A-HA DAVID BOWIE · selektor A-HA HUNTING HIGH AND LOW (30TH ANNIVERSARY SUPER DELUXE) Rhino/Warner...

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selektor A-HA HUNTING HIGH AND LOW (30TH ANNIVERSARY SUPER DELUXE) Rhino/Warner Synlhie- und Dreampop, der bis heute seine Berechtigung hat - trotz dieser Keyboardmelodie. Eingangs möchten wir daraufhinwei- sen, dass es mit CAST IN STEEL seit ei- nigen Tagen ein neues Album von a-ha gibt. Besprochen wird es in diesem Heft jedoch nicht: Wir verorten die aktuelle Musik des wiedervereinten Trios - sorry, aber die Platte hinterlässt einen derart seichten Eindruck - in einem popmusi- kalischen Umfeld, das mit dem ME kaum mehr Schnittmengen hat. Nun aber zur Jubiläumsausgabe von HUNTING HIGH AND LOW, ihrem Debüt, das fast zeit- gleich zu ihrer zehnten Studioplatte neu aufgelegt wird und die Norweger vor 30 Jahren vor allem dank seines Riesen- hits „Take On Me" (und dessen Trick- filmvideos) an die Spitze der Charts bugsierte. In dieser Box mit vier CDs, einer DVD und einem 6o-Seiten-Booklet voll mit alten Fotos und frisch erzählten Anekdoten verstecken sich allein acht Versionen von „Take On Me" - und wer auch nur die Hälfte davon am Stück hö- ren kann, ohne von dieser sowieso schon gleich neben dem „Ententanz" im Archiv der toxischen Ohrwürmer abgelegten Kinderliedmelodie einen Vogel zu krie- gen, muss wohl Fan sein. Sehr grundsätz- lich für das (nun remasterte) Debütalbum von a-ha spricht, dass es trotz seiner Pro- duktion, die es fast komplett dem damals als modern, mittlerweile als eher pene- trant wahrgenommenen Sound des Fair- light-CMI-Synthesizers ausgeliefert hat, bis heute bestens unterhält. Das liegt vor allem an seinem eleganten und durchaus kunstvollen Songwriting, für das in erster Linie Gitarrist Pal Waaktaar Gamst ver- antwortlich zeichnete, der trotz der Nähe zum Synthiepop sein Handwerk vor al- lem bei Könnern der Siebziger wie ABBA gelernt haben dürfte. Und dann ist da noch Morten Harkets Tenor, stramm ge- nug für manche Exaltiertheit, balladen- sicher ohnehin. Diese Stimme bringt auch etwas beliebigere, überproduzierte Hopser wie „The Blue Sky" ins Ziel. Und Höhepunkte wie den Pet-Shop-Boys- gewaltigen Hit „The Sun Always Shines On T.V." oder das endromantische „Li- vingA Boy's Adventure Tale" veredelt sie. Eine Italo-Disco-Eintagsfliege wie „Love Is Reason" kann allerdings auch Harket nicht retten. Herausragend bleibt natür- lich der Titelsong - ein großer Popseufzer der Achtziger, mit echter Akustikgitarre, bei dem nicht nur Chris Martin die Augen feucht werden. Das hier enthaltene Demo zeigt allerdings, dass ursprünglich auch dieses Stück als aufgekratzter Synthie- popper geplant war. Überhaupt machen gerade einige der vielen hier versammel- ten Demos und Outtakes Laune. Massig E-Drum-Breaks und fies quietschende Synthesizer-Riffs zeigen: Es hätte sound- mäßig auch noch viel schlimmer kom- men können. Die verspielte Version von „LivingA Boy's Adventure Tale" mit klei- ner Beatbox und dicker Posaune ist dafür das reine Vergnügen. Und Morten, der beim „Lesson One"-Demo zu „Take On Me" plötzlich loskräht wie ein getretener Hahn: ein Highlight! Fast könnte man für einen Moment diese enervierende Key- boardmelodie vergessen. * * * * mmmmmmm^m^ Oliver Götl von Charlottenburg durch Schöneberg bis nach Friedrichshain zieht, ja die, auf der auch das „Ticket To Ride" vorgezeigt werden soll. Der Kontrolleur wird sich freuen. * * * + MMMBM lochen Overbeck BEATSTEAKS 23 SINGLES Melodien für Millionen: Gut kompilier- te Werkschau der Berliner Punkrocker, die neben den Hits auch zwei Überra- schungen bereithält. „I got a ticket to ride. And I got you by my side." So beginnt einer der zwei neu- en Songs dieser Singles-Sammlung der Beatsteaks, der wohl berlinerischsten Rockband Berlins. Für welches Ver- kehrsmittel das Ticket Gültigkeit be- sitzt, wird nicht weiter erläutert, klar ist aber: Das ist Pop. Und das ist gut so. Denn egal ob in den späten 9Oer-Jahren, als die Band noch wacker Supporttouren für US-Stars wie Sick Of It All oder Good Riddance bestritt, oder eben heute, wo man die größten Open-Air-Bühnen der Republik bespielt: Am stärksten sind die Beatsteaks immer dann, wenn es um die Kombination aus großer Rockgeste und kleiner, auf den ersten, aber eben nur den ersten Blick fast bescheidener Popmelo- die geht. Das wird doch recht rasch deut- lich, wenn man sich durch die 23 Tracks der Compilation hört, die der Chronolo- gie der Band folgt, aber etwas verspätet einsteigt, nämlich mit „Summer" und „Let Me In", zwei Tracks des 2002 beim US-Indie Epitaph erschienenen LIVING TARGETS. Aus den beiden vorherigen Alben wurden offenbar seinerzeit keine Singles ausgekoppelt. Selbst wenn man kein Fan ist, muss man anerkennen: Die- se Band hat einiges auf der Uhr. „Hand In Hand", „I Don't CareAs Lang As You Sing" oder „Hella Joe": Einen besseren Lauf als diese drei aufeinanderfolgenden Singles hatten die Beatsteaks wohl selten - und die späteren Hits, wie „Milk & Honey" und „Gentleman OfThe Year", wurden neu gemastert. Dazu kommen zwei so- genannte Publikumslieblinge, nämlich das gemeinsam mit Turbostaat aufge- nommene Fu-Manchu-Cover „Frieda und die Bomben" und „Hey Du" aus dem Berlin-Musical „Linie i", die nie auf regulären Alben erschienen. Und wer weiß, vielleicht ist die Linie i, die sich DAVID BOWIE FIVE YEARS: 1969-1973 Pari ophone/Warne r Gewaltiger Auftakt zu einer noch viel gewaltigeren Boxset-Serie, die die komplette Karriere des Art-Pop- „Hero" abdecken soll. Ein Jahr nach dem fast gleichzeitigen Er- scheinen der aktuellen Best-of NOTHING HAS CHANGED und der bereits zweiten Wiederveröffentlichung des '89er Box- sets SOUND + VISION haben Bowie-Fans schon wieder die Chance, etwas ärmer zu werden: Das zwölf CDs oder 13 Schall- platten umfassende Schwergewicht FIVE YEARS 1969-1973 ist der erste Eintrag in einer Reihe von Boxsets, die behauptet, schlussendlich Bowies Werdegang voll- ständig abzubilden. Dieses Vorhaben ist jetzt schon gescheitert, schließt FIVE YEARS doch gleich mal das kuriose, von Bowies weiterem Schaffen stark abweichende und weitgehend unbe- kannte Debütalbum DAVID BOWIE aus und fängt bei SPACE ODDITY an. Dazu gesellen sich alle folgenden Alben bis einschließlich der Coverplatte PIN UPS, vier davon in neu remasterten Versio- nen. Des Weiteren erhält der Konsument die beiden Live-Dokumente LIVE SANTA MONICA '72 und ZIGGY STARDUST: THE MOTION PICTURE SOUNDTRACK SO- wie den 2OO3er Mix von THE RISE AND FALL OF ZIGGY STARDUST AND THE SPIDERS FROM MARS aus der Hand von Beatles-Engineer und Bowies langjäh- rigem Produzenten Ken Scott. Zum Ab- schluss - und jetzt wird's interessant - wartet noch ein Doppelalbum mit dem etwas bemüht wirkenden, weil doch eher nach den Frühnullerjahren muffelnden Titel RE:CALL l. Hier tummeln sich 24 B-Seiten, One-off-Singles und Singles in ihren unterschiedlichen Urversionen. Highlight ist der bisher unveröffentlich- te Single-Edit von „All The Madmen". Von herausragendem Interesse für Fans dürfte auch die Originalversion des stark von T. Rex- damals noch Tyrannosaurus Rex - beeinflussten „Holy Holy" sein, die bisher nur auf der gefloppten Single von 1971 zu finden war. Auch die Neuaufnah- me des Stücks, die dann als B-Seite von „Diamond Dogs" verbraten wurde, ist hier gelandet. Größter Spaß ist aber die italienische Fassung von „Space Oddity" namens „Ragazzo Solo, Ragazza So/a", die überhaupt nichts mit demWeltraum- drama des Originals zu tun hat, sondern die Liebesgeschichte eines Pärchens erzählt, das sich auf einem Berggipfel trifft. Ansonsten hat man jetzt eben zum x-ten Mal gar nicht mal so rare Raritäten wie „Velvet Goldmine" und die Saxofon- version von „John, l'm Only Dancing" im Regal stehen. Gibt Schlimmeres. Aber auch Stimmigeres, zum Beispiel Bowies erstes Album samt Bonusmaterial. *****—•—•• Stephan Rehm SYLVAIN CHAUVEAU & ENSEMBLE NOCTURNE DOWN TO THE BONE (AN ACOUSTIC TRIBUTE TO DEPECHE MODE) Ici d'ailleurs . . ./Cargo Der Franzose verwandelte Depeche- Mode-Songs auf seinem 2005er Album in tief atmende Kammermusik. Das Modell, darauf mochte man bei der Erstveröffentlichung vor zehn Jahren schon hinweisen, war alles andere als neu: Pop-Ästhet definiert Pop-Klassiker aus der Distanz neu, auf der Suche nach einem bislang vielleicht verdeckten Kern. Sylvain Chauveaus Landsleute Nouvelle Vague hatten das mit ihrem ersten Cover- album ein Jahr zuvor stilvoll exerziert (und eine Depeche-Mode-Neubearbei- tung im Bossa-Stil war auch dabei: „Just Can't Get Enough"). Chauveau, Pianist und der Kontemplation zugewandter Post-Rock-Minimaiist, stellte sich für diese Liebeserklärung an die britischen Synthiepop-Heroen ein sehr speziel- les Depeche-Mode-Set zusammen: Er verzichtete auf frühe Klassiker und fo- kussierte die zweite DM-Phase mit all ihren stilistischen Weiterentwicklungen (1987-1993). Abgesehen vom Pathospop- Hit „Enjoy The Silence" sind auf DOWN TO THE BONE eher Tracks zu finden, die schon im Original nicht eben voll auf die Zwölf gingen. Chauveau streift diesen Songs die Haut vom Leib und instrumen- tiert sie in kleiner Runde neu (Streicher, Klarinette, Kontrabass, Klavier, Gitarre und minimale elektronische Manipula- tionen). In diesem Prozess verwandeln sich groß angelegte Tracks wie „Stripped" (mit der Zeile „Let me seeyou stripped down to the hone") oder „The Things You Said" in intime Beobachtungen, eher unscharfe Erinnerungen an eine ande- re Welt hinter Milchglas. Seine warme Stimme, ganz unaufgeregt und flie- ßend, tritt wie selbstverständlich dazu. Dancefloor, Stadion, Fabrik und Glam- Club: Sylvain Chauveau lässt all die mit den Briten assoziierten Orte auf DOWN TO THE BONE Lichtjahre hinter sich zu- rück. Im Vergleich mit dieser stillen, tief atmenden Kammermusik klangen und klingen Depeche Mode wie Beethoven. Die Jubiläumsausgabe bringt die Zeit- losigkeit dieser Coverversionen zu Ge- hör: Kern berührt und nicht zerstört. ***** HMM^BM Frank Sawatzki me.97

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A-HAHUNTING HIGH AND LOW (30THANNIVERSARY SUPER DELUXE)

Rhino/Warner

Synlhie- und Dreampop, der bis heute

seine Berechtigung hat - trotz dieserKeyboardmelodie.

Eingangs möchten wir daraufhinwei-sen, dass es mit CAST IN STEEL seit ei-nigen Tagen ein neues Album von a-hagibt. Besprochen wird es in diesem Heftjedoch nicht: Wir verorten die aktuelleMusik des wiedervereinten Trios - sorry,aber die Platte hinterlässt einen derartseichten Eindruck - in einem popmusi-kalischen Umfeld, das mit dem ME kaummehr Schnittmengen hat. Nun aber zurJubiläumsausgabe von HUNTING HIGHAND LOW, ihrem Debüt, das fast zeit-gleich zu ihrer zehnten Studioplatte neuaufgelegt wird und die Norweger vor30 Jahren vor allem dank seines Riesen-hits „Take On Me" (und dessen Trick-filmvideos) an die Spitze der Chartsbugsierte. In dieser Box mit vier CDs,einer DVD und einem 6o-Seiten-Bookletvoll mit alten Fotos und frisch erzähltenAnekdoten verstecken sich allein achtVersionen von „Take On Me" - und werauch nur die Hälfte davon am Stück hö-ren kann, ohne von dieser sowieso schongleich neben dem „Ententanz" im Archivder toxischen Ohrwürmer abgelegtenKinderliedmelodie einen Vogel zu krie-gen, muss wohl Fan sein. Sehr grundsätz-lich für das (nun remasterte) Debütalbumvon a-ha spricht, dass es trotz seiner Pro-duktion, die es fast komplett dem damalsals modern, mittlerweile als eher pene-trant wahrgenommenen Sound des Fair-light-CMI-Synthesizers ausgeliefert hat,bis heute bestens unterhält. Das liegt vorallem an seinem eleganten und durchauskunstvollen Songwriting, für das in ersterLinie Gitarrist Pal Waaktaar Gamst ver-antwortlich zeichnete, der trotz der Nähezum Synthiepop sein Handwerk vor al-lem bei Könnern der Siebziger wie ABBAgelernt haben dürfte. Und dann ist danoch Morten Harkets Tenor, stramm ge-nug für manche Exaltiertheit, balladen-sicher ohnehin. Diese Stimme bringtauch etwas beliebigere, überproduzierteHopser wie „The Blue Sky" ins Ziel. UndHöhepunkte wie den Pet-Shop-Boys-gewaltigen Hit „The Sun Always ShinesOn T.V." oder das endromantische „Li-vingA Boy's Adventure Tale" veredelt sie.Eine Italo-Disco-Eintagsfliege wie „LoveIs Reason" kann allerdings auch Harketnicht retten. Herausragend bleibt natür-lich der Titelsong - ein großer Popseufzerder Achtziger, mit echter Akustikgitarre,bei dem nicht nur Chris Martin die Augenfeucht werden. Das hier enthaltene Demozeigt allerdings, dass ursprünglich auchdieses Stück als aufgekratzter Synthie-popper geplant war. Überhaupt machen

gerade einige der vielen hier versammel-ten Demos und Outtakes Laune. MassigE-Drum-Breaks und fies quietschendeSynthesizer-Riffs zeigen: Es hätte sound-mäßig auch noch viel schlimmer kom-men können. Die verspielte Version von„LivingA Boy's Adventure Tale" mit klei-ner Beatbox und dicker Posaune ist dafürdas reine Vergnügen. Und Morten, derbeim „Lesson One"-Demo zu „Take OnMe" plötzlich loskräht wie ein getretenerHahn: ein Highlight! Fast könnte man füreinen Moment diese enervierende Key-boardmelodie vergessen.* * * * mmmmmmm^m^ Oliver Götl

von Charlottenburg durch Schönebergbis nach Friedrichshain zieht, ja die, aufder auch das „Ticket To Ride" vorgezeigtwerden soll. Der Kontrolleur wird sichfreuen.* * * + • MMMBM lochen Overbeck

BEATSTEAKS23 SINGLES

Melodien für Millionen: Gut kompilier-

te Werkschau der Berliner Punkrocker,

die neben den Hits auch zwei Überra-

schungen bereithält.

„I got a ticket to ride. And I got you bymy side." So beginnt einer der zwei neu-en Songs dieser Singles-Sammlung derBeatsteaks, der wohl berlinerischstenRockband Berlins. Für welches Ver-kehrsmittel das Ticket Gültigkeit be-sitzt, wird nicht weiter erläutert, klarist aber: Das ist Pop. Und das ist gut so.Denn egal ob in den späten 9Oer-Jahren,als die Band noch wacker Supporttourenfür US-Stars wie Sick Of It All oder GoodRiddance bestritt, oder eben heute, woman die größten Open-Air-Bühnen derRepublik bespielt: Am stärksten sind dieBeatsteaks immer dann, wenn es um dieKombination aus großer Rockgeste undkleiner, auf den ersten, aber eben nur denersten Blick fast bescheidener Popmelo-die geht. Das wird doch recht rasch deut-lich, wenn man sich durch die 23 Tracksder Compilation hört, die der Chronolo-gie der Band folgt, aber etwas verspäteteinsteigt, nämlich mit „Summer" und„Let Me In", zwei Tracks des 2002 beimUS-Indie Epitaph erschienenen LIVINGTARGETS. Aus den beiden vorherigenAlben wurden offenbar seinerzeit keineSingles ausgekoppelt. Selbst wenn mankein Fan ist, muss man anerkennen: Die-se Band hat einiges auf der Uhr. „Hand InHand", „I Don't CareAs Lang As You Sing"oder „Hella Joe": Einen besseren Lauf alsdiese drei aufeinanderfolgenden Singleshatten die Beatsteaks wohl selten - unddie späteren Hits, wie „Milk & Honey"und „Gentleman OfThe Year", wurdenneu gemastert. Dazu kommen zwei so-genannte Publikumslieblinge, nämlichdas gemeinsam mit Turbostaat aufge-nommene Fu-Manchu-Cover „Friedaund die Bomben" und „Hey Du" aus demBerlin-Musical „Linie i", die nie aufregulären Alben erschienen. Und werweiß, vielleicht ist die Linie i, die sich

DAVID BOWIEFIVE YEARS: 1969-1973

Pari ophone/Warne r

Gewaltiger Auftakt zu einer nochviel gewaltigeren Boxset-Serie, diedie komplette Karriere des Art-Pop-„Hero" abdecken soll.Ein Jahr nach dem fast gleichzeitigen Er-scheinen der aktuellen Best-of NOTHINGHAS CHANGED und der bereits zweitenWiederveröffentlichung des '89er Box-sets SOUND + VISION haben Bowie-Fansschon wieder die Chance, etwas ärmerzu werden: Das zwölf CDs oder 13 Schall-platten umfassende Schwergewicht FIVEYEARS 1969-1973 ist der erste Eintrag ineiner Reihe von Boxsets, die behauptet,schlussendlich Bowies Werdegang voll-ständig abzubilden. Dieses Vorhabenist jetzt schon gescheitert, schließt FIVEYEARS doch gleich mal das kuriose,von Bowies weiterem Schaffen starkabweichende und weitgehend unbe-kannte Debütalbum DAVID BOWIE ausund fängt bei SPACE ODDITY an. Dazugesellen sich alle folgenden Alben biseinschließlich der Coverplatte PIN UPS,vier davon in neu remasterten Versio-nen. Des Weiteren erhält der Konsumentdie beiden Live-Dokumente LIVE SANTAMONICA '72 und ZIGGY STARDUST: THE

MOTION PICTURE SOUNDTRACK SO-

wie den 2OO3er Mix von THE RISE ANDFALL OF ZIGGY STARDUST AND THE

SPIDERS FROM MARS aus der Hand vonBeatles-Engineer und Bowies langjäh-rigem Produzenten Ken Scott. Zum Ab-schluss - und jetzt wird's interessant -wartet noch ein Doppelalbum mit demetwas bemüht wirkenden, weil doch ehernach den Frühnullerjahren muffelndenTitel RE:CALL l. Hier tummeln sich 24B-Seiten, One-off-Singles und Singlesin ihren unterschiedlichen Urversionen.Highlight ist der bisher unveröffentlich-te Single-Edit von „All The Madmen".Von herausragendem Interesse für Fansdürfte auch die Originalversion des starkvon T. Rex - damals noch TyrannosaurusRex - beeinflussten „Holy Holy" sein, diebisher nur auf der gefloppten Single von1971 zu finden war. Auch die Neuaufnah-me des Stücks, die dann als B-Seite von„Diamond Dogs" verbraten wurde, isthier gelandet. Größter Spaß ist aber dieitalienische Fassung von „Space Oddity"namens „Ragazzo Solo, Ragazza So/a",die überhaupt nichts mit dem Weltraum-drama des Originals zu tun hat, sonderndie Liebesgeschichte eines Pärchens

erzählt, das sich auf einem Berggipfeltrifft. Ansonsten hat man jetzt eben zumx-ten Mal gar nicht mal so rare Raritätenwie „Velvet Goldmine" und die Saxofon-version von „John, l'm Only Dancing" imRegal stehen. Gibt Schlimmeres. Aberauch Stimmigeres, zum Beispiel Bowieserstes Album samt Bonusmaterial.*****—•—•• Stephan Rehm

SYLVAIN CHAUVEAU &ENSEMBLE NOCTURNE

DOWN TO THE BONE (AN ACOUSTICTRIBUTE TO DEPECHE MODE)

Ici d'ailleurs . . ./Cargo

Der Franzose verwandelte Depeche-Mode-Songs auf seinem 2005erAlbum in tief atmende Kammermusik.Das Modell, darauf mochte man bei derErstveröffentlichung vor zehn Jahrenschon hinweisen, war alles andere alsneu: Pop-Ästhet definiert Pop-Klassikeraus der Distanz neu, auf der Suche nacheinem bislang vielleicht verdeckten Kern.Sylvain Chauveaus Landsleute NouvelleVague hatten das mit ihrem ersten Cover-album ein Jahr zuvor stilvoll exerziert(und eine Depeche-Mode-Neubearbei-tung im Bossa-Stil war auch dabei: „JustCan't Get Enough"). Chauveau, Pianistund der Kontemplation zugewandterPost-Rock-Minimaiist, stellte sich fürdiese Liebeserklärung an die britischenSynthiepop-Heroen ein sehr speziel-les Depeche-Mode-Set zusammen: Erverzichtete auf frühe Klassiker und fo-kussierte die zweite DM-Phase mit allihren stilistischen Weiterentwicklungen(1987-1993). Abgesehen vom Pathospop-Hit „Enjoy The Silence" sind auf DOWNTO THE BONE eher Tracks zu finden, dieschon im Original nicht eben voll auf dieZwölf gingen. Chauveau streift diesenSongs die Haut vom Leib und instrumen-tiert sie in kleiner Runde neu (Streicher,Klarinette, Kontrabass, Klavier, Gitarreund minimale elektronische Manipula-tionen). In diesem Prozess verwandelnsich groß angelegte Tracks wie „Stripped"(mit der Zeile „Let me seeyou strippeddown to the hone") oder „The Things YouSaid" in intime Beobachtungen, eherunscharfe Erinnerungen an eine ande-re Welt hinter Milchglas. Seine warmeStimme, ganz unaufgeregt und flie-ßend, tritt wie selbstverständlich dazu.Dancefloor, Stadion, Fabrik und Glam-Club: Sylvain Chauveau lässt all die mitden Briten assoziierten Orte auf DOWNTO THE BONE Lichtjahre hinter sich zu-rück. Im Vergleich mit dieser stillen, tiefatmenden Kammermusik klangen undklingen Depeche Mode wie Beethoven.Die Jubiläumsausgabe bringt die Zeit-losigkeit dieser Coverversionen zu Ge-hör: Kern berührt und nicht zerstört.***** HMM^BM Frank Sawatzki

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