PROFESSUR FÜR SPIRITUAL CARE Mannheimer November Symposium 2011 Traugott Roser Professur für...

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PROFESSUR FÜR SPIRITUAL CARE

Mannheimer

November Symposium 2011

Traugott Roser

Professur für Spiritual Care

Ludwig Maximilians Universität, München

„Spiritualität als Aufgabe aller

in der Sterbebegleitung“

www.spiritualcare.de

PROFESSUR FÜR SPIRITUAL CARE

James Turrell, Spread (2003), Henry Art Gallery, Seattle, WA, photo Richard Nicol

PROFESSUR FÜR SPIRITUAL CARE

institutionellsozial

implizit

individuell

explizit

modifiziert nach Leutwyler S (2005) Spiritualität und Wissenschaft

PROFESSUR FÜR SPIRITUAL CARE

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Definition Palliative Care

„Palliative Care dient der Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung konfrontiert sind.Dies geschieht durch Vorbeugung und Linderung von Leiden mittels frühzeitiger Erkennung, hochqualifizierter Beurteilung und Behandlung von Schmerzen und anderen Problemen physischer, psychosozialer und spiritueller Natur.“

WHO 2002

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physisch psycho-sozial

spirituell

Total painMensch

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„Dying is a spiritual event with medical implications.“

Gwen London

in: Swinton J, Payne R (2009)Christian Practices and the Art of Dying Faithfully

„Das Sterben ist keine primär medizinische Angelegenheit mehr. […] Gerade deshalb beginnen sich die traditionellen professionellen Standards zu verändern, was an der Palliativmedizin besonders gut zu beobachten ist“

Armin Nassehi in: Frick E, Roser T (Hg.) Spiritualität und Medizin)

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Patchwork-Spiritualität

In postmodernen Gesellschaften besteht individuelle Spiritualität häufig aus einem Patchwork verschiedener kultureller, ethnischer und religiöser Einflüsse, die im Lauf einer Biographie an Bedeutung gewinnen und wieder verlieren. So entwickelt sich eine einzigartige Ausprägung von Spiritualität, die in Lebenskrisen herausgefordert wird.

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Fall: Patient Paul Z.

28 JahreMNDLedigZiel: Beendigung

lebenserhaltender Maßnahmen

Spiritualität:• Transzendenz (Kosmos,

Philosophie)• Biographie: Floß auf einem

Fluss

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Spirituelle Not

Spirituelle Bedürfnisse Spirituelle Ressourcen

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Definitionen von Spiritualität in ausgewählten empirischen Studien (nach Vachon et al.: J Pall Med 2009)

0

10

20

30

40

50

60

SinnsucheSelbst-Transzendenz

"Höheres Wesen"

Gemeinschaft

GlaubeHoffnungÜbergang/Jenseits/Tod

Wertschätzung des Lebens

Persönliche Werte

Entwicklung/Dynamik

Bewusstheit

* Zeitraum 1996-2007, N=946, ausgewählt n=71

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Facetten des WHOQOL SRPB Moduls (Wh.)

TranszendenzVerbundenheit mit Spir. oder Sein; Sinn; Staunen; Ganzheit; göttl. Liebe; Innerer Frieden/Stärke; Tod; Hoffnung ...

Persönliche BeziehungenFreundlichkeit gg andere/Selbstlosigkeit; Akzeptanz anderer; Vergebung

Lebensführung / Werte

pos. Religionsfreiheit (Inhalte, Praktiken)

Spezifische religiöse Glaubensvorstellungen

WHOQOL-SRPB Field Test instrument (2002)

Culiford 2002

WHOQOL-SRPB Field Test instrument (2002)

Culiford 2002

Kognitiv, erfahrungsbezogen, emotional, verhaltensbezogen

Anandarajah, Hight 2001

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Arbeitsdefinition: Spiritualität (EAPC)

Spiritualität ist die dynamische Dimension menschlichen Lebens, die sich darauf bezieht, wie Personen (individuell und in Gemeinschaft) Sinn, Bedeutung und Transzendenz erfahren, ausdrücken und / oder suchen, und wie sie in Verbindung stehen mit dem Moment, dem eigenen Selbst, mit Anderen/m, mit der Natur, mit dem Signifikanten und / oder dem Heiligen.

EAPC Task Force, Utrecht Oct 2010Übersetzung: Roser

MultidimensionalSituation: Existenzielle HerausforderungEthik: WerteReligion und Religiosität

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Spiritualität ist was immer der Patient dafür hält

Oder einfacher

Aber:

In der Begleitung kommt es zu einer Bestimmung der individuellen Spiritualität

v.a. für den Patienten!

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www.spiritualcare.de15

Weiter oder enger Spiritualitätsbegriff

Eng: katholische Ordenstraditionen (benediktinisch, ignatianisch, franziskanisch usw.), „französische“ Wurzel

Weit: „englische“ Wurzel, Freiheitsbewegung, Gesundheitswissenschaften, Esoterik

„Während ‚Kirche’ auf dem semantischen Markt der Kultur ein Verlierer ist, ist ‚Spiritualität’ ein Gewinner“ (Theißen 2007, 118)

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Spiritual Care ist …

…die gemeinsame Sorge aller um die Teilnahme und Teilhabe an einem als sinnvoll erfahrenen Leben im umfassenden Sinn

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Spiritual Care ist eine Aufgabe, die von allen Professionen anerkannt und mitgetragen wird,

in einem systemischen Sinn, der den Organisationskontext einer klinischen Einrichtung berücksichtigt.

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Und wer ist zuständig?

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40%

29%

17%

7% 7%family/friends

health care profs

pastoral care

God/higher being

others

Wer leistet Spiritual Care bei schwerer Krankheit?

Hanson LC, Dobbs D, Usher BM, Williams S, Rawlings J, Daaleman TP (2008) Providers and types of spiritual care during serious illness. In: Journal of Palliative Medicine 11

(2008) 907-914

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Spiritualität von zentraler Bedeutung für Sterbende

Komplexität des Feldes verlangt nach interdisziplinärem Zugang• Medizin: Effekte spiritueller Krise / Intervention

• Pflege: Leiblichkeit und Pflegebeziehung; Team

• Psychologie: Sinnfragen; Coping

• Religion: Glaubenstraditionen

• Soziologie: Rolle von Spiritualität im Gesellschaft, Profession,

Institution und Team

PROFESSUR FÜR SPIRITUAL CARE

PROFESSUR FÜR SPIRITUAL CARE

„indeed, physical health may be of secondary importance to happiness or inner peace, and the therapy may be viewed as simply a part of the patient‘s spiritual journey“

Yawar A, J R Soc Med (2001) 94:529-533

Eine Frage der Perspektive:

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Spiritualität als wichtiger Aspekt von Lebenssinn

Stiefel F, Fegg M et al (2008) Support Cancer Care

PROFESSUR FÜR SPIRITUAL CARE

Wie kann Spiritual Care in den Behandlungsplan insgesamt integriert werden?

PROFESSUR FÜR SPIRITUAL CARE

Spirituelle Begleitung als Aufgabe des Teams

Wahrnehmen (Situation des Kranken)

Beraten (Hilfe bei Entscheidungen)

Deuten (Sinnzusammenhänge erkunden)

Feiern (Rituale ermöglichen)

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Wahrnehmen der spirituellen Situation

(spirituelle Anamnese)

Übergabe / Vereinbarung

Indikation

Seelsorge(spirituelle Intervention)

Koordination nötig

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2727

SPIR (Frick et. al. 2002)

Kurzinterview

spirituelle Bedürfnisse

spirituelle Ressourcen

Ärzte / Pflegekräfte

Ehrenamtliche

Ziel: patientenzentrierte Indikation für spirituelle Begleitung

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Spirituelles Interview: Einwände

Für so was haben wir keine Zeit! In so kurzer Zeit kann / darf man nicht über derart

intime Dinge sprechen Das überlassen wir der Seelsorge, die ist dafür besser

ausgebildet und hat mehr Zeit Wir haben genug damit zu tun, unsere Patienten /

Bewohner ausreichend zu versorgen Meine Spiritualität ist meine Privatsache, die

niemanden etwas angeht.

PROFESSUR FÜR SPIRITUAL CAREResults

Patienten evaluieren SPIR als hilfreich und nicht belastend.

Patienten bevorzugen es, von ÄrztInnen nach ihrer Spiritualität gefragt zu werden.

...burdensome

“Not at all” “As high as possible”

...helpful

"Do you consider SPIR being...?"

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Physician Patient

...burdensome

... helpful

Frick et al. : Physicians’ and Patients’ RatingsFollowing the SPIR Interview (p = .25).

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www.spiritualcare.de 30

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Zusammenfassung

Spiritual Care ist eine (interdisziplinäre) Aufgabe aller in der Begleitung Schwerkranker, Sterbender und Angehöriger.

Die Grenzen von Spiritual Care liegen in der Autonomie des Patienten und in seinen Optionen und Bedürfnissen.

Spiritual Care verlangt geregelte Kooperation.

Aufgaben:

Forschung - Spiritualität als mögliche Ressource in verschiedenen medizinischen Fachgebieten.

Lehre – Spiritualität in der Ausbildung Ehrenamtlicher und Professioneller

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Rituale am Sterbebett

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Häufigkeit von Sakramenten und Ritualen in der Seelsorge allg.

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Seelsorge konkretT. Hagen, T. Roser, C. Forster, GD Borasio (DGP 2008)

Dokumentation von SeelsorgerInnen an 8 Hospizen / Palliativstationen, 2007. (n=250)

55,2% aller Seelsorge-Kontakte beinhalten rituelle Handlungen

Patient allein: rituelle Handlungen in 55% Patient und Angehörige: rituelle Handlungen in 72%Angehörige allein: kein Ritual

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Ritualisierte Praktiken spielen beim Übergang vom Leben zum Tod eine zentrale Rolle.

Es gibt es keine einheitliche, interdisziplinäre Definition dessen, was als „rituell“ beschrieben werden kann.

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Unter Ritual versteht man bestimmte Verhaltensweisen (Riten), die bei bestimmten Anlässen immer wieder und gleich auftreten. Es sind nach festen Regeln durchgeführte Handlungen mit hohem Symbolgehalt, die religiöser oder weltlicher Art sein können.

Arbeitsdefinition

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Aspekte des Rituals

• Wiederholung

• Tun

• Ordnung

• Sinnträchtig

• Kollektiv

• Verwendung von Symbolen

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Ethnologie

A. van Gennep: Rituale gestalten Übergänge 3 Phasen:

• Trennung (Waschungen, Reinigung),• Schwelle/Umwandlung • (Re-)integration in neue soziale Position

Victor Turner: mittlere Phase (Liminalität/Schwelle): • transformierende Kraft von Ritualen • Rituale strukturieren Chaotisches • kanalisieren Emotionen

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Ritual als Inszenierung

Rituale sind kulturelle Praxis (z.T. religiöse Traditionen) hier und jetzt konkret Tradition und Situation

Wie ein Schauspiel immer wieder neu inszeniert. Beteiligte Personen werden „in Szene gesetzt“.

Traditionelle Form und konkrete Lebenssituation müssen zusammen passen!

Alle Beteiligten entwickeln gemeinsam etwas, was ihr Denken, Fühlen und Handeln verändert: Wirksamkeit

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Rituale bei Sterbenden ermöglichen Teilhabe am Leben

am eigenen Leben: Biografie

am gemeinsamen Leben: Angehörige, Betreuer und Glaubensgemeinschaft

am transzendenten Leben: über den Tod hinaus (Überlebende und Sterbende)

am ganzheitlichen Leben: Rituale sind verbal und sinnlich-nonverbale Kommunikation

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Christliche Symbole

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Kasualien als Integral des Lebenslaufs (prot.)

Geburt Tod

Taufe Konfirmation Ehe

In den Tod getauft

Mehrere ‚kleine‘ Kasualien‘ Bestattung

Durch die Taufe den Tod überwunden

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Rituale im Krankenhaus

Geprägte Formen (zB nach Agende)Konfessions-/ Religions-verbindende FormenKreative Formen / neue Rituale

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PROFESSUR FÜR SPIRITUAL CAREHeilszeichen/Rituale um den Tod

Tod

Krankensalbung Kommunion

/ Abendmahl

Ritual beim Sterben

Abschiedsfeier mit Segen

Aussegnung

Beerdigung

Gedenkfeiern

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Partnerschaftssegung

Liebesbeziehungen

Kirchliches Trauungsritual: Segen „in guten und in schlechten Tagen bis der Tod euch scheidet“

Jetzt: schlechte Tage? Anstehender Tod: Veränderung der Beziehung

Trennung: Rückblick, Dank, Vergebung

Schwelle: Bestätigendes Ja-Wort

Reintegration: Gegenseitiger Segen als Wunsch für den weiteren Lebens-Weg

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Ritual fürs Team - Inhalt

Sinn des Leidens,

des eigenen (!) Lebens,

des eigenen Berufs.

Aushalten müssen der besonderen Situation im Alltag,

Schaffung von Räumen

Frage nach der Kraftquelle

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Ritual - Gedenkfeier fürs TeamVersammelnTextNamen verlesenAusdruck gebenKerzen anzündenPlatz für WichtigesText

PROFESSUR FÜR SPIRITUAL CARE

Mein Ritual – allgemein

Eigenen Gefühle wahrnehmen, ernst nehmen und deuten

Ganz nah sein und doch ganz außen

Zeit für den eigenen Prozess

Entwicklung eigener Rituale

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

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