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En tw ick lungs l in ien des
HR-Cont ro l l i ngs
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Inhalt: Dr. Joël Luc Cachelin
Illustrationen: Sascha Tittmann
Layout: Büro Sequenz
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INHALT
Einführung
Das HR Controlling wird in der Unternehmensentwicklung verankert
Das HR Controlling schaut in die Zukunft
Das HR Controlling synchronisiert seine Instrumente
Das HR Controlling verknüpft Individuum, Team und Organisation
Das HR Controlling strebt mehr als Zufriedenheit an
Das HR Controlling optimiert das Employer Branding
Das HR Controlling sucht nach Zusammenhängen
Das HR Controlling entdeckt Big Data
Das HR Controlling behält Risiken im Auge
Das HR Controlling ist Teil des Wissensmanagements
Das HR Controlling schafft visuelle Entscheidungsgrundlagen
Das HR Controlling wird häufig ausgelagert
Fazit
Interviewverzeichnis
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EINFÜHRUNGDas Personalcontrolling hat in den letzten Jahren ständig an Bedeutung
gewonnen. Diese Entwicklung wird sich aus zwei Gründen verstärken1. Erstens
spielen die Mitarbeitenden und ihr Wissen in Zukunft eine noch grössere
Rolle für den Unternehmenserfolg. Der Marktdruck und die gesteigerte Ge -
schwindigkeit der Wirtschaft verlangen ständige Innovation. Das setzt
dynamische Fähigkeiten voraus. Damit ist die Fähigkeit eines Unternehmens
gemeint, sich ständig an neue Voraussetzungen anpassen zu können.
Letztlich passiert dies immer über die Menschen in einem Unternehmen.
Das macht es nötig, HR-Strategien und -Investitionen zu überprüfen und
vom Controlling ausgehend, Massnahmen der Unternehmensentwicklung zu
ergreifen. Zweitens führen die volatilen Märkte zusammen mit den düsteren
Wirtschaftsprognosen dazu, dass die Kostenorientierung im HRM zunimmt.
Dadurch wird auch der Einsatz der Human Resources verstärkt im Hinblick auf
Kostenoptimierung, Effizienz und Effektivität beurteilt. Den Kosten soll ein
Nutzen oder eine Verbesserung im Management des Humankapitals gegen-
überstehen.
Ziel des HR-Controllings ist es, das Optimum aus der Ressource Personal
herausholen. Es kann zwischen einer personalen und einer organisationalen
Ebene des Humankapitals unterschieden werden. Auf der personalen Ebene
umfasst das Humankapital die Fähigkeiten, Erfahrungen, Einstellungen und
Werte der Humankapitalträger. Waren früher damit die Mitarbeitenden gemeint,
so wird sich die Personalarbeit in Zukunft an allen Humankapitalträgern des
Unternehmens ausrichten.2 Besonders gilt es externe Know-How-Träger wie
Beraterinnen und Kundinnen stärker zu berücksichtigen. Die organisationale
Ebene des Humankapitals bezieht sich dagegen auf die Prozesse, Strukturen
und Kulturen eines Unternehmens, die sich auf die Produktivität und Innova-
tionskraft des Humankapitals auswirken. Wesentlich im Hinblick auf die
Beurteilung des Humankapitals ist die Frage, wie sehr die Beteiligten ihr Wissen
teilen und ob es dem Unternehmen gelingt, eine lernfördernde Kultur zu
schaffen.3 Zwischen der personalen und organisationalen Ebene des Human-
kapitals liegt das Wissen. Es klebt genauso an den Humankapitalträgern wie es
in den Wissensspeichern des Unternehmens abgelegt ist. Vor dem Hintergrund
flüchtiger werdenden Beziehungen zwischen einem Unternehmen und seinen
Humankapitalträgern versuchen Unternehmen ihre Wissensbestände verstärkt
sicht- und messbar zu machen. Um diese Aufgaben wahrzunehmen steht
dem Controlling eine Vielzahl von qualitativen und quantitativen Instrumenten
6
zur Verfügung. Die Instrumente sind dann gut gewählt, konzipiert und einge-
setzt, wenn es ihnen gelingt, im Unternehmen Feedbackprozesse auszulösen.
Feedback ist die Basis für Veränderung.
Aus dem HR Controlling resultiert das mitarbeiter- und wissensbezogene
Reporting. Damit ist das «Berichtwesen einer Organisation» gemeint, das die
managementrelevanten Informationen über das Humankapital bereitstellt. Es
dient der Schaffung von Transparenz beziehungsweise der Übermittlung von
Information. Dadurch werden Informationsasymmetrien verkleinert, Zusammen-
hänge quantifiziert und vor allem Entscheidungsgrundlagen geschaffen. Das
Controlling ist deshalb Teil des Wissensmanagements. Im Zentrum der Ent-
scheidungsfindung des HR Controllings steht die humankapitalorientierte
Unternehmensentwicklung. Diese wird beispielsweise durch die Veränderung
der Unternehmenskultur, die Personalentwicklung oder das Talentmanagement
konkret. Das Reporting ist auch aus der Investitionsperspektive von hoher
Bedeutung. Wenn das Humankapital zur wichtigsten Ressource eines Unterneh-
mens wird, will das Management wissen, wie es am besten in diese Ressource
investiert und wie sich die Investitionen auswirken.4 Das im Controlling gene-
rierte Wissen dient dazu die Organisation zu steuern – wobei moderne Manage-
menttheorien sehr deutlich auf die Grenzen dieser Steuerbarkeit hinweisen.5
Soll das Reporting langfristige Feedback- und Veränderungsprozesse auslösen,
wird sich das Controlling in Zukunft an den Bedürfnissen, Wahrnehmungen,
Verhaltensdaten und Leistungen des Individuums ausrichten.
Organisationen und die Veränderungen in ihnen finden durch Individuen statt.
Die Weiterentwicklung des HR-Controllings fällt zusammen mit sich verändern-
den Arbeits- und Organisationsverständnissen. Zusammengefasst wird die
Hierarchie durch das Netzwerk abgelöst.6 Das führt zur Relativierung von
Karrieremustern, Organisationsgrenzen, Anspruchsgruppenrollen, Führungs-
und Managementansätzen. Das Personalcontrolling wird sich von der Vorstel-
lung verabschieden, dass die Mitarbeitenden passive Befehlsempfänger ihrer
Vorgesetzten und meinungslose Kunden des HR sind. Ähnlich wie die Kunden
wechseln die Mitarbeitenden in einen aktiven Status. Als solche werden sie in
Zukunft vermehrt Funktionen selber wahrnehmen, die früher das HR für sie
erledigt hat. Sie werden sich auch die Freiheit nehmen, gewisse HR-Leistungen
ausserhalb des Unternehmens zu beziehen. Wie die Kunden in der Marktfor-
schung werden die Mitarbeitenden im HR-Controlling zum gleichberechtigten
7
Gesprächspartner. Es gilt die Mitarbeitenden aktiv in die Entwicklung der
Instrumente und in die Durchführung der Controlling-Aktivitäten Auswertung
zu integrieren. Es ist insbesondere die Digitalisierung, welche dieser Ver-
änderung Kraft verleiht und durch die sozialen Medien die ent sprechenden
Hilfsmittel bereitstellt.7
Diese Studie ist in der Vorbereitung für ein Mandat im HR-Controlling entstan-
den. Es werden 12 Entwicklungslinien präsentiert, entlang derer sich das
HR-Controlling in den nächsten Jahren entwickeln wird. Die Recherche basiert
auf den angegebenen Quellen sowie 10 Experteninterviews. Die Befragten
stammen aus der Verwaltung, der Privatwirtschaft, der Beratung, der Software-
entwicklung, der Forschung sowie der Markforschung (vgl. Interviewverzeichnis
am Ende der Studie).
LITERATUR
1 Luginbühl, P. (2010), Ein HR-Bereich im Umbruch:
Das Personalcontrolling wird erwachsen HR Today 3 / 2010
2 vgl. dazu Wissensfabrik (2012). Die Zukunft des Arbeitsmarkts.
Download unter:
http://www.wissensfabrik.ch/content/erzeugnisse/studien.php
3 vgl. Fitz-Enz, J. The ROI of Human Capital. New York: Amacom.
vgl. Möller, K. & Klusmann, A. (2009). Anforderungsanalyse und
Gestaltungsmepfehlungen für das Reporting von Human Capital.
Göttingen: Research Papier (6).
4 vgl. Ebd.
5 z.B. Wüthrich, H.A., Winter, W.B. & Philipp, A. F. (2001, Hrsg.).
Grenzen ökonomischen Denkens – Auf den Spuren einer dominanten
Logik, Wiesbaden.
6 Deloitte (2011). Human Capital Trends 2011.
7 Wissensfabrik (2012). Die Folgen der Digitalisierung – Neue
Arbeitswelten, Führungsverständnisse und Wissenskulturen.
Download unter :
http://www.wissensfabrik.ch/content/erzeugnisse/studien.php
8
9
1 DAS HR CONTROLLING WIRD IN DER UNTERNEHMENSENTWICKLUNG VERANKERT
VERWALTEN STATT ENTWICKELNDas traditionelle Personalcontrolling hat einen stark verwaltenden Charakter.
Es orientiert sich an den Primärgrössen Zeit und Geld. Die wichtigsten Ziele
sind entsprechend die Kostentransparenz im HRM und die Aufbereitung
der (deskriptiven) Statistik über die Zusammensetzung und zeitliche Präsenz
des Personals.8 Bis heute sind Personalkosten und Resturlaubstage die am
meisten erhobenen Kennzahlen.9 Ganz typisch ist die Ausrichtung des Blicks
zurück in die Vergangenheit. Das Personalcontrolling gibt Auskunft darüber,
was passiert ist. Seit einigen Jahren bemühen sich die Personalabteilungen
10
zudem ihre Leistungen und ihre Kundenorientierung zu quantifizieren. Die von
Mitarbeitenden, Führungskräften und Geschäftsleitung wahrgenommene
Qualität der Personalprozesse rückt dadurch stärker in den Fokus der Auf-
merksamkeit. Allerdings führt offenbar erst eine Minderheit der Personalabtei-
lungen interne Befragungen zu ihren Services durch.10
NOCH KEIN CHANGE AGENTSchon lange wird angestrebt, das Personalcontrolling stärker in die Unterneh-
mensentwicklung einzugliedern. Dazu braucht es eine Loslösung des Control-
lings von der Personalabteilung und eine Erweiterung der Perspektive auf das
gesamte Humankapital eines Unternehmens. Zu diesem gehören vor allem
auch Kundinnen und Beraterinnen, die als externe Humankapitalträgerinnen
agieren. Ein so aufgestelltes und an den Unternehmenszielen ausgerichtete HR
Controlling nimmt die Rollen des strategischen Partners und Katalysators der
Organisationsentwicklung wahr. Die Entwicklungsstufen des HR Controllings
entsprechen deshalb ziemlich genau den Entwicklungsstufen im Rollenmodell
von Ulrich11, das eine Erweiterung der administrativen Personalarbeit hin zum
Businesspartner und schliesslich zum Change-Agent vorsieht.
FEHLENDE KOMPETENZEN?Damit ein solches HR Controlling seine Wirkung entfalten kann, braucht es
HR-Manager mit den nötigen Kompetenzen. Gefordert sind Statistikkenntnis-
se, betriebswirtschaftliches Verständnis sowie Change-Management Fähigkei-
ten. Es zeigen sich eklatante Unterschiede zwischen der Selbstwahrnehmung
des Personals und jener durch die Geschäftsführung. Während 78% der
HR-Leiterinnen glauben, sie seien in die strategische Entwicklung eingebun-
den, sehen nur 5% der CEOs das HR in dieser Rolle.12 Für den noch nicht
bewältigen Wandel des Personals werden verschiedene Gründe geltend
gemacht: Passive, defensive und wenig strategisch orientierte HR-Manager13,
ungenügende Unterstützung des Personalsmanagements durch die Geschäfts-
leitung oder wenig Übung im Umgang mit Zahlen. Schliesslich ist das HRM
auch im betriebswirtschaftlichen Studium nach wie vor schlecht verankert.
11
VERSTÄNDNIS DER GESCHÄFTSPROZESSEUm in der strategischen Entwicklung mitreden zu können, braucht das HR ein
Verständnis für die Geschäftsprozesse. Die Einsicht in die Wertschöpfungspro-
zesse schafft das Wissen, um die Ressource Personal gemäss den strategi-
schen Herausforderungen zu rekrutieren und zu entwickeln.14 Dabei ist es
unumgänglich, dass das HR die Sprache der Geschäftsleitung spricht. Basis
der Verankerung des HR Controllings in der Unternehmensentwicklung sind
Kundenorientierung, Qualität, Verfügbarkeit, Einfachheit, Handlungsorientie-
rung sowie Adressatenorientierung bei den angebotenen Dienstleistungen und
Instrumenten.
LITERATUR
8 KMPG (2005). Human Resources managen.
Controlling im Personalbereich.
9 Vgl. Deloitte (2011). HR-Benchmark 2011. (S.20)
10 Ebd. (S.21)
11 Ulrich, D. (1997). Human Resource Champions:
The Next Agenda for Adding Value and Delivering Results.
Boston, MA: Harvard Business School Press.
12 Vgl. Deloitte (2011). HR-Benchmark 2011. (S.28)
13 Deloitte (2009). The talent paradox.
14 Ebd.
12
13
2DAS HR CONTROLLING SCHAUT IN DIE ZUKUNFT
WEG VON DER VERGANGENHEITDie strategische Verankerung des Controllings macht es nötig, dass sich das
Controlling von der Vergangenheitsorientierung löst und die Zukunft ins Visier
nimmt. Nur die Zukunftsorientierung garantiert, dass das Controlling tatsäch-
lich Aufgaben der Unternehmenssteuerung übernimmt. Als Orientierungspunk-
te des Humankapitalmanagements dienen die Optimierung und Innovation von
Produkten, aber auch von HR-Prozessen und Instrumenten. Für das Control-
ling sind Ziele hilfreich, die durch die Instrumente des Corporate Foresights15
oder des Identitätsmanagements16 entwickelt wurden und aufzeigen, wo das
14
Unternehmen in einigen Jahren sein möchte. Im heutigen volatilen und sich
schnell wandelnden Umfeld, macht das präzise Definieren von Umsätzen und
Kundenzuwächsen wenig Sinn. Gefragt ist die Auseinandersetzung mit der
Frage, welche Wertschöpfung man als Unternehmen für seine Anspruchsgrup-
pen anbieten will, wie man dabei von den Megatrends profitieren will und für
welche Werte man einstehen will.
STRATEGISCHE HERAUSFORDERUNGENDie Zukunftsorientierung des HR-Controllings bedeutet, sich an zukünftigen
Herausforderungen der Personalarbeit auszurichten. Im Vordergrund stehen
der demographische Wandel, der Fachkräftemangel, möglicher Know-How-
Verlust oder die Notwendigkeit als Arbeitgeber auf sich aufmerksam zu
machen.17 Jedes Unternehmen steht aufgrund seiner Branche, seiner Grösse,
seiner Mitarbeitenden etc. vor individuellen Herausforderungen. Durch die
Integration der Anspruchsgruppen in die Definition dieser Herausforderungen
kann die Unternehmensführung diese breiter abstützen und allenfalls quantifi-
zieren. Die Herausforderungen sollten im HR-Controlling so verankert werden,
dass die Unternehmensleitung fortlaufend weiss, wie gut das Unternehmen
dasteht.
ENTWICKELN VON SZENARIENWirklich in die Zukunft schaut das HR Controlling dann, wenn es Szenarien der
Zukunft entwickelt. Qualitative Zukunftsszenarien dienen als Grundlage, um
Massnahmen im Management des Humankapitals zu definieren.18 Die Szenari-
otechnik spielt eine zentrale Rolle, wenn Unternehmen versuchen, ihre
Humankapitalrisiken zu identifizieren und vorzeitig entsprechende Gegenmass-
nahmen zu ergreifen. Sollen Risiken quantifiziert werden, können Daten – wie
Arbeitslosenquote, saisonale Schwankungen, Personalbedarf, Kompetenzent-
wicklung etc. – aus der Vergangenheit in die Zukunft hochgerechnet werden.
Diese liefern im Hinblick auf den demographischen Wandel beziehungsweise
das damit verbundene Talent- und Wissensmanagement wichtige Anhaltspunk-
te für HR Entscheide.
15
BEITRAG ZUM INNOVATIONSMANAGEMENTDas HR Controlling kann auch im Bereich des Innovationsmanagements einen
Beitrag für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens leisten. Dazu müssen
Kennzahlen und noch viel wichtiger Feedbacksysteme eingerichtet werden, mit
denen ein Unternehmen seine Innovationsfähigkeit überprüfen kann. Will das
HR einen Beitrag dazu leisten, dass das Unternehmen innovationsstark ist,
muss es selbst innovativ sein.19 In Bezug auf das Controlling entstehen in der
Konzeption der Messinstrumente, in der Datenerhebung, in der Datenaus-
wertung, im Reporting sowie in der Verknüpfung von Messdaten und Mass-
nahmenplanung laufend Innovationspotenziale. Viele Innovationen hängen mit
der Digitalisierung zusammen.20
LITERATUR
15 Müller, A. W. & Müller-Stewens, G. (2009). Strategic Foresight.
Stuttgart: Schäffel Poeschel.
16 Cachelin, J. L. (2009). Management in der Multioptionsgesellschaft.
Wiesbaden: Gabler.
17 Wissensfabrik (2012) HR-Trendstudie 2012. Die Folgen der
Digitalisierung - Neue Arbeitswelten, Wissenskulturen und Führungs-
verständnisse. Download unter:
http://www.wissensfabrik.ch/content/erzeugnisse/studien.php
18 KMPG (2005). Human Resources managen. Controlling im
Personalbereich. (S.11)
19 Deloitte (2009). The talent paradox.
20 Wissensfabrik (2012) HR-Trendstudie 2012. Die Folgen der Digitalisierung
- Neue Arbeitswelten, Wissenskulturen und Führungsverständnisse.
Download unter:
http://www.wissensfabrik.ch/content/erzeugnisse/studien.php
16
17
3DAS HR CONTROLLING SYNCHRONISIERT SEINE INSTRUMENTE
VIELZAHL AN INSTRUMENTENDie Integration des HR Controllings in die strategische Unternehmensentwick-
lung verlangt eine Synchronisation seiner Instrumente. Damit ist gemeint, dass
die eingesetzten Instrumente miteinander kompatibel sind und in ihrer Kombi-
nation zu neuen Einsichten führen. Das Controlling auf die Generierung von
Kennzahlen zu reduzieren, würde seiner Aufgabe und seinem Ansehen scha-
den. Neben Kennzahlen, die in Scorecards oder Dashboards aufbereitet
werden, stehen dem Controlling auch das Data Mining, die Mitarbeiterqualifi-
kationen, Mitarbeiterbefragungen, Wissens- und Humankapitalbilanzen,
Prognosemärkte21 sowie das Benchmarking zur Verfügung. Auch eher qualita-
tive Instrumente gehören zum Controlling: Das Qualifikationsgespräch, das
Austrittsgespräch oder Assessments und Audits liefern Hinweise über Stärken,
Schwächen, Risiken und Entwicklungspotenziale des Humankapitals.
18
ANSÄTZE DER SYNCHRONISATIONDie Instrumente zu synchronisieren, bedeutet sie derselben Controlling-Philo-
sophie zu unterwerfen, dieselben Strukturierungsraster zu verwenden und die
Datensätze in einem einzigen System zu integrieren. Als Orientierungspunkte
dienen die Marke, die Unternehmenskultur sowie die strategischen HR-Her-
ausforderungen. Die Daten sollten zudem an zentraler Stelle zugänglich sein.
Die Synchronisation ist auch deshalb angezeigt, weil viele Unternehmen global
tätig sind22 und Unternehmen Prozesse und Wirkungen vergleichen wollen.
Durch das Cloud Computing ist die zentrale Speicherung und Zugänglichkeit
von Daten wesentlich vereinfacht worden. Wie wichtig die zentrale Lagerung
ist, zeigt sich an der steigenden Bedeutung des mobile Computings. In Zukunft
wird das Controlling Daten via Smartphones erheben – durch Kurz-Befragun-
gen aber auch das Sammeln von Geo-Daten, die zeigen, wo Mitarbeitende
wann wo was machen.
NOTWENDIGKEIT DER REGELMÄSSIGKEITDamit das Controlling seine Wirkung entfalten kann, braucht es Regelmässig-
keit. Die Wiederholung der Erhebung ermöglicht es, Entwicklungen über die
Zeit zu beobachten, den Erfolg von Massnahmen zu überprüfen und langfristi-
ge Vergleiche zur Konkurrenz herzustellen. Bei den Vergleichen ist aber
Vorsicht geboten. Unternehmen werden oft neu aufgebaut, neu strukturiert,
neu positioniert – das erschwert zeitliche Vergleiche. Vergleiche zur Konkur-
renz sind insofern heikel, als dass jedes Unternehmen für seine Wertschöp-
fung andere Mitarbeitenden, andere Führungsprozesse, andere Aufbaustruktu-
ren benötigt und deshalb immer auch vor anderen Herausforderungen steht.
INTEGRATION DER KUNDENFEEDBACKAuch die Kundenfeedbacks (Beschwerden, Marktforschung, Mistery Shoppers
etc.) liefern Hinweise, wie sich das Humankapital weiterentwickeln könnte. In
den sozialen Medien erarbeiten Mitarbeitende und Kunden gemeinsam
Innovationen. Die Migros, Starbucks oder Lego haben erkannt, wie wichtig
19
die Feedbacks ihrer Kunden sind.23 Durch die Integration der Daten und
Feedbacks aller Anspruchsgruppen kommt das Controlling zu einer ganzheitli-
chen Sicht. Diese braucht es, um Markt- und Ressourcenperspektive miteinan-
der in Einklang zu bringen, um abteilungsübergreifende Wirkungszusammen-
hängen zu erkennen und entsprechenden Innovationen zu schaffen.24
LITERATUR
21 vgl. z.B. intrade.com
22 Deloitte (2012). Human Capital Trends 2012. (S.6ff)
23 vgl. migipedia.ch
24 Cachelin, J.L. & Maas, P. (2009). Customer Value versus
Employee Value: Gemeinsamkeiten und Unterschiede zweier
Aspekte einer integrierten Organisationsentwicklung.
I.VW HSG Trendmonitor (4), 23–26.
Verfügbar auf www.wissensfabrik.ch
20
21
4DAS HR CONTROLLING VERKNÜPFT INDIVIDUUM, TEAM UND ORGANISATION
BEHANDLUNG HÄNGT VON DIAGNOSE ABIm HR Controlling finden zwei ganz unterschiedliche Perspektiven zusammen:
Die Perspektive, welche die Mitarbeitenden gegenüber der Organisation
einnehmen und die Perspektive, welche die Organisation gegenüber ihren
Mitarbeitenden einnimmt. Dazwischen gibt es noch die Perspektive auf
22
die HRM-Prozesse in einem Unternehmen. Diese drei Perspektiven liefern
unterschiedliche Informationen über den Zustand einer Organisation. In der
Analyse werden die drei Perspektiven vereint, um möglichst viele Informatio-
nen zu verknüpfen und dadurch wirksame Massnahmen zu finden. Es ist
wie bei einem Arzt: Je mehr Informationen er über eine Patientin hat, desto
besser kann er ihre Behandlung planen.
VERÄNDERUNG BEGINNT BEIM INDIVIDUUMEine Organisation kann sich durch die Neudefinition von Strukturen, Prozessen
und Instrumenten verändern. Wirkliche Veränderung beginnt aber beim
Individuum. Damit das Individuum Veränderungen auslösen kann, braucht
es Feedbackinstrumente, mit denen die einzelnen Mitarbeitenden ihre Arbeit-
geber beurteilen können. Mitarbeiterumfragen zeigen flächendeckend, was
den Mitarbeitenden wichtig ist und wo sie mit dem Unternehmen, der Unter-
nehmensführung oder dem HR unzufrieden sind. Die Unterscheidung zwischen
Wichtigkeit und Zufriedenheit garantiert, dass das HRM nicht bei unwichtigen
Problemen Verbesserungen erzielen will. Die Veränderungsprozesse können
nur dann einsetzen, wenn das Individuum die Bewertung seines Arbeitgebers
mit anderen vergleichen und diskutieren kann.
DEZENTRALES WISSEN SICHTBAR MACHENMitarbeiterumfragen sind ein Instrument, das Wissen über Kundenprobleme,
Missstände in HR-Prozessen oder über mangelhaftes Führungsverhalten
generiert. Durch die Aggregation der Urteile in den verschiedenen Instrumen-
ten gelangt das Management zu einer organisationsweiten Diagnose. Das
passiert zuerst durch das Zusammenzählen der Urteile und in einem zweiten
Schritt durch das Verwenden von multivariater Statistik. So wird nicht nur
deutlich, welche Dinge am wichtigsten sind und am besten bzw. am schlech-
testen beurteilt werden, sondern auch wie die Dinge zusammenhängen und
welche Gruppen es im Antwortverhalten gibt. Das ist Grundlage, um auch in
Teams und Unternehmen gezielte Veränderungsprozesse auszulösen.
23
TOP DOWN UND BOTTOM UP ENTWICKLUNGDie Bottom-Up Perspektive wird anschliessend der Top-Down Perspektive des
Managements gegenübergestellt. Diese resultiert klassischerweise aus der
Bewertung der Leistungen in Mitarbeiterqualifikationen. Unternehmen, die sich
in Einklang mit ihren Mitarbeitenden verändern und so auf eine breite Legi-
timationsbasis zurückgreifen wollen, verbinden im Anschluss an die Analyse
Top-Down mit Bottom-Up-Veränderungsprozessen. Während sich Top-Down
Massnahmen am organisationalen Humankapital (das heisst an den Struk-
turen, Prozessen und Kulturen eines Unternehmens) ausrichten, setzen
Bottom-Up-Veränderungen auf die Eigeninitiative, die Selbstorganisation des
Individuums und die Schwarmintelligenz.
24
25
5DASHR CONTROLLING STREBT MEHR ALS ZUFRIEDENHEIT AN
PRIMAT DER UNTERNEHMENSZIELEDas HR Controlling orientiert sich an Zielgrössen. Die Ziele folgen aus den
Unternehmenszielen. Weit verbreitete Zielgrössen sind die Kundenorientie-
rung, die Innovationskraft, die Attraktivität auf dem Arbeitsmarkt oder die
Produktivität eines Unternehmens. Über die Veränderung der Zielgrössen
erwartet das Management zumindest einen indirekten Einfluss auf den
26
langfristigen Unternehmenserfolg. Die Zielgrössen stehen stellvertretend für
den Wert des Humankapitals. Der Bedarf über dessen Transparenz steigt, weil
das Humankapital als Grundlage für die Erwirtschaftung zukünftiger Gewinne
durch zukünftige Innovationen gilt. Zudem ist es schwer imitierbar, was dem
Humankapital zusätzlich Bedeutung verleiht.
HUMANKAPITAL IM FOKUSVon den Unternehmenzielen werden Ziele für das personale und organisatio-
nalen Humankapital abgeleitet. Im personalen Humankapital geht es neben
dem Engagement um die fachlichen und überfachlichen Fähigkeiten der
Mitarbeitenden. Beim organisationalen Humankapital geht es um Ziele in
Bezug auf die Prozesse (z.B. Dauer einer Bestellungsabwicklung), die Struktu-
ren eines Unternehmens (z.B. Zufriedenheit der Mitarbeitenden mit ihrem
Team) und die Unternehmenskultur (z.B. Ausprägung der Markenwerte). Zu
den Zielgrössen im HRM gehört auch das Wissen. Dessen Qualität kann neben
den Wissensbeständen (z.B. durchschnittliche Anzahl Beiträge der Mitarbei-
tenden im Intranet) auch an der Qualität der Wissensflüsse (z.B. Anzahl
unbeantwortete Mails pro Woche) und der Wissensspeicher (z.B. Zufriedenheit
mit IT) abgelesen werden.
ENGAGEMENT STATT ZUFRIEDENHEITDie Kerngrösse «Engagement» ist der Nachfolger der Mitarbeiterzufriedenheit.
Das Engagement stellt eine aktivere Form der Zufriedenheit dar. Zufriedenheit
sagt noch nichts darüber aus, wie sehr sich Mitarbeitende in ein Unternehmen
einbringen und dessen Erfolg begünstigen. Wie wichtig das Engagement der
Mitarbeitenden ist, zeigt sich daran, dass Studien bis zu 30% der Unterschiede
im Geschäftsergebnis auf die Zielgrösse Engagement zurückführen.25 Das
Engagement wird als Identifikation (aktive Empfehlung), Bindung (Loyalität und
Verbundenheit) und Leistungsmotivation (Leistungsbereitschaft) aufgeschlüs-
selt. Als Nachfolger des Engagements wird das Well-Being gehandelt. Diese
Kennzahl verknüpft das Engagement mit der Work-Life-Balance.
27
SAMMLUNG IN KENNZAHLENSYSTEMENDie gesammelten Zielgrössen bilden das Kennzahlensystem. Die Auswahl der
Kennzahlen26 steuert die Aufmerksamkeit des Controllings aber auch diejenige
des HRM und der Linienmanager. Die Kennzahlen geben vor, wo beobachtet
und verbessert wird. Wirkungsvolle Kennzahlensammlungen beruhen auf den
individuellen Herausforderungen eines Unternehmens. Interessant ist in
diesem Zusammenhang die Beobachtung, dass die von Unternehmen erhobe-
nen Kennzahlen häufig stark korrelieren. Das heisst, es werden viele Zahlen
erhoben, die aber eigentlich alle etwas ähnliches aussagen. So werden zwar
Zusammenhänge erkannt, man droht sich aber auf eine einzige «Argumentati-
onslinie» zu versteifen.
LITERATUR
25 www.business-netz.com/ Mitarbeiterfuehrung/Unternehmenserfolg-
steigern-Engagierte-Mitarbeiter-sind-ein-Muss
26 www.kpilibrary.com
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29
6DAS HR CONTROLLING OPTIMIERT DAS EMPLOYERBRANDING
AUCH KOSTEN SIND STEUERUNGSGRÖSSENDie Zielgrössen werden zudem durch die aufgewendeten Kosten sowie die
Zusammensetzung des Humankapitals beeinflusst. Mit den Kosten sind alle
Aufwendungen gemeint, die ein Unternehmen für die HRM-Aktivitäten, die
Entlohnung und die Arbeitsräume und -instrumente (inkl. Informatik) ausgibt.
30
In Bezug auf die Zusammensetzung der Belegschaft sind das Alter, das
Geschlecht oder die Ausbildung der Mitarbeitenden von Bedeutung.
Die Struktur der Belegschaft eignet sich immer auch als Ausgangspunkt
der Mustersuche. So interessiert zum Beispiel der Zusammenhang
zwischen dem Alter einer Mitarbeiterin und ihrer Leistungsfähigkeit oder
ihrem Engagement.
SUCHE NACH STEUERUNGSGRÖSSEN Das Controlling hat aber nicht nur die Zielgrössen im Auge. Ausgehend von
den definierten Zielen wird das HR Controlling versuchen, mögliche An-
knüpfungspunkte für die Zielerreichung zu suchen. Konkret: Wer seine Mit-
arbeitende länger an sich binden will, versucht die Gründe für das Verweilen
aber auch für das Verlassen des Unternehmens zu identifizieren. Diese
Grössen, welche die Ziele beeinflussen, werden Steuerungsgrössen genannt.
Der Begriff macht deutlich, dass hier ein Unternehmen im Unterschied zu
den Zielgrössen mehr oder weniger direkt eingreifen kann.
ENTLANG DER HRM PROZESSEDie Steuerungsgrössen finden sich entlang der HRM-Prozesse. Einen wesen-
tlichen Teil decken die Employer Branding-Prozesse ab. Damit sind alle
Prozesse gemeint, mit denen ein Arbeitgeber die Beziehung zu seinen Mit-
arbeitenden gestaltet: Die Rekrutierung, die Bindung, die Förderung und
die Trennung. Neben der funktionalen Ebene ist immer auch die symbolische
Ebene der Mitarbeiterbeziehung zu berücksichtigen. Diese sagt aus, für
welche Werte ein Arbeitgeber einsteht. Aufgabe des Controllings ist es dem-
nach zu verfolgen, welche dieser Werte den Mitarbeitenden wichtig sind
und wie gut sie diese von ihrem Arbeitgeber erfüllt sehen. Die HRM-Prozesse
gehen über die Employer Branding Prozesse hinaus und umfassen auch die
Organisationsentwicklungsprozesse sowie alle Aktivitäten, die dazu dienen,
das Wissen eines Unternehmens zu erweitern.
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BEDÜRFNISSE VERKNÜPFENDie Employer Branding Prozesse verbinden die Entwicklung von Unternehmen
und Mitarbeitenden, wenn sie gleichzeitig an deren Bedürfnisse andocken.
Die Mitarbeitenden haben Bedürfnisse in Bezug auf das Arbeitsumfeld, ihre
Entwicklung, ihr Wohlbefinden und ihr Verwirklichung. Das Unternehmen
wiederum hat Bedürfnisse in Bezug auf die Kreativität, die Produktivität, die
Gesundheit und die Entwicklung seiner Mitarbeitenden. Wenn diese Bedürfnis-
se durch das Employer Branding verknüpft werden, gelingt es, den von
Arbeitgeber und Mitarbeitenden wahrgenommenen Nutzen zu erhöhen. Für
den Arbeitgeber bedeutet der Nutzen, dass sich die Mitarbeitenden überdurch-
schnittlich gebunden fühlen, was sich wiederum in einem höheren Kundennut-
zen niederschlägt.
32
33
7DAS HR CONTROLLING SUCHT NACH ZUSAMMENHÄNGEN
MENSCH ALS KOMPLEXES WESENGrundsätzlich ist es bei menschlichen Systemen schwierig, Kausalbeziehungen
zu finden. Der Mensch ist ein komplexes Wesen, umso komplexer sind die
Organisationen, die wir als Menschen hervorbringen. Anstelle von einfachen
Ursache-Wirkungszusammenhängen sollte das HR-Controlling deshalb von
komplexen Wirkungsnetzwerken ausgehen. Das Bekenntnis zum Suchen von
Zusammenhängen – im Kontrast zur Maximierung gewisser Kennzahlen – be-
deutet auch die Unterscheidung zwischen Ziel- und Steuerungsgrösse, also
zwischen Ursache und Wirkung zu relativieren. Wer nach Zusammenhängen
sucht, wird diese erst nach der Erhebung der Daten feststellen. Am Anfang
weiss er noch nicht, was Ursache und was Wirkung ist. Unerlässlich bleibt die
Bestimmung von Zielen, die als Ausgangspunkt der Spurensuche dienen.
34
WIRKUNGSKETTEN ENTDECKENDas HR-Controlling versucht Faktoren zu isolieren, welche die definierten Ziele
beeinflussen. Man will zum Beispiel verstehen, wie sich das Führungsverhalten
auf den Unternehmenserfolg auswirkt (ROI on Leadership27), wie die Unter-
nehmenskultur mit der Demographie der Mitarbeitenden zusammenhängt oder
ob Massnahmen in der Arbeitsplatzgestaltung das Engagement positiv beein-
flussen. Um Wirkungen zu entdecken, werden die gesammelten Daten (demo-
graphische Variablen, Steuerungsgrössen und Zielgrössen) in einem Datensatz
zusammengefügt. Mit Hilfe der Statistik wird dieser anschliessend vereinfacht,
ohne seine Aussagekraft zu verkleinern. Diese Aufgabe wird durch die fehlen-
de Quantifizierung von HR-Themen28, technische Hürden oder mangelnde
Datenkompetenz erschwert.
NACH MUSTER SUCHENNach Zusammenhängen zu suchen, heisst nach Mustern zu suchen. Es gibt
vier verschiedene Muster, die in Datensätzen von Bedeutung sind: Korrelatio-
nen, Gruppen, Ausreisser und Veränderungen. Bei Korrelationen will man
zeigen, dass mehrere Dinge miteinander zusammenhängen. Bei Gruppen geht
es darum zu zeigen, dass es Gruppen von Kennzahlen gibt, die sich einerseits
ähnlich verhalten und gleichzeitig von anderen Kennzahlengruppen unter-
scheiden. Bei der Suche nach Aussreissern sollen einzelne Daten entdeckt
werden, die sich wesentlich von allen anderen beziehungsweise von den
erwarteten Werten unterscheiden. Schliesslich ermöglicht es ein regelmässi-
ges Controlling, Veränderungen über die Zeit zu beobachten.
HR UND ZAHLEN IM ZUSAMMEHANG SEHENWer nach Zusammenhängen sucht, wird die HR-Perspektive als eine mögliche
Perspektive auf das Management des Unternehmens verstehen. Um eine ganz-
heitliche Sicht auf die Organisation einzunehmen, braucht es ein enges
Zusammenarbeiten von Marketing, HRM und Controlling. Ein künftiger Weg,
um die Gräben zu überwinden, ist die gemeinsame Definition von Themen,
35
welche die gesamte Organisation betreffen. Als Beispiele seien die Nachhaltig-
keit, die Attraktivität des Unternehmens für Anspruchgruppen oder die
produktive Verarbeitung des Wissens genannt. Schliesslich bedeutet das
Denken in Zusammenhängen auch die Quantifizierung zu relativieren. Nicht
alles lässt sich in Zahlen fassen. Wer ein konstruktivistisches Weltbild
vertritt, wird sogar auf die Unmöglichkeit des Messens hinweisen.
LITERATUR
27 Delotitte (2012). Human Capital Trends 2012. (S.11ff)
28 Vgl. Deloitte (2011). HR-Benchmark 2011. (S.20)
36
37
8DAS HR CONTROLLING ENTDECKT BIG DATA
DATENSÄTZE WERDEN IMMER GRÖSSERUm nach Zusammenhängen zu suchen, stehen dem HR Controlling immer
grössere Datensätze zur Verfügung. Die Digitalisierung geht auch am HRM
nicht spurlos vorbei und führt dazu, dass das Controlling digitale Spuren als
Informationsquelle nutzen kann.29 HR-Prozesse werden digitalisiert, immer
mehr Arbeit passiert an einem Bildschirm. Die anfallenden Datensätze umfas-
38
sen zum Beispiel die eMail- oder Surfhistory, die Daten aller eingegangen
Bewerbungen, die ausserhalb des Unternehmens angezapften Wissensquellen
oder die am meisten verwendeten Dokumente. Aber auch die «offline» anfal-
lenden Daten über die Demographie, die Leistungen, das Engagement oder die
Berufsbiographie der Mitarbeitenden gehören zu den Big Data. Die riesigen
Datensätze werden Big Data genannt. «Big» weil Computer immer mehr Daten
verarbeiten können, die digitalen Speicher laufend Daten aufzeichnen und so
immer weiter in die Vergangenheit reichen.
BIG DATA - DIE RESSOURCE DER ZUKUNFT
Die Daten stellen einen riesigen Schatz dar. Die meisten Unternehmen haben
brachliegende Datensätze und wissen nicht, wie sie von ihrem Datenreichtum
profitieren können. Der Vorteil von Big Data ist ihre Echtheit. Es handelt sich
nicht um Zahlen, die irgendjemand durch Beobachtung oder Schätzung
hergeleitet hat. Nein, diese Daten entsprechen dem tatsächlichen Verhalten
der Mitarbeitenden. Big Data eignen sich, um Entscheidungen rationaler zu
vollziehen und «Fehler» in der Entscheidungsfindung zu elimieren.30 Die auf Big
Data basierenden Entscheidungen sind wesentlich präziser als das Bauchge-
fühl und auch besser als jedes noch so ausgefeilte Modell.31
DATA MINING FINDET ZUSAMMENHÄNGE
Das Suchen nach Zusammenhängen in Big Data wird Data Mining32 genannt.
Dazu werden statistische Verfahren eingesetzt, um Muster zu entdecken.
Um zu den Informationen zu kommen, ist ein interdisziplinärer Ansatz nötig,
bei dem Personabteilung, IT, Datenschutz und Rechtsabteilung zusammen-
arbeiten. Von besonderer Bedeutung ist das Erkennen von Gruppen und
Wirkungszusammenhängen durch Regressions-, Cluster- und Faktoranalysen.
Durch Big Data lernen sich Unternehmen besser zu verstehen. Strukturen
können den tatsächlichen Informationsflüssen angepasst werden. Interventio-
nen in die Unternehmenskultur können viel präziser vorgenommen werden,
weil die Daten die Mitarbeitenden gemäss ihrem tatsächlichem Verhalten in
Gruppen einteilen. Data Mining erlaubt eine Individualisierung der Personal-
39
entwicklung und eine antizipative Personalbindung33. Auch auf Beförderungen,
das Talentmanagement und die Bonivergabe wird Big Data Auswirkungen
haben.
GLÄSERNE MITARBEITENDE
Fragte das Controlling früher was passiert ist, stellt es sich heute die Frage,
warum etwas passiert ist. In Zukunft wird es die Frage beantworten, was
passieren könnte. Das Hochrechnen der Daten wird zu Prognosen über den
Zustand des Unternehmens, aber auch über die Performance von einzelnen
Mitarbeitenden führen. Entsprechende Entscheidungen können früher getrof-
fen werden. Diesen Chancen steht die Gefahr einer neuen Dimension der
Transparenz gegenüber. Unternehmen werden sehr genau wissen, wer welche
Dokumente braucht, am produktivsten und innovativsten ist. Mitarbeitende
werden zu gläsernen Mitarbeitenden. Das schafft Potenziale der Diskrimi-
nierung und Überwachung sowie neue (rein ökonomische) Gründe für
Entlassungen.
LITERATUR
29 Big Data in HR (2012). Bersin & Asscociates.
30 Piazza, F. (2010). Data Mining im Personalmanagement.
Eine Analyse des Einsatzpotenzials zur Entscheidungsunterstützung.
Wiesbaden: Gabler.
31 vgl. Deloitte (2011). Human Capital Trends.
32 Queckbörner, S. (2004). Was ist Data Mining. Gefunden unter
www.lgis.informatik.uni-kl.de/archiv/wwwdvs.informatik.uni-kl.de/
courses/seminar/WS0304/ausarbeitung1.pdf
33 Deloitte (2012). Human Capital Trends 2012. (S.11ff)
40
41
9DAS HR CONTROLLING BEHÄLT RISIKEN IM AUGE
STEIGENDE BEDEUTUNG DER HR-RISIKENWeil das HRM einen grossen Anteil am Unternehmenserfolg hat, gewinnt auch
die Identifikation von HR-Risiken an Bedeutung.34 Das Identifizieren von
Risiken bedeutet mögliche Gefahren mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit und
einem möglichen Schadenausmass zu beziffern. Ging es früher primär um
Arbeitsplatzrisiken, geht es heute um die Gesamtheit der Risiken, die im
42
Umgang mit dem Humankapital bestehen. Das HRM ist angehalten, in den
Bereichen Talentmanagement, Personalplanung, Nachfolgeplanung, Know-
How-Verlust (gerade in Anbetracht von demographischem Wandel und Fach-
kräftemangel), Ethik, Compliance, Reputation, Unternehmenskultur, Datenma-
nagement sowie Gesundheit (Stichwort Burnout), Whistleblowing und
Sicherheit mögliche Risiken zu identifizieren und geeignete Controlling-
Massnahmen zu definieren.35
HR-RISIKEN SCHADEN DEM ERFOLGHR-Risiken weiten sich rasch zu Unternehmensrisiken aus. Obwohl Unter-
nehmen HR-Risiken als sehr bedeutsam erachten, bewerten sie ihr eigenes
HR-Riskmanagement als ungenügend.36 Die Bankenbranche musste in
den letzten Jahren erfahren, dass das Verhalten einzelner Mitarbeitenden
ein ganzes Unternehmen gefährden kann. Konkret ging es um Missmana-
gement, fehlendes Risikobewusstsein oder den Diebstahl von Unternehmens-
geheimnissen. Durch das Internet hat sich die Gefahr eines Reputations-
verlustes durch einzelne Mitarbeiterhandlungen verstärkt. Die sozialen Medien
haben die Transparenz über das Innenleben der Unternehmen erhöht und
verbreiten Nachrichten über Missgeschicke, Fehler und Betrug in Windeseile.
Überhaupt hat die soziale, technische und ökonomische Vernetzung unserer
Systeme dazu geführt, dass ein Fehlverhalten rasch sehr grosse Konsequenzen
hat.
AKTIONÄRE FORDERN TRANSPARENZDer Druck ein Risikomanagement der immateriellen Risikofaktoren zu installie-
ren, wird sich auch durch die Forderungen der Aktionäre verstärken. Diese
wollen wissen, welche HR-Risiken bei ihren Investitionsobjekten bestehen und
wie schnell beziehungsweise wie gut es Unternehmen gelingt, Verbesserungen
zu erzielen. Durch die Transparenz der HR-Risiken können Investoren ihre
Anlagerisiken besser abschätzen. Ein hohes Humankapital ist ein Signal für
den langfristigen Unternehmenserfolg. Durch eine präzisere Bestimmung des
Humankapitals gelingt es für die Kapitalgeber Unterschiede zwischen Buch-
43
und Marktwert des Unternehmens zu reduzieren, Volatilitäten im berechneten
Unternehmenswert zu glätten, Fehlbewertungen zu reduzieren und so auch
feindliche Übernahmen zu verhindern.37
SCHLECHTES HRM ALS GRÖSSTES RISIKODas grösste Risiko geht für Unternehmen in umstrittenen Wissensökonomien
allerdings von einem schlechten HRM aus. Deshalb ist das HRM gefordert, das
Risikomanagement auf sich selbst anzuwenden und die Prozess- und Dienst-
leistungsqualität immer wieder durch Feedbacks zu überprüfen. Dazu werden
(potenzielle) Mitarbeitende, Führungskräfte und die Geschäftsleitung aufgefor-
dert, die Angebote, Prozesse, Instrumente sowie die Kundenorientierung ihres
HRM regelmässig zu beurteilen. Ein zentrales Kritierum für die Wirkung des
HRM ist die Qualität der eigenen Mitarbeitenden. Auch dafür braucht es
geeignete Controllinginstrumente.
LITERATUR
34 http://www.corporatecare.ch/etc/medialib/documents/deutsch/
corporatecare/infotheque/memos_pratiques.Par.0051.File.tmp/
Risikomanagement%20im%20Personalbereich.pdf
http://www.kpmg.com/CN/en/IssuesAndInsights/ArticlesPublications/
Documents/best-practice-rm-EIU-0703.pdf
35 Ebd.
36 www.kpmg.com/CN/en/IssuesAndInsights/ArticlesPublications/
Documents/best-practice-rm-EIU-0703.pdf
37 Deloitte (2011). Human Capital Trends 2011. (S.25)
44
45
10DAS HR CONTROLLING IST TEIL DES WISSENSMANAGEMENTS
WISSEN UND WISSEN ÜBER DAS WISSENDas HR Controlling dient dazu, Wissen über das Humankapital bereitzustellen.
Dieses Wissen umfasst die Erkenntnisse über Stärken und Probleme im HRM,
über die wichtigsten Know-How-Träger und Know-How-Quellen, die demogra-
46
phische Struktur der Mitarbeitenden und Einsichten in die Personalprozesse.
Ziel des HRM ist also nicht nur die Erweiterung des Wissens sondern auch die
Erweiterung des Wissens über das Wissen. Die Einsichten in die Zusammen-
hänge zwischen den besprochenen Ziel- und Steuerungsgrössen erlauben es
der Unternehmensleitung an der richtigen Stelle zu intervenieren.
METAWISSEN ALS ERFOLGSFAKTORDas Wissen über eine Organisation ist als Meta-Wissen ein zentraler Faktor
der Unternehmensnentwicklung. Es zeigt dem Management, wie es dem
Unternehmen geht und welche Massnahmen zur Besserung führen könnten.
Um diese Wirkung zu erzielen, steht das Controlling vor der Aufgabe, das
durch die Vielzahl der HR-Controlling-Instrumente generierte Wissen zu
sammeln, zu ordnen, zu kartografieren, zu visualisieren und im Unternehmen
zu verteilen. Anders ausgedrückt: Das im Controlling generierte Wissen wird
Teil des «normalen» Wissensmanagements. Dazu braucht es insbesondere eine
einfache und handlungsanleitende Aufbereitung des Wissens. Die Informati-
onsvisualisierung wird hier in Zukunft eine zentrale Rolle spielen.
BEDEUTUNG DES DATENMANAGEMENTSWissensmanagement beruht unter anderem auf der Fähigkeit, Daten über das
Unternehmen zu sammeln und auszuwerten. Durch die Kombination und
Interpretation der Datensätze erlangt das HR-Controlling Erkenntnis – über
den Zustand des Unternehmens, über mögliche Verbesserungsmassnahmen
und über tatsächliche erzielte Veränderungen. Damit das Datenmanagement
zum Bestandteil des Wissensmanagement werden kann, braucht es eine
Sensibilisierung für die Bedeutung der Daten. Die Sensibilisierung sollte sich
insbesondere auf die Disziplin und die Einheitlichkeit der Datenerfassung
positiv auswirken. Zur Sensibilisierung gehört eine unternehmensweite
Diskussion über Datenschutz und Privatsphäre.38 Die Sensibilisierung führt ins
Nichts, wenn ein Unternehmen nicht die entsprechenden technischen Lösun-
gen für das Datenmanagement bereitstellen kann. Das schliesst zunehmend
auch Smartphones ein.
47
DURCH WISSEN VERÄNDERNNoch wichtiger als die Sammlung, Interpretation, Visualisierung und Verbrei-
tung der Daten sind die ausgelösten Feedbackprozesse. Das Controlling ist ein
Feedback-Generator, mit Hilfe dessen sich Individuen, Teams, Abteilungen und
Organisationen spiegeln. Sie erkennen ihre Stärken, Schwächen und mögliche
Entwicklungspotenziale. Darüber hinaus ist das Controlling dafür verantwort-
lich, dass die Analysen in konkrete Massnahmen übersetzt werden und den
Erfolg dieser überprüft. So entsteht ein Kreislauf, der von der Analyse zur
Massnahmenplanung, zur Durchführung der Interventionen, zur Überprüfung
der Massnahmen und wieder zu einer neuen Analyse führt.
LITERATUR
38 Jarvis, J. (2012). Mehr Transparenz wagen. Köln: Bastei Lübbe.
48
49
11DAS HR CONTROLLINGSCHAFFT VISUELLE ENTSCHEIDUNGSGRUNDLAGEN
VISUELLE MANAGEMENTINSTRUMENTEWir leben in einer visuellen Gesellschaft. In dieser verliert der Text an Be-
deutung, während das Bild und das Video an Bedeutung gewinnen. Wir sind
es immer weniger gewohnt, Information in längeren Texten oder auch in
Tabellen aufzunehmen. Stattdessen wollen wir Informationen auf einen Blick
erfassen. Im Zuge dieser Verlagerung haben Infografiken massiv an Bedeu-
tung gewonnen.39 Diese bringen Daten in eine intuitiv verständliche, ästheti-
sche und unterhaltsame Form. Die visuelle Aufbereitung soll dazu führen,
50
dass sich die Adressaten gerne mit der Materie beschäftigen. Angesichts
dieser Veränderungen ist es nicht allzu gewagt, wenn man behauptet, dass
die nächste Generation der Managementinstrumente visueller Natur sein
wird.
DYNAMISCHE DIGITALE DASHBOARDSZu den visuellen Managementinstrumenten gehören neben Infografiken in
erster Linie Balanced Score Cards oder Dashboards, die auf einen Blick den
Zustand des Humankapitals und seine Veränderung über anzeigen. Diese
Dashboards sind in Zukunft digital und dynamisch, Veränderungen werden
quasi in «real time» angezeigt. Diese visuellen Kennzahlensysteme machen
nur dann Sinn, wenn sie das Wesentliche messen, regelmässig erhoben
werden, online von überall zugänglich sind und so auf bereitet werden, dass
sie auch verstanden werden. Zu den visuellen Managementinstrumenten
gehören Strategymaps, die aufzeigen, wo sich das Unternehmen im Hinblick
auf die anvisierten Ziele befindet.40
KARTEN ZEIGEN ZUSAMMENHÄNGE An Bedeutung werden auch Wissenskarten gewinnen. Qualitative Wissens-
karten sind visuelle Mindmaps. Sie eignen sich, um Zusammenhänge auf-
zuzeigen und verständlich zu kommunizieren.41 Quantitativen Wissenskarten
sind Röntgenbilder des Unternehmens. Ähnlich wie in der Medizin (Blut -
probe, Urinprobe, Röntgen, MRI, etc.)42 werden sich in den nächsten Jahren
Standardvisualisierungen der Organisation durchsetzen, auf deren Bildern
Experten den Zustand eines Unternehmens erkennen. Diese könnten die
Wissensflüsse, die Ausprägungen der Unternehmenskultur, das Engagement,
die Kompetenzen oder die Wissensquellen zeigen.
VISUALISIERUNG ALS GESPRÄCHSÖFFNERVisualisierungen erleichtern es über schwierige Sachverhalte zu diskutieren.
Zum einen reduziert die Visualisierung die Komplexität der Probleme,
zum anderen bringt sie diese in eine abstraktere Form. Grafische Darstellun-
51
gen eignen sich, um schnell Selbst- und Fremdbild, beziehungsweise Ist
und Soll oder auch Vergangenheit und Gegenwart zu vergleichen. Visuelle
Darstellungen von Problemen lassen sich einfacher in den Alltag einer
Organisation integrieren: Als Plakate auf dem Gang, als Bildschirmschoner,
als Weihnachtskarten oder als Startseite im Internet-browser.
LITERATUR
39 vgl. zum Beispiel http://www.visualcomplexity.com/vc/
40 vgl. Kaplan, R. S. & Norton, D. P. (2004). Measuring the Strategic
Readyness of Intangible Assessts. Harvard Business Review.
41 vgl. zum Beispiel http://www.wissensfabrik.ch/content/projekte/
atlas-des-humankapitals.php
42 vgl. Jackon, S. A. & Thomas, R. M. (2009). CT, MRT, Ultraschall.
München: Urban und Fischer.
52
53
12DASHR CONTROLLING WIRD HÄUFIG AUSGELAGERT
CONTROLLING UNTER DRUCKDie Digitalisierung führt dazu, dass in allen Wertschöpfungsketten Intermediä-
re und Informationsvermittler unter Druck kommen. Das Internet ermöglicht
es, dass Angebot und Nachfrage, Sender und Empfänger direkt miteinander
kommunizieren – Vermittler werden so häufig überflüssig. Im Internet werden
immer mehr Daten automatisch erhoben, durch Software aggregiert und
ausgewertet. Die Ergebnisse sind in Echtzeit in der Cloud abrufbar. In Zukunft
werden Dashboards neben Zahlen auch Interpretationshilfen anbieten –
54
automatisch ohne dass eine Mitarbeiterin etwas gemacht hätte. Gleichzeitig
geraten das Controlling und seine Mitarbeitenden unter Druck, weil die
Anforderungen an die Datenerhebung, -auswertung und -visualisierung in
den nächsten Jahren ständig steigen. Einerseits weil sich die technischen
Voraussetzungen weiter verändern und dadurch die Erwartungen an gelieferte
Daten steigen. Anderseits, weil in den Daten zunehmend eine Ressource
der Unternehmensentwicklung erkannt wird.
MEHRWERTE DES CONTROLLINGSDieser Druck lässt zwei Optionen offen. Entweder das Controlling passt sich
den Veränderungen an, folgt den hier vorgestellten Entwicklungslinien und
offeriert dem Unternehmen einen Mehrwert. Oder aber das Controlling wird
als Abteilung geschlossen beziehungsweise ausgelagert. Wertschöpfung
erbringt das Controlling insbesondere dann, wenn es Datenerhebung und
Massnahmenplanung verknüpfen, langfristige Feedbackprozesse initiieren, die
im Unternehmen verstreuten Daten integrieren und die Unternehmenskultur
im Hinblick auf Transparenz, Innovation und Feedback weiterentwickeln kann.
GRÜNDE DER AUSLAGERUNGUnternehmen stellen im Zweifelsfall vor der Frage, ob man HR Controlling
Leistungen einkaufen oder selber herstellen will. Für die Auslagerung gibt es
gute Gründe: Fokussierung der Ressourcen auf wertschöpfende Arbeiten,
Kostenreduktion und Qualitätsverbesserung des Controllings.43 Der Aufbau
von neuen Kompetenzen kann ein Unternehmen viel Zeit und Geld kosten.
Trotzdem ist die Auslagerung in der Praxis noch unbeliebt, weil viele Unterneh-
men mit den Leistungen ihres HR-Controllings (noch) zufrieden sind – aber
auch weil die Personalabteilungen Angst haben, durch eine Auslagerung ihre
Position zu gefährden.44 Die Wahrscheinlichkeit der Auslagerung steigt, je
länger man wartet, die hier vorgestellte Entwicklung einzuschlagen. Irgend-
wann ist die Personalabteilung zu weit vom State of the Art entfernt und es
bleibt nur noch der Weg der Auslagerung, weil der Kompetenzaufbau zu
aufwendig wird.
55
PERSONALABTEILUNG - QUO VADIS?Hintergrund dieser Entscheidung bildet die erwartete Weichenstellung im
HRM. Es stellt sich die Frage, wie lange sich die Unternehmensführung noch
auf den seit Jahren erwarteten Wandel der Personalabteilung gedulden wird. In
Zukunft wird sich die Personalabteilung entweder tatsächlich als Zentrum des
Humankapitalmanagements etablieren, was aber entsprechende Kompetenzen
und ein dazugehöriges Rollenverständnis und die Verankerung in der Unter-
nehmensentwicklung voraussetzt. Oder aber die Personalabteilung löst sich
auf und gibt seine Wertschöpfung an die Mitarbeitenden, die Linie, die Infor-
matik, die Marktforschung, das Marketing und das Finanzcontrolling ab.45
LITERATUR
43 Vgl. Deloitte (2011). HR-Benchmark 2011. (S.18)
44 Vgl. Ebd.
45 Vgl. auch Wissensfabrik (2012). Die Folgen der Digitalisierung –
Neue Arbeitswelten, Führungsverständnisse und Wissenskulturen.
Download unter:
http://www.wissensfabrik.ch/content/erzeugnisse/studien.php
56
57
FAZIT
Dass das HR Controlling in Zukunft mehr als das Sammeln von Kennzahlen
und das Überprüfen von Budgets umfasst, sollte auf den bisherigen Seiten
deutlich geworden sein. Controlling ist ein Prozess und nicht ein einmal im
Jahr stattfindes Projekt.46 Die primäre Aufgabe des Controllings ist es,
Feedbackprozesse auszulösen, damit sich Individuum, Team und Organisation
weiterentwickeln können. Die Instrumente müssen synchronisiert sowie von
58
den Anwendern verstanden, akzeptiert und im Alltag angewendet werden,
sollen sie ihre Wirkung entfalten.
Ziel des Controllings war es immer Transparenz über die Prozesse, Verhältnis-
se, Zustände, Entwicklungen und Werte des Unternehmens zu schaffen. Mit
dem Internet erreicht die Transparenz durch die Messung realer Verhaltensda-
ten eine neue Dimension. Die Chancen liegen in der Weiterentwicklung der
Organisation auf der Basis realer Daten, während die Gefahren in einer
Verstärkung der Zahlenorientierung und im Glaube an vermeintlich einfache
Wirkungsketten liegen, die eigentlich viel komplexer sind oder gar nicht
existieren.
Die Transparenz birgt die Gefahr, dass Unternehmen neue Gründe erkennen,
um Mitarbeitende zu segmentieren, allenfalls zu bestrafen und sich von ihren
zu trennen. Die neue Transparenz kann Unternehmen, ihre Führungskräfte
und Mitarbeitenden überfordern. Die Entwicklung eines auf Transparenz und
Offenheit basierenden HR-Controllings macht nur dann Sinn, wenn es auf die
entsprechende Unternehmenskultur trifft. Fehlertoleranz, Offenheit und
Feedbackintensitität sind deren entscheidenden Merkmale.
Ein HR-Controlling, das sich als Teil der strategischen Unternehmensentwick-
lung sieht, Bestandteil der sozialen Medien sein will und über eine ausgeprägte
Datenkompetenz verfügt, braucht neue Köpfe. Knapp und klar ausgedrückt:
«Before HR can help the broader organization address strategic talent challen-
ges, HR must first adress its own talent challenges». Neue Kompetenzen
braucht es insbesondere in den Bereichen Geschäftsverständnis, Innovation,
strategisches Denken, Analyse und Data Mining.
Es wird sich die Einsicht durchsetzen, dass das Controlling des Humankapitals
nicht in der Personalabteilung angegliedert sein muss. Wichtiger als die
organisationale Eingliederung sind die Kompetenzen und die gebotenen
Leistungen. Externe Lösungen werden an Bedeutung gewinnen. Die Personal-
abteilung muss in den nächsten Jahren allerdings aufpassen, dass sie nicht
allzu viele Aufgabenbereiche verliert, ansonsten wird sie sich bald auflösen.
Das Controlling ist einer der Bereiche, für die sich eine starke Personalabtei-
lung aktiv einsetzen sollte – gerade weil Zahlen immer noch ein Mittel sind,
um sich beim Topmanagement Respekt zu verschaffen.
59
Die neue Transparenz mag verführerisch klingen, aber sie wird kein Wunder-
mittel sein, das alle Probleme des Unternehmens löst. Der Mensch und
noch viel mehr die Organisation sind komplexe soziale Systeme, die sich nur
begrenzt in Zahlen ausdrücken lassen. Es gibt Dinge, die lassen sich weder
beobachten, noch versprachlichen, noch messen. Genauso sind Organi-
sationen Systeme, die wir steuern möchten aber genaugenommen niemals
komplett steuern werden.
LITERATUR
46 Big Data in HR (2012). Bersin & Asscociates.
60
INTERVIEW-VERZEICHNIS
Hermann Arnold, Geschäftsführer umantis
Dr. Frauke Bastians, Bereichsleiterin Organisationsforschung
bei HEUTE UND MORGEN, Köln
Tilo Dulkies, Personalcontroller, Personalamt Kanton Zürich
Gian Paul Ganzoni, Head Human Resources Operations SwissRE
Christian Havranek, Deloitte Human Capital
Urs Klingler, Geschäftsführer klingler consultants
Dr. Jan-Marek Pfau, Kienbaum Management Consulting
Dr. Meinald Thielsch, Arbeitseinheit psychologische Diagnostik und Persönlichkeitspychologie, Universität Münster
Flurina Stöckli, Abteilungsleiterin Finanzen und Informatik, Personalamt Kanton Zürich
Dr. Silvan Winkler, Dozent «Human Capital Analytics», ZfU