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    Queer JUNI 1999 – 9. JAHRGANG – NR. 99

    Die Monatszeitung für Schwule und Lesben

    DRUCKAUFLAGE: 85.000 EXEMPLARE – DM 6,80

    INHALT

    Gesamtausgabe

    < ÜberregionalImpressum....................................... 2

    Meinung........................................... 2

    Pro & Kontra .....................................5 Thema: „Krieg im Kosovo: Wir müssen unseinmischen!“

    Politik  ............................................. 7 Themen u.a.: Rot-grüner Streit um Homos bei derBundeswehr – Schwule Sozialdemokraten unzufriedenmit Mutterpartei – Europawahl ‘99 – SerbischeHomogruppe gegen NATO-Luftangriffe

    Report ............................................10London nach der Bombe – Großbritanniens Homosklagen an

    Kultur ............................................  13> „Wir schwarzen Schafe halten zusammen“

    Gayle Tufts und Rainer Bielfeldt plaudernüber ihre Zusammenarbeit .....................  13

    < RegionalDieser Gesamtausgabe vonQUEER liegen alle sechsRegionalteile bei.

    QUEER in Bayern....................  BeilageQUEER  in Köln .......................  BeilageQUEER  Mitte-Süd ....................  BeilageQUEER  imNorden ...................  BeilageQUEER in NRW.......................  BeilageQUEER  imOsten ....................  Beilage

    Bomben fallen, Homos feiern

    > Lesbisches Coming-out zumSchmunzelnAnne Wheeler und ihr neuer Film „Better thanChocolate“ ......................................  14

    Sport.............................................  18> Homo-Leichtathletik geht die Luft aus

    200 SportlerInnen beim Gay and Lesbian Run  18TV-Tips..........................................  19

    Service..........................................  21> Kleinanzeigen

    In diesem Monat wieder mit fast 1.000 Klein-anzeigen. Hier kann man eine neue Wohnungoder einen neuen Partner finden ................  21

    > StellenmarktArbeitsangebote und -gesuche aus der gaycommunity......................................  21

    > KontaktHerzschmerz, Lust & Spiele, Harte Welle ......  22

    Travel ............................................  33> Spanien olé:

    Reiseberichte von der iberischen Halbinsel ...  33> Leder, Lust & Spiele

    Infos aus der Lederszene ......................  39

    Die Nachrichtenagentur ADN vermeldete am 21. Mai, daß der Kölner CSD wegen des Kosovo-Kriegs ausfällt. Die Dementis folgten prompt. Geht der Krieg Schwule und Lesben nichts an?

    „Fischer und Scharping haben sichverhalten wie Schwule, die bei derGruppenvergewaltigung einer Fraumitmachen, aus Angst, nicht für

    richtige Männer gehalten zu werden.“

    VonChristianScheuß

     

    reitag, 21. Mai, 16.32 Uhr: DieNachricht schlägt – auch wennes abgegriffen klingt – ein wieeine Bombe! Über den Ticker

    der Nachrichtenagentur ddp/ADN läuft die Meldung, daß der Kölner Christo-pher-Street-Day (CSD) abgesagt wor-den sei. Die Parade falle wegen des Ko-sovo-Krieges aus!

    Die vermeintliche Pressemitteilungdes Lesben- und Schwulenverbandes in

    Deutschland (LSVD), die da auf demTisch der Berliner Nachrichtenagen-tur landete, entpuppt sich schnell als Fäl-schung. Eine gut gemachte zudem.Briefkopf und Aufmachung entsprechendem Outfit echter LSVD-Pressemit-teilungen. Eine Stunde später verbrei-ten die Agenturen die Richtigstellung,um 18.40 Uhr schieben der organisie-rende Kölner Lesben- und Schwulen-tag (KLUST) und di e CSD-Veranstal-tungs-GmbH ein energisches Dementiüber ihren Faxverteiler hinterher.

    Die subversive Aktion hat keinenSchaden anrichten können, inhaltlichberührt sie jedoch einen wichtigenPunkt, den sich bislang nur wenige vorAugen geführt haben: Wegen des Golf-krieges 1991 sagten die Kölner Karne-valsvereine den Rosenmontagsz ug ab.Dürfen wir denn feiern, wenn woan-

    ders Bomben fallen? Ist es so absurd, denschwul-lesbischen Feiertag abzusagen,weil es einfach gute Gründe dafür gibt?Stell’ Dir vor, es ist Krieg, und keinergeht zum CSD.

    Für Brigitte Maser, Sprecherin desKLUST, ist der Gedanke, die Paradewegen des Krieges abzusagen, nachvoll-ziehbar: „Aber im Rahmen der CSD-Organisation ist der Kosovo-Krieg nicht thematisiert word en, da uns er Arbeit s-schwerpunkt die rechtlicheGleichstellung von Lesbenund Schwulen ist.“ Zugleichlehnt sie es ab, daß der KölnerCSD, der LSVD oder VolkerBeck von anonymen Kritikernder Nato- und Regierungspolitik instru-mentalisiert werden. Die Diskussion umden Militäreinsatz wird aber sicherlich

    Thema auf dem CSD selbst sein, nicht nur von seiten des KLUST: „Mir ha-ben Initiativen gesagt, daß sie auf derParade auch den Krieg thematisierenwollen“, bestätigt Maser.

    Der CSD findet also statt, bom-be da, wer wolle. Eigentlich diebeste Gelegenheit, die Tradi-tion der Transparente wieder-zubeleben, um hier, vor Zehntausen-den von Menschen, mitzuteilen, wasman vom Krieg hält. Nur – gibt es daüberhaupt jemanden, der was zu sagenhat? Oder sind alle eingelullt vom Hoch-zeitsgeläut der bevorstehenden Homo-Ehe? Es gibt sie, die Stimmen, nicht nuram Stammtisch in der Homoeckknei-

    pe, aber es sind nur einige wenige. ZumBeispiel die NRW-Landesarbeitsge-meinschaft Schwule und Lesben in derPDS, die – ganz auf der Linie der Par-tei – ein sofortiges Ende der Bombar-dierungen fordert. Auch die Homo-landwoche – ein Treffen schwuler

     Au tonomer un d mä nn erl ie be nderPunks in der Schweiz – wurde vom The-ma Krieg dominiert. Im April war übri-

    gens dort jemand zu Gast, der ein paar Wochen später zur bekanntesten Tun-te Deutschlands aufsteigen sollte. DieFarbbeutelwerferin, die Bundesaußen-minister Joschka Fischer auf dem Par-teitag der Grünen Mitte Mai in Biele-feld verletzte, übte in den SchweizerBergen schon mal das eigentlich tun-tenunübliche Werfen bei Schneeball-schlachten. Der Schlag mit der rosafar-benen Buttersäurepampe ist die bislangradikalste „Meinungsäußerung“ ausschwul-lesbischer Ecke. Daß aber nicht nur an der Grünenbasis und in der Bun-destagsfraktion beim Thema Kosovo die

     Mein unge n aufe inan derprall en, hat Halina Bendkowski am eigenen Leibeerfahren müssen. Die neue Bundesspre-

    cherin des LSVD war ebenfalls zu Gast beim Bielefelder Sonderparteitag. Siesprach als einziges Nichtparteimitgliedund plädierte für einen Stopp der Bom-bardements. Dabei stellte sie sich auchals Aktivistin der Berliner FrauenfrAK-

     TION sowie des LSVD vor: „Mich kri-tisierte danach ein mir na-mentlich nicht bekannterLSVD-Mann auf dasSchärfste und bezichtigtemich der Anmaßung, un-autorisiert für den LSVDgesprochen zu haben. Wasich aber explizit nicht tat.Deprimiert und auch wü-

    tend war ich schon über die anmaßendeZurechtweisung“, klagt sie.

    Dirk Siegfried, Rechtsanwalt und Mitgli ed der Arbeitsge mein-schaft Schwule Juristen, war biszum Sonderparteitag Mitglied

     von Bündnis 90/Die Grünen. Er ist am Tag nach dem „Kompromißbeschl uß“ausgetreten. Die Frage nach einemmöglichen Ausfall der CSD-Paradestellt er neu. Mit einer Spur Zynismus:„Dürfen Schwule und Lesben, diemehrheitlich eine Regierung gewählt haben, die Bomben auf fremde Men-schen werfen läßt, auf den Straßen tan-zen? Wenn durch das BombenwerfenGreueltaten verhindert werden, selbst-

     verständlich! Sogar jeden Tag, nicht nuram CSD.“ Beschwörungstänze fruch-ten allerdings in der Regel wenig und

    als friedensstiftende Maßnahm en sind sieunter Politikern nicht anerkannt. Siegfried,der vielen binationalenPaaren rechtlichenBeistand leistet, findet nur noch harte Wortefür die rot-grüne Bun-desregierung: „Fischerund Scharping habensich verhalten wieSchwule, die bei der

    Gruppenvergewalti-gung einer Frau mitma-chen, aus Angst, nicht für richtige Männergehalten zu werden.“Für Dirk Siegfried ist esauf den ersten Blick nicht Aufgabe der orga-nisierten Community,dem Natobombarde-ment zu widersprechen:„Schließlich habenSchwule und Lesbennicht die Pflicht zu er-höhter Moral.“ Aller-dings hätten sie Erfah-rungen damit, dieeigene Identität zu be-haupten und selbstbe-

     wußt einen Sonderwegzu gehen. „Diese Er-

    fahrungen müßtenausreichen, um miß-trauischer gegen die Logik der Kriegerzu sein als Heteros.“

    Gleichfalls erschreckend müßtenfür die Community die eigent-lichen Ursachen sein, die zu derEskalation der Gewalt geführt haben. Schließlich stützt Milosevic sei-ne Vertreibungen auf blanken Natio-nalismus, auf Ausgrenzung und Spal-tung. Die Kämpfe im ehemaligen

     Jugos lawie n sind seit jeher Minde r-heitenkonflikte. Und für Minderhei-tenfragen müßten wir eigentl ichhöchst sensibel sein. Halina Bendkow-ski klingt da eher resigniert: „Wie egalauch Minderheiten anderen Minder-heite n sind, wissen die Mehrheiten oh-nehin gut zu nutzen. Der Mainstream

    der Gemeinheit ist allgegenwärtig.“Es gäbe also genügend Gründe fürSchwule und Lesben, ihre Stimme inSachen Kosovo-Krieg zu erheben, seies nun auf dem CSD oder auch anders-

     wo. Sei es im intellektuel len Diskursoder aber ganz praktisch. So wie in

     Münster. Die Betreiber des Saunaba-des Insel haben Geld von den Gästengesammelt. Die 5.050, 25 Mark, die zu-sammengekommen sind, gingen direkt an die Gemeinschaftsunterkunft für Ko-sovoflüchtlinge in Schöppingen beiSteinfurt.

    < Weitere Texte zumThema: Seite 2 – KommentarzumBielefelder Farbbeutelwurf undSeite 4 – Pro &Kontra zur These „Krieg imKosovo – Wir müssenunseinmischen!“.

    ̂Die Uniformals Fetisch ist ja noch okay. Aber haben Schwule und Lesben innerhalb der Gesell-

    schaft sonst keinen Bezug zuMilitär und Krieg? Foto: GBI/Henning von Berg

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      Juni 1999Meinung/ Interna2   QUEER

     < Servicë

    Die alte SehnsuchtMichael Sollorz über „Lustzonen“Herausgeber:

    Michael Berninger, ChristianScheuß, Micha Schulze, Bernd Tischer

    Verlag:Rosa Zone VerlagScheuß Schulze GbR

    Zentrale Anschrift:

    QUEERAachener Str. 6650674 KölnTelefon: (0221) 57 97 6– 0Telefax: (0221) 57 97 6– 66ISDN (PC): (0221) 57 97 6– 55eMail: [email protected]

    Telefon-Durchwahlen:(0221) 579 76 –Abo-Verwaltung: -76Anzeigenabteilung: -50, -40Buchhaltung: -69Geschäftsführung: -76Grafikabteilung: -60Kleinanzeigen: -30Redaktionsleitung: -10Sekretariat: -75Vertrieb: -69

    QUEER-Regionalbüro Nord:Pulverteich 23, 20099 Hamburg Tel. (040) 28 05 12 94Fax (040) 28 05 12 91eMail: [email protected]

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    Bankverbindung:Konto 766 29 76Stadtsparkasse KölnBankleitzahl 370 501 98

    Geschäftsführung und Verlags-leitung:Micha SchulzeChefredakteur:Christian Scheuß (v.i.S.d.P.)

    Druckauflage: 85.000 ExemplareDruck: dvz, HagenBelichtung: edv systeme césar, KölnRedaktionsschluß ist stets der 15.des Vormonats. Für unverlangt einge-sandte Manuskripte, Fotos undIllustrationen wird nicht gehaftet.Veranstaltungstermine in denProgrammbeilagen und Regio-nalteilen werden kostenlosveröffentlicht. Honorare für Fotoshaben die Veranstalter zu tragen.Angaben ohne Gewähr.

    Anzeigenschluß  ist immer der 15.des Vormonats. Es gilt die Anzei-genpreisliste Nr. 9 vom 15. Mai1999.

    Nachdruck  einzelner Artikel nur mitschriftl. Genehmigung des Verlags.

    Abonnement: Das J ahres-Abo ko-stet 60 DM (Ausland: 100 DM) undkann formlos bestellt werden (Geldin bar, als Scheck oder Überwei-sungsbeleg beilegen).QUEER wirdimneutralen und verschlossenen Um-schlag versandt.

    ISSN 0949-7773

    Auflage und Verteilungwerden von der IVWüberprüft.

    Beilagenhinweis:Der Gesamtauf-lage liegt das offizielle Programmheftdes CSD Köln bei. Teilauflagen wur-den mit dem Programm desStadtfests Berlin, einem „TopMan“-Katalog und einer Postkarte der„Easy Schorre“ Halle belegt.

    QUEERDie Monatszeitung für Schwule und Lesben

     

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    Pro & Kontra 3QUEER  Juni 1999

    Krieg imKosovo:Wir müssen uns einmischen!Krieg im Kosovo. Die albanische Minderheit ist auf der Flucht vor Krieg und Unterdrückung durch die

    Serben.QUEER fragte: Muß die Gay Community als lesbisch-schwule Minderheit Stellung beziehen?

    Inge Viett

    lesbische Ex-Terroristin, Falkensee

    Es ist ein Krieg gegen Jugoslawien. Der gesamte Balkan ist in perfider Ambivalenz einbezogen. Durch Beihilfe für die Nato-Angriffe undauch als Opfer derselben. Der gierige Wunsch des Westens, den

    Balkan in die Vasallenrolle seiner Herrschaftsinteressen zu zwingen, ist ein Jahrhundert alt. Der letzte Versuch, 1941, kostete 400.000 serbische Zivilistendas Leben. Erschossen und erschlagen von der Nazi -Wehrmacht. Damals hießdie Rechtfertigung: Bedrohung des deutschen Volkes, heute heißt sie: Men-schenrechte und Humanität. Es geht um die Machtausdehnung der Nato bisan die Westgrenze Rußlands. Als einziges Land auf dem Balkan zeigt sichRest-Jugoslawien resistent gegenüber diesen Machtansprüchen. Welch ab-scheuliche Heucheleien, Lügen, Manipulationen werden täglich über uns aus-gegossen. Der Bürgerkrieg im Kosovo hat nicht annähernd soviele Vertriebe-ne und Tote gefordert, wie der türkische Krieg gegen die Kurden, die

     Vertreibung der Serben aus der Krajina und die Nato-Bomben es tun. Verlas-sen wir uns nicht auf die Herrschenden, nicht auf ihre Medi en. Wir müssendie Wahrheiten selber suchen und verbreiten. Die Macht und die Dumm-heit der Machtgläubigen führen diesen verbrecherischen Angriffskrieg.

      Waltraud Pomper

    BundessprecherinFeministische Partei DIE FRAUEN, Schliersee

    Einmischen heißt, erst einmal laut sagen, worum es geht: Machtg ierige, bewaffne-te, patriarchal verblendete Mordskerle zer-

    stören menschliche Lebensgrundlagen. Beide Seitenlügen unverschämt, um ihr verbrecherisches Treiben

     vor den Aug en der unb ewaf fne ten Men sch en zurechtfertigen. Es geht keinesfalls um die Verhinde-

    rung einer menschlichen Katastrophe. Es geht dar-um, wissentlich und absichtlich eine neue Katastro-

    phe herbeizuführen mit allen bekannten Folgen: Mord, Terror, Vergewa ltigung. Und diese s Ma l w ird auch dieEndlösung für das Leben auf der Erde dazugehören. Ein-mischen heißt auch: laut sag en, daß es Wahnsinnige sind,die Wahnsinn verursachen, wahnsinnige Männer, um die

    sich alles dreht. Einmischen heißt auch, die Visionenbenennen, die diesem Wahnsinn ein Ende be-reiten können: Eine Welt, in der patriar-

    chales Denken ebenso der Ver-gangenheit angehört wie die Au ff as su ng , di e So nn e dr eh esich um die Erde. Und diesesDenken fängt an mit der Wahr-heit und damit, sie laut zu sagen.

     J örg Ebel

    Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Schwulenpolitik bei Bündnis 90/Die Grünen, Münster

    Gerd Jagusch

    Sprecher der LAGLesben- undSchwulen-politik bei der PDS, Leverkusen

    Krieg geht jeden etwas anund besonders eine Grup-pe, die

     selbst diskriminiert und unterdrückt  wird, muß sich für den Frieden ein-setzen. Die Nato sagt, sie greife ein,um im Kosovo eine menschliche

     Tragödie abzuwenden und die Voraussetzungen für eine friedliche Lösungzu schaffen. Aber nach über einem Monat Bombardierung zeigt sich, daß die

     Tragödie nicht verhindert wurde und eine friedliche Lösung in weite Fernegerückt ist. Selbst wenn ein Friede hergestellt wird, kommen die Flüchtlingein ein Land zurück, das durch Nato-Bomben vollkommen zerstört ist. Zwei-fel sind angebracht, ob es der Nato wirklich um humanitäre Hilfe geht. ImNato-Land Türkei werden KurdInnen seit vielen Jahren brutal unterdrückt, aberdas interessiert die Nato nicht. Nato-Bomben treffen nicht nur militärische Ob-

     jekte, sondern fordern auch Opfer unter der Zivilbevölkerung. Ein konsequentes Wirtschaftsembargo hätte Milosevic schnell zum Einlenken gebracht, dies ist aber im Kapitalismus nicht möglich, weil es auch ums Geldverdienen geht: Werhat Waffen nach Jugoslawien verkauft? Wer liefert Öl? Es gibt auf jeden Fall zweigroße Gewinner des Krieges: die Rüstungsindustrie und die Banken, die deren

     Mehrheit an Aktien halten.

    Pro

    Detlef Lechtenberg

    Mit-Inhaber Saunabad„Die Insel“, Münster

    Ich bin dafür, daß die Gay Community sich in dasGeschehen im Kosovo

    einmischt. Wir, die als schwul-lesbi-sche Minderheit selbst oft Diskrimi-nierung erfahren haben, können un-sere Augen gegenüber dem Unrecht,das den Kosovo-Albanern widerfährt,nicht verschließen. Wir müssen dafür sorgen, daß der

    Verfolgung und Vertreibung ein Endebereitet wird. Jeder sollte seinenMöglichkeiten entsprechend wirkli-che humanitäre Hilfe leisten, undnicht, wie die Nato, Bombenwerfenals human deklarieren. Gerade durchunsere finanzielle Stärke haben wirdie Möglichkeit, wenigstens durchSach- oder Geldspenden den Ver-triebenen zu helfen. Ich finde es be-schämend, daß es nicht wie beimGolfkrieg Demonstrationen undKundgebungen gegen den Nato-Einsatz in Jugoslawien gibt. Da ist man Nacht für Nacht auf die Stra-ßen gegangen und hat gegen denEinsatz von Bomben demonstriert.Was passiert heute? Nicht s! Wirmüssen aus unserer Trägheit her-auskommen und auch nach außenhin zeigen, daß wir gegen den Nato-Einsatz im Kosovo sind. Bomben zuwerfe n kann auf keine n Fall dieLösung eines Problems sein.

     Thomas Wunsch

    Mitglied imBundesvorstandder HuK,Arnsberg/Westfalen

    Gott will keinen Krieg! Er will nicht, daß Menschenaneinander schuldig wer-

    den. Er will keine Vertreibung derKosovaren durch Serben und auchkeine Bombardierung serbischerStädte durch die Nato. Aber was sichauf dem Balkan abspielt, ist die Folgeeiner jahrelangen fehlerhaften Politik.Ein tatenloses Zuschauen bei der Ver-treibung der Albaner aus dem Kosovo

     wäre im gleichen Maße mit Schuld be-haftet, wie es die Angriffe auf Jugosla-

     wien sind. Ein einfaches Ja oder Neinzu den Bomben auf serbische Städtereicht nicht. Solange die Ideologieeines ethnisch reinen Staatsvolkes, wiesie im noch heute als vorbildlich ange-sehenen Frieden von Lausanne 1923

     völkerrechtlich anerkannt wurde, alsKonfliktlösung gewählt wird, bleibt dieBenachteiligung und Unterdrückung

     von Minderheiten ein Mittel der Poli-tik. Diese Doktrin der Intoleranz gilt es zu überwinden und dafür solltensich Lesben und Schwule einsetzen.

    Weder– noch

    Pro

    Pro

    Pro

    Pro

    Natürlich müssen wir unseinmischen! Wir könnengar nicht anders, denn

    dieser Krieg ist längst zueiner Auseinanderset-zung geworden, dieüber unser zukünf-tiges Europa mit-entscheidet. Denndort im Kosovo

     wird jetzt die Fra-ge beantwortet, was

     Menschen- und Bür-gerrechte in den kom-menden Jahrzehn-ten gelten.

     Viel zu

    lange haben wir weggesehen, wie Milosevic durch Krieg und Vertrei-bung diese Rechte mit Füßen ge-treten hat. Ihn jetzt gewähren zu

    lassen, bedeutete nicht nur, die Vertriebenen aus dem Kosov o

    im Stich zu lassen. Es würdebedeuten, daß es sich amEnde des 20. Jahrhundertsimmer noch lohnt, Men-schenrechte zu mißachten,daß es sich lohnt, um des eige-

    nen Machterhalts willen mit Unrecht und Gewalt Minder-

    heiten zu verfolgen. Das darf nicht sein und deswe-

    gen sind auchSchwule undLesben gut beraten, fürdiese wiefür jedea n d e r e Mi nd er-heit Par-tei zu er-greifen!Redaktiondieser Seite: IngridScheffer

    Fräulein Kaiserin

    lesbische Polit-Tunte, Berlin

    Es gibt verschiedene For-men der Einmischung.Gestern noch, da war die

     Welt zwar auch nicht in Ordnung,aber da ging Mann stolz im Fum-mel zur Musterung. Tuntig sein warauch Mittel zur Politik. Es hießnoch: „Pumps statt Knobelbecher!“

     Aber seit die Tunten ausste rben,und seit selbst Klein kinder Tarnfar-ben tragen, weil es trendy ist, warteich auf die erste verheulte schwuleKriegerwitwe, die medienwirksamaus der Hand von Rudolf Schar-ping, gestützt von Volker Beck, dasgefaltete Fahnentuch überreicht be-kommt, das den Leichnam des erst kürzlich geehelichten Gatten auf seinem letzten Weg begleitet hat.Gefallen fürs Vaterland, in irgend-einem Kaff, das selbst im gut sor-tierten schwulen Reisebüro nicht auf dem Globus zu finden ist. Wenn

     wir dann hoffentlich von einem extrageschriebenen Lied zum traurigen

     Anlaß, staatstragend intoniert durch„Rosenstolz von Sinnen“, verschont bleiben, wird vielleicht in manchemDarkroom ein leisgaysummtes „Ichhatte einen Kameraden“ zu hörensein, während Mann streng am „Ei-sernen Kreuz“ zieht, das als verdien-ter Ersatz für die langweilig gewor-denen Sackgewichte am „Prinz-

     Albert-Piercing“ baumelt - aber das wären dann nur kolateral Schäden.

    „Soldaten sind Mörder!“ - Kurt  Tucho lsky. Huch ! Jetz t habe ichganz vergessen, „unsere“ lesbischenSanitätsgefreitinnen zu erwähnen! -aber das wären dann nur weitere ko-laterale Schäden.

    Weder– noch

    Astrid Keller

    Dortmunder Fraueninitiative VIVEZENE e.V. („Frauenlebt!“) undPDS

    Gewalt zur Lö-sung einesKonflikts zwi-

    schen zwei Streiten-den? Lösen wir unse-ren Streit um dieGleichstellung gleichge-schlechtlicher Partner-schaften mit der Ehe dem-nächst, indem die LuftwaffeBomben auf verheiratete

     Mensch en wirft? Zu wei t her-geholt? Den politisch Verant-

     wortl ichen ist es g elungen, be-

    stimmte Begriffe wie „KZ“,„ethnische Säuberung“,„ Ma s s e n v e r ge w a l t i -gung“ in ein Freund-Feind-Schema einzu-gliedern und dabeizu suggerieren, daßim Interesse desHumanismus jetzt auch Gewalt angewendet werden müsse. Friedens-bewegte werden heute als Feiglinge hingestellt, die dem „Abschlach-ten“ von Kosovo-Albanern zusehen würden. Morgen sind sie die Men-schenschlächter schlechthin. Warum also Homosexuelle nicht wiederals Verunreiniger der arischen Rasse betrachten? Irgendwann wird dieZeit kommen, wo jede und jeder auf die Frage zu antworten hat: Was

    hast du getan zu dieser Zeit? Protestiert oder geschwiegen? Gleichstel-lung von Menschen ist nicht mit militärischen Mitteln durchsetzbar.Gleichstellung darf nicht mit dem Leben anderer bezahlt werden. Kriegist Menschenrechtsverletzung. Deshalb fordere ich Lesben und Schwuleauf, sich an den Mahnwachen und Demonstrationen für die Beendi-gung des Nato-Krieges zu beteiligen. Jeder schwule wie jeder andereSoldat, der die inhumane Strategie seiner Vorgesetzten und seinerRegierung erkannt hat, muß sich dem Kriegsdienst verweigern.

    Irgendwann wird die Zeit kommen, wo jede und jeder auf die Frage zu antworten

    hat: Was hast du getan zu dieser Zeit?

    Pro

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     Juni 1999 Inland 7QUEER   ! (0221) 579 76-20  !!!!! 

    Aachener Straße 66, 50674 Köln

    QUEER Politik

    Schwächen Schwuledie Moral der Truppe?

    Streit in der Bundesregierung: Das Verteidigungsministerium lehntgrünen Vorstoß zur Gleichberechtigung homosexueller Soldaten ab –Zwangsversetzter Oberleutnant klagt vor Bundesverfassungsgericht

    Von Marc Kersten

    Bonn– Zwischen SPD und Grü-nen ist ein offener Streit darüberentbrannt, ob Schwule in der Bun-deswehr auch in Führungspositio-nen sowie in der Rekrutenausbil-dung eingesetzt werden dürfen.Bisher galten Homose-xuelle als grundsätzlichungeeignet für solchePositionen. Dies hat Bundesverteidigungs-minister Rudolf Schar-

    ping (SPD) jetzt nocheinmal bekräftigt.„Homosexualität be-gründet erheblicheZweifel an der Eig-nung und schließt eineVerwendung in solchenFunktionen aus, die anFührung, Erziehungund Ausbildung vonSoldaten gebundensind“ so Scharping ineinem Brief an Bundes-umweltminister JürgenTrittin (Grüne). Dieserhatte sich nachdrück-lich für eine Kurskor-rektur in dieser Frageeingesetzt und die ge-genwärtigen Bestim-mungen als „lebens-fremd“ und „nicht mehr zeitgemäß“ be-zeichnet. Es sei „drin-gend geboten“, dieserasch abzuändern. Aktueller Hinter-grund ist der Fall des 29-jährigenOberleutnants Winfried Stecher,der vom Militärischen Abschirm-dienst (MAD) als homosexuell ge-outet und anschließend in eineSchreibstube zwangsversetzt wurde.Zuvor hatte Stecher als Mustersol-dat gegolten. Seine Vorgesetztenbescheinigten ihm „Durchsetzungs-vermögen, ausg epräg te Eign ungzur Menschenführung, starkes

    Selbstbewußtsein, Ide-enreichtum, überdurch-schnittliches Verantwor-t u n g s b e w u ß t s e i n ,Kreativität, Weitsicht,Beharrlichkeit und Ziel-strebigkeit, überzeugen-de Argumentation, Fleiß,

    gen die Gleichheit  vo r de m Ges etz wa r (A rt ik el 3GG).

    Im Bundesver-teidigungsmini-sterium möchteman sich nicht mehr zum konkre-ten Fall äußern.„Das ist einschwebendes Ver-fahren“ hieß es auf 

     An fr ag e de r

    QUEER. Daß sich der MADauch für die sexuelle Orientie-rung der Soldaten interessie-re, sei doch nachvollziehbar, soRüdiger Trapp, ein Sprecherdes Ministeriums. „Wenn sichbei einer Sicherheitsüberprü-fung von FührungsoffizierenHinweise auf deren Homose-

     xualität ergeben, dann wird der MAD diesen im Hinblick auf eine mögliche Erpreßbarkeit nachgehen“, begründet Trappden Blick in die Schlafzimmer.

     Wer seine Homosexualität ver-heimliche, sei ein Sicherheits-risiko, wer seine Homosexuali-tät bekannt mache, der könnedagegen einen Autoritätsverlust erleiden und müsse mit seiner

     Versetzung rechnen. Ein Teu-felskreis, den das Verteidi-gungsministerium nicht erken-nen mag. „Wir empfinden dieseBestimmungen nicht als diskri-

    minierend“, so Trapp, und „die Bun-deswehr kann in dieser Frage keine

     Vorreiterrolle übernehmen“.Eine Position, die offenbar auch

     von der Arbeitsgruppe Sicherheits-fragen der SPD-Bundestagsfrakti-on geteilt wird. Hier sieht man kei-nerlei Handlungsbedarf. „Es gibt auch keinen Dissens zwischen demBundesverteidigungsminister undder SPD-Fraktion“, so ein Sprecherder Arbeitsgruppe.

    Bei den Grünen schüttelt man an-gesichts dieser Argumentation nurden Kopf. Die verteidigungspoliti-sche Sprecherin der Grünen-Bun-destagsfraktion Angelika Beer pocht auf eine Änderung. Im Koalitions-

     vertrag sei eindeutig festgelegt, daßniemand wegen seiner sexuellen

    Orientierung benachteiligt werdendürfe. „Ich bin entsetzt, daß dieseDiskriminierung jetzt einfach fort-gesetzt wird und man sich dabeiauch noch auf die angeblichen Vor-behalte in der Bevölkerung beruft“,so Beer. Gegenüber QUEER erklär-te sie: „Im Moment wird alles vomKosovo-Konflikt überdeckt. Aberich werde dieses Thema mit Sicher-heit auf die Tagesordnung setzen.Das ist einfach nicht hinnehmbar“.

    Im Bundesverteidigungsministeri-um erteilt man Beer eine deutliche

     Abfuhr: „Die Bundeswehr stützt sichauf Gesetze und nicht auf Koaliti-onsverträge“. Auch in der von Schar-ping eingesetzten Kommission zurZukunft der Bundeswehr werde die-se Frage keine große Rolle spielen.

    Die Mitglieder der Kommission,

     wie z.B. der ehemalige DDR-Mini-sterpräsident Lothar de Maizièreund andere Persönlichkeiten des öf-fentlichen Lebens, möchten sich zudiesem Thema gegenwärtig nicht äußern. De Maizière: „Wir habenuns darauf verständigt, vor Ablauf der Beratungen keine Kommenta-re abzugeben, auch wenn ich dazunatürlich eine persönliche Meinunghabe“. Ein kleiner Hoffnungs-schimmer für schwule Soldaten,denn der CDU-Politiker und ande-re Kommissionsmitglieder geltenals durchaus schwulen- und lesben-freundlich.

    ̂Immer nocheinTabu: Verteidigungsminister Scharping (oben)hält nichts vonoffenschwulenBundeswehrsoldateninFüh-rungspositionen Fotos: SPD/W. Nevenkamp

     < ̈>Schwule SoldatenRosa Listen:Die Reichszentrale für

    Heeres-Sanitätsinspektionen legte 1938Listen von homosexuellen Soldaten an,unterteilt in „Strichjungen“, „J ugendverfüh-rer“ und „gewöhnliche Homosexuelle“.

    Ausmusterungsgrund:Zu viele jungeMänner nutzten offenbar den Vorwand,schwul zu sein, um den Fängen derBundeswehr zu entgehen. Seit einigen Jahren gilt Homosexualität deshalb nichtmehr als generller Ausmusterungsgrund

    Aufstiegschancen: Bei Homosexuellen gehtdie Bundeswehr grundsätzlich davon aus,daß diese für Führungspositionen ungeeig-net sind. Homosexualität untergrabe dieAutorität und könne so im Kampfeinsatzzum Sicherheitsrisiko werden.

    Besonnenheit und die Bereitschaft,sich über den Dienst hinaus für sei-ne Truppe einzusetzen“. Der hoch-dekorierte Spitzensoldat ist jetzt 

     vors Bundesverfa ssungsgericht ge-zogen. Die Karlsruher Richter wer-den entscheiden müssen, ob seinRecht auf freie Entfaltung der Per-sönlichkeit (Artikel 2 GG) und sei-ne Menschenwürde verletzt wurden(Artikel 1 GG) bzw. ob seineZwangsversetzung ein Verstoß ge-

    SPD

    Gleiche Rechte

    in ganz Europa!

    Europawahl

    am 13. Juni 1999   SPD

  • 8/16/2019 0699 Queer

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      Juni 1999Politik8   QUEERInland

    Meckern oderstillhalten?

    Schwule Sozialdemokraten uneins überparteiinterne Vorgehensweise

    Sag mir, wodie Toten sind

    Von Jens Dobler

     < News̈

    Im Januar dieses Jahres wurden in X-Stadt innerhalb weniger Tage zwei homosexuelle Männer umgebracht. Die Tatsituationen lie-ßen den Schluß zu, daß es sich um den gleichen Mörder handelte. Der eine Mord, an einem alleine lebenden Schwulen, wurde ausführlich in der Presse behandelt, es wurde öffentlich gefahndet 

    und die Polizei arbeitete brav mit dem schwulen Anti-Gewalt-Projekt zusammen, wie sie das heute fast immer tut.

    Den anderen Mord aber suchte man in der Presse vergebens. Statt dessen erschien eine Traueranzeige: „Plötzlich und unerwartet starb unserlieber Ehemann, Vater und Großvater“. Dieser Ermordete war verhei-ratet und Vater einer in X-Stadt lebenden populären Lokalberühmtheit. Aus Rücksicht auf die Familie, um einen Skandal zu vermeiden – und weil so was von dem Herrn Y niemand gedacht hätte –, wurde darauf  verzichtet, den Mord überhaupt öffentlich zu erwähnen, geschweige denn,auf den antischwulen Hintergrund hinzuweisen. Der Mord wurde auchnicht an das Bundeskriminalamt gemeldet, was normalerweise geschehenmüßte. Statistisch ist nur ein EINZIGER Schwuler ermordet worden.

    Natürlich ist das nicht neu und wundert uns auch nicht besonders. Angesichts der Art und Weise, wie schwule Männer ermordet werdenund angesichts der Fälle, die den schwulen Überfalltelefonen von ver-steckt lebenden, mit Frauen verheirateten Schwulen gemeldet werden,ist klar, daß wesentlich mehr verheiratete und lokal bekannte Männer(Bürgermeister, Pfarrer, Unternehmer) aus antischwulen Motiven getö-tet oder verletzt werden, dies aber aus falscher Rücksicht nicht gemeldet bzw. von den Betroffenen nicht angezeigt wird.

    Somit bleibt der Schein erhalten. Übrig bleiben jene Opfer, die im

    „Homosexuellenmilieu“ nach „flüchtigen Sexualkontakten“ suchen undim schummrigen Rotlicht oder in stinkenden Toiletten auf „ihren“ Tätertreffen. Denn wer sich bewußt in Gefahr begibt, dem kann man nicht helfen. Die Saubermänner werden aus diesen Bildern retuschiert, damit alles so bleibt, wie es war. Die Schwulen Überfalltelefone dokumentierenGewalttaten an Schwulen, damit es nicht so bleibt, wie es ist.

    < Die Rubrik „Schwulen-Ticker“ ist ein Service des LSVD. Die schwulenÜberfalltelefonehabenfolgende Rufnummern: 192 28 in Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Halle, Köln, Leipzig,Magdeburg, München, Münster undSaarbrücken, (0180) 50192 28 inAachenundBielefeld,216 33 36 inBerlinund28 35 35 inFrankfurt/Main.

     < Schwulen-Ticker̈

    ̂Jens Dobler (LSVD)

    ̂Der niedersächsische Schwuso-Chef Schipporeit hält nichts von Ni-belungentreue zur Bundesregierung

    Von Berti Eversmann

    Hannover/Bonn– Er spricht deut-

    liche Worte, wenn es um die Homo-Politik der Bundesregierung sowieder SPD-Bundestagsfraktion geht.

     Achim Schi ppore it, Vorsitzenderder niedersächsischen SchwulenSozialdemokraten (Schwusos) willnicht länger stillhalten angesichtsder scheinbar zögerlichen Haltungseiner Mutterpartei: „Ich kann nurnoch den Kopf schütteln. Die sit-zen da in Bonn, lassen sich vonSchwulen und Lesben wählen mit dem Versprechen, alsbald einenGesetzentwurf zur eingetragenenPartnerschaft vorzulegen, und ver-trösten uns dann von Monat zu

     Monat.“Bereits Anfang Mai war Schippo-

    reit im „Newsletter“ der SchwusosNiedersachsen die Strukturen in-nerhalb der Regierung scharf ange-

    gangen. „Wo ist die Sprecherin oderder Sprecher der SPD-Bundestags-fraktion für den Bereich schwul-les-bische Gleichstellung? Wer ist dazuständig? Es ist Aufgabe der rot-grünen Bundesregierung und derKoalitionsfraktionen – und nicht der Schwulen- und Lesbenverbän-de – für diese Politik Akzeptanz zuschaffen.“ Eine Forderung, dieSchipporeit gegenüber QUEERnoch einmal bekräftigte: „Die Ja-

     Wort- Kam pag ne des LSV D ist doch das beste Beispiel. Ein Un-ding, daß Schwule und Lesben daselbst Werbung betreiben müssen.“

    Harter Tobak sei das, meint zu-mindest Manfred Bausch, Vorsit-zender des Bundesarbeitskreises derschwulen und lesbischen Sozialde-mokratInnen: „Wir als Bundes-

    Schwusos teilen die Kritik Schippo-reits überhaupt nicht. Für dieBundesregierung gab es wichtigereProbleme als die schwul-lesbischeGleichstellung. Ich halte nichts da-

     von, die Regierung zu prügeln, so-lange diesbezügliche Gesetzentwür-fe noch in Arbeit sind.“ DieBundesjustizministerin Herta Däu-bler-Gmelin habe ihm noch jüngst zugesichert, daß voraussichtlich bis

    zum Oktober der Gesetzentwurf zur schwul-lesbischen Gleichstel-lung die Ausschüsse passiert haben

     werde.Schipporeit jedoch zeigt sich nicht 

    nur enttäuscht von der SPD, son-dern auch von den Bundes-Schwu-sos: „Da geht es doch wieder nurum Loyalität. Wir bekommen vomBundesvorstand null Informatio-nen, wer hier mit wem redet. Ichsehe weder einen schwul-lesbischenGleichstellungsbeauftragten nocheinen Gesetzentwurf in diesem

     Jahr.“Bei der SPD-Bundestagsfraktion

    stieß eine diesbezügliche Anfrageder QUEER   zunächst auf taubeOhren. Erst durch hartnäckigesNachfragen ließ sich die Pressestellezu einer Aussage bewegen: „Es gibt keinen solchen Sprecher und es ist auch diesbezüglich nichts geplant“.Schipporeit dazu: „Still ruht der

    See.“

    Berlin/etz – Am 25. Juni will derBundestag die Debatte um ein zen-trales Holocaust-Denkmal im Her-

    zen Berlins endgültig abschließen.Doch nur zwei der sechs Anträgeräumen auch den homosexuellenNS-Opfern einen Platz ein. Die Al-ternativen: ein Mahnmal für alleoder unterschiedliche Mahnmale für

     jede Opfergruppe.Die Berliner Initiative für ein

    Homo-Monument ist derzeit auf  Tauchstation. Ihr Sprecher Albert Eckert: „Wir arbeiten noch an derDokumentation unserer Veranstal-tung mit dem amerikanischen Histo-riker George L. Mosse vom Dezem-ber 1996.“ Berufliche

     Veränderungen der Hauptakteurehaben die Gruppe einschlafen lassen,Eckert sieht aber eine Chance zur

     Wiederbel ebung. Doch würde ersich auch einem Mahnmal für alleOpfergruppen nicht verschließen:„Ich begrüße es durchaus, wenn jun-ge CDU-Abgeordnete sich für ein

     Mahnmal einsetzen, das z.B. auch dieZwangsarbeiter einbezieht.“ Genaudas will eine kleine Gruppe jungerCDU/CSU-Abgeordneter mit ih-rem Antrag erreichen, der ein Mahn-mal für alle Opfer am Brandenbur-ger Tor vorsieht. Mehr Chancen hat der interfrak-

    tionelle Antrag, den der schwule Ab-geordnete Volker Beck (Grüne) mit-eingebracht hat: Es soll ein reinesHolocaust-Denkmal nach dem über-arbeiteten Entwurf Eisenmans ge-baut werden. Zugleich soll aber einKonzept entwickelt werden, wie „deranderen Opfer des Nationalsozialis-mus würdig gedacht“ werden kön-ne. Auch Elke Leonhard (SPD), Kul-turausschuß-Vorsitzende undInitiatorin des zweiten Antrags für„Eisenman-II“, sieht gegenüberQUEER die Pflicht, unmittelbar

    nach dem Beschluß des Bundestagsalle Verfolgtengruppen in die Erin-nerung zu rufen.

    Unversöhnlich stehen sich weiter-hin die Positionen des Förderkrei-ses um Lea Rosh und des BerlinerRegierenden Bürgermeisters gegen-über: Während Rosh für eine Viel-zahl von Denkmälern für alle Op-fergruppen plädiert, lehnt Diepgen„getrennte Mahnmale im Zentrumder Stadt“ ab. Ganz anders sieht dasder PDS-Fraktionsvorsitzende Gre-gor Gysi: Es könne doch sehr inter-essant sein, wenn bei Staatsbesuchenein Denkmal für die homosexuellenNS-Opfer auf dem Besuchspro-gramm stehe. Und für Ignatz Bubis,den Vorsitzenden des Zentralrats der

     Juden, „spricht überhaupt nichts da-gegen, daß es auch ein Mahnmal fürdie übrigen Opfergruppen gebenkann.“ Vor dem Kulturausschuß des Bun-

    destags wurden allerdings Zweifellaut: Wenn die Diskussion um daszentrale Mahnmal abgeschlossen sei,dann würden andere Opfergruppenes um so schwerer haben, in Zukunft noch Gehör zu finden.

    Entscheidungüber Gedenken

    Werden beim geplanten Mahnmal auch diehomosexuellen NS-Opfer berücksichtigt?

    ̂Homo-Gedenktafel amBerlinerNollendorfplatz Foto: mk 

    T-online: Schwuleunerwünscht?

    München/rz – Wer die MünchenerSelbsthilfegruppe „Schwule/Bise- xuelle Ehemänn er und Väter“ i mInternet besuchen möchte, mußsich noch gedulden. Eine Anmel-dung der Homepage unter der Be-zeichnung „Schwule Väter“ schei-terte zunächst. Nachfragen bei der Telekom ergaben , daß das Wort „schwul“ grundsätzlich gesperrt 

    ist. „Das ist bei uns ein automati-scher Vorgang“, so Jörg Lammers,ein Sprecher d er Telekom. Es h abeschon viele Fälle gegeben, in de-nen das Wort „schwul“ mit ab-schätzigen Bemerkungen kombi-niert wurde. Inzwischen hat sichdie Telekom bereit erklärt , im kon-kret vorliegenden Fall eine Aus-nahme zu machen. Damit wolledie Telekom signalisieren, „daß wir selbstverständlich nich ts dage-gen haben“. An der grundsätzli-chen Praxis will der „rosa Riese“ jedoch nicht s ändern.

    Die schwulen Väter haben mitt-lerweile die Nase voll, sie wollenden Provider wechseln. „Für michist das eine fadenscheinige Ausre-de für Zensur“, so ein Sprecherder Gruppe gegenüber QUEER,„man kann jedes Wort mit einemanderen abschätzigen Begriff 

    kombinieren.“

    Deutschlandhat uns lieb

    München/mk – Zwei repräsentati- ve Meinu ngsum fragen sind im Mai zu höchst unterschi edlichenErgebnissen gekommen, was dieHaltung der Deutschen gegen-über Schwulen und Lesben an-geht. Während eine Forsa-Umfra-ge eine hauchdünne Mehrheit gegen die Homo-Ehe ergab, ver-meldete FOCUS am 17. Mai, daßmit 54 % eine große Akzeptanz fürschwule und lesbische Paare be-steht. In der Altersgruppe bis 34 Jahre pläd ierten sog ar 77% dafür,daß „homosexuelle Paare heiratendürfen und damit die gleichenRechte erhalten wie heterosexuel-

    le Ehepaare“.

    Homos auf demKirchentag

    Stuttgart/ md – Bei der Vorberei-tung des Evangelischen Kirchen-tages (16.-20.6. in Stuttgart) hat die ökumenische Arbeitsgruppe„Homosexuelle und Kirche(HuK)“ mit unerwarteten Schwie-rigkeiten zu kämpfen. Grund ist die kurzfristig erfolgte Kündigungdes geplanten Veranstaltungsortesin der Grundschule Ostheim. DasSchulverwaltungsamt begründeteden Schritt mit der beabsichtigten Ausdehn ung des Veranstaltungs -programmes in den Abend und verwies auf Schwierigk eiten, die

    die Schule früher mit „Randgrup-pen“ wie z.B. Drogendealern ge-habt habe.

    Inzwischen hat die HuK mit demGemeindezentrum der Kaltentaler Thomaskirche einen neuen Veran-staltungsort gefunden, der jedochdeutlich kleiner ist. Angebotsbe-schränkungen könnten deshalbnicht ausgeschlossen werden.

    Dyba „entgleist“Berlin/mk – In der ARD-Talkshow „Sabine Christiansen“ hat der ka-tholische Erzbischof JohannesDyba für einen Eklat geso rgt. „Vor20 Jahren waren wirklich nur Gei-stesgestörte der Ansicht, Gleich-geschlechtliche könnten eine Fa-milie bilden“, so Dyba vorlaufender Kamera. Das Saalpubli-kum reagierte mit Pfiffen undBuh-Rufen. Auch die anwesendenPolitiker distanzierten sich umge-hend. Der Lesben- und Schwulen- verban d in Deutschland (LSVD)nannte Dybas Äußerungen eine„schwere Entgleisung“ und forder-te die katholischen Bischöfe auf, ihre„Diffamierungen“ von Homosexua-lität einzustellen und zur Sachlich-

    keit zurückzukehren. Ein Ge-sprächsangebot des LSVD liege seit geraumer Zeit auf dem Tisch.

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    Ausland 9QUEER  Juni 1999

    Stell Dir vor esist Wahl, und ...... kaum eine(r) geht hin: Was deutscheParteien im Europawahlkampf über Schwule

    und Lesben zu sagen haben

    Von Michael Lenz

    Am 13. Juni sind die BürgerIn-nen Europas zur Wahl desEuropäischen Parlamentes(EP) aufgerufen. Doch in denWahl pro gra mmen der Pa rte ientauchen Schwule und Lesben nuran wenigen Stellen auf. Absolu te Fehlanz eige vor allem

    bei CDU/CSU und F.D.P.. EinSprecher der F.D.P. bemühte sichgegenüber QUEER   jedoch umSchadensbegrenzung. Die F.D.P.habe maßgeblich dazu beigetragen,daß der Anti-Diskriminierungs-Ar-

    tikel 13 dem EU-Vertrag hinzuge-fügt worden sei und man werde sichintensiv für die Umsetzung der Be-stimmungen einsetzen. Zurückhal-tender äußerte sich da Martin Her-diekerhoff, Vorstandsmitglied derLesben und Schwulen in der Uni-on (LSU). Er könne sich nicht vor-stellen, daß CDU/CSU entspre-

    chende Aussagen in ihren Wahl-programmen getroffen hätten.Und die LSU selbst stelle auch kei-ne homopolitischen Forderungenzur Europawahl. „Wir sind nochein junger Verband und unsere de r-zeitige Priorität ist es, Anerken-nung innerhalb der Union zu fin-den“, so Herdiekerhoff.

    PDS und Bündnis 90/Die Grü-nen hingegen ziehen auch mit schwul-lesbischen Aussagen in den

     Wahlkampf. Noch gebe es in derEU zwar keinen durchgängigenStandard zum Schutz von Minder-heiten, klagen die Grünen in ihrem

     Wahlprogramm, abe r der vor fünf  Jahren vom Europapar lament ge-billigte Entschließungsantrag zurGleichberechtigung von Schwulenund Lesben („Roth-Report“) habegezeigt, daß die EU Schrittmachereiner Antidiskriminierungspolitik sein könne. Jetzt gelte es, den Ar-tikel 13 des EU-Vertrages konse-

    quent in verbindliche Regelungenumzusetzen. Auch die PDS bezi eht sich auf 

    den „Roth-Report“ und will sichfür die „gleichberechtigte Aner-kennung aller Lebensformen undLebensgemeinschaften einsetzen“,sollte sie erstmals bei einer Euro-pawahl den Sprung über die 5%-Hürde schaffen. Wenig Verbindl iche s hört man

    dagegen von der SPD, die ihrenHessen-Schock noch nicht über-

     wunden hat. In ihrem „Manife st 

    für die Europawahlen“ findenschwul-lesbische Belange keine Er-

     wähnung. Di e Wahlkampfzentral e ve rs ic he rt e ab er ge ge nü be rQUEER, dies habe nichts zu sagen,die „sozialdemokratischen Grund-sätze“ würden auch i m Europapar-lament vertreten.

    Glaubt man den jüngsten Mei-nungsumfragen, so muß rot-grünmit erheblichen Verlusten rechnen.Der erste nationale Stimmungstest nach der Bundestagswahl gilt als

     willkom mene Gelegenheit, den inBonn Regierenden einen Denkzet-tel zu verpassen. Kippt die „linke“

     Meh rhe it im Eur opa par lam ent ,dann könnte das für Schwule undLesben allerdings einen schwerenRückschlag bedeuten. Obwohl sichdas Abstimmungsverhalten im Eu-ropaparlament nicht an den ge-

     wohnten Partei- und Fraktionsl i-nien orientiert, haben diekonservativen Kräfte in den letz-ten Jahren doch wenig Neigunggezeigt, sich überhaupt um schwul-lesbische Belange zu kümmern. Obder Artikel 13 des EU-Vertragesdann noch mit Leben erfüllt wird,steht in den Sternen.

    Bomben gegen Schwule?In einem Brief verlangt die serbische Gruppe „Campaign againstHomophobia“ einen Stopp der NATO-Luftangriffe auf J ugoslawien

    Ende Mai erreichte unsere Re-daktion eine eMail aus Ser-bien, die zu Beginn derNATO-Angriffe von Dusan Malj-kovic und Dejan Nebrigic, zweiAktivisten der serbischen Schwulen-bewegung geschrieben worden ist.Die von ihnen initiierte „Kampagnegegen Homophobie“ hat es sich zurAufgabe gemacht, schwulenfeindli-che Vorfälle zu beobach-ten und darauf auch zureagieren. Den Appell derdirekt Betroffenen, dieLuftangriffe zu stoppen,wollen wir an dieser Stel-le dokumentieren:

    »Die „Kampagne ge-gen Homophobie“, einZusammenschluß derGruppen „EuropeanYouth Association of Ser-bia“, „Gay Lobby Arca-dia“ und „HumanitarianLaw Fund“ ist verärgert über die Attacken derNATO. Durch diesesVorgehen hat d ie NATOeine Situation herbeigeführt, dieeinzig und allein Milosevics kom-munistisch-faschistisches Regimestärkt und den Terror gegen dieKosovo-Albaner wie gegen jede auf-richtige Opposition in der Republik Serbien direkt befördert.

    Die Koordinatoren der „Kampa-gne gegen Homophobie“ sind per-

    Opposition. Auch unsere Aktivi-

    täten sind wegen derBombardierungenkomplett eingestellt 

     worden, da es in die-ser Situation unmög-lich ist, gegen das Re-gime von Milosevic zukämpfen oder Men-schenrechte für sexu-elle Minderheiteneinzufordern.

    In aller Schärfe ver-urteilen wir das serbi-

    sche Regime, das einzigund allein verantwortlichist für die gegenwärtigeSituation. Genauso verur-teilen wir die NATO, dieunsere Aktivitäten unter-miniert und unser Lebengefährdet. Wir sind ge-zwungen, das Gebiet zu

     verlassen, in dem die An-griffe stattfinden. Die„Kampagne gegen Ho-mophobie“ unterstützt 

     jede Aktivität, die zu ei-ner friedlichen Lösung und zurHerbeiführung demokratischerStrukturen führt, lehnt aber jeden

     Akt von Gewalt und antidemokra-tischen Verhaltens ab – egal ob es

     vom serbischen Regime oder vonder NATO her kommt.«Belgrad, den 26. März 1999

    sönlich gefährdet durch diese Angrif-fe – sowohl durchdie NATO-Bomben

     wie auch durch dieRachegelüste derBevölkerung unddurch die Polizei,die uns verdächtigt,

     wir seien amerikani-

    sche Spione. Das behaupten sie vonallen Menschen in der Republik Serbien, die für die Demokratiekämpfen. Wegen der NATO-Attak-ken ist jede Aktivität in Sachen De-mokratisierung des Landes zumErliegen gekommen. Die Bomben,die hier niedergehen, richten sichsomit – paradoxerweise – gegen die

    ̂NATO-Bomben auf die Zivilbevölkerung: Schwule in Ser-bien geraten dadurch zusätzlich unter Druck Foto: SUC

    ̂Am13. Juni wird das neue Europaparlament gewählt. Ein Blick auf die Pla-kate der Parteien verrät aber: Es wird auch über den Frieden bzw. die bishe-rigen Leistungen der Bundesregierung abgestimmt Fotos: WWW

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    10   QUEERReport / LeserInnenbriefe  Juni 1999

     < LeserInnenbriefë

    London nach der BombeVon Jörg Schulze

    Wichtigtuer”, war meinerster Gedanke, als ichkurz nach den Bomben

     von Bri xto n am 17 . April und dem East End am 24.eine eMail bekam, in der der Au-tor behauptete, über geheim-dienstliche Kontakte zu verfügenund daher die Schwulenszene voreinem möglichen Anschlag war-nen zu müssen. Am Donnerstagdarauf erscheint das Pink Paper,ein landesweites schwul-lesbisches

     Anz eig enb la tt, mit ebe n die ser Warnung auf der Titels eite. Undeinen Tag später explodiert diedritte Nagelbombe innerhalb vondrei Wochen – im Admiral Dun-can, einer zwar stets belebten, aberinsgesamt eher unscheinbarenHomobar in der schwulsten Stra-ße Sohos, der Old ComptonStreet.

    Das Ausmaß der Greueltat  wird klar, als eine Stunde spä-ter die ersten Fernsehbilderaus Soho kommen: Blut überall auf der Straße,Schwerverletzte werden not-dürftig versorgt und in alleumliegenden Krankenhäusereinge- liefert, da, wo mal die Knei-pe war, ist jetzt nur noch ein schwar-zes Loch. Drei Menschen kostet der

     Anschlag das Leben, und noch heu-te sind einige Schwerverletzte imKrankenhaus. Am gleichen Abend

     wurden flughafen ähnliche Sicher-heitskontrollen beim Einlaß inClubs und Bars eingeführt – jederhatte vollstes Verständnis. Allgemei-ne Ratlosigkeit und Wut am Frei-tag – einen Tag später schlossen sichSchwule einer bereits zuvor geplan-ten Anti-Nazi-Demonstration vonBrixton zur Downing Street an, de-ren Route nun auch Soho einschloß.

    Innenminister Jack Straw emp-fängt Vertreter der schwul-lesbi-schen „Pressure Group Stonewall“,und erklärt, die Polizei werde allesunternehmen, um die Täter zu fas-sen und Minderheiten zu schützen.

     Am Sonnt ag dann eine Kundge-

    bung auf dem Soho Square unweit der Old Compton Street, zu der derStaatsminister im Innenministeri-um, Paul Boateng, erscheint undden mehr als 2.000 Teilnehmern„im Namen unserer Regierung”sagt, nichts sei bei der von ihr an-gestrebten gerechten und toleran-ten Gesellschaft so wichtig wie mit allen Mitteln sicherzustellen, daßdiese Gesellschaft ihren „inklusi-

     ven” Charakter wahrt. Beifall, als Jo Kaye von der Metropolit an Po-lice auf die Rednertribüne geht, umzu sagen, daß die Polizei den Tä-ter gefaßt hat.

    Eine ganze Straße wurde in derOrtschaft Cove in Hampshire eva-kuiert, als die Polizei um zwei Uhrmorgens den 22jährigen Klima-techniker David Copeland fest-nahm. Nachbarn sagten, daß er inCove ein weithin Unbekannter

     war, der nicht am sozialen Lebenteilnahm. Einer erzählt, Copeland

    habe sich öfter mit Freunden ge-troffen, die alle Iron-Maiden T-Shirts trugen und so aussahen, alsseien sie in einer Heavy-Metal-Band. Erleichterung über Festnah-me und Anklage – aber ist der Spuk 

     jetzt vorbei?Die Polizei sagt, sie sei sich si-

    cher, daß Copeland die Bombenallein gebastelt und auch allein ge-legt hat – er habe dabei keine Kom-plizen gehabt. Das bedeutet abernicht notwendigerweise, daß erkeinen rechtsextremen Hinter-grund hat. Und fest steht, daß eshier Grüppchen gibt, die sich die

     Attentat e zuminde st gern auf dieFahnen geschrieben hätten. Daszeigte sich nach dem Bombenan-schlag in Brixton, als gleich viersich bei der Polizei meldeten unddie Verantwortung übernahmen.

    Die rechte Szene in Großbritan-

    nien ist klein – am legalen Randrechts außen die British NationalParty, die aber nur eine zu vernach-lässigende Zahl an Stimmen be-kommt. Die bekannteste militanteGruppe ist Combat 18 – achtzehndeshalb, weil die Anfangsbuchsta-ben Adolf Hitlers an erster undachter Stelle im Alphabet stehen.Daneben gibt es eine Reihe von

     winzigen Splittergruppen, allesamt  Abspaltungen von Combat 18, wiedie nach dem Anschlag von Brixtonerstmals in die Schlagzeilen gerate-nen Weißen Wölfe. Die Polizei ist sich aber darüber im klaren, daß diegeringe personelle Stärke nicht be-deutet, daß von diesen Gruppenkeine Gefahr ausgeht.

    Stonewall berichtet, daß amSamstag vormittag unmittelbarnach der Bombe in zwei Stundenso viele homophobe Anrufe ein-gingen wie seit Beginn des Jahres.Deshalb, so Angela Mason, Vor-

    sitzende von Stonewall ,müsse man nicht nur dieBombenanschläge aufsSchärfste verurteilen, son-dern darüber hinaus die Re-gierung drängen, längst überfällige Gesetzesänderun-gen endlich durchzusetzen,

     wie die Senkung des sogenanntenSchutzalters und die Abschaffungder „Section 28”, die es öffentlichenEinrichtungen wie Schulen und Bi-bliotheken verbietet, für Homose-

     xualität zu „werben”. Ähnliche Forderungen auch von

    der Aktionsgruppe Outrage, deren Vorsitzender Pet er Tatchell bei ei-ner Mahnwache eine Woche nachdem Anschlag Baroness Young, diedie Senkung des Schutzalters imOberhaus blockiert hat, indirekt fürden Bombenanschlag verantwort-lich macht: „Baroness Young hat den Haß geschürt, der Bombenle-ger hat die Sicherung durchbrennenlassen.“

    Das Spektrum derjenigen, die andieser Mahnwache teilnehmen, ist bemerkenswert: Es reden Vertreter

     von Antirassismusgruppen, asiati-schen, schwarzen, jüdischen und

    schwul-lesbischen Organisationen,und betonen, daß die Gesellschaft als ganze und jeder einzelne betrof-fen ist. Ken Livingstone, aussichts-reichster Kandidat für das neu ge-schaffene Amt des LondonerBürgermeisters, fordert dazu auf,den Rassismus zu besiegen, undSongwriter Tom Robinson führt eine aktualisierte Version von „Gladto be gay“ auf. Es scheint, daß sich

     Angehörige der von den jüngstenBombenanschlägen betroffenen

     Minderheiten der Tatsache bewußt  werden, daß es viel Einendes gibt –auch wenn das im Moment im we-sentlichen der gemeinsame Feindist.

    Die Londoner Polizei, jüngst in einem Bericht über„Pannen“ im Zusammen-hang mit Ermittlungenbeim Mord an dem schwarzen

     Teenag er Stephen Lawre nce mit dem Vorwurf des „institutionellenRassismus“ konfrontiert, legt essehr darauf an, zu belegen, daß siesich grundlegend gewandelt hat. Esist die Polizei, die nach den Bom-benanschlägen Vertreter der ver-schiedenen Minderheiten zusam-menbringt.

    Kurz vor der Europawahl unter-stützen sowohl Stonewall als auchOutrage den Protest der Nationa-len Sammlungsbewegung gegenRassismus – gegen die Ausstrah-lung eines Wahlspots der BritishNational Party. Als ich Mark Wat-son von Stonewall frage, ob das

     vor einem Jahr auch schon passie rt  wäre, meint er: „Wahrschei nlic h,aber es stimmt durchaus, daß dieBomben unser Bewußtsein für die-se Zusammenhänge geschärft ha-ben.“

    ̂ Dritte Nagelbombe innerhalb von drei Wochen: BeimAnschlag auf die Homobar „Admiral Duncan“wurden drei Menschen getötet Foto: dpa

    Es ist die Polizei, die nach denBombenanschlägen Vertreter

    der verschiedenen Minderheitenzusammenbringt.

     Jörg Schulze lebt inLondonundarbeitetals Redakteur beimWorldService der

    BBC. >

    Großbritanniens Schwulen- und Lesbengruppen machen konservative Politiker indirekt für den Anschlag auf die Szenebar „Admiral Duncan“ verantwortlich

    Platte PauschalierungenZum Artikel „Wenn Homos ihre Tage haben – Über die Schwierigkeiten schwul-lesbischer Messen“ von Matthias Ordolff in Queer  April 1999, Wirtschaft

     Wer benötigt denn unbedingt einen schwulen Herrenausstatter oderFrisör? Die meisten von denen sind eh schwul und überhaupt, was geht michdie sexuelle Orientierung von Dienstleistern an, wenn ich mir z.B. einen Anzug kaufen will? Wenn angeblich „Schwule anders kaufen“ oder „Schwuleanders verreisen“, würde mich mal interessieren, was damit überhaupt gemeint ist. Überall Cruising Areas gewünscht? Von solch platten Pauscha-lierungen leben höchstens die Talkshows, die täglich laufen. André Krohme,Bremen

    Österreich müßte man auchbombardierenZum Artikel „Serbien: Kein Eldorado für Schwule und Lesben“ von Marc Kersten inQueer  Mai 1999, Politik

    Daß Homophobie in der Bundesrepublik Jugoslawien weit verbreitet ist, wird stimmen und ist betrauerns- und sicher auch verändernswert, dochdafür bedarf es keiner NATO-Bomben. Denn die müßte man dann auch auf ganz viele andere Länder Südosteuropas werfen, egal ob sie Bulgarien,Rumänien, Makedonien, Kroatien oder auch Österreich heißen mögen.Immerhin gab es vor Kriegsbeginn schon zarte Pflänzchen einer schwulenEmanzipationsbewegung in Belgrad. Die wurden – mitsamt den vielenanderen zarten Pflänzchen – von den NATO-Bombardements in Grund undBoden gestampft. Jetzt zählt für die Menschen dort nur noch das Überleben. Wem die Bomben um die Ohren fliegen, wem die Lebensgrundlage unterden Füßen weggerissen wird, für den ist die Frage seiner sexuellen Orientie-rung nur noch von nachrangiger Bedeutung. Marcel de Jong, Düsseldorf 

    Facette wird nicht eingestelltZum Artikel „Blickpunkt statt FACETTE“ von Hakan Nitz in Queer  Mai 1999,Ausgabe NRW

    Richtig ist, daß auf einer im April einberufenen außerordentlichen Mitgliederversammlung über die Zukunft der vereinseigenen Zeitung

    „Facette“ entschieden wurde. Richtig ist auch, daß sich im Vorfeld eine „neueRedaktion“ gefunden und sich bereit erklärt hatte, bis zur Versammlung Vorschläge zu erarbeiten, die den Fortbestand der Vereinszeitung sichernsollten. Nicht richtig ist, daß im Rahmen der außerordentlichen Mitglieder- versammlung beschlossen wurde, die seit 10 Jahren existierende „Facette“einzustellen und durch eine neue Zeitung mit dem Namen „Blickpunkt“ zuersetzen. Nicht richtig ist außerdem, daß der Rücktritt der alten „Facette“-Redaktion aufgrund persönlicher Querelen erfolgte. Christiane Vogt,Pressesprecherindes LuSZDe.V., Düsseldorf 

    Deutsche HIV-Hilfe nicht seriösZur Meldung „Deutsche HIV-Hilfe in MG“ in Queer  Mai 1 999, Ausgabe NRW

    Um möglichen Mißverständnissen anläßlich der durch die Deutsche HIV-Hilfe e.V. geplanten Fachtagung zum Thema HIV und AIDS vorzubeugen,die am 30.05.1999 in Mönchengladbach stattfinden soll, möchten wirfolgendes klarstellen: Die AIDS-Hilfe Mönchengladbach/Rheydt e.V. ist  weder an der Planung noch an der Organisation dieser Veranstaltungbeteiligt und wird die Fachtagung auch nicht mit durchführen. Außer dem -offensichtlich auch allen anderen AIDS-Hilfen zugesandten - offiziellenEinladungsschreiben auf Briefpapier von „Pro-ActHIV“ liegen uns keine weiteren Informationen vor. Was die Deutsche HIV-Hilfe e.V. betrifft, verweisen wir auf die offizielle Stellungnahme der Deutschen AIDS-Hilfee.V. vom 12.03.1999: „Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. [...] stellt fest: DieDeutsche HIV-Hilfe ist keine Einrichtung und kein Projekt unseres Verbandes. Es liegen keine Erkenntnisse über die Arbeit der Deutschen HIV-Hilfe vor. Ob das Projekt einen eigenen Rechtsstatus besitzt, ist uns nicht bekannt und es besteht auch keine Kooperation mit der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. Die Deutsche HIV-Hilfe ist u.E. nicht als seriöser Verbandanzusehen.“ Das Teamder AIDS-Hilfe Mönchengladbach/Rheydt e. V.

    Betroffener als die BetroffenenZum Artikel „Grazer Provinzposse“ von Christian Scheuß in Queer  Mai 1999,Ausgabe Bayern

     Wenn eine Christin Stationen aus dem Leben Jesu fotografisch in einemles-bi-schwulen L(i)ebensumfeld inszeniert, um so die christliche Frohbot-schaft aus ihrer persönlichen Erfahrung und in einem zeitgemäßen Kontext künstlerisch anderen weiter zu vermitteln, meint Rainer Ferrares, Sachbear-beiter für gleichgeschlechtlich l(i)ebende Männer an der ÖH der Universität Graz, es sei „unvereinbar mit seinem Gewissen, dies den Studenten auf unserer Uni zuzumuten“. Anderer Meinung ist offenbar die christlicheÖffentlichkeit, wie die konstruktive und letztendlich positive Bewertung der Ausstellung (nicht nur) in den entsprechenden Medien (Orientierung) zeigt.Hier wurde kein schnelles Urteil vorab gefällt: In einer menschlichen undreflektierenden Auseinandersetzung mit den anderen, den nächsten konntesich mensch/christIn eine eigene Meinung bilden. „Dies“ können wir ohne

    schlechtes Gewissen als einen christlichen Umgang miteinander gutheißenund hoffen, daß uns ähnliches noch öfter „zugemutet“ werden wird. Wirschreiben das Jahr IV von „Wien ist andersrum“. Ganz Graz ist andersrum. Andersrum, ganz Graz? Nein,...ChristianGrad, RosaLila PantherInnen,Steiermark 

    Queer -Taxi in München„Der begeisterte Leser Gunter fährt für Euch Reklame“. Mit diesen

     Worten erreichte uns aus München per eMail ein Bild, von dem wir ebensobegeistert sind: Taxifahrer Gunter ist uns derart treu, daß er die Idee hatte,unser Logo samt Slogan auf seinen Benz zu kleben. Herzlichen Dank für diesePromotion, von selber wären wir gar nicht auf so eine Idee gekommen...

  • 8/16/2019 0699 Queer

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     Juni 1999 Ratgeber 11QUEER

     < Finanzratgeber̈

    Lukrative Aktiendepots10. Teil – Wenn sich Fachleute um das Vermögen kümmern

    ̂Petra Göttel ist Wirtschaftsbera-terin bei „Pride Finance“ Foto: ua

     < Wirtschafts-Tip̈

    ̂Günther Dickhoff, Chef der „GayVersicherung“ Foto: privat

    Neu imBerufslebenDas kleine Lexikon der Finanzbegriffe erklärt die Grundlagen – Teil II

    Von Günther Dickhoff 

    Gerade Arbeitnehmer-Neulin-ge haben oft Probleme, sichmit dem Lohn- und Gehalts-Kauderwelsch zurechtzufinden. Da-her hier der zwei te Teil unseres Lexi -kons. Was ist eigentlich?

    SolidaritätszuschlagUm den wirtschaftlichen Aufbau in

    den neuen Bundesländern zu unter-stützen, wird seit dem 1. Januar 1993

     von allen Berufstätigen der Solidari-tätszuschlag verlangt. Er beträgt mo-mentan 5,5 Prozent der Lohnsteuerund wird direkt vom Arbeitgeber andas Finanzamt überwiesen.

    SonderausgabenSonderausgaben sind die Kosten der

    privaten Lebensführung, die zum Ab-zug von der Steuer zugelassen sind.Dazu zählen zum Beispiel Vorsorgeauf-

     wendungen, Kirchensteuer, Steuerbe-ratungskosten, Spenden an gemeinnüt-zige und kulturelle Einrichtungen und

     Ausgaben für Berufsausbildung oder Weiterbildung in einem nicht ausgeüb-ten Beruf.

    In die Lohnsteuertabellen werden so- wohl für Vorsorgeaufwendungen alsauch für sonstige Sonderausgaben Pau-schalen eingerechnet. Ausgaben, die die-

    se Pauschalen übersteigen, können biszu bestimmten Höchstbeträgen zusätz-lich geltend gemacht werden.

    Steuerfreier Grundbetrag Wenn das zu versteuernde Einkom-

    men von 1998 unter dem Grundfrei-betrag von 12.365 Mark (SteuerklasseI) liegt, sind keine Steuern fällig. Bereitsbezahlte Steuern werden vom Finanz-amt gegebenenfalls zurückerstattet. Dain Steuertabellen die Pauschbeträge für

     Werbungskosten, Vorsorgeaufwendun-gen und sonstige Sonderausgaben be-reits eingerechnet werden, ergibt sichein steuerfreies monatliches Bruttoge-halt von 1.507, 65 Mark (SteuerklasseI). Ausbildungsvergütungen liegen häu-fig unter diesem Betrag, das heißt, hier

     wird von vornherein keine Lohnsteuer,keine Kirchensteuer und kein Solidari-tätszuschlag einbehalten. Für das Jahr1999 sind bis zu einem zu versteuern-den Einkommen von 13.067 Mark (Steuerklasse I) keine Steuern fällig. Je-der Arbeitnehmer wird, je nach Famili-enverhältnissen und Verdienst, in eineSteuerklasse von I bis VI eingestuft. DieHöhe der Lohnsteuer hängt von dieserSteuerklasse und von der Höhe des Ge-halts ab. Für ledige oder geschiedene Ar-beitnehmer gilt zum Beispiel die „teu-erste“ Steuerklasse I. Verheiratete

     Arbeitnehmer können zwischen Steu-erklasse IV / IV oder III / V wählen. Jenach Verdienstsituation der beiden Ehe-partner.

    SteuertabelleIn Lohnsteuertabellen ist für jedes

    monatliche Bruttogehalt festgelegt, wieviel Lohnsteuer, Kirchensteuer undSolidaritätszuschlag der Arbeitgeberdirekt an das Finanzamt abführen muß.In diese Steuertabellen werden bereitsder steuerfreie Grundbetrag und diePauschalen für Werbungskosten undSonderausgaben eingerechnet. In denEinkommensteuertabellen hingegen ist für jedes zu versteuernde Jahreseinkom-

    men die fällige Einkommensteuer fest-gelegt.

    Vorsorgeaufwendungen Vorsorgeaufwendungen gehören zu

    den Sonderausgaben und umfassen dieBeiträge zu den gesetzlichen Sozialver-sicherungen sowie z.B. zu privatenKranken-, Pflege-, Unfall-, Haftpflicht-und Lebensversicherungen. Sie könnenbis zu bestimmten Höchstbeträgensteuerlich geltend gemacht werden.

    WerbungskostenHatte man im Laufe des Jahres Aus-

    gaben zur „Erhaltung und Sicherungdes Arbeitsplatzes“, dann werden dieseunter bestimmten Voraussetzungen als

     Werbungskosten vom zu versteuern-den Einkommen abgezogen. Dadurch

     vermindert sich häufig auch die Ein-kommensteuer. Werbungskosten kön-

    nen zum Beispiel Ausgaben für Bewer-bungen, für Fahrtkosten zum Betrieboder auch eine doppelte Haushaltsfüh-rung sein. Für jeden Arbeitnehmer gilt automatisch ein Pauschalbetrag von2.000 Mark. Sind mehr Werbungsko-sten angefallen, können diese gegenNachweis zusätzlich abgesetzt werden.

    < Dieser Wirtschaftstipist einService der GayVersicherung G. Dickhoff, Postfach2019, 46354Südlohn, Tel. (02862) 8750, Fax (02862) 8078

    Von Petra C. Göttel

    D

    ie Anlageform „Aktiendepot- vermögensverwaltung“ hat sichmittlerweile bei meinen Klien-

    ten zum „Renner“ entwickelt. Das Prin-zip ist ähnlich dem Investmentfonds-prinzip die „Übertragung derEntscheidungen auf Profis“, hat aber ei-nige Unterschiede. Die Gelder, die an-gelegt werden sollen, verbleiben in derRegel auf dem eigenen Aktiendepot-konto (das gegebenenfalls neu eröffnet wird). Die Depotmanager entscheidensowohl über den Kauf von bestimmtenAktien, deren Käufe sie dann auchdurchführen, als auch über den Verkauf,den sie ebenfalls durchführen. Ein Vor-teil für die AnlegerInnen, die sich etwasmehr für ihre Aktienanlage interessie-ren: Da sich alle Käufe und Verkäufeauf dem eigenen Konto „abspielen“,kann dies genau nachvollzogen werden.

    Es gibt einige Depotverwaltungen auf dem Markt. Die Erfolge sind allerdingssehr unterschiedlich. Eine sehr guteDepotverwaltung ist bei Banken meist erst ab zirka 250.000 Mark zu bekom-men, bei Schweizer Banken eher ab500.000 Mark. Es gibt auch Depotver-waltungen, die nicht nur wegen ihrerenormen Renditen sehr interessant sind,sondern auch wegen der Möglichkeit,schon ab 20.000 Mark davon profitie-ren zu können.

    Die Renditen liegen meist zwischenzehn und 20 Prozent, zum Teil lagensie in der Vergangenheit auch weit dar-über. Interessant sind besonders dieDepotverwaltungen, die sich schon auf den nächsten sogenannten „Mega-trend“ spezialisiert haben: die Rohstof-

    fe. (Der letzte Megatrend war die Soft- ware/Informationstechnologie, ich nen-ne beispielhaft nur Microsoft undSAP...).

    Die Honorierung erfolgt meist nebeneiner Kontoverwaltungsgebühr (etwa

    ein Prozent pro Jahr) über ein vorherschriftlich fixiertes Erfolgshonorar, alsoeinen Anteil am erwirtschafteten Ge-

     winn. Meist ist auch ein einmaliges„Agio“ als Vermittlungsgebühr für denBerater fällig. Die Laufzeiten sind sehrunterschiedlich und können entwederbeliebig kurz oder lang sein, oder (jenach Anlagestrategie der Manager) ei-nen ungefähren Zeitraum umfassen(zum Beispiel zwei Jahre). Die Verfüg-barkeit ist ebenfalls unterschiedlich,meist aber so gestaltet, daß für Notfälledes Anlegers die Gelder flüssig gemacht 

     werden können.Das zusätzlich Lukrative an Aktien ist 

    neben der „Sachwert-Sicherheit“ undden guten Renditen noch ein anderer

     Aspekt: Die Kursgewinne zwischen An-und Verkauf, sofern die Zeitspanne län-ger als ein Jahr beträgt – früher warenes sechs Monate – (die „Spekulations-frist“), sind steuerfrei!

    Lediglich Dividenden und kurzfristi-ge Gewinne müssen versteuert werden(sofern der Freibetrag von 6.100 Mark als LedigeR überschritten wird oder dieFreigrenze von 1.000 Mark überschrit-ten wird). Diese Erträge machen aberbei Fonds wie bei den Depotverwaltun-gen nur einen geringen Anteil von biszu fünf Prozent aus.

    Da der Sparerfreibetrag ab dem näch-sten Jahr auf 3.000 Mark (plus 100 Mark 

     Werbekostenpauschale) halbiert wird,macht es in vielen Fällen bei größerenGeld-Beträgen Sinn, diese von Festgel-dern, Bundesanleihen und ähnlichemauf steuerfreie Aktienanlagen umzu-schichten. Zudem sind die Banken seit dem 1. Januar 1999 verpflichtet, auto-matisch alle Zinszahlungen den Finanz-ämtern mitzuteilen – der Sparer ist nun

     vollkommen gläsern und sollte bessernicht mehr schummeln!

    Das Kursschwankungs-Risiko kannminimiert werden, indem die Anlage-gelder und monatlichen Sparraten auf FLV oder Investmentfonds und Depot-

     verwaltung verteilt werden. Wer möch-te, kann auch die Direktanlage mit ein-beziehen.< Pride Finance – Petra C. Göttel Wirtschafts-beratung, Höninger Weg 100-100a, 50969Köln,Tel. (0221) 36 80-500, Fax (0221) 36 80-505. BüroStuttgart: Nägelestr. 8, 70597Stuttgart, Tel.(0711) 726 28 31, Fax (0711) 726 28 20, Handy(0171) 89966 00, eMail: [email protected], In-ternet: http://www.pride.de

    Einzug des Partners:Was sagt der Vermieter?Nur in Sonderfällen kann der Vermieter die Zustimmung verwehren

    Von Markus Danuser

    Endlich ist die Situation da.Nach einem halben Jahr sindPeter und Paul fest entschlos-sen, ihre Beziehung richtig ernst wer-den zu lassen. Die beiden wollen zusam-menziehen. Paul hat eine großeWohnung und Peter wollte sowiesoschon lange aus seiner Studentenbuderaus. Nur: Unter welchen Voraussetzun-gen ist es überhaupt möglich, den Part-ner in die eigene Wohnung aufzuneh-men ?

    Grundsätzlich bedarf die „Gebrauchs-überlassung an Dritte“, so die gesetzli-che Formulierung in § 549 Abs. 1 BGB,der Zustimmung des Vermieters. Diesgilt nicht für Ehegatten, andere nahe Fa-milienangehörige oder Pflegepersonen,da diese nach der Rechtsprechung nicht 

     < Recht & Gesetz̈

    Dritte im Sinne des Gesetzes sind. Part-ner einer eheähnlichen oder einergleichgeschlechtlichen Lebensgemein-schaft fallen nicht unter diese großzü-gige Auslegung, für sie gilt zunächst alsoder Zustimmungsvorbehalt.

    Unter bestimmten Voraussetzungenhat der Mieter gem. § 549 Abs. 2 BGBaber gegenüber dem Vermieter einen

     Anspruch auf die Erteilung der Erlaub-nis zur Aufnahme eines Dritten in die

     Wohnung. Dafür muß er zunächst einberechtigtes Interesse am Einzug desDritten haben, das nach Abschluß des

     Mietvertrages entstanden sein muß. Alsberechtigt ist dabei nach der Rechtspre-chung jedes Interesse des Mieters vonnicht ganz unerheblichem Gewicht an-zusehen, das mit der geltenden Rechts-und Sozialordnung in Einklang steht.Der Entschluß, mit seinem Partner inGemeinschaft leben zu wollen, begrün-det immer ein solches berechtigtes In-teresse.

    Der Vermieter kann sein Einver-ständnis jetzt nur noch verweigern,

     wenn in der Person des Einziehendenein wichtiger Grund vorliegt, der

     Wohnraum durch den Einzug übermä-ßig belegt würde oder ihm dies sonst nicht zugemutet werden kann. Stren-ge Moralvorstellungen des Vermietersberechtigen ihn nicht zur Verweige-rung des Einverständnisses. Der Bun-desgerichtshof hat dazu eindeutig fest-gestellt, daß auch das Zusammenlebenmit einem Partner gleichen Ge-schlechts mit der Rechts- und Sozial-ordnung in Einklang steht.

    < Markus Danuser ist Rechtsanwalt inder Köl-ner Kanzlei Danuser &Luckhaus, Kaiser-Wilhelm-Ring 27-29, 50672 Köln, Tel. (0221) 569 4120

    ̂Markus Danuser ist Rechtsanwaltin Köln Foto: privat

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     J uni 1999 KulturQUEER ✆ (0221) 579 76-0  !!!!! Aachener Straße 66, 50674 Köln

    QUEER Kultur13

    ̂Gayle Tufts undRainer Bielfeldt sindseit 1995 eineingespieltes Team. Sie gilt als Fraufür alle Fälle under als Mannfür jede Tonart Foto: FriedrumReinhold

     < Zu verlosen̈

    Neues von Jimmy Jimmy Somerville zeigt sich von sei-ner besten Seite: Wunderschön ru-hig-relaxt mit „Here I am“ oder„Rolling“, soulig und ausdrucksvoll

    mit „Stone“ oder „Someday Soon“oder zu neuenUfern aufbre-chend mit „Dark Sky“ oder „Lay Down“. Dengroßen Enthu-siasmus bei den Aufnahmen hört man in jedem Track. Und dieaktuelle Single „Som ething To LiveFor“ wird sicherlich in alter Somer- ville-Manier die Charts stürmen.

    < Wir verlosendas brandneue Album„Ma-nage The Damage“zehnmal unter allenEin-sendungen, die uns bis zum15. Junierreichen. Postkarte an:Queer , Stichwort„Jimmy“, Aachener Str. 66, 50674 Köln.

    „Wir schwarzen Schafe halten zusammen“Gayle Tufts und Rainer Bielfeldt über ihr Zusammentreffen, ihr Programm und die Fans

    Von Ronny Zeller

    K ann man Stand-up-Comedy mit großen Melodien mi-schen? Man kann! Gayle

    Tufts und Rainer Bielfeldt beweisenes. Sie singt mit einer gewaltigenStimme, er spielt dazu am Piano, undzusammen reißen sie Witze. Damit sprechen sie in starkem Maßeschwules Publikum an. Ihm habenTufts und Bielfeldt nach eigenen An-gaben viel zu verdanken. Eine Mög-lichkeit, „danke“ zu sagen, sieht dieNew Yorkerin Gayle Tufts darin, dendiesjährigen Kölner CSD als Mode-ratorin zu unterstützen. QUEERsprach mit dem sympathischen Duo.

    Sie geltenals „Dreamteamdes Entertain-ments“. Was ist das Besondere anIhrerdeutsch-amerikanischenFreundschaft?

    Gayle: Wir ergänzen uns ziemlich

    gut. Rainer ist ein blonder, schöner,schlanker Hamburger. Und ich bineben ich. Wir sind auch vom Tempe-rament her verschieden: Ich bin sehrtemperamentvoll und ungeduldig. Mit uns ist es ein wenig wie Feuer und Erde.

    Rainer: Wir sind zwar sehr unter-schiedlich, verstehen uns aber trotzdem.

    Daß zwischenIhnenalles so gut funktio-niert, hat aber nichts damit zutun, daß Sie,Gayle, das Image einer Schwulenmutti ha-benundSie, Rainer, offenschwul leben?

    Gayle: Wir haben ein großartigesschwules Publikum, dem wir viel zuverdanken haben. Sie sind uns vonAnfang an treu. Die meisten meiner

    besten Freunde sind schwule Männer.

    Naja, ich arbeite im Theater. Youknow, what I mean.Rainer : Gayle verkörpert einen Typ

    Frau, den viele schwule Männer mö-gen. Man fühlt sich geborgen, obwohlsie manchmal böse und sarkastisch ist.

    Gayle: Viele Schwule bringen au-ßerdem ihre Freunde mit. Dadurchhaben wir ein sehr tolerantes Publi-kum. Unsere Botschaft ist: „Tu’, wasimmer Du willst!“

    Gayle, Sie habendie SpracheDinglish, eine Mischung ausDeutschundEnglisch, kreiert.Ist deutschzusprechenim-mer nocheine Not für Sie?

    Gayle: Diese Sprache ist so schwer! Ich lebe hier schonacht Jahre und habe vorher kein

     Wort deutsch gesproc hen. Esdauert einfach – wie alles in

    Deutschland.Rainer: Aber Dinglish

    ist auch eine gewollteKunstsprache.

    Das „Dinglish“auf der Bühne wirdaber nicht weniger, je besser Siedeutschsprechen,Gayle?

    Gayle: Nein. Ich werde nie Deut-sche, mein Blut 

     wird nie wechselnund auch mein

     Tem pe ra me nt 

     wird sich nicht ändern. Im Herzen blei-

    be ich New Yorkerin. Außerdem möchteich die Außenseiterin sein. So kann icham besten beobachten.

    Gayle, Sie sind beimKölner CSDdabei.

    Gayle: Ja. Ich moderiere am 4. Julibei der WDR-Übertragung mit.

    Ist Ihr künstlerischer Beitrag für denCSDwitzig oder wichtig?

    Gayle: Beides. Ich komme aus New  York. Dort ist all es sehr ge-

    m i s c h t . Und ich

    bin immer noch ein wenig über die

    deutsche Schubladenmentalität er-staunt. Klar braucht man eine Schwu-len- und Lesbenbewegung. Deshalbunterstütze ich als Außenseiterin denCSD gern. Wir schwarzen Schafe hal-ten zusammen. Das sollte sich dieschwul-lesbische Bewegung auch wie-der öfter sagen. Wichtig ist mir der

     Job beim CSD auf jeden Fall und ichhoffe, daß es auch Spaß macht.

    Sie beide habenauchbeim„QuatschCo-medy Club“auf PRO7 mitgewirkt. Gibt eseinen Unterschied zwischen Humor imFernsehenundHumor auf der Bühne?

    Rainer: Ich liebe die Bühne, Fern-sehen nicht. Ich will den Kontakt zumPublikum, will Atmosphäre.

    Gayle: Bei „Quatsch Comedy Club“hatten wir das Glück, daß Thomas Her-manns Moderator und Regisseur war.

    Gayle, worüber kannmansichinDeutsch-

    landammeistenlustig machen?Gayle: Die Sprache. Und dieseGenauigkeit! So trinkt man sei-

    nen Kaffee, so bügelt man seinBettlaken, so ist das Leben

    – und nicht anders. Das ist irgendwie süß. Ich bin Ameri kane rin und warte, bis alles kaputt 

    ist. Aber klüger sind wir auch nicht.

    ImHerbst kommenSie mit einemneuenProgrammauf Tour –„Miss America“…

    Gayle: Wir tre-

    ten erst einmal in der „Bar Jeder Ver-

    nunft“ in Berlin auf. Wir werden ver-suchen, die verschiedenen Seiten von Miss America zu zeigen. Auf der ei-nen Seite bin ich die Schöne imBeauty-Wahnsinn. Und dann die an-dere Seite! Ich vermisse Amerikamanchmal immer noch sehr. Des-halb werden auch einige melancho-lische Stücke dabei sein.

    < Gayle Tufts undRainer Bielfeldt live mit drei ver-schiedenenShows:„Absolutely unterwegs“:8.-12.06.Düsseldorf,Kommödchen,13.06.Neuss,RheinischesLandestheater, „The BigShow“:7.–11. Juli und14.–18. Juli, Köln, Kaiserhof; 31. August, 1.–5. Septem-ber und7.–12. September, München, Lustspielhaus;15.– 22. September, Island, Goethe-Institut („The BigShow“heißt auchdie aktuelle CDvonGayle TuftsundRainer Bielfeldt), „Miss America“:6.–10. Okto-ber, Bremen, Junges Theater;26.– 31. Oktober, 2.–7., 9.–14. sowie 16.–21. November, Berlin, Bar JederVernunft, Infos unter Tel. (030) 6948754.

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     Juni 1999Kultur14   QUEER

    Boogie Nights(Kinowelt, ca. 49,95 Mark)

    Am Ende kriegt man tatsächlich das in vol-ler Länge zu sehen, wonach so mancherSchwule schon gegiert hat: Marky „Mark“Wahlbergs Dödel. Nur kurz, aber ganz undgar unverhüllt. Aber Achtung: Diese 33 Zen-timeter, die da zum Vorschein kommen, sindnicht echt, sondern das Werk des Tricktech-nikers. Wahlberg nämlich spielt in Paul Tho-mas Andersons Hommage an die Hetero-Pornoindustrie den Superrammler Dirk Diggler, dessen Aufstieg zum Topstar undAbstieg zum Billig-Stricher, der nicht malmehr für einen Quickie taugt. AndersonsFilm erzählt, ohne dabei aufdringlich spe-kulativ zu sein, von der Entwicklung derBranche in den 70er und 80er Jahren, als dasGeschäft zu blühen begann, die Nachfrageständig stieg, aber gleichzeitig mit Video einradikaler Umbruch stattfand. Dazwischenwird die Disco-Ära abgefeiert und gekokst,bis die Nase in Fetzen fliegt.

    !!!

    Film

    Live Flesh(Kinowelt, ca. 49,95 Mark)

    Pedro Almodóvars inzwischen zwölf-te (und vorerst letzter europäischer)Spielfilm ist ein Höhepunkt in seinemgesamten Filmschaffen. Seine zentra-len Themen - spanische Geschichte,Sex, Eifersucht, verpaßte Liebe undmännliche Körper - alles findet sichhier so perfekt verbunden wie zuletzt in „Gesetz der Begierde“. Es ist ins-besondere die feine Beschreibung sei-ner Charaktere durch Kostüme, die Ausstat tung, ihre Körpersp rache. Dableibt jede Menge Raum für skurrileDetails, geschmacklose Nippeseckenund knallige Klamotten, und doch werden seine F iguren niemal s denun -ziert. Geradezu grandios: die Geburt des Helden als Parodie auf die Weih-nachtsgeschichte, samt Tannenbaum-kitsch und mancher derb-grotesken Abschw eifung.

    !!!!

    East Palace,West Palace(pro-fun, ca. 39,95 Mark)

    Für die chinesischen Behörden ist dieserFilm ein Skandal. Homosexualität ist et- was, das in offiziellen Schriften nicht vor-kommt, für das es nicht einmal ein Wort gibt. Und darüber soll es auch keinen Filmgeben. Entsprechend schwer waren fürZhang Yuan die Dreharbeiten. Der Titeldes Filmes spielt auf eine schwule Insider-bezeichnung an. Gemeint sind die öffent-lichen Toiletten am Ost- und Westendedes großen Parks des „Verbotenen Pala-stes“ in Peking. In einer dieser Klappen wird der junge Schriftsteller A-Lan beieiner Razzia verhaftet. Als einziger wirder von der Polizei mitgenommen und ver-hört. Abgesehen von kurzen, sehr poetischgefilmten Rückblenden bleibt es bei die-sem Schauplatz und diesen beiden Prot-agonisten: der Schwule und der Polizist.

    !!!

    Zero Patience(pro-fun, OmdU, ca. 39,95 Mark)

    Ziemlich bunt geht es zu, schrill und recht lustig. Und dabei geht es eigentlich um einsehr ernstes Thema. Der Kanadier JohnGreyson läßt in seinem Aids-Musical denhomosexuellen Anthropologen Sir RichardFrancis Burton aus dem viktorianischen Eng-land ins Leben zurückkehren und sich auf die Suche nach den Ursachen für die Krank-heit machen. Er begegnet dabei nicht nurdem sogenannten „Patienten Null“, einemfrankokanadischen Steward, der einst das Vi-rus in die USA und in die Welt hinaus getra-gen haben soll. Burton macht eine Stippvisi-te in einer schwulen Sauna und imNaturgeschichtlichen Museum zu Toronto. Man erlebt singende Arschlöcher, ein Hand-tuchballett im Dampfbad und andere kurio-se Einfälle. Greysons Film ist zynisch, re-spektlos und sogar sexy. Ihm gelingt eineunterhaltsame Auseinandersetzung mit ei-gentlich wenig unterhaltsamen Problemen.

    !!!

    Hamam- Dastürkische Bad

    (pro-fun, ca. 49,95 Mark)Budapest hat sein Géllert-Bad, Istanbul sei-ne Hamams. Männer-Refugien in Dampf und Wasser, Rückzugsorte der Erholung,Orte der sozialen Kommunikation – und dererotischen Phantasie. Als der Innenarchitekt Francesco überraschend erfährt, daß er in dertürkischen Metropole eine Immobilie geerbt hat, ist er insgeheim froh darüber, seine Hei-matstadt Rom verlassen zu können. Anfangsnoch bedacht, das Gebäude so schnell wiemöglich zu verkaufen und wieder nach Romzu fahren, ändert sich alles, als er sieht, waser geerbt hat: ein historisches, wenn auchrenovierungsbedürftiges Badehaus. Das Flairder Altstadt, die Herzlichkeit der Menschensind es, die ihn mit einem Male gefangennehmen, ihn sich zu Hause fühlen lassen.Und auch der Sohn seiner Gastfamilie ist ihmbald mehr als nur ein Freund.

    !!

    Pianese Nunzio -14 imMai

    (pro-fun, ca. 49,95 Mark)Ein knabenliebender Priester im Kampf ge-gen die Mafia. Das klingt nach sensationslü-sternem RTL-Drama, aber ist vielmehr einespröde, fast dokumentarische Gesellschafts-studie. Regisseur Capuano gewährt einensehr detaillierten und minutiösen Blick in den Alltag des neapolitanischen Armenviertels:Zerrüttete Familien und die Allmacht derCamorra. Pianese wird bald 14 und will dort raus. Der junge Priester Lorenzo nimmt ihnin der Kirche bei sich auf und gibt ihm dienötige Fürsorge. Lorenzo allerdings kämpft auch gegen die Mafia – und das sieht nie-mand so gern. Seine Liebe für den Knaben wird sein Verhängnis. Man muß ihn nicht einmal erschießen, sondern lediglich denun-zieren... Capuano läßt die Beziehung des Mannes zum Jungen von beiden Seiten be-schreiben und bewerten.

    !!

     < Video–Check̈ Zusammengestellt von Axel Schock

    Lesbisches Coming-outzumSchmunzeln

    Anne Wheeler präsentiert ihren Film „Better than Chocolate“

    Tragikomödie über dasGlück imPlattenschrank 

    Mark Hermans neuer Kino-Streifen „Little Voice“

    Von Axel Schock 

    Gleich vorweg: Hier gibt es we-der eine schwule Handlung

    noch eine verkorkste homo-erotische Beziehung, keine geilen nack-ten Hintern oder ähnliche, vermeint-lich schwulenrelevante, Details - unddoch ist „Little Voice“ des Briten Mark Herman („Brassed Off“) einer derschwulsten und schönsten Filme, dieman sich derzeit antun kann. Denn nicht nur, daß Fans von „Absolutely Fabu-lous“ ein unerwartetes und unglaubli-ches Wiedersehen mit der doofenBubble alias Jane Horrocks erwartet.„Little Voice“ spricht ganz und gar ausder schwulen Seele.

    Das junge Mädchen Laura lebt ineiner jener britischen Kleinstädte, indenen man nicht einmal sterben will.Der Vater tot, die Mutter eine verfet-tende, ordinäre, laut krakelende Ner-

     vensäge (Brenda Bleythin). Da bleibt für die Unverstandene nur der Rück-

    zug ins eigene Zimmer und zur Plat-tensammlung. Und da steht, was un-

    Von Axel Schock 

    Auf der Suche nach publikums-trächtigen Lesbenfilmen wurd e man in Kan ada er-staunlicherweise immer schon recht schnell fündig, und das nicht erst seit Patricia Rozemas „When Night isFalling“ und „I’ve heard the Mer-maids singing“. Jetzt präsentiert sichauch die 1946 geborene Anne Whee-ler mit ihrem ersten, rein lesbischenSpielfilmprojekt, das nicht nach derNische, sondern nach dem großenPublikum schielt.

    Bis die Finanzierung stand, gingeneinige Jahre ins Land. Auf der dies-jährigen Berlinale wurde das vomdeutschen Verleih co-produzierte

    Werk uraufgeführt. Ein netter Spaßist es geworden, ideal für laue Som-mernächte. Süß, lustig, mit Happy 

    End und ein wenig sozialkritischem Anspruch. Nicht zu viel und vor al-lem nicht zu tiefgehend. Man will

     ja schließlich vor allem unterhalten werden. Das Personal: ei ne rotge-lockte Maggie (Karyn Dwyer), diestatt zu studieren in einem Lesben-buchladen jobbt. Kim (ChristinaCox), eine knabenhafte Frau on theroad, die mit ihrem Kleinbus ei-gentlich nur mal kurz Rast machen

     wollte und sich prompt in Maggie verliebt. Eine prüde, konservative Mutter von Maggie, die sich ganzspontan samt Soh n bei ihrer Toch-ter einnistet - nichts ahnend von derLiebe ihrer Tochter zu Frauen. Eineetwas verklemmt-schüchterneBuchhändlerin Frances, die sich in

    die transsexuelle Judy (Peter Outer-bridge) verliebt hat und sich nicht traut, es zu sagen. Judy, die in Fran-

    ces verliebt ist und sich nicht traut,etwas zu sagen. In Nebenrollen: derkanadische Zoll, der dem Lesben-buchladen „Ten Percent“ vorwirft,obszöne Bücher zu importieren undeinige Rechtsradikale, die auf Lesbeneinen ziemlichen Haß haben. Alsoalles drin: amouröse Verwicklungen,romantisch gefilmter Sex, attraktiveFrauen, Humor und hei tere Verwick-lungen, ein wenig Drama und politi-scher Anspruch. Das wird mancherZuschauerin etwas zu wenig sein und

     vor allem zu glatt und zu lau, aber an-dererseits: Hat frau (und auch man-cher Mann) sich solche leichte, un-

     ver kra mpf te, loc ker e les bis cheFilmkost für zwischendurch nicht im-mer gewünscht?

    < BuchundRegie Anne Wheeler; mit WendyCrewson, KarynDwyer, Christina Cox; Kanada1999; 98 Min.

    ̂Ein bezauberndes Pärchen: Karyn Dwyer und Christina Cox in „Better than Chocolate“

    ser Herz begehrt: Judy Garland, Mar-lene Dietrich, Edith Piaf, Marilyn

     Monroe. Statt zu sprechen, singt diepanisch schüchterne Little Voice –und zwar so perfekt, bis in die Gestik und Mimik, daß man seinen Augennicht traut. Schon schleimt ein Agent (Michael Caine) um sie herum, umsie unter einem Vorwand auf die Büh-ne zu zerren. Und selbst ihr verschro-bener heimlicher Verehrer und Tau-benzüchter Billy (Ewan McGregor)kann sie kaum vor diesem Desasterbewahren.

    „Little Voice“ ist zauberhaftes bri-tisches Kino. Ein anrührendes, mär-chenhaftes Stück voll lebendiger Fi-guren in einer genialen Besetzung.

    < Regie Mark Herman; mit Michael Caine, Bren-da Bleythin, EwanMcGregor, Jane Horrocks; GB/USA 1998; 96 min.; Kinostart 24. Juni

    ̂Jane Horrocks spielt die schüchterne, aber stimmgewaltige Laura Hoff –auch „Little Voice“(„L.V.“) genannt

    ̂Eine intensive Beziehung entwickelt sichzwischenL.V. und demTaubenzüch-ter Billy (Ewan McGregor, „Star Wars - Episode 1“)

  • 8/16/2019 0699 Queer

    11/173

    Kultur 17QUEER  Juni 1999 Musik / Buch

     < Musik/CD–Check̈ Zusammengestellt von Christian Scheuß und Bernd Rosenbaum

    Geschwister Pfister„The Voice of Snow White“(Traumton)

     Als Kind hatte man diese netten Märchen-Schallplatten, auf denen sonore Stimmenund mäßige SynchronsprecherInnen denFroschkönig oder Hänsel und Gretel dar-boten. Die Geschwister Pfister habennicht irgendeine Stimme engagiert, son-dern die von Walter Schmidinger. Erspricht den Grimm’schen Urtext vomSchneewittchen und die Pfisters singendazu. „The Voice of Snow White“ ist ihrbislang größtes Bühnenprojekt und be-steht auch als CD-Konserve. Nicht nur, weil man Schmidingers Raunen gernelauscht. Erstmals arbeiteten die Pfisters mit einem großen Streichorchester zusammen.Damit klingen Volks- und Kinderlieder, Za-rah Leanders „Kinostar“ oder ein Muppets-Song nicht nur süßlich-schmalzig-schön,sondern geradezu klassisch.

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    Carter Burwell„Gods and Monsters“(Soundtrack, BMG)Carter Burwell hat sich in den letzten 15 Jah-ren einen Namen als Independent-Film-Komponist gemacht, unter anderem mit seinen Soundtracks zu „Miller’s Crossing“und „Fargo“. Aber auch die musikalischeUntermalung des schottischen Historien-Epos „Rob Roy“ stammt aus seiner Fe-der. Für den Kinofilm „Gods and Mon-sters“ über den berühmten schwulen„Frankenstein“-Regisseur James Whalekombinierte Burwell stimmungs- und ge-fühlvolle Melodien mit einem unver- wechselbaren Irish-Folk-Einschlag. SeineKomposition, gespielt von einem klassi-schen Orchester, zeichnet die Lebens- undLeidensgeschichte von Whale eindrucks- voll, aber unaufdringlich nach. Mit ihrenknapp 34 Minuten Spielzeit ist die Sound-track-CD allerdings viel zu kurz ausgefallen.

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    Ruby Turner„Call Me By M