”Der Einsatz von Web 2.0 Technologien in politischen...

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Diplomarbeit zum Thema ”Der Einsatz von Web 2.0 Technologien in politischen Parteien” zur Erlangung des akademischen Grades Diplom Wirtschaftsinformatiker vorgelegt dem Arbeitsbereich Angewandte und Sozialorientierte Informatik der Universität Hamburg Vasco Schultz 28. April 2011 Erstbetreuer: Prof. Arno Rolf Zweitbetreuer: Paul Drews

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Diplomarbeit zum Thema

”Der Einsatz von Web 2.0 Technologienin politischen Parteien”

zur Erlangung des akademischen GradesDiplom Wirtschaftsinformatiker

vorgelegt demArbeitsbereich Angewandte und Sozialorientierte

Informatik der Universität Hamburg

Vasco Schultz28. April 2011

Erstbetreuer: Prof. Arno RolfZweitbetreuer: Paul Drews

Abstract

This study examines on the use of Web 2.0 in political parties in Germany.The analysis makes use of the Mikropolis-Model, developed on the Uni-versity of Hamburg extended by the new element of "Medium" that hasbeen elaborated in this work. It identifies six organizational parts of politi-cal parties. The analysis makes supporting use of neoinstitutionalism andthe view of political science for explanatory purposes and deliberative de-mocracy theory as evaluative element. The study points out that politicalparties are in various stages regarding the use of Web 2.0.

In dieser Arbeit wird der Einsatz von Web 2.0 in politischen Parteien inDeutschland untersucht. Den Rahmen für die Analyse bildet dabei dasan der Universität Hamburg entwickelte Mikropolis-Modell, das um dasneue Element des "Mediums" erweitert wird. Es werden sechs organisa-torische Teilbereiche in politischen Parteien identifiziert und einzeln be-trachtet. Für die Analyse werden unterstützend der Neoinstitutionalismusund die politikwissenschaftliche Betrachtung als erklärende und die deli-berative Demokratietheorie nach Habermas als bewertende Elemente be-nutzt. Die Arbeit zeigt auf, dass politische Parteien in Deutschland in denverschiedenen organisatorischen Bereichen unterschiedlich weit sind, wasdie Nutzung von Web 2.0 betrifft.

II

Danksagung

Mein Dank gilt in allererster Linie meinen Eltern, die mir mein Studium ermöglichthaben und mich immer wieder unterstützt und bestärkt haben. Sehr viel habe ichauch meiner liebsten Anja zu verdanken, die mich immer wieder aufgebaut hat, wennes einmal schwierig war und immer ein offenes Ohr hatte.

Auch bei meinen Betreuern möchte ich mich ganz herzlich bedanken für die her-vorragende Begleitung bei meiner Arbeit und dass sie es mir für meine Rechercheermöglicht haben, am Politikkongress 2010 zum Thema "Public Affairs & Lobbyingim Web 2.0" in Berlin teilzunehmen.

III

Inhaltsverzeichnis

Abstract II

1. Einleitung 11.1. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2. Forschungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.3. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.4. Forschungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.5. Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2. Theoretische Grundlagen 42.1. Grundlagen von Kommunikation und Partizipation im Netz . . . . . . 42.2. Web 2.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2.2.1. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.2.2. Web 2.0 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

2.3. Organisatorische Aufgaben in politischen Parteien . . . . . . . . . . . . 142.4. Das Mikropolis-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

2.4.1. Die Formalisierungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202.4.2. Die soziotechnische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202.4.3. Das Akteurskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.4.4. Der Mikrokontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.4.5. Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Organisationen . . 222.4.6. Konkretisierung von Mikrokontext und Akteurskonzept . . . . 23

2.5. Der Neoinstitutionalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242.6. Deliberative Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302.7. Politische Parteien im Mikropolis-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse 343.1. Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343.2. Parteiprogramm 2.0: Raus aus dem Hinterzimmer der Klüngelrunden? 36

3.2.1. Parteiprogramm 1.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363.2.2. Die "elektronische Programmdebatte" in der Partei Die Linke . 373.2.3. Ahoi! Piraten geben sich ein Programm . . . . . . . . . . . . . . 403.2.4. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453.2.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

3.3. Deliberation durch innerparteiliche Cyber-Demokratie? . . . . . . . . . 543.3.1. 509 Delegierte, 1 Tage, tonnenweise Papier . . . . . . . . . . . . 553.3.2. Der "virtuelle Parteitag" von Bündnis 90/Die Grünen . . . . . . 573.3.3. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593.3.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

3.4. "Man müsste mal...": politische Personalplanung . . . . . . . . . . . . . 673.4.1. Betriebswirtschaftliche und politische Personalplanung . . . . . 683.4.2. Nutzung von Web 2.0 Technologie im Personalmanagement . . 713.4.3. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 723.4.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

3.5. Von digitalem Glanzpapier und Obama-Wahlkampf: Parteien zwi-schen Verlautbarung und echter Kommunikation . . . . . . . . . . . . 773.5.1. Eine kurze Geschichte der Parteien-Webseite . . . . . . . . . . . 783.5.2. Ja, wir können? Obama-Wahlkampf in Deutschland? . . . . . . 803.5.3. Der Bürger als lästiger Bittsteller? Das Projekt Abgeordneten-

watch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 853.5.4. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 863.5.5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

3.6. Klingelnde Kassen durch Fundraising im Web? . . . . . . . . . . . . . . 963.6.1. Die Finanzierung und das Fundraising politischer Parteien . . 963.6.2. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1013.6.3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

3.7. Defragmentierung der Parteiarbeit durch Koordination über das Netz? 1073.7.1. Wie sind Parteien organisiert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1083.7.2. Das Netzwerk linksaktiv.de . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1083.7.3. Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1133.7.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

3.8. Hypothesen und Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

4. Reflexion 123

5. Fazit und Ausblick 124

Abkürzungsverzeichnis i

Abbildungsverzeichnis ii

Literaturverzeichnis iii

A. Kennzahlen der betrachteten Parteien xv

Eidesstattliche Erklärung xvii

Kapitel 1.

Einleitung

Das Internet ist weder Teufelszeug, das zu einer massenhaften Verblödung der Be-völkerung führt, noch ist es der Stein der Weisen, der quasi automatisch den Weg insdemokratische Paradies vorzeichnet (vgl. zu dieser These beispielsweise [Yan08]).

Ausgehend von dieser grundsätzlichen Überlegung stellt sich die Frage: Wie kön-nen denn nun die Möglichkeiten der neuen Medien und insbesondere des "Mitmach-Netzes" (vgl. [Spi07]), des Web 2.0 positiv für die Demokratie in Deutschland nutzbargemacht werden? Wie können insbesondere politische Parteien das Internet nutzen,um die durch die Verfassung ihnen zugesprochene Aufgabe, nämlich an der poli-tischen Willensbildung mitzuwirken, zu erfüllen (vgl. [Bun11b])? Welche Potentialebieten die neuen Möglichkeiten für die Organisation der politischen Beteiligung in-nerhalb politischer Parteien und in der Kommunikation mit der Bevölkerung? WelchePotentiale eröffnen sich allgemein für die Parteiorganisationen?

Mit dieser Arbeit versuche ich, in der Breite das gesamte Feld der oben betrachtetenFragen zu erfassen. Sie soll ein erster Schritt sein, dieses in dieser Hinsicht und dieserBreite bisher kaum betrachtete Forschungsfeld querschnittsartig aus Sicht der Wirt-schaftsinformatik, politischer Wissenschaft, Soziologie und Philosophie zu erkunden.Meine Hoffnung dabei ist, einen Beitrag dazu zu leisten, dass interessierte Leser undinsbesondere auch Vertreter politischer Parteien eine realistischere Einschätzung da-von gewinnen können, was das Web 2.0 kann und was es eben nicht kann.

Die fortschreitende Erosion der Parteienlandschaft in Deutschland, fest zu machenbeispielsweise an seit Jahren drastisch sinkender Wahlbeteiligung und sinkendenMitgliederzahlen der Parteien (vgl. beispielsweise [Kle09], S. 32), lässt den politischenParteien in Deutschland aus meiner Sicht keine andere Wahl, als die Beteiligungs-möglichkeiten der neuen Medien in ihr Repertoire mit aufzunehmen. Nicht zuletztdie Erfolge der Piratenpartei und verschiedenster politischer Vorfeldorganisationenzeigen, dass das Internet mehr und mehr Einfluss auf die politische Diskussion ge-winnt.

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Kapitel 1. Einleitung

Um es auf den Punkt zu bringen: Werden Parteien überflüssig, wenn sie sich nichtmit Web 2.0 beschäftigen?

1.1. Untersuchungsgegenstand

Diese Arbeit beschäftigt sich damit, wie politische Parteien das Web 2.0 bereits nut-zen und welche Potentiale es für politische Parteien gibt, Web 2.0 für ihre organisato-rischen Aufgaben nutzbar zu machen.

1.2. Forschungsproblem

In der Literatur finden sich zahlreiche Untersuchungen und Abhandlungen, die eini-gen organisatorischen Teilbereichen politischer Parteien zuzuordnen sind. Diese fo-kussieren sich allerdings insbesondere auf die Bereiche des Politmarketings und derinnerparteilichen Interessensartikulation und -aggregation. Andere Teilbereiche wiedie Finanzierung, das Personalmanagement oder die Koordination der verschiede-nen Organisationseinheiten in politischen Parteien sind im Bezug auf das Web 2.0bisher kaum wissenschaftlich untersucht worden. Des Weiteren gibt es eine Fülle wis-senschaftlicher Arbeiten zu der Frage, ob und wie die neuen Medien demokratischeProzesse positiv oder negativ beeinflussen können. Diese Untersuchungen eint aller-dings, dass sie im Bezug auf politische Parteien eine Außensicht einnehmen.

1.3. Zielsetzung

Ziel der Arbeit ist es, einen Gesamtüberblick über die vorhandenen und möglichenVerknüpfungen zwischen Web 2.0 und politischen Parteien zu geben. Dazu werdendie organisatorischen Aufgaben in politischen Parteien angelehnt an die Organisationvon Unternehmen identifiziert und jeweils einzeln untersucht. Hierbei soll explizitdie Innensicht politischer Parteien angenommen werden.

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Kapitel 1. Einleitung

1.4. Forschungsmethode

Es gibt organisatorische Teilbereiche in politischen Parteien, für die es bereits eineFülle an Forschungsergebnissen gibt. In anderen Bereichen wurde hingegen so gutwie keine Forschung betrieben. Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, wird in die-ser Arbeit eine Methodenvielfalt verwendet.

Die Grundlage insbesondere der theoretischen Arbeit bildet eine eingehende Ausein-andersetzung mit der vorhandenen Literatur und die Entwicklung eines Modells fürdie analytische Arbeit im zweiten Hauptteil.

Im weiteren Verlauf der Arbeit kommt die Darstellung von Fallstudien zur explorati-ven Untersuchung des Forschungsgegenstands für die Gewinnung qualitativ unter-mauerter Hypothesen hinzu. Die Auswahl der Fallstudien erfolgte hierbei insbeson-dere vor dem Hintergrund einer teilweise sehr begrenzten Zahl an möglichen Fall-studien und dem eingeschränkten Zugriff auf parteiinterne Anwendungen. Des Wei-teren wurden Experteninterviews geführt um insbesondere diejenigen Bereiche, zudenen es bisher wenig Forschungsmaterial gibt, mit qualitativem Material anzurei-chern. Experteninterviews sind gut geeignet für explorative Forschung, in der es vorallem darum geht, den Forschungsgegenstand möglichst in seiner gesamten Breite zuerfassen (vgl. z.B. [LT09], S. 47). Detaillierter wird auf die Auswertung der verschie-denen Quellen in der Einführung zu Kapitel 3 eingegangen.

Zitiert wurde angelehnt an die Zitierrichtlinien der Gesellschaft für Informatik e.V.Aus den Interviews wurde in der Form [X:Y] zitiert. Wobei X die Nummer des Inter-views angibt und Y die Blocknummer.

1.5. Aufbau der Arbeit

Die Arbeit gliedert sich neben Einleitung und Schlussteil insbesondere in zweiHauptteile. Im ersten Hauptteil werden die theoretischen Grundlagen dargelegt undin ein Modell für die spätere Analyse destilliert. Im zweiten Hauptteil werden dieidentifizierten organisatorischen Aufgabenbereiche politischer Parteien in Beziehungzum Phänomen "Web 2.0" gesetzt und mit Hilfe der theoretischen Grundlagen analy-siert.

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Kapitel 2.

Theoretische Grundlagen

In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen der Arbeit vorgestellt. AmAnfang steht eine kurze Zusammenfassung der Grundlagen von Kommunikationund Partizipation im Netz. Es folgt eine Beschreibung des Phänomens Web 2.0 undseiner Möglichkeiten sowie eine Identifizierung wichtiger organisatorischer Aufga-ben, die in politischen Parteien anfallen. Dies wird ergänzt um die politikwissen-schaftliche Betrachtungsebene von Parteien als Organisationen nach Wiesendahl. Ei-ne wichtige theoretische Grundlage ist darüber hinaus das an der Universität Ham-burg entwickelte Mikropolis-Modell. Die vor allem im angelsächsischen Raum ver-breitete Theorie des Neoinstitutionalismus soll weitere Erklärungsmuster für denEinsatz neuer Medien in politischen Parteien eröffnen, die das eher systemtheore-tisch fundierte Mikropolis-Modell ergänzen. Anschließend wird für die spätere Be-wertung des Einsatzes von Web 2.0 Technologien in politischen Parteien hinsichtlichihrer demokratiefördernden oder -hemmenden Tendenzen ein kurzer Exkurs zu demKonzept der deliberativen Demokratie nach Habermas durchgeführt. Den Abschlussbildet eine Integration der erworbenen Erkenntnisse in ein handhabbares Modell fürdie analytische Arbeit im zweiten Hauptteil der Arbeit.

2.1. Grundlagen von Kommunikation und Partizipationim Netz

Als Kommunikation soll in dieser Arbeit nicht die Datenübertragung zwischen Com-putern verstanden werden sondern soziales Handeln zwischen Menschen im SinneMax Webers. Der Akteur verbindet mit seinem Handeln einen subjektiven Sinn, dersich in seinem Ablauf am Verhalten anderer orientiert (vgl. [Wik11l], S. 18 f.). Wich-tig ist hierbei, dass die körperliche Anwesenheit derjenigen Personen, die mit die-ser Handlung verknüpft sind nicht erforderlich ist. Als Netzbasierte Kommunikation(NbK) versteht man die Teilmenge der Kommunikation, die über das Internet über-

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

tragen wird (vgl. [Mei09], S. 35 f.).

Es würde den Rahmen dieser Arbeit bei Weitem sprengen, die kommunikations-wissenschaftlichen Grundlagen des netzbasierten Informationsaustausches in allerAusführlichkeit darzulegen. Eine gute Zusammenfassung liefert Meißelbach (vgl.[Mei09], S. 11 f.):

Netzbasierte Kommunikation bedient sich der Globalen Kommunikations-Infrastruktur (GKI), die das Internet zur Verfügung stellt. Diese wird häufig alsMedium erster Ordnung bezeichnet. Sie findet ihre Entsprechung in den unterensechs Schichten des ISO/OSI Modells der Informatik. Die Anwendungsschicht desISO/OSI Modells hingegen entspricht der in den Sozialwissenschaften als Medium2. Ordnung bezeichneten Ebene. Sozialwissenschaftliche Betrachtungen fokussierensich meistens auf die Medien zweiter Ordnung, weil sie die Kommunikation erst aufeine durch die Sozialwissenschaften analysierbare Ebene hieven. Nichtsdestotrotzbestimmen die Medien erster Ordnung ganz entscheidend, was, wie, wann und wound in welchem Ausmaß machbar ist. Die GKI zeichnet folgende Merkmale aus:

• Dezentralität: Die GKI hat keine um ein Zentrum angelegte Struktur und wirdinsbesondere auch nicht zentral gesteuert. Sie besteht hingegen aus vielen ein-zelnen Knoten. Es gibt keine festgelegten Kommunikationswege zwischen Sen-der und Empfänger (vgl. [Mei09], S. 17 f.).

• Globalität: Ein Nutzer, der an einem beliebigen Punkt der GKI Zugang erhält,kann prinzipiell sofort die GKI in seiner Gesamtheit nutzen. Auf die Problema-tik verschiedenster Zensurversuche soll hier nicht eingegangen werden (vgl.[Mei09], S. 18 f.).

• Digitalität: Die Kommunikation im GKI findet in Form digitalisierter Datenpa-kete statt. Die Konsequenz ist unter anderem, dass die Übertragungseffizienzsteigt, die Synchronisierung erleichtert wird und Speicherung sowie Weiterlei-tung von Daten ermöglicht wird, egal aus welcher Quelle sie stammen (vgl.[Mei09], S. 19 f.). Daraus ergibt sich auch, dass digitalisierte Daten ohne Quali-tätsverlust beliebig oft kopiert werden.

Medien zweiter Ordnung sind schließlich diejenigen Anwendungen, mit denen derNutzer direkt in Verbindung steht. Ihnen ist gemein, dass sie die unteren Schichtender technischen Realisierung in Form der GKI weitestgehend verbergen. Zu nennensind hier die bekannten Dienste wie Email-Programme, Webbrowser oder Online-spiele. Aber auch all diejenigen Dienste, die im folgenden Kapitel unter der Rubrik"Web 2.0" vorgestellt werden.

Die NbK besitzt eine Reihe von Merkmalen:

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

• Zeitliche, räumliche und körperliche Entgrenzung: Die Kommunikation mussweder zeitgleich noch bei körperliche Präsenz stattfinden. NbK sorgt zudemhäufig dafür, dass die körperlichen Eigenschaften der Kommunikation in denHintergrund treten. So fehlt beim rein Text-basierten Chatten sowohl das Bilddes Gegenübers als auch Stimme, Geruch etc. (vgl. [Mei09], S. 36 ff.).

• Kanalbeschränkung und Multimedialität: Nicht nur die Körperlichkeit tritt inden Hintergrund sondern es findet in der NbK in den meisten Fällen auch ei-ne Reduktion des Informationsgehalts statt. Lachen und Gesichtsausdruck bei-spielsweise vermitteln dem Gegenüber eine Reihe von Informationen. Die Mul-timedialität, die insbesondere durch größere und schnelere Internetverbindun-gen ermöglicht wird, wirkt dieser Kanalbeschränkung allerdings wieder entge-gen (vgl. [Mei09], S. 38 f.).

Kommunikation und Netzbasierte Kommunikation können in verschiedenen Dimen-sionen betrachtet werden (vgl. u.a. [Mei09], S. 39 ff.):

Akteurskonfiguration:

• Im persönlichen Kontakt findet Kommunikation Face-to-Face statt.

• Die Kommunikation findet One-to-One zwischen zwei Personen über ein tech-nisches Medium statt.

• Insbesondere die klassischen Massenmedien funktionieren nach dem PrinzipOne-to-Many.

• In Chatrooms und Foren kommunizieren die Teilnehmer hingegen nach demGrundsatz Many-to-Many.

Synchronitätsaspekte:

• Findet die Kommunikation annähernd zeitgleich statt wie beispielsweise beimTelefon, spricht man von einer synchronen Kommunikation.

• Asynchron ist die Kommunikation hingegen, wenn wie bei der Email zwischenSenden und Empfangen der Nachricht ein zeitlicher Abstand besteht.

Interaktivität:

Wechselseitig aufeinander bezogene Handlungen werden im soziologischen Sinneals "Interaktivität" bezeichnet. Sie kann verschiedene Stufen aufweisen, die aufeinan-der aufbauen:

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

• Stufe 1 - Bidirektionalität: Übertragung in beide Richtungen, wechselseitige Re-aktion aufeinander.

• Stufe 2 - Synchronität: Gleichzeitigkeit der Kommunikation. Dieser Aspekt istallerdings nicht im engen technischen Sinne zu sehen.

• Stufe 3 - Egalität: Die Rolle von Sender und Empfänger kann jederzeit frei ge-wechselt werden.

• Stufe 4 - Reaktivität: Sinnhafte Reaktion aufeinander.

• Stufe 5 - Kontextualität: Rückgriff auf gemeinsame Wissens-, Wahrnehmungs-und Erfahrungsbestände.

Kontrolle:

Die Macht über die Gestaltung der Kommunikationsbeziehung ist ein weiterer wich-tiger Aspekt. Der Teil des Netzwerkes, der die Kommunikation steuert, wird als Zen-trum bezeichnet. Der Teil, der wenig Einfluss auf die Art und Weise hat, wie dieKommunikation statt findet, wird Peripherie genannt.

• Mit Allokution bezeichnet man das für Massenmedien typische Kommunikati-onsmuster, dass von einem Zentrum in die Peripherie kommuniziert wird. EinRückkanal besteht in aller Regel nicht. Ein Beispiel wäre das Fernsehen.

• Als Konsultation werden Kommunikationsmuster bezeichnet, wenn die Peri-pherie gezielt Informationen beim Zentrum nachfragt. Die von vielen politi-schen Parteien angebotenen "Bürgersprechstunden" sind ein klassisches Bei-spiel hierfür.

• Fragt hingegen das Zentrum Informationen in der Peripherie ab, spricht manvon Registration. Umfragen auf der Website der Parteien sind ein Beispiel dafür.

• Ist die Kontrolle über die Kommunikation nicht zentriert, spricht man von Kon-versation.

Jede Anwendung im Internet und insbesondere auch jede Anwendung aus dem Be-reich des Web 2.0 kann in dieses Schema eingeordnet werden.

Für die Kommunikationsbeziehungen politischer Parteien hat eine Reihe von Akteu-ren darüber hinaus besondere Relevanz. Die wichtigsten sind hierbei die Gruppe dereinfachen Bürger, zivilgesellschaftliche Akteure wie beispielsweise Vereine oder Initiati-ven, die Parlamente sowie Regierung und Verwaltung (vgl. [Mei09], S. 97 ff.).

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

2.2. Web 2.0

Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Einsatz von Web 2.0 Technologien in politischenParteien. Es wird deshalb in einem ersten Schritt versucht, sich dem Phänomen Web2.0 definitorisch zu nähern. Im zweiten Schritt gilt es, wichtige Web 2.0 Angebote zuidentifizieren und zu kategorisieren.

2.2.1. Definition

Der Begriff Web 2.0 entstand nach dem Platzen der "Dot-Com-Blase" Anfang des 21.Jahrhunderts. Erstmals erwähnt wurde der Begriff 2003 von Eric Knorr, dem Chef-redakteur von InfoWorld in der US-Ausgabe des CIO-Magazins (vgl. [Wik10o]). Zueinem regelrechten Schlagwort wurde der Begriff aber erst im Anschluss an einenKonferenz von O’Reilly und MediaLive International im Jahr 2004. Hier stellten DaleDougherty und O’Reilly fest, dass diejenigen Internet-Unternehmungen, die die Kri-se überstanden hatten, etwas gemein hätten. Mit anderen Worten: Die Krise habe einereinigende Wirkung auf dem Markt entfaltet, Unternehmen mit veralteten Produktenaus dem Markt gedrängt und damit die Schwelle vom Web 1.0 zum Web 2.0 markiert(vgl. [O’R07], S. 17). Diese Gemeinsamkeiten sind somit aus Sicht von O’Reilly die-jenigen Eigenschaften, die das Web 2.0 definieren und so definiert O’Reilly auch dasWeb 2.0:

“Web 2.0 is the business revolution in the computer industry caused bythe move to the Internet as a platform, and an attempt to understand therules for success on that new platform.” (vgl. [Wik10o])

Web 2.0 ist somit kein trennscharfer Begriff. Die Übergänge sind fließend und mankann nur im Vergleich zweier Anwendungen eine klare Entscheidung treffen, welchevon beiden näher an den Prinzipien des Web 2.0 ist. O’Reilly benennt sieben Prinzi-pien, an denen man Web 2.0 Anwendungen erkennen kann (vgl. hierzu [O’R07], S.18-36):

1. Das Netz als Plattform: Im Web 2.0 geht es darum, die Prinzipien des Netzesund seine Funktionalitäten zu verstehen und anzuwenden. Als Paradebeispielhierfür wird das Unternehmen Google angeführt, das über die Vermarktungvon Werbeflächen in seiner Suche eine völlig neue Form von Wertschöpfungund damit monetären Erfolg generieren konnte.

2. Die Nutzbarmachung kollektiver Intelligenz: Die freie Enzyklopädie Wikipe-dia aber auch kommerzielle Unternehmen wie Amazon fordern die Besucher

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

ihrer Seiten zum Mitmachen heraus. So entsteht Wikipedia aus der gemeinsa-men Arbeit einer Vielzahl von Redakteuren. Alle kontrollieren sich gegenseitigund schlagen damit sogar die Online-Ausgabe des bisherigen StandardwerksBrockhaus (vgl. [Ste07]). Bei Amazon kann jeder Produkte selbst bewerten undrezensieren, er schafft damit einen Mehrwert für die Gesamtheit der Kunden.

3. Daten sind das nächste "Intel Inside": Web 2.0 Anwendungen zeichnen sichauch dadurch aus, dass sie häufig auf eine riesige und rasant wachsende Daten-basis zurückgreifen. Dienste wie beispielsweise GoogleMaps greifen auf riesige,teilweise bereits lange bestehende aber nie in dieser Weise nutzbar gemachteDatenbestände zurück. Die Besitzer dieser Datenbestände erhalten hierdurcheine nicht zu unterschätzende Markt- und Machtposition.

4. Das Ende der alt-hergebrachten Softwareentwicklung: Web 2.0 Unternehmenliefern Dienste, keine Produkte. Sie konzentrieren sich auf ihre jeweiligen Kern-kompetenzen und sorgen für den reibungslosen Ablauf. In die Weiterentwick-lung der Anwendung werden die Nutzer explizit mit eingebunden. Microsoftfährt ein konservatives Geschäftsmodell, das darauf setzt, dass seine Kundenalle paar Jahre ihre Computerumgebung aufrüsten. Die Kunden des Web 2.0Unternehmens Google dagegen erwarten tägliche Neuerungen.

5. Einfache Programmiermodelle: Statt komplexer Modelle benutzt das Web 2.0einfach zu erlernende und anzuwendende Programmiermodelle, die auf dieseWeise eine viel größere Menge an Nutzern erreicht. Leicht zu erlernende undanzuwendende Programmiermodelle senken die Barrieren für weniger versier-te Programmierer und erhöhen damit die Einbindungen von Anwendungen inihre eigenen Dienste. Die einfache Einbindung von Facebook1 auf der eigenenWebsite ist ein Beispiel hierfür.

6. Plattformunabhängige Software: Software ist nicht mehr an eine einzige Platt-form wie einen normalen Personal Computer (PC) gebunden sondern ver-knüpft sich gleichzeitig mit Instanzen beispielsweise auf einem ipod, um dortMusikdateien zu synchronisieren. Dabei sind die Verknüpfungsmöglichkeitenschier grenzenlos und denkbar für alle Geräte des täglichen Lebens, in de-nen Software laufen kann: Vom Auto über den Rasenmäher bis zum Hubble-Teleskop.

7. Nutzung als Erlebnis: Insbesondere die Bedienfreundlichkeit und die Nützlich-keit von Web Anwendungen nähert sich der von Standard-Desktop-Anwen-dungen immer mehr an. Mit Anwendungen wie GMail oder den Angebo-ten von Unternehmen wie salesforce2 werden vollwertige Ersatzprodukte zu

1http://www.facebook.de/, Stand 17. April 2011.2http://www.salesforce.com/de/, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

Office- oder Email-Programmen online angeboten. Mit dem Aufkommen desCloudcomputing wird dieser Trend sich noch weiter verstärken.

Die Kernkompetenzen von Web 2.0-Unternehmen fasst O’Reilly folgendermaßen zu-sammen (vgl. [O’R07]):

1. "services, not packaged software, with cost-effective scalability,

2. control over unique, hard-to-recreate data sources that get richer as more peopleuse them,

3. trusting users as co-developers,

4. harnessing collective intelligence,

5. leveraging the long tail through customer self-service,

6. software above the level of a single device,

7. lightweight user interfaces, development models, AND business models."

Mit dieser Definition lassen sich sowohl Web-Anwendungen als auch Organisatio-nen grob dahingehend einordnen, ob sie eher der Sphäre des Web 2.0 zuzuordnensind oder nicht. Ähnliche Begriffe sind "Social Web" und "Social Software". Beide fo-kussieren sich allerdings eher auf den sozialen Aspekt des Web 2.0 (vgl. [EGH08],S. 13). Dies ist zwar ein sehr wichtiger aber nicht der einzige Teil und insbesondereaus der Perspektive der Informatik können die technischen Aspekte nicht außen vorgelassen werden. Deshalb wird in dieser Arbeit im Folgenden Web 2.0 verwendet.

2.2.2. Web 2.0 Anwendungen

Ist die Definition vom Web 2.0 bereits relativ schwammig, so ist eine nur näherungs-weise Darstellung aller existierenden Anwendungen auf Grund ihrer Menge kaumzu leisten. Im Folgenden sollen auf einer Meta-Ebene Cluster benannt werden, in diedie Mehrzahl der bereits existierenden Web 2.0 Anwendungen eingeordnet werdenkönnen. Dabei ist diese Klassifizierung ausdrücklich nicht als vollständig zu bezeich-nen. Mit anderen Worten: Zukünftige Web 2.0 Anwendungen können auch völligneue Cluster eröffnen, weil sie eine völlig neue Funktionalität ermöglichen.

Bevor die Clusterung dargestellt wird, sei hier noch erwähnt, dass eine andere Mög-lichkeit der Einordnung die schlichte Klassifizierung an Hand des Marktwertes wä-

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

Abbildung 2.1.: Marktwert von Web 2.0 Unternehmen (Quelle: [Esn07])

re. Abbildung 2.1 auf Seite 11 zeigt eine derartige Klassifizierung, die das Internet-Unternehmen esnips.com im Jahr 2007 vorgenommen hat.

Diese Klassifizierung könnte für politische Parteien dann bedeutsam werden, wennwegen begrenzter Ressourcen eine Entscheidung zwischen ähnlichen Diensten ge-troffen werden soll um dann die Anwendung mit der höchsten Reichweite auszu-wählen.

Interessanter ist die Klassifizierung von Web 2.0 Technologie anhand ihrer Funktio-nalität. Das Unternehmen ethority hat ein Prisma mit einer Clusterung bestehenderWeb 2.0 Anwendungen und Unternehmen im deutschen Markt entwickelt. Das Pris-ma ist in Abbildung 2.2 auf Seite 12 dargestellt.

Die Darstellung zeigt deutlich, dass eine Fülle verschiedener Funktionalitäten imWeb 2.0 existiert und damit auch viele verschiedene Cluster. Dabei reichen die Funk-tionalitäten von Office-Anwendungen wie Google Docs über Wiki-Systeme, Bilder-dienste wie Flickr, Livestream-Dienste wie Qik, Crowdsourcing-Angebote wie Wi-kipedia, kollaborative Arbeitsplattformen wie Zoho, Blogs und Blog-Plattformen, so

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

Abbildung 2.2.: Clusterung von Web 2.0 Anwendungen und Unternehmen (Quelle:[Sch10a])

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

genannte Micromedia-Dienste wie beispielsweise Twitter, Social Networks wie Face-book bis zu den verschiedensten Internet-Foren und Video-Diensten wie Youtube umnur einige der Kategorien zu benennen.

Es stellt sich nun die Frage, ob es weitere, nur für politische Parteien relevante Kon-zepte im Umfeld des Web 2.0 gibt. Im Umfeld der Piratenpartei findet sich hier derVerein Liquid Democracy e.V. (vgl. [Liq11b]). Liquid Democracy beschreibt hier einVerfahren, das Bestandteile der repräsentativen und der direkten Demokratie auf-greift und durch die neuen technischen Möglichkeiten des Web 2.0 erst voll zurEntfaltung kommen kann. Das Konzept entstand ab 2003 zuerst in den VereinigtenStaaten und ist sehr nahe an dem angesiedelt, was Habermas als deliberative De-mokratie bezeichnen würde (vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.6). Es siehtvor, dass jeder Beteiligte die Wahl hat, bei Abstimmungen selber zu entscheiden odersein Wahlrecht an eine Person seines Vertrauens zu delegieren. Diese Übertragungder Entscheidungsbefugnis ist jederzeit widerrufbar (vgl [Wik10a]). Der Verein ent-wickelt mit Adhocracy3 und Votorola4 selbst zwei Softwareprojekte, bietet aber aucheinen Überblick über andere bereits bestehende oder in der Entwicklung befindli-che Software im Umfeld der deliberativen Demokratie (vgl. [Liq11c]). Die Softwa-reprojekte werden in Kapitel 3 ausführlicher dargestellt. Für die abstraktere Ebenesoll an dieser Stelle nur als weitere Facette im Prisma der Web 2.0 Anwendungender Bereich "Opinion-Decision Support" aufgenommen werden. Er soll alle Web 2.0-Anwendungen abdecken, deren primärer Zweck die gemeinsame Entscheidungsfin-dung ist.

Als weiteren neuen Punkt, der in der Zusammenstellung bisher fehlt, sollen Anwen-dungen wie die Social-Payment Services flattr und Kachingle einbezogen werden.Diese Dienste werden für politische Parteien insbesondere dann interessant, wenn esdarum geht, die finanzielle Basis der Parteiorganisation zu verstärken. Eine weiterespannende Frage ist, wie sich die bereits etablierten Web 2.0 Plattformen und hierinsbesondere die Social-Media Anwendungen wie Facebook, StudiVZ etc. für die ge-zielte Ansprache potentieller privater oder unternehmerischer Spender nutzen las-sen. Als weitere Facette soll deshalb der Bereich "Social Payment" neu aufgenommenwerden.

Diese Clusterung von Web 2.0 ist ein guter Ansatz, um die Fülle an verschiedenstenAnwendungen zu kategorisieren und damit auch für politische Parteien handhabbarzu machen.

3http://wiki.liqd.net/Adhocracy, Stand 17. April 2011.4http://zelea.com/project/votorola/home.xht, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

Abbildung 2.3.: Aufgaben des Unternehmensmanagements (Quelle: [WD05], S. 63)

2.3. Organisatorische Aufgaben in politischenParteien

Grundsätzlich lassen sich die Konzepte der betriebswirtschaftlichen Unternehmens-führung auch auf politische Parteien übertragen. Ein Beispiel dafür, welche grund-sätzlichen Management-Aufgaben in einem Unternehmen anfallen zeigt Abbildung2.3 auf Seite 14.

Es gibt einige funktionale Besonderheiten von Non-Profit Organisationen (NPO), zudenen man mit Abstrichen auch politische Parteien zählen kann. Besonderheiten gibtes insbesondere bei der Nonprofit Governance, dem Personalmanagement in NPO,den Kunden von NPO, der Finanzierung der NPO, dem Accounting von NPO unddem Non-Profit Marketing(vgl. [Gab11]). Die organisatorischen Aufgaben in politi-schen Parteien weisen darüber hinaus weitere Besonderheiten auf. Als Rahmenbe-dingung für Aufgaben und Organisation politischer Parteien ist insbesondere Artikel21 Absatz 1 des Grundgesetzes zu nennen:

"Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grund-sätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ih-

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

rer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben." (vgl.[Bun11b])

Das Parteiengesetz führt diese allgemeine Formulierung noch etwas weiter aus. In §1 Absatz 2 und 3 heißt es dort:

"(2) Die Parteien wirken an der Bildung des politischen Willens des Vol-kes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mit, indem sie insbesonde-re auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluß nehmen, die po-litische Bildung anregen und vertiefen, die aktive Teilnahme der Bürgeram politischen Leben fördern, zur Übernahme öffentlicher Verantwortungbefähigte Bürger heranbilden, sich durch Aufstellung von Bewerbern anden Wahlen in Bund, Ländern und Gemeinden beteiligen, auf die politi-sche Entwicklung in Parlament und Regierung Einfluß nehmen, die vonihnen erarbeiteten politischen Ziele in den Prozeß der staatlichen Willens-bildung einführen und für eine ständige lebendige Verbindung zwischendem Volk und den Staatsorganen sorgen. (3) Die Parteien legen ihre Zielein politischen Programmen nieder." (vgl. [Bun11a])

Elmar Wiesendahl beschreibt in seinem Buch "Parteien in Perspektive" (vgl. [Wie98],S. 189 ff.) ausführlich die organisatorischen Besonderheiten politischer Parteien. Soidentifiziert er sechs Organisierbarkeitsgrenzen von Parteien:

• Das Freiwilligkeitsproblem resultiert daher, dass die Mitarbeit von Pateimitglie-dern nicht erzwungen werden kann. Daraus ergeben sich weit reichende Kon-sequenzen wie beispielsweise die fehlende Planbarkeit von Personalressourcen:Es ist am Anfang einer Aktion der Partei allenfalls aus Erfahrung ableitbar, wiehoch die organisatorische Unterstützung durch die freiwillig mitarbeitendenParteimitglieder ist.

• Die Organisation "Partei" ist nicht trennscharf von ihrer Umwelt abgrenzbar. Soist die auf den ersten Blick nahe liegende Abgrenzung durch die formale Partei-mitgliedschaft nicht unbedingt zielführend, weil in Parteien häufig Nichtmit-glieder sogar einen höheren Anteil an der Parteiarbeit haben als passive Mit-glieder, die nur ihren Beitrag entrichten.

• Die Mitgliedschaft in Parteien ist an wenige formale Bedingungen geknüpft. Sogut wie jeder, der möchte kann ein- und auch wieder austreten. Eine solide undverlässliche Langzeitplanung braucht aber Informationen darüber, mit welcherorganisatorischen Basis zu rechnen ist.

• Parteien leiden auch darunter, dass ihre Ziele häufig unklar oder widersprüch-lich sind: So reicht das Spektrum von Primär- und Sekundärzielen über allge-

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

meine Organisationsziele bis hin zu den Zielen einzelner Akteure und Interes-sengruppen.

• Es bestehen außerdem organisatorische Zieltransferprobleme: Parteien sind fürdie Erreichung ihrer Ziele auf die Unterstützung der Bevölkerung bei Wahlenangewiesen. Gleichzeitig sind sie aber auch die Interessenvertretung für dieMitglieder. Beide Interessensslagen müssen aber nicht deckungsgleich sein.

• Als letzter Punkt sind die organisatorischen Anreizschwächen zu nennen, mitdenen Parteien zu kämpfen haben. Parteien verfügen nicht über "ein den An-sprüchen und Erwartungen ihrer Mitglieder entgegenkommendes, leistungs-mobilisierendes und -verstetigendes organisatorisches Anreiz- und Gratifikati-onssystem" (vgl. [Wie98], S. 213).

Um mit diesen Problemen umgehen zu können, sind Parteien nach den "Prinzipiender Unbestimmtheit, Fragmentierung, loser Kopplung und Hypokrisie" (vgl. [Wie98],S. 219 ff.) organisiert. Dies bedeutet im Einzelnen:

• Unbestimmtheit: Das tatsächliche Geschehen in Parteien wird so weit wie mög-lich unklar gehalten. Hierdurch soll verhindert werden, dass ungeklärte Un-stimmigkeiten und Unklarheiten offen zu Tage treten.

• Fragmentierung: Parteien sind außerdem vertikal in Bundes-, Landes-, Krei-sebene und eventuell noch weitere Unterebenen fragmentiert. Horizontal sindsie zudem auf den jeweiligen Ebenen meistens zusätzlich nach Sach- und Inter-essengebieten in Arbeitsgemeinschaften oder andere Zusammenschlüsse frag-mentiert.

• Lose Kopplung: Die einzelnen Organisationsfragmente der Partei sind nur lo-se miteinander gekoppelt. Dadurch schaffen es Parteien, innerparteiliche Kon-flikte abzudämpfen: Jedes Mitglied hat im Grunde die Möglichkeit, sich in derOrganisationseinheit zu organisieren, die ihm inhaltlich und emotional am pas-sendsten erscheint.

• Hypokrisie: Als Hypokrisie bezeichnet Wiesendahl das Auseinanderfallen voninnerparteilicher Diskussion und tatsächlichem politischen Handeln. Daraus er-klärbar sind auch die Spannungen, die häufig zwischen der Parteiorganisationund den politisch gewählten Mandatsträgern bestehen.

Wiesendahl fasst seine Ausführungen zur Organisationsrealtität politischer Parteienwie folgt zusammen:

"Parteien sind grenzoffen und durchlässig und können infolgedessen nur

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

äußerst begrenzt den Zustrom an Mitgliedern und Zielerwartungen kon-trollieren. Diejenigen, die als Freiwillige zu den Parteien finden, kommenund gehen und lassen es dabei an berechenbarem Zulauf und Mitwirkenvermissen. In Parteien wird alles aus freien Stücken gemacht und ins Be-lieben der Mitglieder gestellt, wie sie ihre Rolle auszufüllen gedenken.Parteien verfolgen unklare und strittige Ziele und laborieren an unver-einbaren Handlungslogiken. Es liegt nicht in ihren Händen, ob die Ziele,die sie zu verwirklichen wünschen, sich auch realisieren lassen. Weiterhinfehlen ihnen die strukturellen Arrangements, um die Variabilität und Va-rianz im Denken, Orientieren, Fühlen und Handeln ihrer Mitglieder aufvorgegebene Ziele oder ein organisatorisch verträgliches Maß reibungslo-ser Zusammenarbeit eingrenzen zu können. Anreizarm, wie Parteien nuneinmal sind, können sie das von ihren Mitgliedern verkörperte Humanres-sourcenpotential nicht so weit ausschöpfen, daß sich für ihren Organisati-onsbetrieb halbwegs verstetigte und berechenbare "workable conditions"ergeben würden." (vgl. [Wie98], S. 216).

Damit sind die Problemstellungen der Parteiorganisation benannt. Nun sollen ausge-hend von der oben angesprochenen betriebswirtschaftlichen Sichtweise konkret dieAufgaben identifiziert werden, die in Parteien anfallen. Wikipedia beschreibt dieseAufgaben für politische Parteien (vgl. [Wik10l] Abschnitt "Aufgaben"):

• Personal: Die Rekrutierung und Ausbildung von Personal und Aufstellung vonKandidaten bei Wahlen zur Besetzung politischer Ämter.

• Interessenartikulation und -aggregation: Formulierung und Bündelung der In-teressen und Meinungen der Mitglieder und Wähler.

• Interaktion: Verbindung zwischen Staat und Bürger, zweiseitiger Kommunika-tionskanal: Einerseits Artikulation von Interessen gegenüber staatlichen Insti-tutionen und andererseits Erläuterung, Information und Erklärung von staatli-chen Entscheidungen gegenüber den Bürgern.

• Parteiprogramm: Entwicklung politischer Programme für einen längeren Zeit-raum.

• Regierung: Aufstellen und Einflussnahme auf die Regierung, Schaffung eineseingespielten Systems im Parlament. Fraktionen und die entsprechende Ar-beitsteilung sorgen für ein arbeitsfähiges Parlament und organisieren Mehrhei-ten für Regierungsvorschläge.

• Verantwortlichkeit: Sicherstellen, dass ein Entscheidungsträger die Konsequen-zen für schlechte Politik trägt. [...]

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

Fasst man diese Aufgaben mit der betriebswirtschaftlichen Sichtweise, der Ebene derNPO sowie den durch das Grundgesetz vorgegebenen Aufgaben zusammen, immermit den Bemerkungen von Wiesendahl im Hinterkopf, ergeben sich folgende organi-satorische Aufgabenbereiche:

• Politische Vision: Erarbeitung beziehungsweise Modifizierung von langfristi-gen politischen Zielen, Werten und Visionen. In politischen Parteien werdendiese insbesondere durch Grundsatzprogramme und -beschlüsse formuliert. Siewerden meistens in einem langen Prozess innerhalb der Partei diskutiert undabschließend von dem jeweiligen höchsten Beschlussorgan der Partei beschlos-sen.

• Interessensartikulation und -aggregation: Die Meinungen, Interessen und Vor-stellungen der Parteimitglieder zur Umsetzung der langfristigen politischen Vi-sionen müssen gebündelt und über sie durch demokratische Entscheidungeninnerhalb der jeweiligen Parteiebene entschieden werden. Dies betrifft insbe-sondere Wahlprogramme, Resolutionen und andere politische Meinungsäuße-rungen beispielsweise zu aktuellen Geschehnissen aber auch die Kontrolle derParteimitglieder mit politischen Ämtern innerhalb der Partei und in den Parla-menten.

• Politisches Personalmanagement: Wichtige Aufgaben für das politische Perso-nalmanagement in Parteien sind insbesondere die Aufstellung von Kandidatenfür Ämter innerhalb der Partei und für Wahlen sowie die Schulung von Nach-wuchskräften und das parteiinterne Wissensmanagement. Die Betreuung derMitglieder und die Werbung neuer Mitglieder sind zwei weitere wichtige Auf-gaben, die in diesem Bereich anfallen.

• Politikmarketing: Das Politikmarketing umfasst alle organisatorischen Aufga-ben in politischen Parteien, bei denen es um die Außendarstellung der Partei-organisation geht. Dies umfasst dabei insbesondere auch die Organisation undDurchführung von Wahlkämpfen. Dem Politmarketing ist zudem die Beobach-tung des politischen Umfeldes zuzurechnen sowie die Einschätzung dahin ge-hend, welche politischen Themen für die Zukunft relevant sein können.

• Finanzierung: Parteien finanzieren sich fast ausschließlich über Mitgliedsbei-träge, die staatliche Parteienfinanzierung sowie Spenden von Mandatsträgern,Bürgern und Unternehmen (vgl. [Wik11i]). Die Finanzen einer Partei bestim-men weitestgehend ihren Handlungsspielraum und ist deshalb ein zentralerBaustein für erfolgreiche Parteiarbeit.

• Politische Koordination: Die Koordination der verschiedenen Teilbereiche desParteimanagements sowie der verschiedenen vertikalen Hierarchieebenen un-

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

Abbildung 2.4.: Aufgaben in politischen Parteien (Quelle: Eigene Darstellung)

tereinander ist die primäre Aufgabe der politischen Koordination. Die Koordi-nation betrifft auch die konkrete technische Organisation und Unterstützungder anderen Aufgaben sowie den wichtigen Bereich des parteiinternen Infor-mationsmanagements.

Abbildung 2.4 auf Seite 19 veranschaulicht die Aufgabenbereiche in politischen Par-teien.

Da, wie oben dargelegt, Parteien in eine ganze Reihe von Organisationsfragmentenzerfallen, finden sich diese Aufgabenbereiche mehr oder weniger ausgeprägt als ei-genständige Einheiten an vielen Stellen der Parteiorganisation wieder.

2.4. Das Mikropolis-Modell

Das Mikropolis-Modell (MM) ist ein transdisziplinär ausgerichteter Orientierungs-rahmen für soziotechnische Umgebungen (vgl. [Rol08], S. 95 ff.). Das Modell wurdeam Fachbereich Informatik der Universität Hamburg entwickelt und stellt verschie-dene Konzepte bereit, um die wechselseitige Beeinflussung von Organisationen, dieInformationstechnik (IT) anwenden, dem Informatiksystem und der Gesellschaft zuuntersuchen. Da es unter anderem das Ziel der Arbeit ist, die Wechselwirkungen zwi-schen politischen Parteien als IT-anwendende Organisationen und seiner Umwelt,sowie das Handeln der Akteure in der politischen Partei zu untersuchen, eignet sich

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

das Mikropolis-Modell als analytischer Rahmen für die Arbeit. Das Modell ist mo-dular aufgebaut und je nach Erkenntnisinteresse können die jeweils passenden Mo-dule eingesetzt werden. Für diese Arbeit werden insbesondere die Formalisierungs-lücke, die soziotechnische Perspektive, das Akteurskonzept und die Wechselwirkun-gen zwischen Handlungen, Strukturen und Software in Organisationen verwendet.Aus dem Makrokontext wird das Konzept der Wechselwirkungen zwischen Gesell-schaft und Organisationen verwendet. Diese Konzepte sollen im Folgenden kurz dar-gestellt werden.

2.4.1. Die Formalisierungslücke

Folgt man dem Ansatz von Mertens, der das Ziel der Informatik in einer "sinnhaf-ten Vollautomation" (vgl. [Mer95], S. 48 f.) sieht, dann stellt sich unmittelbar die Fra-ge, welche Automatisierung sinnhaft ist und welche nicht. Das Mikropolis-Modelllöst dies, indem so genannte vorläufige und notwendige Formalisierungslücken (vgl.[Rol08], S. 114 ff.) definiert werden. Eine notwendige Formalisierungslücke ist hierbeiein noch nicht automatisierter Nutzungskontext, der für Innovationen und flexiblesVerhalten in einer Organisation erforderlich ist (vgl. [Rol08], S. 115). Das Schließendieser Formalisierungslücke wäre also nicht sinnhaft, weil sie für das kreative undinnovative Handeln der Akteure und damit letztendlich für das Überleben der Orga-nisation unerlässlich ist. Demgegenüber steht die vorläufige Formalisierungslücke:Eine Automatisierung wäre sinnhaft, aber hat bisher noch nicht statt gefunden.

2.4.2. Die soziotechnische Perspektive

Die Automatisierung menschlichen Handelns durch Computersysteme beinhaltetimmer zwei Aspekte (vgl. zu diesem Abschnitt [Rol08], S. 96 ff.). Durch den Prozessder Dekontextualisierung wird in einem ersten Schritt von der konkreten in einemganz spezifischen Kontext statt findenden Handlung abstrahiert. Sie wird damit ineine Operation, also eine wiederholte, zur Routine gewordene Handlung überführtund dadurch formalisiert. Verschiedene Operationen bilden dann die völlig aus demehemaligen Zusammenhang losgelöste autooperationale Form. Sie besteht nur nochaus der Manipulation von Symbolen innerhalb eines Rechnersystems. Die Ergebnissedieser Symbolmanipulationen müssen von Akteuren und Organisationen wieder in-terpretiert und in ihren Sinn- und Handlungszusammenhang, in ihren Kontext hineininterpretiert werden. Dieser Vorgang wird als Rekontextualisierung bezeichnet. DerErsatz einer in körperlicher Anwesenheit getätigten Abstimmung durch eine Abstim-mung per Email wäre ein Beispiel für genau diesen Prozess. In Abbildung 2.5 aufSeite 21 wird die soziotechnische Perspektive visualisiert.

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Abbildung 2.5.: Die soziotechnische Perspektive (Quelle: [Rol08], S. 97)

2.4.3. Das Akteurskonzept

Im Gegensatz zu den Vorstellungen der Rational-Choice-Theorie geht das Akteurs-konzept nicht von einem völlig rational handelnden Individuum aus, das alle nö-tigen Informationen besitzt, um die optimale Entscheidung zur persönlichen Nut-zenmaximierung zu treffen. "Akteure sind hier Einzelpersonen, die von Interessen,Wertvorstellungen und Emotionen geleitet sind und sie nach Möglichkeit durchset-zen wollen" (vgl. [Rol08], S. 106). Dabei können Akteure durchaus auch kollektiveHandlungseinheiten sein, die gemeinsame Interessen durchsetzen wollen. Dabei istdie Möglichkeit eines Akteurs, seine Interessen durchzusetzen auch von seiner Machtabhängig. So können mächtige Akteure beispielsweise durch die Generierung vonLeitbildern über die Gesellschaft Einfluss auf die Techniknutzung in anderen Orga-nisationen nehmen(vgl. [Rol08], S. 109).

2.4.4. Der Mikrokontext

Alle oben vorgestellten Elemente des Mikropolis-Modells sind Teil des Mikrokontex-tes. Weitere wichtige Elemente des Mikrokontextes sind die IT-Projekte und die for-schenden und entwickelnden Organisationen im Bereich der IT. Neben den Univer-sitäten aus dem Bereich der Forschung sind insbesondere die vielen verschiedenen

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Abbildung 2.6.: Der Mikrokontext (Quelle: [Rol11], S. 30)

großen Softwarehäuser aber auch die kleinen und mittleren Unternehmen Teil desMikrokontextes. Die betrachteten IT-anwendenden Organisationen kommunizierenmit der Sphäre der Forschung und Entwicklung über IT-Projekte. Mit dem Begriffdes "IT-Projekts" wird vor allem zum Ausdruck gebracht, dass die Einführung vonSoftware in Unternehmen immer ein konkretes einmaliges Projekt darstellt mit ganzspezifischen Rahmenbedingungen (vgl. hierzu [Rol08], S. 102 ff. in Verbindung mit[Rol11]). Abbildung 2.6 auf Seite 22 stellt den Mikrokontext dar.

2.4.5. Wechselwirkung zwischen Gesellschaft undOrganisationen

Im Mikropolis-Modell sind Organisationen eingebettet in einen Makrokontext, in eingesellschaftliches Umfeld (vgl. [Rol08], S. 116 ff.). Über eine nach beiden Seiten durch-lässige Membran wirken beispielsweise Werte, Normen, Gesetze, Vorstellungen undAnforderungen5 in das gesellschaftliche Umfeld. Gleichzeitig wirkt der Gebrauchvon Technik in der Organisation auf die Gesellschaft zurück. So rief beispielsweiseGoogle mit seinen Kamerafahrten für das Angebot "Street View" massiven Protesthervor (vgl. [Han09]).

Abbildung 2.7 auf Seite 23 stellt den Makrokontext dar.

5im neoinstitutionalistischen Sinne Institutionen; siehe hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 2.5

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

Abbildung 2.7.: Der Makrokontext (Quelle: [Rol11], S. 33)

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2.4.6. Konkretisierung von Mikrokontext und Akteurskonzept

Im Rahmen dieser Arbeit treten wie bereits in Kapitel 2.1 angedeutet eine Reihe vonAkteuren auf. Das Mikropolis-Modell blendet in seiner Grundform die konkretenBeziehungen zwischen Mikro- und Makrokontext weitgehend aus. Das Mikropolis-Modell soll deshalb um konkrete kommunikative Austauschbeziehungen mit Akteu-ren des Makrokontextes erweitert werden. Bei diesen Akteuren kann es sich um in-dividuelle, kollektive oder korporative Akteure handeln. Individuelle Akteure sindhierbei Einzelpersonen. Kollektive und korporative Akteure sind hingegen überindi-viduelle Akteure, die aus dem Handeln einer Gemeinschaft von Akteuren entstehen(vgl. [Wik11a]). Kollektive und Korporative Akteure unterscheiden sich hinsichtlichihrer inneren Konstitution. Während kollektive Akteure von den Präferenzen und In-teressen der Mitglieder abhängig sind (vgl. [Wik10h]), zeichnet korporative Akteureaus, dass ihr Handeln von Eigentümern oder einer hierarchischen Führung bestimmtwird (vgl. [Wik08b]).

Die betreffende Organisation muss für die Kommunikation mit dem Makrokontextbestimmte Medien nutzen. Diese Medien sind entweder Teil der Organisation bezie-hungsweise werden von ihr kontrolliert. Oder sie sind Teil des Makrokontextes undaußerhalb des Kontrollbereichs der jeweiligen Organisation. Bei diesen Medien kannes sich um jede Art von Kommunikationsmittel handeln. Die Bandbreite reicht hier-bei von Luft und Schall bei persönlicher Kommunikation über Post und Email bishin zu Zeitungen, Funk und Fernsehen. Für die Nutzung jedes Mediums kann einKommunikationspfad dargestellt werden. Je nach Erkennisinteresse können an die-ser Kommunikation auch Teilbereiche der betrachteten Organisation beteiligt sein.Daneben findet auch innerhalb der Organisation Kommunikation statt. Auch hierwird für die Kommunikation jeweils ein bestimmtes Medium genutzt, das unter derKontrolle der Organisation sein kann wie beispielsweise ein Newsletter. Aber auchweitgehend außerhalb der Kontrolle der Organisation wie zum Beispiel eine Web 2.0Anwendung wie Facebook.

Werden die Kommunikationsprozesse durch Softwaretechnik unterstützt, finden so-ziotechnische Prozesse der De- und Rekontextualisierung statt. Leitbilder und Insti-tutionen wirken hierbei auch auf die Organisation im Hinblick auf die Nutzung derMedien ein.

In Abbildung 2.8 auf Seite 25 wird das um die kommunikativen Austauschprozesseerweiterte Mikropolis-Modell dargestellt.

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

Abbildung 2.8.: Erweitertes Mikropolis-Modell (Quelle: Eigene Darstellung ange-lehnt an [Rol11], S. 33)

2.5. Der Neoinstitutionalismus

Eine aktuell insbesondere im angelsächsischen Raum diskutierte und noch relativjunge soziologische Theorie ist der Neoinstitutionalismus (NI). Auch auf Grund sei-ner Entstehung kann er als Gegenpart zu der Theorie des Technikdeterminismus-ses gelten: Anfang der frühen siebziger Jahre wurde an der Stanford University dasForschungsprogramm "Enviroment for Teaching" durchgeführt. Ausgangsprunkt derForschungen war die damals vorherrschende technik-deterministische Ansicht, dassdie verwendete Technologie einen starken Einfluss auf die formale Organisation ha-be. Dafür fanden sich allerdings nur schwache Anhaltspunkte.

"Die formale Struktur spiegelte statt der Anforderungen, die aus den Ak-tivitäten der Organisation und der Komplexität der internen und exter-nen Beziehungen resultieren, die Vorstellungen rationaler organisationa-ler Gestaltung in der Umwelt der Organisation wider." (vgl. [Wal06], S.353)

Mit anderen Worten: Die Anforderungen und Erwartungen der Umwelt beeinflus-sen die formale Struktur der Organisation. Strukturen in Organisationen sind im NInicht in dem Sinne technisch-rational, dass sie die Vorgänge innerhalb der Organisa-

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tion und zwischen Organisation und Umwelt optimieren sondern sie sind vielmehr(auch) ein Produkt äußerer und innerer Zwänge. Es ist in diesem Sinne auch nicht dasManagement einer Organisation, das unabhängig die Strukturen bestimmt. Sondernes sind auf einer Makroebene äußere Zwänge im Umfeld der Organisation. DieseZwänge bezeichnen die Neoinstitutionalisten als Institutionen. Etwas vage definierthandelt es sich bei Institutionen um "institutionalisierte Elemente der formalen Struk-tur von Organisationen und Managementpraktiken, die eine branchenweite, nationa-le oder internationale Verbreitung aufweisen" (vgl. [Wal06], S. 354 f.). Institutionalisie-rung als Prozess ist dabei der Vorgang, durch den sich Handlungen und soziale Bezie-hungen zu Selbstverständlichkeiten entwickeln. Institutionalisierung als Zustand be-deutet demgegenüber, dass bestehende Vorstellungen innerhalb der Gesellschaft diemöglichen Handlungsoptionen bestimmen. Institutionalisierung im Zusammenhangmit politischen Parteien könnte beispielsweise bedeuten, dass von Parteien erwartetwird, dass sie eine Website haben um sich zu präsentieren. Dieser gesellschaftlicheDruck existiert noch bevor eine rationale Kosten-Nutzen-Abwägung durchgeführtwurde: "Man hat eben eine Website oder man ist unmodern".

Die Neoinstitutionalisten gehen sogar noch weiter: Sie behaupten, dass ganze Mana-gementpraktiken6 in der Gesellschaft institutionalisiert sind und dadurch als Insti-tutionen derart auf Organisationen einwirken, dass diese sich ihnen nur schwerlichentziehen können. Hier findet sich auch ein guter Anknüpfungspunkt vom Neoinsti-tutionalismus zu der Darstellung der Wechselbeziehung zwischen Organisation undgesellschaftlichem Umfeld im Mikropolis-Modell: Die Akteure, die im Mikropolis-Modell durch ihre Macht über die gesellschaftliche Membran Leitbilder erschaffenkönnen, die dann wieder auf Organisationen zurück wirken, würden neoinstitutiona-listisch formuliert eine Institutionalisierung von bestimmten Managementpraktikendurchführen. Diese institutionalisieren dann wiederum die Organisationen.

Im NI lassen sich zwei verschiedene Strömungen identifizieren: Der Makroinstitu-tionalismus und der Mikroinstitutionalismus. Im Mikroinstitutionalismus wird dieOrganisation selbst als Ursprung von Institutionen betrachtet. Dieser Ansatz unter-sucht also eher einen stark vergrößerten individuellen Ausschnitt der Wirklichkeitvon Organisationen. Insbesondere für die Betrachtung der Wechselwirkung zwischenGesellschaft und Organisation ist dagegen der makroinstitutionalistische Ansatz ge-eigneter, der im Folgenden etwas eingehender erläutert wird.

Der Grundgedanke im makroinstitutionalistischen Ansatz ist, dass das Umfeld einerOrganisation einen großen Einfluss auf die organisationale Wirklichkeit innerhalb derOrganisation hat. Organisationen sind je nachdem in welchem Umfeld sie sich bewe-gen stärker oder schwächer durch Institutionen bestimmt. So werden technische undinstitutionelle Umwelten unterschieden. Bei technischen Umwelten handelt es sich

6Beispielsweise wären hier Schlagworte wie "Total Quality Management" oder "Profit Center" zunennen

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hierbei um Umwelten, die Effizienzanforderungen an Organisationen stellen, wohin-gegen institutionelle Umwelten durch institutionalisierte Regeln auf die Organisationeinwirken (vgl. [Wal06], S. 363). Jede Organisation lässt sich unterschiedlich stark indiese Matrix einordnen. Wichtig dabei zu beachten ist allerdings, dass der Neoinsti-tutionalismus mitnichten eine Wertung durchführt in "die eigentlich rational sinnvol-len Anforderungen" und "suboptimale gesellschaftlich aufgezwungene Strukturen":Der Neoinstitutionalismus versucht zu erklären, wie es zu bestimmten Strukturenkommt. Dabei können auch Strukturen für das Überleben der Organisation wichtigsein, die nicht rational begründet sind. Denn sie können der Organisation beispiels-weise Legitimität verleihen.

Obwohl die strikte Trennung in technische und institutionelle Umwelten in neuerenArbeiten aufgegeben wurde, ist sie aus empirisch-analytischer Sicht weiterhin sinn-voll.

Der makroinstitutionalistische Ansatz beschäftigt sich eingehend mit der Art undWeise, wie Institutionalisierung stattfindet. Inzwischen existiert eine sehr differen-zierte Sichtweise des zentralen Begriffs der Institution. Institutionen wirken auf Or-ganisationen ein und rufen Isomorphieprozesse in organisationalen Feldern hervor.Mit Isomorphieprozessen wird hier die Beobachtung bezeichnet, dass sich Organisa-tionen in einem organisationalen Feld, also "Organisationen, die in einem gemeinsa-men Sinnzusammengang stehen" mit der Zeit immer ähnlicher werden (vgl. [Wal06],S. 368 f. und [DP91], S. 66 f.). Die Bestimmung des organisationalen Feldes stellt dabeiinnerhalb der NI ein nicht zu unterschätzendes Problem dar, das Anlass für Kritikund Weiterentwicklung ist (vgl. [BRBR06b], S. 118-136). Den Grund für das Phäno-men, dass Organisationen mit der Zeit dazu tendieren, immer ähnlicher zu werden,sehen die Neoinstitutionalisten ebenfalls im Wirken verschiedener Institutionen.

Eine Charakterisierung von Institutionen liefert der Ansatz von Scott, der drei Säulenvon Institutionen formuliert. Abbildung 2.9 auf Seite 27 zeigt die drei von Scott iden-tifizierten Säulen von Institutionen, die regulative, die normative und die kulturell-kognitive.

Mit der regulativen Säule werden diejenigen Institutionen erfasst, die über Regeln,Beobachtung und Kontrolle das Verhalten von Organisationen sanktionieren (vgl.[Wal06], S. 379). Im Kontext politischer Parteien wären dies beispielsweise Gesetzewie das Parteiengesetz, das bestimmte Vorgaben für Abläufe und Strukturen in po-litischen Parteien macht. Die Strukturanpassung von Organisationen in dieser Säulewird mit dem Begriff der "Isomorphie durch Zwang" bezeichnet: Durch das Partei-engesetz sind Parteien gezwungen, sofern sie nicht gesetzwidrig handeln wollen, be-stimmte Regularien, was beispielsweise die innerparteiliche Willensbildung betrifft,einzuhalten.

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

Abbildung 2.9.: Die drei Säulen von Institutionen (Quelle: [Wal06], S. 380)

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In der normativen Säule wirken bewertende, vorschreibende und verpflichtende Ein-flüsse auf die Organisationen ein. Hier spielen soziale Erwartungen an das Handelninnerhalb von Unternehmen eine große Rolle. So gibt es beispielsweise im Bereich derHöflichkeitsformen bestimmte Verhaltensweisen, die von Politikern erwartet werden.Es existiert somit ein Erwartungsdruck im Hinblick auf das Handeln von Personenin Parteien und natürlich auch gegenüber den Parteien insgesamt, bestimmte sozi-al positiv sanktionierte Verhaltensweisen an den Tag zu legen. Ein älteres Beispielfür den gezielten Bruch einer solchen Institution wäre das Handeln des damaligenhessischen Umweltministers Joschka Fischer, der als "Turnschuh-Minister" in die Ge-schichte einging, weil er bei seiner Vereidigung 1985 im hessischen Landtag mit Turn-schuhen erschien und damit offensichtlich gegen eine normative Institution verstieß(vgl. [Wik10g]). Isomorphieprozesse, die auf der normativen Säule beruhen, werdenals normativ bedingte Isomorphie bezeichnet.

Die dritte, die kulturell-kognitive Säule erfasst Elemente von Institutionen, "die dieArt und Weise der Wahrnehmung der Wirklichkeit in einer Gesellschaft bestimmenund durch die die Wirklichkeit sinnhaft erschlossen wird" ([Wal06], S. 380). Es gehtin diesem Zusammenhang also um den Einfluss, den Institutionen auf die Konstruk-tion von Wirklichkeit haben. Alternative Handlungsweisen werden beispielsweiseeinfach deshalb nicht erwogen, weil sie unvorstellbar erscheinen. Handlungen lau-fen automatisch nach einem Skript ab, das nicht mehr hinterfragt wird. Als Beispielkönnte die oben bereits erwähnte Ansicht dienen, dass Parteien heutzutage eben eineWebsite haben müssen und in sozialen Netzwerken im Internet aktiv zu sein haben.Anderenfalls gelten sie als unmodern. Aber auch andere ganz basale Handlungenwie beispielsweise die Form, in der Pressemitteilungen verschickt werden, sind zu-mindest zum Teil kulturell-kognitiv durch Institutionen geprägt. Isomorphie durchkulturell-kognitive Institutionen wird als mimetische Isomorphie bezeichnet.

Abschließend ist hier noch zu erwähnen, dass sich Institutionen häufig nicht direkteiner einzigen Säule zuordnen lassen, sondern meistens Aspekte mehrerer Säulenbesitzen.

Die Kategorisierung von Institutionen nach Scott gilt im NI bisher als Standard undsoll deshalb auch für diese Arbeit heran gezogen werden. Kritik setzt allerdings anbei der von Scott unterstellten Ebenengleichheit der drei Kategorien (vgl. [Sen06], S.41)

Ein weiteres wichtiges Konzept im makroinstitutionalistischen Ansatz ist die Ent-kopplung. Hierunter versteht der NI sowohl eine Trennung zwischen Struktur undAktivität der Organisation als auch die Separierung von Elementen der Organisati-on beispielsweise in verschiedene Abteilungen (vgl. [BRBR06a], S. 107). Hiermit ver-sucht die Organisation, den Widerspruch zwischen den Anforderungen der techni-schen und denen der institutionellen Umwelt aufzulösen. Es ist häufig zu beobach-ten, dass Organisationen für die Außenwelt eine strukturelle Fassade zur Legitimati-

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

on aufbauen, die tatsächlichen Arbeitsabläufe intern aber auf Grund von technischenAnforderungen anders funktionieren. Entkopplung kann dabei mit Hilfe einzelneroder durch eine Kombination mehrerer Maßnahmen erfolgen7 (vgl. [Wal06], S. 376f.):

• Ziele werden uneindeutig und vage gehalten.

• Kategorische Zwecke werden durch technische ersetzt - in Krankenhäusern et-wa werden Patienten nicht geheilt sondern behandelt.

• Formale Strukturen werden vor einer Überprüfung hinsichtlich ihrer techni-schen Leistungsfähigkeit geschützt. Das heißt, Versuche der Steuerung der Ak-tivitäten durch die formale Struktur sowie Überprüfungen und Bewertungender formalen Struktur werden minimiert. Es erfolgt lediglich eine ritualisierteRechenschaftslegung in Form von Geschäftsberichten, Bilanzen und Pressemit-teilungen.

• Koordination, wechselseitige Abstimmungen und Anpassungen werden auf in-formellem Wege durchgeführt. Man vertraut auf die Bereitschaft der Organisa-tionsmitglieder, den technischen Problemen und Interdependenzen adäquat zubegegnen.

Auch der Begriff der Isomorphie ist zunehmender Kritik ausgesetzt (vgl. [BRBR06a],S. 113 f.). Er wird im Rahmen dieser Arbeit allerdings weiterhin verwendet.

Zusammengefasst sind die in dieser Arbeit verwendeten Konzepte des Neoinstitu-tionalismus:

• Die Institutionen selbst in ihren regulativen, normativen und kulturell-kogniti-ven Ausprägungen.

• Die dazu gehörenden Isomorphieprozesse: Isomorphie durch Zwang, Isomorphiedurch normativen Druck und Isomorphie durch mimetische Prozesse.

• Das Konzept der Entkopplung.

7Die Entkopplung von Strukturen der Organisation untereinander entspricht dem, was Wiesendahlals lose Kopplung bezeichnet. Hier ergänzen sich die organisations-soziologische und die politik-wissenschaftliche Betrachtungsebene. Vergleiche hierzu auch Kapitel 2.3

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

2.6. Deliberative Demokratie

Für eine spätere Bewertung der Auswirkungen des Einsatzes neuer Medien in politi-schen Parteien wird ein wissenschaftlicher Rahmen benötigt. Es wird in dieser Arbeitausdrücklich darauf verzichtet, in einer ausführlicheren Darstellung die verschiede-nen Formen demokratischer Beteiligung im Internet zu diskutieren. Als guter Ein-stieg eignen sich beispielsweise die Darstellungen bei Susanne In der Smitten (vgl.[In 07], S. 91 ff.) und Christoph Meißelbach (vgl. [Mei09], S. 75 ff.).

In der politikwissenschaftlichen Diskussion, insbesondere auch in der Auseinander-setzung mit den Auswirkungen der neuen Medien, wird in diesem Zusammenhanghäufig von direkter, assoziativer und deliberativer Demokratie gesprochen. Hierbei kön-nen assoziative, deliberative und auch die direkte Demokratie unter den Oberbegriffder partizipatorischen Demokratie eingeordnet werden. Partizipatorische Ansätze er-weitern dabei die Ansätze der kompetitiven Demokratietheorie und der pluralistischenDemokratietheorie. Stark verkürzt dargestellt liegt der Fokus der kompetitiven Demo-kratietheorie alleine in dem Wettstreit politischer Parteien um Wähler. Die plurali-stische Demokratietheorie erweitert dies um den Wettstreit von Interessengruppenum gesellschaftliche Ziele (für eine ausführlichere Darstellung vergleiche [Mei09], S.75-96).

Partizipatorische Demokratie setzt auf die Ausweitung demokratischer Prinzipienauf möglichst viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens (vgl. [Wik10j]). Die asso-ziative Demokratie setzt den Schwerpunkt auf die "Selbstorganisation und Mobilisie-rung der in Vereinen und Initiativen zusammengeschlossenen Bürger" (vgl. [Leg04],S. 22). Die deliberative Demokratie auf einen möglichst breiten politischen Diskursim Vorfeld und im Nachgang politischer Entscheidungen. Die direkte Demokratieschließlich setzt auf die Entscheidung über politische Themen durch die Bürger selbstanstatt durch gewählte Repräsentanten. Prominente Vertreter partizipatorischer An-sätze sind unter anderem Paul Hirst für die assoziative Demokratie und Jürgern Ha-bermas für die deliberative Demokratie (vgl. [Wik10j]). In dieser Arbeit wird derAnsatz der deliberativen Demokratie nach Habermas zur Basis der Bewertung po-litischer Handlungen und Strukturen gemacht. Er wird hier deshalb ausführlichererläutert.

Habermas beruft sich zuallererst auf Joshua Cohens Begriff der deliberativen Politikals "ideale Prozedur" zur Beratung und Beschlussfassung, die sich soweit als mög-lich in den gesellschaftlichen Institutionen widerspiegeln soll. Dieses Verfahren wirddurch folgende Postulate charakterisiert (vgl. [Hab98], S. 369 ff.):

• Die Beratungen finden in einer argumentativen Form statt, also im geregeltenAustausch von Argumenten und Informationen.

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

• Die Beratungen finden öffentlich statt. Niemand ist ausgeschlossen.

• Die Beratungen sind frei von äußeren Zwängen. Einzige Ausnahme bilden diefür die geregelte Kommunikation notwendigen Verfahrensregeln.

• Alle Diskussionsteilnehmer sind gleichgestellt. Insbesondere hat jeder den glei-chen Zugang zu den Kommunikationsmitteln.

• Die Beratungen zielen auf ein rational motiviertes Einverständnis. Diskussio-nen können im Prinzip unbegrenzt weiter geführt werden. Einzig Sachzwängeverlangen eventuell einen Abschluss durch Mehrheitsentscheidungen.

• Alles kann zur Diskussion gestellt werden, was im "gleichmäßigen Interessealler" geregelt werden kann.

• Auch die Interpretation von Bedürfnissen und die Veränderung vorpolitischerEinstellungen kann Teil der Beratung sein.

Dieses Verständnis deliberativer Demokratie wird bei Habermas noch ergänzt durchfünf Gesichtspunkte von Robert Dahl, die die oben formulierten Postulate etwas wei-ter ausführen und handhabbarer machen. Nach Dahl soll ein Verfahren für bindendeEntscheidungen folgendes gewährleisten (vgl. [Hab98], S. 383):

• Alle Betroffenen sollen eingebunden sein.

• Es sollen für alle gleich verteilte und gleich wirksame Chancen zur Beteiligungam politischen Prozess vorhanden sein.

• Alle Beteiligten haben gleiches Stimmrecht.

• Alle haben die gleichen Rechte zur Wahl der Themen und Bestimmung der Ta-gesordnung.

• Es soll eine Situation geschaffen werden, in der alle Beteiligten "im Lichte hinrei-chender Informationen und guter Gründe ein artikuliertes Verständnis der re-gelungsbedürftigen Materien und der strittigen Interessen ausbilden können."

Diese fünf Forderungen an einen deliberativen Prozess decken sich in großen Teilenmit den Handlungsempfehlungen des geförderten Projektes "E-Partizipation 2.0" derTechnischen Universität Darmstadt aus dem Jahr 2010 (vgl. [KRLMS10], S. 43 ff.). Siesind also sehr aktuell und hochrelevant für die Bewertung technischer Verfahren, dieauf die Sphäre politischer und gesellschaftlicher Auseinandersetzung einwirken.

32

Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

2.7. Politische Parteien im Mikropolis-Modell

Bisher wurde eine ganze Reihe theoretischer Konzepte dargelegt, die für den Einsatzvon Web 2.0 Technologien in politischen Parteien relevant sind. Sie stellen jeweils füreinen Teilaspekt des Phänomens analytische Lösungen dar. Ziel dieses Abschnitts istes, diese Lösungen in das Mikropolis-Modell einzuarbeiten und auf diese Weise ausder komplexen Vielfalt an Theorien ein konkretisiertes Modell für die Analyse derNutzung von Web 2.0 in politischen Parteien zu destillieren.

In Kapitel 2.3 wurden politische Parteien als besondere Form von Organisationen fürdas Mikropolis-Modell konkretisiert. In diesem speziellen Anwendungsfall wird die"globale Netzwerkorganisation" also durch das erarbeitete organisatorische Modellpolitischer Parteien spezifiziert. Es bildet dementsprechend auch den Rahmen fürdie Analyse in Kapitel 3.

Der Fokus dieser Arbeit liegt darauf, wie Web 2.0 für die Kommunikation in po-litischen Parteien eingesetzt werden kann. Durch die Erweiterung des Mikropolis-Modells um den kommunikativen Austausch zwischen Mikro- und Makrokontextwerden diese Prozesse für das Modell handhabbar. Die kommunikationstheoreti-schen Ausführungen in Kapitel 2.1 ermöglichen es, die Kommunikationsprozesse inverschiedene Kategorien einzuordnen.

Parteien kommunizieren mit dem Makrokontext aber auch innerhalb der Organisati-on über Medien. Welche Veränderungen sich ergeben, wenn die historisch benutztenMedien durch Web 2.0 Anwendungen ersetzt oder ergänzt werden, kann mit denKonzepten des soziotechnischen Kerns untersucht werden. Die Web 2.0 Anwendun-gen selbst können durch die in Kapitel 2.2 identifizierten Cluster kategorisiert wer-den.

Die Konzepte des Neoinstitutionalismus aus Kapitel 2.5 stellen einen Ordnungsrah-men zur Kategorisierung und Einordnung der im Makrokontext vorhandenen Leit-bilder, Normen und Werte dar. Sie können als Filter gesehen werden, durch den alleKommunikationsbeziehungen beeinflusst werden. Und zwar sowohl in Hinsicht aufdie Sendung als auch auf den Empfang von Nachrichten. Durch ihr Wirken beeinflus-sen die handelnden Personen gleichzeitig das institutionelle Umfeld. Sie können In-stitutionen erschaffen und verstärken, also institutionalisieren. Sie können durch an-dere Handlungen aber auch deinstitutionalisierend wirken und Institutionen schwä-chen.

Mit dem Konzept der deliberativen Demokratie sowie ihren Voraussetzung und Zie-len wird dem Modell ein normativer Bewertungsrahmen hinzu gefügt. Die delibera-tive Demokratietheorie , die in Kapitel 2.6 vorgestellt wurde, erlaubt es also, über dieFrage rein rationaler Aspekte einer effizienten Kommunikation hinaus, Bewertungen

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Kapitel 2. Theoretische Grundlagen

vorzunehmen. Diese ist selbstverständlich nicht objektiv. Eine vollkommen objektiveBewertung der Vor- und Nachteile demokratischer Prozesse ist allerdings auch garnicht möglich. Denn eine Bewertung hängt immer davon ab, welche Ziele verfolgtwerden und diese können je nach Demokratieverständnis differieren.

Für die Analyse der jeweiligen konkreten organisatorischen Aufgabe bietet es sichan, den Fokus auf die Kommunikationsbeziehungen zu setzen. Zuerst werden hierzudie grundlegenden Rahmenbedingungen erläutert, die für die konkrete Kommunika-tionsbeziehung gelten. Dazu gehören insbesondere die beteiligten Akteure mit ihrenjeweiligen Zielen, die genutzten Medien und die Art der Kommunikation. Darauf-hin werden zwei Szenarien entworfen. Ein Szenario stellt die herkömmlichen Kom-munikationswege innerhalb des Mikrokontext der Parteiorganisation und zwischenMikro- und Makrokontext dar. Das zweite Szenario führt Web 2.0 Anwendungen alsneue Medien an der Membran zwischen Mikro- und Makrokontext ein. Hier wer-den mit den Mitteln der soziotechnischen Perspektive die Veränderungen dargestelltund untersucht. Es schließt ein Teil an, der Gründe für das beobachtete Verhaltenpolitischer Parteien bei der Wahl der jeweiligen Kommunikationsmedien aufzeigt.Abschließend werden beide Szenarien mit Hilfe der deliberativen Demokratietheoriebewertet.

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Kapitel 3.

Parteien im Web 2.0 -Bestandsaufnahme und Analyse

Die theoretischen Grundlagen und vor allem das erarbeitete integrierte Modell sol-len nun dazu verwendet werden, den Forschungsstand des Einsatzes von Web 2.0Technologie in politischen Parteien darzustellen und gegebenenfalls zu erweitern.Als Rahmen für die Betrachtung sollen die in Kapitel 2.3 identifizierten Aufgabenpolitischer Parteien gelten, die nun einzeln untersucht werden. Dabei wird jeweilserst ein allgemeiner Überblick gegeben und anschließend das Thema mit Fallstudi-en, Literatur und qualitativer Forschung vertieft. Die Ergebnisse werden dann mitHilfe des integrierten Modells dargestellt, eingeordnet, analysiert und bewertet. Ab-schließend wird dann jeweils eine Einordnung der verschiedenen Web 2.0 Angebotehinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten für den jeweiligen Organisationsbereich po-litischer Parteien vorgenommen.

3.1. Methoden

Für die Darstellung in dieser Arbeit werden eine Reihe wissenschaftlicher Methodenangewendet, die im Folgenden kurz dargestellt werden.

Literaturrecherche

Neben passender wissenschaftlicher Literatur werden insbesondere auch Fundstückeaus Weblogs, Zeitungen, Foren und Wikis1 zur deskriptiven Darstellung bestimmterPhänomene verwendet. Die wissenschaftliche Literatur wird vor allem verwendet,

1Wikis sind Webseiten, die auf einfache Art und Weise auch von Nutzern verändert werden können.Vergleiche hierzu auch http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wiki&oldid=87367042, Stand17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

um bereits bestehende Forschungserkenntnisse darzulegen. Andere Quellen dienenzur Veranschaulichung und Generierung von Hypothesen.

Fallbeispiele

Mit Hilfe der Fallbeispiele werden für die explorative Erfassung des Forschungsge-genstands Phänomene aus den organisatorischen Teilbereichen der politischen Par-teien dargelegt. Während die Experteninterviews in die Breite gehen, versuchen dieFallbeispiele an einem konkreten Punkt den Forschungsgegenstand explorativ in derTiefe zu erfassen und somit punktuell Erkenntnisse zu gewinnen, die bei einer eheroberflächlichen Betrachtungsweise schwierig zu erlangen wären. Die Auswahl derFallbeispiele orientiert sich dabei an keinem besonderen Schema sondern ist insbe-sondere den beiden Problemen geschuldet, dass es einerseits wenige konkrete Fall-beispiele gibt2 und andererseits die Zugänglichkeit zu Beispielen insbesondere in denBereichen schwierig ist, wo Parteien Zugangsbeschränkungen beispielsweise durchMitgliedschaft aufgebaut haben.

Experteninterviews

Die qualitativen Experteninterviews wurden vor allem zu den organisatorischen Teil-bereichen Finanzierung und politische Koordination und eingeschränkt auch für das Ge-biet der politischen Personalplanung durchgeführt. Der Hintergrund ist der, dass fürdiese Organisationsbereiche politischer Parteien wenig Literatur vorhanden ist. Fürdie Durchführung der Interviews wurde ein grober Leitfaden entwickelt. Im zweitenSchritt wurden die Interviews transskribiert. Hierbei ist zu beachten, dass es sich umVolltransskripte handelt, die einen mittleren Grad an Genauigkeit aufweisen. Diesreicht für Experteninterviews aus (vgl. [LT09], S. 41). Die transskribierten Interviewswurden daraufhin paraphrasiert, also in thematischer Einheiten geordnet. Der näch-ste Schritt bestand im Kodieren der Transskripte, also einer inhaltlichen Zuordnungvon Textabschnitten. Die verwendeten Codes wurden vorab definiert, das Vorgehenentspricht also einer deduktiven Vorgehensweise. Die Interviews wurden anschlie-ßend untereinander auf Gemeinsamkeiten bezüglich gleicher Codes untersucht (vgl.[LT09], S. 51-45 und [MN09], S. 476 f.). Für die Argumentation im Rahmen dieser Ar-beit wurde weitestgehend auf die Stufen der soziologischen Konzeptualisierung undder theoretischen Generalisierung verzichtet, weil dies für diese erste explorative Be-trachtung des Feldes nicht notwendig war. Auf diese Weise konnten die Interviewsstrukturiert für die Argumentation und Bildung von Hypothesen verwendet wer-den.

2Dies resultiert beispielsweise aus der Tatsache, dass die Zahl relevanter politischer Parteien inDeutschland klein ist.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

3.2. Parteiprogramm 2.0: Raus aus dem Hinterzimmerder Klüngelrunden?

Dieses Kapitel befasst sich mit der organisatorischen Aufgabe politischer Parteien,langfristige politische Programme und Visionen zu entwickeln. Zuerst wird gezeigt,wie die Grundsatzprogramme der politischen Parteien bisher entstanden und wel-che Entwicklungen derzeit zu beobachten sind. Daraufhin soll an Hand der derzeitlaufenden Diskussion über das Grundsatzprogramm der Partei Die Linke und der ab-geschlossenen Programmdebatte der Piratenpartei exemplarisch gezeigt werden, wieWeb 2.0 Technologien eingesetzt werden, um diese Prozesse zu unterstützen. BeideFallstudien wurden gewählt, weil der Zugang relativ einfach und unproblematischwar und sie eine relativ große Menge an empirischem Material erbringen. Anschlie-ßend wird das im Theorieteil entwickelte erweiterte Mikropolis-Modell auf diesenorganisatorischen Teilbereich angewendet.

3.2.1. Parteiprogramm 1.0

Die bestehenden Grundsatz- beziehungsweise Parteiprogramme der im Bundestagvertretenen Parteien3 sind allesamt überwiegend ohne den Einsatz von Web 2.0 zuStande gekommen.

So wurde das Grundsatzprogramm der Christlich Demokratischen Union (CDU)2007 parteiintern in den Gremien diskutiert und dann auf einem Bundesparteitagbeschlossen (vgl. [CDU07]). Darüber hinaus gab es nur die Möglichkeit für CDU-Mitglieder, im CDU-internen Forum über das Programm zu diskutieren. Maßgeblichwurde das Programm aber von einer parteiinternen Kommission erarbeitet und dannals Leitantrag auf dem Bundesparteitag zur Diskussion gestellt. Immerhin gab es eineeigene Webseite der CDU, die den Prozess der Programmerstellung begleitete.

Auch das ebenfalls 2007 beschlossene Grundsatzprogramm der Christlich-SozialenUnion (CSU) wurde bis auf eine Foren- und Chatdiskussion weitestgehend "analog"erarbeitet (vgl. [CSU07], S. 187).

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) beschloss im Vorfeld der Bun-destagswahlen 2008 ihr neues Grundsatzprogramm (vgl. [SPD07]). Eine besondereVerwendung der neuen Möglichkeiten des Internets fand auch bei der SPD nicht statt(vgl. [Lip07]).

Das Grundsatzprogramm der Grünen aus dem Jahr 2002 ist schon etwas älter. Es3Die Linke hat bisher nur programmatische Eckpunkte.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

wurde zwar parteiintern über 3 Jahre diskutiert (vgl. [Bün02], S. 7) aber auch bei denGrünen findet sich kein Hinweis darauf, dass das Programm in besonderer WeiseWeb-gestützt diskutiert wurde.

Genauso wenig war dies beim Parteiprogramm der Freien Demokratischen Partei(FDP) aus dem Jahr 1997 der Fall (vgl. [FDP97]). Derzeit arbeitet die FDP an einemneuen Grundsatzprogramm (vgl. [FDP11]). Mit Stand 5. März 2011 hat es allerdingsweniger als 100 Einträge von denen der allergrößte Teil aus dem Jahr 2010 ist.

Die Partei Die Linke hat bisher noch kein eigenes Grundsatzprogramm sondern nurso genannte "Programmatische Leitsätze", die 2007 auf den Parteitagen der Partei "Ar-beit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative" (WASG) und der Linkspartei.PDS4

beschlossen wurden (vgl. [Die07]). In der Linkspartei läuft derzeit die Diskussionüber ein neues Grundsatzprogramm. So hat eine Programmkommission inzwischeneinen Entwurf erarbeitet, der im März 2010 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde (vgl.[Spi10], [Die10b]). Bisher findet vor allem eine Dokumentation von Wortmeldungenprominenter Parteivertreter und innerparteilicher Gruppierungen im Internet statt(vgl. [LIN11]). Inzwischen hat die Partei allerdings eine Web-Plattform gestartet, aufder das Programm auch online diskutiert werden kann (vgl. [Die11a]). Die Diskussi-on wird im Rahmen einer Fallstudie ausführlich im Kapitel 3.2.2 vorgestellt.

Sehr viel weiter ist wohl auch auf Grund ihrer Kernthemen Internet und Daten-schutz sowie ihres im Vergleich geringeren Altersdurchschnitts die Piratenpartei(vgl.[Wik11j]). Bereits vor ihrer offiziellen Gründung und dem Beschluss über das Grund-satzprogramm im September 2006 wurde das Programm über ein Wiki diskutiert(vgl. [Köm07]). Die Genese des Piratenprogramms wird in Abschnitt 3.2.3 im Rah-men einer weiteren Fallstudie dargestellt.

3.2.2. Die "elektronische Programmdebatte" in der Partei DieLinke

Wie oben bereits angedeutet, findet in der Partei Die Linke derzeit die Debatte umdas Parteiprogramm statt. Neben den in verschiedenen Parteigliederungen laufen-den Diskussionen befand sich die sogenannte "elektronische Programmdebatte" zwi-schen dem 7. November 2010 und dem 3. Januar 2011 in der Testphase (vgl. [Die11a]und [Die10a]). Für die Debatte wird die von Liquid Democracy e.V. entwickelte Platt-form liqd.net verwendet (vgl. [Liq11b]). Die Anwendung, die der Plattform zu Grun-de liegt, ist Adhocracy (vgl. [Liq11a]).

Als Grundlage für die "elektronische Programmdebatte" ist der Entwurf für das Par-

4PDS steht hier für Partei des Demokratischen Sozialismus

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

teiprogramm festgelegt worden (vgl. [Die10b]). Die Plattform soll dazu dienen, Än-derungsvorschläge auf Basis dieses Programmentwurfs zu erarbeiten und abzustim-men. Neue Vorschläge einbringen, bestehende Vorschläge abändern oder an der Dis-kussion teilnehmen können allerdings nur Mitglieder der Partei (vgl. [Die11d]). Le-serechte hat jeder Interessierte.

Für die Debatte läuft der Prozess durch die Anwendung Adhocracy determiniert wiefolgt: Nutzer erstellen Textänderungsvorschläge auf Basis des Programmentwurfs.Andere Nutzer können diesen Vorschlag nun unterstützen, an der Formulierung mit-arbeiten oder ihn ablehnen. Ist ein Vorschlag fertig und hat die Zustimmung einerausreichenden Anzahl an Nutzern erreicht, können alle Nutzer des Portals für einenbegrenzten Zeitraum über den Vorschlag abstimmen. Die fertigen Vorschläge gehendann als Vorschläge in die Programmdebatte ein (vgl. [Die11b]). Konkret hat der Par-teivorstand am 11. und 12. Dezember 2010 den weiteren Fortgang der Programm-debatte beschlossen und die "elektronische Programmdebatte" befindet sich nun seitdem 3. Januar 2011 im Regelbetrieb (vgl. [Die10a]).

Vorschläge sollen an Redaktionskomission und Parteivorstand weiter gereicht wer-den. Dort wird entschieden, ob die Anträge übernommen werden und damit in denLeitantrag des Parteivorstands für den Programmparteitag im November 2011 einge-hen. Für abgelehnte Anträge "werden wir ein Verfahren finden, diese an den Parteitagbzw. die zuständigen Gremien zur Entscheidung zu überreichen", heißt es noch aufder Seite. Am Ende entscheidet jedoch immer der Parteitag über den Programment-wurf. Nach dem Programmparteitag im November 2011 wird es einen Mitgliederent-scheid zum Parteiprogramm geben." (vgl. [Die11c]).

Es bleibt also zuerst festzuhalten, dass die "elektronische Programmdebatte" der Par-tei Die Linke als Ergänzung zu ihrem normalen Programmparteitag verstanden wird,der das Parteiprogramm beschließen soll. Danach soll das beschlossene Programmdurch die gesamte Mitgliedschaft legitimiert werden. Dabei ist noch nicht in Gänzegeklärt, wie verbindlich die Beschlüsse der "elektronischen Programmdebatte" seinwerden. Dies wird insbesondere durch einen Antrag auf der Plattform deutlich, derin die Richtung eines verbindlichen Verfahrens zielt. Für die Debatte selbst ist es nichtunwichtig, ob die Beschlüsse zumindest als Antrag in den Programmparteitag imNovember 2011 eingehen oder nicht. Inzwischen hat der Fraktionsvorsitzende derThüringer Linken zugesagt, alle Anträge aus der "elektronischen Programmdebatte",die bis zum Antragsschluss vor dem Parteitag vorliegen, pauschal einzubringen (vgl.[Laf11]).

Stand 5. März 2011 sind 492 Personen auf der Plattform registriert, es gibt 92 Vorschlä-ge für das Programm und 488 Kommentare, wie Abbildung 3.1 auf Seite 39 zeigt.

Abbildung 3.2 auf Seite 41 ist zu entnehmen, dass die Forderung, alle beschlosse-nen Anträge an den Parteitag zu stellen, mit 21 Unterstützern der Vorschlag mit dem

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Abbildung 3.1.: Die Einstiegsseite zur "elektronischen Programmdebatte" der ParteiDie Linke (Quelle: http://dielinke.liqd.net, Stand 5. März 2011)

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

größten Zuspruch ist, gefolgt von der Forderung nach einem bedingungslosen Gr-undeinkommen mit 20 Unterstützern. Es folgen die Forderung nach der Verankerungdes Laizismus als Politikziel mit 19 und der Tilgung überflüssigen Jargons mit 16 Un-terstützern. Danach kommt der Vorschlag nach dem Bekenntnis zum Grundgesetzder Bundesrepublik Deutschland mit 14 Unterstützern. Damit beschäftigen sich im-merhin vier der fünf beliebtesten Anträge inhaltlich mit dem Programm. Der Antragmit den meisten Unterstützern zielt hingegen mit seiner Forderung nach der automa-tischen Weiterleitung aller Anträge an den Parteitag direkt auf das Debattenverfah-ren. Bei den restlichen fünf Anträgen mit der meisten Unterstützung geht es mit derForderung nach einer Mindestbeteiligung bei Abstimmungen nur bei einem weiterenAntrag um das Debattenverfahren selbst.

Im November 2010 sah das Bild noch etwas anders aus. Neben dem Eindruck, dasseine Anzahl Anträge einfach der Versuch waren, das Portal auszuprobieren, war un-ter den zehn Anträgen mit der meisten Zustimmung ein weiterer Antrag, der keineninhaltlichen Bezug hatte. Nämlich die Forderung, nur noch Realnamen als Benutzer-namen auf dem Debattenportal zu erlauben.Am meisten Beteiligung hatte der Vor-schlag "Überflüssigen Jargon tilgen" mit zehn Unterstützern. Der Antrag, alle Anträgeder elektronischen Programmdebatte auf dem Parteitag zu stellen hatte damals sie-ben Unterstützer. In Abbildung 3.3 auf Seite 42 wird der damalige Diskussionsstandvisualisiert.

Zwar ist die Debatte offensichtlich nicht eingeschlafen. Die Beteiligung von knapp500 Personen bei über 75.000 Mitgliedern (vgl. [Wik11f]) entspricht allerdings nichteinmal 7% der Mitgliedschaft. Die Unterstützung von 21 Personen bei knapp 500Teilnehmern entspricht nur 4,2%. Die Debatte wird also derzeit nicht von einem nen-nenswerten Teil der Mitgliedschaft getragen und selbst die Beteiligung der registrier-ten Mitglieder ist nicht sehr hoch.

3.2.3. Ahoi! Piraten geben sich ein Programm

Die Entwicklung des Parteiprogramms der Piratenpartei sollte laut offizieller Inter-netpräsenz im parteieigenen Wiki von statten gehen. Der erste Eintrag stammt hiervom 20. Juli 2006 und kündigt an, erst einmal Resultate aus einer Forendiskussionaufzunehmen (vgl. [Pir06e]). Am 8. August 2006 findet sich der Hinweis darauf, dasszur Diskussion und Koordination ein Internet Relay Chat5 (IRC) verwendet wurde(vgl. [Pir06c]). Die Änderung vom 20. August 2006 beschreibt den geplanten Ablaufwie folgt (vgl. [Pir06f]):

"Auf Basis der Diskussionen im Forum wurde auf der Vorbereitungstref-

5Der Internet Relay Chat ist ein textbasiertes Chatsystem (vgl. [Wik10f])

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Abbildung 3.2.: Vorschläge in der "elektronischen Programmdebatte" der Partei DieLinke (Quelle: http://dielinke.liqd.net, Stand 5. März 2011)

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Abbildung 3.3.: Vorschläge in der "elektronischen Programmdebatte" der Partei DieLinke (Quelle: http://dielinke.liqd.net, Stand 22. November 2010)

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

fen ein grober Rahmen für das Grundsatzprogramm abgesteckt. Auf die-ser Basis wurde eine Unterteilung in Kapitel erstellt, die von kleinen Grup-pen (1-3 Personen) zugeteilt und zügig abgearbeitet werden sollen. Werüberzeugt ist, einen guten Überblick über den Stand der Diskussion im Fo-rum und die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen (z.B.existierende Gesetze) zu haben, kann sich an nanuk oder Moroquen wen-den, um in eine dieser Gruppen aufgenommen zu werden. Piraten, dienicht in einer Gruppe sind, aber Vorschläge oder Kritik anbringen möch-ten, sollen dies auf der entsprechenden Diskussionseite, dem Forum oderin direkte Kommunikation mit der zuständigen Gruppe tun, aber nichtden Artikel direkt verändern."

Zwei Dinge sind hier besonders auffällig: Zum Ersten ist es offensichtlich eine sehrkleine Gruppe, die sich direkt mit der Erarbeitung des Parteiprogramms beschäf-tigt und zweitens verwenden die Piraten gerne Nicknames anstatt ihrer realen Na-men. Mit dem Vorbereitungstreffen ist offensichtlich der Chat über IRC gemeint. Bishierhin fand also so gut wie jede inhaltliche Arbeit über das Internet statt. Die An-fangs sieben inhaltlichen Kapitel schmelzen am 30. August auf sechs zusammen,weil der Punkt "Markenrecht" entfernt wird (vgl. [Pir06g]). Abschließend wurde dasParteiprogramm auf der Gründungsversammlung am 10. September 2009 beschlos-sen. Hier standen zwei unterschiedliche Anträge für das Parteiprogramm zur Be-schlussfassung: Der Antrag "klare Themenpartei" und der Antrag "weiche Themen-partei". Die Mehrheit entschied sich letztendlich für den Antrag "weiche Themenpar-tei" (vgl. [Pir06h], S 5-7).

Die Beobachtung des Verlaufs der Diskussion im Wiki zeigt allerdings, dass das Wikider Piratenpartei in keinster Weise für die Entwicklung des Parteiprogramms genutztwurde. Noch Tage nach der Gründungsversammlung und dem offiziellen Beschlussüber das Programm stehen im Wiki so gut wie keine inhaltlichen Beiträge. Es wird imGegenteil auf ein PDF6 (Portable Document Format) verwiesen, in dem das beschlos-sene Programm stehe (vgl. [Pir06d]). Am 29. Juli 2007 finden sich dann Verweise aufeinzelne Wiki-Beiträge zu den jeweiligen Programmpunkten (vgl. [Pir07b]). Erst am15. November 2007 steht das offizielle Parteiprogramm der Piratenpartei auch öffent-lich im Wiki (vgl. [Pir07a]). Zusätzlich zur Programmseite existiert allerdings aucheine Diskussionsseite (vgl. [Pir10b]). Hier schreibt Benutzer "nanuk" am 17. August2006:

"Themenpartei-Diskussion im Forum ich verstehe Deine Einwände, aberdie Diskussion ist eine sehr aufwendige, daher ist sie hier im Wiki nichtzu führen (hier sollte konkret der Inhalt der Programm-Seite diskutiertwerden. Ich würde mir wünschen, dass diese Diskussion im Forumin http://forum.piratenpartei.de/viewtopic.php?t=97 stattfindet (nein in-

6Ein plattformunabhängiges Format für Dokumente

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

terne Verlinkung werde ich nicht xx-en ;) ) –Nanuk 11:10, 17. Aug 2006(CEST)"

Bis zum Beschluss über das Programm am 10. September 2006 findet auch auf derDiskussionsseite im Wiki so gut wie keine Auseinandersetzung über Inhalte statt.

Die Diskussion zum Parteiprogramm erfolgte im Internet also vor allem über das Fo-rum der Piratenpartei. Besonders hervor zu heben ist im Zusammenhang mit der Ent-wicklung des Parteiprogramms das Unterforum "Politische Grundsatzfragen" (vgl.[Pir10c]). Bis zum 10. September 2006 wurden dort 37 Themen-Threads eröffnet. Be-sonders stark wurde hier bis zum Gründungsparteitag in den Bereichen "Themenpar-tei - sein oder nicht sein" mit 82 Beiträgen, "Zensur und Rechtsextremismus" mit 51Beiträgen, "Unabhängigkeit von Konzernspenden" mit 50 und "’Nebenjobs’ für Poli-tiker" mit 31 Beiträgen diskutiert. Auch das Forum scheint bereits in der Anfangszeitder Piratenpartei von Mitgliedern nicht als der geeignete Raum für inhaltliche De-batten wahrgenommen zu werden. So schreibt Nutzer "Lichtblind" bereits am 2. Juli2006 (vgl. [Pir06b]):

"Langsam erreicht das Forum eine Mitgliederzahl, die zu Problemen inder Gesamtdiskussion führen kann. Viele Themen werden bereits nichtmehr von allen wahrgenommen, weil sie schnell zu Inhaltsdebatten zwi-schen zwei Leuten ausarten. Das lässt sich wohl auch nicht vermeiden. Esist aber zwingend notwendig das Ergebniss der Debatte auch allen Teil-nehmern zugänglich zu machen, damit man eine gemeinsame Linie ver-treten kann. Ich schlage einen Bereich im Forum vor, der für Zwischener-gebnisse genutzt wird (und nur von Moderatoren editiert werden kann).Auf diese Weise kann man sich leichter auf dem neuesten Stand halten.Natürlich bedarf es dafür einer Person, die einen gewissen überblick hat...Und noch was: Es könnte bald zu reibereien kommen, wenn wir uns zusehr auf Deteils stürzen. Dann ist das Projekt zuende bevor es angefangenhat!!!"

Im selben Thread antwortet Nutzer "jh" am 5. Juli 2006:

"Zusätzlich ist es aber wichtig, nicht nur die Ziele, sondern auch die ver-schiedenen dazugehörigen Argumentationen (komprimiert) im Wiki zuspeichern. Sonst treten wir jeden Monat die gleichen Diskussionen vonvorne an."

Dies ist ein Hinweis darauf, dass nicht nur die Diskussion selbst für eine Vielzahl vonNutzern transparent und übersichtlich ermöglicht werden muss. Daneben wird aucheine einfach abzurufende Dokumentation der Zwischenergebnisse benötigt.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Der gesamte Prozess erweckt den Eindruck, als wäre er nicht von Anfang an durch-dacht und geplant worden. Ein Versuch, die Weiterentwicklung des Parteiprogrammsnach dem Gründungsparteitag auf eine strukturiertere Basis zu heben, stellte die AGParteiprogramm dar (vgl. [Pir06a]). Am 11. August 2010 wurde sie allerdings aufGrund mangelnder Beteiligung stillgelegt (vgl. [Pir10a]).

Auf ihrem Gründungstag, dem 10. September 2006, hatte die Piratenpartei laut offi-ziellen Zahlen 52 Mitglieder (vgl. [Pir10d]). Schon diese relativ überschaubare Grup-pe von Personen hatte große Probleme, mit den Mitteln eines Wikis, IRC-Chats undInternet-Foren einen strukturierten und zielorientierten Diskurs über ihre politischenGrundsätze zu führen. Es drängt sich die Vermutung auf, dass ein Großteil der inhalt-lichen Arbeit entweder von Einzelnen oder von sehr wenigen Personen im direktenKontakt geleistet wurde. Aber keineswegs durch den Einsatz von innovativen Web2.0 Technologien.

3.2.4. Analyse

Mit dem in Kapitel 2.4.6 erweiterten und in Kapitel 2.7 konkretisierten Mikropolis-Modell wird im Folgenden eine Analyse der organisatorischen Aufgabe der Erar-beitung politischer Visionen durchgeführt. Dies geschieht dadurch, dass zuerst zweiSzenarien vorgestellt werden. Im ersten Szenario wird die Situation ohne den Einsatzvon Web 2.0 Technologie dargestellt, im zweiten Szenario wird daraufhin Web 2.0 alsneues Kommunikationsmedium eingeführt und die Veränderungen mit den Mittelder soziotechnischen Perspektive eingeordnet. Anschließend werden die beobachte-ten Phänomene mit den Mitteln des Neoinstitutionalismus erklärt und abschließendmit der deliberativen Demokratietheorie bewertet.

Szenario 1

Dieses Szenario stellt den herkömmlichen Weg der Entwicklung langfristiger politi-scher Visionen dar und ordnet ihn in das erweiterte Mikropolis-Modell ein.

Akteure und Interessen:

Die direkt beteiligten Akteure sind in aller erster Linie die Mitglieder der jeweili-gen Parteiorganisation als individuelle Akteure. Dies reicht von einfachen Mitglie-dern bis zum Vorstand. Weitere Akteure aus der Partei sind verschiedene Interes-sensgruppen und Zusammenschlüsse, die es innerhalb der Partei gibt. Dies könnenstrukturell verankerte Gremien wie beispielsweise der Parteivorstand, kommunaleDelegiertenversammlungen oder Fachgruppen sein. Aber auch informelle Gruppen

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

und Grüppchen mit eigenen Interessen. Darüber hinaus sind aber natürlich außer-halb der Parteiorganisation auch Bürger als individuelle Akteure sowie korporativeund kollektive zivilgesellschaftliche Akteure wie Unternehmen, Vereine, Lobbygrup-pen oder Initiativen Teilnehmer an diesem Prozess. Weitere Akteure sind danebennatürlich auch die anderen politischen Parteien. Denn selbstverständlich entstehenProgramme auch immer im Kontext zu Programmen anderer Parteien.

Bei den innerparteilichen Akteuren spielen mehrere Interessen je nach individuellemoder kollektivem Akteur eine Rolle. Zum Einen gibt es selbstverständlich inhaltlicheInteressen, die aus politischen Überzeugungen erwachsen. Daneben gibt es insbeson-dere bei individuellen Akteuren das Interesse, die eigene Person politisch nach vornezu bringen. Und bei Parteimitgliedern, die sich als Lobbyisten für eine bestimmteInteressensgruppe von außerhalb der Partei verstehen den Wunsch, deren Interessenim Parteiprogramm wieder zu finden. Daneben spielt überall auch das Ansinnen eineRolle, ein Programm zu entwickeln, das die Zustimmung in der Bevölkerung erhältund das auch sinnvoll umsetzbar ist. Insbesondere Parteimitglieder, die in Parlamen-ten sitzen, werden diesen Aspekt im Auge haben und auch darauf drängen, dass diepolitischen Vorschläge im Parteiprogramm Anknüpfung an die politische Wirklich-keit finden und kein "Wunschkonzert" sind.

Die Interessen externer Akteure sind vielfältig. So haben externe Lobbygruppen wieUnternehmen, Unternehmensverbände oder Gewerkschaften aber auch Umweltver-bände das Ziel, dass das jeweilige Parteiprogramm ihren Interessen nicht zuwiderläuft. Auch wenn dies mehr noch für Wahlprogramme und andere Beschlüsse gilt,auf die in Kapitel 3.3 eingegangen wird, so spielt dieser Wunsch doch auch hier eineRolle. Der Bürger hingegen als individueller Akteur hat insbesondere das Interesse,dass ihm ein sinnvolles, überzeugendes politisches Angebot gemacht wird.

Medien und Kommunikation:

Neben der direkten und persönlichen Face-to-Face Kommunikation auf vorbereiten-den Versammlungen und Gesprächen sowie auf dem abschließenden Parteitag, wer-den Entwürfe für Parteiprogramme vorab an die Teilnehmer des Parteitags per Postverschickt und auch auf den Internetseiten bereit gestellt. Auf diese Weise erhalteninsbesondere die aktiven Mitglieder und damit auch die verschiedenen formellenund informellen Gruppen den Entwurf. Der formale Rückkanal besteht dann ausschriftlich eingereichten Änderungsanträgen, die dann auf dem abschließenden Par-teitag einzeln behandelt werden. Informell wird es nebenher eine ganze Reihe vonverschiedenen Medien geben, die für die Kommunikation eingesetzt werden. Diesreicht von Face-to-Face geführten Gesprächen über Diskussionsrunden bis hin zuöffentlichen Stellungnahmen gegenüber der Parteiführung und den Massenmedienwie Zeitung, Rundfunk und Fernsehen. Diese stellen auch den Hauptkommunika-tionsweg zu den externen Akteure dar. Über Inhalte des Parteiprogramms erfahrensie hauptsächlich auf diesem Weg einer One-to-Many Kommunikation. Umgekehrt

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

ist dies neben einigen sicherlich vorhandenen persönlichen Kontakten auch der Weg,auf dem die Parteiorganisation eine Rückmeldung dazu erhält, wie das Parteipro-gramm in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Dieser Weg ist vor allem dadurch ge-kennzeichnet, dass er indirekt funktioniert mit den Massenmedien als Filter. Wederdie externen noch die internen Akteure haben einen direkten Einfluss darauf, ob undwie Informationen fließen.

Sofern der Informationsfluss über die Massenmedien an die externen Akteure durchdie Partei beispielsweise durch Pressemitteilungen oder -konferenzen gezielt ange-regt wird, handelt es sich hierbei um eine asynchrone allokative Kommunikationmit sehr geringer Interaktivität. Die direkte Face-to-Face Kommunikation in kleinenGruppen zeichnet eine sehr hohe Synchronität aus und meist auch eine hohe Interak-tivität7. Die Kommunikationsstrukturen auf Parteitagen finden zwar auch im GrundeFace-to-Face statt. Sie zeichnet aber wegen der relativ starren Struktur des Ablaufs ei-ne geringe Synchronität und damit auch geringe Interaktivität aus. Nichtsdestotrotzist es ein Verfahren, das in den Bereich der Konversation einzuordnen ist. Die Infor-mation der Mitglieder über den Programmentwurf auf dem schriftlichen Weg oderper Email hat tendenziell die Form eines registrativen Prozesses. Hier bittet das Zen-trum in Form der Parteiführung die Peripherie in Form der Mitglieder und Interes-sengruppen um Rückmeldung. Synchronität und Interaktivität sind hier sehr geringwährend die Akteurskonstellation die Form One-to-Many einnimmt.

Szenario 2

Stellen wir uns nun vor, eine Partei ergänzt das herkömmliche Verfahren um Web2.0 als zusätzlichem Medium für die Kommunikation. Welche neuen Aspekte für dieAkteure und die Kommunikationswege ergeben sich und wie sind sie mit den Mit-teln der soziotechnsichen Perspektive einzuordnen? Es wird hier von einem Szenariomittlerer Beteiligung ausgegangen. Dementsprechend wird die herkömmliche Struk-tur durch Web 2.0 nicht ersetzt. Allerdings dient eine entsprechende Web 2.0 Anwen-dung dazu, den Diskussionsprozess zu unterstützen und wird auch dafür eingesetzt,Vorschläge für den abschließenden Parteitag zu formulieren. Stimmberechtigt sindhierbei, ähnlich wie bei dem vorgestellten Verfahren der "elektronischen Programm-debatte", nur Mitglieder. Allerdings darf die Öffentlichkeit sowohl mitdiskutierenals auch Vorschläge einreichen. Zudem bewirbt die betreffende Partei offensiv dieseneue Beteiligungsmöglichkeit und betrachtet sie nicht allein als "Sandkasten, in demsich die Internetfreaks austoben können". Das äußert sich auch darin, dass bekann-te Personen der Partei aktiv an der Diskussion teilnehmen. Die Plattform selbst ist

7Da der Rückgriff auf gemeinsames Wissen für die höchsten Stufen der Interaktivität notwendig ist,sind Gespräche mit einem sehr hohen Wissensunterschied nicht in dieser Stufe einzuordnen. Daswäre der Fall, wenn beispielsweise speziell ausgebildete Lobbyisten auf Parteimitglieder zugehenum sie zu beeinflussen.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

technisch so ausgereift, dass sie in gängige soziale Netzwerke integriert ist, Livestre-ams ermöglicht, Chats und auch Videokonferenzen. Außerdem wird das Einstelleneigener Video-Beiträge ermöglicht. Teilnehmer, aber auch die für das Betreiben derAnwendung zuständigen Personen, können sekundäre Texte zur Erläuterung vonSachverhalten einstellen. So wäre es beispielsweise denkbar, einen Passus aus demProgramm, der sich mit Mindestlöhnen beschäftigt, mit Links zu Internetquellen zuversehen, die die gesetzlichen Grundlagen erläutern.

Anwendungen, die für dieses Szenario verwendet werden können sind insbeson-dere Anwendungen aus dem Web 2.0 Cluster Opinion-Decision Support. Adhocracy,Votorola, Echologic oder Liquid Feedback wurden und werden explizit entwickelt,um die gemeinsame Entscheidungsfindungen und Diskussion zu unterstützen. EineÜbersicht über einige Projekte und eine Bewertung findet sich bei [Liq11c]. Es gibtweltweit eine ganze Reihe von weiteren Projekten, die in ähnliche Richtungen gehen.So beispielsweise auch die Projekte Do2Gether, Rule2Gether, Draft2Gether und Deci-de2Gether der "telematics freedom foundation" (vgl. [Tel11]). Social Networks wie Fa-cebook8 oder studivz9 könnten ebenfalls integriert werden. Sie eignen sich, um exter-ne Akteure in den Prozess einzubinden und das Parteiprogramm damit auf eine brei-tere Basis zu stellen. Weitere Funktionalitäten könnten Foren beisteuern: Das Beispielder Piratenpartei hat zwar gezeigt, dass Internetforen bereits bei einer relativ gerin-gen Anzahl an Diskutanten keine geregelte Diskussion mehr zulassen. Nichtsdesto-trotz eignen sie sich für gezielte themenspezifische Diskussionen mit einer begrenz-ten Anzahl an Personen. Dies wäre vielleicht eine Möglichkeit, den real vorhandenenOrganisationsfragmenten der Partei jeweils eigene geschützte Diskussionsräume zuermöglichen. Externe Verlinkungen können auf bestehende Croudsourced Content stattfinden. An erster Stelle ist hierbei die freie Enzyklopädie Wikipedia10 zu nennen, diees mit einer einfachen Verlinkung ermöglicht, jemandem die jeweils relevanten Infor-mationen zu einem Thema schnell zukommen zu lassen. Ein weiteres Beispiel ist dasPortal Y!GG11, wo Nachrichten eingestellt und bewertet beziehungsweise kommen-tiert werden können.

Akteure und Interessen:

Neue Akteure oder Akteursgruppen treten nicht auf. Es ist aber zu erwarten, dass we-gen der zeitlichen und räumlichen Entgrenzung der Kommunikation die Gesamtzahlder am Gesamtprozess beteiligten Personen erhöht werden kann. Denn einerseits istdie Anzahl an Delegierten auf dem abschließenden Parteitag begrenzt, andererseitsist die Hemmschwelle, sich an einer Internetdiskussion zu beteiligen sehr viel niedri-ger als zu einer Parteiversammlung zu gehen, und sei es auch nur eine Diskussions-runde in der Nachbarschaft. Die Beteiligung insbesondere bei jüngeren Menschen

8http://www.facebook.de/, Stand 17. April 2011.9http://www.studivz.net/, Stand 17. April 2011.

10http://www.wikipedia.de/, Stand 17. April 2011.11http://www.yigg.de/, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

und der "Netzgemeinde" wird deshalb steigen.

Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Interessenlage durch den Einsatz von Web2.0 ändert. Wohl aber die Möglichkeiten, Interessen durchzusetzen, wie der nächsteAbschnitt zeigt.

Medien und Kommunikation:

Mit den Konzepten des soziotechnischen Kerns kann dies nun etwas genauer be-trachtet und es können insbesondere auch vorläufige und notwendige Formalisie-rungslücken erkannt werden (vgl. Kapitel 2.4.1). Der Einsatz der Web 2.0 Anwendungführt dazu, dass situierte Handlungen aus ihrem Kontext heraus gelöst, also dekon-textualisiert werden. Es entsteht ein rein technisches Artefakt, das dann wieder in denrealweltlichen Kontext überführt werden muss. Hierbei ergeben sich Veränderungenund es gelten selbstverständlich auch die in Kapitel 2.1 dargestellten Merkmale netz-basierter Kommunikation. Dies sind die zeitliche, räumliche und körperliche Entgrenzungsowie die Kanalbeschränkung und Multimedialität.

Die implementierte Web 2.0 Anwendung sorgt als neues Kommunikationsmediumfür einen neuen, zusätzlichen Kanal, der eine ganze Reihe von neuen Aspekten hin-zu fügt. Die beschriebene Anwendung ermöglicht sowohl synchrone wie auch asyn-chrone Kommunikation. Durch den Rückgriff auf gemeinsames Wissen in Form vongemeinsamen Quellen kann der höchste Grad an Interaktivität erreicht werden. DasVerfahren selbst kann als Konversation beschrieben werden.

Neu ist hierbei vor allem, dass die Web 2.0 Anwendung es ermöglicht, verschiedenenormalerweise unabhängig voneinander statt findende Kommunikationen über einund dieselbe Plattform laufen zu lassen. Es erscheint plausibel, dass die Ergebnissedurch die intensivere und breitere Diskussion auch besser werden (vgl. H1.1 in Kapi-tel 3.8). Die Anwendung integriert den ehemals unabhängig verlaufenen Kommuni-kationsstrang zwischen Parteiorganisation und externen Akteuren über die Massen-medien und die parteiinternen Kommunikationen. Zusätzlich werden die ehemalsnebenher über verschiedene Kanäle laufenden parteiinternen Diskussionen zusam-men geführt. Insgesamt wird hierdurch ermöglicht, dass zivilgesellschaftliche Ak-teure, aber insbesondere auch Bürger, ihre Interessen im Bezug auf die langfristigenZiele einer politischen Partei transparent und nachhaltig äußern können.

Als vorläufige Formalisierungslücken kann man Strukturen erkennen, die aus Sach-zwängen der materiellen Welt, also vor allem aus räumlichen und zeitlichen Zwän-gen, resultieren:

• Diskussionen laufen im herkömmlichen Verfahren bei der Erstellung von Par-teiprogrammen in relativ wenigen, zeitlich begrenzten und räumlich über die

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Bundesrepublik verteilten Veranstaltungen statt, um dann in einen abschlie-ßenden Parteitag zu münden. Dies kann durch eine Digitalisierung formalisiertwerden.

• Das Abstimmungsverfahren selbst findet in seiner analogen Form auf Parteita-gen meist per Stimmkarten statt. Sofern die Sicherheit des Wahlaktes vor Mani-pulationen gewährleistet werden kann, ist auch dies ein Punkt, der formalisiertwerden kann.

• Die zeitliche und räumliche Kopräsenz kann formalisiert werden. Allerdingshat dies eventuell Auswirkungen auf sekundäre, wünschenswerte Effekte wiedie politische Sozialisation der Mitglieder (vgl. [Wes01], S. 75 f.).

• Die Kontrolle über den Verlauf der Debatte selbst kann formalisiert werden,sofern die Gleichbehandlung der Teilnehmer sicher gestellt wird.

Daneben gibt es aber auch Bereiche, die nicht formalisiert werden dürfen, weil sie fürdas verfolgte Ziel unabdingbar sind:

• Selbstverständlich darf die Formulierung des Parteiprogramms selbst nicht au-tomatisiert werden.

• Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen weiterhin eingehalten werden.Bisher ist es insbesondere nicht möglich, Abstimmungen nach dem Parteien-gesetz verbindlich online durchzuführen. Des Weiteren spielen Datenschutza-spekte eine nicht zu unterschätzende Rolle.

• Es müssen weit reichende Informationen über die für die Erstellung des Partei-programms notwendigen fachlichen Informationen zur Verfügung stehen.

• Die Beteiligungsmöglichkeiten einer möglichst großen Anzahl an Parteimitglie-dern müssen im Sinne der deliberativen Demokratie gewährleistet werden. Ins-besondere müssen Offliner eingebunden werden.

• Hintergrundinformationen zu Antragstellern und deren möglichen Beweg-gründen müssen transparent gemacht werden.

• Der transparente Meinungsaustausch muss ermöglicht werden. Vor allem müs-sen Zwischenergebnisse einfach sichtbar sein, damit die Diskussion durch dasDazustoßen neuer Diskutanten nicht wieder von vorne beginnt.

Da Strukturen in Parteien teilweise äußerst formalisiert sind, können durch die Web2.0 Anwendung also sogar neue kreative Freiräume geschaffen werden.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Erklärung

Es stellt sich nun die Frage, aus welchen Gründen Parteien bei der Erstellung langfri-stiger politischer Programme so agieren wie sie es tun. Sehr ausgeprägt sind die Hin-weise auf eine starke kulturell-kognitive Institution, welche durch die sich darausergebende mimetische Isomorphie auf die Parteien einwirkt und dafür sorgt, dassParteien ähnliche und insbesondere auch alt-hergebrachte Verfahren bei der Erstel-lung von Parteiprogrammen anwenden. Denn das Parteiprogramm ist für Parteienvon großer Bedeutung und hat weit reichende Auswirkungen. Darüber hinaus istdie Erstellung eines Parteiprogramms ein Prozess, der nur alle 10 oder 20 Jahre vor-kommt. Die handelnden Personen werden einen solchen Prozess deshalb meist zumerstenmal organisieren und miterleben. Darum wird kulturell-kognitiv gesehen einRückgriff auf vermeintlich bewährte und historisch ritualisierte Methoden sowie aufdie beobachteten Verfahrensweisen anderer Parteien statt finden. Für ein so wichti-ges Projekt scheut man eventuell "Experimente", wie es die Einbindung von Web 2.0wäre.

Nicht zu vergessen ist, dass es sich selbstverständlich bei der Erstellung eines Par-teiprogramms auch um einen Aushandlungsprozess einzelner Akteure handelt, dieihre jeweiligen spezifischen Interessen vertreten. Diese reichen von unterschiedlich-sten inhaltlichen Vorstellungen über die Möglichkeit, sich durch das Einbringen vonÄnderungen selbst darzustellen bis hin zu harter Machtpolitik von Akteuren, die be-stimmten innerparteilichen Strömungen angehören.

Der Prozess der Programmerstellung ist in den etablierten Parteien häufig hierar-chisch von dem jeweiligen Parteivorstand organisiert. Dieser hat meist wenig Inter-esse daran, große programmatische Kehrtwendungen zu vollziehen, weil dadurchsein bisheriges politisches Wirken möglicherweise de-legitimiert würde. Folgerichtigwird in den allermeisten Fällen eine durch den jeweiligen Parteivorstand dominierteProgrammkommission gebildet. Kritik an deren Programmentwurf kann so inner-parteilich schnell als Illoyalität dargestellt und damit abgekanzelt werden.

Hier vollzieht sich aber derzeit eine Neuformierung des institutionellen Umfeldes.Der Einsatz von Web 2.0 Technologien ist im Alltag vieler Menschen inzwischen festverankert, so dass inzwischen auch ein normativ institutionalisierter Erwartungs-druck gegenüber den Parteien herrscht, sich modern und den neuen Medien gegen-über aufgeschlossen zu verhalten12. Über die Mitglieder und Entscheidungsträgerwirkt diese gesellschaftliche Ansicht somit auch als Institution auf den eher parteiin-ternen Prozess der Programmdiskussion ein.

12So bewertete die Blogosphäre den Auftritt der Parteien bei der Bundestagswahl 2009 im Interneteher kritisch und verband damit implizit und explizit die Aufforderung, es in Zukunft besser zumachen (vgl. z.B. [Elt10], S. 86-92)

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Ein weiteres Problem, das beim Einsatz einer Web 2.0 Anwendung auf die Parteiorga-nisation zukommt, könnte sich aus ihrem größten Gewinn ergeben: Der Integrationverschiedener interner und externer Akteure. Mit der Hypokrisie löst die Parteior-ganisation den Widerspruch zwischen innerparteilichen Programmen und tatsächli-chem politischen Handeln (vgl. Kapitel 2.3). Web 2.0 führt aber genau dazu, dass sichinterne und externe Akteure gemeinsam mit dem Parteiprogramm auseinander set-zen. Inwieweit dies ein Problem ist, muss in weiteren Forschungen ermittelt werden(vgl. F1.2 in Kapitel 3.8).

Bewertung

Wie sind nun die Kommunikationsprozesse der etablierten Art und Weise, Parteipro-gramme zu erstellen, im Vergleich zu den Möglichkeiten des Web 2.0 demokratie-theoretisch zu bewerten?

Aus einer deliberativen Sichtweise heraus weisen die Verfahren, die die etablier-ten Parteien bisher verwendet haben, mehrere Mängel auf. Zum Einen ist der Gradder Einbindung der Parteimitglieder in die Diskussion häufig nicht optimal. Der ge-nerelle Weg, dass eine hochkarätig besetzte Kommission einen Entwurf erarbeitet,kann bei Mitgliedern zu Hemmungen führen, den Entwurf zu kritisieren. Diese Kri-tik kann, wie oben bereits angeklungen ist, öffentlich leicht als Kritik an denjenigenwahrgenommen werden, die mit bestimmten Positionen im Programmentwurf ver-bunden sind (vgl. z.B. [Hol10]).

Aus deliberativer Sicht sollten darüber hinaus alle Betroffenen in den Diskurs ein-gebunden werden. Da es sich bei Parteiprogrammen um Programme handelt, diegedacht sind, die Geschicke der gesamten Bevölkerung zu regeln, müsste sie in denProzess der Programmerstellung auch eingebunden werden. Und zwar sowohl dierelevanten zivilgesellschaftlichen Akteure als auch einzelne Bürger. Die Problema-tik der Hypokrisie darf hierbei nicht als "Ausrede" gelten, da normativ gesehen dieEinhaltung deliberativer Prinzipien über der Optimierung organisationaler Aspektestehen muss.

Das größte Problem, das sich bei der Transformation einer Programmdiskussion vonder realen in die virtuelle Welt ergibt, ist die Übertragung von den für die Programm-diskussion als notwendig erkannten Kommunikationsstrukturen in eine passendeAnwendung. Notwendig sind diese dann, wenn sie im deliberativen Sinne eine Si-tuation schafft, die die Beteiligten mit hinreichenden Informationen über die rege-lungsbedürftige Materie versorgt und ein artikuliertes Verständnis der regelungsbe-dürftigen Materien und der strittigen Interessen ermöglicht (vgl. [Hab98], S. 383). DieErfüllung aller in Abschnitt 2.6 dargelegten fünf Voraussetzungen für bindende Ent-scheidungen nach Habermas ist der Maßstab, an dem der demokratische Gehalt eines

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Abstimmungsverfahrens gemessen werden muss. Dabei ist vor allem auch daraufzu achten, das das eingeschlagene Verfahren eine gewisse Verbindlichkeit besitzt daanderenfalls der gesamte Prozess der Beteiligung zur Makulatur wird. Es erscheintzudem nahe liegend, dass Verbindlichkeit auch die Bereitschaft, sich zu beteiligen,erhöht (vgl. Hypothese H1.3 in Kapitel 3.8).

3.2.5. Zusammenfassung

Der Vergleich der beiden Szenarien und ihre Bewertung zeigt, dass Web 2.0 ein großesPotential hat, für Parteien gute und an den Bedürfnissen der Bevölkerung ausgerich-tete Parteiprogramme zu entwerfen. Aus Sicht der deliberativen Demokratie ist dieEntscheidung eindeutig im Sinne der Nutzung von Web 2.0 zu treffen.

Betrachtet man das Handeln der Parteien, so ist trotz einiger Fragezeichen der Ver-such der Piratenpartei, über eine öffentliche Debatte im Internet unter Beteiligungder Bevölkerung ihre politischen Grundsätze zu erarbeiten, ein Schritt in die rich-tige Richtung. Er erhöht die Deliberation im Vorfeld der Entscheidung und legiti-miert das dann beschlossene Programm nicht nur durch den formalen Beschluss aufdem entsprechenden Parteitag sondern auch durch die intensive Beteiligung der Öf-fentlichkeit. Allerdings muss man bei der Piratenpartei kritisieren, dass sie zwar dieBeteiligungsmöglichkeiten für "Onliner", also Internet-affinen Menschen weit ausge-baut hat, dabei aber Offliner, also Menschen und eventuell sogar Parteimitglieder, diedas Internet nicht nutzen oder nicht nutzen wollen, fast völlig aus dem Blickwinkelverliert.

Insgesamt lassen es die gewonnen Erkenntnisse für politische Parteien ratsam er-scheinen, bei der Einführung von Web 2.0 Technologien im Rahmen der langfristigenEntwicklung politischer Visionen schrittweise vorzugehen (vgl. H1.4 in Kapitel 3.8).Dabei ist bei allen Schritten wichtig, dass es die Partei auch wirklich ernst meint undnicht im Sinne einer neoinstitutionalistischen Entkopplung Web 2.0 nur deshalb ein-setzt, weil es gerade "schick" ist.

Parteien ohne Erfahrung mit dem Einsatz von Web 2.0 Technologien können ihrenherkömmlich erstellten Programmentwurf im Internet über eine geeignete Anwen-dung diskutieren lassen. Die Ergebnisse dieser Diskussionen gehen dann als Anträ-ge in die abschließende Beschlussfassung durch die jeweilige Bundesversammlungein. Dies ist in etwa das Verfahren, dass die Linkspartei derzeit anstrebt. Die realenStrukturen werden dabei nur ergänzt und bestimmen die Grenzen der Formalisie-rung. Beispielsweise hält der jeweilige Parteivorstand das Verfahren weiterhin striktin seinen Händen, den Ablauf der Debatten bestimmen meist Geschäftsordnungenetc.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Parteien, die bereits Erfahrungen mit Web-basiertem kollaborativem Arbeiten in ih-rer Organisation haben, können das oben beschriebene Minimalverfahren um eineBegleitung des Programmparteitags selbst durch Web 2.0 Technologien ergänzen.Denkbar wären Online-Abstimmungen, die als Meinungsbilder visualisiert werdenund damit in die Debatte einfließen. Die Verbindlichkeit dieser Abstimmungsver-fahren und die Schließung der vorläufigen Formalisierungslücken insgesamt kannhier stufenweise erhöht werden. Je verbindlicher die Prozesse werden und je weiterder Kreis der Teilnehmer ausgedehnt wird, desto ausgereifter muss das verwendetePortal sein. Es muss mehr Informationen über die Teilnehmer und deren Hintergrün-de bieten, es muss übersichtlicher werden und die gerechte Verteilung von Teilnah-memöglichkeiten und Informationen insbesondere auch für Menschen ohne Affinitätzu den neuen Medien bieten.

Der komplette Ersatz des gesamten Prozesses inklusive Abstimmung über das Inter-net erscheint hingegen nicht ratsam. Zwar kann Web 2.0 vieles vereinfachen und be-schleunigen. Es können neue Akteure in den Prozess integriert werden und es kannein herrschaftsfreierer Diskurs ermöglicht werden. Auf Grund seiner im Gegensatzzu Web 1.0 geringeren nichtsdestotrotz aber vorhandenen Kanalbeschränktheit unddem Problem der "Offliner" kann Web 2.0 die realen Diskussionsprozesse allerdingsnicht vollständig ersetzen. Es kann sie aber ergänzen und in Symbiose mit ihneneinen besseren und demokratischeren Prozess gewährleisten.

3.3. Deliberation durch innerparteilicheCyber-Demokratie?

Anders als die in großen Abständen zu organisierenden Entwicklungsprozesse po-litischer Visionen, geht es in diesem Abschnitt im Kern um die Frage, wie das po-litische Alltagsgeschäft in Form von Interessenartikulation und -aggregation in po-litischen Parteien durch Web 2.0 Technologien unterstützt werden kann. Der Fokusliegt hierbei auf den Parteitagen. Parteitage sind diejenigen Gremien, die in ParteienBeschlüsse fassen und damit einen zentralen Baustein der politischen Willensbildungin Parteien darstellen (vgl. [Wik10i]).

Auch hier soll zuerst ausgeführt werden, wie sich die herkömmlichen politischenVerfahrensabläufe entwickelt haben und ohne den Einsatz von Web 2.0 darstellen.Es folgt eine ausführliche Fallstudie zum virtuellen Parteitag von Bündnis 90/DieGrünen im Jahr 2000. Sie wurde gewählt, weil es bisher keinen weiteren derart weitreichenden Versuch der Virtualisierung eines Parteitags gibt. Im Anschluss werdendie Erkenntnisse mit Hilfe des integrierten Modells analysiert. Den Abschluss bildeteine Einschätzung dahin gehend, welche gängigen Web 2.0 Anwendungstypen für

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

kurz- und mittelfristige politische Entscheidungsprozesse zu empfehlen sind.

3.3.1. 509 Delegierte, 1 Tage, tonnenweise Papier

Parteitage haben unter anderem die Aufgabe, den Vorstand und weitere Ämter zubesetzen, Wahlprogramme zu diskutieren und zu beschließen sowie darüber hinausstrittige politische Fragen zu beraten und zu entscheiden (vgl. [Wik10i]). Dabei findenParteitage sowohl auf Bundes- und Landesebene als auch auf der kommunalen Ebenestatt. Auch hier manifestiert sich damit die Fragmentierung der Parteiorganisation.

Die komplexen Zusammenhänge, Verfahrensweisen und sozial-psychologischen Ver-haltensmuster auf Parteitagen können im Rahmen dieser Arbeit nicht aufgelöst wer-den. Diese und weitere Prozesse, die im Rahmen innerparteilicher Meinungsbildungstattfinden, wären Aufgaben für weitere Forschungen, die eine mögliche Virtualisie-rung von innerparteilichen Demokratieprozessen zum Inhalt haben.

Parteitage aller Parteien haben bestimmte Strukturen, die im Folgenden kurz erläu-tert werden sollen.

Grundlegende Aufgaben des Parteitags werden durch das deutsche Parteiengesetzfestgelegt (vgl. [Bun11a], § 8). Das Parteiengesetz legt somit als regulative Institutioneinen Maßstab, der für alle Parteien gilt. Neben Satzung und anderen eher formalenDingen beschließt der Parteitag der jeweiligen Parteiebenene auch über die Program-me der Partei sowie die Besetzung des Vorstandes. Die Entwicklung der langfristigangelegten Parteiprogramm fällt hierbei in den Bereich der politischen Vision (vgl.Abschnitt 3.2). Wahlprogramm und einzelne punktuelle Beschlüsse, beispielsweiseAnträge zu aktuellen politischen Ereignissen, sind dagegen eher kurz- und mittelfri-stiger Natur.

Die grundlegende Struktur eines Parteitags wird durch eine Tagesordnung sowie eineGeschäftsordnung festgelegt. Die Tagesordnung bestimmt dabei den zeitlichen Ab-lauf (vgl. [Wik11m]), die Geschäftsordnung legt insbesondere die Rechte und Pflich-ten der Teilnehmer fest (vgl. [Wik10d]). Typischerweise wird ein Parteitag von einemPräsidium geleitet, das die Tagesordnungspunkte aufruft, die Debatten leitet, für dieEinhaltung der Geschäftsordnung sorgt und sicher stellt, dass die Rechte der Mitglie-der gewahrt werden.

Exemplarisch soll hier nun an Hand des Protokolls des außerordentlichen Bunde-sparteitags der SPD 2009 in Berlin (vgl. [SPD09]) der grundsätzliche Ablauf einesParteitags dargestellt werden. An Hand dieses Beispiels soll ein Eindruck davon ver-mittelt werden, wie ein Parteitag auf der formalen Ebene abläuft. Zuerst wird hierzu

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

die Tagesordnung und anschließend das Protokoll des Parteitags untersucht.

Die Anzahl der stimmberechtigten Delegierten des Parteitags betrug laut Satzung525. Hinzu kam eine kleine Zahl von Delegierten mit beratender Stimme und eineunbekannte Zahl an Gästen und Pressevertretern. Delegierte sind hierbei Personen,die stellvertretend für dieses Gremium an Versammlungen teilnehmen. Delegiertein politischen Parteien werden für Bundesparteitage beziehungsweise je nach Parteiauch für Landesparteitage repräsentativ vor allem aus den unteren Ebenen der Par-teigliederungen bestimmt (vgl. [Wik11e]).

Der Berliner Parteitag der SPD 2009 hatte als Thema den Beschluss über ein Wahl-programm, im Protokoll "Regierungsprogramm" genannt. Die Tagesordnung sah fürden Parteitag einen Zeitraum von 10:30 bis 16:30 vor (vgl. [SPD09], S. 5). Der Parteitagwurde durch den Parteivorsitzenden Franz Müntefering eröffnet, darauf folgten dieKonstituierung des Parteitags mit der Wahl des Präsidiums, einer Mandatsprüfungs-und Zählkommission sowie Beschlüsse über die Tagesordnung und die Geschäfts-ordnung des Parteitags. Im Anschluss folgte die Rede des Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Nachdem dann die Formalitäten für die Abstimmungsprozesse er-ledigt waren, folgte die Beratung über das Programm mit anschließendem Beschluss.Zum Schluss sprach noch einmal Frank-Walter Steinmeier, im Anschluss wurde ge-sungen und dann war der Parteitag offiziell beendet.

Der reale Beginn des Parteitags wird im Protokoll dann mit 10:39 angegeben. DieEröffnungsrede von Franz Müntefering wurde immer wieder durch Beifall unterbro-chen. Die Konstituierung des Parteitags beinhaltete insbesondere auch die Festlegungeines Antragsschlusses (vgl. [SPD09], S. 14) für 11:55. Das bedeutet, dass Anträge zurÄnderung des den Delegierten vorliegenden Programmentwurfs bis 11:55 vorliegenmussten. Danach wurden Geburtstagsglückwünsche an Mitglieder ausgesprochen.Es folgte die Rede des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Das Proto-koll vermerkt in seiner Rede sehr häufig Beifallsbekundungen und mehrfach anhal-tenden und lebhaften Beifall.

An Steinmeiers Rede schloss sich eine Aussprache an. Neben bekannten Namen wiebeispielsweise dem des brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeckoder der Vorsitzenden der SPD-Jugendorganisation Franziska Drohsel, meldeten sichhier auch einfache Delegierte zu Wort. Die Redebeiträge von bekannten Mitgliedernder SPD überwogen jedoch.

Nach der Aussprache wurde die Anzahl an anwesenden Delegierten festgestellt. An-wesend waren laut Mandatsprüfungs- und Zählkommission 509 stimmberechtigteDelegierte. Auch hier fanden mit der Nennung der ältesten und jüngsten Delegiertensoziale Handlungen statt, die für den formal korrekten Ablauf des Parteitags völligirrelevant sind.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Im Anschluss folgte dann mit der Vorstellung und der Beratung über das Wahlpro-gramm der Hauptteil des Parteitags. Olaf Scholz stellte für die Antragskommissiondas Wahlprogramm vor. Antragskommissionen finden sich bei fast allen politischenParteien (vgl. [Wik08a]). Ihre Aufgabe ist es, die eingehenden Anträge zu sortierenund das Antragsverfahren insgesamt im Vorfeld und während des Parteitags so zuorganisieren und zu strukturieren, dass eine sinnvolle Beratung ermöglicht wird.

Auf die Programmvorstellung folgte eine Aussprache. Sie nahm einen relativ großenRaum ein. Auch hier überwog bei den Redebeiträgen der Anteil bekannter SPD-Mitglieder.

Der Aussprache folgte der Beschluss über das Programm in der von der Antrags-kommission vorgeschlagenen Fassung. Es wurde ohne Gegenstimmen angenommen(vgl. [SPD09], S. 89). Im Anschluss wurde im Block über eine Gruppe von Anträgenabgestimmt, die sich nicht mit dem Wahlprogramm beschäftigten. Auch hier folgteder Parteitag dem Vorschlag der Antragskommission. Nach einem Schlusswort vonFrank-Walter Steinmeier und einem Lied inklusive Filmvorführung (vgl. [SPD09], S.91) war der Parteitag zu Ende. Das Protokoll gibt als Ende des Parteitags 15:28 Uhran.

Man sieht bereits an diesem eher formalen Protokoll des Parteitags, dass es eine ganzeReihe von Strukturen und Akteuren gibt. Eine zentrale Rolle scheint die Antragskom-mission zu spielen, da sie nicht nur die Antragsdebatte stark vorstrukturiert. Sie lenktzudem auch den Parteitag indirekt durch ihre Empfehlungen.

Daneben gibt es beispielsweise mit den Glückwünschen an die "Geburtstagskinder"oder der Gesangseinlage am Schluss hoch sozial motivierte Handlungen. Auch dieBeifallsbekundungen und die Wahrnehmung derselben sind so wichtige Elementedes Parteitags, dass sie im Protokoll explizit auftauchen.

Was ein Parteitagsprotokoll nicht einfängt, sind die Wechselwirkungen zwischen denDelegierten untereinander, den Gruppen und Grüppchen, die miteinander kommu-nizieren, Absprachen treffen und sich austauschen. Nichtsdestotrotz vermittelt eseinen guten Eindruck davon, was auf Parteitagen stattfindet.

3.3.2. Der "virtuelle Parteitag" von Bündnis 90/Die Grünen

Ein Beispiel für den Versuch, innerpateiliche Demokratie durch die neuen Medienzu unterstützen, stellte der "virtuelle Parteitag" von Bündnis 90/Die Grünen im Jahr2000 dar (vgl. [Hei00] und [Bün00]). Es war der erste Versuch, die bisher vollständigoffline ablaufenden Parteitage in das Internet zu verlagern. Die CDU veranstaltete

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

zwar bereits einige Tage vorher einen kleinen Parteitag in Stuttgart, wo im VorfeldDiskussionen zu den Themen des Parteitags im Internet durchgeführt wurden. DieErgebnisse der Diskussionen dienten den Delegierten des "richtigen" Parteitags dannallerdings nur als Information und hatten keinerlei Verbindlichkeit (vgl. [Mar01], S.42).

Das für den "virtuellen Parteitag" verwendete Internetportal ist auch heute noch on-line einsehbar13. Der Kostenrahmen für die Durchführung des "virtuellen Parteitags"betrug 30.000DM. Die verwendete Software baute auf einer bereits im Rahmen derGrundsatzdebatte zum Grünen Parteiprogramm verwendeten Technologie auf. DieSoftware lief auf zwei Servern, wobei einer als Webserver fungierte und der andereals elektronische Wahlurne. Auf für die damalige Zeit aufwändige Gestaltungen wur-de verzichtet um die Teilnahmemöglichkeiten auch für diejenigen zu gewährleisten,deren Computertechnik nicht auf dem allerneusten Stand war. Die technischen undnutzerbedingten Probleme hielten sich in Grenzen (vgl. [Wes01], S. 19 f.).

Der Parteitag fand dann zwischen dem 24. November und dem 3. Dezember 2000statt. Die Themen waren "elektronische Bürgerdemokratie" und "Liberalisierung oderBeibehaltung der Ladenschlusszeiten". Also sowohl ein typisches Thema für web-affine Menschen als auch ein Thema, das ausdrücklich Menschen von außerhalb derWebgemeinde anlocken sollte. Organisatorisches Vorbild war der so genannte "kleineLandesparteitag", wo 100 Delegierte der verschiedenen Kreisverbände abstimmungs-berechtigt waren. Gesetzte Redebeiträge gab es auf dem "virtuellen Parteitag" nicht.

Für den "virtuellen Parteitag" wurden vom Landesvorstand ein zehnköpfiges Gremi-um eingesetzt und eine Geschäftsordnung beschlossen, die wichtige Strukturmerk-male aus den Regelungen "normaler" Parteitage aufnahm: Redebeiträge mussten di-rekt bestimmten Anträgen zugeordnet werden. Außerdem wurde ein formaler Rah-men für die Abstimmungen festgelegt, der vorsah, dass Abstimmungen 24 Stundenvorher durch das Präsidium angekündigt werden mussten und dann für mindestenssechs Stunden offen sein sollten. Neben der formalisierten Struktur des Rede- undAntragsverfahrens gab es eine Sektion "Parteitagsgeflüster", in der die Möglichkeitgeboten wurde, frei miteinander zu kommunizieren. Hier wurde versucht, dem auchauf "normalen" Parteitagen stattfindenden Nebengesprächen Raum zu bieten(vgl.[Wes01], S. 19-23).

Für den Verlauf des "virtuellen Parteitags" identifiziert Westermayer eine viergeteilteZeitstruktur (vgl. [Wes01], S. 46):

1. Auftaktphase: Die Teilnehmer lernen die Möglichkeiten des virtuellen Partei-tags kennen und probieren sie aus.

13http://www.virtueller-parteitag.de/, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

2. Inhaltliche Debatte 1: Die Debatten und Beiträge für den ersten Themenbereich.

3. Inhaltliche Debatte 2: Die Debatten und Beiträge für den zweiten Themenbe-reich.

4. Schlussphase: Kaum noch inhaltliche Debatte, das "Parteitagsgeflüster" wirdvon Verabschiedung, Rückschau und kritischer Betrachtung des Parteitags be-stimmt.

Bezeichnenderweise stellt der Versuch der Grünen aus dem Jahr 2000, einen Parteitagkomplett virtuell zu gestalten, gleichzeitig den letzten Versuch in dieser Richtung dar.Eine konzeptionelle Fortentwicklung fand bisher nicht statt.

3.3.3. Analyse

Im Gegensatz zu Kapitel 3.2 liegt der Fokus nun vor allem auf der Gewährleistungder kurz- und mittelfristigen innerparteilichen Meinungsbildung. Also auf dem "po-litischen Alltagsgeschäft" und hier insbesondere auf der Durchführung von Parteita-gen als Kernelement innerparteilicher Willensbildung. Auch hier werden zwei Sze-narien vorgestellt und dann in den analytischen Rahmen des erweiterten Mikropolis-Modells eingeordnet. Das erste Szenario beschreibt, wie sich Akteurs- Medien- undKommunikationskonstellationen auf Parteitagen ohne Web 2.0 darstellen. Im zwei-ten Szenario wird hingegen davon ausgegangen, dass ein Parteitag komplett durcheine Web 2.0 Anwendung ersetzt wird. Die Veränderungen werden daraufhin mitden Mitteln des soziotechnischen Kerns gedeutet. Anschließend finden eine Erklä-rung der beobachteten Verhaltensweisen politischer Parteien und abschließend eineBewertung mit den Mitteln der deliberativen Demokratie statt.

Szenario 1

Die Art und Weise, wie ein Parteitag normalerweise stattfindet, wird in Kapitel 3.3.1am Beispiel eines SPD-Parteitags ausführlich dargestellt. Es sollen nun die wichtig-sten Akteure mit ihren jeweiligen Interessen und im Anschluss die benutzten Medienund Kommunikationswege dargestellt werden. Der Fokus wird hierbei auf den Par-teitag selbst gelegt.

Akteure und Interessen:

Die Akteurskonstellation stellt sich im Grundsatz ähnlich dar wie bei der oben ana-lysierten Entwicklung langfristiger politischer Visionen. Als individuelle Akteure auf

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

einem Parteitag treten insbesondere die einfachen Parteitagsdelegierten sowie Amts-träger auf. Hierbei handelt es sich um Parteimitglieder, die in irgend einer Weise eineherausgehobene Position haben. Sei es, dass sie Teil des jeweiligen Parteivorstandssind oder Abgeordnete in einem Parlament. Die innerparteilichen formellen und in-formellen kollektiven Akteure, wie Fach- und Interessengruppen, spielen natürlichauch auf Parteitagen eine große Rolle. Durch die Geschäftsordnung bestimmte Ak-teure, wie die Sitzungsleitung und verschiedene Kommissionen, die wichtigste ist si-cherlich die Antragskommission, kommen hingegen neu hinzu. Die externen Akteurewirken selbstverständlich auch weiterhin auf den Parteitag ein. Ihr Einfluss wirkt al-lerdings eher über die Meinungsbildung der Delegierten und weniger direkt wie imFall der Entwicklung politischer Visionen.

Von der Interessenlage her gilt für die internen individuellen Akteure, wie bei der po-litischen Vision auch, dass sie bestimmte inhaltliche Interessen haben, daneben aberinsbesondere bei Amtsträgern auch der Wunsch vorhanden ist, die eigene Person zufördern. Ein weiteres Interesse kann auch hier darin liegen, als Lobbyist im Sinneeines externen Akteurs zu handeln. Bei den Delegierten kommt hinzu, dass sie in ih-rer Funktion als Delegierte eines Gebietsverbands oder einer anderen parteiinternenGruppe die Interessen dieser Gruppe zu vertreten haben.

Die Interessen externer Akteure liegen vor allem bei zivilgesellchaftlichen Akteurenin der Durchsetzung eigener Ziele. Bürger als externe Akteure haben auch hier dasMotiv, ein passendes ihren Wünschen entsprechendes politisches Angebot zu erhal-ten. Andere externe Parteiorganisationen haben als Konkurrenten das Interesse, dassdie Partei ihre Interessen möglichst nicht durchsetzen kann und in der Öffentlichkeit"schlecht da steht".

Medien und Kommunikation:

Die Kommunikation im Vorfeld des Parteitags findet ähnlich wie in Abschnitt 3.2.4überwiegend One-to-Many per Email und Post statt. Anträge können bis zum einemgewissen Zeitpunkt eingereicht werden und werden dann an die Delegierten per Postverschickt.

Auf dem Parteitag selbst findet in der Debatte überwiegend eine Face-to-Face Kom-munikation statt. Aber auch hier wird eine Menge Papier in Form von weiteren An-trägen und Ergänzungen produziert. Nicht zuletzt wird auch der Vorschlag der An-tragskommission über die Behandlung der Anträge den Delegierten meist schriftlichvorgelegt. Die Akteurskonstellation ist hier überwiegend Many-to-One. Die Kommu-nikation zwischen Antragskommission, Sitzungsleitung und Delegierten, die Anträ-ge gestellt haben, erfolgt sowohl Face-to-Face als auch schriftlich One-to-One. Wersich zu Tagesordnungen äußern möchte, der muss dies bei der Sitzungsleitung meistschriftlich One-to-One anzeigen. Neben der formalen Struktur finden natürlich auchFace-to-Face Gespräche zwischen individuellen und kollektiven Akteuren statt. Der

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Einfluss der externen Akteure und insbesondere der Bürger auf den Prozess ist mi-nimal. Zivilgesellschaftliche Akteure können allenfalls im Vorfeld und während desParteitags mit Delegierten oder Amtsträgern im direkten Kontakt Face-to-Face spre-chen beziehungsweise ihnen One-to-One Stellungnahmen zur Verfügung stellen.

Der Ablauf des Parteitags und die Kommunikationswege sind durch die formaleStruktur der Tagesordnung geprägt. Generell gilt, dass es sich hierbei zwar um ei-ne Konversation handelt, aber sowohl die Interaktivität als auch die Synchronitäteher niedrig sind. Die direkte Reaktion auf Argumente ist nur sehr eingeschränktmöglich. Allenfalls können durch Beifall oder Unmutsäußerungen Rückkopplungenan den jeweiligen Redner statt finden. Die Gespräche am Rande des Parteitags, dieeher informellen Charakter haben, bieten hingegen eine sehr interaktive und syn-chrone Kommunikationsmöglichkeit. Die Kommunikation im Vorweg des Parteitagshat vor allem den Charakter eines registrativen Prozesses mit geringer Interaktivitätund Synchronität.

Szenario 2

Das Beispiel der Grünen zeigt, dass die komplette Virtualisierung von Parteitagenbereits im Jahr 2000 technisch möglich war. Elf Jahre später dürften die technischenVoraussetzungen mit den Mitteln des Web 2.0 und den inzwischen weitgehend sehrhohen zur Verfügung stehenden Bandbreiten noch weit besser sein.

Dieses Szenario geht davon aus, dass die gesamte Struktur eines Parteitags komplettdurch Web 2.0 ersetzt wird. Hierzu wird eine Plattform bereit gestellt, die ähnlichwie die in Kapitel 3.2.4 beschriebene auf sehr hohe Multimodalität setzt, also nebenText auch Videos, Livestreams und Chat über Webcam ermöglicht. Auch hier soll zu-sätzlich eine Anknüpfung an die sozialen Netzwerke erfolgen, indem beispielsweisedurch eigens dafür entwickelte Facebook-Anwendungen auch die Kommunikationmit den Mitgliedern dieses Netzwerks ermöglicht wird. Aktuelle Diskussionen undVideo-Stellungnahmen werden automatisch in das Netzwerk gestellt. Die Plattformintegriert zudem gängige Anwendungen aus dem Web 2.0 Cluster "Collaboration",die es den Mitgliedern ermöglichen, kollektiv vor allem an Texten zu arbeiten. EinBeispiel für diesen Bereich sind die Anwendungen der Firma Zoho.com.14 und Goo-gle15 sowie die Mind-Mapping Tools Mindmeister16 und Mindomo17.

Die zeitliche Entgrenzung des neuen Mediums wird genutzt, um die Web 2.0 An-wendung zu einer ständigen Institution zu machen und nur für die Abstimmungen

14http://www.zoho.com/, Stand 17. April 2011.15http://www.docs.google.com/, Stand 17. April 2011.16http://www.mindmeister.com/de, Stand 17. April 2011.17http://www.mindomo.com/, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

bestimmte zeitliche Fristen zu setzen.

Akteure und Interessen:

Neue Akteure treten im Vergleich zum ersten Szenario nicht auf und auch die Inter-essen der Beteiligten ändern sich nicht durch die Virtualisierung des Parteitags.

Medien und Kommunikation:

Die Kommunikation ändert sich hingegen fundamental durch den Ersatz des Partei-tags durch Web 2.0. Das neue Medium integriert die verschiedenen Kommunikati-onsströme ähnlich wie in Abschnitt 3.2.4 beschrieben. Zusätzlich kommt hier aller-dings hinzu, dass die ehemals nur indirekt vorhandene Kommunikation zwischenexternen und internen Akteuren überhaupt erst wirklich ermöglicht wird. Ähnlichwie im Falle der Entwicklung politischer Visionen könnten auch hier die Interessender Bürger überhaupt das erste Mal wirklich artikuliert werden. Es gilt auch hier, dassdas Web 2.0 Medium je nach Einsatzkontext sowohl synchrone als auch asynchrone,hoch-interaktive Kommunikation ermöglicht.

Die realweltlich vorhandenen starren Strukturen insbesondere durch Geschäfts- undTagesordnungen sind der Tatsache geschuldet, dass dem Prozess sowohl zeitliche alsauch räumliche Grenzen gesetzt sind. Die starre Struktur soll gewährleisten, dass dasVerfahren möglichst demokratisch abläuft und bei den gegebenen Bedingungen einoptimales Ergebnis erreicht wird. Mit der räumlichen und zeitlichen Entgrenzungdurch Web 2.0 fallen diese Notwendigkeiten allerdings weg. Sie sind in diesem Sin-ne vorläufige Formalisierungslücken. In diesem Fall würden sogar neue Freiräumefür den kommunikativen Austausch geschaffen, da sich beispielsweise mehr Leutealleine deswegen beteiligen könnten, weil eben nicht nur eine begrenzte Anzahl anDelegierten an dem Parteitag teilnimmt sondern im besten Fall die gesamte Mitglied-schaft und auch interessierte Teile der Gesellschaft.

Weitere Anhaltspunkte für Veränderungen bei der De- und Rekontextualisierung er-geben sich aus der Analyse des "virtuellen Parteitags" von Bündnis 90/Die Grünen.So stellt Westermayer eine Reihe von Unterschieden zwischen den Logiken eines her-kömmlichen und eines "virtuellen" Parteitags fest (vgl. [Wes01], S. 77). Es stellt sichheraus, dass der Diskussionsprozess inklusive der Ergebnisse relativ verlustfrei mög-lich war. Nichtsdestotrotz fehlten insbesondere die sekundären Effekte eines Partei-tags, wie Stimmung, "große Reden", Atmosphäre, Inszenierungen und die parteiin-terne Kommunikation in Form des Aufbaus sozialer Kontakte und der politischenSozialisation. Allerdings verschwanden die bereits vorher möglicherweise vorhan-denen realen sozialen Beziehungen zwischen den Delegierten des Parteitags nicht.Insbesondere bei erfahrenen und gut vernetzten Parteimitgliedern wurde die Hürde,Absprachen am Rande des Parteitags zu treffen zwar erhöht. Aber gerade hier warnoch am ehesten zu erwarten, dass per Email oder Telefon Nebengespräche stattfan-

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

den. Für neue oder wenig vernetzte Parteitagsdelegierte wurde dies umso schwie-riger. Die Leichtigkeit, einfach Jemanden anzusprechen oder um Rat zu fragen, zubegrüßen, nach seiner Meinung zu fragen, ins Gespräch zu kommen oder zu beob-achten fehlte fast völlig. Dies hatte auch große Auswirkungen auf die Steuerbarkeitund die Machtverhältnisse auf dem Parteitag. Klüngeleien wurden zwar erschwertaber gleichzeitig für den normalen Delegierten noch unsichtbarer. Während man aufeinem normalen Parteitag auch als einfacher Delegierter bei aufmerksamer Beobach-tung mitbekommen kann, wer mit wem redet, welche Grüppchen und Gruppen zu-sammen gehören und welche Blocks wie abstimmen, war dies auf dem virtuellenParteitag völlig unsichtbar. Ebenso ist das Verhalten der Parteilelite nicht mehr beob-achtbar ([Wes01], S. 78 f.).

Die Logik des "virtuellen Parteitags" der Grünen wurde stark durch die konkretetechnische Umsetzung determiniert. So determinierte die Wahl der Anwendungenals oberste technische Realisierungssschicht insbesondere die virtuelle Identität derTeilnehmer. So hatte beispielsweise die Entscheidung darüber, ob Avatare oder Fotosals Identifikationsmerkmal für Beiträge genutzt werden können große Auswirkun-gen auf das Verhalten der Delegierten untereinander. Eine Web 2.0 Anwendung fürdiesen Kontext muss dies berücksichtigen.

Es ergeben sich insgesamt vor allem folgende vorläufige Formalisierungslücken, diegrößtenteils denen aus Kapitel 3.2.4 ähneln:

• Zeitliche Entgrenzung ermöglicht es, die Zeiträume für Debatten großzügigerzu gestalten.

• Die räumliche Kopräsenz kann aufgehoben und dadurch die Beteiligungsbasiserhöht werden.

• Die starke Strukturierung des Parteitags durch Geschäftsordnung und Tages-ordnung kann vermindert werden.

• Die Kontrolle der Debatte kann auch hier formalisiert werden.

Notwendige Formalisierungslücken sind:

• Anträge an den Parteitag müssen in kreativen Freiräumen weiter von Menschenerarbeitet werden.

• Rechtliche Rahmenbedingungen und Datenschutz sind auch hier sicher zu stel-len.

• Offlinern muss die Möglichkeit gegeben werden, an der politischen Meinungs-

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

bildung mitzuwirken.

• Der Kontext, in dem Antragsteller stehen, muss deutlich werden. Insbesonderedürfen sie nicht anonym sein.

• Der Diskussionsprozess muss transparent und übersichtlich gestaltet sein.

Erklärung

Ein wichtiger Aspekt ist auch die Einstellung der internen Akteure, die von der bishe-rigen Kommunikationsstruktur möglicherweise profitiert haben. Jede Veränderungder Kommunikationsstruktur birgt für sie die Gefahr, dass ihr politischer Einflusssinkt. Beispielsweise sieht ein guter Redner möglicherweise die Gefahr, dass er im zu-mindest teilweise sehr textlastigem Internet seine Potentiale nicht ausspielen kann.

Aus Sicht des Neoinstitutionalismus sind Gründe für die Ähnlichkeiten von Parteita-gen verschiedener Parteien, was den strukturellen Aufbau betrifft, vor allem in regu-lativen Institutionen zu sehen, die über Gesetze und Normen gewisse Standards fürdie Durchführung von Parteitagen setzen. Zudem werden vor allem neu entstehen-de Parteien sich auf Grund von Unsicherheit an den etablierten Parteien orientieren.Dies entspricht einer mimetischen Isomorphie.

Eine normative Institution trug mit dazu bei, dass der "virtuelle Parteitag" der Grü-nen im Jahr 2000 überhaupt durchgeführt wurde: Im Juli 2000 entsteht innerhalb desLandesverbands Baden-Württemberg von Bündnis 90/Die Grünen die Idee, einen"virtuellen Parteitag" durchzuführen (vgl. [Wes01], S. 18). Drei persönliche Motivenennt Marc Mausch als derjenige, der die Idee hatte: Der Partei sollte das Thema"elektronische Debatte" nahe gebracht werden. Daneben sollte der "virtuelle Partei-tag" als Werkzeug angesehen werden, um die Effizienz zu erhöhen und als dritterPunkt nannte er die Imageförderung. Westermayer schreibt, dass dieses Argument"wohl für große Teile der Parteielite ausschlaggebend gewesen sei" (vgl. [Wes01], S.18). Dies ist ein klarer Hinweis darauf, dass die Parteielite offensichtlich bestimmtenErwartungen, also normativen Institutionen, gerecht werden wollte um so ein positi-veres Image zu erhalten. Dies wird auch gestützt durch die Äußerung einer Teilneh-merin: "Für B lag das Ziel des Parteitags »in erster Linie . . . in der Außenwirkung,ähm, nämlich dieses Instrument mal auszuprobieren, [. . . ] und dann sozusagen [. . . ]zu demonstrieren, dass die Grünen halt nicht technikfeindlich sind«" (vgl. [Wes01], S.28). Das zweite Motiv der vermeintlichlichen Effizienzsteigerung durch den elektro-nischen Parteitag kann ebenso als Institution aufgefasst werden. Allerdings eher alskulturell-kognitive, denn die Annahme, dass durch den Einsatz von Web-Technologieeine Effizienzsteigerung zu erreichen ist, orientiert sich wahrscheinlich an Organisa-tionsmythen innerhalb des organisationalen Umfeldes. Marc Mausch als damaliger

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Projektleiter in der Softwarebranche bringt diesen Mythos aus dem unternehmeri-schen Umfeld in die Sphäre der politischen Organisationen ein. Die Idee des "virtu-ellen Parteitags" erreichte auch schnell die Presse und ein sehr hohes Medienecho.Das wiederum machte den politischen Entscheidungsträgern einen Rückzug ohneGesichtsverlust praktisch unmöglich.

Bewertung

Aus Sicht der deliberativen Demokratie ist das Ziel innerparteilicher Willensbildungin erster Linie in Beschlüssen zu sehen, die möglichst breit und "auf Augenhöhe"diskutiert wurden. Von dieser Warte aus gesehen stellt Szenario 2 eine deutliche Ver-besserung zum herkömmlichen Verfahren dar. Im folgenden werden die fünf Forde-rungen an einen deliberativen Diskurs (vgl. 2.6) im Bezug auf die beiden Szenarienetwas genauer beleuchtet:

Die Einbindung einer möglichst großen Zahl von Betroffenen bedeutet hier insbe-sondere die Einbindung möglichst vieler Parteimitglieder. Diese Bedingung kann einvirtueller Parteitag in einem stärkeren Maße als ein normaler Parteitag erfüllen, weilkeine Kopräsenz erforderlich ist. Außerdem ist es technisch gesehen kein Problemmehr, eine Web-Platform statt für 200 für 50.000 Menschen zu skalieren. Für normaleParteitage ist dies auf Grund der insbesondere in Flächenländern oder bei Parteitagenauf Bundesebene großen Entfernungen und der begrenzten Kapazität des Tagungs-ortes nicht möglich. Die organisatorische Begründung, ein repräsentatives Delegier-tensystem zu verwenden, fällt also weg. Zudem ermöglicht Szenario 2 überhaupt erstdie wirkliche Einbindung externer Akteure als Hauptbetroffene politischer Entschei-dungen. Dies stellt qualitativ einen Quantensprung dar.

Die Organisation gleich verteilter und gleich wirksamer Chancen zur Beteiligungam politischen Prozess stellt sich schon als weit schwieriger dar. Denn die realenMachtverhältnisse werden durch die Änderung des Mediums nicht negiert. Im Ge-genteil können "Klüngelrunden" von der Parteimittgliedschaft weniger gut beobach-tet werden. Gleichzeitig bewirkt aber die Verlagerung der Diskussion ins Interneteine Senkung der Hemmschwelle, sich zu beteiligen. Dieser Effekt kann insbeson-dere weniger erfahrenen Mitgliedern helfen. Auch kann die weniger starke zeitlicheBegrenzung der Debatten zu einer höheren Beteiligung, vor allem bei Personen, dieauf Grund beruflicher oder privater Angelegenheiten ansonsten keine Möglichkeitenzur Beteiligung hätten, führen. Bei allen Möglichkeiten, die die neuen Technologienbieten, gibt es allerdings das große Problem der "Offliner", das vorab unbedingt ge-löst werden muss. Die nicht vorhandene Möglichkeit zur Beteiligung stellt eigentlichein Ausschlusskriterium für den kompletten Ersatz des herkömmlichen Verfahrensdurch Web 2.0 dar.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Die Herstellung gleichen Stimmrechts für alle Teilnehmer dürfte tendenziell sogareinfacher herzustellen sein als auf einem realen Parteitag. Dabei ist es aber außer-ordentlich wichtig, dass die formale Leitung des Parteitags, sofern sie noch benö-tigt wird, aber insbesondere auch diejenigen, die die technische Überwachung wäh-rend des Parteitags übernehmen, keinerlei Manipulationsmöglichkeiten haben (vgl.[Wes01], S. 23). Realisieren ließe sich dies beispielsweise durch eine unabhängigeKontrolle von Log-Files und völlig transparentes Handeln aller Beteiligten.

Welche großen Oberthemen auf einem Parteitag behandelt werden, liegt meistens inder Hand des jeweiligen Vorstandes, sei es der Bezirks-, Landes- oder Bundesvor-stand der jeweiligen Partei. Formal stimmen die Teilnehmer des Parteitags zwar überdie Tagesordnung ab, es ist aber unüblich, dass diesem Vorschlag nicht gefolgt wird.Web 2.0 böte auf Grund der fehlenden Notwendigkeit, innerhalb von einem oderzwei Tagen durch die Tagesordnung zu hetzen, die Möglichkeit, die Agenda des Par-teitags bereits im Vorwege unter den Mitgliedern zu diskutieren und abzustimmen.Rein technisch spräche nichts dagegen, den "Parteitag" als ständige Institution kon-tinuierlich fortzuführen. Das von der Partei Die Linke in der Programmdebatte (vgl.3.2.2) eingesetzte Tool wird von Teilen der Piratenpartei bereits auf ähnliche Weiseeingesetzt (vgl. [Pir11]).

Die letzte Forderung von Habermas bezieht sich auf den politischen Diskurs selbst.Es geht darum, eine ausreichende Informationsbasis für alle Teilnehmer herzustel-len, die sachgerechte Entscheidungen ermöglicht. Auch dieser Punkt ist weder in derrealen noch in der virtuellen Welt einfach umzusetzen. In der realen Welt führen ins-besondere der Zeitdruck des Parteitags, gezielte Desinformationen und rhetorischeKünste von erfahrenen Debattenrednern aber auch die soziale Situation, die geprägtist durch einen gewissen Gruppendruck, dazu, dass das Ziel, gut informierte, sach-gerechte und die Lage voll überblickende Entscheidungen zu fällen, erschwert wird.Diese Punkte verschwinden bei einer Virtualisierung des Parteitags teilweise völlig.In einer naiven ersten Sichtweise könnte man zu dem Schluss kommen, dass hier nurdie Information im Vordergrund steht. Allerdings bieten auch textbasierte Beiträgeimmer noch einen großen Spielraum für rhetorische Finessen. Wichtig ist zudem, dassdie verwendete Platform sicher stellt, dass alle Teilnehmer auf einem Stand sind unddie Debatte nicht zerfasert. Denn wenn sich jeder nur in einem Unterforum mit sei-nem persönlichen Spezialthema beschäftigt, aber die Gesamtdebatte nicht verfolgt, istdie Forderung von Habermas in diesem Punkt nicht erfüllt. Korrigiert werden könntedies allerdings durch die Anwendung erweitert-repräsentativer Verfahren wie es dasKonzept der Liquid Democracy vorsieht (vgl. [Wik10a]).

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

3.3.4. Zusammenfassung

Der Spiegel brachte 2001 das Problem auf den Punkt: "Virtuelle Parteitage - Debattenohne Gefühl und Bier" (vgl. [Sei01]). Damit ist auch das große Problem umschrieben,dass sich ergibt, wenn die innerparteiliche Willensbildung komplett virtualisiert wer-den würde. Parteien sind auch soziale Gebilde und Web 2.0 kann zwar vieles. Es kannaber den realen Kontakt nicht ersetzen. Vertrauen und Zusammengehörigkeitsgefühlerwachsen auch bei der besten Web 2.0 Anwendung ungleich schwerer im Vergleichmit realen Treffen.

Insgesamt ist zu konstatieren, dass sich die Bedingungen für eine Virtualisierungder kurz- und mittelfristigen Entscheidungsfindung in politischen Parteien durch dieMöglichkeiten des Web 2.0 verändert haben. Viele der Nachteile, die das erste Expe-riment der Grünen vor 10 Jahren vor allem auf Grund der damaligen technischen Ge-gebenheiten hatte, könnten behoben werden. Dabei ist das Design einer "Parteitags-Anwendung" allerdings strikt kundenorientiert zu halten und es müssen die notwen-digen Formalisierungslücken bedacht werden.

Zum derzeitigen Zeitpunkt scheint insbesondere wegen des Problems der Offlinerund der rechtlichen Rahmenbedingungen ein kompletter Ersatz normaler Parteita-ge durch eine Web 2.0 Anwendung wie in Szenario 2 nicht zu empfehlen. Aber ge-rade wegen der erstmaligen Möglichkeit, überhaupt externe Akteure zu beteiligen,scheint es Parteien anzuraten zu sein, eine wie in Szenario 2 beschriebene Web 2.0Anwendung aufzubauen. Sie könnte parallel als Ergänzung zu normalen Parteitagenlaufen und die höchste rechtlich mögliche Verbindlichkeit für die Parteiorganisationbesitzen. Wie diese Anwendung konkret aussehen muss, damit sie die hohen An-forderungen, die an sie gestellt werden, erfüllen kann, ist eine Aufgabe für weitereForschungen (vgl. F2.1 in Kapitel 3.8).

3.4. "Man müsste mal...": politische Personalplanung

Der Bereich politischer Personalentwicklung ist ein besonders heikler Punkt bei derBetrachtung organisatorischer Aufgaben in Parteien. Denn Parteien befinden sichhier in einem unlösbaren Konflikt zwischen dem Anspruch, demokratischen Grund-sätzen genügen zu müssen und einer effektiven Förderung kompetenter Personen.Die Tatsache, dass die Aufstellung von Kandidaten durch demokratische Mehrheits-entscheidungen in Wahlgremien stattfinden muss, macht eine gesteuerte Personalent-wicklung unmöglich. Es stellt sich hier zudem die Machtfrage: Eine gezielte Software-gestützte Personalentwicklungsplanung, wie sie in großen Unternehmen zu findenist, würde bei einer identischen Anwendung in politischen Parteien ein höchst un-

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

demokratischer Machtfaktor der jeweiligen Parteiführung sein. Die Anforderungenan die Personalplanung in politischen Parteien muss deshalb einen anderen Fokushaben.

Wie Kapitel 2.3 dargelegt, sind zwei der großen Herausforderungen, denen sich poli-tische Parteien in ihrer Organisationswirklichkeit stellen müssen das Freiwilligkeits-problem und die organisatorischen Anreizschwächen. Beide Probleme lassen sichwahrscheinlich auch durch die Möglichkeiten des Internets nicht vollständig lösen.Möglicherweise können sie aber durch Web 2.0 Technologien abgemildert werden.Im folgenden Abschnitt soll kurz die betriebswirtschaftliche Praxis der Personalpla-nung dargestellt werden um zu sehen, ob auf einer abstrakten Ebene die dargelegtenKonzeptionen im Grundsatz auch auf eine politische Personalplanung in Parteienübertragbar sind. Den Abschluss bilden die Analyse dieses organisatorischen Teilbe-reichs und ein Abschnitt über existierende Web 2.0 Anwendungen und ihr möglichesPotential für die Verbesserung einer politischen Personalplanung.

3.4.1. Betriebswirtschaftliche und politische Personalplanung

Grundsätzliche Ausführungen zu den Standards betriebswirtschaftlicher Personal-planung finden sich bei Wikipedia (vgl. [Wik10k]) aber auch in betriebswirtschaftli-chen Standardwerken (vgl. z.B. [WD05], S. 152-187).

Die betriebswirtschaftliche Personalplanung wird untergliedert in die Personal-bedarfsplanung, die Personalbeschaffungsplanung, die Personalabbauplanung, diePersonaleinsatzplanung und die Personalentwicklungsplanung (vgl. [WD05], S.155):

• Personalbedarfsplanung: Ziel der Personalbedarfsplanung ist es, den Soll- undIst-Personalbestand im Hinblick auf das gewünschte zu realisierende Lei-stungsprogramm zu optimieren.

• Personalbeschaffungsplanung: Eine durch die Personalbedarfsplanung festge-stellte Kapazitätslücke in qualitativer, quantitativer, zeitlicher oder örtlicherHinsicht soll durch die Personalbeschaffungsplanung geschlossen werden.

• Personalabbauplanung: Eine in der Personalbedarfsplanung ermittelte Über-deckung mit Personal soll durch die Personalabbauplanung aufgelöst werden.

• Personaleinsatzplanung: Die Personaleinsatzplanung wirkt darauf hin, das Per-sonal möglichst effizient den zu erfüllenden Aufgaben zuzuordnen.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

• Personalentwicklungsplanung: Mit Hilfe der Personalentwicklungsplanungsollen die Fähigkeiten des Personals erhalten und verbessert werden.

Alle Bereiche sind für die Optimierung der personellen Organisationseffizienz politi-scher Parteien hoch relevant. Aber wie oben bereits ausgeführt, stoßen Parteien hierinsbesondere aus drei Gründen an Grenzen: Die demokratische Grundausrichtungpolitischer Parteien, die organisatorischen Anreizschwächen und das Freiwilligkeits-problem. Bei dem Versuch, die betriebswirtschaftliche Personalplanung auf politischeParteiorganisationen zu übertragen, ist in einem ersten Schritt zu klären, wie der Be-griff "Personal" für politische Parteien konkretisiert werden kann.

Durch die Abgrenzungsprobleme politischer Parteien zu ihrer Umgebung18, er-scheint eine simple Operationalisierung von "Personal" durch die enge Fassung desBegriffs "Mitglieder" nicht zweckmäßig. Der Begriff "Mitglieder" soll deshalb weitergefasst werden und deshalb im Zusammenhang mit der Personalplanung politischerParteien sowohl die aktiven, wie auch die passiven Mitglieder beinhalten. Erstere,weil sie bereits Funktionen ausüben oder zumindest aktiv in irgend einer Weise inner-halb der Partei Aufgaben erfüllen. Die passiven Mitglieder, weil sie durch ihre Mit-gliedschaft eine grundsätzliche Sympathie mit den Zielen der Partei zum Ausdruckbringen und deshalb ein schlummerndes Potential darstellen, das aktiviert werdenkann. Darüber hinaus sollen aber zu den "Mitgliedern" im weiteren Sinne auch dieje-nigen Personen gezählt werden, die nicht Parteimitglieder sind, aber aktiv Aufgabenfür die Partei übernehmen.

Es ist darüber hinaus zweckmäßig, eine besondere Gruppe von Personen als "Sympa-thisanten" zu klassifizieren. Diese Personengruppe von Nicht-Parteimitgliedern hatin der Vergangenheit Aufgaben übernommen, war auf Veranstaltungen oder hat sichauf irgend eine andere Weise als der Partei nahe stehend gezeigt. Diese Menschenwerden deshalb potentiell leichter für eine Mitarbeit in der jeweiligen Partei zu ge-winnen sein.

Die Frage, ob eine Partei zu viele aktive Mitglieder haben kann, soll hier nicht ge-klärt werden. Fakt ist, dass vor allem die mitgliederstarken Parteien SPD und CDUin den letzten Jahrzehnten bedeutend an Mitgliedern verloren haben. So hat sich dieMitgliederzahl der SPD von über 1 Million Mitte der 70’er Jahre auf inzwischen et-was über 500.000 Mitgliedern halbiert (vgl. [Wik11k]). Auch die CDU hat seit An-fang der 80’er Jahre über 200.000 Mitglieder verloren (vgl. [Wik11c]). Da beide großenParteien und noch viel mehr die kleineren Parteien von diesen Zahlen weit entferntsind, wird postuliert, dass die Parteien auf absehbare Zeit kein Problem mit zu vie-len Mitgliedern haben werden. Damit können die Bereiche Personalbedarfsplanung,Personalbeschaffungsplanung und Personalabbauplanung zusammen gefasst wer-den zum Bereich Mitgliederwerbungs- und aktivierungsplanung. Personaleinsatz-

18siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 2.3

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

planung und Personalentwicklungsplanung behalten als Konzepte weiterhin ihre Be-deutung, sollen hier aber als Mitgliedereinsatzplanung und Mitgliederentwicklungs-planung bezeichnet werden.

Die obigen Ausführungen betreffen diejenigen Personen, die in politischen Partei-en ehrenamtlich oder nur mit einer geringen Aufwandsentschädigung aktiv sind.Selbstverständlich beschäftigen Parteien auch hauptberufliche Angestellte, für diedie betriebswirtschaftliche Sicht weiterhin ihre Gültigkeit behält. Allerdings ergebensich durch das Nebeneinander von hauptberuflich und ehrenamtlich tätigem Perso-nal neue Problemfelder (vgl. hierzu beispielsweise [Kün05]). Der Fokus dieser Arbeitkonzentriert sich allerdings primär auf das ehrenamtliche Personal, weshalb dieseAspekte ausgeklammert werden sollen.

Eine weitere Besonderheit politischer Parteien ist die parlamentarische Arbeit. Diegewählten Abgeordneten einer Partei bilden in der Regel in den Kommunal- undLandesparlamenten sowie im Bundestag und Europaparlament Zusammenschlüsseihrer Partei, so genannte Fraktionen (vgl. [Wik10c]). Die Fraktionen nehmen eine Son-derrolle im Gefüge politischer Parteien ein, weil die durch das Volk gewählten Ab-geordneten eine gewisse Unabhängigkeit von ihrer Partei genießen. Hinzu kommt,dass die Finanzierung der Gesamtfraktion für Büro, Mitarbeiter und Fraktionsarbeitsowie die Diäten beziehungsweise Aufwandsentschädigungen der gewählten Parla-mentarier durch den Steuerzahler sicher gestellt werden. Die sich daraus ergebendenProbleme werden in Abschnitt 3.7 erläutert. An dieser Stelle soll die Mitgliedschaftin einer Fraktion nur als mögliche Position innerhalb der Mitgliedereinsatz- bezie-hungsweise Mitgliederentwicklungsplanung angesehen werden. Ein immer mehr anBedeutung gewinnender Bereich, der eng mit dem Personalmanagement verknüpftist, ist das Wissensmanagement (vgl. [Wik11n]). Also bei politischen Parteien insbe-sondere das organisierte Weitergeben und die Speicherung von Wissen über politi-sches Arbeiten.

Dem Freiwilligkeitsproblem und den Anreizschwächen kann eine politische Parteiin erster Linie mit gezielter Motivation begegnen. Als Freiwillige sind die Parteimit-glieder in aller Regel intrinsisch motiviert (vgl. [Wik11h]). Das bedeutet, dass sie vonden Zielen der Partei überzeugt sein und insgesamt das Gefühl haben müssen, etwasSinnvolles zu tun. Oder wie Wiesendahl es formuliert:

"Aus der Akteursperspektive des freiwilligen Parteimitglieds läßt sich dasdem Handeln zugrundeliegende Individualziel nicht vom Organisations-zweck trennen, sondern beide müssen übereinstimmen, zumal die Mo-tivationsgrundlage sonst wegfiele, sich für die Partei einzusetzen." (vgl.[Wie98], S. 191 f.).

Eine Grundbedingung für eine erfolgreiche Mitgliederentwicklung ist also die For-

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

mulierung von Zielen, die mit denen der Parteimitglieder überein stimmen. DieseZiele werden in einem innerparteilichen Prozess allerdings auch von den Mitglie-dern selbst entwickelt. Somit müssten auf den ersten Blick die Ziele der Partei unddie persönlichen Ziele automatisch im Einklang stehen. Wie in Abschnitt 2.3 ausge-führt wird, reagiert die Parteiorganisation auf ihre organisationalen Schwächen un-ter anderem mit den Methoden der Unbestimmtheit und der Hypokrisie. Da Parteienaus sehr verschiedenen Akteuren und Interessengruppen mit ganz unterschiedlichenMotivationen bestehen, versuchen Parteiorganisationen weitestgehend zu verschlei-ern, was in ihnen geschieht und warum. Würden diese Differenzen nämlich offen zuTage treten, würde eine Klärung notwendig sein, die zu der Demotivation der un-terlegenen Gruppe führen könnte (vgl. [Wie98], S. 219 f.). Die Hypokrisie hat dage-gen den Zweck, einerseits die Parteimitgliedschaft, andererseits aber auch das Wahl-volk zu befriedigen. Praktisches Handeln insbesondere der Fraktionen auf der einenSeite und Parteibeschlüsse auf der anderen Seite sind deshalb oft nicht deckungs-gleich (vgl. [Wie98], S. 233 f.). Ob und wie Web 2.0 Technologien dieses Problem lösenkönnen oder ob eine zu große Transparenz hier nicht sogar kontraproduktiv wirkenkönnte, wird später im Rahmen der notwendigen und vorläufigen Formalisierungs-lücken zu klären sein.

Als vorrangige Ziele einer politischen Personalplanung ergeben sich:

• Gewinnung neuer Mitglieder

• Aktivierung von passiven Mitgliedern

• Schulung und Fortbildung von Mitgliedern

• Politisches Wissensmanagement

3.4.2. Nutzung von Web 2.0 Technologie im Personalmanagement

Für das Personalmanagement von Unternehmen attestieren Armutat und GeighardtWeb 2.0 Anwendungen aufgrund der "Grundprinzipien der Selbststeuerung und derInteraktivität", dass sie "vor allem der Personalentwicklung und dem Wissensmana-gement" (vgl. [HH08], S. 90) neue Wege eröffnen. Die Feststellungen im Bezug aufdie Personalrekrutierung sind dagegen kaum anwendbar, weil es sich bei Mitglied-erwerbung ja nicht um die Rekrutierung bezahlter und möglichst qualifizierter Ar-beitskräfte handelt. Die Mitgliederwerbung hat natürlich auch das Ziel, möglichstkompetente Menschen zu gewinnen. Ein anderes Ziel ist es aber auch schlicht undeinfach, die Beitragsbasis zu erhöhen. Vor allem aber fehlen politischen Parteien weit-gehend die betriebswirtschaftlichen Mechanismen und Anreizsysteme wie insbeson-

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

dere eine Entlohnung. Mitgliederwerbung muss deshalb im Web 2.0 anders funktio-nieren. Bei der Schulung und Fortbildung der Mitglieder sowie dem Wissensmana-gement sind betriebswirtschaftliche Systeme dagegen teilweise anwendbar. Für dieMitgliederschulung- und Fortbildung bieten sich somit interaktive Lernportale mitGruppenarbeiten und Videokonferenzen an. Die mediale Aufbereitung durch Audio-und Video-Podcasts kann den Lernprozess unterstützen. Die Anforderungen an die-jenigen, die diesen Lernprozess begleiten steigen allerdings, weil zu den fachlichenFähigkeiten die Fähigkeit zum Umgang mit der Technik kommen muss. Für das Wis-sensmanagement wird die Nutzung von Wikis vorgeschlagen, wobei hier die Bereit-schaft zur Teilung von Wissen über derartige Portale vor allem bei der jüngeren Ge-neratioon gesehen wird (vgl. [HH08], S. 91). Beim politischen Wissensmanagementin Parteien stellt sich auch die Frage, wie und ob vor allem vertrauliches und fürdie Partei essenziell wichtiges Wissen vor unberechtigtem Zugriff geschützt werdenkann. Diese Probleme entstehen vor allem durch die starke Unschärfe bei der Bestim-mung der Parteimitgliedschaft und der Abgrenzung der Parteiorganisation zu ihremUmfeld (vgl. Kapitel 2.3).

3.4.3. Analyse

Das politische Personalmanagement als wichtiger Aufgabenbereich politischer Par-teien soll im Folgenden nun mit dem in Kapitel 2.7 konkretisierten Mikropolis-Modelluntersucht werden. Dazu werden wieder zwei unterschiedliche Szenarien vergli-chen. Das erste Szenario geht davon aus, dass politische Parteien hier keinen Ge-brauch von Web 2.0 Technologie machen. Im zweiten Szenario setzt die betreffendePartei ganz gezielt auf Web 2.0 zur Schulung, Entwicklung, Einsatzplanung und Wer-bung von Mitgliedern. Hier werden dann auch die Unterschiede mit den Mitteln dessoziotechnischen Kerns verdeutlicht und Formalisierungslücken aufgezeigt. Es fol-gen erklärende Elemente durch die Betrachtung aus Sicht des Neoinstitutionalismusund der Parteiorganisationstheorie. Abschließend werden die Szenarien mit den Mit-teln der deliberativen Demokratie bewertet.

Insgesamt ist für diesen Bereich wenig empirisches Material vorhanden und auch dieInterviews haben relativ wenig ergeben, weil in ihnen der Fokus auf der politischenKoordination und der Finanzierung lag. Nichtsdestotrotz sollen im Folgenden einigePunkte zusammen getragen werden.

Szenario 1

Im ersten Szenario werden alleine die herkömmlichen Methoden des politischen Per-sonalmanagements verwendet.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Akteure und Interessen:

Das politische Personalmanagement richtet sich an die eigenen aktiven und passivenMitglieder und an die individuellen externen Akteure, hier insbesondere die Sym-pathisanten. Die Kontrolle über das politische Personalmanagement wird vor allemvon den dafür zuständigen Mitgliedern in den verschiedenen Gebietsverbänden aus-geübt.

Die Interessen der Parteimitglieder und Sympathisaten sind mit Sicherheit äußerstunterschiedlich. Einige Hinweise auf ihre Motive und Handlungslogiken gibt Wie-sendahl (vgl. [Wie98], S. 153 ff.). Genauere Ausführungen hierzu finden sich in Kapi-tel 3.6.2.

Medien und Kommunikation:

Aktionen, die als Hauptzweck die Werbung neuer Mitglieder haben, finden in Par-teien relativ selten statt. Höchstwahrscheinlich wird die Mitgliederwerbung eher alsNebenprodukt der allgemeinen politischen Arbeit und insbesondere des Politmarke-tings abfallen. Dies scheint auch sinnvoll, weil es im Grunde ja darum geht, Men-schen mit inhaltlichen Positionen der Partei zu überzeugen. So findet sich die Aus-sage, dass gute Politik auch die beste Mitgliederwerbung ist in den Parteien wieder(vgl. [Bün07], S. 24). Um hier eine klare Grenze zu ziehen, sollen hier nur Aktivitä-ten mit dem Hauptzweck der Mitgliederwerbung, -aktivierung und -schulung unddas politische Wissensmanagement betrachtet werden. Klassische Medien sind hiersicherlich die persönliche Ansprache Face-to-Face, Werbeaktionen über die Massen-medien oder per Postwurfsendung One-to-Many und spezielle Aktionen und Eventsmit dem Ziel der Mitgliederwerbung, die auch vorwiegend Face-to-Face funktionie-ren. Die Mitgliederschulung kann ebenfalls auf Treffen Face-to-Face stattfinden aberauch über parteiinterne Publikationen One-to-Many. Ein wirkliches Wissensmanage-ment ist mit diesen Medien allerdings nicht möglich.

Je nachdem, welcher Akteur angesprochen werden soll, kann der Kommunikati-onsprozess innerhalb des Mikrokontext verlaufen oder ihn über parteieigene bezie-hungsweise unabhängige Medien verlassen um Sympathisanten zu erreichen. Fürdie Mitgliederwerbung und -aktivierung werden vor allem Medien eingesetzt, dieüber hohe Synchronität und Interaktivität verfügen. Eine Ausnahme bilden Post-wurfsendungen und Massenmedien. Hier sind weder Synchronität noch Interakti-vität ausgeprägt und es handelt sich um eine Allokation. Man kann die Hypotheseaufstellen, dass mit den unterschiedlichen Kanälen unterschiedlich motivierte Ak-teure erreicht werden können. Während die massenmediale Kommunikation eherAkteure anspricht, die über eine Sponsormitgliedschaft nachdenken (vgl. [Wie98], S.156), könnten Akteure mit anderen Motivlagen und insbesondere Akteure mit starkinhaltlichen Motiven, wie die Policy-Aktivisten (vgl. [Wie98], S. 162), am ehesten überdie direkte Ansprache gewonnen werden. Dies kann an dieser Stelle allerdings nicht

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

abschließend geklärt werden (vgl. Hypothese H3.1 in Kapitel 3.8).

Kommunikation für Mitgliederschulung und Wissensmanagement wird sicherlichüberwiegend über parteiinterne Publikationen stattfinden. Gegenüber diesen asyn-chronen, wenig interaktiven und allokativen Kommunikationsformen finden mit Si-cherheit nebenher aber auch persönliche Treffen und Schulungen insbesondere fürden Wahlkampf statt, die sich durch höhere Synchronität und Interaktivität auszeich-nen. Neben Konversation können sie auch die Machtkonstellationen Registration undKonsultation aufweisen.

Szenario 2

Zusätzlich zu den klassischen Medien wird nun Web 2.0 eingeführt. Die entsprechen-den Ausprägungen konkreter Anwendungen werden weiter unten aufgeführt.

Akteure und Interessen:

Akteure und Interessen bleiben im Großen und Ganzen identisch zum ersten Szena-rio.

Medien und Kommunikation:

Von den in Kapitel 2.2 identifizierten Clustern können im politischen Personalmana-gement insbesondere folgende genutzt werden:

Video: Videoportale wie Clipfish19, YouTube20, Sevenload21 können genutzt werdenum gezielt Mitglieder mit unterschiedlichen Motivgruppen für die Parteimitglied-schaft zu interessieren oder passive Mitglieder zu aktivieren. Videoportale funktio-nieren meistens One-to-Many mit geringer Synchronität und je nachdem, wie starkKommentierungen oder Videoantworten möglich sind, mit geringer bis mittlerer In-teraktivität. Die Machtkonstellation ist eher allokativ.

Wikis: Wiki-Systeme eignen sich vor allem für die gezielte Bereitstellung von Schu-lungsmaterial und Informationen für Mitglieder und Aktive. Es wäre beispielsweisedenkbar, bestimmten Mandatsträgern und Kandidaten bei Wahlen über das Wiki Ar-gumenationsweisen oder bestimmte Strategien zur Verfügung zu stellen. Das Portalkann dann von den Anwendern genutzt werden, um aus diesem ersten Input dasMaterial weiter zu entwickeln, indem Anmerkungen und Anregungen sowie eigene

19http://www.clipfish.de, Stand 17. April 2011.20http://www.youtube.com, Stand 17. April 2011.21http://de.sevenload.com/, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Erfahrungen einfließen. Die Machtkonstellation ist eher eine Konversation bei ho-her Interaktivität und geringer Synchronität. Die Akteurskonstellation ist Many-to-Many.

Forum: Hier gilt Ähnliches wie für die Wiki-Systeme. Auch parteiinterne Foren wer-den genutzt, um selektiv bestimmte Gruppen zielgerichtet mit Informationen zu ver-sorgen und eine Diskussion zu ermöglichen. Sie bieten sich also ähnlich wie die Wikisinsbesondere für die Mitgliedereinsatz- und Mitgliederentwicklungsplanung sowiefür das politische Wissensmanagement an. Akteurs- und Machtkonstellationen ent-sprechen denen der Wikis.

Social Networks: Die möglichen Verknüpfungen zwischen Social Networks wie Face-book22, StudiVZ23 mit der politischen Personalplanung sind groß. Viele der sozia-len Netzwerke können inzwischen auf ganz verschiedene Weisen eingesetzt werden.So bietet Facebook neben einem Terminsystem und gezielter Facebook-interner Wer-bung auch eine Reihe von Spielen und Gimmicks an, die zur Incentivierung (vgl.[Wik10e]) genutzt werden könnten. Zudem können zugangsbeschränkte Räume er-richtet werden, die für die gezielte Information eingesetzt werden könnten. Proble-matisch ist hier allerdings die fehlende Kontrolle über das Netzwerk durch die Parteiund dadurch entstehende Probleme bei vertraulichen Informationen insbesondere imBereich des Wissensmanagements und der Mitgliederschulung. Soziale Netzwerkebieten sehr hohe Interaktivität und mittlere bis hohe Synchronität. Die Machtkonstel-lation entspricht einer Konversation.

Was die Kommunikationswege betrifft, finden sich eine Reihe von Hinweisen dazu inKapitel 3.4.2. Aus den Prinzipien der Selbststeuerbarkeit und Interaktivität ergibt sichauch für das politische Personalmanagement ein Verlust an Kontrolle für die oberenFührungsschichten und ein mehr an Kontakt auf Augenhöhe. Gerade für politischeParteien bietet sich hier möglicherweise die Chance, ihre strukturell bedingten An-reizschwächen in gewisser Weise abzumildern und so auch dem Freiwilligkeitspro-blem entgegen zu wirken. Der Grund liegt darin, dass durch interaktivere und weni-ger hierarchisch strukturierte Kommunikationsprozesse die Motivation der Mitglie-der erhöht werden könnte. Diese Hypothese bedarf allerdings noch einiger empiri-scher Untermauerung. Dem Freiwilligkeitsproblem könnte eine zumindest moralischstärkere Verbindlichkeit durch eine öffentlichere Erklärung der Bereitschaft zur Mit-arbeit entgegen wirken. Diese Hypothesen finden sich auch in Kapitel 3.8 wieder.

Zwei konkrete Vorschläge für Projekte sind parteiinterne Web 2.0-gestützte Schu-lungsheiten (vgl. [1:75]) und Veranstaltungen beziehungsweise Veranstaltungstrei-hen, die die Medienkompetenz innerhalb der Partei stärken. Als Beispiel wird die"Linke Medienakademie" genannt (vgl. [1:75]).

22http://de-de.facebook.com/, Stand 17. April 2011.23http://www.studivz.net/, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Welche Ansatzpunkte für Formalisierungslücken lassen sich identifizieren? Zu kon-statieren ist in jedem Fall, dass der Bereich der politischen Personalplanung hochkomplex ist. Aus Wiesendahls Ausführungen lässt sich schließen, dass für die erfolg-reiche Gewinnung und Aktivierung neuer Mitglieder Transparenz über die Partei-ziele nicht unbedingt von Vorteil ist. Der Schluss liegt nahe, dass es sich eher umein Optimierungsproblem handelt mit der Frage: Wie unbestimmt müssen die Par-teiziele bei Beibehaltung aller anderen Faktoren gehalten werden, um die Mitglie-derzahl zu optimieren? Außerdem fällt als weitere Variable auch die Hypokrisie insGewicht, weil eine optimale Unbestimmtheit eventuell suboptimale Ergebnisse beiWahlen hervorruft.

Wie auch in den anderen organisatorischen Teilbereichen ist die Aufhebung räum-licher und zeitlicher Beschränkungen dann kein Problem, wenn sie weitestgehendohne den Verlust benötigter Informationen oder sozialer Interaktionen von stattengeht.

Die Mitgliedereinsatz- beziehungsweise Mitgliederentwicklungsplanung darf ausdemokratietheoretischer Sicht keine gezielte Förderung bestimmter Personen bein-halten. Hier geht es insbesondere um die Schulung und Information von interessier-ten Mitgliedern und Mandatsträgern. Die Entscheidung über die Besetzung von Äm-tern ist eine notwendige Formalisierungslücke, die nicht geschlossen werden darf.Allerdings kann man argumentieren, dass bestimmte Personengruppen, die von derMitgliedschaft oder den Wählern in bestimmte Positionen gesetzt wurden, Anspruchauf mehr Unterstützung haben als Mitglieder ohne derartige Ämter. Problematischkönnte hier allerdings die Herausbildung von Herrschaftswissen sein, das für ein-fache Mitglieder eine unnötige Wissenshürde aufbaut und so die Durchlässigkeitder Parteiebenen für alle Mitglieder erschwert. Es muss also bedacht werden, dassdie Schließung der vorläufigen Formalisierungslücke "Mitgliederinformation" durchWeb 2.0 Technologien nicht mit der Herausbildung von Wissensbarrieren einher ge-hen sollte.

Erklärung

Ein wichtiger Grund, warum es Widerstände gegen Web 2.0 geben kann, sind die be-reits angesprochenen Personen, die auf Grund der herkömmlichen VerfahrensweiseMachtpositionen innerhalb der Organisation haben. Veränderungen, die potentiell zueiner Schwächung ihrer Machtposition führen, werden von ihrer Seite auf Widerstän-de stoßen.

Weiterhin scheint generell eine wirkliche, gezielte Personalplanung in politischenParteien kaum vorhanden zu sein. Dies erscheint auf den ersten Blick etwas wider-sprüchlich, stellt doch das politische Personal ein Kernelement des Erfolgs dar. Starke

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

regulative und normative Institutionen wirken allerdings auf den Prozess ein. ZumEinen widerspricht es der demokratischen Verfasstheit politischer Parteien, wennEinzelne und sei es auch die gewählte Parteiführung, die völlige Entscheidungsho-heit darüber haben, welche Personen auf welche Posten gesetzt werden beziehungs-weise welche Personen gefördert werden. Dies ist auch der normative Anspruch, dervon außen an die Partei heran getragen wird und er entspricht höchstwahrscheinlichauch dem Selbstverständnis der Parteimitglieder. Daneben wirkt die fehlende po-litische Personalplanung im organisationalen Feld Personalplanung natürlich auchmimetisch-isomorph. Indem nämlich Personalplanung im Umfeld der Parteien kaumstatt findet, wird dieser Zustand als normal angesehen und nicht weiter hinterfragt.

Bewertung

Aus Sicht der deliberativen Demokratie sind sowohl Hypokrisie als auch Unbe-stimmtheit problematisch, weil sie der Forderung entgegen wirken, dass die Infor-mation derjenigen, die am Prozess beteiligt sind, möglichst groß sein soll (vgl. Kapitel2.6)

3.4.4. Zusammenfassung

Konkret ist die Erkenntnislage im Bereich der politischen Personalplanung sehr dürf-tig. Es fehlt hier sowohl an Forschung wie auch an konkreten Fallstudien, wo Parteienintentional Web 2.0 Technologien für die Mitgliederwerbung einsetzen. Dieser Punktscheint meistens eher als Nebenprodukt des Politmarketings anzufallen, dessen pri-märer Zweck aber die Gewinnung von Unterstützung in der Bevölkerung ist. Hierist deshalb weitere Forschung nötig. Auch im Hinblick auf die Frage, welche Web 2.0Technologien für welchen Zweck der politischen Personalplanung besonders geeig-net ist (vgl. F3.4 in Kapitel 3.8).

3.5. Von digitalem Glanzpapier undObama-Wahlkampf: Parteien zwischenVerlautbarung und echter Kommunikation

Anders als die meisten anderen Organisationen sind Parteien besonders stark auf dieöffentliche Meinung angewiesen, denn ihr Erfolg in Form von Wahlergebnissen undMitgliederzahlen ist ein direktes Ergebnis der öffentlichen Meinung.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Abbildung 3.4.: Eröffnungsdaten virtueller Parteizentralen (Quelle: [Bie01], S. 10)

Es soll im Rahmen dieses Abschnitts nun kurz die Entwicklung der Nutzung vonWebseiten durch politische Parteien dargestellt werden. Im Anschluss wird dann ineiner Analyse die Übertragbarkeit der von vielen Kommentatoren insbesondere inder Verwendung der neuen Medien als neuartig wahrgenommenen Kampagne vonBarack Obama untersucht. Es folgt eine kurze Betrachtung des Internetportals Abge-ordnetenwatch.de als neuartiger durch Bürger geschaffener Kommunikationskanalzwischen Abgeordneten und Bevölkerung. Den Abschluss bilden eine Analyse derErkenntnisse und die Untersuchung bereits existenter Anwendungen im Hinblickauf ihr Potential für das Politmarketing.

3.5.1. Eine kurze Geschichte der Parteien-Webseite

Einige Mitglieder der Parteien werden, ähnlich wie der Rest der Bevölkerung, Mitteder 1990’er Jahre damit angefangen haben, Emails und insbesondere auch Webseitenzu nutzen. Die ARD/ZDF Onlinestudie aus dem Jahr 2008 gibt beispielsweise für dasJahr 1997 an, dass nur 6,5% aller Deutschen das Internet gelegenlich nutzen. Im Jahr2000 sind es 28,6% und 2008 65,8% (vgl. [vEF08]).

Wie Abbildung 3.4 auf Seite 78 illustriert, begannen ab 1995 auch die politischen Par-teien mit dem Aufbau eigener Internetpräsenzen (vgl. ([Bie01]) S. 10). Eine Studie derFriedrich-Ebert Stiftung charakterisiert die Entwicklung der Websiten der Parteiendurch die vier Zustände Digitales Glanzpapier, Online Magazin, Virtuelle Parteizentraleund Politisches Web-Portal (vgl. [Bie01], S. 9).

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Das Internetarchiv "Waybackmachine"24 erlaubt es, die Entwicklung der Webauftritteder politischen Parteien nachzuvollziehen. Die Webseite der CDU präsentiert sichbeispielsweise 1996 in damals auf der Höhe der Zeit erscheinendem Design undFunktionalität25. Viel mehr als ein monodirektional funktionierendes Verlautbarungs-organ mit in das Internet gestellten Inhalten bietet sie allerdings nicht. Auch die Inter-netpräsenz der SPD zeigt sich in einem ähnlich schlichten Gewand ohne großartigeInteraktionsmöglichkeiten26. Aber schon diese beiden Beispiele bieten bei genaue-rem Hinsehen interessante Details: So schreibt der damalige SPD-Vorsitzende OskarLafontaine in seinem Grußwort ausdrücklich davon, dass die SPD eine "technologie-freundliche Partei" sei. Und die CDU versucht sich unter dem Punkt "Entertainment"als "Cyberspace Design Union" darzustellen. Im gleichen Jahr präsentiert sich dieWebseite von Bündnis 90/Die Grünen noch als Hobbyprojekt eines einzelnen Partei-mitglieds, das auf der Webseite auch ausdrücklich anmahnt, dass "die in Bonn endlichin die Pötte" kommen sollen27.

Insgesamt sind die Webseiten im Jahr 1996 noch geprägt von einer experimentellenVorläufigkeit. Ein Dialog zwischen Bürger und Partei, der über ein Gästebuch hin-aus geht ist kaum möglich. Den Parteien scheint darüber hinaus auch nicht ganz klarzu sein, welchen Zweck ihre Webpräsenz erfüllen soll und dass das Medium "Inter-net" keine digitale Form der analogen Post ist. Das Grußwort des damaligen grünenKandidaten Rezzo Schlauch für das Oberbürgermeisteramt in Stuttgart wirkt hölzernund der weniger förmlichen Umgebung des Internets völlig unangemessen28.

Im Jahr 2000 zeigt die Webseite der CDU in einem bereits relativ professionell gestal-teten Design mit einem Ticker, Hinweisen auf Live-Chats und Termine. Außerdemfindet sich eine Möglichkeit für CDU-Mitglieder, sich in das parteiinterne Netzwerk"CDUNET" einzuloggen29. 2006 hat sich das Design von CDU.de zwar weiter verbes-sert, aber viele neue Funktionalitäten bietet die Seite nicht30. Eine echte neue Qualitäterreicht die CDU-Seite 2009 mit einem vorgeschalteten Kampagnenportal, von demaus der Nutzer schnell zur Parteiseite, das nach wie vor im Stil eines Parteimaga-zins gehalten ist und insbesondere auch zu den parteirelevanten Web 2.0 Inhaltenkommt31. Dieses Design ist auch nach wie vor aktuell. Es wurde allerdings um wei-tere Web 2.0 Angebote wie Facebook und Twitter erweitert32.

Eine ähnliche Veränderung erfährt die Webseite der zweiten großen deutschen Partei,24http://www.archive.org/web/web.php, Stand 17. April 2011.25http://web.archive.org/web/19961031131128/http://www.cdu.de/, Stand 17. April 2011.26http://web.archive.org/web/19961221212345/http://www.spd.de/, Stand 17. April 2011.27http://web.archive.org/web/19961105152804/http://www.gruene.de/, Stand 17. April 2011.28http://web.archive.org/web/19961029192000/www.ba-wue.gruene.de/stuttgart/rezzo.html,

Stand 17. April 2011.29http://web.archive.org/web/20000229201725/http://www.cdu.de/, Stand 17. April 2011.30http://web.archive.org/web/20060824214550/http://www.cdu.de/, Stand 17. April 2011.31http://web.archive.org/web/20090727173011/http://www.cdu.de/, Stand 17. April 2011.32http://www.cdu.de/, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

der SPD33. Derzeit ist die Einstiegsseite der SPD eine Mischung aus Kampagnen- undParteiseite. Insgesamt wirkt alles ein wenig überladen. Dafür werden Facebook undTwitter direkt eingebunden, um Nachrichten auf die Seite zu platzieren. Beides gehtin der Informationsflut allerdings ein wenig unter.

Erstaunlich ähnlich stellt sich die FDP dar34. Auch hier findet sich bereits auf derEinstiegsseite eine Fülle von Informationen.

Bündnis 90/Die Grünen präsentieren sich im Internet derzeit als Kompromiss zwi-schen dem minimalistischen Einstieg der CDU und der überbordenden Informati-onsflut von SPD und FDP35.

Etwas schlichter in der Gestaltung als die anderen Parteien stellt sich Die Linke dar.Aber auch hier finden sich Verlinkungen zu den sozialen Netzwerken. Insgesamtwirkt das Design allerdings ein bisschen überholt36.

Die Webseite der Piratenpartei sticht durch ihr Design als Blog nicht besonders her-vor. Eine Verlinkung zu Social Networks fehlt völlig. Allerdings finden sich eine Rei-he von Links zu Möglichkeiten, in Wikis und Foren mitzuarbeiten37.

Grüne, Piratenpartei, SPD und FDP erlauben das Kommentieren von Artikeln. CDUund Die Linke bieten diese Möglichkeit dagegen nicht.

Abbildung 3.5 auf Seite 81 zeigt die Gestaltung der CDU-Seite 1996. Im Vergleichdazu die CDU-Einstiegsseite 2006 in Abbildung 3.6 auf Seite 81 und in Abbildung 3.7auf Seite 82 das heutige Design.

3.5.2. Ja, wir können? Obama-Wahlkampf in Deutschland?

Der als sehr modern wahrgenommene Wahlkampf von Barack Obama sorgte im Vor-feld der Bundestagswahlen 2009 auch bei deutschen Politikern und Parteien für ei-niges Nachdenken. Der Gedanke, die Konzepte aus dem "Obama-Wahlkampf" auchin Deutschland einzusetzen lag auf der Hand (vgl. z.B. [Sch09]). Schon ein kurzerBlick auf die sehr unterschiedlichen politischen Systeme und Kulturen der USA undDeutschlands wirft allerdings die Frage auf, ob das so einfach möglich ist. Ein wichti-ger Unterschied ist beispielsweise die Tatsache, dass US-amerikanische Parteien sehr

33http://www.spd.de, Stand 17. April 2011.34http://www.liberale.de/, Stand 17. April 2011.35http://www.gruene.de/, Stand 17. April 2011.36http://www.die-linke.de/, Stand 17. April 2011.37http://www.piratenpartei.de/, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Abbildung 3.5.: Webseite der CDU 1996 (Quelle: http://web.archive.org/web/19961031131128/http://www.cdu.de/, Stand 17. April 2011)

Abbildung 3.6.: Webseite der CDU 2006 (Quelle: http://web.archive.org/web/20060824214550/http://www.cdu.de/, Stand 17. April 2011)

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Abbildung 3.7.: Webseite der CDU 2011 (Quelle: http://www.cdu.de/, Stand 17.April 2011)

lose Verbünde mit wenigen Anhängern darstellen ("skeletal party"), die hauptsäch-lich zu Wahlen aktiv werden. Deutsche Parteien hingegen haben eine tendenziell vielhöhere Anzahl an formalen Mitgliedern, die auch zwischen Wahlen politische Ak-tivitäten organisieren. Eine ausführliche Übersicht zu den Unterschieden zwischenUS-amerikanischen und europäischen Parteien findet sich bei Wiesendahl ([Wie98],S. 62). Der Verdacht liegt also nahe, die reibungslose Übertragbarkeit des "Obama-Wahlkampfes" auf Deutschland in Frage zu stellen.

Zuerst sollen aber die wichtigsten Punkte des "Obama-Wahlkampfs" kurz dargestelltwerden (vgl. zum folgenden Abschnitt [Elt10], S. 11-21):

Neben den kurzen, prägnanten Slogans "Change!" und "Yes, we can" und der exzessi-ven Nutzung der klassischen Medien wie Funk und Fernsehen setzte Obama wie keinPolitiker vor ihm auf die Nutzung der neuen Medien. Neben seiner Webpräsenz un-ter www.mybarackobama.com gab und gibt es mehr als 80 Profile in virtuellen Netz-werken. Facebook, Twitter, Youtube, Myspace oder Flickr sind dabei sicherlich einigeder bekanntesten. Dabei schaffte es Obama, sich glaubhaft als Nutzer der neuen Tech-nologien darzustellen. Etwas, was seinem Kontrahenten McCain nicht annähernd indiesem Maße gelang. Obama und Twitter war eine glaubwürdige Kombination. Auchbei der Wahlkampffinanzierung erreichte Obama mit 3,7 Millionen Spendern mehrals das vierfache seines Kontrahenten McCain. Den Großteil der Spenden machtenallerdings auch bei Obama Großspenden von Unternehmen aus. Die verbreitete An-sicht, Obamas Wahlkampf wäre nur durch die Kleinspenden bezahlt worden ist weitübertrieben. Insbesondere gelang Obama allerdings durch eine gekonnte Verzahnungvon Web 2.0 Angeboten und klassischen Medien eine Potenzierung seiner Präsenz

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

bei den Wählern: So posteten Unterstützer Videos von Obamas Fernsehansprachenbei Youtube und diskutierten darüber, was wiederum die klassischen Medien dazuverleitete, über Obamas Präsenz bei Youtube zu berichten. Anders als McCain ge-lang es Obama auch, die Webgemeinde selbst stark für sich einzunehmen. Dies istinsbesondere deshalb von Bedeutung, weil Nutzer des Web 2.0 eine erhöhte Multi-plikatorfunktion einnehmen: Sie tauschen sich stärker mit Freunden aus, schreibenLeserbriefe, kommentieren Nachrichten oder schreiben selber Blogs. Darüber hinaussind sie im Mittel jünger als andere Internetnutzer. Diese Multiplikatorfunktion warinsbesondere für den klassischen Straßenwahlkampf bedeutsam. Über das Web 2.0Angebot von Obamas Webseite konnten sich beispielsweise Unterstützer zu Aktio-nen vor Ort verabreden. So gelang es, ohne viel Organisationsaufwand mit Hilfe derMöglichkeiten des Web 2.0, den klassischen Offline-Wahlkampf entscheidend zu ver-stärken und dezentral durch die Anhänger selbst organisieren zu lassen.

Ist der "Obama-Wahlkampf" auf Deutschland übertragbar und wie lässt sich derWahlkampf zu den Bundestagswahlen 2009 in dieser Hinsicht bewerten? AndreasElter analysiert dies in seinem bereits oben zitierten Buch "Bierzelt oder Blog?" undkommt zu dem Fazit, dass die Parteien 2009 zwar die gesamte Klaviatur der Web 2.0Technologie einsetzten, dies aber aus verschiedenen Gründen (noch) nicht mit derOmnipräsenz eines "Obama-Wahlkampfes" vergleichbar wäre. Insbesondere die Me-dienkonvergenz von klassischen und neuen Medien fand nicht in dem Maße statt wiebei den Präsidentschaftswahlen in den USA.

Die Gründe dafür sind vielschichtig. Ein Hauptgrund ist darin zu suchen, dass dieWählerstruktur der USA und Deutschlands sehr unterschiedlich sind: Obama er-reichte durch seine Kampagne vor allem die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen, die afro-amerikanische Bevölkerung sowie die Latinos. Eine relevante Anzahl Wahlberechtig-ter aus den beiden letzteren Bereichen gibt es in Deutschland nicht. Und auch dieAlterspyramide spricht eine deutliche Sprache. Denn wenn man davon ausgeht, dassdie "Generation Internet" vor allem die Generation der unter 40-Jährigen ist, dann er-reicht diese Bevölkerungsgruppe in Deutschland nur einen Anteil von 30,1 Prozentder Wahlberechtigten. Selbst wenn man die Gruppe der bis 49-Jährigen dazu nimmterreicht diese Gruppe nur knapp 51 Prozent der Wahlberechtigten (vgl. [Elt10], S. 25ff.). Die Ausgangssituation für einen Web 2.0 Wahlkampf in Deutschland war alsobereits aus demografischer Sicht nicht die beste.

Hinzu kommen die großen Unterschiede der Parteiorganisationen in den USA undDeutschland, die oben bereits kurz angerissen wurden. Barack Obama nutzte dasWeb 2.0, um seine Kampagnenstärke in der Breite zu verstärken und damit loka-le Unterstützergruppen erst aufzubauen. Deutsche Parteien zeichnen sich dadurchaus, dass diese lokale Struktur durch die sehr viel verbindlichere Regelung der for-malen Parteimitgliedschaft bereits existiert. Der Aufbau von Mitgliedernetzwerken,wie beispielsweise des Netzwerks linksaktiv.de der Partei Die Linke, mit lokalen Un-terstützergruppen vor Ort als direkte Kopie aus dem Obama-Wahlkampf, stellte im

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Grunde eine Parallelorganisation zu bestehenden Strukturen dar.

Ebenso zu bedenken ist die Tatsache, dass die politischen Systeme der USA undDeutschland grundverschieden sind: Die USA haben ein präsidentielles Regierungs-system mit Mehrheitswahlrecht, das sich auf einen starken Präsidenten konzentriert(vgl. [Wik10m]). In Deutschland dagegen existiert eine parlamentarische Demokratiemit Verhältniswahlrecht. Der Kanzler als wichtigster Teil der Exekutive wird hierindurch das Parlament gewählt. Der Bundespräsident hat weitgehend repräsentativeAufgaben (vgl. [Wik10b]). Die Präsidentenwahl der USA und die Parlamentswahlenzum deutschen Bundestag sind also grundverschieden. In Deutschland konkurrierte2009 eine Vielzahl von Kandidaten in Wahlkreisen und auf Landeslisten um die Sitzeim deutschen Bundestag. In den USA stand ein einziges Amt mit nur zwei aussichts-reichen Kandidaten zur Wahl an.

Darüber hinaus konnte Barack Obama sich auch wegen seines nicht so hohen Altersund Images glaubhaft als Nutzer der Web 2.0 Technologie verkaufen. Auch hier wa-ren die Voraussetzungen für die Spitzenkandidaten insbesondere von SPD und CDU,Steinmeier und Merkel, schlechter.

Die Analyse der Parteiaktivitäten im Bundestagswahlkampf 2009 ergibt dann aucheher das Bild einer noch nicht abgeschlossenen Experimentierphase. Eine einheitli-che Strategie mit Web 2.0 Angeboten als elementarem Bestandteil ist bei keiner Parteierkennbar. Die Präsentation der Webseiten war zwar weitestgehend modern und zeit-gemäß, Verlinkungen zu anderen Präsenzen und Mashups wurden intensiv genutzt.Allerdings fehlte meistens eine klare Strategie, was beispielsweise die Ansprache derNutzer betraf. Auf der Webseite der Bundeskanzlerin beispielsweise wurden alle Ein-träge des Newsblogs in der dritten Person angelegt. Im sozialen Netzwerk meinVZdagegen fand eine persönliche Ansprache statt. Das Team von Herausforderer Stein-meier setzte besonders offensichtlich auf die Wiederverwertung von Beiträgen aufallen Internetpräsenzen. Die Möglichkeiten des Web 2.0 zur zielgruppenspezifischenAnsprache wurden damit wenig genutzt. Genausowenig wie die Möglichkeiten derInteraktion zwischen Wähler und Kandidat, die eines der Kernelemente eines Web 2.0Wahlkampfes sein könnte. Um ein Gesamtbild zu erhalten, müsste aufgrund der Viel-zahl lokaler Kandidaten und der Fragmentierung der Parteiorganisation allerdingseine Gesamtbetrachtung aller Kandidatenwebsites gemacht werden. Diese existiertbisher nicht. Auch die Auswirkungen der losen Kopplung der Parteiorganisations-fragmente untereinander auf ein einheitliches Erscheinungsbild im Internet wäre eininteressanter Forschungsgegenstand. Als ein Schlaglicht kann hier die Webpräsenzdes damaligen Parteivorsitzenden Franz Müntefering gelten. Weder seine als Blogpräsentierte Webseite noch sein Auftritt bei Facebook waren besonders aktuell gehal-ten. Seine auffällig aktive Präsenz bei Twitter stellte sich nachträglich als Fake heraus(vgl. [Elt10], S. 41 ff.).

Auch die Spitzenkandidaten der damaligen Oppositionsparteien FDP, Grüne und der

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Linkspartei präsentierten sich bis auf Ausnahmen auf den ersten Blick weitestgehendzeitgemäß und angemessen. Aber auch hier fehlte ein einheitliches Bild in der An-sprache des Wählers (vgl. z.B. [Elt10], S. 53). Die Internetpräsenzen der Parteien selbstbestätigten dieses Bild. Sie waren meist modern konzipiert und gestaltet, es wurdeunter anderem mit Mashups auf Präsenzen in sozialen Netzwerken verwiesen. Aberauch hier fehlte es teilweise an Aktualität und der Bereitschaft, mit Interessierten ineinen Diskussionsprozess einzusteigen. Besonders offensichtlich wurde dies bei derKonzeption der sozialen Netzwerke, die die Parteien selbst aufgebaut haben. So rich-tet sich die Community meinespd.net beispielsweise explizit an Mitglieder und Sym-pathisanten, nicht aber an interessierte Wähler. Die FDP hatte augenscheinlich diePotentiale des Web 2.0 erkannt und konzipierte ihre Community mitmachen.fdp.degezielt auch für interessierte Bürger. Allerdings ließ hier die Interaktivität zu wün-schen übrig (vgl. [Elt10], S. 65-68).

Zusammengefasst lässt sich konstatieren, dass die deutschen Parteien und Kandida-ten die Potentiale der neuen Möglichkeiten des Web 2.0 erkannt haben. Allerdingsstrahlen viele Angebote noch eine fehlende Professionalität aus und orientieren sichzu stark am amerikanischen Vorbild. Eine Übersetzung auf die bundesdeutschen Ver-hältnisse und Bedürfnisse findet noch kaum statt.

3.5.3. Der Bürger als lästiger Bittsteller? Das ProjektAbgeordnetenwatch

Seit dem 8. Dezember 2004 existiert mit dem Internetportal Abgeordnetenwatch.deein Projekt, das von Bürgern und zivilgesellschaftlichen Akteuren ins Leben geru-fen wurde, um eine transparente und dokumentierte Diskussion zwischen Bürgernund Abgeordneten sicher zu stellen. Das Projekt finanziert sich weitestgehend ausSpenden und bezeichnet sich als parteipolitisch unabhängig (vgl. [Sch10b], S. 7 f.). ImGegensatz zur bisher betrachteten Nutzung der neuen Technologien kommt hier dieKommunikationsanfrage von außen an die Parteiorganisation heran. Diese kann sieallerdings nicht so ohne weiteres ignorieren.

Darüber hinaus ist zu erwarten, dass das Nachrücken jüngerer und damit tendenzi-ell internetaffinerer Menschen in die Parteiorganisation ebenso zu einer verstärktenNutzung des Portals führen wird. Die neuen Medien werden mehr und mehr zu ei-ner Selbstverständlichkeit(vgl. [Sch10b], S. 11 f.). Der Versuch einzelner Abgeordne-ter beziehungsweise ganzer Fragmente von Parteiorganisationen, sich der Diskussionauf dem Portal zu verweigern, stößt auf teilweise sehr heftige öffentliche Kritik (vgl.[Sch10b], S. 14).

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

3.5.4. Analyse

Für den Bereich des Politmarketings sollen nun zwei Szenarien entworfen werden,um die Unterschiede zwischen regulärer Parteienwerbung und "Politmarketing 2.0"deutlich zu machen. Den Rahmen für die Analyse bildet auch hier das in Kapitel 2.7konkretisierte Mikropolis-Modells. Anschließend folgen erklärende und bewertendeElemente.

Szenario 1

Um die Unterschiede zur Nutzung von Web 2.0 deutlich zu machen wird in diesemSzenario davon ausgegangen, dass die betreffende Partei Web 2.0 noch nicht einsetzt.Bis auf eine Webpräsenz als "digitalem Glanzpapier" setzt sie nur auf herkömmli-che Marketinginstrumente. Und auch die externen Akteure nutzen die Möglichkeitennicht, um mit den Parteien zu kommunizieren.

Akteure und Interessen:

In diesem organisatorischen Feld treten die innerparteilichen Akteure mehr oder we-niger in den Hintergrund und die Partei agiert größtenteils als ein kollektiver Ak-teur, der sich in der innerparteilichen Willensbildung auf bestimmte gemeinsame po-litische Ziele verständigt hat, die von der übergroßen Mehrheit der Parteimitgliederauch so vertreten werden. Tätig werden die innerparteilichen Akteure natürlich wei-terhin selbständig und insbesondere die Gebietsverbände werden sicherlich unter-schiedliche Schwerpunkte setzen. Insgesamt kann die betrachtete Partei für diesenorganisatorischen Teilbereich allerdings als ein einziger kollektiver Akteur betrachtetwerden, der mit den externen Akteuren im Makrokontext kommuniziert. Die exter-nen Akteure sind die bereits in Kapitel 2.1 identifizierten besonderen Akteure in Formvon zivilgesellschaftlichen Akteuren und Bürgern.

Die Interessen der Akteure sind im Politmarketing relativ eindeutig verteilt. Die Par-teiorganissation hat das Interesse, die Einstellung der Bürger zur Partei positiv zubeeinflussen. Einerseits, um ihre Unterstützung bei Wahlen zu gewinnen und ande-rerseits um Mitglieder für die Parteiorganisation zu rekrutieren. Die zivilgesellschaft-lichen Akteure können hier als wichtige Multiplikatoren angesehen werden, überdie Parteien die Mitglieder der jeweiligen externen Organisation erreichen können.Für diesen organisatorischen Teilbereich haben sowohl die überindividuellen zivil-gesellschaftlichen Akteure als auch die Bürger als individuelle Akteure das Interesse,Informationen über die politischen Ziele der Parteien zu erhalten um dann eine in-formierte Entscheidung über die politische Unterstützung treffen zu können. Sei es,indem sie die jeweilige Partei finanziell unterstützen als auch indem sie sie wählen

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

oder sogar beitreten und im Fall der zivilgesellschaftlichen Akteure sogar öffentlichihre Unterstützung bekunden.

Medien und Kommunikation:

Die eingesetzten Medien sind vor allem die Massenmedien, die über Pressearbeitoder Anzeigen angesprochen werden und in der Akteurskonstellation One-to-Manyfunktionieren. Daneben stehen die parteieigenen Publikationen wie Flyer, Plakateund Zeitungen, die ebenfalls von der Akteurskonstellation her One-to-Many arbei-ten sowie eine Fülle von parteieigenem Werbematerial vom Bleistift über Kaffeebe-cher bis zur Strandsandale38. Daneben findet auf Veranstaltungen oder im persön-lichen Kontakt, beispielsweise in der Fußgängerzone, eine Face-to-Face Kommuni-kation statt. Wird die Kommunikation von externen Akteuren angestoßen, nutzensie für ihre Kommunikation mit den Parteien überwiegend den persönlichen Kon-takt beispielsweise über Bürgergespräche oder den schriftlichen Weg über Brief undEmail.

Die Kommunikationspfade über die parteieigenen Medien und die Massenmedienhaben einen asynchronen, allokativen Charakter. Die Kommunikation wird hier vonder Parteiorganisation als Zentrum befeuert. Der Einfluss auf die unabhängigen Mas-senmedien ist hierbei relativ gering, bei den parteieigenen Medien sehr hoch. Der per-sönliche Kontakt "in der Fußgängerzone" hat, sofern tatsächlich Face-to-Face Kom-munikation stattfindet und nicht nur Medien verteilt werden, den Charakter einerhoch interaktiven synchronen Konversation. Bei Veranstaltungen hingegen handeltes sich je nach Anzahl an Teilnehmern um Kommunikation mit sehr hoher allokativerTendenz, geringer Interaktivität und Synchronität. Bürgergespräche, bei denen Poli-tiker als Ansprechpartner für persönliche Gespräche zur Verfügung stehen, sind sehrstark konsultativ geprägt: Hier fragt die Peripherie gezielt Informationen im Zentrumab. Interaktivität und Synchronität sind hierbei hoch.

Szenario 2

Dass folgende Szenario geht nun davon aus, dass die betreffende Partei einen ganzwesentlichen Teil ihres Marketingbudgets für die Kommunikation über das Web 2.0einsetzt und umgekehrt die externen Akteure ihrerseits aktiv das Web 2.0 nutzen.Und zwar nicht nur, indem sie die von der Partei bereit gestellten Plattformen ver-wenden sondern ihrerseits auch neutrale Anwendungen nutzen, um mit der Partei inKontakt zu treten. Die parteieigenen Plattformen sollen hier auch nicht den Kern derAnalyse bilden, denn dies wird in den Kapiteln 3.2.4 und 3.3.3 ausführlicher getan.

38Weitere Beispiele finden sich in den Internet-shops der Parteien wie dem der CDU unter htt-ps://www.shop.cdu.de/main.php, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Der Fokus soll hier auf der Nutzung existierender Web 2.0 Anwendungen durch po-litische Parteien liegen. Die Partei nutzt dafür gezielt und konsequent insbesonderedie folgenden Web 2.0 Cluster:

Video: Verschiedene Videoplattformen wie beispielsweise Myvideo.de39 erlauben esnicht nur, eigene Videos einzustellen sondern ermöglichen auch die Bewertung undKommentierung. Die Partei nutzt dabei die Möglichkeiten, eigene Kanäle auf denPlattformen einzurichten40.

Gaming: Es gibt eine Fülle an interaktiven Spielen, die Online gespielt werden kön-nen. Dies reicht von häufig kostenlosen Spielen, die über den normalen Webbrow-ser gespielt werden können41 bis hin zu kommerziellen Spielen, von denen "World ofWarcraft" sicherlich das bekannteste ist42. Inwieweit politische Werbung dort möglichund erlaubt ist, ist sicherlich eine andere Frage. Aber einige Spiele haben durchauseinen direkten Anknüpfungspunkt zur Politik43.

Pictures: Die Bilderdienste im Internet, zu nennen sind da beispielsweise Flickr.com44

oder Fototalk.de45, können genutzt werden, um Bildmaterial zur Verfügung zu stel-len, welches dann auch bewertet und kommentiert werden kann. Sie können auchals Zwischenspeicher genutzt werden, um die Bilder dann in anderen Web 2.0 An-wendungen wie Twitter oder den Social Networks zu verlinken. Das Bildmatertialkann von Veranstaltungsschnappschüssen bis hin zu Fotomontagen des politischenGegners oder eingescannten Zeitungsausschnitten reichen.

Social Bookmarks: Dienste wie "Mister Wong"46, Weblinkr47 oder Del.icio.us48 stellenauf einer Meta-Ebene Klassifizierungen und Sortierungen der unübersehbaren Fül-le an Internetseiten zur Verfügung. Bei del.icio.us beispielsweise werden Websitenvon den Nutzern gespeichert und in bestimmten Kategorien abgelegt. Die Anzahlan Nutzern, die eine bestimmte Seite empfohlen hat, kann dann als Gradmesser fürdie Qualität der Website beziehungsweise deren informativen Gehalt und Relevanzangesehen werden. Der betreffenden Partei ist daran gelegen, dass ihre Internetange-bote hier möglichst gut bewertet werden.

Livestreams: Livestreams und Internet-TV können nicht nur wie in Abschnitt 3.3.3 be-

39http://www.myvideo.de, Stand 17. April 2011.40beispielsweise die CDU unter http://www.youtube.com/cdutv, Stand 17. April 2011.41Eine Liste findet sich beispielsweise auf http://www.browsergamesliste.com/browserspiele.php,

Stand 17. April 2011.42http://eu.battle.net/wow/de/, Stand 17. April 2011.43beispielsweise http://www.powerofpolitics.com/, Stand 17. April 2011.44http://www.flickr.com/, Stand 17. April 2011.45http://www.fototalk.de/, Stand 17. April 2011.46http://www.mister-wong.de/, Stand 17. April 2011.47http://weblinkr.com/, Stand 17. April 2011.48http://www.delicious.com/, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

schrieben für die parteiinterne Kommunikation genutzt werden. Sie werden in die-sem Szenario gezielt genutzt, um an den klassischen Medien wie Fernsehen vorbeidie Bevölkerung zu erreichen. Allerdings muss hier möglicherweise genau ausein-ander gehalten werden, welches Ziel verfolgt wird. Im Gegensatz zu den Livestre-ams von Parteitagen, die für die Masse der Bevölkerung sicherlich eher uninteressantsind, nutzt sie die Partei hier vor allem dazu, um interessante Aktionen der Partei livezu übertragen.

Blogs: Der Blog ist eine Form, die es Politikern ermöglicht, ein persönliches Internet-Tagebuch zu führen und so die Bindung zu den Menschen herzustellen. Plattformenwie Wordpress49 oder Blogger50 ermöglichen es, teilweise kostenlos und ohne großeKenntnisse einen persönlichen Blog zu betreiben. Neben Aktualität und Gehalt derBeiträge ist die Listung in Blog-Communities nützlich, um die Reichweite eines Blogszu erhöhen. Auch hier gibt es mehrere Angebote wie die Blog-Communities bezie-hungsweise Suchangebote Topblogs.de51 oder Bloggerei.de52. Neben der intensivenNutzung von Blogs für die eigene Kommunikation, versucht die Partei auch, exi-stierende Blogs oder blog-ähnliche Webseiten anzusprechen. Zum Beispiel durch dasKommentieren von Beiträgen. Vor allem die Online-Ausgaben der Printmedien sindin aller Regel ähnlich wie ein Blog mit Kommentarfunktion aufgebaut. Beispielswei-se finden in den Kommentarbereichen von Welt.de53 häufig angeregte Diskussionenstatt. Hier setzt die Partei gezielt an, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen54.

Micromedia-Dienste: Vor allem Barack Obama ist es zu verdanken, dass mit Twitter55

ein Micromedia-Dienst für das Politmarketing erschlossen wurde. Auch wenn Oba-ma zugegeben hat, selbst nie getwittert zu haben, ist der Dienst doch untrennbar mitseinem Namen verbunden (vgl. [Foc09]). Ähnlich wie Twitter stellen sich die DiensteBleeper.de56, Plurk.com57 oder Jaiku.com58 dar. Die Partei nutzt Micromedia-Dienstegezielt, um kurze und knappe Stellungnahmen und Hinweise auf eigene Publikatio-nen oder interessante Webseiten heraus zu geben. Parteimitglieder mit Ämtern oderMandaten twittern auch regelmäßig, nutzen den Dienst dabei auch, um über eherunpolitische Aussagen eine soziale Beziehung zu denjenigen aufzubauen, die ihnenfolgen.

Location based Services: Für die Verknüpfung von realer und virtueller Welt werden

49http://de.wordpress.com/, Stand 17. April 2011.50https://www.blogger.com/, Stand 17. April 2011.51http://www.topblogs.de/, Stand 17. April 2011.52http://www.bloggerei.de/, Stand 17. April 2011.53http://www.welt.de/, Stand 17. April 2011.54Dies geschieht natürlich transparent, indem sich die betreffenden Kommentatoren bei Nachfrage als

Parteimitglied zu erkennen geben.55http://twitter.com/, Stand 17. April 2011.56http://www.bleeper.de/, Stand 17. April 2011.57http://www.plurk.com, Stand 17. April 2011.58http://www.jaiku.com/, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

ganz gezielt Dienste wie Foursquare.com59, Whrrl.com60, oder tellmewhere.com61 ge-nutzt. Mit diesen Diensten geben die Mitglieder der Partei, wenn sie es möchten, ihreGPS-Position bekannt um dann für externe Akteure, die die Dienste nutzen und inder Nähe sind, ansprechbar zu sein.

Social Networks: Die sozialen Netzwerke stellen einen ganz wesentlichen Teil derKommunikation der Partei dar. Nicht nur sind alle relevanten Teilorganisationen derPartei beispielsweise bei Facebook vertreten. Die Parteien nutzen auch ganz gezieltdie Möglichkeiten, die sich über die offenen Programmierschnittstellen bieten, eigeneAnwendungen in das Netzwerk einzubauen.

Reputation-Dienste: Bei den Diensten aus diesem Cluster geht es vornehmlich darum,eine Darstellung der eigenen Person zu bieten und Informationen aus dem Internetan einem Ort zu bündeln. Das Portal yasni.de62 beispielsweise ermöglicht es, eine ei-gene virtuelle Präsenz aufzubauen. Als Mehrwert können durch den Nutzer selektivFundstellen aus dem Internet der Präsenz zugeordnet werden. Ähnlich arbeiten dieDienste Webmii.com63 oder Pipl.com64, die zu einer Person alle Fundstellen im Inter-net heraussuchen. Diese Dienste können als virtueller Steckbrief interessant sein undum schnell zu ermitteln, welche Reputation eine bestimmte Person im Internet hat.Für die Partei ist es hier ähnlich wie bei den Social Bookmarks wichtig, möglichstweit oben in der Rangfolge zu stehen.

Darüber hinaus nutzen die Bürger und zivilgesellschaftlichen Akteure gezielt unab-hängige Anwendungen wie beispielsweise Abgeordnetenwatch.de, um mit der Poli-tik in Kontakt zu treten.

Akteure und Interessen:

Es erscheinen auch hier durch die Möglichkeiten des Web 2.0 keine neuen Akteureauf der Bildfläche. Auch die Interessen der Beteiligten ändern sich durch Web 2.0nicht.

Medien und Kommunikation:

Die nun verwendeten gängigen Web 2.0 Anwendungen sind im Hinblick auf die Ak-teurskonstellation äußerst vielfältig. One-to-Many Konfigurationen finden sich vorallem bei Blogs, Videos, Livestreams, Reputation- und Micromedia-Diensten. Abge-ordnetenwatch.de und ähnliche Web 2.0 Anwendungen hingegen funktionieren vor

59http://foursquare.com/, Stand 17. April 2011.60http://whrrl.com/, Stand 17. April 2011.61http://tellmewhere.com/, Stand 17. April 2011.62http://www.yasni.de/, Stand 17. April 2011.63http://www.webmii.com, Stand 17. April 2011.64http://www.pipl.com, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

allem Many-to-One. Location-based-Services haben sowohl Aspekte einer One-to-One als auch einer Face-to-Face Kommunikation. Die sozialen Netzwerke schließlichsind sehr variabel. Sie ermöglichen die klassische Kombination One-to-Many durchEinstellung von Statusupdates. Es ist aber auf dem Rückkanal auch eine Many-to-One und durch die beispielsweise bei Facebook eingebauten Möglichkeiten von pri-vaten Chats auch eine One-to-One Kombination möglich.

Bei den herkömmlichen Medien ergibt sich für die Kommunikationsbeziehung einentscheidender Nachteil: Der überwiegende Teil hat den Charakter von Allokutionund die vorhandenen Medien zur Konversation und Konsultation sind durch denpersönlichen Kontakt, den die Kopräsenz verlangt, mit hohem Aufwand verbunden.Die unterschiedlichen Web 2.0 Medien können dieses Manko zumindest teilweiseaufheben. Denn neben den sehr vielfältigen Akteurskonstellationen bieten auch dieanderen Kommunikationsdimensionen ein äußerst differenziertes Bild. Bei Blogs undReputation-Diensten dominieren allokative Aspekte. Micromedia-Dienste hingegenkönnen sowohl für Allokution als auch für Konsultation genutzt werden. Die Inter-aktivität ist gerade bei den Micromedia-Diensten relativ niedrig. Chats über sozialeNetzwerke, wo auch auf gemeinsames Kontextwissen zurück gegriffen werden kann,zeichnen sich hingegen durch hohe Interaktivität aus. Die meisten Medien funktio-nieren vor allem asynchron. Einzig die beschriebenen Chats und in begrenzter Weiseauch das Kommentieren von Beiträgen bei Facebook hat teilweise synchrone Aspek-te.

Eine ganz wichtige Veränderung durch die De- und Rekontextualisierung ist die Auf-hebung von Beschränkungen der Kopräsenz. Das Aufstellen von Ständen in Fußgän-gerzonen, die Organisation des benötigten Materials, die Terminabsprache der Teil-nehmer, die Einholung benötigter Genehmigungen durch die Verwaltung und dieteilweise vorhandenen Hemmschwellen von Parteimitgliedern, in einer Fußgänger-zone gezielt für die Partei zu werben und auch kompetent Rede und Antwort zu ste-hen, sorgen für einen sehr hohen Aufwand in der Organisation und Durchführung.Bei Web 2.0 ist dieser Aufwand sehr viel geringer und es kann sehr viel spontanervorgegangen werden.

Die Kanalbeschränkung netzbasierter Kommunikation hat aber auch Veränderungenzur Folge, die Probleme und Fragen aufwerfen. Denn das Ziel des Politmarketingsist es ja neben der Information über die Ziele der Partei, auch Sympathie und Ver-trauen dafür zu gewinnen, diese Ziele auch kompetent umsetzen zu können. Durchdie Kanalbeschränkung beraubt sich die Parteiorganisation in diesem Szenario aberwegen der fast vollständigen Fokussierung auf Web 2.0 vor allem der Möglichkei-ten, Sympathie und Vertrauen aufzubauen. Und ob der Eindruck ähnlich bleibend istwie in realen Gesprächen darf auch bezweifelt werden. Des Weiteren können zwarneue Gruppen erreicht werden, aber daneben werden diejenigen externen Akteurevernachlässigt, die nicht Teil der Netzgemeinde sind.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Die Kommunikation insgesamt verläuft im Vergleich zu den Massenmedien oder par-teieigenen Publikationen sehr viel unmittelbarer. Mit dem vermeintlichen Nachteilallerdings, dass, wer sich auf eine Konversation einlässt, auch damit rechnen muss,dass die Gegenseite antwortet und das eventuell auch kritisch. Die Nutzung von Web2.0 macht deshalb nur Sinn, wenn die Parteiorganisation auch bereit ist, sich auf eineKonversation einzulassen. Ansonsten sind eher negative Effekte zu erwarten. DieserHypothese müsste im Rahmen weiterer Forschung aber noch intensiver nachgegan-gen werden (vgl. H4.1 in Kapitel 3.8)

Nicht ausweichen kann die Partei den Anfragen, die über unabhängige Web 2.0 An-wendungen an die Politik herangetragen werden. Eine Verweigerung, beispielsweisebei Abgeordnetenwatch.de Fragen zu beantworten kann nicht nur den Fragestellerselber und andere interessierte Nutzer verärgern sondern daneben auch negative Be-richterstattung in den klassischen Medien zur Folge haben.

Es ergeben sich einige Ansatzpunkt für vorläufige Formalisierungslücken:

• Auch im Politmarketing können ähnlich wie bei den innerparteilichen Prozes-sen die räumliche und die zeitliche Kopräsenz aufgehoben werden. So kannauch ein Politiker seine Zeit effektiver nutzen, indem er beispielsweise tags-über den direkten Kontakt zur Bevölkerung sucht und abends Emails beant-wortet (vgl. [HH08], S. 9 ff.). Durch die Nutzung von "Ubiquitous Computing"(vgl. [Wik10n]), beispielsweise durch das iPhone, können auch Busfahrten zurKommunikation im Netz genutzt werden. Der Politiker ist überall und jederzeitvernetzt und erreichbar.

• Ebenso kann die Kontrolle über die Bestimmung des jeweiligen Themas abge-geben werden. Beispielsweise könnte die Reihenfolge von Beiträgen auf Web-seiten nach der Anzahl der Leser sortiert werden.

• Die Beschränkungen in der Reichweite traditioneller Medien können aufgeho-ben werden und die Rolle der traditionellen Medien als "Gatekeeper" zwischenPolitiker und Bevölkerung kann aufgebrochen werden. Die Kommunikationverläuft direkter und persönlicher (vgl. [HH08], S. 22 f.).

Im Folgenden sind die identifizierten notwendigen Formalisierungslücken darge-stellt:

• Die Betroffenen müssen möglichst weitreichend eingebunden werden. Dies wä-ren in diesem Fall alle Bürger.

• Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte der Bürger und befragten Politiker so-wie die gesetzlichen Rahmenbedingungen insgesamt müssen beachtet werden.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

• Ziel ist die Information von Bürgern über Fakten, Programme und Kandidaten.Ein wichtiger Aspekt ist hier, dass sich Bürger auch ein Bild von der Persönlich-keit der Politiker machen können und dementsprechend muss die Möglichkeitzum Aufbau von Sympathie und Vertrauen gegeben sein.

• Der Diskussionsprozess darf nicht zerfasern, wie es Habermas in einer Rede2006 formulierte65. Zumindest für den Bereich der Weblogs wird diese Theseallerdings zurückgewiesen (vgl. [HH08], S. 40).

• Problematisch ist es auch, wenn bestehende Ungleichheiten beim Zugang zumdeliberativen Diskurs durch Einsatz neuer Technologien verstärkt werden. Fürden Bereich der Weblogs lässt sich dieses Problem bestätigen (vgl. [HH08], S.40).

Bei allem müssen allerdings die Rahmenbedingungen des parlamentarischen Sy-stems in Deutschland beachtet werden. Die fehlende Übertragbarkeit des Obama-Konzepts auf Deutschland ist ein starkes Indiz dafür.

Erklärung

Es gibt starke Indizien dafür, dass zumindest am Anfang, aber mehr oder wenigerauch bei der Nutzung von Web 2.0, eine starke normative Institution, die man mitdem Satz "Eine moderne Partei braucht eine Webseite" umschreiben kann, eine Rollespielt. Dies führt dazu, dass Web 2.0 häufig ein "Nebenprodukt" des normalen Polit-marketings ist und nicht offensiv genutzt wird.

Gerade das Beispiel Abgeordnetenwatch.de aber auch das Unverständnis in derNetzgemeinde, wenn Parteien Web 2.0 nicht als Dialogmedium nutzen spricht füreinen starken normativen Druck seitens der Bevölkerung. Diese erwartet, dass Poli-tiker und Abgeordnete als ihre Repräsentanten in einen Dialog zu treten haben.

Es gibt einen mimetischen Isomorphieeffekt, der dafür spricht, dass sich Nutzungund Akzeptanz von Web 2.0 in politischen Parteien verändern wird: Jüngere Mit-glieder der Parteien, die langsam nachrücken und aus demographischen Gründenimmer mehr Einfluss erlangen, orientieren sich in ihrem Nutzungsverhalten und ih-ren Einstellungen auch an ihrer Alstergruppe. Und in dieser ist der Umgang mit Web2.0 inzwischen selbstverständlich geworden.

65"Der begrüßenswerte Zuwachs an Egalitarismus, den uns das Internet beschert, wird mit der Dezen-trierung der Zugänge zu unredigierten Beiträgen bezahlt. In diesem Medium verlieren die Beiträgevon Intellektuellen die Kraft, einen Fokus zu bilden." (vgl. [Hab06])

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Bewertung

Bei der Bewertung der beiden Szenarien kann es in gewisser Weise einen Zielkonfliktgeben. Denn ähnlich wie in anderen organisatorischen Bereichen steht der organisa-torischen Effizienz, die hier in der möglichst flächendeckenden und effektiven Beein-flussung der öffentlichen Meinung durch die jeweilige Partei liegt, der Anspruch anein deliberatives und über den gesamten politischen Prozess möglichst transparentesVerfahren gegenüber. An dieser Stelle wird eindeutig ein optimaler demokratischerProzess höher eingestuft als organisatorische Optima einzelner Parteien.

Vor allem kann es einen Konflikt im Bezug auf eine ausgewogene Information überdie Ziele der Parteien geben denn Parteien werden im Politmarketing die eigene Po-sition im bestmöglichen und die Position der Gegner in einem möglichst schlechtenLicht darstellen lassen. Dieses Problem existiert allerdings auch ohne den Einsatz vonWeb 2.0 Technologie. Web 2.0 kann hier wegen des relativ geringen Aufwands dazubeitragen, dass auch Positionen, die von eher finanzschwächeren Parteien vertretenwerden, größere Chancen haben, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen. Web 2.0sorgt zwar nicht gänzlich für die Erfüllung der fünften Forderung deliberativer De-mokratie nach einer gleichen Informationsbasis für alle Beteiligten. Web 2.0 ist aberals Fortschritt zu sehen, sofern andere Informationsmedien weiterhin bedient wer-den.

Gerade im Hinblick auf die Entscheidung darüber, was auf der politischen Agendasteht, sind unabhängige Portale wie Abgeordnetenwatch.de ein Quantensprung. Bis-her bestimmten weitestgehend die Massenmedien, wozu sich Politiker äußern konn-ten und äußern mussten. Hier wird es nun für externe Akteure ermöglicht, selbst Ab-geordnete öffentlich zu befragen und eine dokumentierte öffentlich einsehbare Ant-wort zu erhalten. Diese Forderung an einen deliberativen Prozess wird also mit Web2.0 besser erfüllt.

Die Einbindung der Betroffenen ist, wie oben bei den Formalisierungslücken bereitsangesprochen, in Szenario 2 zwiespältig zu bewerten und im Sinne deliberativer De-mokratie muss eine Partei alle Kanäle nutzen um die externen Akteure einzubinden.Werden die etablierten Verfahren allerdings weiterhin ausreichend bedient, kann einegute Mischung aus Web 2.0 Anwendungen und herkömmlichen Medien die Einbin-dung weit größerer Teile der Bevölkerung auf weit stärkere und intensivere Weiseermöglichen, als es im bisherigen Verfahren der Fall ist.

Hierbei ist aus deliberativer Sicht möglichst darauf zu achten, dass Verfahren derKonversation den registrativen und allokativen Verfahrensweisen vorgezogen wer-den. Denn sie ermöglichen eher eine gleiche Verteilung der Macht und eine Diskus-sion auf Augenhöhe.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

3.5.5. Zusammenfassung

Beide Szenarien haben ihre Unzulänglichkeiten. Deshalb sollte eine Partei sowohl ausder Sicht organisatorischer Effizienz als auch aus einem übergeordneten Blickwinkelder deliberativen Demokratie eine "gute Mischung" aus herkömmlichen und Web 2.0Medien wählen. Diese Entscheidung sollte bewusst getroffen werden und nicht wieoffenbar bisher geschehen dem Zufall und der Initiative Einzelner überlassen wer-den. Am Anfang muss eine Analyse stehen, welche Ziele die Partei bei ihrem Polit-marketing genau verfolgen möchte. Der nächste Schritt ist es dann, die etabliertenVerfahren politischen Marketings daraufhin zu überprüfen, ob sie für die Erreichungdieser Ziele sinnvoll sind und ob sie eventuell durch Web 2.0 ergänzt werden könnenbeziehungsweise ob sich Anknüpfungspunkte ergeben. An diesem Punkt tauchendann Fragestellungen auf wie etwa: "Wie kann ein Infostand im Internet funktionie-ren?", "Wie können Demonstrationen im Internet organisiert werden und wir dabeials Partei in Erscheinung treten?" oder "Wir verteilen morgens von 6:00 bis 8:00 500Parteizeitungen - können wir die gleichen Menschen beziehungsweise die gleicheZahl Menschen auch im Internet erreichen?" Alleine diese ersten Fragestellungen zei-gen, dass für jeden Fall eine intensive Analyse der Ziele und des Umfeldes nötig ist,bevor abschließende Antworten gegeben werden können (vgl. F4.2 in Kapitel 3.8).

Wie in den anderen im Hauptteil dieser Arbeit angesprochenen Bereichen der poli-tischen Organisation auch, können gezielt entwickelte, kreative Verbindungen zwi-schen Web 2.0 und der realen Welt einen großen Mehrwert schaffen. Die Kenntnisüber die Möglichkeiten der neuen Technik ist bei allem allerdings eine Grundvoraus-setzung. Die Erhöhung der Medienkompetenz der Mitglieder ist deshalb unabding-bar.

Daneben können aber auch völlig neue Marketingkonzepte entstehen. Beispielswei-se könnte die Bildung von Online-Wahlkampfgruppen der Parteien ins Auge gefasstwerden. Durch gemeinsame Aktionen und Informationen könnten diese Gruppengezielt die Möglichkeiten des Web 2.0 nutzen, um die politische Meinungsbildungdurch Kommentieren beispielsweise von Zeitungs- oder Blog-artikeln oder der kol-lektiven Teilnahme an Aktionen in sozialen Netzwerken zu beeinflussen.

Es ist bei allen Aktivitäten aber dringend davon abzuraten, sich blind an vermeint-lich erfolgreichen Konzepten wie dem von Obama zu orientieren. Denn die Bedin-gungen der politischen Auseinandersetzung sind in Deutschland völlig andere undjede Partei hat darüber hinaus ihre eigenen organisatorischen Stärken, Schwächenund Eigenheiten, die es zu berücksichtigen gilt.

Aus parteiorganisatorischer Sicht ergibt sich bei der Durchsetzung dieser Konzepteallerdings wegen der Fragmentierung und der daraus resultierenden Eigenständig-keit verschiedener Teile der Partei ein Problem: Wie kann sich die Partei auf ein Kon-

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

zept verständigen, dass dann auch von allen akzeptiert und aktiv mitgetragen wird.Dieses grundsätzliche Problem wird etwas genauer in Kapitel 3.7 beleuchtet.

3.6. Klingelnde Kassen durch Fundraising im Web?

Wie jede Organisation benötigen auch politische Parteien zur Durchsetzung organi-satorischer und ideologischer Ziele finanzielle Mittel. Zwar geschieht in politischenParteien vieles ehrenamtlich und unentgeltlich. Aber Plakate müssen gedruckt, Räu-me angemietet und Telefonrechnungen bezahlt werden. Die Finanzierung ist also ei-ne Basis für viele weitere Aktivitäten. Deshalb sollen an dieser Stelle in einem erstenSchritt die Grundlagen der Finanzierung politischer Parteien erläutert werden. Da-nach werden Beispiele geschildert, wo Parteien bereits versuchen oder versucht ha-ben, über Web 2.0 Angebote finanzielle Mittel zu erhalten. Anschließend wird mitHilfe des entwickelten Modells der Finanzierungsbereich analysiert. Als Abschlusswerden existente Web 2.0 Angebote auf ihre Einsatzmöglichkeiten bei der Finanzie-rung politischer Parteien hin untersucht.

3.6.1. Die Finanzierung und das Fundraising politischer Parteien

Ein grundlegender Überblick über die Finanzierung politischer Parteien liefertWikipedia (vgl. [Wik11i]) in Verbindung mit dem deutschen Parteiengesetz (vgl.[Bun11a]). Betrachtet werden soll an dieser Stelle nur die Einnahmenseite. Wie Ab-bildung 3.8 auf Seite 97 zeigt, stützen sich die Finanzen politischer Parteien vor allemauf Mitgliedsbeiträge, Parteispenden und staatliche Mittel. Überschlagsartig stammtim Durchschnitt etwa ein Drittel der Gelder aus Mitgliedsbeiträgen, ein Drittel ausder staatlichen Finanzierung und je nach Partei zwischen 9% bei der Linken und über28% bei der FDP aus Spenden natürlicher und juristischer Personen. Einzig für die Er-höhung von Spenden juristischer und natürlicher Personen könnte der Einsatz vonWeb 2.0 Techniken interessant sein.

Die einzige "Stellschraube", durch die Parteien ihre Finanzen direkt verbessern kön-nen, sind also Spenden. Die staatliche Parteienfinanzierung ist an den Wahlerfolggekoppelt und die Mitgliedsbeiträge ergeben sich auf Grund der Anzahl der Mitglie-der. Der Effekt ist also in beiden Fällen nur indirekt beeinflussbar und der Beitritt zueiner Partei erscheint gegenüber einer Spende als die höhere Hürde. Organisatorischist die Mitgliederwerbung im politischen Personalmanagement anzusiedeln.

Welche Methoden der Finanzierung stehen Parteien zur Verfügung? Wie bereitsin Abschnitt 2.3 dargelegt, kann man Parteien als Sonderform einer Non-Profit-

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Abbildung 3.8.: Parteienfinanzierung (Quelle: [Wik11i])

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Organisation ansehen. Die Aussagen zur Finanzierung von NPOs durch Werbungvon Spenden, auch Fundraising genannt, gelten deshalb grundsätzlich auch für po-litische Parteien. Spenden unterscheiden sich von anderen Finanzierungsarten da-durch, dass sie an keine "auf dem Markt handelbare Gegenleistung" gebunden sind(vgl. [Vil06], S. 193). Dies unterscheidet die Spende vom Sponsoring. Die Affäre 2010um den damaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers(CDU) (vgl. [Sue10]) zeigt, dass Spenden und Sponsoring bei politischen Parteienim Bezug auf die öffentliche Wahrnehmung ein hochsensibles Thema sind. GegenGeldleistung wurden von der CDU damals private Gespräche mit dem Ministerprä-sidenten angeboten. Auch wenn dies nach dem Parteiengesetz nicht strafbar ist, warder Schaden in der öffentlichen Meinung groß. Das Parteiengesetz verbietet näm-lich Spenden, die erkennbar an eine politische oder wirtschaftliche Gegenleistunggeknüpft sind (vgl. [Bun11a] § 25 Absatz 2). Das Sponsoring von Parteitagen dage-gen ist eine gängige Praxis, soweit damit nicht erkennbar die Erwartung an eine po-litische Gegenleistung verbunden ist. Der Fokus liegt im Folgenden auf dem Bereichder Spenden und nicht des Sponsorings, da Sponsoring abgesehen von der rechtli-chen Problematik weniger Potential für Verknüpfungen mit Web 2.0 Angeboten bie-tet. Beim Sponsoring werden meistens größere Geldbeträge bereitgestellt und es wirddeshalb eher durch persönlichen Kontakt zu den Sponsoringpartnern zustande kom-men.

Privatpersonen spenden an ehrenamtliche Organisationen und damit auch Parteienvor allem aus folgenden Gründen (vgl. [Vil06], S. 194 ff.):

• Schuldgefühle, die durch eine Spende an die Partei abgemildert werden kön-nen. Etwa, wenn die Partei sich gegen den Auslöser der Schuldgefühle einsetzt.Dies wären beispielsweise das Waldsterben, der Klimawandel oder Hunger inder Dritten Welt.

• Die Hoffnung auf Anerkennung und soziales Prestige kann ein weiteres Motivsein.

• Die Erwartung eines Imagegewinns durch die Nennung der eigenen Person alsSpender.

• Der Wunsch nach Vorteilen, beispielsweise durch Kontakte.

• Die Vermeidung von Unannehmlichkeiten - vor allem in ländlichen Gebietenkann es vorkommen, dass die Unterstützung einer bestimmten Partei erwartetwird.

• Eigene Betroffenheit kann ein starkes Motiv sein, wenn sich die Partei für dieBeseitigung der Probleme stark macht, die der Spender in der Vergangenheit zu

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

erleiden hatte.

• Altruismus kann ein weiteres Motiv sein, also der Wunsch, etwas für "eine guteSache" zu tun.

• Der Zweck, durch die Spenden Steuern zu sparen.

Bei Unternehmensspenden ist die Lage hingegen komplexer. Hier sind zwei Fälle zuunterscheiden: Der Fall, dass der Eigentümer über die Spende zu entscheiden hatund der Fall, in dem dies das Unternehmensmanagement tut. Eigentümern geht esum die individuelle Nutzenmaximierung analog zu den Gründen, aus denen Privat-personen spenden. Dem Unternehmensmanagement geht es entweder um die unter-nehmerische Gewinnoptimierung beispielsweise in Form von Steueroptimierungenoder auch um eine individuelle Nutzenmaximierung. Die individuelle Nutzenmaxi-mierung umfasst dabei vor allem materielle und immaterielle Nutzenüberlegungender handelnden Personen (vgl. [Vil06], S. 196 ff.)

Das Spendenmanagement selbst kann dabei in die vier Dimensionen Medium ("Wieund in welchem Medium führe ich die Spendenaktion durch"), Raum ("Wo werbe ichum Spenden?"), Zeit ("Wann und wie lange wird die Spendenaktion durchgeführt?")und Person ("Wen spreche ich mit der Spendenaktion an?") eingeordnet werden. Aufdiesen Managementprozess wirken dabei eine ganze Reihe von Institutionen ein. Re-gulativ wirken beispielsweise Gesetze und die Gegebenheiten des Spendenmarktesselbst. Normativ hingegen kulturelle und ethische Einstellungen gegenüber Spendensowie natürlich Ziele und Mission der Partei selbst. Eine Übersicht findet sich dazuin Abbildung 3.9 auf Seite 100.

Methoden, die von Parteien für die Finanzierung eingesetzt werden können sind (vgl.[Vil06], S. 217 ff.):

• Mailings, also Spendenwerbung durch Ansprache beispielsweise per Briefpost.

• Veranstaltungen, die speziell für Spendenwerbung stattfinden oder bei denenzumindest als Nebenzweck Spenden eingeworben werden.

• Sammlungen oder Kollekten.

• Stiftungen und Zuschriften als steuerlich geförderte Geldmittel, die für die Par-tei nicht direkt zugänglich sind sondern in eine Stiftung mit vorgesehenemZweck fließen.

• Eine weitere Form ist das Legatfundraising, wo gezielt um Erbschaften gewor-ben wird.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Abbildung 3.9.: Spendeninstrumente des Spendenmanagements (Quelle: [Vil06]), S.208

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

• Telefonfundraising, "Affinity-Karten"66, Patenschaften67 und das so genannteCause-Related Marketing68

Mitgliedsbeiträge hingegen gelten bei Parteien nicht als Spenden im engeren Sinne.

3.6.2. Analyse

Die Sicherstellung einer soliden finanziellen Basis ist eine wichtige Säule der Parteior-ganisation. Im Folgenden soll dieser organisatorische Teilbereich mit dem in Kapitel2.4.6 erweiterten und in Kapitel 2.7 konkretisierten Mikropolis-Modell analysiert wer-den. Hierbei werden zwei Szenarien miteinander verglichen, die sich auf den Bereichder Spendenwerbung als einziger kurzfristig beeinflussbarer Größe fokussieren.

Szenario 1

Das erste Szenario stellt die herkömmliche Art und Weise der Spendenakquise vonParteien dar. Hier sind vorwiegend das Versenden von Spendenbriefen und die di-rekte, persönliche Ansprache zu nennen.

Akteure und Interessen:

Neben der Partei als kollektivem Akteur treten die Mitglieder auf als innerparteilicheAkteure. Die Mitgliedschaft selbst soll an dieser Stelle nicht weiter differenziert wer-den. Einzig die Schatzmeister der verschiedenen Parteifragmente spielen eine grö-ßere Rolle, weil sie Schlüsselstellungen zur Umsetzung von Fundraising-Aktivitäteneinnehmen. (vgl. z.B. [1:7], [1:11] und [1:31]). Externe Akteure sind vor allem die Bür-ger als potentielle Spender (vgl. [2:41]) von Kleinspenden und Unternehmen für denBereich der Großspenden (vgl. [1:7]). Zusätzlich tauchen hier Marketingagenturen(vgl. [1:39]) als externe Akteure auf. Weitere externer Akteure sind die Bundestags-verwaltung (vgl. [1:27], [1:35]) und das Finanzamt (vgl. [2:97]).

Das Interesse der Partei als kollektivem Akteur ist es, die Finanzierung der Parteisicherzustellen. Ähnlich ist die Lage auch bei den Schatzmeistern gelagert. Da aller-dings die Schatzmeister jeweils eigene Finanzhoheit über ihren Bereich haben, kann

66Hier erhält die jeweilige Organisation einen Betrag von dem Kredidkarteninstitut, welches dafürdas Logo der Organisation auf die Karte drucken darf.

67Bekannt sind beispielsweise die Patenschaften für Kinder in der Dritten Welt oder für ein StückRegenwald.

68Hier versucht ein Unternehmen das positive Image der Organisation durch eine gemeinsame Aktionzu nutzen. Bekannt ist die Verbindung von Krombacher und WWF im Jahr 2003.

102

Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

die Umsetzung von Finanzierungsstrategien an ihnen scheitern (vgl. [1:7]). In ihrerjeweiligen Machtposition haben sie möglicherweise auch unterschiedliche Ziele undInteressen69. Die Interessenlage bei Bürgern ergibt sich vor allem aus den oben bereitsangesprochenen Gründen für die Spendenbereitschaft wie Schuldgefühle, Hoffnungauf Anerkennung, Erwartung von Imagegewinn, Wunsch nach Vorteilen, die Vermei-dung von Unannehmlichkeiten, der eigenen Betroffenheit, Altruismus oder dem ein-fachen Wunsch, Steuern zu sparen. Die überindividuellen Akteure, hier insbesonde-re Wirtschaftsunternehmen, haben neben den oben angesprochenen Wünschen nachindividueller und unternehmerischer Gewinnmaximierung auch das Ziel, diejenigenpolitischen Kräfte zu unterstützen, die für ihr Handeln förderlich sind. Zumindestbesteht häufig dieser Verdacht70. Die Interessenlage der Parteimitglieder liegt natür-lich in der Unterstützung der Ziele der Partei, in diesem Fall mit Geldmitteln. DieMarketingagenturen haben hingegen ein rein wirtschaftliches Interesse daran, ihreLeistung der Partei zu verkaufen. Bundestagsverwaltung und Finanzamt haben dasvorrangige Interesse, die Beachtung der gesetzlichen Grundlagen sicher zu stellen.

Medien und Kommunikation:

Aus den Ausführungen in Kapitel 3.6.1 ergeben sich mehrere Medien, die für dieKommunikation eingesetzt werden. Dies sind im Einzelnen Telefon und Briefpostals One-to-One Medien sowie, bei politischen Parteien allerdings sehr selten, Radiound Fernsehen als One-to-Many Massenmedien. Daneben finden sich natürlich auchVeranstaltungen und Gespräche in der Akteurskonfiguration Face-to-Face.

Bei Spendenwerbung über die Massenmedien handelt es sich hier generell um Kom-munikation mit dem Charakter einer Registration. Die Partei als kommunikativesZentrum bittet die Peripherie der Kommunikationsbeziehung um Spenden. Die Inter-aktivität ist hier äußerst gering, ebenso die Synchronität. Beim unpersönlichen Mas-senversand von Spendenbriefen verhält es sich genauso. Je enger der Kreis der An-gesprochenen hier allerdings wird, desto persönlicher wird dabei die Ansprache unddesto höher ist auch die Interaktivität und der Charakter einer Konversation gegeben.Telefonische Spendenwerbung hat im besten Fall den Charakter einer Konversation,nämlich dann, wenn der Anrufer kompetent über die Ziele der Partei Auskunft gebenkann. Bei Anrufen durch Callcenter mit vorgefertigten Spenden-Leitfäden hingegenwird der Anrufer selbst im Grunde nur als Übertragungsmedium genutzt. Deswegenist hier im Grunde keine One-to-One Kommunikation gegeben sondern eine One-to-Many Kommunikation mit asynchronem und gering interaktivem Charakter. DieAkteurskonstellation entspricht einer Registration.

69Mit Wiesendahl argumentiert, könnten Schatzmeister verschiedenen Handlungslogiken unterwor-fen sein (vgl. [Wie98], S. 153 ff.).

70Beispielsweise geriet eine Spende eines Hoteliers an die FDP vor den Bundestagswahlen 2009 in denVerdacht, dass damit die nach der Wahl folgende politische Entscheidung, die Mehrwertsteuer fürHotelübernachtungen zu senken, hierdurch positiv beeinflusst wurde (vgl. z.B. [GM10]).

103

Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Szenario 2

In diesem Szenario wird davon ausgegangen, dass die betreffende Partei Web 2.0 fürdie Finanzierung zusätzlich zu den etablierten Methoden einsetzt. In dieses Szena-rio lassen sich die Ergebnisse der Interviews auch am besten einordnen. Es wird andieser Stelle erst einmal davon ausgegangen, dass die betreffende Partei für die Fi-nanzierung alle Möglichkeiten des Web 2.0 ausnutzt.

Die Partei nutzt vor allem Social Payment. Hier gibt es im Internet bereits einige An-wendungen, die sich explizit auf Kleinspenden spezialisiert haben. Eine davon istFlattr.com71, eine andere Kachingle.com72. Beide Anwendungen funktionieren ähn-lich: Ein Internetnutzer registriert sich und gibt an, wie viel Geld er monatlich spen-den möchte. Kommt der Nutzer nun auf eine Website, die ihm gefällt und die bei derAnwendung registiert ist, so kann er durch einfaches Klicken seine Unterstützung fürdie Seite signalisieren. Am Ende des Monats wird dann das Geld des Nutzers unterden Websiten aufgeteilt, die ihm gefallen haben. Ein Beispiel für eine Seite, die beiFlattr.com registriert ist, ist die Tageszeitung "taz"73.

Mit den Social Networks versucht die Partei, die Internetgemeinde in ihrer ganzenBreite zu erreichen. Dazu nutzt sie stark die Möglichkeit, beispielsweise bei Face-book74 gezielt Anzeigen zu schalten und über die offenen Programmierschnittstelleneigene Anwendungen zum Fundraising einzubinden.

Um ganz bestimmte Personengruppen zu erreichen, die ihr politisch nahe stehen,nutzt die Parteiorganisation die Interest and Curated Networks. So versucht sie zum Bei-spiel, über das Netzwerk Xing.com75 Entscheidungsträger in Unternehmen bestimm-ter Branchen zu erreichen. Bündnis 90/Die Grünen beispielsweise könnten ganz ge-zielt Entscheider in der Solarbranche ansprechen und bei ihnen um Spenden oderSponsoren werben. Weitere Medien für den Einsatz von Web 2.0 Technologie im Be-reich der Finanzierung ergeben sich aus den Interviews und werden im Folgendenausgeführt.

Akteure und Interessen:

Der Einsatz von Web 2.0 Technologien lässt keine neuen Akteursgruppen erscheinen.Die Interessenlage ändert sich ebenfalls nicht.

Medien und Kommunikation:

71http://flattr.com/, Stand 17. April 2011.72http://www.kachingle.com/, Stand 17. April 2011.73http://www.taz.de/, Stand 17. April 2011.74http://www.facebook.com/, Stand 17. April 2011.75http://www.xing.com/de/, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Aus den Interviews ergibt sich, dass sowohl für den Bereich des Social Payment alsauch für das Gebiet der Social Networks Potential gesehen wird, was die Finanzierungpolitischer Parteien betrifft (vgl. hierzu z.B. [1:27], [2:93], [2:37], [2:41], [2:45], [2:53]).Als weiteres Medium kommt hier der Internet-Bezahldienst Paypal76 ins Spiel (vgl.[1:7]). Die Möglichkeiten der Interest and Curated Networks wird als eher gering ange-sehen (vgl. [2:77]). Elektronisch verschickte Spendenbriefe wurden ebenfalls als Me-dium benannt. Sie stellen aber kein echtes Web 2.0 Medium dar und funktioniereneher allokativ One-to-Many (vgl. [1:23]). Als Oberbegriff für das Spendensammelnüber Web 2.0 wird der Begriff "Crowdfunding" erwähnt (vgl. [2:37]). Für die Spen-denwerbung selbst spielt eine Datenbank mit potentiellen Spendern eine große Rolle(vgl. [1:7], [1:11], [1:15]). Sie ist allerdings kein wirklicher Teil des Kommunikations-prozesses an sich.

Neben den bereits für die anderen Politikbereiche identifizierten Eigenschaften derWandlungsfähigkeit und individuellen Anpassbarkeit von Web 2.0 ist im Bereich derFinanzierung offensichtlich die Verknüpfung verschiedener Angebote einerseits unddie Verknüpfung zwischen Angeboten der realen und der virtuellen Welt wichtig. EinBeispiel wäre die Verknüpfung von Spenden und Großflächenplakaten in Wahlkämp-fen (vgl. [3:5] und [2:125]), ein anderes die konkrete Verbindung mit einer lokalenWahl (vgl. [1:7]) oder einem Filmprojekt (vgl. [2:45]). Aber auch das angesprochene"Shoppen und Spenden"-Konzept (vgl. [2:85]) kann dazu gezählt werden. Genausowie die Verknüpfung zwischen Kampagnen und Spendenwerbung (vgl. [2:69] und[3:13]). Zusätzlich zur Verknüpfung wird auch die Einfachheit des Spendens als wich-tig angesehen (vgl. [2:77]). Welche Einflussfaktoren konkret eine erfolgreiche Spen-denkampagne im Web 2.0 ausmachen, muss Thema weiterer Forschung sein (vgl.F5.1 in Kapitel 3.8).

Für den Einsatz von Web 2.0 ist allerdings nach Ansicht der Interviewpartner einUmdenken erforderlich, weil Web 2.0 bedeute, dass man auf Augenhöhe mit denRezipienten kommuniziert und diese auch antworten können (vgl. [2:61]). Die Kom-munikation funktioniere allgemein sehr viel direkter (vgl. [2:77]).

Mit Web 2.0 lassen sich nach Ansicht der Interviewpartner neue Gruppen durchden Einsatz von Web 2.0 erreichen (vgl. [2:45]) und Milieus ansprechen, die mit denherkömmlichen Kommunikationswegen nicht mehr erreicht werden können (vgl.[2:45]). Diese Einschätzung passt auch zu der Aussage, dass durch Web 2.0 vor al-lem kleinere Spenden eingeworben werden können (vgl. [1:7]). Die weitere Klärungdieser Hypothese sollte allerdings auch Thema weiterer Forschung sein (vgl. H5.2 inKapitel 3.8)

Die Social Payment Anwendungen funktionieren für sich betrachtet zwar registrativ.Durch die Verknüpfung mit anderen interaktiven Anwendungen wie beispielsweise

76http://www.paypal.com/, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Blogs, kommentierbaren Videos, Webseiten mit Dialogfunktionen und anderem ent-steht allerdings eine Kommunikationsstruktur, die eher in Richtung einer Konversati-on geht. Die Aufhebung der räumlichen und zeitlichen Beschränkungen kombiniertmit den interaktiven Möglichkeiten des Web 2.0 erlaubt es, wie in anderen Organi-sationsbereichen auch, hier die Vorteile der direkten Konversation mit den massen-wirksamen Aspekten der digitalen Welt zu verbinden und so die Möglichkeiten zupotenzieren.

Für die notwendigen und vorläufigen Formalisierungslücken ergibt sich eine diffe-renzierte Einschätzung was den Punkt der De- und Rekontextualisierung der Spen-denkommunikation betrifft. Es wird argumentiert, dass durch den Wegfall des per-sönlichen Kontakts im Rahmen der Einführung der elektronischen Abbuchung derPartei "eine Menge an Kommunikationsmöglichkeiten entzogen worden [sind]" (vgl.[2:109]). Dieser Kontakt werde aber durch Web 2.0 nun wieder in verstärktem Maßeermöglicht. Web 2.0 würde hier also eine notwendige Formalisierungslücke, die be-reits geschlossen war, wieder öffnen. Einen zweiten Aspekt bringt die Aussage hin-ein, dass Web 2.0 eben faktisch das Kommunikationsmedium der jüngeren Menschenist. Hier müsse man mit der Zeit gehen, wenn man diese Gruppe erreichen möchte(vgl. [1:31]). Die zeitlichen und räumlichen Beschränkungen der realen Welt stellenauch in diesem Fall eine vorläufige Formalisierungslücke dar und ermöglichen ge-meinsam mit Web 2.0 eine stärkere Individualisierung und flexiblere Gestaltung derSpendenwerbung.

Eine notwendige Formalisierungslücke stellen auch gesetzliche Regelungen dar (vgl.[1:15] und [1:19]). Nicht nur, weil eine Übertretung zu empfindlichen Strafen führt,sondern auch, weil der Schaden durch den Ansehensverlust in der Bevölkerung ge-rade beim Thema Parteispenden sehr hoch sein kann (vgl. [1:27]).

Eine weitere Veränderung im soziotechnischen Kern ergibt sich daraus, dass im Web2.0 die Konversation geradezu eingefordert wird. So geht die Einschätzung der Inter-viewpartner in die Richtung, dass Spender im Web 2.0 weiterhin informiert und inKontakt bleiben möchten, tendenziell eher jünger sind und nicht wie im traditionel-len Sinne eine Art Ablasshandel durch die Spende vollziehen (vgl. [2:105]). Hierauskönnte man ableiten, dass sich diejenigen Medien besser eignen, die eine höhere In-teraktion und nach Möglichkeit auch Konversation ermöglichen (vgl. H.5.3 in Kapitel3.8).

Erklärung

Die Interviews ergeben, dass es als Nachteil gesehen werden kann, dass offensichtlichder Bereich des Politmarketings und der Finanzierung organisationsbedingt stark ge-trennt sind (vgl. [1:11]). Der Grund kann hier in der von Wiesendahl identifizierten

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Fragmentierung der Parteiorganisationsbereiche gesehen werden.

Die Beachtung der gesetzlichen Grundlagen als regulative Institution ist für politi-sche Parteien, die in erheblichem Maße auf Legitimität angewiesen sind, ein unver-zichtbarer Bestandteil des Handelns. Dies führt dazu, dass selbst im Vergleich zuebenfalls stark auf Legitimität angewiesene Organisationen wie Greenpeace oder at-tac strengere Maßstäbe angelegt werden (vgl. [1:15], [1:19] und [1:27]).

Datenschutz als regulative aber auch normative Institution wird zwar Problem, abernicht als unlösbares Problem angesehen (vgl. [2:101]).

Parteien sind nach Meinung eines Interviewpartners deswegen beim Einsatz vonWeb 2.0 noch nicht so weit, weil sie zusammen mit Kirchen, Gewerkschaften undArbeitgeberverbänden eher nicht zu den web-affineren Organisationen zählen (vgl.[2:37], [2:49] und [1:35]). Dies weist auf eine kulturell-kognitive Institution hin. Dieangesprochenen web-affineren Organisationen befinden sich nicht im engeren Um-feld politischer Parteien. Das organisationale Feld politischer Parteien ist, selbst wennman es auf Organisationen wie Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, die öf-fentliche Verwaltung etc. ausdehnt, dementsprechend in sich selbst keinem Anpas-sungsdruck ausgesetzt. Hier könnte auch der Grund liegen, weshalb insbesonde-re die kleineren Parteien mit ihren Verbindungen in die Sphäre der Wirtschaft (beider FDP) oder in die Sphäre der gesellschaftlichen Bewegungen (vor allem die Grü-nen) eher noch web-affiner sind als die größeren Parteien. Es gibt allerdings die Ein-schätzung, dass sich diese Einstellung dadurch ändert, dass vor allem jüngere undweb-affinere Menschen Parteimitglieder werden und auf diese Weise langsam diekulturell-kognitive Institution, Web 2.0 gehöre eben einfach zu einer modernen Or-ganisation, an Bedeutung gewinnt (vgl. [3:17]).

Bewertung

Geht man davon aus, dass Parteien als Element einer deliberativen Demokratie not-wendig sind, dann muss ihre Finanzierung sicher gestellt werden. Problematischwird es dann, wenn die Finanzierung über Spenden dazu führt, dass Spender direktoder indirekt Einfluss auf die politische Willensbildung der Partei gewinnen. Mankann es sogar grundsätzlich als Problem ansehen, dass dadurch, dass finanzstarkeSpender und hier insbesondere Großunternehmen diejenigen Parteien überpropor-tional stärken, die ihren eigenen Interessen nahe stehen (vgl. [1:7]). Dadurch entstehtein Ungleichgewicht im Stimmrecht in der öffentlichen Diskussion, was den Haber-masschen Forderungen widersprechen würde.

Da Web 2.0 vor allem geeignet zu sein scheint, kleinere, aber dafür eher viele einzelneSpenden einzuwerben, besteht hier zumindest das Potential, einen deliberativeren

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Diskurs zu erhalten. Den einzelnen Großspenden kann durch eine Vielzahl kleinererSpenden entgegen gewirkt werden.

Insgesamt hat der Bereich der Finanzierung nur indirekten Einfluss auf den demo-kratischen Prozess an sich.

3.6.3. Zusammenfassung

Eine einseitige Fokussierung auf Web 2.0 für die Finanzierung erscheint nicht an-gebracht. Aus den Interviews ergibt sich eher eine Vorgehensweise, die die bisherigeSpendenpraxis und Web 2.0 zusammenführt (vgl. z.B. [1:51]). Wobei die Einschätzungist, dass der Einsatz von Web 2.0 im Bereich der Finanzierung noch in den Anfängensteckt (vgl. [2:45]).

Parteien benötigen möglichst große finanzielle Mittel, um effektiv die politische Wil-lensbildung bestimmen zu können. Wie oben gezeigt, sind Spenden die einzige Mög-lichkeit für politische Parteien, mit relativ geringem Aufwand kurzfristig ihre Finan-zen zu verbessern. Darüber hinaus kann ein höheres Spendenaufkommen gegenüberkonkurrierenden Parteien auch zu besseren Wahlergebnissen und damit zu einer hö-heren staatlichen Parteienfinanzierung führen. Und auch die Werbung von Mitglie-dern, die durch ihre Beitragszahlungen die finanzielle Basis der Partei nachhaltig ver-bessern, kostet Geld. Es ist Parteien also anzuraten, bei der Spendenwerbung auf derHöhe der Zeit zu sein.

3.7. Defragmentierung der Parteiarbeit durchKoordination über das Netz?

Parteien sind Organisationen mit einem Aufbau und einer Struktur. Ziel dieses Kapi-tels ist es, zuerst die Struktur von Parteien grob darzustellen um danach am Beispieldes Netzwerks "linksaktiv.de" der Linkspartei zu eruieren, welche Methoden des Web2.0 Parteien bereits jetzt für die Optimierung ihrer Organisationsstruktur nutzen. ImGegensatz zu Formen der innerparteilichen Meinungsbildung geht es hier vor allemum Strukturen für die Gestaltung von Kommunikation mit vorwiegend organisatori-schem Charakter. Darin enthalten sein sollen auch Formen des gemeinsamen Arbei-tens, wie beispielsweise das Entwerfen von Pressemitteilungen, Terminabstimmun-gen und ähnliche Tätigkeiten der Ablauforganisation. Die gewonnenen Erkenntnissewerden mit Hilfe des erweiterten Mikropolis-Modells analysiert und eingeordnet.Den Abschluss bildet die Betrachtung bereits jetzt existierender Web 2.0 Anwendun-

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

gen und eine Analyse ihrer Verwendbarkeit für die Organisation der Parteistruktu-ren.

3.7.1. Wie sind Parteien organisiert?

Parteien haben eine Reihe von organisatorischen Besonderheiten, wie in Kapitel 2.3bereits dargestellt. Insbesondere sind die verschiedenen Fragmente der Parteiorgani-sation nur lose miteinander gekoppelt. Die grundlegenden Strukturelemente werdendurch das Parteiengesetz vorgegeben (vgl. [Bun11a] § 8). Dies sind der Vorstand unddie Mitgliederversammlung beziehungsweise Vertreterversammlung für Gebietsver-bände mit mehr als 250 Mitgliedern. Üblicherweise organisieren sich Parteien in einerBundesebene sowie mehreren Landes- und Ortsebenen. Daneben gibt es in aller Regeleine Jugendorganisation, verschiedene themenbezogene innerparteiliche Teilorgani-sationen und Beschlussgremien für die Zeit zwischen den Mitglieder- oder Vertreter-versammlungen.

Am Beispiel der Parteiorganisation von Bündnis 90/Die Grünen wird dies nun kurzveranschaulicht. Abbildung 3.10 auf Seite 109 zeigt den strukturellen Aufbau der Par-tei.

Die strukturellen Elemente sind hier um die Bundesversammlung angeordnet. DieBundesversammlung besteht aus circa 840 Delegierten, die durch die etwa 470 Kreis-verbände gewählt werden. Die Bundesversammlung beschließt über die Satzung unddie Programme der Bundespartei. Sie wählt den Bundesvorstand, den beratendenParteirat und die Liste für die Europawahl. Für die Zeit zwischen den Bundesver-sammlungen ist der Länderrat das höchste beschlussfassende Organ. Er besteht ausDelegierten der Landesverbände und der Fachbereiche beziehungsweise Bundesar-beitsgemeinschaften. Daneben gibt es eine ganze Reihe weiterer Teil- und Umfeld-organisationen wie Hochschulgruppen, die Grüne Jugend, die Grünen Alten, Unter-nehmensgrün, die Ortsverbände oder die Heinrich-Böll-Stiftung. Es lässt sich alsofeststellen, dass Parteien in eine Vielzahl von organisatorischen Fragmenten zerfal-len.

3.7.2. Das Netzwerk linksaktiv.de

Die deutschen Parteien haben in der einen oder anderen Form eigene Mitglieder-netzwerke aufgebaut. Die Partei Die Linke hat mit "linksaktiv"77 ein eigenes soziales

77http://linksaktiv.de/linksaktiv/, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Abbildung 3.10.: Organigramm von Bündnis 90/Die Grünen (Quelle: [BünoJ])

Netzwerk aufgebaut, das an bestehende kommerzielle soziale Netzwerke wie stu-diVZ78 oder Facebook79 angelehnt ist. Die Anmeldung ist unabhängig von einer Par-teimitgliedschaft, deshalb diese Mitgliedernetzwerk für eine Fallstudie ausgewählt.Es wird nun kurz vorgestellt.

Der Einstieg ist relativ schlicht und unspektakulär. Die Startseite umfasst einen Reiteram oberen Ende mit den Navigationsmöglichkeiten, auf der linken Seite die Besucherder eigenen Seite und die Mitglieder des Gesamtnetzwerks, die online sind. Auf derrechten Seite sind die offiziellen Nachrichten, die durch die Partei in das Netzwerkeingespeist werden. Zum Stichtag 21. Februar waren die drei neuesten Nachrichten46 beziehungsweise 47 und 104 Tage alt. Im Zentrum der Seite sind die Aktivitätender Mitglieder des Netzwerks aufgelistet. Online waren am 21. Februar 2011 um 10:006 Mitglieder. Abbildung 3.11 auf Seite 110 zeigt den Einstieg.

Das Netzwerk bietet übliche Funktionen wie ein Nachrichtensystem und erlaubtes, ein eigenes Profil mit Informationen, Bild und Fotoalben anzulegen. Der Reiter"Werkzeuge" führt in einen Bereich, wo man sich unter entsprechenden Menüpunk-ten Beiträge von anderen Mitgliedern ansehen, eine Liste seiner Freunde sowie aller

78http://www.studivz.net/, Stand 17. April 2011.79http://de-de.facebook.com/, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Abbildung 3.11.: Die Einstiegsseite von linksaktiv.de (Quelle: http://linksaktiv.de,Stand 21. Februar 2011)

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Abbildung 3.12.: Die Unterseite "Leute" von linksaktiv.de (Quelle:http://linksaktiv.de, Stand 21. Februar 2011)

Mitglieder aufrufen, eingestellte Videos und Fotos ansehen, Gruppen beitreten, Ter-mine organisieren und einstellen und auch die aktuellen Aktivitäten der Mitgliederverfolgen kann. Das Netzwerk hatte am 21. Februar 2011 3954 Mitglieder, wie Abbil-dung 3.12 auf Seite 111 zeigt.

Eine interessante Idee findet sich im Bereich "Aufgaben". Dort werden von den Betrei-bern des Netzwerkes Aufgaben eingestellt, die durch die Mitglieder gelöst werdenkönnen. Für gelöste Aufgaben gibt es Punkte. Dies ist ein interessanter Ansatz für einintrinsisches Anreizsystem. Abbildung 3.13 auf Seite 112 zeigt diesen Abschnitt derSeite.

Die Sinnhaftigkeit, ein eigenes Parteinetzwerk in solch einer Form aufzubauen darfstark bezweifelt werden. Beispielsweise hat alleine die Facebook-Gruppe der Bunde-

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Abbildung 3.13.: Der Bereich "Aufgaben" bei linksaktiv.de (Quelle:http://linksaktiv.de, Stand 21. Februar 2011)

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

spartei Die Linke mit derzeit 6.762 Unterstützern (Stand 21. Februar 2011) auf Face-book weit mehr Kontakte als Mitglieder bei linksaktiv.de. Die Beiträge unter "News"sind völlig veraltet und insgesamt macht das Netzwerk den Eindruck, dass sich nie-mand darum kümmert.

3.7.3. Analyse

Um zu verdeutlichen, welche Unterschiede sich ergeben, wenn Web 2.0 als neuesMedium für die politische Koordination eingesetzt wird, werden nun zwei Szenari-en dargestellt. Im ersten Szenario findet die Koordination weitestgehend ohne Web2.0 Technologie statt. Im zweiten Szenario wird nun davon ausgegangen, dass Web2.0 als neuer Medienkanal in die Kommunikationsbeziehungen eingeführt wird. Esfolgt eine Erklärung der beobachteten Phänomene mit den Mitteln des Neoinstitu-tionalismus. Den Abschluss der Analyse bildet dann eine Bewertung mit Hilfe derdeliberativen Demokratietheorie.

Szenario 1

Für den gesamten Bereich der politischen Koordination werden in diesem Szenariodie herkömmlichen Methoden und Medien verwendet.

Akteure und Interessen:

Der Fokus der politischen Koordination liegt auf der innerparteilichen Organisation.Externe Akteure spielen hier deshalb kaum eine Rolle. Einzig Marketingagenturenals korporative Akteure besitzen auch für die interne Organisation eine gewisse Re-levanz (vgl. [1:39]). Interne individuelle Akteure sind einerseits natürlich die Partei-mitglieder in ihrer Rolle als Mitglieder (vgl. z.B. [1:39] und [3:33]). Mitglieder und An-gestellte der Partei haben zudem aber auch weitere Rollen. So gibt es Wahlkämpfer(vgl. [1:39]), Mitarbeiter in verschiedenen Aufgabenbereichen (vgl. [1:39]), Mitglie-der in bestimmten Ämtern oder mit Mandaten in Parlamenten (vgl. [2:192], [2:196]und [2:204]). Ein weiterer kollektiver Akteur ist natürlich auch die Partei insgesamtals Organisation (vgl. z.B. [1:51]). Individuelle Akteure schließen sich je nach Interes-senlage zu mehr oder weniger lockeren formellen oder informellen Gruppen zusam-men. Dies sind einerseits die verschiedenen fachlichen innerparteilichen Gruppenaber eben auch Gebietsverbände (vgl. [2:204]), "Schicksalsgemeinschaften" wie Frak-tionen in Parlamenten oder auch eher aus Machtkalkül formierte Grüppchen (vgl.[1:51]).

An dieser Stelle wird davon ausgegangen, dass die Marketingagenturen das alleinige

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Interesse haben, einen größtmöglichen Profit aus ihrer Verbindung zur Parteiorgani-sation zu generieren. Die Motivlage der individuellen internen Akteure dürfte sehrunterschiedlich ausfallen. Einen Eindruck über die grundsätzlichen Handlungslogi-ken der Parteimitglieder ergibt sich aus der Darstellung bei Wiesendahl (vgl. [Wie98],S. 153 ff.). Diese Logiken können im Einzelnen charakterisiert werden durch:

• Die Sponsormitglieder, deren Ziel der Erhalt der Partei ist und die vor allem mo-netäre und ideelle Beiträge liefern, aber eher weniger aktiv agieren.

• Die Karrieristen, die sich durch die Parteimitgliedschaft eine politische Karriereversprechen und dementsprechend handeln.

• Die Gruppe der Policy-Aktivisten, deren Mitgliedschaft hauptsächlich auf ihrepolitische Gesinnung zurück zu führen ist und die tendenziell sehr an einemGemeinschaftsgefühl interessiert sind.

• Die Lobbyisten, die sich ein berufliches Vorankommen durch die Parteimitglied-schaft erwarten oder im Interesse externer Akteure wie Gewerkschaften oderUnternehmensverbänden in der Partei agieren.

Die angesprochenen kollektiven innerparteilichen Gruppen handeln gemäß ihrer je-weils ausgehandelten Zielvorstellungen. Die Partei selbst handelt als überindividuel-ler Akteur im Rahmen der in Kapitel 2.3 dargestellten Organisierbarkeitsgrenzen mitdem Ziel, unter diesen Nebenbedingungen eine optimale Organisationseffizienz zuerreichen.

Medien und Kommunikation:

Die verwendeten Medien sind hier insbesondere das Telefon als One-to-One, Post-weg und Email als One-to-Many Kommunikationsmedien und persönliche TreffenFace-to-Face in Form von Sitzungen oder Treffen.

Die Kommunikation wird in diesem Szenario teils entlang der in Kapitel 3.7.1 dar-gestellten formalen Strukturen, teils aber auch neben ihnen verlaufen. Die Kommu-nikationsmedien befinden sich hierbei selbst größtenteils im Mikrokontext und imEinflussbereich der Parteiorganisation beziehungsweise ihrer Mitglieder. Aber auchdie Diskussion über eigentlich parteiinterne Geschehnisse über die Massenmedien ander Membran zwischen Mikro- und Makrokontext kommt vor.

Synchronität, Interaktivität und Kontrolle in den Medien sind äußerst unterschied-lich. Während der telefonische Kontakt eine Konversation mit hoher Synchronitätbei mittlerer Interaktivität ermöglicht, ergibt sich für den Postweg eine Allokutionmit geringer Synchronität und Interaktivität. Emails haben am ehesten den Charak-

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

ter einer Konversation mit mittlerer Synchronität und Interaktivität. Sitzungen undpersönliche Treffen haben in kleineren Gruppen hohe Interaktivität und Synchronitätsowie den Charakter von Konversation. Je größer allerdings die Gruppe wird, destostärker müssen durch Geschäftsordnungen, Redelisten und weitere strukturelle Maß-nahmen offenbar die Rechte der einzelnen Diskussionsteilnehmer sicher gestellt wer-den. Ein Beispiel sind die in Kapitel 3.3.1 vorgestellten Parteitage. Dort wird offen-sichtlich, dass Diskussionen in großen Gruppen Face-to-Face problematisch sind.

Szenario 2

Während im ersten Szenario auf Web 2.0 verzichtet wurde, verwendet die Partei inSzenario 2 die ganze Bandbreite der neuen Möglichkeiten.

Akteure und Interessen:

Neue Akteure treten im Grundsatz nicht auf. In gewisser Weise können allerdingsRollen wie "Internetredakteur" im Zusammenhang mit Web 2.0 vor allem für die Mit-arbeiter der Partei an Bedeutung gewinnen (vgl. [1:39]).

Neue Interessenlagen ergeben sich ebenfalls nicht. Jeder Akteur steht allerdings vorder Frage, wie sich durch Web 2.0 die Möglichkeiten zur Durchsetzung seiner Inter-essen verändern.

Medien und Kommunikation:

Die Bandbreite der eingesetzten Web 2.0 Medien ist groß. Im Folgenden sollen einigeMöglichkeiten dargestellt werden, gegebenenfalls mit einem Hinweis, wenn sich ausden Interviews Anhaltspunkte dafür ergeben, ob Parteien dies bereits jetzt tun.

SMS/Voice, Instant Messaging: Vor allem, wenn es um schnelle KommunikationOne-to-One geht, werden Instant-Messaging-Dienste wie beispielsweise ICQ80 oderMSN81 eingesetzt (vgl. [3:41]).

Micromedia-Dienste: Twitter und Twitter-ähnliche Dienste werden für einen schnelleninnerparteilichen Informationsaustausch in der Akteurskonstellation One-to-Manygenutzt (vgl. z.B. [2:172]). Der Dienst Communote.com82 beispielsweise wird auf dieParteiorganisation zugeschnitten genutzt.

Collaboration: Pressemitteilungen, Texte für Webseiten, parlamentarische Initiativen80http://www.icq.com/de.html, Stand 17. April 2011.81http://de.msn.com/, Stand 17. April 2011.82http://www.communote.com, Stand 17. April 2011.

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Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

etc. werden überwiegend im Web 2.0 Many-to-Many gemeinschaftlich erarbeitet. Ge-nutzt werden beispielsweise Dienste wie Zoho.com.83 und Google84 sowie die Mind-Mapping Tools "Mindmeister"85 und Mindomo86. In diesen Bereich können auch Ter-minkalender, wie sie Google anbietet87 oder Tools für die Terminabsprache wie zumBeispiel doodle.com88 eingeordnet werden. Sie werden ebenfalls für die politischeKoordination eingesetzt (vgl. [1:55]).

Social Networks: Auch die sozialen Netzwerke werden als Many-to-Many Koordi-nationstools eingesetzt. Vor allem Facebook89 ermöglicht es, über Gruppen mit Zu-gangsbeschränkung, automatischer Benachrichtigung per Email oder Terminverwal-tung, Koordinierungsfunktionen zu übernehmen. Dazu werden beispielsweise fürdie Organisation von Wahlkämpfen geschlossene Gruppen in Facebook eingerichtet(vgl. [2:176]). Bei Bedarf werden auch eigens entwickelte Plattformen verwendet (vgl.[1:43]).

Forums: Foren in ihren verschiedenen Formen eignen sich wie bereits angedeutet we-niger für strukturierte, inhaltliche Diskussionen. Sie werden aber für die Koordinati-on und zielorientierte Kommunikation in mittelgroßen Gruppen eingesetzt. Die Ak-teurskonstellation entspricht auch hier am ehesten Many-to-Many.

Die Kommunikationsprozesse ändern sich durch den Einsatz von Web 2.0 grund-legend. Die Notwendigkeit, auch organisatorische Abstimmungsprozesse im demo-kratischen Rahmen gestalten zu müssen sorgt dafür, dass in aller erster Linie Medieneingesetzt werden können, die eine Konversation ermöglichen. Ein Beispiel hierfürwäre die Organisation von Wahlkämpfen (vgl. [1:39]). Die meisten der oben aufge-führten Web 2.0 Medien ermöglichen diese auch. Allerdings mit unterschiedlichemGrad an Synchronität und Interaktivität. Eine Ausnahme bildet sicherlich der Teil derorganisatorischen Kommunikation, der rein informativ wirken soll. Hier eignen sicheher allokative Medien wie beispielsweise Twitter.

Die Sinnhaftigkeit eigener sozialer Netzwerke wird unterschiedlich gesehen. Wäh-rend bei einem Interviewpartner die Skepsis deutlich überwiegt und er glaubt, dassdie kritische Größe bei parteieigenen Netzwerken nicht überschritten wird, über-wiegt bei den beiden anderen Interviewpartnern die Einschätzung, dass die parteiei-genen Netzwerke durchaus sinnvoll für bestimmte Zwecke eingesetzt werden kön-nen (vgl. [1:43], [2:163] , [3:29] und [3:33]). Das Argument, dass eine Partei sich im öf-fentlichen Raum aufhalten sollte und natürlich der Organisationsaspekt neben dem

83http://www.zoho.com/, Stand 17. April 2011.84http://www.docs.google.com/, Stand 17. April 2011.85http://www.mindmeister.com/de, Stand 17. April 2011.86http://www.mindomo.com/, Stand 17. April 2011.87http://www.google.com/intl/de/googlecalendar/about.html, Stand 17. April 2011.88http://www.doodle.com/, Stand 17. April 2011.89http://www.facebook.com, Stand 17. April 2011.

117

Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Politmarketing und der innerparteilichen Willensbildung nur ein Aspekt ist, ist aller-dings ein sehr starkes für die Nutzung öffentlicher Netzwerke (vgl. [2:164]). Ebenfallsist das Argument stichhaltig, dass eigene Netzwerke eine viel höhere Betreuung undFütterung mit Inhalten benötigen als beispielsweise Facebook, wo Inhalte und Ak-tualität im Grunde fast automatisch entstehen (vgl. [1:172]). Andererseits wird dieSicherstellung des Datenschutzes bei parteieigenen Netzwerken als weniger proble-matisch angesehen (vgl. [1:29]).

Im soziotechnischen Kern sorgt Web 2.0 vor allem für zusätzliche Flexibilität durchdie einfache Skalierbarkeit, die räumliche sowie zeitliche Entkopplung und die Mög-lichkeit, Elemente beliebig zu kombinieren (vgl. [1:47]).

Es wird zudem als wichtig angesehen, dass vor allem bei Gremienarbeit sicher ge-stellt wird, dass alle am Prozess beteiligt sind. Es müssen deshalb gegebenenfalls Me-thoden entwickelt werden, die auch Web 2.0 Skeptiker mit einbezieht (vgl. [2:198]).

Ein weiterer Aspekt in der Veränderung der Kommunikationsstruktur wird in mehrTransparenz und weniger Hierarchie gesehen (vgl. [1:55]). Da die Hierarchie zumin-dest teilweise sicherlich mit dem Zweck aufgebaut wurde, die Komplexität der Kom-munikation zu beherrschen, ist dieser Schritt nur folgerichtig. Er wird allerdings beidenjenigen, die durch die alten Strukturen eine Machtposition erhalten hatten, nichtauf ungeteilte Zustimmung stoßen.

Allerdings können und sollten die klassischen Strukturen nach Ansicht der Inter-viewpartner nicht vollständig durch Web 2.0 ersetzt werden (vgl. [1:47]). Vor al-lem aus rechtlichen Gründen. Dies stellt also eine notwendige Formalisierungslückedar.

Auch die Entscheidungsfindung selbst kann nicht automatisiert werden: "Am Schlussmuss man sich über die Botschaft verständigen, denn es wird am Schluss unter-schiedliche politische Sichten geben. Da hilft einem dann auch diese Maschine nicht."(vgl. [1:59]).

Erklärung

Auch der Bereich der politischen Koordination ist stark durch rechtliche Institutionenbeeinflusst. Als Beispiel werden Jahresabschlüsse und andere organisatorische Din-ge genannt, für die teilweise per Gesetz bestimmte Verfahrensabläufe vorgeschriebensind, die nicht verändert werden können. Das betrifft beispielsweise die Arbeit in denVorständen der verschiedenen Parteifragmente (vgl. [1:47]). Aber auch die in Kapi-tel 3.7.1 dargestellten Organisationsstrukturen sind größtenteils per Gesetz vorgege-ben.

118

Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Ebenfalls regulativ aber teilweise auch normativ wirkt der Anspruch an politischeParteien, dem Datenschutz genüge zu tun. Dies wirkt sich besonders dann aus, wennes um öffentlich zugängliche Netzwerke wie Facebook etc. geht (vgl. [2:176] und[3:29]).

Bewertung

Im Bereich der politische Koordination ist die Fragmentierung der Partei in entkop-pelte Teilorganisationen sowohl aus der Sicht der Partei im Hinblick auf eine opti-male Organisationseffizienz als auch für den demokratischen Prozess insgesamt alsProblem anzusehen. Web 2.0 kann und sollte hier eingesetzt werden um die Organi-sationseffizienz zu erhöhen.

Die politische Koordination hat auf den ersten Blick keinen direkten Bezug zur de-mokratischen Verfasstheit der Organisation. Denn es steht hier eindeutig die effizien-te Gestaltung rein organisatorischer Vorgänge im Vordergrund. Allerdings ergebensich vor allem durch ungleiche Machtverteilungen beim Zugang zu Kommunikati-onskanälen Probleme in dieser Hinsicht. Denn der Zugang und die Verteilung vonInformationen und der Zeitpunkt, wann welcher Person welche Information zugäng-lich ist, ist entscheidend bei der Durchsetzung inhaltlicher Punkte und Macht. Web2.0 verhält sich in dieser Hinsicht eher als ein neutrales Werkzeug: Web 2.0 ermög-licht einen Diskurs, der weniger hierarchisch verläuft. Insbesondere dann, wenn dieMachtkonstellation der eingesetzten Medien in Richtung Konversation geht. Web 2.0kann aber genausogut eingesetzt werden, um bestimmten Gruppen Informationennoch effizienter als bisher vor zu enthalten.

Die Bewertung fällt also sehr ambivalent aus, was die Forderungen an einen deli-berativen Prozess betrifft. Web 2.0 kann zur stärkeren Beteiligung genutzt werden.Aber dazu müssen mindestens zwei Probleme gelöst werden. Zum Einen ist es auchfür die Koordination unerlässlich, dass alle Beteiligten mitgenommen werden. Auchdiejenigen, die gegenüber Web 2.0 skeptisch sind. Zum Zweiten muss mit Widerstän-den bei denjenigen Personen gerechnet werden, die durch die klassischen StrukturenMachtpositionen erhalten haben.

3.7.4. Zusammenfassung

Die politische Koordination ist ein zentrales, verbindendes Element zwischen denverschiedenen Organisationsbereichen der Partei. Es wurde dargestellt, wie Partei-en klassischerweise vor allem auf Grund gesetzlicher Vorgaben organisiert sind und

119

Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

anschließend mit dem parteieigenen Netzwerk linksaktiv.de gezeigt, wie Web 2.0 in-zwischen ansatzweise mehr oder weniger erfolgreich auch für die Organisation in-nerhalb der Partei eingesetzt wird. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass die Einrichtungund Nutzung parteieigener Netzwerke offensichtlich einen hohen Aufwand mit un-gewissem Erfolg und Nutzen verursacht. Inwieweit es Parteien anzuraten ist, stattparteieigener Netzwerke auch für den Bereich der politischen Koordination auf dieoffenen sozialen Netzwerke zu setzen, muss an anderer Stelle geklärt werden (vgl.H6.1 in Kapitel 3.8).

An Hand zweier grundverschiedener Szenarien wurde verdeutlicht, welche Verän-derungen sich für die Kommunikationsprozesse ergeben, wenn Web 2.0 als neuesMedium eingesetzt wird. Eine wichtige Erkenntnis ist die, dass Web 2.0 die Effizi-enz der Organisation steigern kann, aber nicht automatisch für einen deliberativerenKommunikationsprozess sorgt. Allerdings sind eine ganze Reihe von Strukturen vorallem rechtlich vorgeschrieben und können durch Web 2.0 höchstens ergänzt aberbei der derzeitigen Gesetzeslage nicht ersetzt werden. Die Einstiegsfrage, ob nämlichWeb 2.0 die Parteiarbeit im Sinne Wiesendahls defragmentieren bzw. die Entkopp-lung auflösen kann, ist klar positiv zu beantworten. Ob dies allerdings für die Parteivon Vorteil ist, steht auf einem ganz anderen Blatt und ist eine Fragestellung, dieim Rahmen weiterer Forschungen beantwortet werden müsste (vgl. F6.2 in Kapitel3.8).

3.8. Hypothesen und Fragestellungen

Die Untersuchungen, Fallstudien, Szenarien und Analysen haben eine ganze Reihevon Fragen und Hypothesen aufgeworfen, die im Folgenden in Form von Hypothe-sen zusammenfassend dargestellt werden sollen. Es wäre die Aufgabe weiterer For-schung, sich mit ihnen genauer zu beschäftigen, was im Rahmen dieser Arbeit nichtmöglich war.

Übergreifende Fragestellungen und Hypothesen sind hier:

F1: Welcher Mix aus Web 2.0 und klassischen Medien ist für die einzelnen organi-satorischen Bereiche politischer Parteien zu empfehlen?

Es wurde eine Fülle von Szenarien mit unterschiedlichen Konstellationen von Web2.0 und klassischen Medien dargestellt. Es stellt sich allerdings die Frage, ob sich fürdie einzelnen organisatorischen Aufgaben politischer Parteien jeweils ein bestimmterMedienmix als optimal herauskristallisieren lässt.

F2: Wie wirkt sich das institutionelle Umfeld politischer Parteien konkret auf die

120

Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Nutzung von Web 2.0 aus?

Es wurden in dieser Arbeit eine Fülle von Hinweisen für institutionelle Einflüsse ge-funden. Es fehlt bisher allerdings noch an einer Systematisierung und weiteren kon-kreten Forschungen in diese Richtung.

Die Fragen und Hypothesen in den einzelnen organisatorischen Teilbereichen sindhingegen:

H1.1: Die intensivere Diskussion von Parteiprogrammen führt zu besseren Ergeb-nissen.

Diese Hypothese ist noch etwas vage formuliert. Was genau ein "gutes Ergebnis" ist,muss erst definiert werden. Nichtsdestotrotz ist die Beantwortung der Frage, ob dieseHypothese haltbar ist, für die Entscheidung, ob und wie Web 2.o für die Entwicklungvon Parteiprogrammen eingesetzt werden sollte, zentral.

F1.2: Wie wirkt es sich auf das Phänomen der Hypokrisie aus, wenn sich interneund externe Akteure über das Web 2.0 gemeinsam mit inhaltlichen Fragen ausein-ander setzen?

Mit der Hypokrisie begegnen politischen Parteien dem Problem, dass sie unter-schiedliche Adressaten ihres Handelns haben. Zu nennen sind hier insbesondere Par-teimitglieder und Wähler. Welche Probleme ergeben sich hier durch Web 2.0 und wiekönnen sie gelöst werden?

H1.3: Verbindlichkeit ist eine wichtige Voraussetzung für die Bereitschaft, sich anInternetdiskussionen und -abstimmungen über Parteiprogramme zu beteiligen.

Es gibt Hinweise, dass die Verbindlichkeit die Motivation zur Beteiligung an Internet-diskussionen stärkt. Sollte sich diese Hypothese erhärten, würde die Verbindlichkeitein wichtiger Punkt für Parteien sein, wenn sie die Motivation zur Beteiligung stär-ken wollen.

H1.4: Bei der Einführung von Web 2.0 empfiehlt es sich, schrittweise vorzugehenund bestehende Strukturen langsam zu ergänzen.

Verschiedene Faktoren vor allem aus dem institutionalistischen Umfeld der Parteior-ganisation lassen es ratsam erscheinen, keine radikalen Schritte bei der Einführungvon Web 2.0 zu unternehmen.

F2.1: Wie muss eine Web 2.0 Anwendung gestaltet werden, um den Anforderungenan Prozesse der innerparteilichen Willensbildung gerecht werden zu können?

121

Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Anforderungen an eine derartige Anwendung sind beispielsweise die Bedingungenfür einen deliberativen Prozess, Fragen der politischen Sozialisation und die Einhal-tung institutioneller Rahmenbedingungen.

H3.1: Sponsormitglieder lassen sich über massenmediale Parteienwerbung errei-chen, Akteure mit anderen Motivlagen eher nicht.

Diese Hypothese taucht im Zusammenhang mit dem politischen Personalmanage-ment auf und erscheint deshalb relativ schlüssig, weil Sponsormitglieder die Parteinur ideell unterstützen wollen aber nicht in erster Linie eine aktive Rolle spielen wol-len.

H3.2: Web 2.0 wirkt den Anreizsschwächen politischer Parteien entgegen.

Es klingt plausibel, dass die weniger hierachische Struktur der Kommunikation imWeb 2.0 für eine höhere Bereitschaft zur Mitarbeit sorgt.

H3.3: Web 2.0 wirkt dem Freiwilligkeitsproblem entgegen.

Es klingt ebenso plausibel, dass die in Web 2.0 stärker öffentlich erklärte Bereitschaftzur Mitarbeit auch zu einer höheren Verbindlichkeit führt.

F3.4: Welche Web 2.0 Anwendung ist für welche Aufgabe der politischen Personal-planung besonders geeignet?

In Kapitel 3.4.1 wurden eine Reihe von Aufgaben in der politischen Personalplanungidentifiziert. Es stellt sich hier die Frage, welche Anwendung beispielsweise für daspolitische Wissensmanagement besonders geeignet ist.

H4.1: Sich dem Web 2.0 zu verweigern hat negative Auswirkungen auf die Akzep-tanz politischer Parteien in der Öffentlichkeit

Trifft diese Hypothese zu, dann haben politische Parteien gar keine Wahl. Sie sindgezwungen, sich über Web 2.0 mit den Bürgern auseinander zu setzen, wollen sienicht politischen Einfluss verlieren.

F4.2: Wie können Elemente des traditionellen Politmarketings durch Web 2.0 er-gänzt oder ersetzt werden?

Diese Frage geht von einem Ansatz aus, der evolutionär versucht, traditionelle Ele-mente der Parteienwerbung durch Web 2.0 zu ersetzen.

F5.1: Welche Faktoren beeinflussen den Erfolg einer Spendenkampagne einer po-litischen Partei im Web 2.0?

122

Kapitel 3. Parteien im Web 2.0 - Bestandsaufnahme und Analyse

Es gibt Hinweise darauf, dass Verknüpfungen zwischen Web 2.0 und realer Weltwichtig sind sowie möglichst wenig Aufwand für die Durchführung der Spende. Diesmuss allerdings systematisch untersucht werden.

H5.2: Mit Web 2.0 lassen sich neue Gruppen von Spendern erreichen.

In dieser Hypothese enthalten ist natürlich auch die Frage, welche Gruppen das kon-kret sind und wie sich die Spenden hier zusammen setzen.

H5.3: Je interaktiver das Web 2.0 Medium ist, desto besser eignet es sich für dieSpendenwerbung

Eine Aussage in den Interviews war, dass Spender im Web 2.0 an weiter führenderInteraktiv über die Spende hinaus interessiert sind. Dies würde implizieren, dass sichhier diejenigen Medien mit einer höheren Interaktivität besser eignen.

H6.1: Die Entwicklung eigener sozialer Netzwerke ist Parteien nicht anzuraten.

In Kapitel 3.7.3 wurde dargestellt, dass es über die Sinnhaftigkeit eigener sozialerNetzwerke und Organisationsplattformen unterschiedliche Sichtweisen bei den In-terviewpartnern gibt.

F6.2: Inwieweit ist die Aufhebung der Entkopplung der verschiedenen Parteifrag-mente durch Web 2.0 für die Parteiorganisation von Vorteil?

Die Entkopplung der verschiedenen Parteifragmente hat das Ziel, bestehende Wi-dersprüche nicht zu Tage treten zu lassen. Ergeben sich eventuell aber auch Vorteiledurch die neue Transparenz?

123

Kapitel 4.

Reflexion

Eine große Herausforderung bei der Erstellung dieser Arbeit war die Dynamik, dieParteien in der Nutzung von Web 2.0 entwickeln. So handelt es sich beispielsweise beider "elektronischen Programmdebatte" um ein Projekt, das ständiger Veränderungunterworfen war. Dies führte dazu, dass Ergebnisse immer wieder hinterfragt undaktualisiert werden mussten.

Es wäre eventuell sinnvoll gewesen, zusätzliche Interviewpartner zu akquirieren, umdie qualitativen Aussagen weiter untermauern zu können. Auch könnte man kritisie-ren, dass von den drei Interviewpartnern zwei aus der Linkspartei waren und somiteventuell eine Verzerrung in den Aussagen statt findet. Dem kann man allerdingsentgegnen, dass die Interviewpartner eher als Experten für den Einsatz von Web 2.0aufgetreten sind und erst in zweiter Linie als Mitglieder einer bestimmten Partei.

Insgesamt stellen die erarbeiteten Ergebnisse aus meiner Sicht eine gute Grundlagefür weitere empirische und theoretische Forschung dar.

124

Kapitel 5.

Fazit und Ausblick

Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass politische Parteien sehr komplexe Gebildesind, die in ihren verschiedenen organisatorischen Aufgabenbereichen unterschied-lich weit sind was den Einsatz von Web 2.0 betrifft. Während Parteien im Bereich desPolitmarketings bereits sehr weit reichende Erfahrungen mit Web 2.0 gesammelt ha-ben, liegen die Potentiale von Web 2.0 im Bereich der politischen Personalplanungoder der innerparteilichen Organisation weitestgehend brach. Mit Hilfe verschiede-ner Szenarien wurden die Unterschiede deutlich gemacht, die Web 2.0 für den jewei-ligen organisatorischen Teilbereich bedeuten können.

Mit Hilfe des Neoinstitutionalismus und der politikwissenschaftlichen Betrachtungergaben sich daraufhin Anhaltspunkte für die Gründe, die Parteien zu ihrer jeweili-gen Verhaltensweise veranlassen.

Aus der Sicht der deliberativen Demokratietheorie konnten die Ergebnisse norma-tiv dahingehend bewertet werden, ob die Veränderungen wünschenswert sind odernicht.

Auf der theoretischen Ebene wurde das Mikropolis-Modell um das neue Element desMediums erweitert. Diese Erweiterung ermöglicht es auch zukünftigen Forschungs-projekten, kommunikative Prozesse zwischen Mikro- und Makrokontext genauer zuerfassen und zu erklären.

Diese Arbeit gibt einen groben Überblick über die vielfältigen Aspekte des Einsatzesvon Web 2.0 in politischen Parteien. Weitere, tiefer gehende Untersuchungen könntensich auf einzelne organisatorische Teilbereiche der Parteien konzentrieren. Hierbeibieten die erarbeiteten Hypothesen und Fragestellungen erste Ansatzpunkte.

125

Abkürzungsverzeichnis

CDU Christlich Demokratische UnionCSU Christlich-Soziale Union

FDP Freie Demokratische Partei

GKI Globale Kommunikations-Infrastruktur

IRC Internet Relay ChatIT Informationstechnik

MM Mikropolismodell

NbK Netzbasierte KommunikationNI NeoinstitutionalismusNPO Non-Profit Organisation

PC Personal ComputerPDF Portable Document FormatPDS Partei des Demokratischen Sozialismus

SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands

WASG Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternati-ve

i

Abbildungsverzeichnis

2.1. Marktwert von Web 2.0 Unternehmen (Quelle: [Esn07]) . . . . . . . . . 112.2. Clusterung von Web 2.0 Anwendungen und Unternehmen (Quelle:

[Sch10a]) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.3. Aufgaben des Unternehmensmanagements (Quelle: [WD05], S. 63) . . 142.4. Aufgaben in politischen Parteien (Quelle: Eigene Darstellung) . . . . . 192.5. Die soziotechnische Perspektive (Quelle: [Rol08], S. 97) . . . . . . . . . 212.6. Der Mikrokontext (Quelle: [Rol11], S. 30) . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.7. Der Makrokontext (Quelle: [Rol11], S. 33) . . . . . . . . . . . . . . . . . 232.8. Erweitertes Mikropolis-Modell (Quelle: Eigene Darstellung angelehnt

an [Rol11], S. 33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252.9. Die drei Säulen von Institutionen (Quelle: [Wal06], S. 380) . . . . . . . . 27

3.1. Die Einstiegsseite zur "elektronischen Programmdebatte" der ParteiDie Linke (Quelle: http://dielinke.liqd.net, Stand 5. März 2011) . . . . 39

3.2. Vorschläge in der "elektronischen Programmdebatte" der Partei DieLinke (Quelle: http://dielinke.liqd.net, Stand 5. März 2011) . . . . . . 41

3.3. Vorschläge in der "elektronischen Programmdebatte" der Partei DieLinke (Quelle: http://dielinke.liqd.net, Stand 22. November 2010) . . . 42

3.4. Eröffnungsdaten virtueller Parteizentralen (Quelle: [Bie01], S. 10) . . . 783.5. Webseite der CDU 1996 (Quelle: http://web.archive.org/web/1996

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Stand 21. Februar 2011) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

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xiv

Anhang A.

Kennzahlen der betrachteten Parteien

Die Christlich Demokratische Union (CDU) : Die CDU ist die mitgliederstärkste Par-tei in Deutschland. Gegründet wurde sie 1945 und hat 505.314 Mitglieder. Die Mit-gliederzahlen sind seit Jahren leicht rückläufig. Parteivorsitzende ist Angela Merkel.Derzeit stellt die CDU in neun Bundesländern den Regierungschef und ist in einemweiteren Bundesland an der Regierung als kleinerer Partner beteiligt. In Bayern gibtes keinen Landesverband der CDU. Auf Bundesebene stellt sie derzeit mit Ange-la Merkel die Bundeskanzlerin. Im deutschen Bundestag bildet die CDU zusammenmit der CSU eine gemeinsame Fraktion(vgl. [Wik11c]).

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist die älteste parlamentarischvertretene Partei in Deutschland. Als Gründungsdatum beruft sich die SPD aufdie Gründung der Vorgängerorganisation Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein(ADAV) im Jahr 1863. Vorsitzender der SPD ist Sigmar Gabriel. Die Partei hat etwa505.000 Mitglieder in Deutschland und ist damit die zweitgrößte Partei. Die Mitglie-derzahlen sind seit Jahren stark rückläufig. Die SPD stellt derzeit in sechs Bundes-ländern den Regierungschef und ist in weiteren zwei Bundesländern als kleinererPartner an einer Koalition mit der CDU beteiligt. Auf der Bundesebene befindet sichdie SPD in der Opposition(vgl. [Wik11k]).

Christlich Soziale Union (CSU): Die CSU ist mit 159.198 Mitgliedern die drittgrößtedeutsche Partei und wurde 1946 gegründet. Die Mitgliederzahlen sind leicht rückläu-fig. Den Parteivorsitz hat derzeit Horst Seehofer inne. Die CSU nimmt eine gewisseSonderstellung ein, weil sie nur in Bayern existiert. Sie stellt dort derzeit auch denRegierungschef. Auf Bundesebene bildet sie gemeinsam mit der CDU eine Fraktions-gemeinschaft (vgl. [Wik11d]).

Die Linke: Die Partei Die Linke ging 2007 aus dem Zusammenschluss der Parteides demokratischen Sozialismus (PDS) und der Wahlalternative Soziale Gerechtig-keit (WASG) hervor. Die PDS ist die Nachfolgeorganisation der Sozialistischen Ein-heitspartei Deutschlands (SED), der Staatspartei der damaligen Deutschen Demo-

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Anhang A. Kennzahlen der betrachteten Parteien

kratischen Republik (DDR). Sie hat 75.462 Mitglieder. Die Mitgliederzahlen sindleicht ansteigend. Sie ist in zwei Landesparlamenten an Regierungen beteiligt (vgl.[Wik11f]).

Die Freie Demokratische Partei (FDP): Gegründet wurde die FDP 1948. Die Parteistagniert derzeit bei um die 70.000 Mitgliedern. Die FDP ist im Moment an siebenRegierungen beteiligt. Parteivorsitzender ist Guido Westerwelle(vgl. [Wik11g]).

Bündnis 90/Die Grünen: Die Partei ist ein Zusammenschluss des aus der Bürger-rechtsbewegung in der ehemaligen DDR hervorgegangenen Wahlbündnisses "Bünd-nis 90" und der westdeutschen Partei "Die Grünen". Die Vereinigung erfolgte im Jahr1993. Die Partei hat derzeit 53.018 Mitglieder und ist an drei Landesregierungen betei-ligt. Den Parteivorsitz teilen sich Claudia Roth und Cem Özdemir(vgl. [Wik11b]).

Piratenpartei Deutschland: Die Piratenpartei Deutschland hat sich am 10. September2006 gegründet. Mitglieder hat die Partei 12.115. Parteivorsitzender ist Jens Seipen-busch. Die Partei ist derzeit in keinem Landesparlament vertreten (vgl. [Wik11j]).

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Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere, dass ich die vorstehende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfeangefertigt und mich anderer als der im beigefügten Verzeichnis angegebenen Hilfs-mittel nicht bedient habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus Veröffentli-chungen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht. Alle Quellen, diedem World Wide Web entnommen oder in einer sonstigen digitalen Form verwendetwurden, sind der Arbeit beigefügt.

Hamburg, 28. April 2011Unterschrift