen für Feder-Masse-Systeme im Schienenverkehr wird häufig auch eine Sprungprobe auf einer Decke ausgeführt und aus der so ermittelten Eigenfrequenz die Übertragung vom Fundament auf die Decken er­mittelt. Auch dieses Vorgehen hat als Vorraussetzung, dass der Übertragungsfaktor ein allein strukturabhän­giger Wert ist und für ein Bauwerk als konstant anzu­sehen ist.

Die DIN 4150 gibt im Abschnitt 1 - Vorermittlung der Schwingungsgrößen - Abschnitt 4.3 Übertragung auf Bauwerke - an, dass eine solche Abschätzung kon­stanter Übertragungsfaktoren nur für überwiegend harmonische gleichphasige Anregung gilt. Als konser­vative Abschätzung wird der Resonanzwert 1/(2 Do) angegeben. Für Do = 0,02 bis D=0,05 ergibt sich ein Übertragungsfaktor von 10 bis 25.

Die Bedeutung der Erschütterungen in den oberen Geschossen ergibt sich einerseits aus den Vorgaben der DIN 4150 Teil 2 für die lmmissionswerte, die auf den Decken der bewohnten Räume zu bestimmen sind, andererseits auf den Vorgaben des Teils 3 für die Beurteilung der Einwirkungen auf Gebäude. ln Tabelle 1 werden Anhaltswerte für die oberste De­ckenebene angeben. Es wird zwar einerseits in Ab­schnitt 5.1 angegeben, dass für die Beurteilung der

125

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Die Übertragungsfaktoren

Einwirkungen die Schwingungen in der obersten De­ckenebene "wesentliche Hinweise" geben. Weiter unten heißt es in diesem Abschnitt, dass wenn die Anhaltswerte der Tabelle 1 eingehalten werden, Schäden im Sinne der Verminderung des Gebrauchs­wertes nicht auftreten. Das heißt aber auch, dass die Erschütterungen in der obersten Deckenebene be­kannt sein müssen. Diese müssen entweder durch Messungen oder aus den Fundamentwerten mit zu­verlässigen Übertragungsfaktoren bestimmt werden.

Vor allem bei dem zurzeit bestehenden hohen Kos­tendruck wird häufig auf eine Messung in der obersten Deckenebene verzichtet und nur die Messung an den Fundamenten zur Beurteilung herangezogen.

2 MESSUNGEN

2.1 Tunnelsprengung

Bei einer Überwachung einer Tunnelbaumaßnahme wurde seitens der Bauüberwachung die Messung in den oberen Stockwerken als Oberflüssige Maßnahme angesehen. Bei dem Versuch, zuverlässige Übertra­gungswerte zu ermitteln, zeigte sich, dass die Werte in einem größeren Bereich streuen als angenommen. Es konnte auch keine Systematik festgestellt werden.

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Erschütterun­gen. Das Überwachungsprogramm sah vor, die Er­schütterungen schon zu einem frOhen Zeitpunkt zu messen, nämlich ungefähr zu einer Zeit als die Er­schütterungen am Einwirkungsort spürbar wurden. Erst wenn eine Annäherung an die Anhaltswerte der Tabelle 1 der DIN 4150 Teil 3 festgestellt wurde, wur­de auch eine Messstelle in der obersten Deckenebe­ne eingerichtet (siehe Abb.2). Für diesen Zeitraum bis zum Abbruch der Messungen konnten die Übertra­gungsfaktoren als Verhältnis der Schwingungen in der

Schwinggeschwindigkeiten und

zugehörige Frequenzen

x-Richtung y-Richtung z-Richtung

[mm/s]([Hz]) [mm/s]([Hz]) [mm/s]([Hz])

Keller I 0,35 (19) 0,36 (21) 1,11 (38))

Fundament

Dach 0,92 (29) 0,64 (21) 3,38 (18)

Übertragung 2,63 1,78 3,05

Tabelle 1: Übertragungsfaktoren für Spundwandrüttlung

126

obersten Deckenebene zu den Schwingungen am Fundament bestimmt werden.

Da bei der vorstehend beschriebenen Überwachung lediglich die Maximalwerte der Ereignisse aufgezeich­net wurden, konnte eine genauere Analyse nicht vor­genommen werden. Es konnte lediglich festgestellt werden, dass für die vertikalen Deckenschwingungen ein leichter Trend zu erkennen ist, dass die Übertra­gungsfaktoren mit der absoluten Größe der Erschütte­rungsamplituden ansteigen (siehe Abb.3).

2.2 Spundwandrammung mit ROttelgerät und Vibrationsverdichtung

Die DIN 4150 gibt in Teil 1 an, dass Übertragungsfak­toren bei Gleichphasigkeit der harmonischen Erre­gung, z.B. bei SpundwandeinrOttelung oder Vibrati­onsrammung, wohl definiert sind.

Beim Anlaufen des ROttelgeräts zeigt sich eine Reso­nanzanregung der vertikalen Deckenschwingung im Obergeschoss, wobei sich ein Übertragungsfaktor von ca. 10 ergibt (siehe Abb. 4 unten). Beim Übergang zum Dauerbetrieb bei 40 Hz ist die Reaktion im Ober­geschoss gering und es ergibt sich ein Übertragungs­faktor von 0, 1. Wenn lediglich aus den Maximalwerten der Übertragungsfaktor bestimmt wird, ergibt sich dieser zu 3,05 (vgl. Tabelle 1 ). Wie zu erkennen ist, tritt allerdings der Maximalwert am Fundament zu einer ganz anderen Zeit auf als der auf der Decke des Obergeschosses. Zwischen diesen Messwerten be­steht also gar kein mechanisch definierbarer Zusam­menhang.

Auch in den horizontalen Erschütterungen zeigt sich dieser Effekt der ansteigenden Frequenz beim Anfah­ren des ROttelgeräts (siehe Abb. 5).

Diese Unterschiede in den Übertragungswerten erge­ben sich somit eindeutig aus dem Eigenschwingver­halten des Gebäudes und dem Unterschied zwischen einer erzwungenen Schwingung und einer Anregung im Resonanzbereich.

Bei einer anderen Spundwandrammung konnte eben­falls die Resonanzanregung beim Anlaufen festge­stellt werden, wobei sich das Verhältnis von Anre­gungsamplitude zu Reaktionsamplitude nur in Abhän­gigkeit der Frequenz feststellen lässt. Überraschend ist das Anwachsen der Reaktionsamplitude bei kon­stanter Frequenz und konstanter Anregungsamplitude (siehe Bild 6). Als ein durch die Dämpfung begrenztes Aufschwingen kann dieses Verhalten nicht erklärt

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werden, da das Aufschwingen sehr langsam mit vie­len Lastwechseln erfolgt, was nur bei einer unbegrün­det hohen Dämpfung erwartet werden kann. Zudem nimmt im späteren Verlauf der Anregung die Reakti­onsamplitude wieder ab (diese nachfolgende Mess­sequenz ist hier nicht gezeigt).

Gegenüber der Spundwandrammung ist eine Verdich­tung mit Vibrationswalze oder Rüttelplatte zwar eben­falls durch einen harmonische Anregung dominiert, durch das Hin- und Herfahren und den variierenden Abstand zum Messpunkt sowie die kontinuierliche Veränderung des zu verdichtenden Materials ergibt sich aber eine maßgebliche Beteiligung anderer Fre­quenzen (siehe Abb. 7).

Das Amplitudenspektrum in Abb. 8 zeigt, dass das Bauwerk aus dem Frequenzangebot im Wesentlichen die Deckenschwingungen herausfiltert, wobei die Re­sonanzanregung im Anfangsbereich der Messung, beim Anlaufen des Geräts deutlich ist, während in der Arbeitsfrequenz nur eine geringe Beteiligung der De­ckeneigenschwingung zu erkennen ist.

Trotz im Wesentlichen harmonischer Anregung ist somit ein Übertragungsfaktor nicht eindeutig definiert. Dies lässt sich auch daran erkennen, dass verschie­dene Ereignisse bei einer einfachen Relation der Ma­ximalwerte jeweils unterschiedliche Übertragungsfak­toren ergeben (siehe Tabelle 2).

Schwinggeschwindigkeiten und Übertragungsfaktoren für zwei Ereignisse

X-Richtung y-Richtung z-Richtung

Keller/ 0,62 mm/s 0,44 mm/s 0,74 mm/s

OG 2,92 mm/s 2,38 mm/s 3,69 mm/s

Übertragung 4,7 5,4 5,0

Keller/ 1,75 mm/s 0,61 mm/s 1,09 mm/s

OG 1,4 mm/s 1,14 mm/s 1,77 mm/s

Übertragung 0,8 1,9 1,6

Tabelle 2: Einfache Maximalwertübertragung bei Rüttel­rammung

2.3 Untertägige Gewinnungssprengung

Bei einer gewerberechtlich erforderlichen Erschütte­rungsüberwachung ist die Einhaltung der Messwerte nach DIN 4150 Teil 2 nachzuweisen. Das heißt es

Die Übertragungsfaktoren

darf keine erhebliche Belästigung im Einflussbereich der Erschütterungsausbreitung bei normaler Nutzung der Wohnungen geben. Das hieße aber, dass auch in den am meisten benutzten Räumen gemessen konti­nuierlich werden müsste. Das ist aber nicht möglich, da bei der Benutzung der Räume durch Hin- und Her­gehen häufig höhere Erschütterungen auftreten als durch die Sprengungen. Die erhebliche Belästigung ergibt sich daraus, dass die Erschütterungseinwirkung wahrgenommen wird, wenn im übrigen Ruhe im Ge­bäude ist. Um eine Überwachung zu ermöglichen muss somit eine Messstelle gewählt werden, an der es möglichst wenige Störungen gibt. Die möglichen Erschütterungen in Deckenmitte der Wohnräume müssen dann durch Übertragungsfaktoren abge­schätzt werden.

Bei einer ersten Auswertung in einem modernen Ge­bäude mit Betondecken zeigten sich bei jeder Spren­gung unterschiedliche Übertragungsfaktoren Keller­Obergeschossdecke (siehe Tabelle 3).

Eine Untersuchung des zeitlichen Verlaufs der Er­schütterungen ergab, dass die Maximalwerte auf den Decken unabhängig waren von den Maximalwerten im Keller.

Die jeweiligen Maximalwerte sind in Abb. 9 durch

Messung 3

z z X X y y

OG 0,71 -0,63 0,78 -0,92 0,71 -0,59

Keller 0,12 -0,14 0,16 -0,23 0,22 -0,18

Übertragung 6,08 4,32 4,81 3,98 3,27 3,30

Absolutwerte 6,08

Amplituden · 5,11

Messung 5

z z

5,65

4,32

X X

3,95

3,29

y y

OG 0,65 -0,63 1 ,04 -0,99 0,60 -0,54

Keller 0,12 -0,18 0,21 -0,21 0,25 -0,19

Übertragung 5,34 3,48 4,85 4,65 2,37 2,84

Absolutwerte 5,34 4,88 3,16

Amplituden 4,23 4,75 2,57

Tabelle 3: Übertragungsfaktoren bei Gewinnungs­sprengungen

127

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Die Übertragungsfaktoren

Kreuze in den Zeitverläufen gekennzeichnet.

Bei einem anderen Gebäude mit weichen Holzbal­kendecken zeigt sich ein direkter Zusammenhang zwischen den Maximalamplituden bei einer Spren­gung, indem die Maximalwerte jeweils bei der ersten Zündung auftreten (siehe Abb. 1 0).

Bei einer späteren Sprengung treten die Maximalwer­te auch bei derselben Zündung auf (siehe Abb. 11 ).

Eine Spreizung im Zeitbereich zeigt in Abb. 12 aber, dass zwischen den beiden Maximalwerten kein direk­ter mechanischer Zusammenhang besteht.

Die Festlegung der Übertragungswerte um eine Ü­berwachung durch die Messungen im Keller zu er­möglichen, ist also für jedes Gebäude individuell aus mehreren Sprengungen zu bestimmen.

2.4 Straßenverkehr

Aufgrund einer Beschwerde wegen Risseschäden waren Erschütterungen aus Straßenverkehr zu bestimmen. Bei einer Messung von 9 Uhr bis 18 Uhr wurden ca. 120 Ereignisse bei Überschreitung der Triggerschwelle von 0,1 mm/s im Keller aufgezeich­net. Das Gebäude liegt ca. 35 m entfernt von einer Hauptverkehrsstraße mit einer etwas unregelmäßigen Straßendecke. Obwohl das Gebäude, ein Einfamilien­haus, nicht direkt an der Straße lag und sogar durch ein vierstöckiges Mehrfamilienhaus mit Kellergaragen gegenüber der Straße abgeschirmt war, konnte durch die Messung bestätigt werden, dass die Erschütterun­gen im Arbeitszimmer des BewÖhners deutlich spür­bar sind.

Zur Beurteilung der Erschütterungen nach DIN 4150 Teil 2 und Teil 3 wurde im Keller (Fundamentanhalts­werte) und in der Mitte der Decke des Arbeitszimmers gemessen, da dort die Erschütterungen am deutlichs­ten wahrgenommen wurden.

Eine Sortierung der Maximalwerte der aufgenomme­nen Zeitverläufe zeigt einen deutlichen Trend, dass die Übertragungsfaktoren bei kleineren Anregungs­amplituden geringer werden (siehe Abb. 13).

Während dieses Verhalten auf einen nichtlinearen Zusammenhang hindeutet, der bei den geringen Deh­nungen nicht zum üblichen mechanischen Modell passt, lässt sich die große Streubreite durch eine ge­nauere Betrachtung des Zeitbereichs erklären.

128

Bei zwei Messungen mit Amplitude 1 mm/s im Ar­beitszimmer ergab sich für die eine ein Übertra­gungswert von 5,74 und für die anderen von 9,02. Wird im Zeitverlauf die Z-Richtung betrachtet, zeigt sich für die eine Messung ein unregelmäßiger Verlauf der Erschütterungen im Keller, bei der Messung mit Übertragungsfaktor 9,02 zeigt sich eine an­/abschwellende Schwingung, die zudem noch im Fre­quenzbereich der Eigenschwingung der Decke ent­spricht (siehe Abb. 14).

Die Streuung in den Übertragungswerten ist somit den unterschiedlichen Anregungen durch die LKWs zuzu­schreiben. Je nach Fahrzeugkonstruktion und wahr­scheinlich auch Geschwindigkeit ergibt sich für den Messpunkt Fundament eine unterschiedliche Anre­gungscharakteristik.

3 SCHLUSSFOLGERUNGEN

Die Untersuchung der Übertragungsfaktoren zeigt, dass vielfach auch für instationäre Anregung verwen­dete konstante Werte jeweils einer genaueren Be­stimmung bedürfen. Auch bei gleichartigen Anregung am Fundament können die Unterschiede zu unter­schiedlichen Schwingungen auch der Decken führen, wie anhand von Gewinnungssprengungen und Stra­ßenverkehr gezeigt wird.

Weiterhin lassen sich Zusammenhänge zwischen Erschütterungsamplituden und Übertragungsfaktoren bestimmen, die durch ein lineares mechanisches Mo­dell nicht erklärt werden können.

Die lineare Modellbildung kann zwar Unterschiede bei resonanznaher Anregung im Anfahrbereich von Vibra­tionsgeräten erklären, nicht jedoch die auch bei kon­stanter Anregung auftretenden Abweichungen in der Reaktion. Auch ein solches Verhalten kann durch ein lineares Modell nicht erklärt werden.

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Die Übertragungsfaktoren

ANHANG: ABBILDUNGEN

~14~.~ooo~=-----~================~--~~3o~.o~o~==============================~

---vx 12,00 10,00

8,00 6,00

4,00 2,00

0,00

~ vy 1------------c:-------c~"H ~VZ'J-----

13 01 2003 01 02 2003 24 02 200

Abb. 1: Schwinggeschwindigkeitsamplituden

im Keller/Fundament

t~~---------'·00 '·'"' ,_oo

''"' •. oo 0,00 .

1 4 1 w 13 16 19 ~ ~ ~ a1 M ~ ~ a e

----------

Abb 3 : Übertragungsfaktoren ab 6.2.2003, z, x und y

Keller Vz = 1,11 mm!s

1rnrrJo

O.S rnmlo

-o,; "''"''

Dachgeschoss Vz = 3,38 mm/s

3 ,.,.,,

2 .... ,,

1 .... ,,

·1 mml'

·2 mmlo

-3 .... ,,

Abb 4 : Erschütterungen bei Spundwandrammung

::.·::.-·- 1=~1---. vx

15,00

10,00 i----p

5,00

0,00 +--=------_;:_~ __ "_l,(___ _ _.:._ ____ ---1

0 10 20 30 40

Abb. 2 :Schwinggeschwindigkeitsamplituden

OG ab 6.2.2003 bis 24.2.2003

----- ,--------"',="''

50

z

(Zeitbereich 10 s, Wertebereich oben 1 ,25 mm/s, unten 4 mm/s)

129

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Die Übertragungsfaktoren

Keller maxvx = 0,35 mmls

1 mmlo

0,5 rnmlo

,, ,, -0,5 rnrnlo

-1fl\tfa\:

Dachgeschoss maxvx = 0,92 mmls

2 mmlo

1 mmlo

,, ,, ,, ,, -1 .. mlo

·2 mmlo

Abb 5 : Erschütterungen bei Spundwandrammung

Keller Obergeschoss - Deckenmitte

I :=·· -- ---~- ------~

! :~··1+-------------1 : ,_., 'I. I .'.:·J+-----,.----."..----.,....---..."~.1 I_,_., I

,! i ·-Lf-41 .... _ ..... ____ 11!!1111 ________ 1111!

' ~=·<

Abb 6 : Spundwandrammung mit ungewöhnlicher Reaktion in Z-Richtung

(Messbereich 30 Sekunden, Amplitude 4 mm/s)

Keller

130

Deckenrand

X

,, "'

X

,,

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Die Übertragungsfaktoren

Abb 7 : Anregung durch Rüttelplatte (gesamte Messzeit oben : 30 Sekunden; Anfangsbereich 5 Sekunden unten Amplitude obere Begrenzung : links 4 mm/s, rechts 0,8 mm/s)

Keller Deckenrand

-------------- ----------- ---;_1:----- ,, _________ _

L/\ , __ ii..J

•• •• i&(

Abb 8 : Anregung durch Rüttelplatte - Amplitudenspektrum - Z -Richtung

----------,

I II

)'-.

(oben : Anfangszeitbereich der Messung, unten : mittlerer Zeitbereich; Frequenzbereich 130 Hz)

131

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Die Übertragungsfaktoren

3.Messung 5.Messung

~~~~-~~~~:,~;~·~W~~~'~'~---~~ rK7"v:RictiiungKellei- - -- - --- - - -

fE~~~:~;~~:;m:~ ~ '' ~ '* •• 1: K7 Y -Ricl1tung Keller

50 100 5D 100

Abb 9 : Messung Keller und OG bei Gewinnungssprengungen

Keller VZ max = 0, 58 mm!s

:~~t 11>""1' .. ~ I<~ """''"fi4'1"* + -t >1'1->r-i Dachgeschoss max Vz = 1,56 mm/s

Abb 10: Schwinggeschwindigkeiten bei Gewinnungssprengungen

132

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Keller: max Vz = 0,34 mm!s

'~!-~~·-..~~-~·"""' .. .... . .,..!.,.=;,,:-f" •.• .,.... --r-· rl ·~· tl ,i- ..... , .... _,, _ ........ . .

OG max Vz = 1,69 mm/s

Abb 11 : Schwinggeschwindigkeiten bei Gewinnungssprengungen

Ausschnitt Keller mit max Vz = 0,34 mm!s, LlT = 0,157 sec, Zeitbereich 0,4 sec

'';ll, "' ~c '·~iV V·T~viT) v~r~··lf'a, .. V V '\jm·'' '·.· '•=· ·0->-'> ' 'J • -o.•"""' .,.._,, . .

Abb 12 : Schwinggeschwindigkeiten bei Gewinnungssprengungen

10,00

9,00

~ 8,00 .9 7,00 -"' .l!1 cn 6,00 Cl c

5,00 :::> Cl ~ 4,00 1:: Q)

3,00 ..c ':::l

2,00

1,00 abnehmende Maximalamplituden

0,00

0 50 100

Abb 13: Übertragungsfaktoren bei Straßenverkehr

Die Übertragungsfaktoren

'

133

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Die Übertragungsfaktoren

Straßenverkehr- Übertragungsfaktor 5, 7 4

11 11.733 12 ' 11 12

12[mmls]

0.004 mmfsJ7.~ Hz

I~N\Ai1-ltt\fllltt\liillttttf1/'if"tP~~""""'"'t1'<11 . Jlilbi. l . . . •. . . o Nvr1_11

' :1. ViJ\kf:~;~,.,.M!N,,":r.f'A',.•·<·""·~--~~---J 10: ffi(K4'0.01) X-Richtung Keller

l/>lloAf.rf'l.t1i''\fb!..\i'I!Jl-!l\il11il\\i\/v~!.'\NI..of\.o/Jrol\iss,lo\\l• \~O,,,JW'I,!;I'-/~~~o.oo" mm1:1 ~~rm'"

. -- ~"j"~.JY I • oWl'\",•YI~~~'""'IN.{'Y~""'I,J~A..v"~~~-__j II 12: ffi(K6'0.01) Y-Rich!ung:KeDer

20 Hz 10 20 30 40 Hz

Übertragungsfaktor 9,02

10.5 11.0 11.173 11.5 10.0 10.5 11.0 11.5

1.2{mmfs]

~~~~+l-l+\fi+\-Ai'lf\M~~~"'t/':d',Niooo%[m~'~ ~~v~~' o •• ,;.J 'V IV ~flv,._~,~.-,.,M..;...v/'.'\''"-·····"·'-""-~·-~· 4: ffi(K3'0.01) X-Rich!t.rngArbellszimmer !

~-0-~).mm~s,J --; _ _ 11 -._1550~z _ i

~V\I\+l#l+f1rftAAttf\!Jrftf'Jlo'V-~~""""'~1 ~ \ i~V/I~W/'I\1 11 • · I _o "ö~ijl;1_~-l~~ ~~i/'l'lJ.f\•-"-,..")\''V'o...<r,·""-·r..--.,_._,.~-~""'~,_j 8: fft{K2'0.01) Z-Richlung Ke~er

12.63 Hz

20 " "' Abb 14 : Deckenanregung bei Straßenverkehr

134

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Zerstörungsfreie Ermittlung der Steifigkeiten einer Brettsperrholzplatte

Daniel Gsell, Glauco Feltrin, und Masoud Motavalli Abteilung Ingenieur-Strukturen, Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), Dübendorf

1 ZUSAMMENFASSUNG

Brettsperrholzplatten (Massivholzplatten) werden in Holzbauten zunehmend als tragende Elemente einge­setzt. Holz ist ein flexibler Baustoff, deshalb wird die Dimensionierung von belasteten Holzkonstruktionen durch Gebrauchstauglichkeitskriterien wie die Be­schränkung der maximalen Durchbiegungen und Schwingungsamplituden bestimmt. Dies erfordert Kenntnisse über die elastischen Eigenschaften des Werkstoffes. in diesem Beitrag wird eine zerstörungs­freie Methode zur Bestimmung globaler, elastischer Eigenschaften von kreuzweise verleimten, rechtecki­gen Holzplatten vorgestellt. Die experimentelle Mo­dalanalyse zur Ermittlung der Resonanzfrequenzen und Schwingungsformen ist der wesentliche Bestand­teil dieser Methode. Ein Simulationsmodel, basierend auf Reddy's Plattentheorie, wird verwendet um die Resonanzfrequenzen und Schwingungsformen in Funktion der elastischen Eigenschaften zu beschrei­ben. Alle drei Schubmoduli und zwei Steifigkeiten in der Plattenebene konnten durch Minimieren der Feh­lerquadrate zwischen experimentell bestimmten und theoretisch berechneten Resonanzfrequenzen erfolg­reich bestimmt werden. Die Schwingungsformen wer­den über die MAC-Werte identifiziert und einander zugeordnet.

Durch den Vergleich der experimentellen und theo­retischen Schwinungen, sowie mit Hilfe eines stati­schen Biegeversuches, konnte gezeigt werden, dass das angenommene globale, orthotrope Materialverhal­ten das mechanische Verhalten der Massivholzplatte, bezüglich Verformungen und Schwingungen, hinrei­chend genau beschreibt.

2 EINFÜHRUNG

Aufgrund seiner Mikro- und Makrostruktur weist Holz ein stark anisotropes Verhalten auf. Parallel zu den Fasern ist die Steifigkeit als auch die Festigkeit um eine Grössenordnung höher als senkrecht zu den Fasern. Holz ist ein natürlicher gewachsener Werk-

stoff und es ist auf Grund seiner Funktion im Baum nicht homogen. Astansätze, Faserwinkeländerungen, Druckholz und andere Strukturelemente führen zu starken lokalen Variationen der mechanischen Eigen­schaften, als auch zu Spannungskonzentrationen. in den Konstruktionsnormen wird dies mit tiefen zulässi­gen Spannungen und niedrigen elastischen Eigen­schaften berücksichtigt. Um diese Nachteile aus­zugleichen, werden durch Verleimen kleiner Elemen­te, grosse Bauteile hergestellt. Dadurch werden die Defekte über ein grosses Volumen verteilt, was in einer Homogenisierung der Eigenschaften resultiert. Diese Technik erlaubt aus Schnittholz minderer Quali­tät Bauteile hoher Güte herzustellen. Durch eine kreuzweise, rechtwinklige Anordnung der starken Faserrichtung einzelner Lagen kann durch Verkleben eine Platte aufgebaut werden, welche vorbestimmte Steifigkeiten in beiden Hauptrichtungen besitzt.

Holz ist ein relativ weicher und leichter Werkstoff. Die Bemessung von Holzkonstruktionen wird über­wiegend durch . Gebrauchstauglichkeitskriterien be­stimmt. Die Qualität der Vorhersage des mechani­schen Verhaltens und damit die Wirtschaftlichkeit des Bauteils sind stark von der Genauigkeit der elasti­schen Materialeigenschaften abhängig. Es bedarf daher leistungsfähiger, zerstörungsfreier Methoden zur Materialcharakterisierung. Um den konstruktiven Ingenieuren vereinfachte Berechnungsmodelle zur Verfügung zu stellen, sollen über die Plattendicke verschmierte, globale orthotrope Eigenschaften be­stimmt werden. Es gilt zudem zu zeigen, dass diese Vereinfachung das wirkliche Verhalten hinreichend genau abbildet.

Die zerstörungsfreie Bestimmung elastischer Ei­genschaften anisotroper Materialien ist ein gut er­forschtes Gebiet. Ditri (1994) und Rose (1999) mas­sen Phasengeschwindigkeiten ebener elastischer Wellen in unterschiedliche Materialrichtungen. Durch die Lösung der Christoffei-Gleichungen können die elastischen Eigenschaften bestimmt werden. Bucur et al. (1984) haben diese Technik auf kleine Holzproben

135

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Zerstörungsfreie Ermittlung der Steifigkeiten einer Brettsperrholzplatte

angewendet. Chimenti (1997) und Gsell et al. (2004) benutzten geführte mechanische Wellen in platten­und hohlzylinderförmigen Strukturen um die Eigen­schaften zu ermitteln. Alle diese Methoden ermögli­chen die Bestimmung quasi lokaler Materialeigen­schaften, es werden nur die Gebiete berücksichtigt, welche auch von der Welle durchlaufen werden. Um globale Aussagen zu erhalten, müssen statische oder dynamische Experimente an grossen Strukturen durchgeführt werden. Da statische Versuche kostenin­tensiv sind, zeigt sich die Modal Analyse als effiziente und präzise Alternative um elastische Eigenschaften zu bestimmen (Frederiksen (1997a), Frederiksen (1997b) und Larsson (1997)). Diese Verfahren basie­ren auf drei Hauptschritten. Im Experiment werden die Resonanzfrequenzen und Schwingungsformen be­stimmt. Ein analytisches Modell der Struktur wird he­rangezogen. Es. beschreibt die Resonanzfrequenzen und Schwingungsformen in Funktion der zu bestim­menden, elastischen Eigenschaften. Danach wird das inverse Problem gelöst. Durch systematisches An­passen der unbekannten, elastischen Parameter wer­den die theoretisch berechneten Resonanzfrequenzen mit den im Experiment bestimmten Frequenzen opti­mal in Übereinstimmung gebracht. Alle benötigten Verfahren sind einzeln in der Literatur ausführlich dokumentiert und müssen noch kombiniert werden.

Die Grundlagen der experimentellen Modal Analy­se sind in ·Maia et al. (1997) ausführlich beschrieben. Aufgrund seiner Effizienz wird hier die Matrix-Pencii­Methode von Hua et al. (1990) in Kombination mit dem Modell-Wahl Kriterium von Akaike (1974) imple­mentiert.

Verschiedenste Plattentheorien sind veröffentlicht worden; angefangen mit der Theorie von Kirchhof!, welche das dynamische Verhalten dünner, isotroper Platten im niedrigen Frequenzbereich beschreibt. Aufgrund des schubweichen Verhaltens der Holzplat­ten müssen Schubverformungen berücksichtigt wer­den. Reissner-Mindlin (Mindlin (1951)) Plattentheorien beinhalten dies. Die Schubspannungen werden kon­stant über die Plattendicke angenommen, weshalb ein Schubkorrekturfaktor eingefügt werden muss. ln die­sem Beitrag wird der anisotrope Ansatz von Reddy (1984) benutzt: Kubische Ansatzfunktionen werden über die Plattendicke angesetzt. Daraus resultiert eine quadratische Schubspannungsverteilung, so dass auf die Einführung der Korrekturfaktoren verzichtet wer­den kann.

Das inverse Problem wird mit dem nichtlinearen Parameterschätzalgorithmus von Britt et al. (1973) gelöst, was einen iterativen Prozess zur Folge hat. Um eine voll automatische Methode zu erhalten, wer-

136

Abb. 1: Geometrie der Massivholzplatte und verwende­tes Koordinatensystem.

den mit Hilfe der MAC-Werte jeweils die theoretisch bestimmten den entsprechenden experimentell ermit­telten Schwingungsformen zugeordnet.

3 METHODIK

3.1 Material und Geometrie der Probe

Die hier untersuchte Massivholzplatte besteht aus Nadelholz (Fichte, picea abies karst. ). Die Platte ist aus drei Schichten aufgebaut. Die Deckschichten weisen gleiche Faserrichtungen auf, während die Mittelschicht senkrecht dazu orientiert ist. Die Schichtstärken betragen 10/50/10 mm, wodurch ein symmetrischer Aufbau resultiert. Die einzelnen Schichten sind wiederum aus kleineren, verleimten Holzbalken mit Rechteckquerschnitten aufgebaut. Die Dimensionen der dynamisch untersuchten Platte betragen: 2a = 1.5m , 2b = l.Om und 2h = 0.07m (Abb. 1 ). Diese Platte wurde aus einer grösseren mit den Dimensionen 2a = 2.5m und 2b = 2.5m herausge­schnitten. Der statische Biegeversuch wurde an der grossen Platte durchgeführt. Die Massivholzplatte wurde während mehreren Monaten in einem klimati­sierten Raum bei einer Temperatur von 20"C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 50% gelagert. Da­durch wird eine Gleichgewichtsfeuchte der Platte von 11% erreicht.

3.2 Analytisches Modell

Die Eigenschwingungsformen und die Resonanzfre­quenzen sollen in Abhängigkeit der elastischen Kon­stanten dargestellt werden. Es werden ausschliesslich Biegeschwingungen der Platte betrachtet. Im hier untersuchten Frequenzbereich sind die auftretenden Wellenlängen deutlich grösser als die Dicke der Platte sowie deren Mikrostruktur. Als gute Näherung kann daher das Material als homogen angenommen wer­den und das Modell kann auf effektiven Malerialei­genschaften basieren. Das linear elastische Gesetz für orthotrope Werkstoffe schreibt sich

(1)

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Zerstörungsfreie Ermittlung der Steifigkeiten einer Brettsperrholzplatte

Dabei sind CüM die neun unabhängigen Elemente des Steifigkeitstensors, aü und "" die Elemente des Spannungs- bzw. Dehnungsvektors. Im Folgenden werden die vier Indizes des Spannungstensors auf zwei zusammengezogen. Ein ebener Spannungszu­stand a 33 = 0 wird angenommen, was zu folgender Beziehung führt

(2)

die in Gleichung (1) eingesetzt wird. Im Werkstoff Holz ist der Elastizitätsmodul in Richtung der Faser um mehr als eine Grössenordnung grösser als die Schub­moduln senkrecht dazu. Schubdeformationen müssen somit berücksichtigt werden. Deshalb führt Reddy (1984) im Verschiebungsfeld der Platte neben Rotati­onsfreiheitsgraden, die eine lineare Abhängigkeit in Dickenrichtung ergeben, zusätzlich quadratische und kubische Terme ein. Aufgrund der Randbedingun­gen an(z = ±h) = 0 und a 23 (z = ±h) = 0 können die quadratischen Terme nicht existieren und eine Bezie­hung für die kubischen kann hergeleitet werden. Das führt zu folgendem, dreidimensionalen Verschie­bungsfeld

/ 0 l j ) 0 --;;;-,;- !t'.(x,y)

z-1,- -i"!- . lf/2(x,y)

0 I u30

(x,y)

(3)

Die Verschiebungen in Richtung k werden mit u, be­zeichnet. u30 ist die Querverschiebung der Plattenmit­telfläche und \1', sind die Rotationen der Normalen zur Mittelebene. Somit wird angenommen, dass die Ver­schiebung u3 unabhängig von der Dickenkoordinate ist, was im betrachteten Frequenzbereich zulässig ist. ln der Zeit wird ein harmonischer Ansatz, mit w als Kreisfrequenz, angenommen.

Die zweidimensionalen Rotations- und Verschie­bungsfelder werden mit dem Produkt von zwei voll­ständigen Reihen von Legendre-Polynomen paramet­risiert. Die Felder können dargestellt werden als

(4)

wobei q, die Koeffizientenvektoren und p der Vektor mit den Legendre Polynomen der Ordnung L ist. Mit der Gleichung (4) kann (3) geschrieben werden als

Ü = r·p ·q ·eiUJI (5)

wobei r die· Operatormatrix der Gleichung (3) ist. Mit linearen, kinematischen Relationen, in denen die Dehnungen über die Operatormatrix D mit den Ver­schiebungen verknüpft sind, und durch Anwendung des Hamilton'schen Prinzips, unter Annahme von spannungsfreien Rändern, kann das dynamische Verhalten der Platte in Integralform wie folgt beschrie­ben werden

öq' fp'r'o'corpqdV -öq' fpm'p'r'rpqdV = o (6) V i

Der erste Term stellt die Variation der elastischen Energie und der zweite Term die Variation der kineti­schen Energie dar. Wird die Gleichung (6) über das Plattenvolumen integriert, resultiert das folgende Ei­genwertproblem

(7)

K ist die Steifigkeitsrnatrix und M stellt di.e Massen­matrix dar. Aufgrund der Orthogonalität der Legendre­Polynomen ist M diagonal, wodurch das Eigenwert­problem einfach und effizient gelöst werden kann.

Die Genauigkeit des beschriebenen Modells ist von der Wahl der Polynomordnung L abhängig. ln Abb. 2 sind einige ausgewählte Frequenzen in Funkti­on der Polynomordnung dargestellt. Wobei die relati­ven Änderungen bezogen sind auf die jeweilige Fre­quenz berechnet mit der Ordnung L = 19 . Die Fre­quenzen wurden mit den Geometrie- und Materialda­ten der Massivholzplatte berechnet, welche hier un­tersucht wird. Die grösste relative Differenz einer Re­sonanzfrequenz berechnet zwischen Polynomordnun­gen L = 17 und L = 19 , der ersten 25 Schwingungs­formen, was einen Frequenzbereich bis 1 kHz ab­deckt, beträgt weniger als 0.1 %. Somit ist der Ansatz der Rotations- und Verschiebungsfelder basierend auf Legendre-Polynomen der Ordnung L = 19 für das Plattenmodell hinreichend genau.

3.3 Experimentelle Modal Analyse

137

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Die Feuchtigkeit des Holzes hat einen grossen Ein­fluss auf die elastischen Materialeigenschaften, des­halb werden die Experimente in einem klimatisierten Raum durchgeführt. in dynamischen Versuchen sind Randbedingungen wie Einspannungen oder einfache Auflager kaum sauber realisierbar, da immer ein Teil der mechanischen Energie abfliesst, anstatt vollstän­dig reflektiert zu werden. Deshalb wird hier die freie Konfiguration untersucht. Um freie Ränder zu realisie­ren, wird die Platte an leichten, dünnen und langen Fäden aufgehängt. Ein Impulshammer (PCB 086D20) wird verwendet, um die Struktur anzuregen. Eine möglichst breitbandige Anregung wird durch die Wahl einer harten Hammerspitze erreicht. Die Platte wird an 56 Punkten angeregt, angeordnet auf einem gleich­mässigen 7 mal 8 Gitter, wie dies in Abb. 3 ersichtlich ist. Um die Messresultate mitteln zu können, wird jeder Punkt 10-mal angeschlagen. Die dynamische Antwort der Platte wird mit kleinen, leichten Beschleu­nigungssensoren (Kistler 8636C1 0) delektiert. Die Sensoren sind auf der Rückseite der Platte angeord­net. Damit möglichst jede Schwingungsform erfasst wird, werden zwei Sensoren im Bereich der Ecken der Platte und einer etwas neben der Mitte angebracht. Die analogen Signale werden digitalisiert und gespei­chert (OROS OR38).

An jedem Messpunkt wird die. Übertragungsfunkti­on für jeden Hammerschlag berechnet. Im Frequenz­bereich erfolgt die Mittelung der 10 Signale des glei­chen Messpunktes. Diese gemittelten Übertragungs­funktionen werden zurück in den Zeitbereich trans­formiert, was zu den Impulsantworten führt. Diese Vergehensweise ist schematisch in Abb. 4 dargestellt. Die Impulsantwort x. (t) des Punktes j der Struktur

1 .

kann, wie in Gleichung (8) gezeigt, als Summe von M Exponentialfunktionen dargestellt werden

10.-----~------~------r------r----~

9 11 13 15 17 19

Polynomerdung

Abb. 2: Konvergenz einiger Resonanzfrequenzen der untersuchten Massivholzplatte bei Erhöhung der Polynomordnung.

138

~EJ 0 0.5 1.0 0 1

.f-J,L------.--~ B 0 0.5 1.0 0 1

Frequenz [kHz] Zeit [s]

127.54 Hz

' 233:~"' 25689H, I I 456

:1"'

·~·""' t ~ 748.41H,

f Abb. 4: Schematisches Vorgehen zur Bestimmung der

Resonanzfrequenzen und Schwingungsformen.

M

x (t) = "A~ · e'":' + w(t) mit o/ = m + iö (8) 1 ~1 m m m

m~l

mit A; als komplexe Amplitude des Messpunktes j, mm der Resonanzfrequenz und om dem Dämpfungs­faktor der rn -ten Schwingungsform. w(t) stellt das Messrauschen dar. in einem ersten Schritt wird die unbekannte Anzahl harmonischer Funktionen M für alle Punkte simultan bestimmt. Dazu wird Akaike's Modell-Auswahl-Kriterium verwendet (Akaike (1974)

Abb. 3.: Experimenteller Aufbau im klimatisierten Raum. Die schwarzen Punkte auf der Platte bezeichnen die Messpunkte.

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und Reddy et al. (1993)). ln linearen mechanischen Systemen sind die Resonanzfrequenzen Invariante und die Dämpfungsfaktoren werden als konstant über die ganze Struktur angenommen, daher werden die komplexen Frequenzen w: parallel für alle Messpunk­te bestimmt. Dazu wird ein Forward-Backward-Matrix­Pencil Algorithmus, wie er von Hua et al. (1990) vor­gestellt wurde, auf die Impulsantworten angewendet. Werden die extrahierten, komplexen Frequenzen in Gleichung (8) eingesetzt, entsteht ein überbestimmtes lineares Gleichungssystem, dessen Lösungen den Amplituden A; der einzelnen Schwingungsformen entsprechen.

3.4 Inverses Problem

Das analytische Modell benötigt neun unabhängige elastische Eigenschaften um das mechanische Ver­halten der Massivholzplatte zu beschreiben. Da nicht alle dieser Parameter Cij im untersuchten Frequenz­bereich einen hinreichend grossen Einfluss auf das dynamische Verhalten haben, um sauber bestimmt werden zu können, wird vorerst eine Sensitivitätsana­lyse durchgeführt. Zudem hat sich gezeigt, dass sich Plattendimensionen von 2a =I .Sm und 2b = l.Om (die Dicke ist mit 2h = 0.07m gegeben) gut eignen und immer noch gross sind im Vergleich zur Plattendicke und der Mikrostruktur der Platte. Somit ist das theore­tische Modell noch gültig. Eine grobe Sensitivitätsana­lyse wurde für die drei Steifigkeitselemente in der Plattenebene und für die drei Schubmoduln durchge­führt. Dabei wurde jeweils eine einzelne Eigenschaft

Abb. 5: Sensitivitätsanalyse der ersten 20 Schwingungs­formen der Massivholzplatte. Die relativen Ände­rungen der Resonanzfrequenzen sind aufgelistet. Die Hintergrundfarbe der Zellen ist ein visueller In­dikator der Grösse der Änderung.

um 1 0% erhöht und der relative Einfluss auf die Re­sonanzfrequenzen dargestellt (Abb. 5). Das Element C12 hat nur einen sehr kleinen Einfluss auf die Reso­nanzfrequenzen, die maximale relative Änderung beträgt 0.03%. Deshalb scheint es nicht möglich zu sein, diesen Parameter mit der vorgeschlagenen Me­thodik zu bestimmen. Die Einflüsse der anderen fünf untersuchten Steifigkeitselemente liegen zwischen 0.7 und 4. 7% und sind somit signifikant höher und auch bestimmbar.

Die unbekannten Steifigkeitselemente werden si­multan mit einem Best-Fit-Algorithmus nach Britt et al. (1973) bestimmt. Das Optimierungsproblem kann analytisch wie folgt beschrieben werden

minimiere [ e' Q~e J wobei g(C, f) = 0 (9)

wobei f = f + e d~r Vektor der ungestörten Reso­nanzfrequenzen, f der Vektor der gemessenen Re­sonanzfrequenzen und der Vektor e beschreibt die Messfehler, wobei angenommen wird, dass diese normalverteilt sind. Die Kofaktormatrix Qrr wird benö­tigt um die verschiedenen Genauigkeitsstufen der Beobachtungen zu beschreiben und kann somit als Gewichtungsmatrix interpretiert werden. Um alle Fre­quenzen gleich zu gewichten, werden die i-ten Diago­nalelemente dem Quadrat der entsprechenden Reso­nanzfrequenz gleich gesetzt. Die Modellfunktion g(C,f) = 0 entspricht hier dem Eigenwertproblem der Gleichung (7), welches die Beziehung zwischen den Frequenzen und den zu bestimmenden Parametern C" beschreibt. Sie kann beschrieben werden als

g(C, f) = eig (K(C), M)- (21rf )'. (1 0)

Solche Optimierungsprobleme können durch Einfüh­rung von Lagrange'schen Multiplikatoren A gelöst werden

<I> = e' Q~e- 2A · g(C, f) (11)

Da die Modellfunktion nichtlineare Terme in C und f enthält, kann keine geschlossene Lösung gefunden werden. Das Problem wird linearisiert um die momen­tanen Schätzwerte C j und die Frequenzen f . Somit entsteht ein iterativer Prozess, wobei in jedem Schritt eine Verbesserung I'>C berechnet wird.

Für diesen Prozess müssen im ersten Schritt Startwerte angenommen werden. Da es sich lediglich um grobe Schätzungen handelt, stimmt die Reihenfol­ge der experimentell bestimmten und der theoretisch berechneten Schwingungsformen nicht zwingend überein. Um sicherzustellen, dass nur die Frequenzen von jeweils zusammengehörenden Schwingungsfor­men zur Schätzung der elastischen Eigenschaften

139

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Zerstörungsfreie Ermittlung der Steifigkeiten einer Brettsperrholzplatte

gebraucht werden, werden MAC (modal assurance criterion) Werte verwendet.

l~x·~a .I' MAC(" T • ) ' T

~x,,~aJ=( r •)( r •) ~x.~x, · ~a.~a,

(12)

dabei sind l;x, und l;a, die Amplitudenvektoren der i­ten experimentell bestimmten und der j-ten berechne­ten Schwingungsform. Für jede experimentelle Schwingungsform wird die zugehörige analytisch be­stimmte Form über den höchsten MAC-Wert identifi­ziert. Einander zugeordnete Schwingungsformen mit MAC-Werten unter einem bestimmten Grenzwert, werden als nicht zuverlässig klassifiziert und vom momentanen Iterationsschritt ausgeschlossen.

4 EXPERIMENTE UND RESULTATE

4.1 Bestimmung der elastischen Eigenschaften

Um die elastischen Eigenschaften zu bestimmen, müssen die Geometrie und das Gewicht der Platte bekannt sein. Die Platte wiegt 44 kg und die Dimensi­onen der untersuchten Struktur betragen 2a =!.Sm, 2b = l.Om und 2h = 0.07m . Zudem müssen Schätz­werte für die nichtbestimmbaren Eigenschaften ange­nommen werden. Da diese nur einen sehr kleinen Einfluss auf die Eigenschaften haben, können Werte aus der Literatur (Stamer (1935)) entnommen werden. Die folgenden Werte werden verwendet: C

12 = 0.5GPa , C

13 = 0.2GPa , C

23 = 0.2GPa , und

C33

= 0.5GPa . Zuerst werden die aufgezeichneten Beschleuni­

gungsdaten digital gefiltert. Es wird ein Chebyshev Typ II Bandpassfilter der Ordnung 10 mit Eckfrequen­zen von 50 Hz bzw. 1 kHz verwendet. Die Abtastfre­quenz beträgt 4.096 kHz. Aus den digitalisierten und gefilterten Daten werden die Resonanzfrequenzen und die Schwingungsformen mit Hilfe des Matrix­Pencil Algorithmus bestimmt.

Zur Lösung des inversen Problems werden zusätz­lich grobe Schätzungen der zu bestimmenden Para-

Startwert GPa] Endwert [GPa]

cll 7.00 ~ 8.33

Czz 5.00 ~ 4.73

c .. 0.40 ~ 0.540

Css 0.10 ~ 0.0949

c •• 0.60 ~ 0.747

Tabelle. 1: Startwerte und Endwerte des Algorithmus zur Bestimmung der elastischen Parameter.

140

meter benötigt. Wie in Abb. 5 ersichtlich ist, sind die Schwingungsformen 1 und 4 dominant von einer elas­tischen Eigenschaft abhängig, daraus können Schät­zungen für C66 und C22 gewonnen werden. Die übri­gen Parameter werden wiederum aus der Literatur entnommen. Basierend auf diesen geschätzten, elas­tischen Eigenschaften, werden Resonanzfrequenzen und Schwingungsformen mit Hilfe des Modells be­rechnet. Anschliessend wird ein erster Satz MAC­Werte bestimmt, womit die einzelnen, experimentellen und analytischen Schwingungsformen einander zuge­ordnet werden. Als minimalen MAC-Wert, damit ein Paar als zulässig gilt, wird 0.95 angesetzt.

ln einem ersten Iterationsschritt werden bessere Schätzwerte der Cif bestimmt. Basierend auf diesen werden aktualisierte MAC-Werte berechnet und die Schwingungsformen neu zugeordnet. Diese Schlaufe wird so oft durchlaufen, bis die Änderungen der zu bestimmenden Parametern hinreichend klein sind. Wie von solchen Optimierungsprozessen erwartet wird, konvergieren die Schätzwerte asymptotisch. Die Startwerte und die optimierten Werte sind in Tab. 1 aufgelistet. Nach 1 0 Iterationen beträgt die grösste Änderung in einem Parameter weniger als 0.001%. ln Tab. 2 sind alle Schwingungsformen, die als gültig klassifiziert wurden, aufgelistet. Die 5 Unbekannten Steifigkeitselemente wurden mit 12 Schwingungsfor­men bestimmt. Die Fehler zwischen experimentell bestimmten und den mit den gefundenen Steifigkeiten berechneten Resonanzfrequenzen betragen maximal 1.5%. Die Genauigkeit der berechneten Resonanzfre­quenzen ist auch im höheren Frequenzbereich sehr gut. Zudem ist kein Trend zur Über- oder Unterschät­zung der Frequenzen ersichtlich. Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass das angenommene Platten- als auch das Materialmodell die Physik hinreichend genau beschreibt.

4.2 Validierung mit statischem Versuch

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Zerstörungsfreie Ermittlung der Steifigkeiten einer Brettsperrholzplatte

Mode 01

Mode 02

Mode 03

Mode 04

Mode 05

Mode 06

Mode 07

Mode 08

Mode 10

Mode 11

Mode 16

Mode 17

fexp [Hz]

61.3

127.5

168.7

233.3

256.9

286.4

318.6

333.5

456.3

484.1

652.7

665.0

ftheo [Hz]

61.42

127.42

169.02

234.14

256.49

284.81

317.85

330.82

461.18

490.02

643.22

666.33

Fehler[%]

-0.21

0.10

-0.17

-0.38

0.16

0.54

0.25

0.82

-1.06

-1.22

1.48

-0.21

MAC

1.00

0.98

1.00

1.00

0.96

0.95

0.98

0.97

0.96

0.98

0.95

0.97

Tabelle 2: Schwingungsmoden, die zur Bestimmung der elastischen Eigenschaften verwendet wurden.

2a=2'.45m

a/2 a/2

an drei Punkten gemessen. Dazu wurden LVDT­Messtaster verwendet.

Der statische Versuch wurde mit dem Plattenmo­dell nach Reddy numerisch nachgebildet. Das Ver­schiebungsleid und die Rotationsfelder wurden wie­derum mit Legandre Polynomen parametrisiert, die jedoch mit einfachen quadratischen Funktionen vor­multipliziert wurden, welche die kinematischen Rand­bedingungen erfüllen. Der Simulation liegen die dy­namisch bestimmten, elastischen Eigenschaften zu Grunde. Die aufgebrachte äussere Kraft wurde als Punktlast angenommen. Das resultierende Verschie­bungsfeld ist in Abb. 6 dargestellt.

ln Tab. 3 sind die berechneten und die gemesse­nen Durchbiegungswerte miteinander verglichen. Die berechneten Verschiebungen unterschätzen die ge­messenen um ca. 6%. Neben experimentellen Unsi­cherheiten, kann dieser Unterschied erklärt werden,

Verschiebung [mm]

Abb. 6: Massivholzplatte, welche für den statischen Biegeversuch verwendet wurde. Links sind die Messpunkte und der Punkt der Krafteinleitung eingezeichnet. Der grau markierte Bereich entspricht der ausgeschnittenen Platte, an welcher die dynamischen Versuche durchgeführt wurden. Rechts ist das Verschiebungsfeld infolge einer Punktlast von 45 kN dargestellt.

Um die ermittelten, elastischen Parameter zu verifizie­ren wurde ein statischer Biegeversuch durchgeführt. Alle Kanten der hierfür verwendeten, quadratischen Platte sind einfach aufgelagert. Die Lager wurden so konstruiert, dass sie auch das Abheben der Ecken unterdrücken. Die Plattendimensionen betragen 2a = 2.45m und 2b = 2.45m . Da die kleinere Platte, an welcher die dynamischen Versuche durchgeführt wurden (Abb. 6, grauer Bereich), aus dieser grösse­ren Platte ausgeschnitten wurde, hat sie dieselbe Plattenstärke und denselben Aufbau. Mit einem Ser­vo-Hydraulischen Zylinder wurde eine Punktlast von 45 kN senkrecht zur Platte aufgebracht. Der Kraftan­griffspunkt liegt im Viertelpunkt der Platte, wie dies in Abb. 6 eingezeichnet ist. Die Durchbiegungen wurden

wenn man die dynamisch bestimmten, elastischen Eigenschaften betrachtet. Die Durchbiegungen sind linear von den elastischen Eigenschaften abhängig. Das heisst auch, dass die dynamisch bestimmten Parameter um 6% zu hoch ermittelt wurden. Aufgrund des Unterschiedes der Dehnungsraten, wie sie in den dynamischen Versuchen auftreten, verglichen mit

Experiment [mm] Simulation [mm] Fehler[%]

11.91 11.27 5.38

10.75

11.24

9.93

10.56

7.6

6.09

Tabelle 3: Vergleich der gemessenen und der berechneten Durchbiegungen für die 3 Messstellen.

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Zerstörungsfreie Ermittlung der Steifigkeiten einer Brettsperrholzplatte

dem statischen Test, wird die Abhängigkeit der elasti­schen Eigenschaften von den Belastungsgeschwin­digkeiten bemerkbar. Dieses Ergebnis deckt sich mit Aussagen aus der Literatur (Machek et al. (2001 )).

5 SCHLUSSFOLGERUNGEN

Ein voll automatischer Algorithmus zur Bestimmung von elastischen Eigenschaften in orthotropen, dicken Platten wurde vorgestellt. Eine kreuzweise verklebte

Massivholzplatte wurde untersucht. Hierfür wurde ein homogenisiertes, linear elastisches Materialverhalten angenommen. Der Algorithmus basiert auf folgenden Schritten:

Die Resonanzfrequenzen und Schwingungsformen werden mit der experimentellen Modal Analyse be­stimmt. Ein orthotropes, linear elastisches Modell der Plat­te, basierend auf Reddy's Theorie, wird verwendet. Ein nichtlinearer Optimierungsalgorithmus zur Be­stimmung der gesuchten Materialeigenschaften

wird verwendet. Basierend auf den MAC-Werten werden die

Schwingungsformen einander zugeordnet.

Fünf elastische Parameter konnten mit 12 Biege­schwingungsformen der Platte zuverlässig bestimmt werden. Die kleinen Fehler zwischen experimentell und theoretisch bestimmten Frequenzen zeigen, dass das verwendete Material- und Plattenmodell das me­chanische Verhalten solcher kreuzweise verklebter

Holzplatten hinreichend genau beschreibt. Die be­stimmten, elastischen Materialeigenschaften wurden mit einem statischen Biegeversuch verifiziert.

6 LITERATUR Akaike, H. (1974). NewLook at Statisticai-Model ldentifica­tion. IEEE Transactions on Automatie Control, AC19(6), 716-723.

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VERÖFFENTLICHUNGEN DER DGEB I DGEB PUBLICATIONS

A Publikationen Preis I Price in EUR

Nr. Allgemein Mitglieder General Members

1 STEINWACHS, Martin (Hrsg.): vergriffen Ausbreitung von Erschütterungen im Boden und Bauwerk Trans Tech Publications, 1988, ISBN 0-87849-078-7

2 DOLLING, Hans-Joachim (Hrsg.): 10,00 5,00 Dämpfung- Duktilität- Nichtlineares Bauwerksverhalten. DGEB-Publikation Nr. 2, 1989, ISBN 3-930108-00-3

3 BERZ, Gerhard (Hrsg. ): 10,00 5,00 Erdbebeneinwirkungen auf nichttragende Bauelemente. DGEB-Publikation Nr. 3, 1991, ISBN 3-930108-01-1

4 SAVIDIS, Stavros A. (Hrsg.): Earthquake Resistant Construction and Design

145,00 145,00 *)

(ERCAD, Berlin 1989), A.A. Balkema, 1991, ISBN 90 6191 161-3 5 KNOLL, Peter und WERNER, Diethelm (Hrsg.): 10,00 5,00

Erdbebeningenieurwesen - Ingenieurseismologische Grundlagen, Vorschriften und Standards, Fallstudien DGEB-Publikation Nr. 5, 1991, ISBN 3-930108-02-X

6 KLEIN, Günter (Hrsg.): 10,00 5,00 Bestandsaufnahme des Erdbebenwissens. DGEB-Publikationen Nr. 6, 1993, ISBN 3-930108-03-8

7 HAMPE, Erhard und SCHWARZ, Jochen (Hrsg.): 10,00 5,00 Seismische Einwirkungen auf Bauwerke unterschiedlichen Risikopotentials; Europäische Regelwerke. DGEB-Publikation Nr. 7, 1995, ISBN 3-930108-04-6

8 SAVIDIS, Stavros A. (Hrsg.): 181,50 181,50*) Earthquake Resistant Construction and Design (ERCAD second conference, Berlin 1994) A.A. Balkema, 1994, Val. 1: ISBN 90 5410 393 0, Val. II: ISBN 90 5410 394 9

9 SAVIDIS, Stavros A. (Hrsg.): 10,00 5,00 Paläoseismologie, Eurocode 8 und Schwingungsisolierung. (DGEB-Workshop, Karlsruhe 1997). DGEB-Publikation Nr. 9,1998, ISBN 3-930108-05-4

10 SAVIDIS, Stavros A. (Hrsg.): 10,00 5,00 Entwicklungsstand in Forschung und Praxis auf den Gebieten des Erdbebeningenieurwesens, der Boden- und Baudynamik (D-A-CH-Tagung, Berlin 1999). DGEB-Publikation Nr. 10, 1999, ISBN 3-930108-06-2

11 MESKOURIS, K., HINZEN, K.-G. (Hrsg.): 5,00 5,00 Schutz von Bauten gegen natürliche und technische Erschütterungen (DGEB-Workshop, Aachen 2001) DGEB-Publikation Nr. 11,2002, ISBN 3-930108-07-0

12 MESKOURIS, K., BUTENWEG, Chr. (Hrsg.): 10,00 5,00 Neubewertung der Erdbebensicherheit von Talsperren in Deutschland. DGEB-Publikation Nr. 12, 2005, ISBN 3-930108-08-9

B Schriftenreihe der DGEB

Heft 1 Construcciones Antisismicas, 1991, ISBN 3-930108-50-X 5,00 2,50

(Spanische Übersetzung von: Erdbebensicheres Bauen, Eine Planungshilfe für Bauherren, Architekten und Ingenieure, herausgegeben vom Innenministerium Baden-Württemberg)

143

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144

2 SCHWARZ, Jochen (Hrsg.): IDNDR- Schadensauswertungen, Normenentwicklung, Experimentelle Untersuchungen, Berechnung, Soziale und ökonomische Aspekte, 1992, ISBN 3-930108-51-8

3 KLEIN, Günter (Hrsg.): Bau- und Versicherungswirtschaft in der Internationalen Dekade der Vereinten Nationen für Katastrophenvorbeugung (IDNDR), Dokumentation zum Workshop am 4./5. März 1992 in Neu-lsenburg, 1992

c Weitere von der DGEB mit herausgegebene Veröffentlichungen

1 MATTHEES, W., BRANDES, K., LIU, W.K., BEL YTSCHKO, T. und DROSTE, B. (Hrsg.): Extended and Updated Selected Papers from the SMiRT -12 Post-Conference Seminar, No. 12, IMPACT-IV, 23./24. August.1993 in Berlin, erschienen in: NUCLEAR ENGINEERING AND DESIGN, Valurne 150, 1994, Nos. 2-3, ISSN 0029-5493

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