Evidenz-basierte Reproduktionsmedizin L. Wildt, P. Licht Univ. Klinik für Gynäkologische...

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Evidenz-basierte Reproduktionsmedizin

L. Wildt, P. Licht Univ. Klinik für Gynäkologische Endokrinologie

und Reproduktionsmedizin

Department FrauenheilkundeMedizinische Universität Innsbruck

EBM und Metaanalysen als „heilige Kuh“

der modernen Medizin ?

Prinzipien der Evidence-based medicine

expertopinions

Evidence-Based Medicine came to the fore in the early 1990s and has become a major driving force for many national healthcare organisations. The term and concept originated at McMaster University. It has been defined as "the integration of best research evidence with clinical expertise and patient values" (Sackett, 2000).

Evidence-Based Medicine = Evidenz-basierte Medizin (EbM)

Evidence-Based Medicine is a brain child of Clinical Epidemiology.

DAVID L. SACKETT et al., BMJ VOLUME 312, 13 JANUARY 1996, pp. 71-72

MMW Originalia, Editorial, Münch. Med. Wschr. 139 (1997) Nr. 44, S. 644-645

Meta - Analyse

Forest - Plot

Stud

ien

1

2

3

4

M

0.5 1.0 1.5 2.0Effektstärke (odds ratio, OR) Wienker 2009

Szenario 1 Szenario 2

Szenario 3 B Szenario 3 A

?

??

Wienker 2009

Dtsch Aerztebl 106(7), 13. Februar 2009, pg. 99

Dtsch Aerztebl 106(7), 13. Februar 2009, pp. 100-105

Dtsch Aerztebl 106(11), 13. März 2009, pp. 184-189

BIOMETRIC BULLETIN, pp. 19-3Vol. 19 No. 3 & 4, July – December 2002

Epidemiological studies ...that just goes to show !

Wienker 2009

Wienker 2009

Ein fehlender Nachweis der Wirksamkeitist N I C H T

der Nachweis der Nicht - Wirksamkeit

Absence of Evidenceis N O T

Evidence of Absence

Evidence Based Medicine ......

Kritik an der EBM- Religion• Berücksichtigung englischsprachiger Arbeiten

• Prinzip der Randomisierung: Patienten sind keine genetisch homogene Versuchstiere

• Therapieentscheidungen beruhen auf der Entscheidung von Arzt und nicht randomisierter Patientin

Ovarielle Stimulationstherapie in der PraxisIst Clomifen noch zeitgemäß ?

Cochrane Metaanalyse aus 12 adäquaten prospektivrandomisierten Studien (Beck et al. 2005, Cochrane Database)

Clomifen erhöht die Schwangerschaftsraten signifikantgegenüber Placebo (OR 5.8, 95% CI 1.6 – 21.5)

Die Kombination mit Dexamethason (OR 11.3, 95%CI 5.3 - 24) oder die Vorbehandlung mit einer Pille (OR 27.2, 95% CI 3.1 – 235.0) verbessern beim PCOS dieErgebnisse signifikant

A EvidenceLevel 1 a

Clomifen ist nach wie vor die Therapieder 1. Wahl bei anovulatorischer

und idiopathischer Sterilität

Führen Sie bei einer ovariellen Stimulations-therapie immer Ultraschallkontrollen durch !

- Timing der Ovulation und des Konzeptions-optimums

- Erhebliches Mehrlingsrisiko !!!auch bei Clomifen, besonders beim PCOS

- Beurteilung despräovulatorischenEndometriums

Fanchin et al. (2000)Fertil Steril 74: 274-81

Abnehmende Implantationsraten (IR)

35% 23% 17% 6% 7% 3%IR

Muss bei PCOS mit Insulinresistenz immer eine Basistherapie mit Metformin

erfolgen ?The role of metformin in polycystic ovary syndromeMoll E, van der Veen F, van Wely M (2007)Hum Reprod Update (ahead of print)

27 RCTs

Kein Unterschied in der Lebendgeburtenrate im VergleichMetformin vs. Placebo

(OR 0,73, 95% CI 0,51 – 1,1)

Bei CC-resistenten Frauen führte die Vorbehandlung mitMeformin zu signifikant höhren Lebendgeburtraten

(OR 6,4, 95% CI 1,2 – 35)

Muss bei PCOS mit Insulinresistenz eine Metformintherapie vor einer IVF

erfolgen ?Kein Hinweis auf höhere Lebendgeburtraten wenn Metforminzusätzlich zu FSH oder HMG im IVF-Programm gegeben wurde

Signifikante Reduktion der OHSS-Raten unter Metformin

(OR 0,33, 95% CI 0,13 – 0,80)

Fazit : Auch beim PCOS sollte zunächst mitClomifen begonnen werden, bei Resistenz kannauf Metformin eingestellt werden

Wann sollte man auf Gonadotropineumsteigen ?

- primär bei hypothalamischer oder hypophysärerOvarialinsuffizienz (HMG !)

- bei Clomifen-Versagern- falls nach 3-6 Zyklen Clomifen keine SS eintritt- falls das Endometrium nicht optimal

aufgebaut wird

Die meisten Schwangerschaften unter Clomifenerreicht man in den ersten drei Zyklen.

Welches Gonadotropin sollte eingesetzt werden ?

Keine Verbesserung der Lebendgeburtenrate durch den Zusatz von r-LH zu r-FSH in Agonistenprotokollen (OR 0,92, 95% CI 0,65 – 1,31)Kolibianakis et al. (2007) Hum Reprod Update 13: 445-52

Human menopausal gonadotropin versus recombinant follicle stimulationhormone for ovarian stimulation in assisted reproductive cyclesVan Wely M, Westergaard LG, Bossuyt PMM, Van der Veen F (2003)

8 RCT

Kein signifkanter Unterschied in der Lebendgeburtenratezwischen HMG und r-FSH

(OR 1,27, 95% CI 0,98 – 1,64)

r-FSH HMG

Andrologische Sterilität

Varikozelen-OPSinn oder Unsinn ?

Surgery or embolisation for varicocele insubfertile menEvers JL, Collins JA (2004)Cochrane Database

9 RCTs

Kein Vorteil der Varikocelentherapiegegenüber expektativem Vorgehen

(OR 1,10, 95% CI 0,73 – 1,68)

Die operative Sanierung einer Varikocele sollteallenfalls in ausgeprägten Fällen empfohlen werden.

Ist die Insemination imART-Zeitalter obsolet ?

17 RCT mit 3662 ZyklenDie IUI im natürlichen Zyklus erhöht die SS-Ratengegenüber VZO

(OR 2.43, 95% CI 1.54-3.83)

Eine zusätzliche ovarielle Stimulationstherapie führt zu einer Versechsfachung der SS-Raten

(OR 6.23, 95% CI 2.35-16.52)

Wenn mehr als 1 Mio. bewegliche Spermatozoen vorhandensind, sollte die IUI mit aufbereiteten Spermatozoen

bevorzugt im stimulierten Zyklus empfohlen werden.

Ist es sinnvoll im Rahmen der assistiertenReproduktion grundsätzlich die ICSI

einzusetzen ?Indikation :- < 1 Mio. progressiv motile Spermatozoen- bei Azoospermie mit

MESA oder TESE- Keine Befruchtung im IVF

ICSI versus conventional techniques for oocyte inseminationduring in vitro fertilisation in patients with non-male subfertilityVan Rumste MME, Evers JLH, Farquhar CM (2003), Cochrane Database1 RCT

Bei normalem Spermiogramm ist die ICSI der konventionellenIVF nicht überlegen (OR 1,40, 95% CI 0,95 – 2,2)

Verbessert der Blastozystentransferdie Ergebnisse im IVF ?

Cleavage stage versus blastocyst stage embryo transferIn assisted conceptionBlake D, Proctor M, Johnson N, Olive D (2005)Cochrane Database

45 RCTs

Kein Unterschied in der Lebendgeburtenrate

(OR 1,16, 95% CI 0,74 – 1,44) (Tag 2/3 34,3% vs. Tag 5/6 35,4%)

Kein Unterschied in der Schwangerschaftrate

(OR 1,05, 95% CI 0,88 – 1,26) (Tag 2/3 38,8% vs. Tag 5/6 40,3%)

Idiopathische Sterilität undintrauterine Insemination

Intrauterine Insemination for unexplainedinfertilityVerhulst SM et al. (2006)Cochrane Database

6 RCTsSignifikante Erhöhung der SS-Rate nurin stimulierten Zyklen(OR 1,68, 95% CI 1,13 – 2,50)

Signifikant höhere Lebendgeburtenratein stimulierten vs. natürlichen IUI-Zyklen(OR 2,07, 95% CI 1,22 – 3,50)

Inseminationen bei unklarer Sterilitäts-ursache bevorzugt im stimulierten Zyklus

Idiopathische SterilitätBesser gleich IVF ?

In vitro fertilisation for unexplainedinfertilityPandian Z et al. (2005)Cochrane Database

10 RCTsSignifikante Erhöhung der SS-Rate gegenüberabwartendem Verhalten(OR 3,24, 95% CI 1,07 – 9,80)

Kein Unterschied in der Lebendgeburtenratezwischen IVF und Insemination(OR 1,15, 95% CI 0,55 – 2,40)

Bei idiopathischer Sterilität sollten zunächstInseminationen im stimulierten Zyklus versucht werden

Operative Therapie bei Sterilität

Primum nihil nocere

Sollte eine Hydrosalpinx vor einerSterilitätstherapie entfernt werden ?

Johnson et al. (2004), Cochrane Database

Die Schwangerschafts- und Lebendgeburtsraten steigen nacheiner laparoskopischen Salpingektomie vor IVF signifikant an.

(OR 2.13, 95% CI 1.24 - 3.65)

Ja !

Vor einer assistierten Reproduktion sollteeine Sactosalpinx operativ entfernt werdenA Evidence

Level 1 a

Müssen Myome vor einer Sterilitätstherapiegrundsätzlich entfernt werden ?

Pritts EA (2001)Obstet Gynecol Surv 56: 483-91

Kein Einfluß von Myomen ohne submuköseKomponente auf das FertilitätspotentialSignifikante Reduktion der SS-Rate beiFrauen mit submukösen Myomen(OR 0.30, 95% CI 0.13-0.70)

Signifikante Verbesserung der SS-Ratennach Resektoskopie submuköser Myome(OR 1.72, 95% CI 1.13-2.58)

Kein Einfluß der Myomenukleation imGesamtkollektiv

Nur Myome mit submuköser Komponente solltenvor einer Kinderwunschbehandlung

entfernt werden.A Evidence

Level 1 a

Spielt die Endometriose im IVFeine Rolle ?

Barnhart et al.Fertil Steril 2002; 77: 1148-55

Metaanaylse aus 22 Studien

Die Chance mit IVF/ET schwanger zu werden ist für Endometriosepatientinnen signifikant geringer als im Normalkollektiv (OR 0.56, 95% CI 0.44-0.70)

Patientinnen mit schwerer Endometriose hatten signifikantgeringere SS-Raten im Vergleich zu Patientinnen mit milderEndometriose. (OR 0.60, 95% CI 0.42-0.87)

Die Chancen durch IVF schwanger zu werdenreduzieren sich bei Endometriose auf etwa

die HälfteA Evidence

Level 1 a

Ist die operative Sanierung einer leichten Endometriose sinnvoll ?

Laparoscopic surgery for subfertility associated with endometriosisJacobson TZ, Barlow DH, Koninckx PR, Olive D, Farquhar C (2002)Cochrane Database

2 RCT !!!

Die operative Sanierung einer leichten Endometriose scheint eineleichte Verbesserung der Schwangerschaftraten zu bewirken

(OR 1.64, 95% CI 1.05 to 2.57)

Die operative Sanierung einer leichten Endometriosesollte im Rahmen der diagnostischen Laparoskopie

erfolgen.

Sollte eine Endometriose bei Kinderwunsch medikamentös

behandelt werden ?Ovulation suppression for endometriosisHughes E, Brown J, Collins JJ, Farquhar C, Fedorkow DM, Vandekerckhove PCochrane Database (2007)24 RCTs

Die Ovulationsunterdrückung mit GnRH-Analoga, Pille oderGestagenen führt nicht zu einer Erhöhung der SS-Ratengegenüber Placebo

(OR 0,79, 95% CI 0,54 – 1,14)

A EvidenceLevel 1 a

Sollte eine Endometriose vor einer IVF medikamentös behandelt werden

?Long-term pituitary down-regulation before in vitro-fertilisation(IVF) for women with endometriosisSallam HN, Garcia-Velasco JA, Dias S, Arici A (2006)Cochrane Database

3 RCTsDie Vorbehandlung mit GnRH-Analoga führt zu einer signifikantenErhöhung sowohl der SS-Raten …

(OR 4,28, 95% CI 2,00 – 9,15)

… als auch der Lebendgeburtenrate in der IVF

(OR 9,19, 95% CI 1,08 – 78,22)

Assistierte Reproduktion und EndometrioseESHRE-guidelines for diagnosis and treatment of endometriosis

Frauen mit Endometriose sollten im stimulierten Zyklusinseminiert und ggf. rasch in das IVF-Programm

aufgenommen werden. Die Stimulation sollte aus einer 3-6 monatigen down-regulation heraus erfolgen.

Intra-uterine insemination

In vitro fertilisation

Die intrauterine Insemination (IUI) erhöht dieSchwangerschaftsraten bei milder Endometriose

Nur die IUI im stimulierten Zyklus ist effektivA Evidence

Level 1 a

B EvidenceLevel 2 b

Implantationsversager undHabituelle Aborte

Therapeutische Ansätze

Reduktion der Abortratenallein durch

„tender loving care“von ca. 68% auf ca. 26 %

Keine validen Daten zumEinfluß der Betreuungs-

intensität und Zuwendungauf die Implantationsratenim IVF/ICSI-Programm !!!

„Die Droge Arzt“

Achten Sie auf eine adäquate Lutealphase

Iatrogener Lutalphasendefekt in down-regulierten Zyklen

GnRH-AnalogaMetaanalyse aus 59 RCTs :•i.m.Progesteron(OR 2.34, 95% CI 1.32- 4.29)

•vaginales Progesteronkein Einfluß auf die SS- RateI mplantationsrate verbessert

•Östradiol zusätzlichkein Einfluß auf die SS- RateI mplantationsrate verbessert

Pritts and AtwoodHumReprod 2002; 17: 2287- 99

Progesteron Supplementation in der Frühschwangerschaft nach IVF / ICSI scheint keinen Einfluß auf die Abortrate zu haben8.5 % vs. 10.0 % Frühaborte Andersen et al. (2002)

HumReprod 17: 357- 61

Denken Sie wieder vermehrt an hCG !

hCG

Expression funktionellerhCG/LH- Rezeptoren im Endometrium(Licht et al. 2003, Fertil Steril 79 (Suppl.1): 718- 23

LIF M- CSF IGFBP- 1

Metaanalyse aus 59 RCTs

Signifikant erhöhte SS- Raten(OR 2.38, 95% CI 1.32- 4.29)

Signifikant geringere Abortraten(OR 0.12, 95% CI 0.03- 0.50)

aber

20- fach erhöhtes OHSS- Risiko

Cochrane Database of SystematicReviews 1, 2005

Renaissance von hCG in der Lutealphasen-substitution

Klinische Hinweise auf einen direktenEinfluß von hCG auf die Implantation

Tesarik et al. 2003Reprod Biomed Online 7: 59-64

Oozyten-donation

Art. Zyklus +5000 IU hCG

Art. Zyklus +Plazebo

Oocyten derselbenDonorin randomisiert

verteilt

Die Verabreichung von hCG scheint u.a.durchdirekte Effekte am Endometrium zu besseren

Implantationsraten zu führen

30,6 %

20,7 %

Implantations-Rate / Embryo

Ist die Gestagengabe in der Frühschwanger-schaft bei drohenden

Aborten sinnvoll ?Progestogen for preventing recurrent miscarriageOates-Whitehead RM, Haas DM, Carrier JAK (2003)Cochrane Database14 RCTs

Kein signifikanter Unterschied zwischen Progesteron undPlacebo im Gesamtkollektiv

(OR 1,05, 95% CI 0,83 – 1,34)

Bei den Frauen mit 3 oder mehr Aborten in der Vorgeschichte warProgesteron wirksam

(OR 0,39, 95% CI 0,17 – 0,91)

Haben immunologische Therapien einen gesicherten Stellenwert bei habituellen

Aborten ?Immunotherapy for recurrent miscarriage, 23 RCTsPorter TF, LaCoursiere Y, Scott JR (2006), Cochrane Database

Immunologische Therapieansätze entbehrenbislang jeder abgesicherten Grundlage

Paternale ImmunisierungKeine nachgewiesene Wirkung in prospektiven Studien(OR 1,23, 95% CI 0,89 – 1,70)

Immunglobuline (Kosten: bis € 20.000)Keine nachgewiesene Wirkung in prospektiven Studien,Teuer, gravierende Nebenwirkungen(OR 0,98, 95% CI 0,61 – 1,58)

Leukonorm® (Kosten: bis € 6000)Soll die Implantationsrate erhöhen, zugelassen für habituelle Aborte.aber: keine RCTs, keine peer-reviewed Publikationen, Wirkmechanismus unklar

AntikoagulanzienAnticoagulants for the treatment of recurrent pregnancy loss in womenwithout antiphospholipid syndromeDi Nisio M, Peters LW, Middeldorp S, Cochrane Database (2005)2 RCT

Kein Unterschied zwischen ASS 100 und Placebo bei habituellenAborten ohne APL-Antikörper

OR 1,00, 95% CI 0.78 - 1.29

Nieder-molekulares Heparin führte zu signifikant höherenLebendgeburtenraten als Placebo

OP 10,0, 95 % CI 1,56 – 94,2

Nachgewiesener Effekt für Heparin, bzw.für Heparin + ASS beim

AntiphospholipidsyndromB Evidence

Level 1 b